BBl 2025 565
CH - Bundesblatt

Botschaft zum Bundesgesetz über die Zustellung von Sendungen an Wochenenden und Feiertagen

Botschaft zum Bundesgesetz über die Zustellung von Sendungen an Wochenenden und Feiertagen
vom 12. Februar 2025
Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über die Zustellung von Sendungen an Wochenenden und Feiertagen. Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben:
2022 M 22.3381 Harmonisierung der Fristenberechnung (N 8.6.2022; S 27.9.2022)
Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
12. Februar 2025 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Karin Keller-Sutter Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Übersicht
Die Schweizerische Post stellt «A-Post Plus»-Sendungen auch am Samstag nachverfolgbar zu, was Nachteile für die Empfängerin oder den Empfänger haben kann. Der Gesetzgeber löste das Problem in der Zivilprozessordnung mit einer neuen Regel : Fristsetzende Mitteilungen, die an Wochenenden oder Feiertagen zugestellt werden, gelten erst am nächsten Werktag als erfolgt. Diese Regelung soll nun auf alle anderen einschlägigen Bundesgesetze übertragen werden, um einheitliche Zustellregeln zu schaffen.
Ausgangslage
Die meisten Erlasse des Bundes erlauben die Zustellung von fristsetzenden Mitteilungen (z. B. eine behördliche Verfügung, ein Gerichtsurteil oder eine Vertragskündigung) mit gewöhnlicher Post wie z. B. «A-Post Plus». Erfolgt die Zustellung am Samstag, beginnt die Frist nach bisherigem Recht am Sonntag zu laufen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Empfängerin oder der Empfänger von der Mitteilung tatsächlich Kenntnis genommen hat. Die Zustellung an einem Samstag kann zu Nachteilen führen, wenn die Empfängerin oder der Empfänger am Samstag (büro-)abwesend ist oder sich über den Zeitpunkt der Zustellung irrt. Bei verspäteter Kenntnisnahme wird die zur Verfügung stehende Zeit um die entsprechende Anzahl Tage geschmälert. Zudem läuft die Empfängerin oder der Empfänger Gefahr, säumig zu werden und dadurch einen Rechtsverlust zu erleiden.
Um diesen Nachteilen zu begegnen, sieht Artikel 142 Absatz 1bis der Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) vor, dass die Zustellung einer Sendung an einem Samstag, einem Sonntag oder einem anerkannten Feiertag durch gewöhnliche Post erst am nächsten Werktag als erfolgt gilt (Zustellungsfiktion). Diese Bestimmung ist auf den 1. Januar 2025 in Kraft getreten. Die Motion 22.3381 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats «Harmonisierung der Fristenberechnung» bezweckt, die für die Zivilprozessordnung gefundene Lösung auf alle anderen Erlasse zu übertragen, die Regeln zur Fristenberechnung enthalten. Der Bundesrat ist beauftragt, einen Entwurf zur Vereinheitlichung der Fristenberechnung bei der Zustellung von fristsetzenden Mitteilungen an einem Wochenende oder Feiertag vorzulegen. Die vorliegende Vorlage setzt das Anliegen dieser Motion um.
Inhalt der Vorlage
Zur Umsetzung des Motionsauftrags wird ein zweigleisiges Vorgehen gewählt: Zum einen werden diejenigen Bundesgesetze revidiert, die Regeln über die Berechnung von Fristen enthalten, in die eine neue Regel über die Samstagszustellung integriert werden kann. Dazu gehören das Verwaltungsverfahrensgesetz, das Bundesgerichtsgesetz, das Militärstrafgesetz, der Militärstrafprozess, das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, das Steuerharmonisierungsgesetz und das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts. Das Obligationenrecht (OR, SR 220) wird redaktionell angepasst. Zum andern wird eine Auffangregelung geschaffen, indem das Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen mit einer neuen Bestimmung über die Zustellung von Sendungen an Wochenenden und Feiertagen ergänzt wird. Dieses Vorgehen ermöglicht eine einheitliche Lösung für das gesamte Bundesrecht. Die Änderungen erfolgen in der Form eines Mantelerlasses.
Die vorliegende Vorlage berücksichtigt aus kompetenzrechtlichen Gründen nur das Bundesrecht. Um eine umfassende Vereinheitlichung in der gesamten Rechtsordnung zu erreichen, werden die Kantone ihre Gesetzgebung gegebenenfalls anpassen müssen. Die Kantone haben in der Vernehmlassung keine diesbezüglichen Umsetzungsschwierigkeiten geltend gemacht.
Botschaft

1 Ausgangslage

1.1 Handlungsbedarf und Ziele

Die Motion der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-N) 22.3381 «Harmonisierung der Fristenberechnung» beauftragt den Bundesrat, einen Entwurf zur Vereinheitlichung der Fristenberechnung in der schweizerischen Rechtsordnung vorzulegen. Anlass des Vorstosses bildet die Versandmethode «A-Post Plus», mit der die Schweizerische Post Sendungen auch an Samstagen nachverfolgbar zustellt. Diese «Samstagszustellung» kann für die Empfängerin oder den Empfänger mit Nachteilen verbunden sein. Zu deren Behebung hat der Gesetzgeber im Rahmen der im September 2023 abgeschlossenen ZPO-Revision (20.026) einen neuen Artikel 142 Absatz 1bis der Zivilprozessordnung (ZPO) ¹ eingefügt, mit welchem die Zustellung von fristsetzenden Mitteilungen mit gewöhnlicher Post an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag in Zivilverfahren auf den folgenden Werktag fingiert wird (im Folgenden: Zustellungsfiktion). Diese Revision ist per 1. Januar 2025 in Kraft getreten. ²
Die Motion RK-N 22.3381 bezweckt, die für die ZPO gefundene Lösung auf alle anderen Erlasse zu übertragen, die Regeln zur Fristenberechnung enthalten. Sie will sicherstellen, dass in der übrigen Rechtsordnung dieselben Regeln für die Zustellung von fristsetzenden Sendungen gelten wie im Bereich des Zivilprozessrechts.
Zur Umsetzung der Motion RK-N 22.3381 schlägt der Bundesrat ein zweigleisiges Vorgehen vor, indem sektorielle Regelungen in spezifischen Verfahrens- und Sacherlassen sowie eine Querschnittregelung im Bundesgesetz vom 21. Juni 1963 ³ über den Fristenlauf an Samstagen geschaffen werden:
-
Zum einen sollen jene Erlasse, die Regeln zur Fristenberechnung enthalten, mit einer Zustellungsfiktion im Sinn von Artikel 142 Absatz 1bis ZPO ergänzt werden. Solche Bestimmungen sind in den meisten Verfahrenserlassen sowie vereinzelt in Sacherlassen anzutreffen. Andere Erlasse müssen infolge dieser Ergänzungen redaktionell angepasst werden. Von der Vorlage betroffen sind das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1968 ⁴ (VwVG), das Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 ⁵ (BGG), das Obligationenrecht (OR) ⁶ , das Militärstrafgesetz vom 13. Juni 1927 ⁷ (MStG), der Militärstrafprozess vom 23. März 1979 ⁸ (MStP), das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 ⁹ über die direkte Bundessteuer (DBG), das Steuerharmonisierungsgesetz vom 14. Dezember 1990 1⁰ (StHG) und das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 1¹ über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG).
-
Zum anderen ist für jene Erlasse, die zwar Fristen setzen, jedoch keine Berechnungsregeln enthalten, in welche sich die Zustellungsfiktion einbetten lässt, eine Auffangordnung zu schaffen. Dies gilt insbesondere für die Fristen des materiellen Zivil- und Strafrechts (dazu Ziff. 4.1.1). Mit dem Ziel einer möglichst weitreichenden Lösung auf Stufe Bund ist eine Ergänzung des Bundesgesetzes über den Fristenlauf an Samstagen vorgesehen (dazu Ziff. 5.3).
Die Umsetzung auf Stufe Bund erfolgt mit einem Mantelerlass mit dem Titel «Bundesgesetz über die Zustellung von Sendungen an Wochenenden und Feiertagen».
¹ SR 272
² AS 2023 491
³ SR 173.110.3
⁴ SR 172.021
⁵ SR 173.110
⁶ SR 220
⁷ SR 321.0
⁸ SR 322.1
⁹ SR 642.11
1⁰ SR 642.14
1¹ SR 830.1

1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

Geprüft und verworfen wurden folgende Alternativen:
-
Totalrevision des Fristenrechts: Eine umfassende Vereinheitlichung der gesetzlichen Regelungen zur Fristenberechnung würde tiefgreifende Eingriffe in ein etabliertes und funktionierendes Regelwerk bedeuten. Theoretisch wäre etwa die Einführung eines «Bundesgesetzes über die Berechnung von Fristen» denkbar, das die bisherigen sektoriellen Bestimmungen ersetzt und vereinheitlicht. Eine isolierte Betrachtung der Berechnungsregeln wäre jedoch nicht zielführend. Vielmehr müsste das gesamte Fristenrecht geprüft werden, einschliesslich der Regelungen zur Fristeinhaltung, Fristerstreckung, Stillstand, Säumnis, Wiederherstellung und Zustellungsformen). Für ein derart weitreichendes Vorhaben besteht jedoch weder eine offensichtliche Notwendigkeit noch entspricht es dem Motionsauftrag.
-
Umfassende Vereinheitlichung des Fristenrechts: Die Fristbestimmungen in den verschiedenen Verfahrenserlassen sind bereits weitgehend harmonisiert. ¹2 Dennoch bestehen im Detail Unterschiede, etwa beim Ablauf von Monatsfristen ¹3 oder bei der Berechnung von betreibungsrechtlichen Fristen. ¹4 Angesichts der von der Rechtsprechung gefundenen Lösungen erscheint eine Ergänzung der betroffenen Erlasse im Rahmen der vorliegenden Vorlage jedoch nicht erforderlich. Ein derartiges Vorhaben würde zudem über den Rahmen des Motionsauftrages hinausgehen.
Die gewählte Lösung beschränkt sich daher auf die Lösung des Problems der Zustellung von Sendungen mit einfacher Post wie «A-Post Plus», an Wochenenden und Feiertagen. Darüber hinausgehender Revisions- bzw. Harmonisierungsbedarf im Bereich der Zustellung beziehungsweise der Fristenberechnung besteht dagegen derzeit nicht.
Die vorgesehene Vereinheitlichung der Fristenberechnung im Fall der «Samstagszustellung» entlastet alle natürlichen und juristischen Personen in der Schweiz gleichermassen. Es entstehen keine zusätzlichen Kosten. Besondere Vereinfachungen für kleine und mittlere Unternehmen sind daher nicht vorgesehen (Art. 4 Abs. 1 Bst. a des Unternehmensentlastungsgesetzes vom 29. September 2023 ¹5 , UEG).
¹2 Vgl. Ernst/Oberholzer/Sunaric, Fristen und Fristberechnung im Zivilprozess (ZPO-BGG-SchKG), 2. Aufl. 2021, Rz. 7.
¹3 Vgl. beispielhaft Urteil BGer 5A_691/2023 vom 13. August 2024 E. 5.6 (zur Publikation vorgesehen).
¹4 Vgl. Stéphane Abbet, Délais, féries et suspensions selon la LP, le CPC et la LTF - Etat des lieux et perspectives d’harmonisation, in: Z SR 142 /2023 S. 319-345.
¹5 SR 930.31

1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 24. Januar 2024 ¹6 zur Legislaturplanung 2023-2027 noch im Bundesbeschluss vom 6. Juni 2024 ¹7 über die Legislaturplanung 2023-2027 angekündigt.
¹6 BBl 2024 525
¹7 BBl 2024 1440

1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die vorliegende Vorlage erfüllt das Kernanliegen der Motion RK-N 22.3381. Der Bundesrat beantragt daher die Abschreibung dieses parlamentarischen Vorstosses. Unberücksichtigt bleiben folgende Aspekte:
-
Die Motion verlangt die Vereinheitlichung der Fristenberechnung «in der schweizerischen Rechtsordnung». Die vorliegende Vorlage kann aus kompetenzrechtlichen Gründen einzig das Bundesrecht berücksichtigen (zur Kompetenzlage vgl. Ziff. 7.1, zur Besonderheit des Steuerharmonisierungsgesetzes vgl. Ziff. 5.8). Die Kantone haben sich im Rahmen der Vernehmlassung zum Anpassungsbedarf in ihren Rechtsordnungen äussern können (vgl. Ziff. 2.1). Spezifische Umsetzungsschwierigkeiten wurden nicht angemeldet. Anzufügen ist, dass im Kanton Appenzell Innerrhoden mit der Revision des Gesetzes über den Fristenlauf bereits eine Anpassung des kantonalen Rechts im Gang ist. ¹8 Mit dieser Revision sollen die Regelungen des Bundesrechts auf die kantonalen Fristen übertragen werden. ¹9 Ebenso hat der Kanton Genf bereits entsprechende Gesetzesanpassungen auf den Weg gebracht. 2⁰ Auch im Kanton Waadt wurde eine vergleichbare Motion angenommen. 2¹ Festzuhalten bleibt, dass aus Sicht des Bundesrates eine schweizweit möglichst einheitliche Regelung der Zustellung von fristsetzenden Sendungen an Wochenenden und Feiertagen ein wichtiges Ziel darstellt.
-
Die Motion verlangt, dass die Zustellungsfiktion auch auf die Strafprozessordnung (StPO) 2² ausgeweitet wird. Der Bundesrat hat bereits in seiner Stellungnahme vom 25. Mai 2022 festgehalten, dass dies keinen Sinn ergibt, weil die Zustellung hier stets durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung erfolgen muss (Art. 85 Abs. 2 StPO sowie BGE 144 IV 57 E. 2.3.1). Eine Zustellung durch gewöhnliche Post ist nicht vorgesehen. Im Rahmen der Vernehmlassung wurde darauf hingewiesen, dass bestimmte kantonale Strafbehörden in der Praxis Zustellung auch durch gewöhnliche Post vornehmen (siehe Ziff. 2.2 und 2.3). In Anbetracht der abschliessenden gesetzlichen Zustellungsregelungen in der Strafprozessordnung sieht der Bundesrat jedoch von einer Änderung der StPO ab.
¹8 www.ai.ch > Politik > Standeskommission > Kantonale Vernehmlassungen > Revision des Gesetzes über den Fristenlauf (FriG) vom 19. September 2024.
¹9 Botschaft der Standeskommission an den Grossen Rat des Kantons Appenzell I. Rh. zur Revision des Gesetzes über den Fristenlauf (FriG), Fassung Vernehmlassung, S. 1.
2⁰ Projet de loi du Grand Conseil de la République et canton de Genève modifiant diverses lois genevoises de procédure pour une harmonisation de la computation des délais, abrufbar unter:
www.ge.ch > Grand Conseil > Recherche > Suchbegriff «
PL 13197 ».
2¹ www.vd.ch > Autorités > Grand Conseil > Séances du Grand Conseil > Séance du Grand Conseil du mardi 19 décembre 2023, point 14 de l’ordre du jour > Motion Alexandre Berthoud et consorts - Harmoniser la computation des délais.
2² SR 312.0

2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1 Vernehmlassungsvorlage

Die Vernehmlassungsvorlage verfolgte einen zweigleisigen Ansatz. Die neue Bestimmung über die Samstagszustellung sollte zum einen in alle Bundesgesetze, die Regelungen über die Fristenberechnung enthalten, aufgenommen werden. Zum anderen war eine Auffangregelung im Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen vorgesehen. Eine Anpassung der Strafprozessordnung war aus den in Ziffer 1.4 dargelegten Gründen nicht vorgesehen. Das kantonale Recht blieb aus kompetenzrechtlichen Gründen ausgeklammert (vgl. Ziff. 1.4). Die Kantone wurden im Rahmen der Vernehmlassung dazu eingeladen, den Anpassungsbedarf in ihren Rechtsordnungen zu beurteilen.
Am 14. Februar 2024 hat der Bundesrat die Vernehmlassung zum Vorentwurf des Bundesgesetzes über die Zustellung von Sendungen an Wochenenden und Feiertagen eröffnet. ²3 Diese dauerte bis am 24. Mai 2024.
Im Rahmen der Vernehmlassung sind 37 Rückmeldungen eingegangen. Es haben sich 26 Kantone, die Verwaltungskommission der Gerichte eines Kantons, zwei in der Bundesversammlung vertretene Parteien, drei Dachverbände der Wirtschaft und vier interessierte Organisationen sowie eine Privatperson geäussert.
²3 Die Vernehmlassungsunterlagen sind abrufbar unter:
www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2024 > EJPD.

2.2 Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Die grosse Mehrheit hat dem Vorentwurf zugestimmt (24 Kantone ²4 , 2 Parteien ²5 , 5 Organisationen ²6 ). Ein Kanton ²7 sowie zwei weitere Teilnehmende ²8 sprachen sich hingegen aus grundsätzlichen Erwägungen gegen die Vorlage aus.
Mehrere Vernehmlassungsteilnehmende haben Änderungsanträge eingebracht. Zwei Kantone regten an, zusätzlich das Steuerharmonisierungsgesetz in die Vorlage einzubeziehen. Eine Organisation schlug vor, die Strafprozessordnung mit einer Zustellungsregelung für einfache Sendungen wie «A-Post Plus» zu ergänzen. Weitere Anliegen betrafen die vorgeschlagene Formulierung der Zustellungsfiktion.
Im Rahmen der Vernehmlassung waren die Kantone eingeladen, den Anpassungsbedarf in ihren Rechtsordnungen zu prüfen und ihre Einschätzung über die Notwendigkeit, den Umfang und allfällige Schwierigkeiten von Revisionsarbeiten mitzuteilen. Elf Kantone haben sich zum Anpassungsbedarf geäussert bzw. eine Überprüfung ihrer Rechtsordnung in Aussicht gestellt. Spezifische Umsetzungsschwierigkeiten wurden nicht genannt. Ein Kanton hält die kantonale Umsetzung für unverhältnismässig aufwändig. Die restlichen vierzehn Kantone haben sich diesbezüglich nicht geäussert.
²4 AG, AI, AR, BE, BL, BS, FR, GE, JU, LU, NE, NW, OW, SG, SH, SO, SZ, TG, TI, UR, VD, VS, ZG, ZH.
²5 Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP), Schweizerische Volkspartei (SVP).
²6 Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB), Schweizerischer Gewerbeverband (SGV), Schweizerischer Anwaltsverband (SAV), EXPERTsuisse, Genève Aéroport.
²7 GL.
²8 Verwaltungskommission der Gerichte des Kantons Glarus sowie eine Privatperson.

2.3 Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Zielsetzung und Stossrichtung der Vorlage wurden von einer grossen Mehrheit der Kantone, Parteien und Organisationen ausdrücklich unterstützt. Lediglich ein Kanton sowie zwei weitere Teilnehmende lehnen die Vorlage gesamthaft ab.
Von besonderer Bedeutung ist die Forderung zweier Kantone ²9 , zusätzlich das Steuerharmonisierungsgesetz in die Vorlage einzubeziehen. Sie machen geltend, der Bund soll seine verfassungsmässige Kompetenz nach Artikel 129 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV) 3⁰ für die Regelung von Verfahrensrecht im Steuerbereich ausschöpfen. Es ergebe wenig Sinn, den Kantonen in der Regelung des Fristenrechts Autonomie einzuräumen. Der Bundesrat stimmt dieser Einschätzung zu und schlägt deshalb eine Änderung des Steuerharmonisierungsgesetzes vor (vgl. Ziff. 5.8). Dadurch wird künftig eine einheitliche Regelung für die Zustellung von Steuersachen an Samstagen auf Bundes- und Kantonsebene gelten.
Eine Organisation 3¹ verlangt die Ergänzung der Strafprozessordnung mit einer Regelung für die «Samstagszustellung». In der Praxis komme es vor, dass die Strafbehörden den Parteien fristauslösende Mitteilungen - entgegen der Bestimmungen der StPO - mit «A-Post Plus» und nicht mit eingeschriebener Post zustellten. Als Beispiel werden Mitteilungen über einen Gutachtensauftrag nach Artikel 184 Absatz 3 StPO genannt, mit denen den Parteien die Gelegenheit gegeben wird, sich innert Frist zur Person der Gutachterin oder des Gutachters und zu den Gutachtensfragen zu äussern. Festzuhalten ist, dass nach geltendem Recht alle Mitteilungen der Strafverfolgungsbehörden immer eingeschrieben oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung zugestellt werden müssen. Das Bundesgericht hat ausdrücklich festgehalten, dass die Zustellung mit «A-Post Plus» den gesetzlichen Anforderungen von Artikel 85 Absatz 2 StPO nicht genügt. 3² Eine Zustellung durch gewöhnliche Post ist nach StPO grundsätzlich unzulässig. Sollte eine abweichende kantonale Praxis bestehen, stünde diese im Widerspruch zur StPO. Wie der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme vom 25. Mai 2022 zur Motion 22.3381 ausgeführt hat, erscheint es nicht sinnvoll, eine Regelung zur Zustellung von einfachen Sendungen an Wochenenden und Feiertagen in die Strafprozessordnung einzuführen, weil diese Zustellungsart generell unzulässig ist. Aus diesem Grund erachtet der Bundesrat die Ausdehnung der Zustellungsfiktion auf die Strafprozessordnung weiterhin als nicht notwendig.
Weitere Bemerkungen und Änderungs- sowie Ergänzungsvorschläge zu einzelnen Bestimmungen werden bei den jeweiligen Artikeln berücksichtigt (vgl. Ziff. 5 ff.).
²9 BE, VS; vgl. Ergebnisbericht Vernehmlassung, Ziff. 4.2.
3⁰ SR 101
3¹ Schweizerischer Anwaltsverband SAV; vgl. Ergebnisbericht Vernehmlassung, Ziff. 3.3.
3² BGE 144 IV 57 E. 2.3.1; ferner Jositsch/Schmid, Praxiskommentar Schweizerische Strafprozessordnung, 4. Aufl. 2023, Art. 85 StPO, N 4.

3 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

3.1 Rechtslage in Nachbarländern der Schweiz

3.1.1 Frankreich

Frankreich kennt keine generelle Regelung betreffend Beginn einer Frist an einem Samstag. Eine Frist wird, da fristauslösende Mitteilungen im französischen Verfahrensrecht grundsätzlich gegen Empfangsbestätigung persönlich überbracht oder versendet werden, am Tag des Empfangs der Mitteilung ausgelöst, wobei die Frist in den meisten Fällen am nächsten Tag zu laufen beginnt. Geregelt ist hingegen, dass beim Fristende an einem Wochenende oder Feiertag sich das Ende einer Frist auf den nächstfolgenden Werktag verschiebt. Diese allgemeine Verlängerungsregel gilt für alle Sachverhalte und alle Verfahren und wird auch auf vertraglich vereinbarte Fristen angewendet.

3.1.2 Deutschland

Deutschland kennt keine übergreifende Regelung betreffend Beginn einer Frist an einem Samstag. Bei der Berechnung von Fristen wird generell der Tag des auslösenden Ereignisses wie namentlich die Zustellung nicht mitgerechnet (§ 187 Bürgerliches Gesetzbuch). Im zivilgerichtlichen Verfahren erfolgen amtliche Zustellungen nach den §§ 166-190 der Zivilprozessordnung. Geregelt sind darin namentlich die postalische Zustellung gegen Empfangsbekenntnis sowie die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein. Die Strafprozessordnung und weitere Verfahrenserlasse verweisen auf die Zustellungsvorschriften der Zivilprozessordnung. Für das verwaltungsbehördliche Verfahren gilt darüber hinaus das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG). Dieses regelt das Zustellverfahren der Bundesbehörden und der Landesfinanzbehörden. Unter anderem können Zustellungen durch die Post mittels Einschreiben erfolgen (§ 4 VwZG). Zum Nachweis der Zustellung genügt der Rückschein. Das Dokument gilt grundsätzlich am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, wobei diese Fiktion auch an Samstagen, Sonntagen oder Feiertagen eintreten kann. Möglich ist des Weiteren die Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde, wobei die §§ 177-182 der Zivilprozessordnung anwendbar sind (§ 3 VwZG). Zulässig ist ferner die Zustellung durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis. In diesem Fall unterschreibt die Empfängerin oder der Empfänger ein mit dem Datum der Aushändigung versehenes Empfangsbekenntnis. Die zustellende Beamtin oder der zustellende Beamte vermerkt das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des
auszuhändigenden
Dokuments. Die Zustellung durch Behörden darf grundsätzlich nicht an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit erfolgen (§ 5 Ziff. 3 VwZG).

3.1.3 Österreich

Im österreichischen Verfahrensrecht gilt für alle Rechtsgebiete, dass d
er Beginn und der Lauf von gesetzlichen und richterlichen Fristen durch Samstage, Sonntage, Feiertage oder den Karfreitag nicht behindert werden. Fällt jedoch das Ende einer Frist auf einen dieser Tage, ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen. Für Fristen unter Privaten gilt für den Fristbeginn, dass e
ine durch Vertrag bestimmte Frist vorbehaltlich anderer Festsetzung so zu berechnen ist, dass der Tag nicht mitgezählt wird, auf den das fristauslösende Ereignis fällt. Über den Beginn oder das Ende einer Frist an einem Wochenende oder Feiertag ist in diesem Bereich keine Regelung vorhanden.
Bei formellen Fristen werden die Tage des Postlaufs (Zeit der Beförderung) in die Frist nicht eingerechnet. Mit anderen Worten reicht der Versand am letzten Tag der Frist. Bei materiellen
Fristen
dagegen wird der Postlauf eingerechnet, d. h. es entscheidet der tatsächliche Empfang und nicht die (rechtzeitige) Absendung.
Das österreichische Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente (Zustellgesetz) regelt die Zustellung der von Gerichten und Verwaltungsbehörden zu übermittelnden Dokumenten. Es enthält Bestimmungen zu den verschiedenen Arten der physischen und elektronischen Zustellung und den damit zusammenhängenden Zugangsregeln (namentlich Zustellung an Empfängerin oder Empfänger, Zustellungen mit und ohne Zustellnachweis, Ersatzzustellung, Hinterlegung, Nachsendung, Rücksendung, Weitersendung und Vernichtung).

3.1.4 Zwischenfazit

Die Rechtsordnungen von Frankreich, Deutschland und Österreich kennen keine generelle Regelung betreffend Beginn einer Frist an Wochenenden oder Feiertagen. Die Zustellung von behördlichen Mitteilungen wird bereichsweise in eigenständigen «Zustellgesetzen» umfassend geregelt.
Der Vergleich zeigt zudem, dass die für die Schweiz vorgeschlagene Regulierung zu keinen zusätzlichen Belastungen und Wettbewerbsnachteilen für kleine und mittlere Unternehmen führen wird (Art. 4 Abs. 1 Bst. b UEG).

3.2 Kompatibilität mit dem EU-Recht

Für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gilt die Verordnung (EU) Nr. 2020/1784 vom 25. November 2020 über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) (Neufassung). 3³
Diese für die Schweiz nicht anwendbare Regulierung sieht vor, dass für das Datum des Zustelltages das Datum massgeblich ist, an dem das Schriftstück nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zugestellt worden ist (vgl. Art. 13 Verordnung [EU] 2020/1784). Somit ist die Kompatibilität der hier vorgeschlagenen Regelung mit dem EU-Recht gewährleistet (Art. 141 Abs. 2 Bst. a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 ³4 ).
3³ ABl. L 405 vom 2.12.2020, S. 40-78.
³4 SR 171.10

4 Grundzüge der Vorlage

4.1 Die beantragte Neuregelung

4.1.1 Problematik der Samstagszustellung

Mit der Versandmethode «A-Post Plus» erfolgt die Zustellung - wie bei anderen nicht eingeschriebenen Sendungen - direkt in den Briefkasten oder das Postfach der Adressatin oder des Adressaten, ohne dass diese oder dieser den Empfang unterschriftlich bestätigen muss. Im Unterschied zu herkömmlichen Postsendungen sind «A-Post Plus»-Sendungen jedoch mit einer Sendungsnummer versehen, was die elektronische Sendungsverfolgung im Internet ermöglicht (Suchsystem «Track&Trace»). Daraus ist insbesondere der Zeitpunkt ersichtlich, in dem die Post die Sendung der Empfängerin oder dem Empfänger zugestellt hat, oder mit anderen Worten: wann die Sendung in den Machtbereich der Empfängerin oder des Empfängers gelangt ist. Dieser Zeitpunkt ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts für die Auslösung der Frist massgebend. ³5 Im Unterschied zur Versandmethode «A-Post Plus» werden eingeschriebene Postsendungen nur gegen Unterschrift der Empfängerin oder des Empfängers bzw. einer berechtigten Person zugestellt.
Die Problematik der Zustellung von fristsetzenden Sendungen mit «A-Post Plus» an Samstagen zeigt sich wie folgt:
Verfahrensfristen
Die Samstagszustellung kann für jene Empfängerinnen und Empfänger nachteilig sein, die am Samstag (büro-)abwesend sind und folglich den Einwurf einer fristsetzenden behördlichen Mitteilung nicht sogleich bemerken. Eine nach Tagen bestimmte Frist beginnt nach geltendem Verfahrensrecht, unabhängig von der tatsächlichen Kenntnisnahme, am Tag nach dem auslösenden Ereignis (Zustellung), also am Sonntag. Die empfangende Person, die die Mitteilung verspätet aus dem Briefkasten nimmt (z. B. am folgenden Montag), verliert die entsprechende Anzahl Tage der Frist. Zudem kann sie sich über den Zeitpunkt der Zustellung irren (Montag anstatt Samstag), da dieser nicht auf der Sendung selbst ablesbar ist. Berechnet sie in der Folge ein zu spätes Fristende, läuft sie Gefahr, säumig zu werden und damit einen Rechtsverlust zu erleiden.
Die Problematik betrifft nur jene Rechtsbereiche, welche die Zustellung von fristsetzenden Mitteilungen an einem Samstag mit gewöhnlicher Post erlauben. Betroffen sind namentlich Verfahren in den Bereichen des Steuer- oder des Sozialversicherungsrechts. Die meisten Prozessgesetze des Bundes schreiben keine Form für die Zustellung von behördlichen Mitteilungen vor. Es liegt im Ermessen der Behörde, ob die Mitteilung mit gewöhnlicher oder mit eingeschriebener Post zugestellt wird. Der Versand per Einschreiben ist aus beweisrechtlichen Gründen für die Absenderin oder den Absender an sich vorteilhaft. Mit der Einführung der Versandmethode «A-Post Plus» steht mittlerweile jedoch eine kostengünstigere Alternative zur Verfügung, die indessen für die Empfängerin oder den Empfänger die hiervor dargestellten Nachteile hat.
Anders liegt der Fall für Mitteilungen der Strafbehörden im Anwendungsbereich der Strafprozessordnung, welche die Zustellung gegen Unterschrift (d. h. eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung) ausdrücklich vorschreibt (Art. 85 Abs. 2 StPO ³6 ), sowie für die Mehrheit der Mitteilungen in Zivilverfahren (vgl. Art. 138 Abs. 1, für Ausnahmen vgl. Abs. 4 ZPO). Für eingeschriebene Postsendungen tritt die beschriebene Problematik nur schon deshalb nicht auf, weil diese von der Post derzeit nicht an Samstagen zugestellt werden. Zudem ist ein Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung aufgrund des Unterschriftserfordernisses praktisch ausgeschlossen.
Fristen des materiellen Zivilrechts
Die Problematik der Samstagszustellung kann bei bestimmten Fristen des materiellen Zivilrechts auftreten, wie das folgende Beispiel der mietrechtlichen Kündigung mittels «A-Post Plus» zeigt. Die Kündigung des Mietvertrags entfaltet nach der vom Bundesgericht angewandten sogenannten «absoluten Empfangstheorie» ihre Wirkungen, sobald sie in den Machtbereich der Empfängerin oder des Empfängers gelangt.
Die absolute Empfangstheorie bedeutet bei schriftlichen Erklärungen unter Abwesenden, die mittels gewöhnlicher Post versendet werden, dass der Zugang in dem Zeitpunkt erfolgt, in welchem der Postbote die Sendung der Empfängerin oder dem Empfänger übergibt oder in dessen Briefkasten legt (Zugang in den Machtbereich der Empfängerin oder des Empfängers), sofern mit dessen Leerung in diesem Zeitpunkt gerechnet werden kann. ³7 Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an. ³8 Die Adressatin oder der Adressat trägt damit alleine das Risiko allfälliger Abwesenheit. Für Sonderfälle gilt die sogenannte «relative Empfangstheorie», bei der die Erklärung erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Empfangnahme als zugegangen gilt.
Für die am Samstag (büro-)abwesende Empfängerin oder den am Samstag (büro-)abwesenden Empfänger ergeben sich vergleichbare Nachteile, wie sie für das Verfahrensrecht hiervor beschrieben wurden: Sie oder er verliert die entsprechende Anzahl Tage der Kündigungsfrist und läuft Gefahr, sich über den Zeitpunkt der Zustellung zu irren mit der Folge, dass die 30-tägige Frist für die Anfechtung der Kündigung bei der Schlichtungsbehörde (vgl. Art. 273 Abs. 1 OR) falsch berechnet und schlimmstenfalls verpasst wird. Die Empfängerin oder der Empfänger kann schliesslich den Kündigungstermin falsch berechnen.
Anzufügen ist, dass die Problematik nicht für alle Fristen des materiellen Zivilrechts auftritt. So werden beispielsweise Verjährungsfristen oder bestimmte Klagefristen durch ein anderes Ereignis wie den Eintritt eines Schadens oder den Abschluss eines Vertrages ausgelöst, d. h. nicht durch die Zustellung einer Erklärung durch die Post.
Fristen des materiellen Strafrechts
Im Bereich der Fristen des materiellen Strafrechts kann die beschriebene Problematik insbesondere bei der Antragsfrist nach Artikel 31 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) ³9 (3 Monate) auftreten, da diese Frist u. a. durch Mitteilung ausgelöst werden kann (z. B. schriftliche Bekanntgabe der Täterin oder des Täters).
³5 Betreffend mietrechtliche Mitteilungen BGE 143 III 15 E. 4.1; BGE 137 III 208 E. 3.1.2; BGE 122 III 316 E. 4b; betreffend Eröffnung von steuerrechtlichen Veranlagungsverfügungen BGE 122 I 139 E. 1; betreffend sozialversicherungsrechtliche Verfahren BGE 142 III 599 E. 2.4.1.
³6 Dies gilt auch für die Jugendstrafprozessordnung, vgl. Art. 3 der Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009 ( SR 312.1 ) .
³7 Vgl. Christoph Müller, Berner Kommentar Obligationenrecht, Allgemeine Bestimmungen, 2018, Art. 1 OR N. 107; BGE 137 III 208 E. 3.1.2.
³8 BGE 143 II 15 E. 4.1; 140 III 244 S. 247 E. 5.1; 137 III 208 S. 213 E. 3.1.
³9 SR 311.0

4.1.2 Lösungsansatz gemäss Artikel 142 Absatz 1bis ZPO

Zur Behebung der Nachteile der Samstagszustellung hat der Gesetzgeber im Rahmen der ZPO-Revision 20.026 (Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung) einen neuen Artikel 142 Absatz 1bis ZPO mit folgendem Wortlaut eingefügt:
«Erfolgt die Zustellung einer Sendung an einem Samstag, Sonntag oder einem am Gerichtsort vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag durch gewöhnliche Post (Art. 138 Abs. 4), so gilt die Mitteilung gemäss Absatz 1 am darauf-folgenden Werktag als erfolgt.»
Diese Lösung behebt für Mitteilungen in Zivilverfahren das Problem, indem für den Fall der Samstagszustellung die Zustellung am folgenden Werktag (zumeist ein Montag) fingiert wird. Dieselbe Regel kommt zur Anwendung im Fall der Zustellung an einem Sonntag oder an einem anerkannten Feiertag. Eine nach Tagen festgelegte Frist beginnt dann am Tag nach der fingierten Zustellung zu laufen (Art. 142 Abs. 1 ZPO). Mit anderen Worten wird der Eintritt der Wirksamkeit der Zustellung auf den nächsten Werktag verschoben. An der Grundregel, wonach nach Tagen festgelegte Fristen am Tag nach ihrer Auslösung zu laufen beginnen, ändert sich nichts. 4⁰ Im Ergebnis müssen sich Empfängerinnen und Empfänger fristsetzender Sendungen bei Leerung des Postfachs am Montag in Zukunft nicht mehr fragen, ob die Sendung am Samstag oder am Montag eingegangen ist: Die Frist beginnt in beiden Fällen am Dienstag.
Der Nachteil dieser Lösung liegt darin, dass der Fristbeginn um mindestens zwei Tage «aufgeschoben» wird. Der Ansatz geht ferner davon aus, dass niemand seine Post am Samstag abholt, was für Privatpersonen und je nach Fall auch für Unternehmen nicht korrekt ist. Diese Empfängerinnen und Empfänger profitieren von mindestens zwei zusätzlichen Tagen (i. d. R. Sonntag und Montag), was zu einer Ungleichbehandlung führen kann. Auch die Anknüpfung an den Gerichtsort für die Bestimmung der massgebenden Feiertage kann zu Ungleichheiten führen: Versendet beispielsweise ein Genfer Gericht am Vorabend des Genfer Bettags («Jeûne genevois») eine Verfügung mit «A-Post Plus» an einen Waadtländer Anwalt, der die Sendung am nächsten Tag empfängt, profitiert dieser von der Zustellungsfiktion, obwohl der Empfangstag in seinem Kanton ein Werktag ist. 4¹
Insgesamt bewirkt die Zustellungsfiktion eine Besserstellung der Empfängerinnen und Empfänger von fristsetzenden Mitteilungen. Damit verbunden ist eine Verfahrensverzögerung um wenige Tage. Angesichts der Gesamtdauer von Verfahren erscheint diese allerdings, trotz des Grundsatzes der Verfahrensbeschleunigung, als vernachlässigbar.
4⁰ Zum Beginn von Monatsfristen siehe Urteil BGer 5A_691/2023 vom 13. August 2024 E. 5.6 (zur Publikation vorgesehen).
4¹ Vgl. Stéphane Abbet
,
Délais, féries et suspensions selon la LP, le CPC et la LTF - Etat des lieux et perspectives d’harmonisation, in: Z SR
142
/2023
, S. 338.

4.1.3 Übertragung der ZPO-Lösung auf andere Erlasse

Die hiervor skizzierte ZPO-Lösung soll gemäss Motionsauftrag auf alle anderen Erlasse übertragen werden, die Regeln zur Fristenberechnung enthalten. Aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung ergibt sich, dass die Berechnung einer Frist nach dem Recht erfolgen muss, das diese Frist festlegt. 4² Im Einzelnen lassen sich folgende Gruppen unterscheiden:
-
Das Verwaltungsverfahrens- und Sozialversicherungsrecht, die Militärstrafprozessordnung sowie das Bundesgerichtsgesetz enthalten jeweils umfassende Fristenberechnungsregeln. 4³ Sie betreffen typischerweise die Berechnung und Einhaltung der Frist, die Erstreckung, den Stillstand, die Säumnis und die Wiederherstellung. Einzelne verwaltungsrechtliche Sacherlasse enthalten spezielle Vorgaben für die Fristenberechnung wie namentlich das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (Art. 119 DBG). Vorgesehen ist, die beabsichtigte Neuregelung in die einschlägigen Erlasse einzubetten.
-
Im materiellen Zivil- und Strafrecht finden sich nur punktuelle Regelungen zur Fristenberechnung. 4⁴ Lückenfüllend hat die Rechtsprechung für zivilrechtliche Fristen beispielsweise die sogenannte absolute Empfangstheorie entwickelt (vgl. Ziff. 4.1.1). Mit dem Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen besteht ein Querschnittserlass, welcher auf Fristen des materiellen Zivilrechts und des Strafrechts anwendbar ist und sich für die Einbettung der beabsichtigten Regelung anbietet. Damit erübrigt sich eine gesonderte Anpassung etwa der Artikel 77-78 OR (unter Vorbehalt der Anpassung der Fussnote in Art. 78 Abs. 1 OR, vgl. Ziff. 5.4) oder 31 und 110 StGB.
-
Im Anwendungsbereich des kantonalen Rechts sind für die Fristenberechnung die dortigen Vorgaben zu berücksichtigen. Dies gilt grundsätzlich auch für den Vollzug von Bundesrecht durch kantonale Behörden. Vorbehalten bleiben spezielle Vorschriften im jeweiligen Sacherlass des Bundes. Zur Besonderheit des Steuerharmonisierungsgesetzes vgl. Ziffer 5.8.
Für die Umsetzung der Motion bietet sich die Schaffung eines Mantelerlasses an, mit welchem sowohl die speziell zu berücksichtigenden Verfahrens- und Sacherlasse wie auch das Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen geändert werden (siehe auch Ziff. 7.3).
Der im Sammeltitel «Bundesgesetz über die Zustellung von Sendungen an Wochenenden und Feiertagen» enthaltene Begriff der Zustellung steht in folgendem Zusammenhang mit den Begriffen «Frist auslösung » und «Frist beginn» : Die Fristauslösung geschieht mit der rechtswirksamen Zustellung der fristsetzenden Mitteilung, während der Fristbeginn den Beginn der Fristrechnung bezeichnet, also den Zeitpunkt, ab welchem die Frist gezählt wird. ⁴5 Die Wirksamkeit einer Zustellung an einem Wochenende oder Feiertag wird nach neuer Ordnung qua Zustellungsfiktion auf den nächstfolgenden Werktag verschoben. Die nach Tagen festgelegte Frist beginnt dann, entsprechend der tradierten Regelung, am nachfolgenden Tag zu laufen. Für Monatsfristen beginnt die Frist am Tag der fingierten Zustellung zu laufen. ⁴6
Artikel 142 Absatz 1bis ZPO verweist für die Bestimmung der gesetzlichen Feiertage auf das kantonale Recht am Gerichtssitz . ⁴7 In den übrigen Verfahrensgesetzen des Bundes bestimmen sich die Feiertage dagegen nach dem Sitz der Partei bzw. deren Vertretung (vgl. z. B. Art. 20 Abs. 3 VwVG oder Art. 45 Abs. 2 BGG). Dies ist bei der Übertragung der ZPO-Lösung auf die erwähnten Erlasse entsprechend zu berücksichtigen.
4² Dieser Grundsatz gilt für das ganze Bundesrecht, vgl. BGE 137 III 208 E. 3.1.2.
4³ Vgl. Art. 20-24 VwVG; Art. 38-42 ATSG; Art. 46 MStP; Art. 44-50 BGG.
4⁴ Insbesondere Art. 77 OR oder Art. 110 Abs. 6 StGB.
⁴5 Vgl. Ernst/Oberholzer/Sunaric, Fristen und Fristberechnung im Zivilprozess (ZPO-BGG-SchKG), 2. Aufl. 2021, Rz. 114.
⁴6 Urteil BGer 5A_691/2023 vom 13. August 2024 E. 5.6 (zur Publikation vorgesehen).
⁴7 Zu dieser Besonderheit siehe Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), BBl 2006 6841 S. 6918.

4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Eine Abstimmung von Aufgaben und Finanzen ist nicht erforderlich, da die Vorlage nicht finanzwirksam ist.

4.3 Umsetzungsfragen

Um das Ziel einer schweizweit einheitlichen Regelung der Samstagszustellung zu erreichen, sind Anpassungen der kantonalen Rechtsordnungen erforderlich (zur beschränkten Kompetenz des Bundes vgl. Ziff. 7.1). Die Kantone haben sich im Rahmen der Vernehmlassung zum Anpassungsbedarf in ihren Rechtsordnungen äussern können (vgl. Ziff. 2.2). Spezifische Umsetzungsschwierigkeiten wurden nicht angemeldet. Beantragt wurde jedoch, dass den Kantonen eine Umsetzungsfrist von mindestens zwei Jahren einzuräumen sei. Diesem Anliegen wird bei der Inkraftsetzung des Mantelerlasses durch den Bundesrat Rechnung zu tragen sein.
Der vorliegende Erlassentwurf enthält keine Vorgaben, welche den Vollzug mittels elektronischen Mitteln verhindern oder behindern könnten (Art. 4 Abs. 1 Bst. c UEG). Die Regelung betrifft ausschliesslich postalische Zustellungen. Elektronische Zustellungen bilden demgegenüber Gegenstand des Bundesgesetzes über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ, vgl. Ziff. 5.10).

5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG)

Art. 20 Abs. 2bis
Das Verwaltungsverfahrensgesetz regelt die Berechnung von Verfahrensfristen in Artikel 20. Das VwVG stellt die Form der Zustellung von Mitteilungen und damit auch die Wahl der Versandart in das Ermessen der Behörde. Nicht eingeschriebene Sendungen sind daher grundsätzlich zulässig. Der Fall, dass eine Mitteilung «nur gegen Unterschrift» überbracht wird, ist in Absatz 2bis geregelt. Darunter fallen die eingeschriebenen Postsendungen. ⁴8 Die hier interessierende Regelung des Zustellungszeitpunkts im Fall der Zustellung einer behördlichen Mitteilung an einem Samstag, Sonntag oder allgemeinen Feiertag mit gewöhnlicher Postsendung, d. h. «ohne Unterschrift» der Empfängerin oder des Empfängers, ist im geltenden Recht nicht ausdrücklich geregelt. Artikel 20 VwVG ist deshalb anzupassen.
Der neue Absatz 2bis Buchstabe b sieht vor, dass eine Mitteilung, die durch Postsendung an einem Samstag, Sonntag oder allgemeinen Feiertag nicht gegen Unterschrift überbracht wird, von Gesetzes wegen am nächsten Werktag als zugestellt gilt (Zustellungsfiktion). Trifft eine Sendung beispielsweise an einem Samstag ein, so gilt sie neu erst am darauffolgenden Montag als wirksam zugestellt («nächstfolgender Werktag»). In Anwendung von Artikel 20 Absatz 1 VwVG beginnt die nach Tagen festgesetzte Frist am folgenden Tag zu laufen, also am Dienstag. Ist der Montag ein anerkannter Feiertag, so gilt die Sendung am Dienstag als zugestellt, und die Frist beginnt am Mittwoch zu laufen.
Die Formulierung knüpft an die bestehende Begrifflichkeit an. Erfasst werden Mitteilungen, die «nicht gegen Unterschrift» überbracht werden. Damit sind namentlich Sendungen erfasst, die die Absenderin oder der Absender mit der Versandmethode «A-Post Plus» aufgegeben hat. Erfasst sind gemäss Einleitungssatz von Absatz 2bis nur Postsendungen. Mit dieser Ergänzung wird dem Anliegen aus der Vernehmlassung Rechnung getragen, dass mündliche oder elektronisch übermittelte Mitteilungen nicht erfasst sein sollen. ⁴9
Die bisherige Regelung zum Zeitpunkt der Zustellung von Sendungen «gegen Unterschrift» (Art. 20 Abs. 2bis) wird aus gesetzessystematischen Gründen in einen neuen Absatz 2bis Buchstabe a überführt und gleichzeitig an den aktuellen Sprachgebrauch angepasst («siebten» statt «siebenten» Tag). Der Einleitungssatz präzisiert, dass sich die Bestimmung auf Mitteilungen, die durch Postsendungen überbracht werden, bezieht. Damit ist keine materielle Veränderung verbunden.
Artikel 20 Absatz 2bis E-VwVG findet Anwendung in Verfahren auf Erlass einer Verfügung von Bundesverwaltungsbehörden, die in erster Instanz oder auf Beschwerde zu erledigen sind (Art. 1 Abs. 1 VwVG). Für Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist die Bestimmung ebenfalls anwendbar (vgl. Verweis in Art. 37 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 5⁰ ); eine separate Anpassung des Verwaltungsgerichtsgesetzes ist daher nicht erforderlich.
Art. 20 Abs. 3
Das bestehende Recht regelt den Fall, dass der letzte Tag einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder anerkannten Feiertag fällt, in Absatz 3. Die bisherige Formulierung wird aus gesetzessystematischen Gründen angepasst. Der erste Satz bleibt unverändert, mit Ausnahme einer sprachlichen Anpassung zur besseren Verständlichkeit («die Frist» statt «sie»). Der Inhalt des zweiten Satzes wird zu einem neuen Absatz 4. Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden.
Art. 20 Abs. 4
Der neue Absatz 4 legt das massgebende Recht für die Bestimmung der anerkannten kantonalen Feiertage fest, welche bezüglich der Zustellung ohne Unterschriftserfordernis (Abs. 2bis Bst. b) und des Fristendes (Abs. 3) zu berücksichtigen sind. Wie bereits nach bisheriger Ordnung (vgl. Abs. 3 zweiter Satz) gelten die vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannten Feiertage, 5¹ wobei das Recht des Kantons, in dem die Partei oder ihr Vertreter beziehungsweise ihre Vertreterin Wohnsitz oder Sitz hat, massgebend ist.
In der Vernehmlassung wurde von einem Kanton vorgebracht, die Formulierung von Artikel 20 Absatz 4 5² suggeriere eine Wahlmöglichkeit (Recht am Wohnsitz bzw. Sitz der Partei oder am Sitz des Vertreters). 5³ Die vorgeschlagene Formulierung entspricht dem geltenden Recht. 5⁴ Eine Wahlmöglichkeit besteht nicht: Gemäss Artikel 11 Absatz 3 VwVG macht die Behörde ihre Mitteilungen bei einer vertretenen Partei an den Vertreter, solange die Partei die Vollmacht nicht widerrufen hat. Artikel 20 Absatz 4 muss in Verbindung mit dieser Bestimmung gelesen werden. Daraus ergibt sich, dass bei einer vertretenen Partei auf das Recht des Kantons, in dem die Vertretung ihren Sitz oder Wohnsitz hat, abzustellen ist. Dies ergibt sich auch aus der Rechtsprechung und Lehre. 5⁵
⁴8 Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4202 S. 4404.
⁴9 Bericht Vernehmlassung, Ziff. 3.1.
5⁰ SR 173.32
5¹ Eine Übersicht über die anerkannten kantonalen Feiertage bietet das Verzeichnis «Gesetzliche Feiertage und Tage, die in der Schweiz wie gesetzliche Feiertage behandelt werden», abrufbar unter:
www.bj.admin.ch > Publikationen und Service > Zivilprozessrecht.
5² Ebenso: Art. 45 a E-BGG, Art. 1 a Abs. 2 E-BGFL, Art. 211 Abs. 4 E-MStG, Art. 46 Abs. 4 E-MStP sowie Art. 38 Abs. 5 E-ATSG der Vorlage.
5³ Bericht Vernehmlassung, Ziff. 3.1.
5⁴ Vgl. Art. 20 Abs. 3 VwVG, Art. 45 Abs. 2 BGG sowie Art. 38 Abs. 3 zweiter Satz ATSG.
5⁵ Vgl. beispielsweise das Urteil BGer 5A_720/2022 vom 31. März 2023 E. 1.2. sowie Patricia Egli, in: Waldmann/Krauskopf (Hrsg.), VwvG - Praxiskommentar Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. 2023, Art. 20 N 68.

5.2 Bundesgerichtsgesetz (BGG)

Art. 44 Abs. 2
Der Beginn von Fristen im bundesgerichtlichen Verfahren richtet sich nach Artikel 44 BGG. Für Verfahren vor dem Bundesgericht besteht grundsätzlich keine Pflicht zum Einschreiben. Die Ausgangslage ist somit vergleichbar mit jener für Verfahren im Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes (vgl. hiervor Ziff. 5.1). Daraus folgt, dass für die vorliegend interessierende Regelung des Fristbeginns im Fall der Zustellung einer Mitteilung an einem Samstag, Sonntag oder allgemeinen Feiertag mit gewöhnlicher Postsendung, d. h. ohne Unterschrift der Empfängerin oder des Empfängers, eine Anpassung von Artikel 44 BGG erforderlich ist.
Die Anpassung von Artikel 40 BGG, wie sie die Motion RK-N 22.3381 verlangt, erscheint dagegen aus gesetzessystematischen Gründen nicht zielführend, da diese Bestimmung die Parteivertretung regelt.
Die Begrifflichkeit von Artikel 44 E-BGG ist vergleichbar mit jener von Artikel 20 E-VwVG. Die vorgeschlagene Zusammenfassung der beiden Zustellungsarten mit und ohne Unterschrift in Absatz 2 Buchstaben a und b orientiert sich folglich an jener für das VwVG; die dortigen Ausführungen gelten sinngemäss (siehe Ziff. 5.1).
Art. 45 Abs. 2
Der bisherige Absatz 2 regelt das massgebende Recht für die Bestimmung der Feiertage. Diese Frage wird neu in Artikel 45 a geregelt, weshalb Artikel 45 Absatz 2 aufgehoben wird. Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden.
Art. 45a
Massgebendes kantonales Recht
Der neue Artikel 45 a regelt die Frage des massgebenden Rechts für die Bestimmung der Feiertage betreffend Beginn (Art. 44) und Ende (Art. 45) einer Frist. Die geltende Regelung des bisherigen Artikels 45 Absatz 2 wird dabei unverändert übernommen. Die Übertragung in einen neuen Artikel erfolgt aus gesetzessystematischen Gründen. Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden.

5.3 Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen

Die Ergänzung des Bundesgesetzes über den Fristenlauf an Samstagen mit einer neuen Bestimmung betreffend die Zustellung von Sendungen an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen schafft eine Auffangordnung für das materielle Zivilrecht sowie für das materielle Strafrecht.
Die Revision des Bundesgesetzes über den Fristenlauf an Samstagen ist sinnvoll, da es ein passendes Regelungsgefäss darstellt. Der Erlass ist ein Querschnittgesetz, das auf die gesetzlichen und behördlichen Fristen des materiellen Zivil- und Strafrechts anwendbar ist (ausgenommen sind die vertraglich festgesetzten Fristen ⁵6 ).
Im Bereich des materiellen Zivilrechts enthalten zwar die Artikel 77 und 78 OR Bestimmungen über die Berechnung von Fristen. Die Bestimmungen knüpfen jedoch an den Vertragsschluss als fristauslösendes Ereignis an und nicht an eine Mitteilung per Post. Die Zusendung von Mitteilungen per Post wird im OR nicht angesprochen, weshalb die Rechtsprechung die anerkannten Empfangstheorien (vgl. Ziff. 4.1.1) entwickelt hat. Auch wurde im OR die Gleichstellung des Samstags mit den Feiertagen hinsichtlich des Frist endes nicht direkt umgesetzt, sondern mittels Verweis auf das Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen gelöst. ⁵7 Damit eignen sich diese Bestimmungen mangels Anknüpfungspunkt nicht für eine Ergänzung betreffend eine postalische Zustellung an einem Samstag.
Im Bereich des materiellen Strafrechts regelt Artikel 110 Absatz 6 StGB, dass die Kalenderzeit für die Berechnung von Monat und Jahr massgebend ist. Das Strafgesetzbuch enthält jedoch keine Bestimmung über den Beginn und das Ende einer Frist. Eine Regelung betreffend Samstagszustellung wäre daher ein Fremdkörper.
Artikel 1 (von zwei) des Bundesgesetzes über den Fristenlauf an Samstagen legt fest, dass der Samstag einem anerkannten Feiertag gleichgesetzt ist. Bedeutsam ist dies für den auf einen Samstag fallenden Ablauf einer Frist, denn wenn der letzte Tag einer Frist auf einen Sonntag oder Feiertag fällt, so endet sie am nächstfolgenden Werktag. Diese Bestimmung bleibt unverändert. Die Wirksamkeit der Zustellung von Mitteilungen an einem Samstag, und damit indirekt der Beginn einer Frist, wird hingegen durch das Gesetz bislang nicht geregelt. Dies ändert sich mit der vorgeschlagenen Ergänzung.
Erlasstitel und Abkürzung
Der bisherige Erlasstitel erfasst nur den «Fristenlauf an Samstagen». Die beabsichtigte Regelung betrifft dagegen auch die Zustellung von Mitteilungen, wobei sie auch Sonntage und anerkannte Feiertage mit einbezieht. Um dem erweiterten Anwendungsbereich Rechnung zu tragen, ist eine Anpassung des Erlasstitels erforderlich. Samstag und Sonntag werden alltagssprachlich unter dem Begriff Wochenende zusammengefasst. Daraus ergibt sich der neue Erlasstitel «Bundesgesetz über den Fristenlauf und die Zustellung von Mitteilungen an Wochenenden und Feiertagen». Für eine erleichterte Zitierung wird neu eine Abkürzung eingeführt (BGFL).
Ingress
Der bisherige Ingress nimmt Bezug auf die Bestimmungen der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV). ⁵8 Im Zuge der Überarbeitung werden diese durch die einschlägigen Bestimmungen der geltenden Bundesverfassung ersetzt. ⁵9
Der Erlass stützt sich unverändert auf die Regelungskompetenz des Bundes für das Zivilrecht (Art. 122 BV, entspricht Art. 64 aBV), das Strafrecht (Art. 123 BV, entspricht Art. 64bis aBV), das Verfahren der Bundesverwaltung (Art. 177 Abs. 3 BV und Art. 187 Abs. 1 Bst. d BV, entspricht Art. 103 aBV) und das Verfahren des Bundesgerichts (Art. 188 Abs. 2 BV, entspricht Art. 106-114bis aBV). Der bisher genannte Artikel 85 Ziffer 2 aBV entspricht Artikel 164 BV. Diese Bestimmung begründet keine Regelungskompetenzen und wird folglich im neuen Ingress nicht genannt.
Art. 1a Abs. 1
Die neue Bestimmung schreibt den Grundsatz fest, dass die Zustellung einer Mitteilung, die durch Postsendung an einem Samstag, Sonntag oder allgemeinen Feiertag nicht gegen Unterschrift der Empfängerin oder des Empfängers überbracht wird, am folgenden Werktag als erfolgt gilt (Zustellungsfiktion). Die Begrifflichkeit ist vergleichbar mit jener von Artikel 20 Absatz 2bis Buchstabe b E-VwVG; die dortigen Ausführungen gelten sinngemäss (siehe Ziff. 5.1).
Ergänzend ist anzumerken, dass die vorliegende Bestimmung auf jegliche Mitteilungen von Behörden wie auch von Privaten anwendbar ist. Es spielt keine Rolle, ob mit der Zustellung der Mitteilung eine Verfahrensfrist oder eine Frist des materiellen Rechts ausgelöst wird. Die Bestimmung ist anwendbar auf fristauslösende Mitteilungen des materiellen Strafrechts (z. B. Art. 31 StGB betreffend Antragsfrist) oder des materiellen Zivilrechts (z. B. Art. 266 c OR betreffend Kündigung von Wohnungen). Ob es sich um gesetzlich, behördlich oder vertraglich festgelegte Fristen handelt, ist ebenfalls unerheblich (vgl. demgegenüber Art. 1 des Bundesgesetzes über den Fristenlauf an Samstagen, welcher die vertraglich festgesetzten Fristen nicht einschliesst). Mit diesem weiten Anwendungsbereich wird die Vorgabe der Motion RK-N 22.3381 umgesetzt, wonach die neue Regelung auch auf Artikel 77 OR anzuwenden sei. Diese Bestimmung legt die Berechnung von gesetzlichen wie auch vertraglichen Fristen des materiellen Zivilrechts fest (zum dispositiven Charakter in zivilrechtlichen Verhältnissen vgl. Art. 1 a Abs. 3 E-BGFL).
Je nach Konstellation kann die vorgeschlagene Regelung für die Absenderin oder den Absender und die Empfängerin oder den Empfänger weitreichende Auswirkungen haben. Die Wirkung der neuen Regelung auf die Fristen des materiellen Zivilrechts lässt sich anhand der mietrechtlichen Kündigung von Wohn- oder Geschäftsräumen darstellen. Kündigungserklärungen müssen jeweils regelmässig auf ein Monatsende bei der Empfängerin oder beim Empfänger zugehen, um fristwahrend zu sein. Dazu folgendes Beispiel:
-
Nach bisheriger Ordnung gilt die Zustellung einer fristauslösenden Willenserklärung wie die Kündigung von Wohn- oder Geschäftsräumen in Anwendung der absoluten Empfangstheorie am Samstag, 30.1. als wirksam erfolgt; womit die dreimonatige Kündigungsfrist beginnt und am 30.4. endet.
-
Nach neuer Ordnung tritt im Fall, dass das Kündigungsschreiben mit «A-Post Plus» am Samstag, 30.1. zugestellt wird, die Fiktion ein, dass die Zustellung erst auf den nächsten Werktag als erfolgt gilt, also am Montag, 1.2. Damit fällt bei einer Kündigungsfrist von 3 Monaten der Kündigungstermin auf Ende Mai (statt auf Ende April) bzw. auf den nächsten möglichen Termin. Sollten fixe Kündigungstermine bestehen, kann die Verschiebung auch deutlich grösser ausfallen (bspw. 6 oder 12 Monate).
Die Absenderin oder der Absender, die oder der sich auf die postseitige Zusicherung 6⁰ verlassen hat, dass beim Versand der Sendung mit «A-Post Plus» die Zustellung am darauffolgenden Tag (im Beispiel: Samstag, 30.1.) erfolgt, ist also künftig mit einer für sie oder ihn nachteiligen und insofern überraschenden Terminverschiebung konfrontiert. Umgekehrt profitiert die Empfängerin oder der Empfänger. Zudem entfällt für die Letztgenannten die Irrtumsproblematik (vgl. Ziff. 4.1.1). Die neue Zustellungsfiktion verdrängt in ihrem Anwendungsbereich (d. h. bei nicht eingeschriebener Post und Wochenend- bzw. Feiertagzustellung) die ungeschriebene absolute Empfangstheorie (vgl. dazu Ziff. 4.1.1).
Ansonsten ist davon auszugehen, dass die absolute Empfangstheorie weiterhin anwendbar ist, also insbesondere im Fall von eingeschriebenen Postsendungen sowie von anderen Sendungen, die an einem Wochentag zugestellt werden. Wird beispielsweise das Kündigungsschreiben mit «A-Post Plus» am Donnerstag, 28.1. versandt und trifft es am Freitag, 29.1. im Einflussbereich der Empfängerin oder des Empfängers ein, beginnt die Kündigungsfrist noch im Januar zu laufen. Die empfangende Person, die am Freitag abwesend ist, trägt die daraus entstehenden Risiken auch in Zukunft selber. Nimmt sie beispielsweise erst am darauffolgenden Montag Kenntnis von der Kündigung, kann sie irrtümlich glauben, die Kündigung sei am Samstag oder am Montag zugestellt worden, mit den bekannten Folgen (vgl. Ziff. 4.1.1).
Art. 1a Abs. 2
Gemäss Absatz 2 gelten die vom kantonalen Recht anerkannten Feiertage. Massgebend ist dabei das Recht des Kantons, in dem der Adressat oder die Adressatin oder deren Vertretung Wohnsitz oder Sitz hat. Dieser Anknüpfungspunkt entspricht dem Interesse der Empfängerinnen und Empfänger. Die für das Zivilprozessrecht eingeführte Regelung, wonach die für den Gerichtsort massgebenden Feiertage zu berücksichtigen sind (vgl. Art. 142 Abs. 1bis ZPO, dazu Ziff. 4.1.3), ist im vorliegenden Kontext nicht zweckmässig, da kein Gerichtsverfahren hängig und damit kein Gerichtsort bekannt ist.
Art. 1a Abs. 3
Gemäss Absatz 3 bleibt eine abweichende Regelung in einem anderen Bundesgesetz vorbehalten. So bestimmt beispielsweise Artikel 142 Absatz 1bis ZPO, dass für die Bestimmung der Feiertage das Recht am Gerichtsort (und nicht am Wohnsitz der Partei oder am Sitz ihrer Vertretung) massgebend ist. Diese spezielle Ordnung geht Artikel 1 a E-BGFL vor.
Auch Verträge unter Privaten haben Vorrang vor der Regelung nach Artikel 1 a . Es handelt sich mit anderen Worten um dispositives Recht. Einem Anliegen aus der Vernehmlassung folgend 6¹ wurde klargestellt, dass die vertragliche Abrede zwischen der Absenderin oder dem Absender und der Empfängerin oder dem Empfänger bestehen muss. Hingegen sind Abreden zwischen der Empfängerin oder dem Empfänger und der Post wie z. B. ein Postrückbehalt davon nicht erfasst.
⁵6 Ulrich G. Schroeter
,
in:
Widmer Lüchinger/Oser (Hrsg.), Basler Kommentar Obligationenrecht I, 7. Aufl. 2020, Art. 78 OR, Rz. 12.
⁵7 Vgl. Art. 78 Abs. 1 OR sowie den dortigen Komfortverweis in Fussnote 40 auf Art. 1 des Bundesgesetzes über den Fristenlauf an Samstagen.
⁵8 Die alte Bundesverfassung von 1874 (Stand 20.4.1999) kann abgerufen werden unter:
www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1/1_1_1/de .
⁵9 Siehe dazu auch die vom Bundesamt für Justiz zur Verfügung gestellte Konkordanztabelle zwischen der Verfassung von 1874 und jener von 1999, abrufbar unter:
www.bj.admin.ch > Staat und Bürger > Abgeschlossene Rechtsetzungsprojekte > Reform der Bundesverfassung.
6⁰ Vgl. die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Schweizerischen Post AG unter
www.post.ch > Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB).
6¹ Ergebnisbericht Vernehmlassung, Ziff. 4.1.

5.4 Obligationenrecht (OR)

Das Obligationenrecht regelt in Artikel 77 den Beginn und das Ende von vertraglich festgelegten Fristen. Für die hier interessierende Frage des Zeitpunkts der Zustellung und damit der Auslösung von vertraglich festgelegten Fristen bietet diese Bestimmung dagegen keinen Anknüpfungspunkt. Mit der Ergänzung des Bundesgesetzes über den Fristenlauf an Samstagen (vgl. Ziff. 5.3) wird eine für das gesamte materielle Zivilrecht geltende Regelung der Samstagszustellung erreicht. Die von der Motion 22.3381 verlangte Anpassung von Artikel 77 OR erübrigt sich damit.
Artikel 78 Absatz 1 OR enthält eine Fussnote mit einem Verweis auf das Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen. Dieses Gesetz erhält mit dem vorliegenden Mantelerlass einen neuen Erlasstitel (vgl. Ziff. 5.3). Folglich muss die hiervor erwähnte Fussnote redaktionell angepasst werden.

5.5 Militärstrafgesetz (MStG)

Das geltende Militärstrafgesetz regelt die Berechnung, Erstreckung und Wiederherstellung von Fristen im Disziplinarbeschwerdeverfahren und im Disziplinargerichtsbeschwerdeverfahren für Angehörige der Armee in Artikel 211. Eine Ergänzung mit der neuen Regelung der Zustellungsfiktion würde diese Bestimmung überfrachten. Zudem ist Artikel 211 durch eine wenig logische Reihenfolge der darin geregelten Fragen gekennzeichnet. Aus diesen Gründen wird eine gesetzessystematische und redaktionelle Bereinigung vorgeschlagen: Der Inhalt des bisherigen Artikels 211 wird auf drei neue, thematisch gegliederte Artikel verteilt und mit der neuen Regelung betreffend Wochenend- und Feiertagszustellung ergänzt. Artikel 211 behandelt nur noch die Berechnung der Fristen, während Artikel 211 a die Wahrung und Erstreckung und Artikel 211 b die Wiederherstellung von Fristen regeln.
Art. 211
3. Gemeinsame Bestimmungen. a. Fristen, Berechnung
Der neu gestaltete Artikel 211 fasst die Bestimmungen zu Beginn und Ende einer Frist zusammen: Absatz 1 handelt vom Beginn der Frist; er entspricht dem bisherigen Absatz 2, der inhaltlich unverändert übernommen wird.
Absatz 2 regelt den Fristbeginn im Fall der Zustellung einer behördlichen Mitteilung an einem Wochenende oder Feiertag mit gewöhnlicher Postsendung, d. h. ohne Unterschrift der Empfängerin oder des Empfängers (Zustellungsfiktion). Die Ausgangslage ist vergleichbar mit jener für Verfahren im Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes, weil im Disziplinarbeschwerdeverfahren und im Disziplinargerichtsbeschwerdeverfahren für Angehörige der Armee ebenfalls keine Pflicht zum Einschreiben besteht. Die vorgeschlagene Lösung orientiert sich inhaltlich an jener für das VwVG (vgl. hiervor Ziff. 5.1).
Das bestehende Recht regelt den Fall, dass der letzte Tag einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder anerkannten Feiertag fällt, in Absatz 3 . Die bisherige Formulierung lässt jedoch offen, welches Recht für den Begriff «anerkannter Feiertag» massgebend ist. Der in Absatz 3 neu eingefügte Verweis auf Feiertage, die vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannt sind, konkretisiert diesen Begriff.
Absatz 4 hält schliesslich neu fest, dass für die Bestimmung der Feiertage das Recht des Kantons massgebend ist, in dem die Partei oder ihre Vertretung Wohnsitz oder Sitz hat.
Art. 211a
Wahrung und Erstreckung
Der neue Artikel 211 a übernimmt unverändert die Absätze 1 und 4 des geltenden Artikels 211 MStG und fasst sie thematisch in einem Artikel zusammen. Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden.
Art. 211b
Wiederherstellung
Der neue Artikel 211 b übernimmt unverändert die Absätze 5 und 6 des geltenden Artikels 211 MStG und fasst sie thematisch in einem Artikel zusammen. Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden.
Art. 212 und 213
Die Neufassung der Artikel 211, 211 a und 211 b erfordert eine Anpassung der Randtitel von Artikel 212 und 213. Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden.

5.6 Militärstrafprozess (MStP)

Der geltende Militärstrafprozess enthält mit Artikel 46 eine Bestimmung betreffend Berechnung, Wahrung und Erstreckung von Fristen. Wie beim Militärstrafgesetz wird auch hier eine gesetzessystematische Bereinigung durchgeführt: Die Berechnung von Fristen, unter Zusatz der Neuregelung betreffend Wochenend- und Feiertagszustellung, wird in Artikel 46 geregelt, die bisherigen Absätze 2-4 von Artikel 46 betreffend Wahrung und Erstreckung von Fristen werden in einen neuen Artikel 46 a verschoben.
Art. 46
Berechnung
Die Berechnung von Fristen für Militärstrafprozesse richtet sich bisher nach Artikel 46 MStP. Für Mitteilungen der Militärstrafbehörden ist keine bestimmte Form der Zustellung vorgeschrieben; dies im Unterschied zur Regelung für zivile Strafprozesse (vgl. Art. 85 Abs. 2 StPO). Die Ausgangslage ist somit vergleichbar mit jener für Verfahren im Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes (vgl. hiervor Ziff. 5.1). Daraus folgt, dass für die vorliegend interessierende Regelung des Fristbeginns im Fall der Zustellung einer behördlichen Mitteilung an einem Samstag, Sonntag oder allgemeinen Feiertag mit gewöhnlicher Postsendung, d. h. ohne Unterschrift der Empfängerin oder des Empfängers, eine Anpassung von Artikel 46 MStP erforderlich ist.
Die vorgeschlagene Lösung orientiert sich inhaltlich an jener für das VwVG (siehe Ziff. 5.1). Die neue Fiktion für den Fall der Wochenend- oder Feiertagszustellung wird in einem neuen Absatz 2 eingeführt.
Das bestehende Recht regelt den Fall, dass der letzte Tag einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder anerkannten Feiertag fällt, in Absatz 1 zweiter Satz. Aus chronologischen Gründen wird diese Regelung in einen neuen Absatz 3 verschoben. Die bisherige Formulierung bezeichnet den «am Wohnort der Partei oder ihres Vertreters vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag» als massgebend. Die Formulierung des neuen Absatzes 3 hält fest, dass sowohl kantonale als auch vom Bundesrecht anerkannte Feiertage massgebend sind. Der neue Absatz 4 präzisiert, dass das kantonale Recht massgebend ist, in dem die Partei oder ihr Vertreter Wohnsitz oder Sitz hat.
Art. 46a
Wahrung und Erstreckung
Der neue Artikel 46 a übernimmt die Absätze 2-4 des geltenden Artikels 46 MStP und fasst sie thematisch in einem Artikel zusammen. In Absatz 1 wird der veraltete Begriff des «Gefängniswärters» durch «Gefängnispersonal» ersetzt. Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden.

5.7 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG)

Art. 118a
Zustellung
Für Mitteilungen der Steuerbehörden besteht in Anwendung des DBG keine Pflicht zum Einschreiben. Die Ausgangslage ist somit vergleichbar mit jener für Verfahren im Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes (vgl. hiervor Ziff. 5.1). Daraus folgt, dass für die vorliegend interessierende Regelung im Fall der Zustellung einer behördlichen Mitteilung an einem Samstag, Sonntag oder allgemeinen Feiertag mit gewöhnlicher Postsendung, d. h. ohne Unterschrift der Empfängerin oder des Empfängers, eine Anpassung erforderlich ist.
Der Umgang mit Fristen im Anwendungsbereich des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer richtet sich nach verschiedenen Bestimmungen. Aus gesetzessystematischer Sicht erscheint die Einordnung der Zustellungsfiktion als neue Bestimmung im 5. Teil (Verfahrensrecht), 2. Titel (Allgemeine Verfahrensgrundsätze), 4. Kapitel (Fristen) zweckmässig. Damit ist sichergestellt, dass die neue Bestimmung auf alle fristauslösenden Zustellvorgänge im Anwendungsbereich des DBG Anwendung findet.
Die vorgeschlagene Lösung im neuen Artikel 118 a orientiert sich inhaltlich weitgehend an jener für das VwVG (siehe Ziff. 5.1). Eine Abweichung besteht hinsichtlich der Bestimmung der nach kantonalem Recht anerkannten Feiertage. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sowie Lehre richtet sich die Bestimmung der Feiertage im Anwendungsbereich des DBG nach dem Recht des Veranlagungskantons. 6² Die Bestimmung des Veranlagungskantons wiederum richtet sich nach den Artikeln 105-107 DBG. Artikel 118 a Absatz 2 übernimmt diese bewährte Regelung.
Art. 119
Erstreckung
Artikel 119 steht neu unter der Sachüberschrift «Erstreckung». Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden.
6² Vgl. beispielhaft Urteil des Bundesgerichts vom 19.12.1996 E. 2a, in: Archiv für Schweizerisches Abgaberecht (ASA) 66, 240 S. 241 sowie Peter Locher, Kommentar zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Teil III, 2015, N 14 zu Art. 133 DBG.

5.8 Steuerharmonisierungsgesetz (StHG)

Art. 38abis
Zustellung
Dem Bund kommt im Bereich der Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden gestützt auf Artikel 129 Absatz 1 BV eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz zu. Diese Kompetenz erstreckt sich insbesondere auf die Harmonisierung des Verfahrensrechts (Art. 129 Abs. 2 erster Satz BV). Im Rahmen der Vernehmlassung wurde von zwei Kantonen das Anliegen geäussert, eine Zustellungsregelung im Steuerharmonisierungsgesetz in die Vorlage aufzunehmen. 6³ Der Bundesrat folgt diesem Anliegen.
Die Zustellungsfiktion wird aus gesetzessystematischen Gründen als neue Bestimmung im 5. Titel (Verfahrensrecht), 1. Kapitel (Verfahrensgrundsätze und Veranlagungsverfahren) eingefügt. Vorgeschlagen wird ein neuer Artikel 38 a bis StHG mit dem Titel «Zustellung». Die in Absatz 1 geregelte Zustellungsfiktion orientiert sich inhaltlich an jener für das VwVG (siehe Ziff. 5.1). Eine Abweichung besteht hinsichtlich der nach kantonalem Recht anerkannten Feiertage gemäss Absatz 2 , welche sich an Artikel 118 a Absatz 2 E-DBG orientiert (siehe dazu die Ausführungen in Ziff. 5.7).
Zu beachten ist, dass die Kantone ihre Gesetzgebung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Gesetzes anpassen müssen, wobei sie mindestens zwei Jahre Zeit haben (Art. 72 Abs. 1 StHG). Der Bundesrat wird bei der Festlegung des Zeitpunkts der Inkraftsetzung Rücksicht auf die Kantone nehmen.
6³ Bericht Vernehmlassung, Ziff. 4.2.

5.9 Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)

Art. 38
Berechnung der Fristen
Die Berechnung und der Stillstand von Fristen im sozialversicherungsrechtlichen Verfahren richtet sich nach Artikel 38 ATSG. Es besteht keine Pflicht zum Einschreiben. Die Ausgangslage ist somit vergleichbar mit jener für Verfahren im Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes (vgl. hiervor Ziff. 5.1). Daraus folgt, dass für die vorliegend interessierende Regelung des Fristbeginns im Fall der Zustellung einer behördlichen Mitteilung an einem Samstag, Sonntag oder allgemeinen Feiertag mit gewöhnlicher Postsendung, d. h. ohne Unterschrift der Empfängerin oder des Empfängers, eine Anpassung von Artikel 38 ATSG erforderlich ist.
Zur gesetzessystematischen Bereinigung werden die Berechnung und der Stillstand von Fristen neu in zwei separaten Artikeln geregelt: Artikel 38 regelt nur noch die Berechnung von Fristen und erhält die neue Sachüberschrift «Berechnung der Fristen», während der bisherige Absatz 4 betreffend Stillstand der Fristen in einen neuen Artikel 38 a mit der Sachüberschrift «Stillstand der Fristen» verschoben wird.
Die Begrifflichkeit von Artikel 38 ATSG ist vergleichbar mit jener von Artikel 20 VwVG. Die vorgeschlagene Zusammenfassung der beiden Zustellungsarten mit und ohne Unterschrift im neuen Absatz 3 Buchstabe a (bisheriger Abs. 2bis) und Buchstabe b (Neuregelung) orientiert sich folglich an jener für das VwVG; die dortigen Ausführungen gelten sinngemäss (siehe Ziff. 5.1).
Das bestehende Recht regelt den Fall, dass der letzte Tag einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder anerkannten Feiertag fällt, in Absatz 3. Der erste Satz findet sich unverändert im neuen Absatz 4. Der Inhalt des zweiten Satzes ist neu in Absatz 5 enthalten.
Gemäss Absatz 5 ist für die Bestimmung der kantonal anerkannten Feiertage das Recht des Kantons massgebend, in dem die Partei oder ihre Vertretung Wohnsitz oder Sitz hat. Dies war bisher im Schlusssatz von Absatz 3 geregelt. Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden.
Art. 38a
Stillstand der Fristen
Der neue Artikel 38 a übernimmt unverändert den Absatz 4 des geltenden Artikels 38 ATSG. Eine materielle Änderung ist damit nicht verbunden.

5.10 Koordinationsbestimmung

Verschiedene Bestimmungen des vorliegenden Mantelerlasses bilden gleichzeitig Gegenstand anderer Gesetzesvorhaben. Zu nennen sind das Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ). 6⁴ Betroffen sind namentlich die Artikel 20 VwVG, 44 BGG und 46 MStP. Hinzu kommt der Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über Informationssysteme in den Sozialversicherungen (BISS), welches eine Anpassung von Artikel 38 ATSG vorsieht. 6⁵
Aufgrund der parallellaufenden Gesetzgebungsverfahren, deren Inkrafttreten sich derzeit nicht bestimmen lässt, besteht aus gesetzestechnischer Sicht Koordinationsbedarf. Zu gegebener Zeit wird daher eine Koordinationsbestimmung erforderlich sein. Insbesondere Artikel 20 Absatz 2quater VwVG in der Fassung gemäss BEKJ sollte angepasst werden. Der dort verwendete Ausdruck «am Wohnsitz oder Sitz der Partei oder ihres Vertreters» ist im Hinblick auf Artikel 20 Absatz 4 VwVG in der Fassung gemäss vorliegendem Mantelerlass überflüssig und sollte gestrichen werden. Dasselbe gilt sinngemäss für Artikel 44 BGG und 46 MStP.
6⁴ Vgl. Schlussabstimmungstext: BBl 2025 19 .
6⁵ www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2023 > Vernehmlassung 2023/65.

6 Auswirkungen

6.1 Auswirkungen auf den Bund

Die Vorlage hat insofern geringfügige Auswirkungen auf den Bund, als es bei der Zustellung von fristsetzenden Mitteilungen der Bundesbehörden an Wochenenden oder Feiertagen zu einer Verfahrensverzögerung um wenige Tage kommt. Dies erscheint trotz des Grundsatzes der Verfahrensbeschleunigung im Hinblick auf die Gesamtdauer von Verfahren als vernachlässigbar. Messbare finanzielle oder personelle Auswirkungen für den Bund sind nicht zu erwarten.

6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Im Anwendungsbereich des kantonalen Rechts (einschliesslich der Gemeinden) sind für die Fristenberechnung in erster Linie die dortigen Vorgaben zu berücksichtigen. In den kantonalen Steuererlassen ist Artikel 38 a bis E-StHG umzusetzen. Anzufügen ist, dass der Kanton Appenzell Innerrhoden sowie der Kanton Genf bereits entsprechende Gesetzesanpassungen auf den Weg gebracht haben. Auch im Kanton Waadt wurde eine vergleichbare Motion angenommen (vgl. Ziff. 1.4).
Die urbanen Zentren, Agglomerationen und Berggebiete sind mangels Zuständigkeit von der Vorlage nicht betroffen.

6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Volkswirtschaft.

6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Vorlage bewirkt, dass für die Zustellung von Mitteilungen an Wochenenden oder Feiertagen auf Ebene Bund einheitliche Regeln gelten. Die Sonderordnung, welche mit der Einführung von Artikel 142 Absatz 1bis ZPO für Zivilprozesse geschaffen wurde, wird damit zu einer allgemeinen Regelung. Dabei profitieren die Empfängerinnen und Empfänger, indem die Frist zu einem späteren Zeitpunkt ausgelöst wird. Seitens der Absenderinnen und Absender kann dies spiegelbildlich zu entsprechenden Nachteilen führen.
Am Samstag reicht zukünftig der Eintritt einer Sendung in den Machtbereich der Empfängerinnen und Empfänger nicht mehr aus für die Auslösung einer Frist. Damit tragen neu die Absenderinnen und Absender das Risiko der Samstagszustellung, während bisher die Empfängerin und der Empfänger das Risiko der Abwesenheit am Samstag trugen. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung 6⁶ ist damit eine fristauslösende Zustellung an einem Samstag und damit ein Fristbeginn am Sonntag bei Zustellung mit einfacher Post nicht mehr möglich.
Mit der Neuregelung wird namentlich für die Fristen des materiellen Zivilrechts in den vom Bundesgericht geschaffenen Interessensausgleich zwischen Absenderin oder Absender und Empfängerin oder Empfänger zugunsten der Empfängerin oder des Empfängers eingegriffen. Beispielsweise entfällt für die mietrechtliche Kündigung die bisherige Möglichkeit, mit «A-Post Plus» auf den letzten Tag der Frist, die auf einen Samstag fällt, zu kündigen. Dies gilt auch für den Fall, dass die Empfängerin oder der Empfänger die Kündigung am Samstag tatsächlich empfangen und zur Kenntnis genommen hat (insofern ist die Zustellungsfiktion überschiessend; dieser Umstand betrifft freilich auch die übrigen von der Motion anvisierten Rechtsgebiete). Sie oder er profitiert von der Terminverschiebung und die Irrtumsproblematik entfällt. Wochentags gilt weiterhin uneingeschränkt die von der Rechtsprechung entwickelte absolute Empfangstheorie, mit all ihren Vor- und Nachteilen. Die Übernahme der neuen Zustellungsfiktion im Fall der Wochenend- oder Feiertagszustellung ins materielle Zivilrecht hat letztlich vergleichbare Auswirkungen wie im Verfahrensrecht: Die Empfängerin oder der Empfänger trägt nicht mehr die Nachteile der Abwesenheit, sondern die Absenderin oder der Absender.
6⁶ Vgl. bspw. BGE 140 III 244 E. 5.1; Urteil des BGer 2C_1032/2019 vom 11.3.2019 E. 3.3.

6.5 Auswirkungen auf die Umwelt sowie andere Auswirkungen

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Umwelt oder andere Auswirkungen.

7 Rechtliche Aspekte

7.1 Verfassungsmässigkeit

Der Bund hat keine umfassende Kompetenz zur Regelung des Fristenrechts; die Regelungskompetenz leitet sich aus der jeweiligen Sachkompetenz ab.
Die Vorlage beschränkt sich auf Anpassungen von Bestimmungen über die Berechnung von Fristen des Bundesrechts. Sie berührt damit einzig Bundesrecht und greift nicht in die Kompetenzbereiche der Kantone und Gemeinden ein. Davon ausgenommen ist die in das Steuerharmonisierungsgesetz aufgenommene Regelung, welche die Kantone zur Einführung entsprechender Bestimmungen in ihren kantonalen Steuererlassen verpflichtet. Dem Bund kommt diesbezüglich gestützt auf Artikel 129 der Bundesverfassung eine Grundsatzgesetzgebungskompetenz zu.

7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Vorrangige Rechtsgrundlage für die Fristenberechnung ist das von der Schweiz, Österreich, Liechtenstein und Luxemburg ratifizierte Europäische Übereinkommen vom 16. Mai 1972 ⁶7 über die Berechnung von Fristen (EuFrÜb). Das EuFrÜb ist anwendbar auf Fristen im Zivil-, Handels-, und Verwaltungsrecht einschliesslich des jeweiligen Verfahrensrechts (Art. 1). Das Strafprozessrecht ist nicht erfasst. Das Übereinkommen regelt die Berechnung von Verfahrensfristen sowie von Fristen des materiellen Rechts, nicht aber die Zustellung von fristsetzenden Mitteilungen oder den Stillstand von Fristen. ⁶⁸
Die vorgeschlagene Lösung ist mit dem Übereinkommen vereinbar. Tritt die vorgeschlagene Zustellungsfiktion ein, beginnt die nach Tagen bestimmte Frist am Tag nach der fingierten Zustellung zu laufen. Mit anderen Worten wird der Eintritt der Wirksamkeit der Zustellung auf den nächsten Werktag verschoben. An der auch im EuFrÜb verankerten Grundregel, wonach Fristen am Tag nach ihrer Auslösung zu laufen beginnen (Art. 3 EuFrÜb), ändert sich nichts. ⁶⁹ Die Vereinbarkeit von Artikel 142 Absatz 1bis ZPO mit dem EuFrÜb wurde durch das Bundesgericht bestätigt. Im Anwendungsbereich des Übereinkommens ist es den Vertragsstaaten überlassen, die Voraussetzungen, unter welchen Fristen ausgelöst werden, zu bestimmen. 7⁰
Für internationale Zustellungen gilt in Zivil- und Handelssachen das Übereinkommen vom 15. November 1965 7¹ über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen ( Haager Zustellungsübereinkommen ). Die Zustellung eines Schriftstücks richtet sich grundsätzlich nach dem Landesrecht des ersuchten Staates. Die ersuchende Stelle des anderen Staates kann eine besondere Form der Zustellung wünschen, soweit sie mit dem Recht des ersuchten Staates vereinbar ist (Art. 5 des Haager Zustellungsübereinkommens). Aufgrund dieser Ordnung bestehen keine Konflikte mit der hier vorgeschlagenen Lösung für Zustellungen an Samstagen, Sonntagen oder Feiertagen.
Für Zustellungen, die unter das Europäische Übereinkommen vom 24. November 1977 7² über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland fallen, gilt das Gesagte sinngemäss. Gemäss Artikel 6 dieses Abkommens richtet sich die Zustellung jeweils nach dem Landesrecht des ersuchten Staates bzw. darf diesem nicht widersprechen.
⁶7 SR 0.221.122.3
⁶8 Vgl. Ernst/Oberholzer/Sunaric, Fristen und Fristberechnung im Zivilprozess (ZPO-BGG-SchKG), 2. Aufl. 2021, Rz. 3 f.
⁶9 Der dies a quo (Ereignistag) wird auf den nächsten Werktag fingiert.
7⁰ Urteil BGer 5A_691/2023 vom 13. August 2024 E. 4.3.2.
7¹ SR 0.274.131
7² SR 0.172.030.5

7.3 Erlassform

Für die Umsetzung bietet sich die Schaffung eines Mantelerlasses an, mit welchem sowohl das Bundesgesetz über den Fristenlauf an Samstagen wie auch die speziell zu berücksichtigenden Verfahrens- und Sacherlasse geändert werden. Zwischen den einzelnen Änderungen besteht ein enger sachlicher Zusammenhang, da es um die Verbreitung derselben Regelungsidee in verschiedene Bundesgesetze geht (Zustellungsfiktion bei Samstagszustellung). Die Zusammenfassung der Änderungen in einem Mantelerlass verdeutlicht den inneren Zusammenhang der einzelnen Änderungen im Sinn der Einheit der Materie.

7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage sieht weder Subventionen noch Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen vor, die eine neue einmalige Ausgabe von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen würden. Sie untersteht daher nicht der Ausgabenbremse.

7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

Die Vorlage ist mit der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen vereinbar. Das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz (Art. 43 a Abs. 2 und 3 BV) ist von der Vorlage nicht betroffen.

7.6 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Vorlage enthält keine Bestimmungen, die dem Bundesrat Gesetzgebungskompetenzen übertragen.

7.7 Datenschutz

Mit der Vorlage ist keine Datenbearbeitung geplant. Deshalb kann auf die Risikovorprüfung hinsichtlich einer Datenschutz-Folgenabschätzung im Sinn von Artikel 22 des Datenschutzgesetzes vom 25. September 2020 7³ verzichtet werden.
7³ SR 235.1
Bundesrecht
Botschaft zum Bundesgesetz über die Zustellung von Sendungen an Wochenenden und Feiertagen
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