Botschaft zur Genehmigung des Änderungsprotokolls zur Modernisierung des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Chile
Botschaft zur Genehmigung des Änderungsprotokolls zur Modernisierung des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Chile
vom 26. Februar 2025
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Änderungsprotokolls zur Modernisierung des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Chile.
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
| 26. Februar 2025 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Karin Keller-Sutter Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Übersicht
Durch das Änderungsprotokoll zur Modernisierung des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Chile wird das Freihandelsabkommen zu einem zeitgemässen und ambitionierten Abkommen. Die Rechtssicherheit und die Vorhersehbarkeit der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen werden allgemein verbessert und die Behördenzusammenarbeit gestärkt.
Ausgangslage
Die Schweiz ist ein exportorientiertes Land mit Absatzmärkten in zahlreichen Ländern. Zur Verbesserung des Marktzugangs im Ausland sind der Abschluss und die Modernisierung von Freihandelsabkommen mit Handelspartnern ausserhalb der EU - neben der Mitgliedschaft bei der Welthandelsorganisation (WTO) und den bilateralen Verträgen mit der EU - für sie ein wichtiges Instrument. Diese Abkommen verbessern die Rahmenbedingungen der Schweizer Wirtschaft und tragen zur Vermeidung oder Beseitigung von Diskriminierungen bei, die sich aus Präferenzabkommen ergeben, die unsere Handelspartner mit anderen Ländern als der Schweiz abschliessen. Dies stärkt die Diversifizierung des Aussenhandels.
Die Modernisierung des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Chile soll die Rechtssicherheit erhöhen, die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft auf dem chilenischen Markt stärken und das Diskriminierungspotenzial gegenüber Akteuren verringern, welche über weitergehende Freihandelsabkommen mit Chile verfügen. Dies gilt unter anderem für die EU, die ihr Freihandelsabkommen mit Chile bereits 2022 modernisiert hat. Das vorliegende Änderungsprotokoll schliesst Lücken im ursprünglichen Abkommen und ergänzt es mit neuen Bereichen. Insbesondere fehlten Bestimmungen über Finanzdienstleistungen und einige wichtige chilenische Zugeständnisse im Güterhandelsbereich. Zudem ist das Kapitel über geistiges Eigentum des ursprünglichen Abkommens wenig umfassend. Das Freihandelsabkommen enthielt des Weiteren kein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung, Handelserleichterungen sowie digitalen Handel.
Inhalt der Vorlage
Das modernisierte Freihandelsabkommen mit Chile entspricht weitgehend den neueren mit Drittstaaten abgeschlossenen Abkommen der EFTA und hat einen sektoriell umfassenden Geltungsbereich. Mit Inkrafttreten werden 99,99 Prozent der Schweizer Güterexporte nach Chile zollbefreit. Der Geltungsbereich der im Änderungsprotokoll und seinen Anhängen enthaltenen Bestimmungen über den Warenverkehr umfasst Industrieprodukte, Fisch und andere Meeresprodukte sowie landwirtschaftliche Basis- und Verarbeitungsprodukte. Es enthält des Weiteren modernisierte Bestimmungen über technische Handelshemmnisse, sanitäre und phytosanitäre Massnahmen und Ursprungsregeln. Im Bereich Dienstleistungen wurden die bestehenden Verpflichtungen zu den Kernbestimmungen - Marktzugang und Inländerbehandlung - aktualisiert. Das diesbezügliche Verpflichtungsniveau von Chile ist vergleichbar mit jenem, welches Chile in seinen jüngsten Handelsabkommen gewährt hat, einschliesslich des Abkommens mit der EU. Zusätzlich werden durch die Modernisierung nun auch Finanzdienstleitungen durch das Abkommen abgedeckt; das Abkommen umfasst somit neu alle Dienstleistungssektoren. In Bezug auf das öffentliche Beschaffungswesen wurden die rechtlichen Bestimmungen und der Marktzugang im bestehenden Abkommen aktualisiert, um somit bessere Rahmenbedingungen für die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen der Vertragsparteien zu schaffen. Durch die Modernisierung wird dem Abkommen zudem ein umfassendes Kapitel zum digitalen Handel hinzugefügt sowie Bestimmungen zu Handelserleichterungen. Das Kapitel zum geistigen Eigentum des modernisierten Freihandelsabkommens deckt neu alle Bereiche des geistigen Eigentums ab. Das Schutzniveau entspricht grundsätzlich jenem des WTO-Abkommens über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS), geht aber teilweise darüber hinaus. Das neu eingefügte Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung enthält alle Bestimmungen des verstärkten Modellansatzes der Schweiz beziehungsweise der EFTA-Länder in den Bereichen Handel und nachhaltige Entwicklung. Chile ist zudem der erste Partner, mit dem die EFTA ein Kapitel über kleine und mittlere Unternehmen vereinbart hat. Dieses entspricht zu weiten Teilen dem neu erarbeiteten EFTA-Modell-Text und hat zum Ziel, dass kleinere und mittlere Unternehmen besser vom Freihandelsabkommen profitieren können.
Botschaft
1 Ausgangslage
1.1 Aussenpolitischer Kontext
Die Hauptaufgabe der Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz besteht darin, der Schweizer Wirtschaft möglichst stabile, vorhersehbare, hindernis- und diskriminierungsfreie Bedingungen für den Zugang zu möglichst vielen ausländischen Märkten zu verschaffen. Die Schaffung von günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Diversifikation von Handelspartnern sind auch Ziele der Schweizer Aussenpolitik und als solche in der Aussenpolitischen Strategie 2024-2027 ¹ und der Amerikas-Strategie 2022−2025 ² verankert. Der Abschluss und die Modernisierung von Freihandelsabkommen (FHA) mit Staaten ausserhalb der Europäischen Union (EU) bilden neben der Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) und den bilateralen Verträgen mit der EU einen der drei Hauptpfeiler der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik, um den Zugang der Schweiz zu ausländischen Märkten sicherzustellen und zu verbessern. Die Bedeutung dieser Politik zeigt sich besonders angesichts protektionistischer Tendenzen im Welthandel, welche die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik vor grosse Herausforderungen stellen. Die Schweiz verfügt - neben dem Abkommen vom 22. Juli 1972 ³ mit der EU und dem Übereinkommen vom 4. Januar 1960 ⁴ zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) - gegenwärtig über 35 unterzeichnete FHA mit 45 Partnern. Es handelt sich um 31 im Rahmen der EFTA abgeschlossene FHA ⁵ sowie um die vier bilateralen Abkommen mit den Färöern ⁶ , Japan ⁷ , China ⁸ und dem Vereinigten Königreich ⁹ .
Durch die Modernisierung des 2004 in Kraft getretenen FHA zwischen den EFTA-Staaten und Chile werden die Rahmenbedingungen für Schweizer Wirtschaftsakteure verbessert und das Diskriminierungspotenzial gegenüber der EU minimiert, welche ihr FHA mit Chile bereits 2022 modernisiert hat. Die Modernisierung des bestehenden Abkommens baut den Markzugang aus, schliesst Lücken im ursprünglichen Abkommen und ergänzt es um wichtige Bestimmungen. Ein Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen kann sich auch positiv auf die bereits guten bilateralen Beziehungen auswirken.
¹ Vgl. Ziele 16 und 17 der Aussenpolitischen Strategie 2024-2027 (S. 32), abrufbar unter: www.eda.admin.ch > Aussenpolitik > Strategien und Grundlagen > Aussenpolitische Strategie.
² Vgl. Ziel L1 der Amerikas-Strategie 2022-2025 (S. 34), abrufbar unter: www.eda.admin.ch >Aussenpolitik > Strategien und Grundlagen > Geografische Strategien > Amerikas-Strategie.
³ SR 0.632.401
⁴ SR 0.632.31
⁵ Neben dem bestehenden Abkommen mit Chile ( SR 0.632.312.451 ) handelt es sich um die EFTA-Abkommen mit Albanien ( SR 0.632.311.231 ), Ägypten ( SR 0.632.313.211 ), Bosnien und Herzegowina ( SR 0.632.311.911 ), Ecuador ( SR 0.632.313.271 ), Georgien ( SR 0.632.313.601 ), den Mitgliedstaaten des Golf-Kooperationsrates (Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate; SR 0.632.311.491 ), Hongkong ( SR 0.632.314.161 ), Indien (unterzeichnet am 10. März 2024; BBl 2024 2382 ), Indonesien ( SR 0.632.314.271 ), Israel ( SR 0.632.314.491 ), Jordanien ( SR 0.632.314.671 ), Kanada ( SR 0.632.312.32 ), Kolumbien ( SR 0.632.312.631 ), der Republik Korea ( SR 0.632.312.811 ), Libanon ( SR 0.632.314.891 ), Marokko ( SR 0.632.315.491 ), Nordmazedonien ( SR 0.632.315.201.1 ), Mexiko ( SR 0.632.315.631.1 ), Moldau (unterzeichnet am 27. Jun. 2023, BBl 2024 536 ); Montenegro ( SR 0.632.315.731 ), der Palästinensischen Behörde ( SR 0.632.316.251 ), Peru ( SR 0.632.316.411 ), den Philippinen ( SR 0.632.316.451 ), Serbien ( SR 0.632.316.821 ), Singapur ( SR 0.632.316.891.1 ), den Staaten der Südafrikanischen Zollunion (Botsuana, Eswatini, Lesotho, Namibia, Südafrika; SR 0.632.311.181 ), Tunesien ( SR 0.632.317.581 ), der Türkei ( SR 0.632.317.631 ), der Ukraine ( SR 0.632.317.671 ), den zentralamerikanischen Staaten (Costa Rica, Panama; SR 0.632.312.851 ) und Guatemala (Beitrittsprotokoll, unterzeichnet am 22. Juni 2015; BBl 2016 1025 ).
⁶ Abkommen vom 12.1.1994 zwischen der Schweiz einerseits und Dänemark sowie den Färöer-Inseln andererseits ( SR 0.946.293.142 ).
⁷ Abkommen vom 19.2.2009 zwischen der Schweiz und Japan ( SR 0.946.294.632 )
⁸ Freihandelsabkommen vom 6.7.2013 zwischen der Schweiz und China ( SR 0.946.292.492 ).
⁹ Abkommen vom 11.2.2019 zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich ( SR 0.946.293.671 ).
1.2 Wirtschaftliche und politische Lage sowie Aussenwirtschaftspolitik Chiles
Chile ist mit einer Fläche von 756 102 km² 18-mal so gross wie die Schweiz. Die Bevölkerung liegt bei 19,49 Millionen, mit einer Wachstumsrate von 7 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Chile lag 2024 bei 376 Milliarden US-Dollar, mit einem BIP pro Kopf von 17 647 US-Dollar. Im gleichen Jahr lag die Wachstumsrate des BIP bei 1,9 Prozent. Chile ist eine konsolidierte Demokratie.
Probleme wie sozioökonomische Ungleichheit, Armut, schlechte öffentliche Schulen, tiefe Pensionen und steigende Lebenshaltungskosten sorgten im Oktober 2019 für Proteste im ganzen Land. Trotz Zugeständnissen der Regierung spielten diese Proteste bei den Wahlen Ende 2021 eine zentrale Rolle für den Sieg des linken Kandidaten und ehemaligen Studentenführer Gabriel Boric. Boric verfolgt eine liberale Wirtschaftspolitik und Ausgabendisziplin. Politisch strebt Boric eine nachhaltige Umweltpolitik, soziale Reformen und eine offene Aussenpolitik an. Als Teil seiner sozialen Politik wollte Boric auch die neoliberale Verfassung, welche unter General Pinochet eingeführt worden war, durch eine neue Verfassung ersetzen. Die Verfassungsreform ist jedoch zweimal vor dem Volk gescheitert, einmal im Jahr 2022 und ein zweites Mal 2023. Die Fiskalpolitik des Landes wurde stark durch die Covid-Pandemie beeinflusst. Zwei grosse Fiskalpakete wurden seit Ausbruch der Pandemie 2020 aufgesetzt. 2022 präsentierte Boric ein weiteres Ausgabenpaket im Wert von 3,7 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung armer Familien und kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Diese hohen Ausgaben haben die wirtschaftliche Erholung nach der Krise vorangetrieben, jedoch auch den Inflationsdruck verstärkt. In Anbetracht der steigenden Inflation bemüht sich die Regierung um eine ausgeglichene Fiskalpolitik.
Trotz Diversifizierungsanstrengungen der Regierung bleibt die chilenische Wirtschaft stark abhängig von Rohstoffexporten, speziell von Gold und Kupfer. Aufgrund des grossen Anteils des Bergbaus an Chiles Exporterlösen und des Anstiegs der Rohstoffpreise 2021 verbesserte sich die aussenwirtschaftliche Situation des Landes in jenem Jahr. 2022 war Chile sogar der grösste Kupferexporteur weltweit mit 11 Prozent der globalen Kupferexporte. Die Abhängigkeit vom Rohstoffsektor bleibt eine grosse Herausforderung für Chile, da sie die Konjunktur des Landes an die Weltmarktpreise für einige wenige Güter wie Kupfer bindet. Der Abbau der grossen Lithiumvorkommen, einem zentralen Rohstoff für die Energiewende, steht erst am Anfang. Dies könnte die Abhängigkeit Chiles vom Bergbau weiter verstärken. Asien ist der wichtigste Wachstumsmarkt für den chilenischen Aussenhandel (56 %), wobei China mit 40 Prozent der chilenischen Exporte der grösste Handelspartner ist. Hierbei handelt es sich vor allem um unverarbeitetes Kupfer, welches in China weiterverbreitet wird. Entsprechend bleibt die chilenische Exportwirtschaft stark von der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas abhängig. Die wirtschaftlichen Spannungen zwischen den USA und China wirken sich auch auf die chilenische Wirtschaft aus. Trotz dieser Abhängigkeit bietet der Rohstoffsektor auch grosse Chancen für die chilenische Wirtschaft. Das Land verfügt über grosse Lithium- und Kupfervorkommen, beides Rohstoffe, die bei der Entwicklung von Technologien für saubere Energie eine zentrale Rolle spielen. Mit weltweit zunehmendem Fokus auf nachhaltige Umwelt- und Wirtschaftspolitik birgt Chile somit grosses Potenzial für den Ausbau des Rohstoffsektors und die vertikale Integration der Bergbaubranche. Chile legt bereits jetzt einen starken Fokus auf Nachhaltigkeit. Das Land erzeugt bereits jetzt über 50 Prozent seiner Energie erneuerbar und war eines der ersten Länder, welches seine CO
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-Neutralität gesetzlich verankert hat. Zudem ist Chile aufgrund seiner geografischen Gegebenheiten, welche grosses Potenzial für Solar- und Windkraft bieten, prädestiniert für die grüne Wasserstoffproduktion.
Chile verfolgt eine aktive und offene Aussenpolitik und verfügt über ein im weltweiten Vergleich sehr gut ausgebautes Freihandelsnetz. Das Land hat 31 Handels- und Freihandelsabkommen mit insgesamt 65 Ländern abgeschlossen. Die starke globale Vernetzung Chiles durch die zahlreichen FHA machen das Land zudem zu einem beliebten Niederlassung- oder Produktionsstandort für internationale Unternehmen. Die verfolgte wirtschaftliche Offenheit ist demokratisch breit abgestützt. 2010 wurde Chile als erstes südamerikanisches Land offizielles Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), liegt in vielen Bereichen aber weiterhin deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Unter Boric hat Chile eine feministische Aussenpolitik eingeführt und ist regionaler Vorreiter bei Umweltbemühungen. Chile versucht, seine regionale Position zu stärken und die Stimmen kleiner und mittlerer Länder zu vereinen, um in multilateralen Verhandlungen ein grösseres Gewicht zu erlangen. Es befürwortet strategische und klar abgegrenzte Verbindungen zu seinen Nachbarländern und setzt sich stark für eine verstärkte regionale Zusammenarbeit ein, wobei der wichtigste Hebel die Pazifische Allianz ist. Die Schweiz ist dort seit November 2013 Beobachterin.
1.3 Bilaterale Beziehungen sowie bilaterale Abkommen Schweiz-Chile
Die bilateralen Beziehungen zwischen Chile und der Schweiz gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück 1⁰ . Bereits 1897 formalisierten die Schweiz und Chile die bilateralen Kontakte durch einen Handelsvertrag 1¹ . Des Weiteren fungierte der Schweizer Bundesrat als Schiedsrichter in zwei Konflikten bezüglich Eigentumsforderungen ausländischer Firmen, in die Chile im späten 19. Jahrhundert verwickelt war. Ein erstes Mal im Jahr 1896 zwischen Chile und Frankreich, ein zweites Mal im Jahr 1900 zwischen Chile und den USA. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Kooperation zwischen Chile und der Schweiz durch mehrere Abkommen vertieft. Zusätzlich wurden verschiedene Schuldenkonsolidierungsabkommen verabschiedet ¹2 .
Die politischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Chile sind in den letzten Jahren intensiver geworden. Wichtige Themen der Zusammenarbeit sind neben dem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen schweizerischen und chilenischen Institutionen sowie die Kooperation in den Bereichen Klimawandel und Wasser. Die beiden Länder arbeiten auch im Energiebereich zusammen, um den Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieversorgung zu erhöhen.
Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Chile werden durch ein dichtes Netz an Abkommen gestützt. Dazu gehören neben dem im Jahr 2004 in Kraft getretenen FHA auch die Verwaltungsvereinbarung über Soziale Sicherheit (Inkrafttreten 1998) ¹3 , das Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (2002) ¹4 , welches zurzeit ebenfalls modernisiert wird, das Abkommen über den Luftverkehr (2005) ¹5 , die Vereinbarung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (2010) ¹6 und das Abkommen über den Austausch von Stagiaires (2010) ¹7 . Zudem haben die Schweiz und Chile auch einen Vertrag über die Rechtshilfe in Strafsachen (2016) ¹8 , ein Abkommen über die Rückübernahme von Personen mit irregulärem Aufenthalt (2016) ¹9 , ein Durchführungsabkommen zum Übereinkommen von Paris (abgeschlossen im Jahr 2023) 2⁰ und ein Abkommen über die gegenseitige Aufhebung der Visumpflicht für Inhaberinnen und Inhaber eines Diplomatenpasses, offiziellen Passes oder Dienstpasses (2024) 2¹ abgeschlossen.
Heute ist die Schweiz auch durch die Globalprogramme der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit in Chile präsent und setzt sich für die Verbesserung der Luftqualität in Städten (CALAC+), für die nachhaltige Nutzung der andinen Wälder (Bosques Andinos) und die nachhaltige private Wassernutzung (Suizagua) ein 2² . Die humanitäre Hilfe der Schweiz unterstützt Chile ebenfalls, vor allem in den Bereichen der Risikoreduktion für Naturkatastrophen und der raschen Krisenintervention ²3 .
1⁰ www.hls-dhs-dss.ch > Chile
1¹ SR 0.946.292.451
¹2 www.hls-dhs-dss.ch > Chile
¹3 SR 0.831.109.245.11
¹4 SR 0.975.224.5
¹5 SR 0.748.127.192.45
¹6 SR 0.672.924.51
¹7 SR 0.142.112.457
¹8 SR 0.351.924.5
¹9 SR 0.142.112.459
2⁰ SR 0.814.012.124.5
2¹ Noch keine SR-Nummer vorhanden.
2² www.eda.admin.ch > Die Schweiz weltweit > Chile > Schweiz und Chile > Bilaterale Beziehungen Schweiz-Chile
²3 www.eda.admin.ch > Die Schweiz weltweit > Chile > Schweiz und Chile > Bilaterale Beziehungen Schweiz-Chile
1.4 Handel und Investitionen zwischen der Schweiz und Chile
Seit Inkrafttreten des ursprünglichen Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Chile ist der bilaterale Güterhandel zwischen der Schweiz und Chile stetig gewachsen und erreichte im Jahr 2023 ein Volumen von rund einer Milliarde Franken, was Chile zum sechstwichtigsten Handelspartner der Schweiz in der Region macht. Die wichtigsten Schweizer Exportgüter entsprechen hierbei den typischen Handelsströmen in die Region, sind aber deutlich diversifizierter. Chemische und pharmazeutische Produkte machen über 50 Prozent der Schweizer Exporte in Richtung Chile aus. Wichtige Exportprodukte sind mit ca. 20 Prozent zudem Präzisionsinstrumente und Uhren und Maschinen, mit ungefähr 11 Prozent. Da die Schweiz viel Gold raffiniert, repräsentieren Edelmetalle 93 Prozent der Importe aus Chile. Aufgrund dieser Goldimporte unterhält die Schweiz ein relativ grosses Handelsbilanzdefizit, welches sich 2023 auf 0,3 Milliarden Franken belief. Ohne Berücksichtigung der Goldimporte erzielt die Schweiz jedoch einen Handelsbilanzüberschuss.
Die Einnahmen aus dem Dienstleistungsexport setzen sich hauptsächlich aus Lizenzdienstleistungen (27,4 %), Finanzdienstleistungen (16,7 %), Transportdiensten (13,2 %) und Versicherungsdiensten (12,4 %) zusammen. Bei den importierten Dienstleistungen machen Transportdienste den grössten Teil aus (31,4 %), gefolgt von Lizenzgebühren (20,6 %), Tourismus (15,0 %) und Finanzdiensten (14,8 %).
Gemäss den aktuell verfügbaren Zahlen der Schweizerischen Nationalbank belief sich der Kapitalbestand der schweizerischen Direktinvestitionen in Chile im Jahr 2022 auf 452 Millionen Franken (im Vgl. zu 1,6 Mrd. CHF im Jahr 2021). Trotzdem gehört die Schweiz zu den 15 grössten Investorinnen des Landes. Durch einen präsenten Privatsektor in diversen Sektoren beschäftigten Schweizer Firmen in Chile 2023 rund 18 800 Personen.
Zur Unterstützung der Schweizer Exportwirtschaft und Firmen ist seit 2021 ein «Swiss Business Hub Chile» in der Schweizerischen Botschaft etabliert; zudem ist eine gut funktionierende Handelskammer vorhanden. Diese modernisierten Rahmenbedingungen sollten dazu beitragen, die gut etablierten wirtschaftlichen Beziehungen weiter zu intensivieren.
1.5 Geprüfte Alternativen
Es ist nur durch die Modernisierung des FHA möglich sicherzustellen, dass die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und Chile auf zeitgemässen Regeln basieren. So kann sichergestellt werden, dass Schweizer Wirtschaftsakteure weiterhin von präferenziellen Bedingungen profitieren und nicht gegenüber Konkurrenten aus anderen Ländern benachteiligt werden.
Die Alternative zu einer Modernisierung hätte darin bestanden, auf diese zu verzichten. In diesem Fall wären gewisse von Chile eingeführte Schweizer Waren gegenüber den Waren anderer Handelspartner, die von modernisierten präferenziellen Zugeständnissen Chiles profitieren, benachteiligt worden. Weiterhin hätten teilweise höhere Zölle bezahlt werden müssen. Zusätzlich hätten die Lücken, welche das bestehende FHA mit Chile aufweist, fortbestanden. Bei diesen Lücken handelt es sich unter anderen um das Fehlen von Bestimmungen zu Finanzdienstleistungen und Handelserleichterungen und um unvollständige Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums. Dadurch wäre eine Diskriminierung der Schweiz gegenüber Ländern, die mit Chile über entsprechende Bestimmungen verfügen oder künftig verfügen werden, nicht auszuschliessen gewesen. Diese ist in Anbetracht der Tatsache, dass die EU ihr Freihandelsabkommen mit Chile bereits 2022 modernisiert hat, von Bedeutung.
1.6 Verlauf der Verhandlungen
Die EFTA-Staaten und Chile diskutierten anlässlich des vierten Treffens des gemischten Ausschusses 2014 erstmals über eine mögliche Modernisierung des FHA. In der Folge wurden exploratorische Gespräche geführt. Chile zeigte sich zu Beginn nicht bereit, auch die Bestimmungen über geistiges Eigentum zu überarbeiten. Erst nach mehrmaligem Insistieren seitens der Schweiz willigte Chile ein, diesen für die EFTA-Staaten prioritären Bereich einzubeziehen.
Der Modernisierungsprozess konnte mit einer Verhandlungsrunde im Herbst 2019 in Santiago de Chile lanciert werden. Aufgrund der Covid-19-Pandemie fanden die darauffolgenden Runden teilweise virtuell statt. Die Verhandlungen wurden zudem durch den Regierungswechsel 2022 und den parallel laufenden Modernisierungsprozess zwischen Chile und der EU etwas verzögert. Es gelang schliesslich, den Modernisierungsprozess nach einer Verhandlungsdauer von rund fünf Jahren und sieben umfassenden Verhandlungsrunden sowie einigen intersessionellen und technischen Treffen im Januar 2024 abzuschliessen.
1.7 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates
Die Modernisierung des Freihandelsabkommens mit Chile fällt unter Ziel 3 («Die Schweiz leistet ihren Beitrag zu einer regelbasierten Weltwirtschaftsordnung und sichert der Schweizer Wirtschaft den Zugang zu internationalen Märkten») der Botschaft vom 24. Januar 2024 ²4 zur Legislaturplanung 2023-2027 und des Bundesbeschlusses vom 6. Juni 2024 ²5 über die Legislaturplanung 2023-2027. Entsprechend dieser Botschaft zielt die Schweiz für ihre Unternehmen auf weitgehenden, rechtlich abgesicherten und diskriminierungsfreien Zugang zu funktionierenden internationalen Märkten ab. Ein Ziel der Aussenwirtschaftsstrategie 2021 ²6 ist es, neue Wirtschaftsabkommen auszuhandeln und bestehende zu modernisieren. Die Schaffung von günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Schweiz und die Diversifikation der Handelspartner sind zudem Ziele der Aussenpolitischen Strategie 2024−2027 und der Amerikas-Strategie 2022−2025. Die Modernisierung des Freihandelsabkommens mit Chile entspricht somit den vom Bundesrat festgelegten Zielen der Aussenwirtschaftsstrategie 2021, der Aussenpolitischen Strategie 2024−2027, der Amerikas-Strategie 2022−2025 und der Legislaturplanung 2023−2027.
²4 BBI 2024 525 S. 63-65
²5 BBl 2024 1440 Art. 4
²6 www.seco.admin.ch >Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Aussenwirtschaftspolitik > Strategie zur Aussenwirtschaftspolitik
2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren
Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 ²7 (VlG) ist bei völkerrechtlichen Verträgen, die dem Referendum unterstehen, grundsätzlich eine Vernehmlassung durchzuführen. Gemäss Artikel 3 a Absatz 1 Buchstabe b VlG kann aber auf eine Vernehmlassung verzichtet werden, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind. Dies ist hier der Fall, denn das bestehende Abkommen ist bereits im Landesrecht umgesetzt und die Positionen der interessierten Kreise sind bekannt (vgl. Ziff. 3). Deshalb wurde auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet. Die aussenpolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte (APK) wurden gestützt auf Artikel 152 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 ²8 zum Mandat vom 20. November 2013 für die Verhandlungen zur Modernisierung des FHA mit Chile konsultiert.
²7 SR 172.061
²8 SR 171.10
3 Konsultation parlamentarischer Kommissionen, der Kantone und weiterer interessierter Kreise
Die beiden aussenpolitischen Kommissionen haben den Mandatsentwurf des Bundesrats am 13. Januar 2014 (APK-N) und am 20. Januar 2014 (APK-S) zur Kenntnis genommen und ihm zugestimmt.
Die interessierten zivilgesellschaftlichen Akteure wie Nichtregierungsorganisationen und Verbände erhielten regelmässig Informationen zum Stand der Verhandlungen, insbesondere im Rahmen der zweimal jährlich stattfindenden Treffen der Verbindungsgruppe Aussenwirtschaft-NGO/NGO-Roundtable. Die Akteure hatten Gelegenheit, der Verhandlungsleitung Fragen zu stellen und ihre Positionen kundzutun. Die Kantone wurden vor und nach den Verhandlungsrunden entweder mündlich oder schriftlich über den Stand der Gespräche unterrichtet. Die APK wurden anlässlich von APK-Sitzungen regelmässig über den Stand der Verhandlungen informiert und hatten Gelegenheit, sich dazu zu äussern. Diese Kanäle erlaubten es, die Ansichten der Kantone, des Parlaments und der Zivilgesellschaft bereits während den Verhandlungen in die Position der Schweiz einfliessen zu lassen.
4 Grundzüge des Änderungsprotokolls
4.1 Inhalt und Würdigung des modernisierten Abkommens
Das FHA wird via Änderungsprotokoll modernisiert. Das modernisierte FHA mit seinen 24 Anhängen entspricht weitgehend den neueren mit Drittstaaten abgeschlossenen Freihandelsabkommen der EFTA. Der sektoriell umfassende Geltungsbereich des modernisierten Freihandelsabkommens enthält Bestimmungen zu:
-
Handel mit Industriegütern, einschliesslich Fisch und Meeresprodukte;
-
verarbeiteten und unverarbeiteten Landwirtschaftsprodukten;
-
Ursprungsregeln;
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Handelserleichterungen;
-
technischen Handelshemmnissen;
-
sanitären und phytosanitären Massnahmen;
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handelspolitischen Schutzmassnahmen;
-
Handel mit Dienstleistungen, inklusive Finanzdienstleistungen;
-
Investitionen;
-
digitalem Handel (E-Commerce);
-
Schutz des geistigen Eigentums;
-
Öffentlichem Beschaffungswesen;
-
Wettbewerb;
-
Subventionen;
-
Transparenz;
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Handel und nachhaltiger Entwicklung;
-
KMU;
-
institutionellen Fragen und Streitbeilegung.
Mit Ausnahme der Investitionen, des Wettbewerbs, der Subventionen und den institutionellen Bestimmungen wurden alle Bereiche des Abkommens modernisiert oder ergänzt. Chile ist zudem der erste Partner, mit dem die EFTA ein Kapitel über KMU vereinbart hat.
Das modernisierte Freihandelsabkommen geht als Präferenzabkommen in verschiedenen Bereichen über das in den WTO-Abkommen bestehende Niveau bezüglich Marktzugang und Rechtssicherheit hinaus. Durch die Modernisierung kann die Schweiz Diskriminierungen gegenüber anderen Staaten, die bereits über ein modernisiertes Freihandelsabkommen mit Chile verfügen, eliminieren, z. B. Diskriminierungen gegenüber der EU. Gegenüber Konkurrenten aus Volkswirtschaften, die kein gleich umfassendes Freihandelsabkommen mit Chile abgeschlossen haben, erhalten Schweizer Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil. Weiter wird dank der Modernisierung des Freihandelsabkommens die Rechtssicherheit namentlich in Bereichen wie den Dienstleistungen und dem geistigen Eigentum gestärkt.
4.2 Sprachfassungen des modernisierten Abkommens
Die Originalfassung des vorliegenden Änderungsprotokolls ist in Englisch. Der Abschluss des Änderungsprotokolls des FHA EFTA−Chile in englischer Sprache entspricht der langjährigen konstanten Praxis der Schweiz und steht im Einklang mit Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c der Sprachenverordnung vom 4. Juni 2010 ²9 . Englisch ist zudem die offizielle Arbeitssprache der EFTA. Die Aushandlung, die Erstellung und die Überprüfung von Originalfassungen des Änderungsprotokolls des FHA EFTA−Chile in den Amtssprachen der Vertragsparteien hätten angesichts des Umfangs der Abkommenstexte unverhältnismässige Mittel erfordert.
Das Fehlen einer Originalfassung in einer Schweizer Amtssprache erfordert für die Publikation die Übersetzung des Änderungsprotokolls und der relevanten Anhänge in die drei Amtssprachen. Gemäss geltender Praxis werden FHA ohne deren Anhänge übersetzt. Dieser Praxis folgend werden in diesem Fall neben dem Änderungsprotokoll nur die Anhänge übersetzt, welche eine Änderung des ursprünglichen Abkommens bewirken. Anhänge des Änderungsprotokolls, welche lediglich Änderungen der Anhänge des ursprünglichen FHA zur Folge haben, werden dementsprechend nicht übersetzt. Bei der Mehrheit der Anhänge des FHA handelt es sich um Bestimmungen technischer Natur. Nach den Artikeln 5 Absatz 1 Buchstabe b und 13 Absatz 3 des Publikationsgesetzes vom 18. Juni 2004 3⁰ (PublG) kann die Veröffentlichung solcher Texte auf Titel sowie Fundstelle oder Bezugsquelle beschränkt werden. Die Texte, die mittels Verweis publiziert werden, sind nach Artikel 13 a Absatz 1 Buchstabe a PublG auch auf der Publikationsplattform des Bundesrechts zu publizieren. Nach Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b PublG kann auf eine Übersetzung der Texte, die nur mit Titel sowie Fundstelle oder Bezugsquelle veröffentlicht werden, verzichtet werden, wenn die Betroffenen diese Texte ausschliesslich in der Originalsprache benützen. Die Anhänge sowie die zugehörigen Verständigungsprotokolle richten sich vor allem an Import- und Exportfachleute. Die Anhänge, die nur auf Englisch verfügbar sind, können beim Bundesamt für Bauten und Logistik 3¹ bezogen werden und sind auf der Internetseite des EFTA-Sekretariats verfügbar. 3² Die Übersetzung des Anhangs, der die Ursprungsregeln betrifft, wird ausserdem vom Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit im Sinne einer Dienstleistung zugunsten der Wirtschaftsbeteiligten auf seiner Website (www.bazg.admin.ch) publiziert.
²9 SR 441.11
3⁰ SR 170.512
3¹ www.bundespublikationen.admin.ch
3² www.efta.int > Trade Relations > Free trade network > Chile
5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Änderungsprotokolls
Das FHA wird via Änderungsprotokoll modernisiert (Artikel römisch nummeriert). Dieses legt dar, wo und wie das Abkommen geändert wird. Die einzufügenden neuen Bestimmungen sind nicht im Änderungsprotokoll, sondern in dessen 26 Anhängen festgehalten (arabisch nummeriert).
5.1 Änderung der Präambel (Art. I)
Artikel I des Änderungsprotokolls hält fest, dass die gesamte Präambel des Abkommens durch die in Anhang 1 des Änderungsprotokolls enthaltene neue Version ersetzt wird. Diese wird dem umfangreicheren Spektrum des modernisierten Abkommens gerecht. Die Vertragsparteien bekräftigen neben dem bereits im bestehende Abkommen enthaltenen Bekenntnis zu den Menschenrechten, zu Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung, Arbeitnehmerrechten, grundlegenden Rechten und den Prinzipien des Völkerrechts - insbesondere zur Charta der Vereinten Nationen und zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte - neu nun auch zu den Grundsätzen der massgebenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) sowie zum Umweltschutz, zur nachhaltigen Entwicklung und zur Chancengleichheit für alle. Ferner bekräftigen die Vertragsparteien neu ihre Unterstützung der Grundsätze zur guten Unternehmensführung und zu verantwortungsvollem Unternehmensverhalten, wie sie in einschlägigen Instrumenten festgehalten sind, etwa in den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen, in den OECD-Grundsätzen der guten Unternehmensführung sowie im globalen Pakt der UNO.
5.2 Änderung von Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen (Art. II)
Artikel II des Änderungsprotokolls hält fest, dass Artikel 1 des bestehenden Abkommens ( Errichtung einer Freihandelszone ) mit dem Inhalt von Anhang 2 ersetzt wird. Dies hat zur Folge, dass bei der Erläuterung zur Errichtung einer Freihandelszone neu auch auf die relevanten Bestimmungen des WTO-Rechts dazu verwiesen wird. Weiter wird Artikel 2 des bestehenden Abkommens ( Zielsetzung ) durch den Inhalt von Anhang 3 des Änderungsprotokolls ersetzt. So werden auch die während der Modernisierung neu aufgenommenen Bereiche - insbesondere die Nachhaltigkeit - reflektiert. Zudem enthält der neue Artikel 2 nun auch einen Verweis auf Menschenrechte und demokratische Grundsätze.
5.3 Warenverkehr (Art. III−X)
Die Änderungen bezüglich des Warenverkehrs sind in den Artikeln III−X des Änderungsprotokolls enthalten. Modernisiert werden das Kapitel zum Warenhandel (Ziff. 5.3.1) und die Bestimmungen zu den Ursprungsregeln (Ziff. 5.3.2), neu hinzu kommen Bestimmungen zur Handelserleichterung (Ziff. 5.3.8). Zudem werden die Marktzugangskonzessionen verbessert (Ziff. 5.3.5).
5.3.1 Änderung von Kapitel II: Warenverkehr (Art. III)
Durch Artikel III des Änderungsprotokolls wird das Kapitel II des FHA ( Warenverkehr ) modernisiert. Dabei ersetzt Anhang 4 des Änderungsprotokolls das Kapitel II ( Warenverkehr) vollständig mit Ausnahme der Artikel 17 (zuvor Art. 18) zu Antidumping und Ausgleichsmassnahmen und Artikel 19 (zuvor Art. 19) zu Schutzmassnahmen bei der Einfuhr bestimmter Waren , die unverändert aus dem bestehenden Abkommen übernommen wurden. Im modernisierten Abkommen wird neu ein Artikel zur Präferenznutzung (Art. 23) aufgenommen, der einen Austausch der Handelsdaten vorsieht, damit die Nutzung der bestehenden Zollpräferenzen verfolgt werden kann. Neu im FHA sind ebenfalls Artikel zu Handelserleichterung (Art. 16), zu Technischen Änderungen (Art. 24) und zur Einsetzung eines Unterausschusses für Warenverkehr (Art. 25).
Artikel 7 legt den Anwendungs- und Geltungsbereich von Kapitel II ( Warenverkehr) fest. Dieser umfasst den gesamten Warenhandel, d. h. Industrie-, Fischerei- und Agrarprodukte. Gegenüber Artikel 7 des bestehenden Abkommens wird im neuen Artikel auf eine ausführliche Erklärung des Geltungsbereichs verzichtet.
Artikel 8 zu Ursprungsregeln verweist auf den gleichlautenden Anhang I des FHA. Dieser regelt die Ursprungsregeln, welche die Waren erfüllen müssen, um in den Genuss der präferenziellen Zölle dieses Abkommens zu kommen. Sie legen insbesondere fest, welche Waren sich als Ursprungswaren qualifizieren, welcher Ursprungsnachweis für die präferenzielle Zollbehandlung verwendet werden muss und wie die Zusammenarbeit der Zollverwaltungen erfolgt.
Absatz 1 des neuen Artikel 9 regelt die präferenzielle Zollbehandlung, die sich die Vertragsparteien gegenseitig gewähren und die in den Anhängen III−VI des modernisierten Abkommens festgelegt ist: die Zollkonzessionen von Chile in Anhang III, diejenigen der Schweiz in Anhang VI 3³ . Gegenüber Artikel 10 im bestehenden Abkommen präzisiert Artikel 9 Absatz 2 im modernisierten Abkommen die Definition, was ein Zoll ist: Zölle umfassen alle Abgaben, die im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr von Waren erhoben werden, mit Ausnahme der nach den Artikeln III und VIII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens vom 15. April 1994 ³4 (GATT 1994) zulässigen Abgaben. In Absatz 3 verpflichten sich die Vertragsparteien, die in den erwähnten Anhängen (Absatz 1) festgelegten Präferenzzölle in Zukunft nicht mehr zu erhöhen (Präzisierung gegenüber bestehendem Art. 9 Abs. 3). Davon ausgenommen sind im Fall der Schweiz Produkte, für die der Preisausgleichsmechanismus angewendet wird, sowie Produkte, für die im Abkommen fixe Rabatte auf den Normalzollansatz gewährt werden. Gemäss Absatz 4 (entspricht Art. 9 Abs. 2 im bestehenden Abkommen) bzw. Absatz 5 (ähnlich wie Art. 9 Abs. 3 im bestehenden Abkommen) beseitigen die Vertragsparteien alle Ausfuhrzölle im gegenseitigen Warenverkehr und führen keine neuen Ausfuhrzölle ein.
In den Artikeln 10−13 und 17−22 integriert das Abkommen die einschlägigen Rechte und Pflichten im Rahmen der WTO (GATT 1994) betreffend Gebühren und Formalitäten (Art. 10, zuvor Art. 11), Ein- und Ausfuhrbeschränkungen (Art. 11, zuvor Art. 13), Zollwertermittlung (Art. 12, zuvor Art. 14), Inländerbehandlung (Art. 13, zuvor Art. 15), staatliche Handelsunternehmen (Art. 20), Ausfuhrsubventionen gemäss den Bestimmungen im WTO-Übereinkommen über die Landwirtschaft ³5 (Art. 21) sowie die allgemeinen Ausnahmen (Art. 22, zuvor Art. 21), insbesondere zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und Tieren oder zur Erhaltung der Pflanzenwelt sowie der nicht erneuerbaren natürlichen Ressourcen. Das bestehende Abkommen macht im Artikel zu Gebühren und anderen Abgaben (zuvor Art. 11), in jenem zu Ein- und Ausfuhrbeschränkungen (zuvor Art. 13) sowie im Artikel zu Allgemeinen Ausnahmen (zuvor Art. 21) keinen Verweis auf das GATT 1994, während dies in den Artikeln zur Zollwertermittlung (zuvor Art. 14) und Inländerbehandlung (zuvor Art. 15) der Fall ist. Die Artikel 20 und 21 im modernisierten FHA sind neu.
Artikel 14 (zuvor Art. 16) zu den gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Massnahmen wurde in einigen Punkten geändert. In Absatz 3 wird den Vertragsparteien nun eine Frist von 30 Tagen für Konsultationen im Rahmen des bestehenden Mechanismus gesetzt, um rasch über alle gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Massnahmen zu befinden, durch die Handelshemmnisse entstehen könnten. Der alte Wortlaut sah keine Frist für die Abhaltung solcher Konsultationen vor. Darüber hinaus wird der Artikel durch einen neuen Absatz 6 ergänzt, der eine Revisionsklausel einführt. Nach dieser Bestimmung sind die Vertragsparteien verpflichtet, auf Ersuchen einer Vertragspartei eine Übereinkunft auszuhandeln, um eine gleichwertige Behandlung in Bezug auf Vorschriften zu gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Massnahmen, die beide Vertragsparteien unter Umständen mit der EU vereinbart haben, aufeinander auszuweiten. Mit dieser Bestimmung lassen sich gegebenenfalls mögliche Diskriminierungen von EFTA-Produkten gegenüber EU-Produkten auf dem chilenischen Markt vermeiden, insbesondere mit Blick auf die Modernisierung des FHA EU−Chile. Der restliche Artikel bleibt abgesehen von einigen redaktionellen Änderungen und der Umnummerierung von Absätzen im Wesentlichen unverändert. Die am Artikel vorgenommenen Anpassungen widerspiegeln den aktuellen Stand der grundlegenden EFTA-Bestimmungen im Bereich der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Massnahmen.
Artikel 15 (zuvor Art. 17) zu den technischen Vorschriften enthält hauptsächlich drei Änderungen. Erstens hält Absatz 3 zum bestehenden Konsultationsmechanismus fest, dass Konsultationen künftig zuerst auf Expertenebene und nicht mehr unmittelbar auf Ebene des Gemischten Ausschusses abgehalten werden. Er setzt den Vertragsparteien zweitens eine Frist von 30 Tagen für entsprechende Konsultationen. Der alte Wortlaut sah keine Frist für die Abhaltung solcher Konsultationen vor, was zu Verzögerungen bei der Behandlung von Massnahmen führen konnte, von denen angenommen wurde, dass sie ein technisches Handelshemmnis schaffen könnten. Drittens wird der modernisierte Artikel nun durch zwei neue Absätze ergänzt. Dabei handelt es sich zum einen um Absatz 4, der eine Revisionsklausel einführt, und zum anderen um Absatz 5 bezüglich der Kontaktstellen. Die Bezeichnung von Kontaktstellen erleichtert den Informationsaustausch zwischen den Expertinnen und Experten der zuständigen Behörden, die Beantwortung spezifischer Fragen von Unternehmen und die Suche nach pragmatischen Lösungen für deren Probleme. Nach Absatz 4 sind die Vertragsparteien verpflichtet, auf Ersuchen einer Vertragspartei eine sektorspezifische Übereinkunft auszuhandeln, um die Behandlung in Bezug auf technische Vorschriften, Normen und Konformitätsbewertungen, die sie jeweils der EU gewährt oder mit ihr vereinbart haben, aufeinander auszuweiten. Eine Vertragspartei, die nicht einverstanden ist, eine solche Übereinkunft auszuhandeln, muss ihre Entscheidung begründen. Mit dieser Bestimmung lassen sich gegebenenfalls mögliche Diskriminierungen von EFTA-Produkten gegenüber EU-Produkten auf dem chilenischen Markt vermeiden, insbesondere mit Blick auf die Modernisierung des FHA EU−Chile. Schliesslich wurde in Absatz 1 dieses Artikels noch eine geringfügige redaktionelle Änderung vorgenommen. Die Anpassungen am Artikel widerspiegeln den aktuellen Stand der grundlegenden EFTA-Bestimmungen zu Massnahmen im Bereich der technischen Handelshemmnisse.
Artikel 16 wird durch das Änderungsprotokoll neu in das Abkommen aufgenommen und verweist auf Massnahmen zur Handelserleichterung . Die detaillierten Bestimmungen sind im Anhang VIIter (vgl. Ziff. 5.3.8) festgehalten.
Im Bereich der handelspolitischen Schutzmassnahmen wurde einzig Artikel 18 (zuvor Art. 20) über die Allgemeine Schutzmassnahmen erneuert. Neben dem Verweis auf die relevanten WTO-Bestimmungen enthält der Artikel neu eine Konsultationsklausel. Mit dieser wird eine Vertragspartei, die allgemeine Schutzmassnahmen ergreifen will, dazu verpflichtet, allenfalls betroffenen Vertragsparteien angemessene Gelegenheit für Konsultationen anzubieten.
Die Artikel 17 (zuvor Art. 18) zu Antidumping und Ausgleichsmassnahmen und 19 (zuvor Art. 20) zu Schutzmassnahmen bei der Einfuhr bestimmter Waren wurden unverändert aus dem bestehenden Abkommen übernommen. Sie sehen eine Nichtanwendung von Antidumpingmassnahmen bzw. eine bilaterale Schutzklausel vor. Letztere ermöglicht im Fall von Marktstörungen, zeitlich limitierte Schutzmassnahmen zu ergreifen.
Artikel 23 wird dem Abkommen durch das Änderungsprotokoll neu hinzugefügt und enthält Bestimmungen zum Datenaustausch betreffend die Handelsstatistiken und die Daten zur Präferenznutzung . Damit wird die Grundlage dafür gelegt, dass in Zukunft die Nutzung und das Funktionieren des Abkommens vertieft analysiert werden können.
Artikel 24 ist ebenfalls neu im modernisierten Abkommen enthalten und regelt, wie die Vertragspartien Technische Änderungen vorzunehmen haben. Dabei geht es insbesondere um die periodische Aktualisierung des Harmonisierten Systems zur Bezeichnung und Codierung der Waren (HS) und deren Übernahme in die jeweiligen Konzessionslisten und produktspezifischen Regeln (PSR).
Wie das bestehende FHA setzt auch das Modernisierte einen Unterausschuss für Warenverkehr ein (Art. 25). Neu ist dieser nicht mehr nur für Zoll- und Ursprungsthemen, sondern für sämtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Warenverkehr zuständig. Das ausgebaute Mandat ist im Anhang VIIbis (vgl. Ziff. 5.3.7) festgelegt.
3³ Die Anhänge IV und V betreffen die Konzessionen, die Island bzw. Norwegen Chile gewährt.
³4 SR 0.632.20 , Anhang 1A.1.
³5 SR 0.632.20 , Anhang 1A.3.
5.3.2 Änderung von Anhang I: Ursprungsregeln (Art. IV)
Gemäss Artikel IV des Änderungsprotokolls ersetzt der Inhalt von Anhang 5 des Änderungsprotokolls Anhang I des FHA.
Das modernisierte FHA bestätigt die bestehenden Begriffsbestimmungen , die allgemeinen Grundsätze , die Urprodukte , die genügenden Bearbeitungen , die ungenügenden Bearbeitungen sowie die Kumulationsmöglichkeiten , nach welchen Waren als Ursprungswaren angesehen werden können (Art. 1−6). Neu sehen die Kumula tionsbestimmungen - zum ersten Mal in einem FHA der Schweiz - in Artikel 6 eine Bestimmung zur erweiterten Kumulation vor. Ebenfalls erstmalig ist, dass sie auch auf Landwirtschaftsprodukte angewendet werden kann. Damit übertrifft der Ursprungsanhang das übliche Ambitionsniveau der EFTA.
Artikel 7 enthält neu alle Toleranzen zusammengefasst in einem Artikel und nicht wie vorher in verschiedenen Bestimmungen.
Die Bestimmungen zur Qualifikationseinheit (Art. 8), zu Zubehör, Ersatzteilen und Werkzeugen (Art. 9), zu den neutralen Elementen (Art. 10) und Sets (Art. 11) werden sprachlich angepasst, bleiben inhaltlich jedoch unverändert.
Neu wird in Artikel 12 die Möglichkeit der buchmässigen Trennung eingeführt. Diese kann von der vorgängigen Bewilligung durch die Zollbehörde der betreffenden Vertragspartei abhängig gemacht werden. Austauschbare Vormaterialien, mit oder ohne Ursprungscharakter, deren Eigenschaften gleich sind, können demnach gemischt gelagert werden. In diesem Fall muss der Produzent aufgrund seiner Buchhaltung nachweisen können, dass nicht mehr Erzeugnisse den präferenziellen Ursprung erhalten haben, als wenn die Vormaterialien physisch getrennt gelagert worden wären.
Artikel 13 ( Territorialitätsprinzip) wird neu um die Möglichkeit eines Wertzuwachses von 20 Prozent des Ab-Werk-Preises des Erzeugnisses im passiven Veredlungsverkehr erweitert. Diese Regelung ist insbesondere für den Werkplatz Schweiz wichtig, da sie die Auslagerung von arbeitsintensiven Produktionsschritten in Drittländer erlaubt.
Die ehemaligen Artikel 13 zu den Ausstellungen und 14 bezüglich des Verbots der Rückerstattung oder Befreiung von Einfuhrzöllen (Drawback) wurden gestrichen.
Beim Artikel 14 zur Unveränderlichkeit (zuvor Direkttransport ) wurden die Bedingungen ausformuliert und sprachlich angepasst. Das Schwergewicht liegt neu nicht mehr auf der Transportroute, sondern auf dem unveränderten Zustand der Ware.
Artikel 15 und 16 sehen nur noch die Ursprungserklärung (zuvor Rechnungserklärung ) gemäss Anlage 2 als Ursprungsnachweis vor, die auf der Rechnung und neu auch auf einem anderen Handelsdokument angebracht werden kann. Das Ursprungszertifikat (Warenverkehrsbescheinigung EUR.1) gemäss ehemaliger Anlage 3 und die entsprechenden Bestimmungen im Ursprungsanhang wurden aufgehoben. Im Unterschied zum aktuellen Abkommen muss zudem auf dem Ursprungsnachweis keine Tarifnummer mehr angegeben werden. Ermächtigte Ausführer fertigen die Ursprungserklärung wie bis anhin aus, ohne sie unterschreiben zu müssen.
Die aufgehobenen Vorschriften zur Gültigkeit des Ursprungsnachweises (zuvor Art. 22) sowie dessen Vorlage (zuvor Art. 23) und begleitende Dokumente (zuvor Art. 26) wurden in den überarbeiteten Artikel 15 ( Ursprungsnachweis) integriert.
Artikel 17 umfasst neu die Einfuhranforderungen , aufgrund derer einer Ware die Präferenzbegünstigung zugestanden werden soll. Darin integriert sind neu ebenfalls die Ausnahmen der Vorlage eines Ursprungsnachweises (zuvor Art. 25) sowie die Dreijahresfrist, während der die Dokumentennachweise (Art. 15 für Exporteure und Art. 17 für Importeure) mindestens aufbewahrt werden müssen (zuvor separater Art. 27).
Gemäss Artikel 18 ( Einfuhren in Teilsendungen) ist es neu auch möglich, Ursprungsnachweise bei jeder einzelnen Einfuhr vorzulegen, anstatt wie bisher nur einen einzigen anlässlich der ersten Einfuhr.
Im neuen Artikel 19 wird die Zusammenarbeit der Ausführer und Einführer mit der Zollverwaltung ausgeführt und festgelegt, dass die zuständige Zollverwaltung unverzüglich über falsche übermittelte Informationen unterrichtet werden muss.
Bei den Vorschriften in Artikel 20 ( Verweigerung der Präferenzbehandlung, zuvor Art. 28) wurde ergänzt, dass ein falscher HS-Code in einem der Begleitdokumente, einschliesslich der Ursprungserklärung, alleine kein Grund für die Ablehnung eines Antrags auf Präferenzbehandlung darstellt.
Im modernisierten Abkommen erläutert Artikel 21 (zuvor Art. 31) die Grundlage für das Nachprüfungsverfahren von Ursprungsnachweisen . Neu wird darin festgelegt, dass die Nachprüfungsgesuche und die Nachprüfungsresultate auch elektronisch ausgetauscht werden können. Ebenfalls neu ist die Erwähnung der Eröffnung einer Nachprüfung innerhalb von 34 Monaten ab Ausfertigungsdatum der Ursprungserklärung sowie die Verlängerung der Antwortfrist von zehn auf 15 Monate.
Benachrichtigung und Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden werden in Artikel 22 ausformuliert. Dieser verbindet die ehemaligen Artikel 29 ( Benachrichtigungen) , 30 ( Amtshilfe) und 32 ( Streitbeilegung) und ergänzt dabei die Benachrichtigungen in Bezug auf die elektronischen Nachprüfungsverfahren, die Umsetzung des Ursprungsanhangs und im Falle von neu in Kraft getretenen FHA in Bezug auf Artikel 6 ( Kumulation ).
Die Bestimmungen in Artikel 23 ( Vertraulichkeit, zuvor Art. 33), Artikel 24 ( Strafen, zuvor Art. 34) und Artikel 25 ( Erzeugnisse im Transit oder Lagerung , zuvor Art. 38) wurden sprachlich angepasst, bleiben inhaltlich jedoch unverändert.
Die Bestimmungen zu den Freizonen (zuvor Art. 35) wurden gestrichen.
Die früheren Artikel 32 ( Beilegung von Streitigkeiten) und 36 (Unterausschuss für Zoll- und Ursprungsfragen) sowie dessen Einsetzung und Zuständigkeiten wurden durch den neuen Anhang VII bis ( Mandat des Unterausschusses für Warenhandel) ersetzt (vgl. Ziff. 5.3.7).
Die Explanatory Notes (Erklärungen) zum Ursprungsanhang (zuvor Art. 37) wurden teilweise direkt in den neuen Abkommenstext integriert. Der verbleibende Text in Anlage 3 wurde auf ein Minimum reduziert und sprachlich angepasst.
5.3.3 Löschung der Anhänge III, IV und V: nicht unter das Abkommen fallende Erzeugnisse, landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse sowie Fische und andere Meeresprodukte (Art. V)
In Artikel V des Änderungsprotokolls ist vereinbart, dass die Anhänge III, IV und V des bestehenden Abkommens gelöscht werden. Dabei handelt es sich um nicht unter das Abkommen fallende Erzeugnisse in Anhang III, landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse in Anhang IV sowie Fisch und andere Meeresprodukte in Anhang V.
5.3.4 Löschung von Anhang VI: Abschaffung von Zöllen (Art. VI)
Artikel VI des Änderungsprotokolls bestimmt, dass Anhang VI des bestehenden Abkommens, der die Modalitäten für die Abschaffung der Zölle festlegt, gelöscht wird. Im modernisierten Abkommen werden die Modalitäten der Abschaffung der Zölle nach Land in die jeweilige Verpflichtungsliste integriert (vgl. Ziff. 5.3.5).
5.3.5 Aufnahme der Anhänge III, IV, V und VI: Verpflichtungslisten (Art. VII)
Artikel VII des Änderungsprotokolls legt fest, dass die neuen Verpflichtungslisten betreffend die Zollkonzessionen in die Anhänge III-VI aufgenommen werden. Dabei wird der Text der Anhänge 6−9 in die neuen Anhänge III (Liste Zollkonzessionen Chile), IV (Liste Zollkonzessionen Island), V (Liste Zollkonzessionen Norwegen) und VI (Liste Zollkonzessionen Schweiz) inkorporiert.
Mit dem Inkrafttreten des modernisierten Abkommens erhält die Schweiz neu einen vollständig zollfreien Marktzugang für alle Industrie- und Fischereiprodukte sowie für 99,9 Prozent der bestehenden Agrarexporte nach Chile. Für Industrie-, Fisch- und andere Meeresprodukte aus Chile hatten die EFTA-Staaten bereits unter dem bestehenden Abkommen den Marktzugang vollständig liberalisiert. Mit dem modernisierten Abkommen verpflichtet sich nun neu auch Chile zum Freihandel in diesem Bereich. Damit wird zusätzlich jährlicher Handel von Industrieprodukten von rund 5,7 Millionen Franken zollfrei. Die EFTA-Staaten erhalten mit dem Abschluss des modernisierten Abkommens einen vergleichbaren Marktzugang auf dem chilenischen Markt wie die Hauptkonkurrenten aus der EU. Die Hauptexportinteressen der Schweiz konnten vollumfänglich berücksichtigt werden sowie eine Diskriminierung von Schweizer gegenüber EU-Firmen auf dem chilenischen Absatzmarkt verhindert werden.
Für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte gewährt Chile unter dem modernisierten Abkommen der Schweiz neu einen zollfreien Marktzugang für Schokolade, bestimmte Lebensmittelzubereitungen, Süsswaren und Biscuits sowie für Zigaretten. Das wichtigste Basisagrarprodukt Käse kann die Schweiz neu zollfrei nach Chile exportieren. Nur wenige Tariflinien mit bescheidenem Handel werden nicht abgedeckt. Dies betrifft wenige Milchprodukte, Mais, Sojabohnen sowie Zucker.
Im Gegenzug hat die Schweiz ihre Zugeständnisse im Landwirtschaftsbereich im Vergleich zum bestehenden Abkommen aus dem Jahr 2004 erweitert und dem Konzessionsniveau der Freihandelsabkommen angeglichen, die in jüngerer Zeit abgeschlossen wurden. Die Schweiz gewährt Chile bei den verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten mit Preisausgleich einen Rabatt in Höhe des Industrieschutzelementes. Für verarbeitete Landwirtschaftsprodukte ohne Preisausgleich (z. B. Kaffee), die keine für die Landwirtschaft sensiblen Rohstoffe enthalten, gewährt die Schweiz Chile gleich wie der EU und anderen Freihandelspartnern einen zollfreien Zugang. Für Basisagrarprodukte, welche für Chile von Interesse sind, gewährt die Schweiz einen präferenziellen Marktzugang vor allem innerhalb bestehender WTO-Kontingente.
Das wichtigste Exportinteresse Chiles, der Rotwein, wurde berücksichtigt. Erstmals wurde einem Freihandelspartner ein bilaterales, zollfreies Kontingent für Rotwein im Umfang von 15 000 hl gewährt. Dies ist etwas weniger als die Rotweinimporte aus Chile im Mittel der letzten fünf Jahre und entspricht etwa 1 Prozent der Schweizer Gesamtrotweinimporte. Zusätzlich bietet die Schweiz Chile Zollreduktionen für den Import von Schaum- und Süsswein sowie für Industriewein an. Diese bewegen sich im selben Umfang, wie sie jüngst auch in anderen neueren FHA gewährt wurden. Für nicht-industriellen Weisswein wurden keine Konzessionen gewährt. Weitere Konzessionen betreffen bestimmte Früchte und Gemüse, Honig, Olivenöl, Lammfleisch sowie diverse Fruchtsäfte.
Die Konzessionen der Schweiz im Agrarbereich zugunsten von Chile sind weitgehend vergleichbar mit jenen, die die Schweiz in der Vergangenheit anderen Freihandelspartnern gewährt hat, und sind mit der schweizerischen Agrarpolitik vereinbar. Für gewisse, sogenannt sensible Produkte kann es für eine Partei aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen schwierig sein, Konzessionen zu gewähren. Der Zollschutz für Produkte, die für die Schweiz sensibel sind, wird beibehalten oder in einem kontrollierten Rahmen so reduziert, dass keine agrarpolitisch relevanten Auswirkungen zu erwarten sind.
5.3.6 Änderung von Anhang VII: Import- und Exportrestriktionen (Art. VIII)
Artikel VIII des Änderungsprotokolls betrifft Änderungen von Anhang VII zu Import - und Exportrestriktionen. Neu wird darin auf Artikel 11 in Kapitel II ( Warenverkehr) anstatt auf Artikel 13 verwiesen. Die Substanz der Artikel wird nicht berührt.
5.3.7 Aufnahme von Anhang VIIbis: Aufgaben des Unterausschusses für Warenverkehr (Art. IX)
Durch Artikel IX des Änderungsprotokolls wird neu Anhang VIIbis ins Abkommen aufgenommen. Dessen Inhalt ist in Anhang 10 des Änderungsprotokolls festgehalten. Dieser regelt die Funktionsweise des Unterausschusses für Warenverkehr (vgl. Art. 25 unter Ziff. 5.3.1). Im Unterausschuss sind Repräsentanten jeder Vertragspartei vertreten (Art. 1). Die Aufgaben des Unterausschusses betreffen neu sämtliche Themen des Kapitels II Warenverkehr inklusive der Zoll- und Ursprungsfragen nach Anhang I über Ursprungsregeln und nach dem neu eingefügten Anhangs VIIter über Handelserleichterungen (Art. 2). Dazu gehören namentlich die Überprüfung und die Überwachung der getroffenen Massnahmen sowie die Umsetzung der von den Vertragsparteien eingegangenen Verpflichtungen. Zudem enthält der Anhang neu Bestimmungen zum Datenaustausch zwecks Feststellung der Nutzung der vereinbarten Zollpräferenzen. Damit wird die Grundlage dafür gelegt, dass im Unterausschuss für Warenverkehr in Zukunft die Nutzung und das Funktionieren des Abkommens vertieft analysiert werden können (Art. 3 Bst. a). Der Unterausschuss ist zudem beauftragt, die Diskussion operativer Fragen einschliesslich der Zusammenarbeit der zuständigen Behörden und den Austausch von Informationen vorzubereiten(Art. 3 Bst. b), Auslegungen und Leitlinien zu technischen Anpassungen wie z. B. solche aufgrund der Aktualisierung des HS vorzubereiten (Art. 3 Bst. c), andere Aufgaben im Zusammenhang mit dem Warenverkehr, die ihm vom Gemischten Ausschuss übertragen werden, wahrzunehmen (Art. 3 Bst. d) und bei Bedarf Empfehlungen auszusprechen und dem gemischten Ausschuss Bericht zu erstatten (Art. 3 Bst. e).
Der Unterausschuss für Warenverkehr handelt nach dem Konsensprinzip (Art. 4).
Der Unterausschuss für Warenverkehr tagt so oft dies erforderlich ist. Er wird vom Gemischten Ausschuss, von der Vorsitzenden oder dem Vorsitzenden des Unterausschusses für Warenverkehr oder auf Antrag einer Vertragspartei einberufen. Der Ort der Sitzung wechselt nach Vereinbarung der Vertragsparteien zwischen einem EFTA-Staat und Chile. Die Vertragsparteien können im gegenseitigen Einvernehmen beschliessen, eine Unterausschusssitzung elektronisch abzuhalten (Art. 5).
Den Vorsitz in den Sitzungen des Unterausschusses für Warenverkehr führt für einen vereinbarten Zeitraum eine Vertreterin oder ein Vertreter eines EFTA-Staates oder Chiles. Die Vorsitzende oder der Vorsitzende des Unterausschusses für Warenverkehr erstellt in Absprache mit den anderen Vertragsparteien für jede Sitzung eine vorläufige Tagesordnung, die den anderen Vertragsparteien in der Regel spätestens zwei Wochen vor der Sitzung übermittelt wird (Art. 6).
Der Unterausschuss für Warenverkehr erstellt einen Bericht über die Ergebnisse jeder Sitzung. Auf Anfrage erstattet die Vorsitzende oder der Vorsitzende an der folgenden Sitzung des Gemischten Ausschusses Bericht (Art. 7).
5.3.8 Aufnahme von Anhang VIIter: Handelserleichterung (Art. X)
Artikel X des Änderungsprotokolls fügt dem FHA neu Anhang VIIter an. Dessen Inhalt ist in Anhang 11 des Änderungsprotokolls festgehalten.
Neu deckt das FHA den Bereich der Handelserleichterungen mit einem entsprechenden Anhang ab (Anhang VIIter). Diese Bestimmungen vereinfachen die Verfahren für den Warenhandel, um den Handel zu erleichtern und dessen Entwicklung zu fördern.
Namentlich führen die Vertragsparteien dabei effektivere Kontrollen basierend auf Risikomanagement (vgl. auch Art. 10) durch. Gemäss Artikel 1 ( Allgemeine Bestimmungen) sollen die an den Grenzverfahren beteiligten Behörden koordiniert zusammenarbeiten.
Das WTO-Übereinkommen vom 27. November 2014 ³6 über Handelserleichterungen wird mit Artikel 2 ( WTO-Übereinkommen über Handelserleichterung) zum Bestandteil des FHA erklärt. Damit wird die Möglichkeit geschaffen, im WTO-Abkommen geregelte Vorschriften in den vorgesehenen Ausschüssen des Freihandelsabkommens zu besprechen. Die Vertragsparteien schaffen Transparenz (Art. 3) , indem sie Gesetze und Vorschriften wenn möglich gemäss Artikel 4 ( Stellungnahme ) vor Inkrafttreten auf Englisch im Internet publizieren und somit interessierten Kreisen die Möglichkeit geben sich zu äussern.
Artikel 5 regelt, dass die Vertragsparteien auf Anfrage verbindliche Auskünfte über Tarifeinreihungen, die anwendbaren Zollansätze und alle vom Zoll erhobenen Gebühren und Abgaben sowie deren Berechnungen geben. Ebenfalls abgedeckt werden die für ein bestimmtes Produkt geltenden Zollvorschriften für den Grenzübertritt und die anwendbaren Ursprungsregeln. Dadurch wird für die Wirtschaftsbeteiligten erhöhte Transparenz und Rechtssicherheit geschaffen. Die Vertragsparteien bemühen sich, Informationen über Vorabentscheidungen öffentlich zugänglich zu machen, wobei sie der Notwendigkeit des Schutzes vertraulicher Informationen Rechnung tragen.
Gemäss Artikel 6 ( Einspruchsverfahren ) sollen die Zollbeteiligten Entscheide der Zollbehörden und anderer Grenzbehörden bei mindestens einer unabhängigen administrativen und einer unabhängigen gerichtlichen Beschwerdeinstanz anfechten können.
Kosten und Gebühren gemäss Artikel 7 im Zusammenhang mit Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr sowie den verbindlichen Auskünften nach Artikel 5 sollen dem Aufwand der erbrachten Dienstleistung entsprechen und nicht auf dem Warenwert basieren. Die entsprechenden Ansätze sollen im Internet publiziert werden.
Durch jede Vertragspartei sind bei Verstössen gegen die nationalen Zollgesetze und -vorschriften Strafmassnahmen vorzusehen (Art. 8). Das Strafmass soll der Tat entsprechend bemessen sein.
Die Freigabe und Abfertigung von Waren sollen gemäss Artikel 9 so schnell wie möglich geschehen, insbesondere für verderbliche Waren.
Die Vertragsparteien wenden gemäss Artikel 10 ein Risikomanagement an, welches die Verzollung von Waren mit geringem Risiko vereinfacht. Damit wird bezweckt, dass der Grenzverkehr für einen Grossteil der Waren schnell vollzogen werden kann und Kontrollen auf ein Minimum beschränkt werden.
In Artikel 11 verpflichten sich die Vertragsparteien zur Vereinfachung internationaler Handelsverfahren . Die Vertragsparteien wenden Zoll-, Handels- und Grenzverfahren an, die einfach, angemessen und objektiv sind. Die Vertragsparteien beschränken Kontrollen, Formalitäten und benötigte Dokumente auf das Nötigste, um Kosten zu reduzieren und unnötige Verzögerungen des Handels zwischen den Vertragsparteien zu verhindern.
Zudem legt Artikel 12 fest, dass die Vertragsparteien die obligatorische Inanspruchnahme von Zollagenten nicht einführen dürfen und die Massnahmen für deren Inanspruchnahme veröffentlichen sowie transparente, nichtdiskriminierende und verhältnismässige Regeln anwenden, wenn sie Zollagenten eine Lizenz erteilen.
Waren dürfen gemäss Artikel 13 vorübergehend verwendet oder für den aktiven oder passiven Veredelungsverkehr gemäss den massgebenden Gesetzen und sonstigen Vorschriften ein- oder ausgeführt werden.
Jede Vertragspartei soll bei der Erteilung der Kompetenzen der zuständigen Zollstellen (Art. 14) die Bedürfnisse des Handels berücksichtigen. Zollkontrollen sollen - sofern möglich - auch ausserhalb der Öffnungszeiten der Zollstellen möglich sein.
Artikel 15 sieht die Möglichkeit vor, ein Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten (Authorised Economic Operators, AEO) zu verhandeln und die jeweiligen Gesetze und sonstigen Vorschriften auf einschlägige, internationale Normen, insbesondere auf den Rahmen der Weltzollorganisation für Normen zur Sicherung und Erleichterung des Welthandels (SAFE-Rahmen) ³7 zu stützen.
Im Artikel 16 zu Single Window (einzige Anlaufstelle) wurden erstmalig Bestimmungen erlassen, die die Vertragsparteien dazu ermuntern, zukünftig solche Lösungen anzustreben.
Gemäss Artikel 17 darf die Einfuhrvertragspartei keine Legalisierung von Dokumenten verlangen (z. B. Beglaubigung von Rechnungen).
Gemäss Artikel 18 müssen alle Angaben, die im Rahmen der Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr von Waren oder zur Einholung von verbindlichen Auskünften (Art. 5) übermittelt werden, vertraulich behandelt werden.
Ebenfalls sollen gemäss Artikel 19 durch die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsparteien die internationalen Entwicklungen beobachtet und dem Unterausschuss für Warenverkehr bei Bedarf weitere handelserleichternde Massnahmen vorgelegt werden, um den Anhang allenfalls zu ergänzen.
³6 SR 0.632.20 , Anhang 1A .15
³7 www.wcoomd.org > Media > Newsroom > 2018 > July > 26 July > WCO publishes 2018 edition of SAFE Framework of Standards
5.4 Handel mit Dienstleistungen (Art. XI-XVII)
Die Änderungen bezüglich Dienstleistungshandel sind in den Artikeln XI-XVII des Änderungsprotokolls enthalten. Durch die Modernisierung wird das Abkommen auf Finanzdienstleistungen ausgeweitet und die Marktzugangsverpflichtungen in allen Sektoren verbessert.
5.4.1 Änderung von Anhang VIII: Listen der besonderen Verpflichtungen (Art. XI)
Nach Artikel XI des Änderungsprotokolls werden die Listen der besonderen Verpflichtungen bezüglich des Marktzugangs und der Inländerbehandlung (nachfolgend als «Marktzugang» bezeichnet) im Bereich des Dienstleistungshandels vollumfänglich ersetzt. Die neuen Verpflichtungslisten finden sich in Anhang 12 des Änderungsprotokolls. Der Ansatz ist der gleiche wie bei den Listen des bestehenden Abkommens. Sie wurden aber deutlich verbessert und umfassen nun auch Verpflichtungen im Finanzdienstleistungsbereich.
Chile hat sein Verpflichtungsniveau in für die Schweiz wesentlichen Dienstleistungssektoren ausgeweitet. Dies gilt unter anderem für die Bereiche Architektur- und Ingenieurdienstleistungen, IT-Dienstleistungen, Unternehmensberatung, technische Tests und Analysen, Zusatzdienstleistungen für die verarbeitende Industrie, Luftverkehrsdienstleistungen (Wartung und Instandhaltung von Flugzeugen, Flughafenbetrieb, Bodenabfertigungsdienste) sowie für den Zugang von Installateuren und Wartungsdienstleistern für Maschinen und Anlagen. Die Marktzugangsverpflichtungen weisen ein vergleichbares Niveau auf wie die von Chile in seinen jüngsten Handelsabkommen gewährten Verpflichtungen. Schweizer Dienstleistungsexporteure werden gegenüber ihren Hauptkonkurrenten, einschliesslich jenen aus der EU, nicht diskriminiert. Darüber hinaus hat sich Chile verpflichtet, die künftigen Ergebnisse der laufenden innerstaatlichen Liberalisierung des Marktes für Seeverkehrsdienstleistungen in seine Liste der besonderen Verpflichtungen aufzunehmen.
Aufgrund der Chile von der Schweiz bei den Marktzugangsverpflichtungen zugestandenen Verbesserungen entspricht das Niveau in diesem Bereich nun weitgehend den im Rahmen von früheren FHA gewährten Marktzugangsniveaus, z. B. jenem im Abkommen zwischen der EFTA und Kolumbien. Die Schweiz ist neue Verpflichtungen eingegangen, insbesondere in Bezug auf den Marktzugang von Installateuren und Wartungsdienstleistern für Maschinen und Anlagen sowie hinsichtlich der berufsbezogenen Dienstleistungen, der Finanzdienstleistungen sowie der Luft- und Seeverkehrsdienstleistungen.
5.4.2 Aufnahme von Anhang VIIIbis: Liste der Verpflichtungen im Finanzdienstleistungsbereich Chiles (Art. XII)
Durch Artikel XII des Änderungsprotokolls werden die Marktzugangsverpflichtungen Chiles im Finanzdienstleistungsbereich mittels Anhang 13 des Protokolls in das Abkommen übernommen. Im Gegensatz zu den anderen Dienstleistungssektoren handelt sich um eine separate Liste. Sie folgt aber demselben Ansatz und ist gleich aufgebaut. Chile ist Verpflichtungen im Versicherungs-, Banken- und Wertpapierbereich eingegangen. Diese Verpflichtungen weisen ein vergleichbares Niveau auf wie diejenigen, die Chile in seinen jüngsten Handelsabkommen gewährt hat. Schweizer Exporteure von Finanzdienstleistungen werden gegenüber ihren Hauptkonkurrenten, einschliesslich jenen aus der EU, nicht diskriminiert.
5.4.3 Änderung von Kapitel III: Dienstleistungshandel und Niederlassung (Art. XIII)
In Artikel XIII des Änderungsprotokolls sind direkt (ohne Anhang) inhaltliche Änderungen eingeflossen, die den Geltungsbereich des Abschnitts über den Dienstleistungshandel und die Aufnahme eines Abschnitts über Finanzdienstleistungen betreffen. Die übrigen Änderungen sind technischer Art.
Mit Artikel XIII Buchstabe a des Änderungsprotokolls werden die Artikelnummern in Abschnitt I des FHA ( Dienstleistungshandel ) geändert, ohne dass dies inhaltliche Auswirkungen hätte.
Mit Artikel XIII Buchstabe b des Änderungsprotokolls wird der Geltungsbereich von Abschnitt I geändert. Ziffer i weitet den Geltungsbereich der Luftverkehrsdienstleistungen auf Bodenabfertigungsdienste und Flughafenbetriebsleistungen aus. In Ziffer ii werden diese beiden Dienstleistungen definiert. Mit Ziffer iii wird ein neuer Absatz hinzugefügt, der klarstellt, dass der Abschnitt über den Dienstleistungshandel nicht für den Handel mit Finanzdienstleistungen gilt.
Mit Artikel XIII Buchstaben c, d und e des Änderungsprotokolls werden die Artikelnummern geändert, auf die in den Artikeln 29, 30 und 31 verwiesen wird, um die neue Struktur des modernisierten Abkommens wiederzugeben. Die Substanz der Artikel wird nicht berührt.
Mit Artikel XIII Buchstabe f des Änderungsprotokolls wird ein neuer Abschnitt zu den Finanzdienstleistungen (Abschnitt II) in das Abkommen aufgenommen. Der Inhalt von Abschnitt II ist in Anhang 14 des Änderungsprotokolls festgehalten. Dieser Abschnitt ergänzt die Bestimmungen des Kapitels über den Dienstleistungshandel. So deckt das Kapitel nun alle Dienstleistungssektoren ab. Der Abschnitt zu den Finanzdienstleistungen übernimmt einige Verpflichtungen aus dem Abschnitt zum Dienstleistungshandel und enthält spezifische Bestimmungen, die für diesen Sektor relevant sind.
Der neue Abschnitt II (Art. 36) gilt für alle den Handel mit Finanzdienstleistungen betreffenden Massnahmen, die von Regierungen und Behörden auf allen Ebenen (zentral, regional, lokal) sowie durch nichtstaatliche Stellen in Ausübung von staatlichen Befugnissen ergriffen werden. Der Abschnitt findet keine Anwendung auf Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Geld- oder Währungspolitik oder dem System der sozialen Sicherheit, ganz im Sinne des Allgemeinen Abkommens der WTO vom 15. April 1994 ³8 über den Handel mit Dienstleistungen (GATS).
Artikel 37 übernimmt die Begriffsbestimmungen aus dem Abschnitt zum Dienstleistungshandel und passt sie an den finanziellen Kontext an. Aus dem GATS übernommen werden die Begriffsbestimmungen von «Finanzdienstleistungen» und «öffentliche Stelle». Ausserdem wird der Begriff «Selbstregulierungsorganisation» definiert, der sich auf Stellen bezieht, denen eine Vertragspartei rechtmässig Befugnisse übertragen hat.
Die Artikel zur Meistbegünstigung (Art. 38), zum Marktzugang (Art. 39), zur Inländerbehandlung (Art. 40), zu den Listen der besonderen Verpflichtungen (Art. 43) und zur Grenzüberschreitung natürlicher Personen (Art. 49) sind mit den entsprechenden Artikeln des Abschnitts über den Dienstleistungshandel im Wesentlichen identisch.
Artikel 41 ( Selbstregulierungsorganisationen ) und Artikel 42 ( Zahlungs- und Clearingsysteme ) basieren auf der Vereinbarung über Verpflichtungen bezüglich Finanzdienstleistungen der WTO (nachfolgend als «Vereinbarung» bezeichnet). Im Gegensatz zur Schweiz und zu den anderen EFTA-Staaten ist Chile keine Vertragspartei der Vereinbarung. Chile verpflichtet sich somit insbesondere dazu, Finanzdienstleistungserbringern der anderen Vertragsparteien mit einer gewerblichen Niederlassung in Chile den Zugang zu den öffentlichen Zahlungs- und Clearingsystemen, zu offiziellen Finanzierungsmöglichkeiten, zu Selbstregulierungsorganisationen sowie zu Börsen oder anderen Organisationen und Verbänden, die für die Erbringung von Finanzdienstleistungen nötig sind, auf nichtdiskriminierende Art und Weise zu gewähren.
In Artikel 44 ( Wirksame und transparente Regulierung ) übernehmen die Vertragsparteien aus dem Abschnitt zum Dienstleistungshandel die entsprechenden Regeln zur innerstaatlichen Regulierung. Die Vertragsparteien wollen sicherstellen, dass Massnahmen im Hinblick auf Befähigungserfordernisse und -verfahren sowie Zulassungserfordernisse und -verfahren dauerhaft auf objektiven und transparenten Kriterien beruhen und verhältnismässig sind. Die Vertragsparteien haben darüber hinaus weitergehende Regeln vereinbart. In Bezug auf die Transparenz sind die zuständigen Behörden der Vertragsparteien beispielsweise gehalten, interessierten Personen auf Anfrage Auskunft über die Zulassungserfordernisse und -verfahren zu erteilen. Die Vertragsparteien verpflichten sich, Anträge rasch zu bearbeiten. Sie sind auch dazu angehalten, innerhalb von sechs Monaten nach Einreichen eines Antrags eine Zulassung zu erteilen, sofern alle Anforderungen erfüllt sind. Kann die Frist nicht eingehalten werden, so teilt die zuständige Behörde dies dem Antragsteller ohne unangemessenen Verzug mit und bemüht sich, danach innerhalb einer angemessenen Frist eine Entscheidung zu fällen.
Die Artikel zu aufsichtsrechtlichen Massnahmen (Art. 45), vertraulichen Informationen (Art. 46) und zur Anerkennung aufsichtsrechtlicher Massnahmen (Art. 48) sind im Wesentlichen identisch mit den entsprechenden Bestimmungen des GATS. Im Gegensatz zum GATS müssen die aufsichtsrechtlichen Massnahmen allerdings in angemessener Weise angewendet werden.
Nach Artikel 47 sind die Vertragsparteien bestrebt, sicherzustellen, dass internationale Standards zur Regulierung und Überwachung des Finanzdienstleistungssektors auf ihrem Hoheitsgebiet umgesetzt und eingehalten werden.
Artikel 50 ( Weitergabe von Informationen und Datenverarbeitung ) sieht wie die Vereinbarung vor, dass Finanzdienstleistungserbringern die Weitergabe und Verarbeitung der zur Durchführung der üblichen Geschäfte erforderlichen Daten unter Vorbehalt der von den Vertragsparteien getroffenen Massnahmen zum Schutz von Personendaten erlaubt ist.
In den Artikeln zum Unterausschuss für Finanzdienstleistungen (Art. 51), zu den Konsultationen (Art. 52) und zur Streitbeilegung (Art. 53) werden einige horizontale institutionelle Bestimmungen präzisiert, was aber keine inhaltlichen Änderungen mit sich bringt.
Mit Artikel XIII Buchstabe g des Änderungsprotokolls wird die Nummerierung des Abschnitts über die Niederlassung und seiner Artikel geändert. Die Substanz der Artikel wird nicht berührt.
Artikel XIII Buchstabe h des Änderungsprotokolls präzisiert, dass der Abschnitt über die Niederlassung nicht für Finanzdienstleistungen gilt.
Mit Artikel XIII Buchstaben i, j und k des Änderungsprotokolls werden die Artikelnummern geändert, auf die in den Artikeln 57 und 58 verwiesen wird, um die neue Struktur des modernisierten Abkommens abzubilden. Die Substanz der Artikel wird nicht berührt.
Mit Artikel XIII Buchstabe l des Änderungsprotokolls wird die Nummerierung des Abschnitts über den Zahlungs- und Kapitalverkehr und seiner Artikel geändert, ohne dass dies inhaltliche Auswirkungen hätte.
Artikel XIII Buchstabe m des Änderungsprotokolls führt aus, dass der Artikel über den Kapitalverkehr für Finanzdienstleistungen gilt.
Mit Artikel XIII Buchstabe n des Änderungsprotokolls wird die Nummerierung des Abschnitts über die gemeinsamen Bestimmungen und seiner Artikel geändert, ohne dass dies inhaltliche Auswirkungen hätte.
Mit Artikel XIII Buchstabe o des Änderungsprotokolls wird der Artikel über die allgemeinen Ausnahmen geändert. Der Inhalt des Artikels ist in Anhang 15 des Änderungsprotokolls wiedergegeben. Die Vertragsparteien bestätigen ihre Einigkeit darüber, dass die Massnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen Umweltmassnahmen einschliessen.
Mit Artikel XIII Buchstabe p des Änderungsprotokolls wird der Artikel über die Finanzdienstleistungen gestrichen, da dieser Artikel durch die Änderung des Abkommens obsolet geworden ist.
³8 SR 0.632.20 , Anhang 1.B
5.4.4 Aufnahme von Anhang VIIIter: Aufgaben des Unterausschusses für Finanzdienstleistungen (Art. XIV)
Mit Artikel XIV des Änderungsprotokolls werden die Aufgaben des neuen Unterausschusses für Finanzdienstleistungen in das FHA aufgenommen. Diese Aufgaben finden sich im neuen Anhang VIIIter und sind inhaltlich in Anhang 16 des Änderungsprotokolls aufgeführt.
Dieser Unterausschuss hat unter anderem die Aufgabe, die Umsetzung des Abschnitts zu den Finanzdienstleistungen zu überwachen, die Entwicklungen auf den Finanzmärkten und Verbesserungsmöglichkeiten für diesen Abschnitt zu prüfen, Empfehlungen an den Gemischten Ausschuss abzugeben und sich mit allen vom Gemischten Ausschuss an ihn verwiesenen Fragen zu Finanzdienstleistungen zu befassen (Art. 1).
Der Unterausschusses trifft seine Entscheidungen im gegenseitigen Einvernehmen (Art. 2).
Der Unterausschuss tagt so oft wie nötig entweder in Präsenz oder virtuell. Er wird vom Gemischten Ausschuss, von seinen Vorsitzenden oder auf Ersuchen einer Vertragspartei einberufen. Der Sitzungsort liegt abwechselnd in einem EFTA-Staat und in Chile, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbaren (Art. 3).
Die Sitzungen des Unterausschusses werden jeweils gemeinsam von einer Vertreterin oder einem Vertreter der EFTA und von Chile geleitet. Die Vorsitzenden des Unterausschusses bereiten für jede Sitzung in Absprache mit den Vertragsparteien eine provisorische Traktandenliste vor und verschicken diese in der Regel spätestens zwei Wochen vor der Sitzung.
Der Unterausschuss erstellt einen schriftlichen Bericht über die Ergebnisse jeder Sitzung. Auf entsprechendes Ersuchen hin erstatten seine Vorsitzenden dem Gemischten Ausschuss an einer seiner Sitzungen Bericht (Art. 5).
Für den Unterausschuss auf Behördenseite zuständig sind für Chile das Finanzministerium und für die Schweiz das SECO (Art. 6).
5.4.5 Änderung von Anhang IX: Telekommunikationsdienste (Art. XV)
Mit Artikel XV des Änderungsprotokolls wird der Verweis auf den Artikel zu den Telekommunikationsdiensten geändert, ohne dass dies inhaltliche Auswirkungen hätte.
5.4.6 Änderung von Anhang X: Vorbehalte (Art. XVI)
Mit Artikel XV des Änderungsprotokolls werden die Verweise auf den Artikel zu den Vorbehalten geändert, ohne dass dies inhaltliche Auswirkungen hätte.
5.4.7 Änderung von Anhang XI: Zahlungs- und Kapitalverkehr (Art. XVII)
Nach Artikel XVII des Änderungsprotokolls ersetzt Anhang 17 den Anhang zum Zahlungs- und Kapitalverkehr. Im neuen Anhang nicht mehr enthalten sind die veralteten Massnahmen im Zusammenhang mit der ausländischen Investoren auf freiwilliger Basis angebotenen Investitionsförderungsregelung. Diese Massnahmen hatten in der Praxis keine Auswirkungen und wurden 2016 aufgehoben. Des Weiteren wurden die Rechtsverweise auf die Zentralbankinstrumente zur Stabilisierung der Währung an die neuen nationalen Rechtsverweise angepasst. Die Substanz wird davon nicht berührt. Allfällige Beschränkungen mit möglichen Auswirkungen auf Überweisungen bleiben nichtdiskriminierend.
5.5 Schutz des geistigen Eigentums (Art. XVIII und XIX)
Die Änderungen bezüglich des Schutzes von geistigem Eigentum sind in den Artikeln XVIII und XIX des Änderungsprotokolls enthalten. Das Kapitel wird dabei auf alle Bereiche des geistigen Eigentums ausgeweitet und das Abkommen schützt neu spezifische geografische Angaben.
5.5.1 Änderungen von Kapitel IV: Schutz des geistigen Eigentums (Art. XVIII)
Anhang XVIII des Änderungsprotokolls ersetzt das gesamte Kapitel IV des Abkommens zum Schutz des geistigen Eigentums. Neu deckt das FHA so alle Bereiche des geistigen Eigentums ab. Im Vergleich zu den multilateralen Mindeststandards des WTO-Abkommens vom 15. April 1994 ³9 über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS-Abkommen) verbessert die Modernisierung gewisse Schutzstandards weiter und erhöht die Rechtssicherheit umfassend in allen Bereichen des geistigen Eigentums. Das Abkommen macht so den Schutz der Rechte an geistigem Eigentum berechenbarer und trägt damit zu besseren Rahmenbedingungen für den Handel mit innovativen Produkten und Dienstleistungen bei.
Artikel 67 ( Schutz des geistigen Eigentums) verpflichtet die Vertragsparteien, einen angemessenen, wirksamen und nichtdiskriminierenden Schutz der Rechte an geistigem Eigentum zu gewährleisten (Abs. 1). Wie das bestehende Abkommen bestätigt das modernisierte FHA, dass die Grundsätze der Inländerbehandlung (Abs. 2) und der Meistbegünstigung (Abs. 3) im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des TRIPS-Abkommens auch im Rahmen von Freihandelsbeziehungen gelten. Dies ist insbesondere relevant im Hinblick auf mögliche künftige Freihandelsabkommen Chiles. Aus dem bestehenden Abkommen wurde auch die Möglichkeit übernommen, Fragen der Umsetzung der Bestimmungen über das geistige Eigentum im Gemischten Ausschuss anzugehen (Abs. 5). Neu präzisiert Absatz 4 zudem im Einklang mit dem TRIPS-Abkommen, dass die Parteien ihr Erschöpfungsregime frei wählen können.
Der neu eingefügte Artikel 68 enthält allgemeine Grundsätze zur Funktion der Systeme zum Schutz von geistigem Eigentum der Parteien.
Gemäss dem ebenfalls neuen Artikel 69 zum geistigen Eigentum und der öffentlichen Gesundheit anerkennen die Parteien die Wichtigkeit der Doha-Erklärung vom 14. November 2001 zum TRIPS-Abkommen und zur öffentlichen Gesundheit (Abs. 1). Sie verpflichten sich zudem, die Änderung des TRIPS-Abkommens, die vom Allgemeinen Rat der WTO am 6. Dezember 2005 beschlossen wurde, umzusetzen (Abs. 2). Gemäss Absatz 3 bleiben beide gegenüber Kapitel IV und Anhang XII des FHA vorbehalten.
³9 SR 0.632.20 , Anhang 1C
5.5.2 Änderung von Anhang XII: Schutz des geistigen Eigentums (Art. XIX)
Anhang XIX des Änderungsprotokolls ersetzt Anhang XII des FHA komplett. Gemäss Artikel 1 dieses Anhangs Definition des geistigen Eigentums , fallen wie bereits im bestehenden Abkommen, insbesondere folgende Immaterialgüterrechte unter diesen Begriff: Urheberrechte, inklusive Computerprogramme und Datensammlungen sowie verwandte Schutzrechte (die Rechte ausübender Künstlerinnen und Künstler, der Herstellerinnen und Hersteller von Tonaufnahmen und Tonbildträgern sowie der Sendeunternehmen), Marken, geografische Angaben inklusive Ursprungsbezeichnungen, Designs, Patente, Pflanzensorten, Topographien integrierter Schaltkreise (Computerchips) und vertrauliche Informationen. Zusätzlich wird die Definition im modernisierten Abkommen mit den Herkunftsangaben ergänzt.
Die Vertragsparteien bestätigen in Artikel 2 ( Internationale Abkommen ) ihre Verpflichtungen unter verschiedenen internationalen Immaterialgüterrechtsabkommen, deren Vertragspartei sie bereits sind. Mit der Modernisierung werden diese Abkommen zusätzlich in den institutionellen Rahmen des FHA integriert. Es handelt sich gemäss Absatz 1 wie auch im bestehenden FHA um folgende Abkommen: das TRIPS-Abkommen, die Pariser Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums von 1883 revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 4⁰ (Pariser Übereinkunft), die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst von 1886 revidiert in Paris am 24. Juli 1971 4¹ , das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen von 1961 4² , der Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens von 1970 4³ , der Budapester Vertrag über die internationale Anerkennung der Hinterlegung von Mikroorganismen für die Zwecke von Patentverfahren von 1977 4⁴ , das Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken von 1989 ⁴5 sowie das internationale Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen von 1991 ⁴6 (UPOV).
Neu verpflichten sich die Vertragsparteien in Absatz 2, bis 2026 die materiellen Bestimmungen bestimmter Abkommen einzuhalten oder diesen beizutreten: das Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken von 1957, revidiert in Genf am 13. Mai 1977 ⁴7 , der WIPO-Urheberrechtsvertrag von 1996 (WCT) ⁴8 sowie der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger von 1996 (WPPT) ⁴9 .
Zudem erklären die Vertragsparteien in Absatz 3 Anstrengungen machen zu wollen, um zwei weiteren Abkommen beizutreten, sofern sie nicht bereits Vertragspartei sind: die Genfer Akte des Haager Abkommens von 1999 betreffend die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle 5⁰ sowie der Vertrag von Peking von 2012 über den Schutz audiovisueller Darbietungen 5¹ (Vertrag von Peking). Somit fügt die Modernisierung mit dem Vertrag von Peking den in Artikel 2 aufgelisteten Instrumenten ein zusätzliches internationales Abkommen hinzu.
Schliesslich bestätigt Absatz 4 die bereits im bestehenden Abkommen geäusserte Absicht der Vertragsparteien, sich auf Ersuchen bezüglich Aktivitäten und Entwicklungen im Zusammenhang mit internationalen Abkommen oder mit ihren diesbezüglichen Beziehungen zu Drittstaaten zu konsultieren.
Im bestehenden Abkommen fehlt ein Artikel zu Urheberrechten und verwandten Schutzrechten gänzlich. Ein solcher wird nun mit Artikel 3 eingefügt. In diesem verpflichten sich die Vertragsparteien, einen angemessenen und effektiven Schutz für Autorinnen und Autoren, Künstlerinnen und Künstler, Produzentinnen und Produzenten und Sendeunternehmen für ihre Werke, Aufführungen, Tonaufnahmen, Tonbildträger und Sendungen zu gewähren (Abs. 1). Der Artikel wendet bestimmte Schutzverpflichtungen, die gemäss WPPT für Tonaufnahmen gelten, analog auf Produzentinnen und Produzenten von Tonbildträgern an, entweder als Urheberrecht oder als verwandtes Schutzrecht (Abs. 2). Geregelt werden weiter die Rechte der Sendeunternehmen (Abs. 3) sowie die Mindestschutzfristen für die diversen Urheber- und verwandten Schutzrechte (Abs. 5-7).
Auch Artikel 4 ( Marken) wird mit der Modernisierung eingefügt und ist somit gänzlich neu. Er erweitert den Schutz gegenüber dem TRIPS-Abkommen auf Formmarken und akustische Marken. Bei berühmten und notorisch bekannten Marken sieht der Artikel das im TRIPS-Abkommen für solche Marken enthaltene höhere Schutzniveau unabhängig davon vor, ob die berühmte oder notorisch bekannte Marke eingetragen ist oder nicht. Zudem listet er gewisse qualitative Kriterien entsprechend den Bestimmungen im Markenschutzgesetz vom 28. August 1992 5² (MSchG) auf, die für die Beurteilung einer Beeinträchtigung der Interessen des Markeninhabers herbeigezogen werden können und verweist überdies auf die einschlägige WIPO-Empfehlung.
Der bestehende Artikel 5 ( Patente) wird in mehreren Aspekten ergänzt: So präzisiert Absatz 1, dass die Einfuhr von patentgeschützten Erzeugnissen der Ausübung des entsprechenden Patents gleichkommt. Absatz 3 zu den Patentausschlussgründen folgt neu bezüglich diagnostischer, therapeutischer und chirurgischer Verfahren dem Europäischen Patentübereinkommen, revidiert in München am 29. November 2000 5³ . Schliesslich wird der Artikel neu mit gewissen Mindestanforderungen an das Patenterteilungsverfahren ergänzt, namentlich die Möglichkeit, Änderungen und Korrekturen vorzunehmen (Abs. 4), eine zügige Publikation von hängigen Patentanmeldungen (Abs. 5-6) sowie die Möglichkeit, eine Publikation vor Ablauf der ersten achtzehn Monate ab Anmeldung zu verlangen (Abs. 7). Aus dem bestehenden Abkommen unverändert übernommen werden die Absätze 8 zur Ausnahmeregelung für die zulassungsrechtliche Prüfung, 9 zur Patentlaufzeitkompensation und 10 zu Zwangslizenzen.
Artikel 6 ( Schutz vertraulicher Informationen ) wird unverändert aus dem bestehenden Abkommen übernommen. Er sieht für eine bestimmte Dauer Marktexklusivität für pharmazeutische und agrochemische Erzeugnisse vor, in denen neue chemische Stoffe verwendet werden und für die im Rahmen des Marktzulassungsverfahrens Testdaten vorgelegt werden müssen. Die Dauer beträgt für pharmazeutische Produkte fünf und für agrochemische Produkte zehn Jahre ab Marktzulassung.
Artikel 7 ( Designs) enthält wie vor der Modernisierung eine im Vergleich zum TRIPS-Abkommen längere Schutzdauer von 15 Jahren, legt diese aber neu verbindlich fest.
Artikel 8 ( Geografische Angaben) verpflichtet die Vertragsparteien, einen angemessenen und wirksamen Schutz für geografische Angaben zu gewährleisten. Während sich das bestehende Abkommen diesbezüglich nach dem TRIPS-Abkommen richtet, müssen die Vertragsparteien neu das höhere Schutzniveau, welches das TRIPS-Abkommen für geografische Angaben für Weine und Spirituosen reserviert, auch für landwirtschaftliche Produkte und Lebensmittel gewähren.
Der mit der Modernisierung neu eingefügte Appendix Geografische Angaben regelt zudem den Schutz dieser Bezeichnungen spezifisch zwischen der Schweiz und Chile. Er sieht ein höheres Schutzniveau für alle Produkte vor, nicht-landwirtschaftliche Erzeugnisse eingeschlossen. Das Schutzniveau entspricht demjenigen der Genfer Akte des Lissabonner Abkommens von 2015 über Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben 5⁴ . Der Appendix enthält in Attachments I und II Listen mit geografischen Angaben beider Seiten. Für die Schweiz sind dies zum Beispiel Bezeichnungen wie «Schweiz» für Uhren, Schokolade und Kosmetika, sowie «Gruyère», «Sbrinz» «Tête de Moine» und «Raclette du Valais» für Käse. Auch die Schweizer Ursprungsbezeichnungen für Wein werden geschützt. Für Chile schützt das Abkommen u. a. «Pisco» für Spirituosen, mit einem Vorbehalt für den Schutz der homonymen geografischen Angabe Perus.
Neu schützt das modernisierte Abkommen Ländernamen, Herkunftsangaben, staatliche Hoheitszeichen und Flaggen . So regelt Artikel 9 den Schutz von Bezeichnungen wie «Switzerland», «Swiss» oder die Verwendung des Schweizer Kreuzes. Absatz 1 sieht vor, dass Ländernamen gegen irreführenden Gebrauch im Markt geschützt sind, sowohl für Waren als auch für Dienstleistungen. Absatz 2 schützt alle einfachen Herkunftsangaben für Waren und Dienstleistungen gemäss der Pariser Übereinkunft. Schliesslich werden Wappen, Flaggen und andere staatliche Hoheitszeichen in Absatz 3 gemäss Pariser Übereinkunft geschützt.
Artikel 10 über Erwerb und Aufrechterhaltung wird aus dem bestehenden Abkommen übernommen und lediglich dahingehend ergänzt, dass Verfahren zur Registrierung und Erteilung von Immaterialgüterrechten «mindestens» den Anforderungen des TRIPS-Abkommens genügen müssen.
Das modernisierte Abkommen enthält neu in den Artikeln 11-19 detaillierte Bestimmungen zur Durchsetzung von Immaterialgüterrechten. Der entsprechende kurze Artikel des bestehenden Abkommens wird in Artikel 11 Allgemeine Grundsätze überführt und nur im Punkt ergänzt, dass Durchsetzungsmassnahmen mindestens dem TRIPS-Abkommen entsprechen müssen. Die Artikel 12-19 werden neu eingefügt.
Die Artikel 12 und13 regeln die Zollhilfemassnahmen. Laut Artikel 12 über die Aussetzung der Freigabe von Waren muss Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern die Möglichkeit gegeben werden, Anträge auf Hilfeleistung bei den Zollbehörden oder den Gerichten zu stellen, dies nicht nur bei der Einfuhr für Marken- und Urheberrechte, wie im TRIPS-Abkommen, sondern bei Verdacht auf Verletzung aller Immaterialgüterrechte, sowohl bei der Einfuhr als auch der Ausfuhr (Abs. 1). Von sich aus tätig werden müssen die Zollbehörden zumindest im Fall von Marken- und Urheberrechtsverletzungen (Abs. 2). Falls für Rechteinhaber keine Möglichkeit besteht, ihre Rechte bei den Zollbehörden zu registrieren, müssen diese Dialog und Zusammenarbeit mit den Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern pflegen (Abs. 3). Wenn die Freigabe von Waren ausgesetzt wird, benachrichtigen die Zollbehörden die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber und übermitteln ihnen die Informationen, die für die Durchsetzung ihrer Rechte notwendig sind (Abs. 7). Im Verletzungsfall können Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber die Erstattung ihrer Kosten für die Durchsetzungsverfahren verlangen (Abs. 9). Schliesslich enthält der Artikel eine fakultative Ausnahmebestimmung für kleine Warenmengen im persönlichen Gepäck von Reisenden (Abs. 10). Nach Artikel 13 über das Recht auf Beschau erhalten Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber zudem die Möglichkeit, die zurückgehaltenen Waren zu besichtigen.
Artikel 14 sieht Provisorische und superprovisorische Massnahmen gemäss TRIPS-Abkommen vor und unterstreicht die Wichtigkeit eines raschen Entscheids in solchen Fällen.
Die Justizbehörden müssen laut Artikel 15 über die Entfernung aus dem Handel befugt sein, auf Antrag der Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern anzuordnen, dass Produkte, die Immaterialgüterrechte verletzen sowie Maschinen, die zur Herstellung dieser Produkte verwendet werden, aus dem Verkehr gezogen oder zerstört werden.
Artikel 16 ( Zivilrechtliche Abhilfemassnahmen) verlangt, dass die Justizbehörden der Vertragsparteien befugt sind, bei Verletzungen von Rechten am geistigen Eigentum Schadensersatz anzuordnen, der den tatsächlich erlittenen Schaden kompensiert.
Gemäss Artikel 17 müssen die Vertragsparteien Strafrechtliche Massnahmen und Sanktionen für vorsätzliche gewerbsmässige Verletzungen von Immaterialgüterrechten nicht nur, wie im TRIPS-Abkommen, für Marken und Urheberrechte vorsehen, sondern für alle Rechte an geistigem Eigentum.
Artikel 18 sieht vor, dass die zuständigen Behörden in begründeten Fällen von einem Antragsteller eine angemessene Kaution oder gleichwertige Sicherheit, inkl. eine Haftungserklärung verlangen können.
Bezüglich abschliessender Gerichts- und Verwaltungsentscheide hält Artikel 19 u. a. fest, dass diese schriftlich ergehen und öffentlich zugänglich gemacht werden müssen.
Im mit der Modernisierung neu eingefügten abschliessenden Artikel 20 stimmen die Partien überein, die Zusammenarbeit im Bereich des geistigen Eigentums zu vertiefen.
4⁰ SR 0.232.04
4¹ SR 0.231.15
4² SR 0.231.171
4³ SR 0.232.141.1
4⁴ SR 0.232.145.1
⁴5 SR 0.232.112.4
⁴6 SR 0.232.163 , UPOV-Fassung von 1991, es sei denn, eine Vertragspartei sei bereits Mitglied der UPOV-Fassung von 1978.
⁴7 SR 0.232.112.9
⁴8 SR 0.231.151
⁴9 SR 0.231.171.1
5⁰ SR 0.232.121.4
5¹ SR 0.231.174
5² SR 232.11
5³ SR 0.232.142.2
5⁴ SR 0.232.111.14
5.6 Öffentliches Beschaffungswesen (Art. XX und XXI)
Die Änderungen in Bezug auf das öffentliche Beschaffungswesen sind in den Artikeln XX und XXI des Änderungsprotokolls festgelegt. Das Kapitel wird im Lichte des revidierten WTO-Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen 5⁵ (GPA 2012) modernisiert, was zu einer leicht verbesserten Abdeckung im entsprechenden Anhang führt.
5.6.1 Änderung von Kapitel V: öffentliches Beschaffungswesen (Art. XX)
In Artikel XX des Änderungsprotokolls ist festgelegt, dass Kapitel V des bestehenden FHA durch den modernisierten Wortlaut zum öffentlichen Beschaffungswesen (Kapitel V Öffentliches Beschaffungswesen ) in Anhang 20 des Protokolls ersetzt wird. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Aktualisierung der rechtlichen Bestimmungen des bestehenden FHA, durch die besseren Rahmenbedingungen für die Teilnahme der Vertragsparteien an öffentlichen Beschaffungen geschaffen werden sollen.
Während die Bestimmungen von Kapitel V des bestehenden FHA auf dem WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) von 1994 beruhten, diente als Grundlage für die modernisierten Bestimmungen das revidierte GPA (GPA 2012).
Artikel 70 ( Anwendungs- und Geltungsbereich , zuvor Art. 48) definiert den Anwendungs- und Geltungsbereich des Kapitels in Bezug auf öffentliche Beschaffungen von Waren und Dienstleistungen, einschliesslich Bauaufträgen und Baukonzessionen. Im Unterschied zum bestehenden FHA werden in diesem Artikel die für alle Vertragsparteien geltenden Ausschlüsse zusammengefasst und verallgemeinert. Diese Ausschlüsse waren bisher in den Verpflichtungslisten der einzelnen Vertragsparteien enthalten. Im modernisierten Kapitel ist auch der Ausschluss der Finanzdienstleistungen festgehalten, da dieser Sektor in Chile innenpolitisch nach wie vor als sensibel betrachtet wird.
Artikel 71 ( Begriffsbestimmungen , zuvor Art. 49) listet die wichtigsten das Beschaffungsrecht betreffenden Begriffe auf und definiert ihren Anwendungsbereich. Wie im GPA 2012 wurde die Liste der Begriffsbestimmungen erweitert und so etwa um den Begriff «Massnahmen» ergänzt. So soll vermieden werden, dass diese Begriffsbestimmungen in einzelnen Artikeln über das ganze Kapitel verteilt zu finden sind.
In Artikel 72 ( Sicherheit und allgemeine Ausnahmen ) werden Ausnahmen in Bezug auf die Sicherheit und allgemeine Ausnahmen festgelegt, die es einer Vertragspartei erlauben, die Bestimmungen des Kapitels nicht anzuwenden. Sie sind identisch mit jenen des bestehenden FHA (zuvor Art. 70).
Artikel 73 ( Nichtdiskriminierung , zuvor Art. 50) übernimmt die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Inländerbehandlung aus dem bestehenden FHA. Diese Grundsätze bilden auch weiterhin die Eckpfeiler des GPA 2012.
Mit Artikel 74 ( Verwendung elektronischer Hilfsmittel ) werden aus dem GPA 2012 übernommene Regeln für die elektronische Abwicklung von öffentlichen Beschaffungen neu in das Abkommen aufgenommen. Diese betreffen die Authentifizierung, die Verschlüsselung und die Anforderungen an die Kompatibilität elektronischer Systeme. Dadurch wird auch der Anwendungsbereich von Artikel 67 Absatz 1 des bestehenden FHA bezüglich der Informationstechnologie ausgeweitet.
Artikel 75 ( Durchführung von Beschaffungen ) spezifiziert die Abwicklungsverfahren für öffentliche Beschaffungen im Sinne des GPA 2012 und bietet den Vertragsparteien eine Rechtsgrundlage für eine weitere Flexibilisierung der öffentlichen Beschaffungsverfahren (z. B. durch einen Dialog). Er ersetzt Artikel 54 des bestehenden FHA.
Artikel 76 ( Massnahmen zur Korruptionsbekämpfung ) stellt eine neue Bestimmung zur Bekämpfung von Korruption im öffentlichen Beschaffungswesen dar. Der Wortlaut des Artikels wurde aus dem Abkommen über eine Umfassende und Fortschrittliche Transpazifische Partnerschaft (CPTPP) übernommen. Es ist das erste Mal, dass eine solche Bestimmung in ein FHA der Schweiz aufgenommen wird. Die Vertragsparteien bestätigen, über administrative und strafrechtliche Verfahren zur Bekämpfung von Korruption im öffentlichen Beschaffungswesen zu verfügen, die im Hinblick auf die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen gegebenenfalls Massnahmen zum Ausschluss und zur Ablehnung von Anbietern einschliessen können. Diese Bestimmung widerspiegelt die Ausrichtung des Bundesgesetzes vom 21. Juni 2019 ⁵6 über das öffentliche Beschaffungswesen und die darin festgelegten Massnahmen.
Durch Artikel 77 ( Ursprungsregeln ) wird die Regelung des bestehenden FHA dahingehend präzisiert, als dass festgelegt wird, dass dieselben Ursprungsregeln wie im normalen Handelsverkehr zur Anwendung kommen. Der Artikel übernimmt damit einen allgemeinen Grundsatz des GPA 2012.
Artikel 78 ( Kompensationsgeschäfte ) verbietet - wie bereits Artikel 51 des bestehenden FHA - jegliche Kompensationsgeschäfte.
Die Artikel 79−88 übernehmen und präzisieren die Bestimmungen des bestehenden FHA in Bezug auf die Information über das Beschaffungswesen , Anzeigen , Teilnahmebedingungen , das Registrierungssystem und Qualifikationsverfahren , Verzeichnisse , Ausschreibungsunterlagen , technische Spezifikationen , Änderungen von Ausschreibungsunterlagen und technischen Spezifikationen , Fristen und das freihändige Verfahren . Wie im GPA 2012 sehen die technischen Spezifikationen die Berücksichtigung der ökologischen Dimension bei öffentlichen Ausschreibungen vor. Ähnlich wie im CPTPP wird zudem klargestellt, dass die Anwendung von technischen Spezifikationen zum Schutz sensibler staatlicher Informationen zulässig ist.
Mit Artikel 89 ( Elektronische Auktionen ) wird auf der Grundlage einer entsprechenden Bestimmung im GPA 2012 eine neue Bestimmung zu elektronischen Auktionen in das FHA aufgenommen. Diese verlangt von den öffentlichen Auftraggebern, genaue Informationen über das Verfahren und die Bewertungskriterien bereitzustellen.
Die Artikel 90−94 übernehmen die Bestimmungen des bestehenden FHA in Bezug auf Verhandlungen , die Behandlung der Angebote , die Zuschlagserteilung , die Transparenz von Beschaffungsinformationen und die Weitergabe von Informationen und enthalten weitergehende Erläuterungen dazu.
In den Artikeln 95 ( Interne Überprüfungsverfahren für Beschwerden von Anbietern ) und 96 ( Änderungen und Berichtigungen des Geltungsbereichs ) werden die internen Überprüfungsverfahren für Beschwerden sowie die Änderungen und Berichtigungen des Geltungsbereichs, die bereits im bestehenden FHA vorgesehen sind, beschrieben und präzisiert.
In Artikel 97 ( Erleichterung der Teilnahme von kleinen und mittleren Unternehmen ) anerkennen die Vertragsparteien, wie wichtig die Erleichterung der Teilnahme von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) an öffentlichen Beschaffungen ist, und vereinbaren, Informationen und Erfahrungen zu den bestehenden Massnahmen auszutauschen, mit denen die Teilnahme von KMU an öffentlichen Beschaffungen erleichtert wird. Ein solcher Artikel ist neu im FHA mit Chile, existiert aber bereits in anderen Freihandelsabkommen der Schweiz, z. B. in jenen mit Kolumbien und Peru.
Analog zum bestehenden FHA bekräftigen die Vertragsparteien in Artikel 98 ( Zusammenarbeit ) ihren Willen zur Zusammenarbeit, um das Verständnis ihres jeweiligen öffentlichen Beschaffungswesens und den Zugang zu ihren jeweiligen Märkten insbesondere für KMU zu verbessern. Zu diesem Zweck richten die Vertragsparteien nach Artikel 99 ( Kontaktstellen für öffentliche Beschaffungen ) einen Kommunikations- und Koordinationskanal für die Umsetzung dieses Kapitels ein.
Wie im bestehenden FHA sieht Artikel 100 ( Weitere Verhandlungen ) für die Vertragsparteien die Möglichkeit vor, untereinander eine Ausdehnung der Konzessionen auszuhandeln, die eine Vertragspartei nach Inkrafttreten des Abkommens einem Drittstaat unter Umständen gewährt.
⁵6 SR 172.056.1
5.6.2 Änderung von Anhang XIII: Verpflichtungslisten sowie Anhang XIV: Allgemeine Anmerkungen (Art. XXI)
In Artikel XXI des Änderungsprotokolls ist festgelegt, dass die Anhänge XIII ( Erfasste Beschaffungsstellen ) und XIV ( Allgemeine Anmerkungen ) des bestehenden FHA durch einen einzigen modernisierten Anhang (Anhang XIII Öffentliches Beschaffungswesen ) ersetzt werden, dessen Wortlaut in Anhang 21 des Protokolls enthalten ist. In Anhang XIII werden einige Bestimmungen des Kapitels zu den Fristen, den Bewertungen der Beschaffungen und den Ausschreibungsunterlagen präzisiert und der durch Artikel 70 des modernisierten Abkommens garantierte Zugang zu den Beschaffungsmärkten näher erläutert. Damit konsolidieren die EFTA-Staaten und Chile die im bestehenden Abkommen bereits auf allen Ebenen (zentrale Ebene, subzentrale Ebene und andere sektorale Aktivitäten) breit abgedeckten Marktzugangsverpflichtungen auf Grundlage der Gegenseitigkeit, unter anderem in Bezug auf Baukonzessionen. Die EFTA-Länder bzw. Chile aktualisieren ihre Verpflichtungslisten entsprechend den neuesten internationalen Abkommen, die von beiden Seiten abgeschlossen wurden.
Für die Schweiz wird die Referenz nun durch die Verpflichtungsliste des GPA 2012 festgelegt, die auch als Grundlage für alle Freihandelsverhandlungen der Schweiz dient. Das verbesserte Angebot für den Marktzugang der Schweiz ergibt sich aus einer dynamischen Abdeckung der Liste der Verwaltungseinheiten der Bundesverwaltung nach dem Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 ⁵7 (RVOG) und der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998 ⁵8 , aus der Aufnahme von Stellen der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden des Bundes sowie von Einheiten der Bundesversammlung und aus der Abdeckung zusätzlicher Dienstleistungen wie Hotellerie-, Gastronomie- und Immobiliendienstleistungen.
Was Chile anbelangt, wird die vollständige Abdeckung durch das bestehende FHA bestätigt. Hinzu kommt die Verpflichtung, die öffentlichen Beschaffungen von Waren und Dienstleistungen durch Einheiten auf zentraler Regierungsebene und durch andere Stellen für niedrigere Schwellenwerte zu öffnen, als sie im bestehenden FHA vorgesehen sind bzw. von den EFTA-Staaten angeboten werden. Chile gewährt der Schweiz insgesamt ein vergleichbares Marktzugangsniveau wie der EU. Die Schweizer Anbieter erhalten einen gleichwertigen Zugang zu den öffentlichen Beschaffungsmärkten Chiles wie ihre europäischen Konkurrenten, womit potenzielle Diskriminierungen in diesem Bereich vermieden werden.
⁵7 SR 172.010
⁵8 SR 172.010.1
5⁵ SR 0.632.231.422
5.7 Aufnahme von Kapitel Vbis: Kleine und mittlere Unternehmen (Art. XXII)
Der Wortlaut von Anhang XXII des Änderungsprotokolls wird durch Artikel XXII des Protokolls als neues Kapitel Vbis ( Kleine und mittlere Unternehmen ) in das Abkommen aufgenommen.
Damit integriert die EFTA erstmals ein separates Kapitel über KMU in eines ihrer Freihandelsabkommen. Das auf dem im Jahr 2023 fertiggestellten EFTA-Modelltext basierende Kapitel soll es den KMU ermöglichen, grösseren Nutzen aus dem FHA zu ziehen. Denn bei der Nutzung der FHA sind KMU mit Blick auf den internationalen Handel oft mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, etwa beschränkten Ressourcen, unzureichenden Informationen und komplexen Vorschriften.
Artikel 101 legt die allgemeinen Grundsätze des Kapitels fest. In Anerkennung der Bedeutung der KMU für die wirtschaftliche Entwicklung werden die wichtigsten Herausforderungen und Ziele der Vertragsparteien genannt.
Artikel 102 ( Informationsaustausch und Transparenz ) regelt die Informationspflichten der Vertragsparteien. Die Vertragsparteien müssen eine Reihe von Informationen, die für KMU als nützlich und relevant erachtet werden, online und kostenlos zur Verfügung stellen. Dazu gehören unter anderem Gesetze und Vorschriften im Zusammenhang mit der Einfuhr und Ausfuhr, elektronische Datenbanken mit Bekanntmachungen über öffentliche Beschaffungen bzw. Zollfragen sowie Verfahren für die Eintragung von Unternehmen. Diese Informationen müssen mehrheitlich in englischer Sprache verfügbar sein. Für die Schweiz werden die Informationen zentral auf einer Seite der EFTA-Website zu finden sein.
In Artikel 103 ( Tätigkeiten und Zusammenarbeit ) vereinbaren die Vertragsparteien, verschiedene Tätigkeiten durchzuführen und ihre Zusammenarbeit zu vertiefen, um Hindernisse für den Zugang von KMU zu ihren jeweiligen Märkten abzubauen. Der Artikel sieht vor, dass die Vertragsparteien einen Dialog zu Angelegenheiten von gegenseitigem Interesse führen, z. B. durch den Austausch von Erfahrungen mit Politiken und digitalen Instrumenten für KMU. Schliesslich bezeichnen die Vertragsparteien für die Koordination der Umsetzung des Kapitels sowie der Anfragen von Akteuren Kontaktstellen, die für die Schweiz vom EFTA-Sekretariat betreut werden.
Artikel 104 legt die Nichtanwendung der Streitbeilegung in Kapitel Vbis ( Kleine und mittlere Unternehmen ) fest.
5.8 Aufnahme von Kapitel Vter: Digitaler Handel (Art. XXIII)
Durch Artikel XXIII des Änderungsprotokolls wird ein Kapitel über den elektronischen Handel ins Abkommen aufgenommen, dieses ist in Anhang 23 des Änderungsprotokolls enthalten.
Chile ist nach der Republik Moldau der zweite Handelspartner, mit dem Bestimmungen zum elektronischen Handel auf Basis des im Jahr 2021 fertiggestellten EFTA-E-Commerce-Modelltextes ausgehandelt wurden. Das Kapitel schliesst bestehende Lücken bezüglich Regeln zum digitalen Handel und erhöht damit die Rechtssicherheit.
Artikel 105 nimmt die für das Kapitel relevanten Begriffsbestimmungen auf, wobei teils auf bestehende Definitionen aus dem GATS-Kontext zurückgegriffen wird.
Artikel 106 umschreibt den Anwendungsbereich , der sowohl elektronisch gehandelte Dienstleistungen wie auch Waren umfasst. Ausdrücklich vom Geltungsbereich ausgeschlossen sind audiovisuelle Dienstleistungen. Der Artikel enthält zudem eine Kollisionsregel, wonach im Falle von Unklarheiten geregelt ist, dass die Bestimmungen im Anhang über die Finanzdienstleistungen Vorrang haben (enthalten im Kapitel über den Dienstleistungshandel und die Niederlassung, Ziff. 5.4.3). Damit wird sichergestellt, dass die Massnahmen im Zusammenhang mit aufsichtsrechtlichen Belangen unangetastet bleiben.
Artikel 107 ( Allgemeine Grundsätze) enthält die grundsätzlichen Prinzipien, die von den Parteien anerkennt werden, wie die potenziellen zusätzlichen Handelsmöglichkeiten, die sich aufgrund des digitalen Handels ergeben können. Der Artikel hebt die Wichtigkeit des Themas auch grundsätzlich hervor. Artikel 108 zum Recht auf Regulierungstätigkeit hält fest, dass sich die Vertragsparteien vorbehalten, nachträglich Regulierungen in Übereinstimmung mit den Regeln des Kapitels einzuführen, soweit sie dies für zwingend notwendig erachten.
Artikel 109 ( Zölle) verankert die Verpflichtung der Nichterhebung von Zöllen auf elektronische Übermittlungen. Anders als beim WTO E-Commerce Moratorium ist diese Verpflichtung dauerhaft und enthält eine zusätzliche Präzisierung, wonach interne Abgaben nach wie vor möglich sein sollen (z. B. die Abgabe der Mehrwertsteuern). Die Verankerung der Pflicht zur Nichterhebung von Zöllen im FHA ist ein wesentlicher Vorteil im Vergleich zur bestehenden Regelung in der WTO, welche bis anhin jeweils um zwei Jahre verlängert wurde und 2026 mit der Auflösung des Arbeitsprogramms zu E-Commerce auslaufen wird.
Artikel 110 ( Elektronische Authentifizierung, Vertrauensdienste und auf elektronischem Weg abgeschlossene Verträge) enthält Regeln über die Anerkennung elektronischer Signaturen und die Gleichwertigkeit elektronisch abgeschlossener Verträge mit konventionell unterzeichneten Vertragspapieren. Davon ausgeschlossen bleiben Verträge für deren Abschluss das innerstaatliche Recht die elektronische Form nicht akzeptiert, wie z. B. in der Schweiz der Erwerb von Wohneigentum.
Artikel 111 ( Papierlose Geschäftsabwicklung) enthält Bestimmungen zur elektronischen Geschäftsabwicklung. Die Bestimmung konnte im Vergleich zum WTO-Übereinkommen für Handelserleichterungen ausgeweitet werden, da die Begriffsbestimmung zu Trade Administration Documents ausgedehnt werden konnte. Die neue Definition erfasst nicht nur behördliche Dokumente zum Import, Transit und Export, sondern die Dokumente, die generell im Zusammenhang mit Geschäftsabwicklungen stehen.
Artikel 112 ( Offener Internetzugang - Netzneutralität ) regelt den offenen und diskriminierungsfreien Zugang zum Internet und ist somit von grundlegender Wichtigkeit für den elektronischen Handel. Der Artikel hält fest, dass der Zugang zum Internet mittels frei wählbarer Geräte erfolgen kann, sofern diese als nicht nachteilig für die Netzumgebung gelten. Auch geregelt wird, dass die Nutzerinnen und Nutzer Zugang zu Informationen über das Netzwerkmanagement erhalten.
Artikel 113 ( Online-Konsumentenvertrauen) regelt, dass Konsumentinnen und Konsumenten im Online-Handel mittels entsprechender Massnahmen vor Betrug und ähnlichem kriminellen Fehlverhalten geschützt werden. Der Artikel hebt u. a. auch die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen den Behörden im Bereich des Online-Konsumentenschutzes hervor. Artikel 114 regelt zusätzlich den Umgang mit unerwünschten Werbenachrichten («Spam») zur Eindämmung von Massenversänden und stellt sicher, dass Regressmöglichkeiten vorhanden sind.
Artikel 115 ( Grenzüberschreitender Datenfluss und Lokalisierung von Rechenanlagen) verpflichtet die Parteien, den freien grenzüberschreitenden Datenfluss zu gewährleisten. Aufgrund der strengen Vorgaben durch die schweizerische Datenschutzgesetzgebung ist der freie Datenfluss jedoch nur möglich, sofern ein angemessenes Schutzniveau für Personendaten besteht. Die Bestimmung besagt weiter, dass keine Partei das Recht hat, den Speicherort für Daten vorzuschreiben. Auch hier ist es wichtig, Ausnahmen vorzusehen, denn in der Schweiz bestehen z. B. für Gesundheitsdaten erhöhte Anforderungen an den Speicherort. Der Artikel enthält weiter eine Sicherheitsklausel zur Wahrung legitimier Politikziele. Das bedeutet, dass die Vertragsparteien bei Bedarf die Wirksamkeit der Bestimmung ausser Kraft setzen können, sofern sie dies als notwendig erachten und nicht aufgrund protektionistischer Motive tun. Diese Sicherheit ist angesichts des sich schnell wandelnden Umfelds im Digitalbereich auch für die Schweiz für die Zukunft von Vorteil.
Artikel 116 ( Elektronische Bezahlmöglichkeiten und Rechnungsstellung) unterstreicht die Wichtigkeit elektronischer Bezahlmöglichkeiten für den elektronischen Handel. Die Parteien erklären sich bereit, die internationale Interoperabilität der Bezahlsysteme zu unterstützen und zu fördern. Im Bereich der Rechnungsstellung erklären sich die Parteien bereit, das Bewusstsein hinsichtlich der Elemente Infrastruktur und Kapazitätsaufbau zu fördern.
Artikel 117 ( Schutz von Personendaten und der Privatsphäre ) hält fest, dass die Parteien die für sie notwendigen Massnahmen zum Schutz von Personendaten ergreifen. Die Parteien pflegen über die ergriffenen Massnahmen einen Austausch. Weiter wird festgehalten, dass keine andere Bestimmung, die von den Parteien für notwendig erachteten Mechanismen zum Schutz der Privatsphäre untergraben können. Dieser Artikel ergänzt Artikel 115 mit einem starken Bekenntnis zum Schutz von Personendaten und der Privatsphäre.
Artikel 118 ( Übertragung und Schutz von Quellcodes) hält fest, dass weder natürliche noch juristische Personen zwingend Quellcodes offenlegen müssen im Zusammenhang mit Online-Geschäftstätigkeiten. Der Artikel enthält aber auch Ausnahmen von dieser Regel. Wettbewerbsrechtliche Untersuchungen, besondere Anforderungen von Gerichten oder auch Fragestellungen im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum oder dem öffentlichen Beschaffungswesen können die Offenlegung von Quellcodes erfordern.
Artikel 119 ( Zusammenarbeit beim elektronischen Handel) sieht vor, dass die Parteien einen Dialog über regulatorische Fragen im Zusammenhang mit dem elektronischen Handel führen. Der Artikel listet in nicht abschliessender Weise mögliche Kooperationsfelder auf.
Artikel 120 ( Allgemeine Ausnahmen) und Artikel 121 ( Ausnahmen zur Wahrung der Sicherheit) übernehmen in unveränderter Weise die Ausnahmen und Sicherheitsausnahmen des GATT und des GATS. Mit der Übernahme dieser WTO-Ausnahmen in den Bereichen Güter- und Dienstleistungshandel behalten sich die Parteien vor, im Bereich des elektronischen Handels von allfälligen, notwendigen Ausnahmen Gebrauch zu machen.
Artikel 122 ( Überprüfung) hält fest, dass die Parteien die Umsetzung des Kapitels beurteilen, insbesondere unter Berücksichtigung relevanter Entwicklungen im Digitalbereich.
5.9 Aufnahme von Kapitel Vquater: Handel und nachhaltige Entwicklung (Art. XXIV)
Das bestehende Abkommen enthielt kein Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung, diese Lücke wird durch die Modernisierung geschlossen. Im Rahmen einer kohärenten Aussenpolitik setzt sich die Schweiz dafür ein, den Zielen der nachhaltigen Entwicklung auch in der Aussenwirtschaftspolitik gerecht zu werden. Der Bundesrat strebt eine Situation an, die sowohl in der Schweiz wie auch in den Partnerländern ein mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung kohärentes Wachstum ermöglichen soll. Die nachhaltige Entwicklung umfasst die wirtschaftliche und die soziale Entwicklung sowie den Schutz der Umwelt.
Artikel XXIV des Änderungsprotokolls sieht die Aufnahme von Kapitel Vquater zu Handel und nachhaltige Entwicklung vor. Der Wortlaut des Kapitels ist in Anhang 24 des Änderungsprotokolls enthalten. Das Kapitel ist in mehrere Abschnitte unterteilt und umfasst allgemeine Bestimmungen, umwelt- und arbeitsbezogene Aspekte des Handels, Handel und Gleichstellung der Geschlechter sowie institutionelle Bestimmungen und Streitbeilegung.
Abschnitt I betrifft die Allgemeinen Bestimmungen
des Kapitels. In Artikel 123 ( Hintergrund und Ziele ) bekräftigen die Vertragsparteien verschiedene multilaterale Abkommen, Deklarationen und Initiativen, die unter dem Gesichtspunkt des Handels und der nachhaltigen Entwicklung relevant sind (Abs. 1). Die Vertragsparteien verpflichten sich dazu, die nachhaltige Entwicklung in all ihren Dimensionen zu fördern und unterstreichen die Vorteile der Kooperation bei handels- und investitionsbezogenen Aspekten von Arbeits-, Umwelt- und Gleichstellungsfragen als Teil eines globalen Ansatzes für Handel und nachhaltige Entwicklung (Abs. 2). In Absatz 3 verpflichten sich die Vertragsparteien, die Entwicklung von internationalem Handel und Investitionen sowie ihre präferenziellen Wirtschaftsbeziehungen in einer Weise zu fördern, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt.
In Artikel 124 legen die Vertragsparteien die grundsätzlichen Prinzipien von Recht auf Regulierungstätigkeit und Schutzniveaus fest. Absatz 1 anerkennt das Recht der Vertragsparteien, ihre innerstaatliche Gesetzgebung in Bezug auf Umweltschutz und Arbeitsrecht im Einklang mit den internationalen Arbeitsnormen und den Verpflichtungen jeder Vertragspartei aus den in diesem Kapitel genannten multilateralen Umweltübereinkommen selbst festzulegen. Die Vertragsparteien halten in Absatz 2 zudem fest, dass zur Vorbereitung und Umsetzung von regulatorischen Massnahmen im Umwelt- oder Arbeitsbereich wissenschaftliche, technische oder anderweitige Informationen sowie relevante internationale Standards in Betracht gezogen werden.
Die Vertragsparteien verpflichten sich in Artikel 125 über die Aufrechterhaltung der Schutzniveaus dazu, ihre nationalen Gesetzgebungen über den Umweltschutz und Arbeitsrechte wirksam umzusetzen (Abs. 1). Darüber hinaus verpflichten sich die Vertragsparteien in Absatz 2, das festgelegte Schutzniveau nicht zu senken, um Investitionen anzuziehen oder einen Wettbewerbsvorteil auf kommerzieller Ebene zu erlangen. Absatz 3 ergänzt Absatz 2 in der Hinsicht, als dass sich die Vertragsparteien verpflichten, auch nicht anderweitig von den vereinbarten Schutzniveaus abzuweichen. Nach Absatz 4 verpflichten sich die Vertragsparteien zudem dazu, ihre nationalen Umwelt- und Arbeitsgesetze und -vorschriften nicht in einer Weise anzuwenden, die eine versteckte Beschränkung von Handel oder Investitionen darstellen würde.
In Artikel 126 anerkennen die Vertragsparteien die Wichtigkeit der Förderung von verantwortungsvollem unternehmerischem Handeln , einschliesslich der nachhaltigen Bewirtschaftung von Lieferketten sowie die Bedeutung von in diesem Zusammenhang international anerkannten Grundsätzen und Leitlinien (Abs. 1). In Absatz 2 ermutigen die Vertragsparteien Unternehmen, die auf ihrem Staatsgebiet tätig sind, Strategien und Praktiken für ein verantwortungsbewusstes Geschäftsgebaren einzuführen, die zur nachhaltigen Entwicklung beitragen und mit international anerkannten Grundsätzen, Normen und Leitlinien im Einklang stehen. Zudem fördern die Vertragsparteien die Verbreitung und Anwendung der in Absatz 1 aufgeführten internationalen Instrumente.
Artikel 127 legt die Verfahrensgarantien fest. Die Vertragsparteien verpflichten sich sicher zu stellen, dass Verwaltungs- und Gerichtsverfahren einem ordentlichen rechtsstaatlichen Verfahren entsprechen und zugänglich und verfügbar sind, um rechtzeitige Massnahmen gegen Verstösse gegen ihre innerstaatlichen Umwelt- oder Arbeitsgesetze oder -vorschriften zu ermöglichen und wirksame Rechtsbehelfe zu schaffen.
Laut Artikel 128 über Beteiligung, Sensibilisierung und Eingaben der Öffentlichkeit ermutigen die Vertragsparteien den öffentlichen Dialog mit nicht-staatlichen Akteuren zur Entwicklung der Gesetze, Regeln und Politiken nach diesem Kapitel (Absatz 1). Sie verpflichten sich zudem, deren öffentliche Wahrnehmung sowie deren Durchsetzung und Einhaltung zu fördern (Abs. 2). Die Vertragsparteien geben Interessensgruppen die Möglichkeit, Kommentare und Vorschläge zur Umsetzung der Bestimmungen dieses Kapitels anzubringen (Abs. 3). Jede Vertragspartei sieht vor, dass Eingaben der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit diesem Kapitel entgegengenommen und gebührend berücksichtigt werden. Sie antworten zudem gemäss ihren Richtlinien zeitgerecht schriftlich auf solche Stellungnahmen (Abs. 4).
Artikel 129 regelt die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien. In Absatz 1 anerkennen die Vertragsparteien die Wichtigkeit der Zusammenarbeit in den Bereichen unter diesem Kapitel zur Stärkung der gemeinsamen und individuellen Fähigkeiten zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung. Absatz 2 enthält eine illustrative Liste möglicher Bereiche der Zusammenarbeit. Die Vertragsparteien engagieren sich, die Zusammenarbeit in Bereichen von gegenseitigem Interesse unter diesem Kapitel in den relevanten bilateralen, regionalen und multilateralen Foren, denen sie angehören, zu stärken (Abs. 3).
Artikel 130 legt den Rahmen der Zusammenarbeit fest. Die Vertragsparteien können, unter Berücksichtigung ihrer nationalen Prioritäten und Gegebenheiten sowie der verfügbaren Ressourcen, in Fragen von beidseitigem Interesse durch unterschiedliche Massnahmen zusammenarbeiten (Abs. 1). Soweit angemessen und möglich, bemühen sich die Vertragsparteien ihre bestehenden Kooperationsmechanismen zu ergänzen und zu nutzen und die relevanten Entwicklungen in regionalen und internationalen Organisationen zu berücksichtigen (Abs. 2).
Abschnitt 2 enthält Bestimmungen zu Umwelt und Handel. In Absatz 1 von Artikel 131 anerkennen die Vertragsparteien die Bedeutung Multilateraler Umweltübereinkommen und Umweltgouvernanz, als Antwort auf die globalen und regionalen Umweltherausforderungen an und betonen die Notwendigkeit, die gegenseitige Unterstützung zwischen Handels- und Umweltpolitiken zu verstärken. In Absatz 2 bekräftigen die Vertragsparteien ihre Verpflichtung zur wirksamen Umsetzung der jeweils von ihnen ratifizierten multilateralen Umweltübereinkommen in ihrer innerstaatlichen Gesetzgebung. Weiter bekräftigen sie die Befolgung der Prinzipien aus den Umweltinstrumenten, die in Artikel 123 ( Hintergrund und Ziele ) enthalten sind.
Die Vertragsparteien anerkennen in Artikel 132 die Bedeutung von nachhaltiger Waldbewirtschaftung und damit verbundenem Handel, um Treibhausgasemissionen und Biodiversitätsverlust durch Abholzung und Abwertung von natürlichen Wäldern und ähnlichen Ökosystemen zu vermeiden (Abs. 1). Die Vertragsparteien verpflichten sich in Absatz 2 dazu, eine wirksame Rechtsdurchsetzung und Gouvernanz im Forstwesen zu gewährleisten, den Handel mit Produkten aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern und Ökosystemen zu fördern, Instrumente zur Vermeidung von Handel mit illegal produzierten Holzprodukten (sog. «timber legality assurance systems») anzuwenden und zu fördern, die wirksame Umsetzung des Übereinkommens vom 3. März 1973 ⁵9 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (CITES) zu fördern sowie im Bereich der nachhaltigen Nutzung von Wäldern und Torfmooren zusammenzuarbeiten, besonders im Zusammenhang mit der UNO-Initiative zur Vermeidung des Emissionsausstosses aus Rodungen und Waldzerstörung ( Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation, REDD+), wie es im Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015 6⁰ (Klimaübereinkommen) betont wird.
In Artikel 133 ( Nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme sowie damit verbundener Handel ) anerkennen die Vertragsparteien den wachsenden Einfluss globaler Herausforderungen auf die Landwirtschaft und Ernährungssystem an (Abs. 1) sowie die Bedeutung der Stärkung von Programmen, welche die Entwicklung von produktiven, nachhaltigen, inklusiven und resilienten agrar- und Ernährungssysteme fördern (Abs. 2). Zudem anerkennen die Vertragsparteien in Absatz 2 die wichtige Rolle von nachhaltigen agrar- und Ernährungssystemen zum Erreichen dieser Ziele. Die Vertragsparteien tauschen Informationen und Erfahrungen aus und kooperieren in Bereichen von gemeinsamem Interesse nach diesem Artikel (Abs. 3). Dies beinhaltet die Errichtung eines Dialogs über bewährte Praktiken für nachhaltige agrar- und Ernährungssysteme, in dem sich die Vertragsparteien über die erzielten Fortschritte austauschen.
In Artikel 134 Handel und Klimawandel anerkennen die Vertragsparteienden den Einfluss und die Risiken des Klimawandels und verpflichten sich, wirksame Massnahmen zur Abschwächung des Klimawandels zu fördern (Abs. 1). In Absatz 2 betonen die Vertragsparteien die Wichtigkeit der Verfolgung der Ziele des Rahmenübereinkommens vom 9. Mai 1992 6¹ der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) und des Klimaübereinkommens sowie die Rolle von Handel und individuellen wie kollektiven Bemühungen, um der Bedrohung durch den Klimawandel entgegenzuwirken. Die Parteien verpflichten sich in Absatz 3, das UNFCCC und das Klimaübereinkommen wirksam umzusetzen, den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und den Beitrag von Handel und Investitionen dafür zu fördern, international auf mehreren Ebenen zu handelsbezogenen Themen zum Klimawandel zusammenzuarbeiten und sich an Kooperations- und Kapazitätsaufbaumassnahmen von beiderseitigem Interesse im Zusammenhang mit der Anpassung an den Klimawandel und dessen Eindämmung zu beteiligen.
Die Vertragsparteien anerkennen in Artikel 135 über Handel und Artenvielfalt die Bedeutung der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt sowie die Rolle des Handels beim Verfolgen dieser Ziele (Abs. 1). Die Vertragsparteien anerkennen in Absatz 1 zudem die Wichtigkeit, sicherzustellen, dass der internationale Handel mit frei lebenden Pflanzen und Tieren deren Überleben nicht gefährdet, wie in CITES festgelegt. Absatz 2 listet Bestimmungen, auf denen sich die Vertragsparteien zur Einhaltung der Ziele unter Absatz 1 verpflichten. Diese beinhalten die Ergreifung von wirksamen Massnahmen, um die transnationale Wildtierkriminalität entlang der Wertschöpfungsketten zu bekämpfen und die Verstärkung der Bemühungen im Hinblick auf die Bekämpfung der Verbreitung invasiver gebietsfremder Arten im Zusammenhang mit Handelsaktivitäten.
In Artikel 136 zu Handel und nachhaltiger Bewirtschaftung von Fischerei sowie Aquakultur anerkennen die Vertragsparteien die Bedeutung des Erhalts und der nachhaltigen Bewirtschaftung von Meeresressourcen und aquatischen Ökosystemen sowie die Rolle des Handels beim Verfolgen dieser Ziele (Abs. 1). Die Vertragsparteien verpflichten sich in Absatz 2, Massnahmen und Gesetze zur Bekämpfung der illegalen, nicht gemeldeten und nicht regulierten Fischerei ( illegal, unreported and unregulated fishing , IUU-Fischerei) auf wirksame und transparente Weise umzusetzen und den Handel mit Produkten aus IUU-Fischerei zu verhindern, die Verwendung der Voluntary Guidelines for Catch Documentation der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organisation) zu fördern, im Rahmen der internationalen Foren unter anderem zur Bekämpfung der IUU-Fischerei zusammenzuarbeiten, die Ziele der Agenda 2030 bezüglich Fischereisubventionen zu erfüllen sowie die Entwicklung von nachhaltiger und verantwortlicher Aquakultur zu fördern.
Abschnitt 3 enthält Bestimmungen zu Arbeit und Handel . Die Vertragsparteien verpflichten sich in Artikel 137 über Arbeitsrechte zur Förderung der Entwicklung von internationalem Handel und Investitionen auf eine Weise, die zu einer menschenwürdiger Arbeit («decent work») für alle führt (Abs. 1). Weiter bekräftigen die Vertragsparteien die sich aus der Mitgliedschaft in der IAO ergebenden Verpflichtungen zur Achtung, Förderung und Verwirklichung der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (Abs. 2) - Vereinigungsfreiheit, Abschaffung der Zwangsarbeit, Beseitigung der Kinderarbeit, Gleichberechtigung sowie sichere und gesunde Arbeitsumgebung. Jede Vertragspartei verpflichtet sich, diese Rechte in ihre innerstaatlichen Gesetze, Regelungen und Politiken aufzunehmen und aufrechtzuerhalten (Abs. 3). Zudem bekräftigen sie ihre Verpflichtungen, die von ihnen ratifizierten IAO-Übereinkommen wirksam umzusetzen und sich kontinuierlich um die Ratifikation der von der IAO als «up to date» qualifizierten Übereinkommen zu bemühen (Abs. 4). Die Vertragsparteien erkennen die Bedeutung der strategischen Ziele der IAO-Agenda für menschenwürdige Arbeit an (Abs. 5). In Absatz 6 verpflichten sich die Vertragsparteien zusätzlich Massnahmen für den sozialen Schutz und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle zu entwickeln und zu verbessern, den sozialen Dialog und den Tripartismus zu fördern sowie ein funktionierendes Arbeitsinspektionssystem aufzubauen und zu unterhalten. Die Vertragsparteien bekräftigen schliesslich in Absatz 7, dass die Verletzung grundlegender Prinzipien und Rechte bei der Arbeit nicht als legitimer Wettbewerbsvorteil geltend gemacht werden darf und, dass Arbeitsnormen nicht für protektionistische Handelszwecke verwendet werden dürfen.
In Artikel 138 über Wirtschaft und Menschenrechte anerkennen die Vertragsparteien, dass der Einbezug eines Unternehmens- und Menschenrechtsansatzes in den Handel die Synergie zwischen Menschenrechten und Handelsabkommen gewährleistet (Abs. 1). Die Vertragsparteien bekräftigen ihre Verpflichtungen, die aus den internationalen Menschenrechtsinstrumenten resultieren, denen sie angehören (Abs. 2). Absatz 3 verpflichtet die Vertragsparteien, die Implementierung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zu fördern.
Die Vertragsparteien anerkennen in Artikel 139 zu Arbeitsmarkfragen die bedeutenden Veränderungen in der Arbeitswelt, welche durch technologische Innovationen, demographische Veränderungen und Umwelt- und Klimawandel und die Globalisierung vorangetrieben werden und engagieren sich dafür, diese Veränderungen in ihre Bemühungen zur Weiterentwicklung eines auf den Menschen ausgerichteten Ansatzes für die Zukunft der Arbeit einwirken zu lassen (Abs. 1). Entsprechend Absatz 2 können die Parteien gegebenenfalls Informationen, Erfahrungen und bewährte Praktiken zu verwandten Themen von beidseitigem Interesse austauschen.
Abschnitt 4 behandelt die inklusive wirtschaftliche Entwicklung und Chancengleichheit für alle . Die Vertragsparteien anerkennen in Artikel 140 ( Allgemeine Bestimmungen ) die Bedeutung des Einbezugs einer geschlechterspezifischen Perspektive in die Förderung der inklusiven Wirtschaftsentwicklung und Chancengleichheit für alle (Abs. 1). Weiter anerkennen die Vertragsparteien, dass die Beteiligung von Frauen im internationalen Handel zur Förderung ihrer wirtschaftlichen Selbstbestimmung und Unabhängigkeit beitragen kann sowie dass deren Zugang zu und Eigentum an wirtschaftlichen Ressourcen eine nachhaltige und integrative Wirtschaft unterstützt (Abs. 2).
In Artikel 141 ( Internationale Verpflichtungen ) bekräftigen die Vertragsparteien ihre Verpflichtung, die für sie geltenden internationalen Instrumente über die Gleichstellung und Nichtdiskriminierung der Geschlechter wirksam umzusetzen.
Abschnitt 5 enthält die institutionellen Bestimmungen und die Bestimmungen zur Streitbeilegung .
Mit Artikel 142 wird ein Unterausschuss für Handel und nachhaltige Entwicklung eingesetzt, der für die Überwachung der Umsetzung der Nachhaltigkeitsverpflichtungen zuständig ist. Der Unterausschuss kann einschlägige Interessengruppen zu Fragen der Umsetzung der Nachhaltigkeitsverpflichtungen konsultieren oder deren Rat einholen und veröffentlicht einen Bericht über seine Sitzungen. Im Falle von Unstimmigkeiten bezüglich der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des Kapitels zu Handel und nachhaltiger Entwicklung können die Vertragsparteien gemäss Artikel 145 Konsultationen beantragen. Die Verfahren der Guten Dienste, der Vermittlung oder der Mediation stehen ebenfalls zur Verfügung (Art. 144 Abs. 2).
Sollte eine mögliche Streitigkeit bezüglich der Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des Kapitels zu Handel und nachhaltiger Entwicklung nicht im Rahmen von Konsultationen gemäss Artikel 145 gelöst werden können, kann eine Vertragspartei die Schaffung eines Expertenpanels gemäss Artikel 146 beantragen. Ein Expertenpanel besteht aus drei Mitgliedern. Diese müssen über anerkannte Fachkenntnisse auf dem betreffenden Gebiet verfügen und von den Regierungen der Parteien unabhängig sein. Das Expertenpanel hat die Aufgabe, einen Bericht mit Empfehlungen zur Lösung der Streitigkeit zu erstellen. Dieser Bericht und die Empfehlungen werden veröffentlicht. Die Parteien einigen sich über die Schritte, die zur Umsetzung dieser Empfehlungen notwendig sind. Der Gemischte Ausschuss ist für die Überwachung der Umsetzung dieser Empfehlungen verantwortlich.
⁵9 SR 0.453
6⁰ SR 0.814.012
6¹ SR 0.814.01
5.10 Änderung von Kapitel VI: Wettbewerb (Art. XXV)
Mit Artikel XXV des Änderungsprotokolls werden die Artikelnummern der bestehenden Artikel 72-80 sowie die Artikelnummern der in Artikel 79 referenzierten Artikel geändert, um der neuen Struktur des modernisierten Abkommens gerecht zu werden. Die Substanz der Artikel wird nicht berührt.
5.11 Änderung von Kapitel VII: Beihilfen (Art. XXVI)
Mit Artikel XXVI des Änderungsprotokolls wird die Artikelnummer des bestehenden Artikels 81 geändert, um der neuen Struktur des modernisierten Abkommens gerecht zu werden. Die Substanz des Artikels wird nicht berührt.
5.12 Änderung von Kapitel VIII: Transparenz (Art. XXVII)
Mit Artikel XXVII des Änderungsprotokolls werden die Artikelnummern der bestehenden Artikel 82-84 geändert, um der neuen Struktur des modernisierten Abkommens gerecht zu werden. Die Substanz der Artikel wird nicht berührt.
5.13 Änderung von Kapitel IX: Verwaltung des Abkommens (Art. XXVIII)
Mit Artikel XXVIII des Änderungsprotokolls werden die Artikelnummern der bestehenden Artikel 85 und 86 geändert, um der neuen Struktur des modernisierten Abkommens gerecht zu werden. Die Substanz der Artikel wird nicht berührt.
5.14 Änderung von Kapitel X: Streitbeilegung (Art. XXIX)
Mit Artikel XXIX des Änderungsprotokolls werden die Artikelnummern der bestehenden Artikel 87-97 sowie die Artikelnummern der in diesen Artikeln referenzierten Artikel geändert, um der neuen Struktur des modernisierten Abkommens gerecht zu werden. Die Substanz der Artikel wird nicht berührt.
5.15 Änderung von Kapitel XI: Allgemeine Ausnahmen (Art. XXX)
Mit Artikel XXX des Änderungsprotokolls werden die Artikelnummern der bestehenden Artikel 98-100 sowie die Artikelnummer des in Artikel 100 referenzierten Artikels geändert, um der neuen Struktur des modernisierten Abkommens gerecht zu werden. Die Substanz der Artikel wird nicht berührt.
Des Weiteren wird Artikel 100 des bestehenden Abkommens (neu Art. 176) so geändert, dass die bestehende Einschränkung der generellen Ausnahme bezüglich fiskalischer Massnahmen, die bereits für den Dienstleistungshandel gilt, auf die neuen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus den im Modernisierungsprozess neu eingefügten Bereichen zu Finanzdienstleistungen (vgl. Ziff. 5.4.3) und zu elektronischem Handel (vgl. Ziff. 5.8.) ausgeweitet wird.
5.16 Änderung von Kapitel XII: Schlussbestimmungen und Beendigung der Zusatzabkommen über den Handel von landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Art. XXXI)
Mit Artikel XXXI des Änderungsprotokolls werden die Artikelnummern der bestehenden Artikel 101-106 sowie des bestehenden Artikels 108 geändert, um der neuen Struktur des modernisierten Abkommens gerecht zu werden. Die Substanz der Artikel wird nicht berührt.
Der neue Artikel 179 ( Änderungen , zuvor Art. 103) wird so aufdatiert, dass er dem aktuellen EFTA-Modelltext entspricht. So können die Vertragsparteien dem Gemischten Ausschuss neu Änderungsvorschläge zu Bestimmungen des Hauptabkommens (exkl. Anhänge und Anlagen, s. folgender Absatz) zur Überprüfung und Empfehlung vorlegen (Abs. 1). Die Änderungen unterliegen den jeweiligen innerstaatlichen Verfahren der Vertragsparteien zur Genehmigung und Ratifizierung (Abs. 2). Änderungen des Hauptabkommens beeinflussen in der Regel die grundlegenden völkerrechtlichen Verpflichtungen und bedürfen in der Schweiz daher grundsätzlich der Genehmigung durch die Bundesversammlung, es sei denn, sie seien von geringer Tragweite im Sinne von Artikel 7 a Absatz 2 RVOG. Änderungen der Anhänge und Anlagen des Abkommens kann der Gemischte Ausschuss grundsätzlich selbstständig beschliessen (Abs. 4). Diese Grundregel dient der Vereinfachung des Verfahrens für technische Anpassungen und somit der Erleichterung der Verwaltung des Abkommens.
Auch solche Änderungen bedürfen aber grundsätzlich der Genehmigung durch die Bundesversammlung. Auf der Grundlage und nach Massgabe von Artikel 7 a Absatz 2 RVOG darf der Bundesrat selbstständig solchen Beschlüssen des gemischten Ausschusses die Zustimmung für die Schweiz erteilen, wenn diese Beschlüsse von beschränkter Tragweite sind. Die Geringfügigkeit der betroffenen Beschlüsse des gemischten Ausschusses nach Artikel 7 a Absatz 2 RVOG kommt beispielsweise in den in Artikel 7 a Absatz 3 RVOG aufgezählten Fällen zum Ausdruck. Zudem darf keine Gegenausnahme gemäss Artikel 7 a Absatz 4 RVOG vorliegen. Dies wird in jedem Einzelfall geprüft. Beschlüsse des gemischten Ausschusses betreffen häufig technische und systemimmanente Aktualisierungen (z. B. betreffend die präferenziellen Ursprungsregeln und die Handelserleichterungen). Verschiedene Anhänge der EFTA-Freihandelsabkommen werden regelmässig aktualisiert, insbesondere um Entwicklungen im internationalen Handelssystem Rechnung zu tragen (z. B. WTO, Weltzollorganisation, andere Freihandelsbeziehungen der EFTA-Staaten und ihrer Partner). Über solche vom Bundesrat gestützt auf Artikel 7 a Absatz 2 RVOG beschlossenen Änderungen informiert der Bundesrat die Bundesversammlung im Rahmen seiner jährlichen Berichterstattung über die von ihm abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge (Art. 48 a Abs. 2 RVOG).
Mit Artikel XXXI des Änderungsprotokolls werden ferner die bilateralen Zusatzabkommen über den Handel von landwirtschaftlichen Erzeugnissen beendet und der im bestehenden Abkommen enthaltene Artikel 107 Verhältnis zu den Zusatzabkommen gelöscht, da die Substanz dieser Zusatzabkommen in das modernisierte Abkommen überführt wird.
5.17 Änderung von Anhang XV: Beschlüsse des Gemischten Ausschusses (Art. XXXII)
Anhang XV des bestehenden Abkommens regelt die Umsetzung von Beschlüsse des Gemischten Ausschusses . Wie in Ziffer 5.16 erwähnt, hat der gemischte Ausschuss die Möglichkeit, Änderungen an Anhängen und Anlagen des Abkommens vorzunehmen, unter Vorbehalt der jeweiligen innerstaatlichen Verfahren der Vertragsparteien zur Genehmigung und Ratifizierung. Diese innerstaatlichen Verfahren müssen eigentlich nicht im Abkommen ausgeführt werden. Es ist jedoch für Chiles internen Prozesse hilfreich, wenn das Abkommen das innerstaatliche chilenische Verfahren zur Umsetzung der Entscheidungen des Gemischten Ausschusses ausdrücklich nennt, daher ist dessen Bezeichnung explizit erwähnt. Mit Artikel XXXII des Änderungsprotokolls wird der Detailgrad der Nennung dieses innerstaatlichen chilenischen Verfahrens etwas verringert, um die chilenischen Prozesse zu vereinfachen. Auf die innerstaatlichen Verfahren der EFTA-Staaten hat dieser Anhang sowie diese Anpassung keine Auswirkungen.
5.18 Änderung von Anhang XVI: Sekretariat (Art. XXXIII)
Mit Artikel XXXIII des Änderungsprotokolls wird die Artikelnummer eines in Anhang XVI referenzierten Artikels geändert, um der neuen Struktur des modernisierten Abkommens gerecht zu werden. Die Substanz des Artikels wird nicht berührt.
5.19 Änderung von Anhang XVII: Musterverfahrensregeln für die Durchführung von Schiedsverfahren (Art. XXXIV)
Mit Artikel XXXIV des Änderungsprotokolls werden die Artikelnummern einiger in Anhang XVII referenzierten Artikel geändert, um der neuen Struktur des modernisierten Abkommens gerecht zu werden. Die Substanz der Artikel wird nicht berührt.
5.20 Inkrafttreten (Art. XXXV)
Artikel XXXV des Änderungsprotokolls regelt die Formalitäten bezüglich dessen Inkrafttreten . Es unterliegt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Ein gestaffeltes Inkrafttreten wird ermöglicht, sobald Chile und ein EFTA-Staat bereits ratifiziert haben. Eine vorläufige Anwendung des Änderungsprotokolls wird ebenfalls ermöglicht.
6 Auswirkungen
6.1 Auswirkungen auf den Bund
6.1.1 Finanzielle Auswirkungen
Die zu erwartenden finanziellen Auswirkungen des modernisierten Freihandelsabkommens EFTA-Chile beschränken sich auf einen teilweisen Ausfall der Zollerträge auf Einfuhren von Landwirtschaftsprodukten aus Chile. Im Rahmen des bestehenden Abkommens mit Chile haben die EFTA-Staaten bereits alle Zölle auf Industrieprodukte aufgehoben. Dennoch verzeichnete die Schweiz Zolleinnahmen von rund 23 000 Franken basierend auf die Einfuhren von Industrieprodukten für das Jahr 2023. Aufgrund der Aufhebung sämtlicher Industriezölle per 1. Januar 2024 6² sind ab 2024 jedoch nur noch der teilweise Ausfall der Zollerträge auf Landwirtschaftsimporten aus Chile für den Bundeshaushalt wirksam. Basierend auf die Agrarimporte im Jahr 2023 aus Chile beläuft sich die Reduktion der Zolleinnahmen aufgrund der im Abkommen vorgesehenen Zollzugeständnisse höchstens auf rund 218 000 Franken. Die möglichen finanziellen Auswirkungen halten sich somit in Grenzen und sind in Beziehung zu den positiven volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu setzen, die sich für die Schweiz insbesondere aufgrund des verbesserten Zugangs für Schweizer Waren und Dienstleistungen auf dem chilenischen Markt ergeben.
6² Botschaft vom 27. November 2019 zur Änderung des Zolltarifgesetzes (Aufhebung der Industriezölle), BBl 2019 8479 ; Änderung vom 1. Oktober 2021 des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 1986, AS 2022 119 .
6.1.2 Personelle Auswirkungen
Die vorliegende Modernisierung kann grundsätzlich mit den bestehenden personellen Ressourcen umgesetzt werden. Personelle Auswirkungen beim Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit können sich aus der steigenden Gesamtzahl umzusetzender und weiterzuentwickelnder FHA ergeben. Für den Zeitraum 2015-2024 wurden hierfür befristet zusätzliche personelle Ressourcen bewilligt. Für diesen Zeitraum hat die vorliegende Modernisierung keine personelle Aufstockung zur Folge. Der Ressourcenbedarf für die Aushandlung neuer und die Umsetzung und Weiterentwicklung aller bestehender Abkommen nach 2024 ist zu gegebener Zeit zu überprüfen.
6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete
Die vorliegende Modernisierung hat auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete keine finanziellen oder personellen Auswirkungen. Demgegenüber werden von den in Ziffer 6.3 erwähnten volkswirtschaftlichen Auswirkungen grundsätzlich alle Landesteile profitieren.
6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft
Indem die Modernisierung den gegenseitigen Marktzugang für Waren und Dienstleistungen verbessert sowie die Rechtssicherheit für den Schutz des geistigen Eigentums und allgemein für den bilateralen wirtschaftlichen Austausch erhöht, stärkt es den Wirtschaftsstandort Schweiz und erhöht dessen Fähigkeit, Wertschöpfung zu generieren und Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten.
Konkret werden durch die Modernisierung im Einklang mit der Aussenwirtschafts- und der Agrarpolitik der Schweiz effizienzsenkende tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse zwischen der Schweiz und Chile beseitigt oder reduziert. Die Verbesserung des Markzugangs für Schweizer Waren und Dienstleistungen auf dem chilenischen Markt erhöht die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Land. Gleichzeitig beugt das Abkommen der Möglichkeit einer Diskriminierung gegenüber anderen Freihandelspartnern Chiles vor, welche bereits über moderne FHA mit Chile verfügen. Dies gilt insbesondere für die EU, welche ihr Freihandelsabkommen mit Chile bereits 2022 modernisiert hat. Der Wegfall oder die Reduktion von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen sowie die Erleichterung des Dienstleistungshandels im beidseitigen Wirtschaftsverkehr verringern zudem die Beschaffungskosten für Unternehmen in der Schweiz und entlasten die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten. Ähnliches gilt umgekehrt für Chile.
6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt
Das Änderungsprotokoll bedeutet eine Modernisierung eines bestehenden Wirtschaftsabkommens, das die Rahmenbedingungen und die Rechtssicherheit für den wirtschaftlichen Austausch mit diesem Partner verstärken wird. Dies wird sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsstandorte Schweiz und Chile sowie auf die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen auswirken. Generell tragen moderne FHA aufgrund der Stärkung des bilateralen und multilateralen Engagements und der völkerrechtlich abgesicherten und verbesserten Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Austausch zur Förderung des Rechtsstaates, zur wirtschaftlichen Entwicklung und zum Wohlstand bei, dies insbesondere durch die Unterstützung des Privatsektors und der freien Wirtschaftstätigkeit.
Wirtschaftliche Tätigkeit benötigt Ressourcen und Arbeitskräfte und ist mit entsprechenden Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt verbunden. Im Sinne des Nachhaltigkeitskonzepts gilt es, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu stärken sowie den Wohlstand zu steigern und gleichzeitig die Umweltbelastung und den Ressourcenverbrauch auf ein dauerhaft tragbares Niveau zu senken sowie den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten und zu verbessern. Entsprechend werden durch das Änderungsprotokoll eine Reihe von Bestimmungen im FHA verankert, welche die bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen im Einklang mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung fördern, insbesondere im neu im Abkommen aufgenommenen umfassenden Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung (vgl. Ziff. 5.9).
Des Weiteren enthält das modernisierte Abkommen Bestimmungen, in denen die Vertragsparteien ihre Rechte und Pflichten unter anderen internationalen Abkommen bestätigen, worunter insbesondere Abkommen und Vereinbarungen im Handels-, Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsbereich fallen (z. B. Art. 123, 131, 135 und 141 des modernisierten Abkommens).
6.5 Andere Auswirkungen
Neben der Schaffung günstiger Wirtschaftsbeziehungen und der Diversifizierung des Aussenhandels, trägt die Modernisierung des Freihandelsabkommens zur Vertiefung der bereits guten bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und Chile sowie zur Stärkung der politischen Beziehungen der Schweiz zu ganz Südamerika bei. Die Modernisierung entspricht damit den Zielen der Amerikas-Strategie, der Aussenpolitischen Strategie und der Aussenwirtschaftsstrategie der Schweiz.
7 Rechtliche Aspekte
7.1 Verfassungsmässigkeit
Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist. Dieselbe Zuständigkeitsordnung gilt für Änderungen völkerrechtlicher Verträge (Art. 24 Abs. 2 ParlG; Art. 7 a Abs. 1 RVOG).
7.2 Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz
Die Schweiz und die anderen EFTA-Staaten sowie Chile gehören der WTO an. Die Vertragsparteien sind der Auffassung, dass die vorliegende Modernisierung des Abkommens im Einklang mit den aus der WTO-Mitgliedschaft resultierenden Verpflichtungen steht. FHA unterliegen der Überprüfung durch die zuständigen WTO-Organe und können Gegenstand eines Streitbeilegungsverfahrens in der WTO sein.
Der Abschluss und die Modernisierung von FHA mit Drittstaaten steht weder mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz, einschliesslich ihrer Verpflichtungen gegenüber der EU, noch mit den Zielen der schweizerischen Europa- oder der breiteren Aussenpolitik im Widerspruch. Das Abkommen ist auf die wirtschaftspolitischen Ziele der Amerikas-Strategie der Schweiz abgestimmt. Insbesondere sind die vorliegenden Abkommensbestimmungen mit den handelsrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz gegenüber der EU sowie den übrigen bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU vereinbar.
7.3 Geltung für Liechtenstein
Liechtenstein ist als EFTA-Mitglied Vertragsstaat sowohl des ursprünglichen wie auch des modernisierten FHA EFTA-Chile. Gemäss dem Vertrag vom 29. März 1923 6³ zwischen der Schweiz und Lichtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet handelt die Schweiz in den vom Zollvertrag erfassten Bereichen und im darin vorgesehenen Umfang ebenfalls für Liechtenstein. Das modernisierte Abkommen stimmt mit den Bestimmungen dieses Zollvertrags überein.
6³ SR 0.631.112.514
7.4 Erlassform
Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten.
Das vorliegende Änderungsprotokoll enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 BV und Artikel 22 Absatz 4 ParlG, z. B. Zollkonzessionen und Gleichbehandlungsgebote. Diese Bestimmungen bewegen sich grundsätzlich im Rahmen anderer von der Schweiz abgeschlossener internationaler Abkommen und sind von ähnlichem rechtlichem, wirtschaftlichem und politischem Gehalt. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Änderungsprotokolls ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.
Wie bereits im ursprünglichen Abkommen kann die Schweiz sich jederzeit durch eine an den Depositar gerichtete Notifikation, mit einer Frist von sechs Monaten, vom Abkommen zurückziehen (Art. 181). Dies gilt auch für alle anderen Vertragsparteien. Der Beitritt zu einer internationalen Organisation ist nicht vorgesehen. Für die Umsetzung des Abkommens sind keine Anpassungen auf Gesetzesstufe erforderlich.
7.5 Inkrafttreten
Gemäss Artikel XXXV des Änderungsprotokolls tritt die Modernisierung am ersten Tag des dritten Monats nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde beim Depositar durch Chile und mindestens einem EFTA-Staat in Kraft. Für einen EFTA-Staat, der seine Ratifikationsurkunde nach Inkrafttreten des modernisierten Abkommens hinterlegt, tritt es am ersten Tag des dritten Monats nach Hinterlegung von dessen Ratifikationsurkunde in Kraft.
Bundesrecht
Botschaft zur Genehmigung des Änderungsprotokolls zur Modernisierung des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Chile
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