BBl 2025 1132
CH - Bundesblatt

Botschaft zur Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!»

Botschaft zur Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!»
vom 7. März 2025
Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.
Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben:
2021 P 21.4430 Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge? (N 18.03.2022, FDP-Liberale Fraktion)
2022 P 22.4476 AHV-Renten für Ehepaare. Gleichberechtigung anstreben. (N 17.03.2023, Grin)
Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
7. März 2025 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Karin Keller-Sutter Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Übersicht
Die Mitte-Partei fordert mit der Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» die Gleichstellung von verheirateten und unverheirateten Paaren in der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung. Die Kürzung der Summe der beiden Renten eines Ehepaares soll nicht mehr zulässig sein und die Plafonierung der Renten aufgehoben werden.
Inhalt der Initiative
Die eidgenössische Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» wurde am 27. März 2024 mit den nötigen Unterschriften eingereicht. Ziel der Initiative ist es, Ehepaare gegenüber anderen Lebensgemeinschaften in der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der Invalidenversicherung (IV) nicht zu benachteiligen. Dieses Vorhaben soll mit der Aufhebung der Plafonierung erreicht werden. Im Sinne der Gleichstellung ist zudem die Aufhebung der Beitragsbefreiung der nichterwerbstätigen Ehepartnerinnen und Ehepartner im Rahmen einer provisorischen Regelung durch den Bundesrat bei Untätigkeit des Gesetzgebers nach drei Jahren nach der Annahme der Volksinitiative gefordert.
Vorzüge und Mängel der Initiative
Mit der aktuellen Regelung sind die AHV- und IV-Renten von Ehepaaren je nach Situation aufgrund der Plafonierung niedriger als diejenigen von Unverheirateten. Mit der Initiative würden die Renten von verheirateten Personen mit einem gemeinsamen massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen der AHV von über 90 720 Franken (Stand 2025) verbessert. Auf die Renten von Haushalten mit niedrigeren Einkommen oder auf die Renten von unverheirateten, verwitweten oder geschiedenen Personen hätte die Aufhebung der Rentenplafonierung hingegen keine Auswirkungen.
Die Rentenplafonierung wird verschiedentlich als ungerecht empfunden. Sie ist aber sachlich gerechtfertigt und mit dem Rechtsgleichheitsgebot vereinbar. Die Rentenplafonierung wird durch diverse spezifische Leistungen und Massnahmen zugunsten der Verheirateten aufgewogen. Nur die Plafonierung aufzuheben, ohne auch die heutigen Begünstigungen aufzuheben, wie die Initiative verlangt, würde im Gegenteil unverheiratete Versicherte benachteiligen.
Eine Annahme der Initiative hätte zur Folge, dass die Ausgaben der AHV steigen würden. Die Mehrausgaben für die AHV würden sich bei Inkrafttreten der Initiative mit Abschaffung der Rentenplafonierung und der Aufhebung der Beitragsbefreiung der nicht erwerbstätigen Ehepartnerinnen und Ehepartner - wenn diese letzte Massnahme provisorisch auf Verordnungsweg oder vom Gesetzgeber eingeführt wäre - im Jahr 2030 schätzungsweise auf rund 3,6 Milliarden Franken belaufen, im Jahr 2035 auf rund 4,1 Milliarden Franken. Gemäss Prognosen der Bundesverwaltung würde die Initiative in der IV sowohl im Jahr 2030 als auch im Jahr 2035 zu geschätzten Einsparungen von rund 20 Millionen Franken führen. Für den Bund fielen im Jahr 2030 (unter Annahme eines Bundesanteils von 20,2 %) zusätzliche Mehrausgaben von schätzungsweise 770 Millionen Franken an, im Jahr 2035 Mehrausgaben von schätzungsweise 870 Millionen Franken.
Die Initiative sieht keine Finanzierung vor, um diese zusätzlichen Kosten zu decken. Die AHV verfügt nicht über die finanziellen Mittel, um die mit der Initiative verbundenen Kosten zu übernehmen. Eine weitere Mehrbelastung der AHV zusätzlich zu den Kosten für die 13. Altersrente und den Kosten, die aufgrund des demografischen Wandels anfallen werden, würde die finanziellen Herausforderungen der AHV noch verschärfen. Ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf, der einer Erhöhung der Beiträge um 0,6 Prozentpunkte oder einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,8 Prozentpunkte entspricht, wäre notwendig, um die prognostizierten Mehrkosten der Initiative zu decken. Eine weitere Mehrbelastung durch höhere Lohnbeiträge oder durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ist sowohl für Erwerbstätige, erst recht unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit, wie auch für Arbeitgebende nicht angebracht.
Ein möglicher indirekter Gegenvorschlag zur Initiative wurde geprüft, aber verworfen. Die erste analysierte Variante, eine Erhöhung der Plafonierungsgrenze auf 170 Prozent, würde ebenfalls zu hohen Mehrkosten für die AHV führen, während die zweite Variante zur Einführung einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge nicht isoliert im Rahmen eines Gegenvorschlags eingeführt werden sollte, sondern vielmehr im Rahmen einer umfassenden Reform einer eingehenden Analyse unterzogen werden müsste. Auch ein direkter Gegenentwurf zur Volksinitiative kommt nicht in Frage, da die Rentenberechnung nicht auf Verfassungsebene präzisiert werden sollte.
Antrag des Bundesrates
Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten mit dieser Botschaft, die Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf und ohne indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.
Botschaft

1 Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1 Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» hat den folgenden Wortlaut:
Die Bundesverfassung (BV) ¹ wird wie folgt geändert:
Art. 112 Abs. 2 Bst. cbis
² Er [der Bund] beachtet dabei folgende Grundsätze:
cbis.
Verheiratete Versicherte sind bei der Berechnung der ordentlichen Renten anderen Versicherten gleichgestellt; eine Kürzung der Summe der beiden Renten eines Ehepaares ist nicht zulässig.
Art. 197 Ziff. 15
²
15. Übergangsbestimmungen zu Art. 112 Abs. 2 Bst. cbis (Gleichstellung der Ehe in der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung)
¹ Treten die gesetzlichen Ausführungsbestimmungen zu Artikel 112 Absatz 2 Buchstabe cbis drei Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände nicht in Kraft, so erlässt der Bundesrat auf diesen Zeitpunkt hin die erforderlichen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg; diese gelten bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen.
² Zur Sicherstellung der Gleichstellung von verheirateten Versicherten mit anderen Versicherten bestimmt der Bundesrat in der Verordnung insbesondere, dass die Summe der Renten verheirateter Versicherter nicht aufgrund des Zivilstands gekürzt wird und dass nichterwerbstätige verheiratete Versicherte Beiträge bezahlen.
¹ SR 101
² Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmungen wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt.

1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» wurde am 13. September 2022 von der Bundeskanzlei vorgeprüft ³ und am 27. März 2024 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.
Mit Verfügung vom 26. April 2024 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 104 973 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist. ⁴
Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag. Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 ⁵ (ParlG) hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 27. März 2025 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 27. September 2026 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen.
³ BBl 2022 2287
⁴ BBl 2024 938
⁵ SR 171.10

1.3 Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 BV:
a.
Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.
b.
Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.
c.
Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts. Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

2 Ausgangslage für die Entstehung der Volksinitiative

2.1 Bedeutung des Zivilstands in der AHV im Laufe der Zeit

Der Zivilstand spielt in der AHV seit ihrer Einführung 1948 eine wichtige Rolle. Damals wurden zwar unverheiratete Männer und unverheiratete Frauen in Bezug auf die Beitragspflicht und den Rentenanspruch gleichbehandelt, verheiratete Männer, verheiratete Frauen und Witwen hingegen nicht. Für Letztere war im Wesentlichen die Erwerbssituation des Ehemannes massgebend, unabhängig davon, ob er noch lebte oder verstorben war.
Verheiratete wurden gegenüber anderen Versichertenkategorien bevorzugt behandelt. Ein verheirateter Mann als Haupt der ehelichen Gemeinschaft profitierte in der Regel von einem grösseren sozialen Schutz als ein unverheirateter Mann, weil er von Gesetzes wegen für den Unterhalt der Frau zu sorgen hatte. Unverheiratete und verheiratete Männer leisteten bei gleichem Lohn die gleichen Beiträge an die Versicherung. Im Endeffekt war die Rente von verheirateten Männern aber höher, weil sie eine Zusatzrente für die Ehefrau oder eine Rente für Ehepaare in der Höhe von 160 Prozent der Rente für alleinstehende Männer erhielten, selbst wenn die Ehefrau keine Beiträge bezahlt hatte. Mit der achten AHV-Revision ⁶ wurde die Ehepaar-Altersrente im Jahr 1973 von 160 auf 150 Prozent der einfachen Rente gesenkt. Grund für diese Senkung war eine Änderung der Rentenformel, die zu wesentlichen Verbesserungen bei der einfachen Rente führte. Da u. a. die Ehepaar-Altersrenten in Prozentsätzen der einfachen Altersrente festgelegt wird, hätte dies ohne Senkung des Prozentsatzes zu ungerechtfertigten Überversicherungen geführt. ⁷
Mit Inkrafttreten der 10. AHV-Revision ⁸ im Jahr 1997 wurde das System der Ehepaar-Altersrente abgelöst, die bis dahin 150 Prozent der Einzelrente des Ehemannes betrug. Diese Revision hatte zum Ziel, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der AHV zu verbessern sowie die Versicherung an den gesellschaftlichen und familiären Wandel anzupassen. Seither hat jede versicherte Person unabhängig vom Zivilstand einen eigenständigen Anspruch auf eine Rente. Allerdings wurde die Obergrenze von 150 Prozent auf beiden Renten des Paares beibehalten, die nun 150 Prozent der maximalen AHV-Rente entspricht.
Die Einführung dieses Individualrentensystems zusammen mit der Plafonierungsregel von 150 Prozent für Ehepaare war politisch umstritten. ⁹ Ausschlaggebend für die Einführung der Rentenplafonierung waren in erster Linie finanzielle Gründe. Damit wollte das Parlament den Neuerungen zugunsten verheirateter Paare Rechnung tragen, die mit derselben Revision vorgenommen wurden (wie z. B. der Einkommensteilung, der Beitragsbefreiung der nichterwerbstätigen Ehepartnerinnen und Ehepartner, oder den Erziehungsgutschriften und dem Verwitwetenzuschlag). Die Teilung der Einkommen von Ehepaaren hätte ohne Korrekturfaktoren zu einer Besserstellung von verheirateten Personen mit hohen Einkommen und einem unerwünschten Abbau der Solidarität in der AHV und IV geführt. Diesem Umstand sollte mit der Plafonierung der Renten entgegengewirkt werden. 1⁰
⁶ BBl 1971 II 1057
⁷ BBl 1971 II 1072 f.
⁸ BBl 1990 II 1
⁹ Siehe dazu AB 1993 N 221, 1993 N 259 ff., 1994 S 552, 1994 S 600 ff.
1⁰ Schlussbericht des Arbeitsausschusses «Splitting» der vorberatenden Kommission des Nationalrates vom 3. März 1992, S. 13.

2.2 Geltende Regelung im Zusammenhang mit der AHV und IV

Das heutige System der AHV basiert in verschiedenen Bereichen auf dem Zivilstand. Die Renten der AHV und der IV werden gestützt auf dieselben Grundlagen berechnet, weshalb die gleichen Prinzipien auch für die IV gelten (vgl. Art. 29bis-Art. 29septies des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 1¹ über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVG] und Art. 36 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 ¹2 über die Invalidenversicherung). Folgende Regelungen sind abhängig vom Zivilstand:
Rentenplafonierung
Die Höhe der Alters- oder Invalidenrente ergibt sich aus der Beitragsdauer und dem massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen. Dieses Einkommen, das als Grundlage für die Berechnung der AHV-Renten dient, setzt sich aus den aufgewerteten Erwerbseinkommen und den Erziehungs- und Betreuungsgutschriften zusammen (vgl. Art. 29quater und Art. 30 AHVG). Es beinhaltet das AHV-Einkommen, das während der Dauer der Beitragspflicht in der AHV erzielt wurde. Da die Löhne nominell vor Jahrzehnten viel tiefer waren, wird das Einkommen für die Berechnung des massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommens zwar mit einem definierten Faktor aufgewertet. Das massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen der AHV lässt sich jedoch nicht mit den heutigen Medianlöhnen vergleichen.
Mit einem massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen der AHV von 90 720 Franken und einer vollen Beitragsdauer besteht Anspruch auf eine Maximalrente von 2520 Franken (Stand 2025). Bei verheirateten Paaren haben die Ehepartnerin oder der Ehepartner einen individuellen Anspruch auf eine Alters- oder Invalidenrente. Haben beide Personen Anspruch auf eine Alters- oder Invalidenrente, werden beide Renten plafoniert, sobald die Summe der Renten das 1,5-fache der Maximalrente übersteigt. So beträgt die plafonierte volle Maximalrente für das Jahr 2025 3780 Franken. Wenn die Summe der beiden Renten eines Ehepaars 3780 Franken nicht übersteigt, werden die Renten nicht plafoniert. Diese Summe wird heute mit einem massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen der AHV eines Ehepaares von insgesamt 90 720 Franken erreicht. Falls eine Ehepartnerin oder ein Ehepartner keine komplette Beitragszeit ausweist und somit keinen Anspruch auf eine Vollrente hat, liegt der Betrag der massgebenden Maximalrente und der Plafonierungsgrösse entsprechend tiefer.
Einkommensteilung
Bei der Berechnung der Alters- oder Invalidenrenten werden die Einkommen, die Verheiratete während der Ehejahre erzielt haben, aufgeteilt und je zur Hälfte der Ehefrau und dem Ehemann gutgeschrieben. Die Einkommensteilung wird vorgenommen, sobald die Ehepartnerin und der Ehepartner das Referenzalter erreicht haben, ihre Ehe geschieden wird oder wenn eine verwitwete Person Anspruch auf eine Altersrente hat (Art. 29quinquies Abs. 3 AHVG).
Die Einführung der Einkommensteilung mit der 10. AHV-Revision hatte schon damals einen zivilstandsunabhängigen Rentenanspruch zur Bedingung. Es sollte ein Rentensystem geschaffen werden, bei dem alle Personen ihre eigene Rente beziehen und bei dem es keine zivilstandsabhängigen Vor- und Nachteile mehr gibt. Früher hatten nur unverheiratete, geschiedene oder verwitwete Frauen Anspruch auf eine Einzelrente. Verheirateten Frauen wurde nur eine Individualrente zugesprochen, solange der Ehemann noch keine eigene Rente bezog. Sobald die Ehepartnerin und der Ehepartner rentenberechtigt waren, erlosch der Anspruch der Ehefrau und es wurde eine Ehepaar-Altersrente ausgerichtet, die auf den Beiträgen und den Einkommen des Ehemannes basierte, wobei die Einkommen der Ehefrau mitberücksichtigt wurden, nicht jedoch ihre Beitragsjahre, welche die Beitragsjahre des Ehemannes hätten ergänzen können. Das Gesamteinkommen des Ehepaares durfte ausserdem das Anderthalbfache der Basisrente nicht übersteigen.
Bei der Einführung des neuen Eherechts 1988 ging man zwar davon aus, dass in einer Ehe die Partnerin und der Partner gleichberechtigt sind und sie ihr Familienleben frei nach ihren Bedürfnissen und Wünschen gestalten. Tatsächlich war jedoch vor 30 Jahren das klassische Familienmodell, bei dem die Frau ihre Erwerbstätigkeit reduzierte oder aufgab, um sich der Erziehung der Kinder und dem Haushalt zu widmen, noch weit verbreitet. Die Einkommensteilung führte jedoch zu einer wesentlichen Verbesserung der Situation der Frauen in der AHV. Weil Männer im Allgemeinen höhere Einkommen erzielen als Frauen, erhöhte sich das AHV-Einkommen vieler Frauen durch die Einkommensteilung auf Kosten der Männer. Bei der Einkommensteilung werden jedoch Ehepaare bevorzugt, weil durch die Berücksichtigung der Einkommen der Ehepartnerin oder des Ehepartners im Endeffekt höhere Renten ausgerichtet werden.
Befreiung von der Beitragspflicht für die nichterwerbstätige Ehepartnerin oder den nichterwerbstätigen Ehepartner
Alle in der Schweiz wohnenden oder erwerbstätigen Personen sind grundsätzlich AHV-beitragspflichtig. Nichterwerbstätige Personen müssen ab dem 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres Sozialversicherungsbeiträge entrichten. Verheiratete nichterwerbstätige Personen sind jedoch von der Beitragszahlung befreit, wenn die Ehepartnerin oder der Ehepartner den doppelten Mindestbeitrag an die AHV entrichtet (2025: 1060 Franken; Art. 3 Abs. 3 AHVG). Im Jahr 2023 war bei verheirateten Paaren im Alter von 25-64 Jahren in 13,9 Prozent der Fälle der Mann vollzeitbeschäftigt und die Frau nicht erwerbstätig. ¹3
Die allgemeine Beitragspflicht wurde ebenfalls mit der 10. AHV-Revision 1997 eingeführt. Die Beitragsbefreiung für nichterwerbstätige verheiratete Personen galt als Pendant zur Einkommensteilung. Da nunmehr beide während der Ehejahre erzielten Einkommen eines Ehepaars geteilt und zur Hälfte der Ehepartnerin oder dem Ehepartner angerechnet wurden, musste die nichterwerbstätige Person keine eigenen Beiträge bezahlen, wenn die erwerbstätige versicherte Person den doppelten Mindestbeitrag entrichtete. Ausserdem zeigte sich, dass eine doppelte Belastung der erwerbstätigen verheirateten Person grundsätzlich zu keiner Erhöhung der Leistungen führte, namentlich aufgrund der Plafonierung der Ehepaar-Altersrente.
Verwitwetenzuschlag
AHV- oder IV-Rentnerinnen und -Rentner erhalten beim Tod der Ehepartnerin oder des Ehepartners einen Verwitwetenzuschlag von 20 Prozent auf ihre Rente bis zur Maximalrente, unabhängig davon, ob ein Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente besteht (Art. 35bis AHVG). Auch der Verwitwetenzuschlag gehört zu den Neuerungen der 10. AHV-Revision, mit denen die Gleichberechtigung von Mann und Frau hergestellt und allfällige Nachteile der Einkommensteilung für rentenberechtigte Witwen und Witwer gemindert werden sollten. Der Zuschlag kompensiert den Einkommensverlust der hinterbliebenen Person, deren verstorbene Ehepartnerin oder verstorbener Ehepartner wenig oder keine Beiträge bezahlt hat, insbesondere, wenn sie keinen Anspruch auf Erziehungsgutschriften hat. Der Verwitwetenzuschlag hängt vom Zivilstand der begünstigten Person ab, also «verwitwet». Geschiedene AHV-Rentnerinnen und -Rentner erhalten beim Tod der Ehepartnerin oder des Ehepartners keinen Zuschlag. Auch Rentnerinnen und Rentner, die wieder heiraten, verlieren den Anspruch auf die 20 Prozent.
Hinterlassenenrenten
Frauen, deren Ehemann verstorben ist, haben Anspruch auf eine Witwenrente, sofern sie im Zeitpunkt der Verwitwung ein Kind haben. Das Alter des Kindes ist nicht massgebend. Männer, deren Ehefrau verstorben ist, haben hingegen nur Anspruch auf eine Witwerrente, wenn sie ein Kind unter 18 Jahren haben. Witwen ohne Kinder sind ebenfalls rentenberechtigt, wenn sie das 45. Altersjahr vollendet haben und mindestens fünf Jahre verheiratet waren (Art. 23 ff. AHVG).
Während eine Witwe in der Regel lebenslang rentenberechtigt ist, erlischt der Rentenanspruch eines Witwers, sobald das letzte Kind des Witwers das 18. Altersjahr vollendet hat. Seit dem 11. Oktober 2022 wird die Witwerrente gemäss Übergangsregelung auch nach Vollendung des 18. Altersjahres des Kindes ausgerichtet. Die Witwen- oder Witwerrente beträgt 80 Prozent der Altersrente, auf welche die verstorbene Person Anspruch gehabt hätte. Fällt die Witwen- oder Witwerrente höher aus als die eigene Altersrente, wird erstere weiterhin anstelle der Altersrente ausbezahlt.
Es besteht kein Anspruch auf Hinterlassenenleistungen für Konkubinatspartner. Die Botschaft vom 23. Oktober 2024 ¹4 zur Änderung des AHVG über die Anpassung der Hinterlassenenrenten will die Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern beseitigen, Hinterlassenenleistungen für Eltern mit unterhaltsberechtigten Kindern unabhängig vom Zivilstand gewähren und eine übergangsweise Witwenrente an Personen auszahlen, die verheiratet waren (siehe Kap. 2.6).
Die Witwenrente besteht seit der Einführung der AHV im Jahr 1948 und bezweckte eine Verbesserung der sozialen Absicherung verheirateter Frauen, die sich ausschliesslich der Unterstützung der Familie widmeten und beim Tod des Ehemanns grosse Mühe hatten, eine Arbeitsstelle zu finden. Die Witwerrente wurde 1997 mit der 10. AHV-Revision eingeführt und war eine Reaktion auf den Wandel bei der Aufteilung der Familienaufgaben sowie ein Schritt in Richtung Gleichbehandlung der Geschlechter. Das damals noch weit verbreitete traditionelle Familienmodell schien eine solche Angleichung nicht zu rechtfertigen. Ausserdem war im Rahmen einer nächsten AHV-Revision bereits eine Anpassung der Hinterlassenenrenten geplant.
Die Witwen- und Witwerrenten der AHV sind eine zivilstandsabhängige Leistung. Sie werden der verwitweten Person beim Tod der Ehepartnerin oder des Ehepartners gewährt, sofern der verstorbenen Person mindestens während eines vollen Beitragsjahres Beiträge angerechnet werden können.
Erziehungs- und Betreuungsgutschriften
Gutschriften sind fiktive Einkommen, die zu den Einkünften aus einer Erwerbstätigkeit hinzukommen und erst bei der Berechnung der Leistungen der AHV oder IV berücksichtigt werden. Ihr Betrag entspricht in jedem Anrechnungsjahr dem Dreifachen der minimalen jährlichen Altersrente zum Zeitpunkt des Rentenanspruchs (45 360 Franken; Stand 2025).
Erziehungsgutschriften werden den versicherten Eltern für alle Jahre angerechnet, in denen sie die elterliche Sorge im Sinne des Zivilgesetzbuches (ZGB) ¹5 für ein oder mehrere Kinder unter 16 Jahren ausüben (Art. 29sexies AHVG). Bei einem verheirateten Paar wird die während der Kalenderjahre der Ehe zuerkannte Gutschrift zur Hälfte auf die Ehepartnerin und den Ehepartner aufgeteilt, und zwar auch dann, wenn ein Kind nur das Kind der anderen Ehepartnerin oder des anderen Ehepartners ist. Unverheiratete Eltern, die eine gemeinsame elterliche Sorge ausüben, haben die Möglichkeit, eine Vereinbarung über die Aufteilung der Erziehungsgutschriften zu treffen. Fehlt eine solche Vereinbarung oder eine Entscheidung der Behörden über die Zuweisung der Erziehungsgutschriften, werden diese in vollem Umfang der Mutter zugewiesen.
Pro Kalenderjahr wird nur eine Gutschrift gewährt, unabhängig von der Anzahl der Kinder. Bei einer maximalen Rente bleiben diese Gutschriften jedoch ohne Wirkung. Der Anspruch auf Erziehungsgutschriften entsteht ab dem Kalenderjahr, das auf das Jahr der Geburt des ersten Kindes folgt, und erlischt spätestens am Ende des Kalenderjahres, in dem das letzte Kind das 16. Lebensjahr vollendet hat.
Betreuungsgutschriften werden Versicherten gewährt, die Verwandte in auf- oder absteigender Linie oder Geschwister betreuen, die eine Hilflosenentschädigung der AHV, der IV, der obligatorischen Unfallversicherung oder der Militärversicherung beziehen, sofern sie die betreute Person problemlos besuchen können. Sie müssen diesen Anspruch jedes Jahr schriftlich geltend machen. Verwandten gleichgestellt sind die Ehepartnerin oder der Ehepartner, die Schwiegereltern, die Stiefkinder und seit dem 1. Januar 2021 auch die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner, wenn die versicherte Person mit ihr oder ihm seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen im gleichen Haushalt lebt (Art. 29septies AHVG).
Wie bei den Erziehungsgutschriften werden auch die Gutschriften für die Pflege eines Elternteils während der Kalenderjahre der Ehe zwischen der Ehepartnerin und dem Ehepartner hälftig geteilt.
Renten für Pflegekinder
Personen, denen eine Altersrente zusteht, haben für jedes Kind, das im Falle ihres Todes eine Waisenrente beanspruchen könnte, Anspruch auf eine Kinderrente. Für Pflegekinder, die erst nach der Entstehung des Anspruchs auf eine Altersrente in Pflege genommen werden, besteht kein Anspruch auf eine Kinderrente, es sei denn, es handelt sich um Kinder der anderen Ehepartnerin oder des anderen Ehepartners (Art. 22ter Abs. 1 AHVG). Bei Kindern der anderen Ehepartnerin oder des anderen Ehepartners besteht auch dann ein Anspruch, wenn sie nach der Entstehung des Anspruchs auf eine Altersrente in Pflege genommen wurden.
Versicherungsbeitritt für begleitende Ehepartnerinnen oder Ehepartner
Nichterwerbstätige Ehepartnerinnen oder Ehepartner von erwerbstätigen Personen, die im Ausland für den Bund oder für einen Arbeitgeber mit Sitz in der Schweiz tätig sind, können der AHV/IV/EO beitreten (Art. 1 a Abs. 4 Bst. c AHVG).
1¹ SR 831.10
¹2 SR 831.20
¹3 Bundesamt für Statistik (BfS) (2023): Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE).
¹4 BBl 2024 2768
¹5 SR 210

2.3 Finanzielle Auswirkungen der verschiedenen Sonderregelungen für verheiratete Personen

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die finanziellen Auswirkungen aller Massnahmen, die verheiratete Personen betreffen. Diese Auswirkungen beziehen sich auf das Jahr 2023. Obwohl die 13. Altersrente noch nicht in Kraft ist, wurde ihre Wirkung berücksichtigt, da mit der Einführung der 13. Altersrente die finanziellen Auswirkungen der Plafonierung steigen, weil auch die 13. Altersrente deplafoniert wird.
Die Tabelle 1 zeigt, dass nach geltendem Recht aus finanzieller Sicht insgesamt die Massnahmen zugunsten verheirateter Personen den Nachteil der Rentenplafonierung überwiegen und dies ohne Berücksichtigung der Auswirkungen der Einkommensteilung, die nicht genau quantifiziert werden konnte. Die im Rahmen der Studie von Buchmann/Budliger/Unterhofer/Triolo/Bütler (2024) ¹6 (siehe Kap. 4.5.5.1) geschätzten Kosten der Einkommensteilung basieren nämlich auf einem zivilstandsunabhängigen Altersvorsorgemodell, das eine Aufhebung der Einkommensteilung nur für zukünftige Einkommen vorsieht, d. h. für solche, die nach dem Inkrafttreten der Massnahme erzielt werden. Daher stellen die geschätzten Kosten nur einen Teil der Kosten der Einkommensteilung dar und nicht die tatsächlichen Kosten nach geltendem Recht, die weitaus höher wären. Sie können daher nicht in die nachstehende Tabelle aufgenommen werden.
Tabelle 1
Finanzielle Auswirkungen aller Massnahmen auf die AHV, die verheiratete Personen betreffen, im Jahr 2023*
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Zahlen 2023 mit Berücksichtigung der 13. Altersrente Massnahmen für verheiratete Personen Rentenplafonierung auf 150 % der Maximalrente (Ausgabenreduzierung)
Befreiung der nichterwerbstätigen Ehepartnerin oder des nichterwerbstätigen Ehepartners von der Beitragspflicht, wenn die andere Ehepartnerin oder der andere Ehepartner den doppelten Mindestbeitrag gezahlt hat 0,2 Mrd. Fr.
Hinterlassenenrenten nur für verheiratete Personen (keine Leistungen für Konkubinatspartner) 1,9 Mrd. Fr.
Witwen-/Witwerzuschlag (Erhöhung der Rente um 20 % beim Tod der Ehepartnerin oder des Ehepartners) 1,4 Mrd. Fr.
Rentenplafonierung 3,3 Mrd. Fr.
*Die Auswirkungen der Einkommensteilung nach geltendem Recht konnten nicht quantifiziert werden. Die im Rahmen der Studie «Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge» (A22_02) von Buchmann/Budliger/Unterhofer/Triolo/Bütler (2024) geschätzten Kosten der Einkommensteilung basieren auf einem zivilstandsunabhängigen Altersvorsorgemodell, das eine Aufhebung der Einkommensteilung nur für zukünftige Einkommen vorsieht, was impliziert, dass die Bedeutung der Einkommensteilung unterschätzt wird.
Die mit der Botschaft des Bundesrates vom 23. Oktober 2024 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vorgeschlagene Änderung des AHVG ¹7 sieht vor, die Leistungen für Eltern mit unterhaltsberechtigten Kindern unabhängig vom Zivilstand zu gewähren. Die Zahlung einer Übergangsrente bleibt jedoch weiterhin an den Zivilstand gekoppelt. Diese Revision hat zur Folge, dass der Einfluss des Zivilstandes in der AHV abnimmt, was zu Veränderungen in der Abwägung der Vor- und Nachteile für verheiratete Personen führen kann. Die Auswirkungen dieser Revision werden sich aber erst mit der Zeit manifestieren, da die meisten Witwen- und Witwerrenten, die vor Inkrafttreten der Revision entstanden sind und die es ja nur für verheiratete Personen gibt, weiter ausgerichtet werden (Besitzstand). Die Auswirkungen werden auch davon abhängen, wie das Parlament mit dieser Revision weiter verfahren wird.
¹6 Buchmann, Manuel / Budliger, Hendrik / Unterhofer, Ulrike / Triolo, Lisa / Bütler, Monika (2024): Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge. Beiträge zur sozialen Sicherheit, Bern.
¹7 BBl 2024 2768

2.4 Situation verheirateter Personen in anderen Sozialversicherungen

Ergänzungsleistungen (EL)
Bei den EL werden die Familiensituation und die Zusammensetzung des Haushalts berücksichtigt. Bei verheirateten Paaren, die zu Hause leben, werden die wiederkehrenden Leistungen auf der Grundlage der Ausgaben und der beiden Einkommen des Ehepaars berechnet. Unter bestimmten Bedingungen kann der Ehepartnerin oder dem Ehepartner auch ein hypothetisches Einkommen angerechnet werden. Eine Person, die EL bezieht und im Konkubinat lebt, wird als alleinstehende Person betrachtet und von daher werden nur ihre anrechenbaren Einnahmen und anerkannten Ausgaben in die Berechnung einbezogen. Der in einem solchen Fall als Miete berücksichtigte Höchstbetrag berücksichtigt jedoch die Anzahl der anderen in der gleichen Wohngemeinschaft lebenden Personen, unabhängig davon, ob es sich um Konkubinatspartnerinnen oder -partner, Familienangehörige oder Mitbewohnerinnen oder Mitbewohner handelt.
Berufliche Vorsorge
In der obligatorischen beruflichen Vorsorge versichert ist, wer als Arbeitnehmende oder als Arbeitnehmer ein Mindesteinkommen erzielt. Die 2. Säule wird nach dem Kapitaldeckungsverfahren finanziert, d. h. jede und jeder spart grundsätzlich für sich selbst. Lücken in der Vorsorge, die entstehen, wenn eine Person für eine bestimmte Zeit nicht oder nur reduziert erwerbstätig ist, können später durch Einkäufe ganz oder teilweise geschlossen werden.
Die Ehepartnerin oder der Ehepartner der versicherten Person erhält in zwei Situationen Leistungen: im Falle einer Scheidung wird ein Vorsorgeausgleich vorgenommen, d. h. das während der Ehe bis zur Einreichung des Scheidungsverfahrens gesparte Vorsorgeguthaben wird grundsätzlich hälftig zwischen dem Ehepaar geteilt. Diese Regelung gilt auch bezüglich Guthaben in Freizügigkeitseinrichtungen. Zudem haben Ehepartnerinnen und Ehepartner Anspruch auf eine lebenslange Witwen- oder Witwerrente, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen. Im Falle von Guthaben in Freizügigkeitseinrichtungen gelten hinterlassene Ehepartnerinnen oder Ehepartner als begünstigte Personen.
Unfallversicherung (UV) und Militärversicherung (MV)
In der UV und MV hat nur die überlebende Ehepartnerin oder der überlebende Ehepartner Anspruch auf eine Rente oder eine Abfindung (Art. 29 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 ¹8 über die Unfallversicherung [UVG], Art. 51 Abs. 1 und Art. 52 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 ¹9 über die Militärversicherung [MVG]).
Erwerbsersatzordnung (EO)
In der EO werden die Leistungen, die bei Dienst, Mutterschaft, Vaterschaft, Adoption und Betreuung eines gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kindes gezahlt werden, unabhängig vom Zivilstand festgelegt.
Familienzulagen (FamZ)
Der Anspruch auf Familienzulagen nach dem Familienzulagengesetz vom 24. März 2006 2⁰ (FamZG) und nach dem Bundesgesetz vom 20. Juni 1952 2¹ über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG) bestimmt sich gemäss Artikel 4 Absatz 1 FamZG nach dem Verhältnis zum Kind und ist grundsätzlich nicht vom Zivilstand der Eltern abhängig. Der Zivilstand spielt nur eine Rolle für das Stiefkindsverhältnis gemäss Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b FamZG, da die Stiefeltern ebenfalls einen Anspruch auf Familienzulagen haben können. Das aussereheliche, adoptierte oder aus einer früheren Ehe stammende Kind der Ehepartnerin oder des Ehepartners begründet in diesem Fall einen Anspruch auf Familienzulagen. Kein Anspruch besteht für Kinder der Konkubinatspartnerin oder des Konkubinatspartners. Ausserdem sieht das FLG u.a. eine Haushaltungszulage von 100 Franken pro Monat für landwirtschaftliche Arbeitnehmende vor. Diese Leistung wird auch an verheiratete Personen, die keine Kinder haben, ausbezahlt.
Die Familienzulagen nach FamZG sind, anders als die AHV, kantonal geregelt und finanziert. Gemäss Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a FamZG in Verbindung mit. Artikel 12 AHVG sind die Arbeitgeber beitragspflichtig. In der AHV versicherte Selbstständigerwerbende und Arbeitnehmende ohne beitragspflichtigen Arbeitgeber bezahlen ihre Beiträge selbst (Art. 11 Abs. 1 Bst. b und c FamZG). Die Beiträge werden dabei an die Familienausgleichskasse, der sich der Arbeitgeber angeschlossen hat, ausgerichtet. Eine Beitragspflicht der Arbeitnehmer kann durch die Kantone bestimmt werden (Art. 17 Abs. 2 Bst. j FamZG) und existiert zurzeit nur im Kanton Wallis. Der Zivilstand tangiert die Beitragspflicht nicht.
Die Höhe der Familienzulagen wird unabhängig vom Lohn bzw. vom Einkommen oder von den geleisteten Beiträgen festgesetzt. Eine Plafonierung im Sinne des AHVG kennen das FamZ und das FLG folglich nicht.
Arbeitslosenversicherung (ALV)
Im Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982 2² (AVIG) gibt es nur wenige Bestimmungen, die den Versicherten aufgrund ihres Zivilstandes Rechte gewähren oder verweigern. Der Zivilstand wirkt sich auf den Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung für verheiratete oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebende Versicherte in den im Gesetz abschliessend festgelegten Fällen aus.
Wer im Betrieb ihre Ehepartnerin oder seines Ehepartners oder in einer Gesellschaft arbeitet, in der die Ehepartnerin oder der Ehepartner oder die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner als Arbeitgeber die Entscheidungen trifft oder eine arbeitgeberähnliche Stellung innehat, hat keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung oder Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 Bst. b und c AVIG). Dies ist vorgesehen, um Missbrauchsrisiken und Interessenkonflikte zu vermeiden. Diese Regelung gilt auch für die Schlechtwetterentschädigung (Art. 42 Abs. 3 AVIG) sowie für die Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 2 AVIG), die sich auf Artikel 31 Absatz 3 AVIG beziehen.
Zudem sind Personen, die insbesondere infolge Trennung, Scheidung oder Tod der Ehepartnerin oder des Ehepartners gezwungen sind, eine unselbstständige Erwerbstätigkeit auszuüben oder auszuweiten, von den Bedingungen bezüglich der Beitragszeit befreit (Art. 14 Abs. 2 AVIG).
¹8 SR 832.20
¹9 SR 833.1
2⁰ SR 836.2
2¹ SR 836.1
2² SR 837.0

2.5 Finanzielle Situation der Rentnerinnen und Rentner

Wie für alle Bevölkerungsgruppen hängt die finanzielle Situation der Rentnerinnen und Rentner grundsätzlich von zwei Faktoren ab: Einkommen und Vermögen. Einige Elemente des Einkommens können präzise bestimmt werden: die Renten aus der 1. Säule und - für die Minderheit der erwerbstätigen Rentnerinnen und Rentner - das Erwerbseinkommen. Weniger genau bekannt sind die Einkommen aus der 2. und der 3. Säule sowie das individuelle Vermögen, weil für diese Informationen keine vollständige Datengrundlage vorliegt. Da keine gesamtschweizerischen Steuerstatistiken verfügbar sind, ist eine detaillierte Erfassung der finanziellen Situation der Rentnerinnen und Rentner folglich schwierig. Umfragen erlauben zwar gewisse Rückschlüsse. Allerdings werden diese Daten im Gegensatz zu Registerdaten nur bei einer Stichprobe der Bevölkerung erhoben und basieren auf eigenen Angaben. In Heimen lebende Personen werden von Umfragen oft ausgeschlossen, und unter den Befragten befinden sich selten sehr vermögende Personen.
Die Daten zu den EL für AHV- und IV-Rentenbezügerinnen und -bezüger geben umfassend Auskunft über die Leistungsempfängerinnen und -empfänger.
Schliesslich werden in diesem Kapitel auch die anhand des Datensatzes Wirtschaftliche Situation von Personen im Erwerbs- und im Rentenalter (
WiSiER ) durchgeführten Analysen vorgestellt. Der Datensatz enthält Steuer-, Register und Erhebungsdaten aus elf Kantonen und liefert ein umfassendes Bild zur finanziellen Situation von 4,5 Millionen Personen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Analysen auf den Daten des Jahres 2015 beruhen.
Finanzielle Situation der AHV-Rentnerinnen und -Rentner
Die Analysen zur finanziellen Situation von Rentnerinnen und Rentnern zeigen einerseits, dass diese Personen über ein tieferes Durchschnittseinkommen verfügen als die Personen im Erwerbsalter, und andererseits, dass innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe grosse Unterschiede bestehen. Insgesamt ist die wirtschaftliche Situation der Personen im Rentenalter aber gut. Gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) ²3 ist der Anteil der Bevölkerung, der in einem Haushalt lebt und für den es schwierig oder sehr schwierig ist, über die Runden zu kommen, bei Personen im Alter von 65 und älter mit 6,1 Prozent tiefer als in allen anderen Altersgruppen (Gesamtbevölkerung: 9,9 %). Mehr als drei von vier Personen im Alter von 65 Jahren und älter sind mit der finanziellen Situation des Haushalts zufrieden oder sehr zufrieden (76,3 %) - auch das ist der Höchstwert aller Altersgruppen (Gesamtbevölkerung: 61,8 %). Entsprechend ist auch die Quote der materiellen und sozialen Deprivation unter den Personen im Rentenalter am geringsten. Die Einführung der 13. AHV-Rente wird eine weitere Verbesserung bringen.
Gemäss der Haushaltsbudgeterhebung ²4 liegt das durchschnittliche Bruttoeinkommen von Einpersonenhaushalten ab 65 Jahren 30 Prozent unter jenem von Einpersonenhaushalten unter 65 Jahren (Fr. 6520.- unter 65 Jahren gegenüber Fr. 4630.- ab 65 Jahren). Diese Werte entsprechen dem Durchschnitt im Zeitraum 2015-2019. Bei Paarhaushalten ist der Unterschied leicht höher (34 %: Fr. 12620.- unter 65 Jahren und Fr. 8360.- ab 65 Jahren). Die Einkommen variieren allerdings beträchtlich: Teilt man alleinstehende Personen ab 65 Jahren in fünf Einkommensgruppen und vergleicht das Durchschnittseinkommen der Gruppe mit dem tiefsten Einkommen (1. Quintil) mit dem Durchschnittseinkommen der Gruppe mit dem höchsten Einkommen (5. Quintil), ergibt sich ein Faktor von 3,8. Das heisst, dass das Durchschnittseinkommen der ersten Gruppe fast viermal tiefer ist als jenes der fünften Gruppe. Derselbe Vergleich bei den Paarhaushalten ab 65 Jahren ergibt den Faktor 4.
Die Anteile der verschiedenen Einkommensquellen am durchschnittlichen Jahreseinkommen sehen bei Rentnerhaushalten gemäss WiSiER-Daten wie folgt aus: Sie beziehen ihre Einkommen hauptsächlich aus der 1. Säule (43 %) und aus Renten der 2. oder allenfalls der 3 Säule (29 %). ²5 Die Vermögenserträge leisten ebenfalls einen beträchtlichen Anteil (17 %). Das Erwerbseinkommen trägt insgesamt nur 6 Prozent zum Gesamteinkommen bei.
Die durchschnittliche AHV-Monatsrente in der Schweiz belief sich im Jahr 2023 auf 1946 Franken für ledige Personen und auf 1749 Franken für verheiratete Personen, deren Ehefrau oder Ehemann ebenfalls eine AHV- oder IV-Rente bezieht (Personen, die unter Umständen von der Plafonierung betroffen sind). Verheiratete Personen, deren Ehefrau oder Ehemann keine AHV- oder IV-Rente bezieht, erhielten durchschnittlich 1935 Franken. Die höchste durchschnittliche AHV-Monatsrente erhielten im Jahr 2023 verwitwete Personen (Fr. 2257.-), gefolgt von den getrenntlebenden oder geschiedenen Personen (Fr. 2008.-). Bei den Personen, die im Ausland leben und eine Rente beziehen, auf die nur 15 Prozent der AHV-Ausgaben entfallen, erhielten getrennt lebende oder geschiedene Personen die höchste durchschnittliche Monatsrente (Fr. 822.-), gefolgt von den verheirateten Personen, deren Ehefrau oder Ehemann ebenfalls eine AHV- oder IV-Rente bezieht (Fr. 761.-), den verwitweten Personen (Fr. 756.-), den ledigen Personen (Fr. 647.-) und den verheirateten Personen, deren Ehefrau oder Ehemann keine AHV- oder IV-Rente bezieht (Fr. 477.-). ²6
Inwieweit das Vermögen die tieferen Einkommen ausgleichen kann, ist schwer zu sagen. Für mindestens 12,2 Prozent der Personen, die eine AHV-Rente beziehen, reichen das Vermögen und das Einkommen nicht zur Deckung ihrer Ausgaben, weshalb sie EL beanspruchen (Stand: Dezember 2023). Bei den 65- bis 79-Jährigen ist dieser Anteil geringer als bei den Rentnerinnen und Rentnern ab 80 Jahren (10,9 % bzw. 15,5 %), einerseits weil einige in ein Heim ziehen, was höhere Kosten verursacht, andererseits weil sie ihr Vermögen sukzessive aufbrauchen. Letzteres betrifft insbesondere Personen, die ihr Vermögen und namentlich das Kapital aus der 2. oder der 3. Säule für die Finanzierung ihrer Lebenshaltungskosten verwenden. Der Anteil der Bezügerinnen und Bezüger von EL zur AHV ist stark zivilstandsabhängig: Bei ledigen (22,4 %) bzw. geschiedenen oder getrenntlebenden Personen (24,3 %) ist er wesentlich höher als bei verheirateten Personen (6,1 %). Bei den verwitweten Personen liegt der Anteil mit 14,9 Prozent ²7 dazwischen.
Die experimentellen Daten der Erhebung über die Einkommen und die Lebensbedingungen (Statistics on Income and Living Conditions, SILC) zeigen eine starke Konzentration des Nettovermögens im Alter. Das Nettovermögen, also das Vermögen abzüglich aller Schulden (Hypotheken, Verschuldung und Zahlungsrückstände) nimmt bei den Einpersonenhaushalten erst ab 55 Jahren und bis zum Erreichen des Rentenalters stark zu. Bei den Paarhaushalten beginnt die Vermögenszunahme früher.
Das mediane Nettovermögen der Rentnerhaushalte war laut Wanner/Gerber (2022) höher als jenes der Haushalte im Erwerbsalter, die sich auf WiSiER-Daten stützen. Es nahm bis zur Alterskategorie der 60- bis 64-Jährigen auf rund 140 000 Franken zu und stieg im Zeitpunkt der Pensionierung sprunghaft auf knapp 250 000 Franken an, was wahrscheinlich auf den Bezug von Kapitalleistungen der Altersvorsorge zurückzuführen ist. In den Alterskategorien ab 65 Jahren lag das mediane Nettovermögen relativ konstant zwischen 245 000 und 265 000 Franken. Am besten war die Situation von Paarhaushalten mit und ohne Kinder: Deren medianes Nettovermögen steigt bis in die Alterskategorie der 65- bis 69-Jährigen kontinuierlich auf rund 250 000 Franken (mit Kindern), und auf rund 370 000 Franken (ohne Kinder). Danach steigt es auf rund 420 000 Franken bei den über 90-Jährigen. Die Einpersonenhaushalte erzielen in der Alterskategorie 65 bis 69 ein Nettovermögen von rund 105 000 Franken, das noch auf rund 215 000 Franken bei den über 90-Jährigen steigt. ²8 Das Vermögen bestand im Wesentlichen aus Wertschriften, Kapitalanlagen und Immobilienvermögen. Die weiteren Vermögensbestandteile waren von geringer Bedeutung. Ausserdem sind das Vermögen und die Verschuldung positiv mit dem Einkommensniveau korreliert.
Zusammenfassend zeigt der Bericht von Braun-Dubler/Frei/Kaderli/Roth (2022)
²9 , dass der Übergang ins Rentenalter für die meisten Neurentnerinnen und -rentner keine finanziellen Risiken bedeutet. Im Gegenteil: Personen in Haushalten mit sehr geringen Mitteln erfahren im Durchschnitt dank der Ergänzungsleistungen eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation beim AHV-Rentenübergang.
Finanzielle Situation der IV-Rentnerinnen und -Rentner
Die Invalidenversicherung verhindert bei den meisten IV-Rentnerinnen und -Rentnern eine Situation mit sehr geringen finanziellen Mitteln (siehe Guggisberg/Liechti/Bischof [2020] 3⁰ ). Knapp eine von fünf Personen mit IV-Rente muss hingegen mit geringen finanziellen Mitteln auskommen, was im Vergleich zur Situation von Personen ohne IV-Rente eine deutlich erhöhte Quote darstellt. Mit dem Bezug einer IV-Rente verbessert sich die finanzielle Situation für einen verhältnismässig grossen Teil der Personen, die vor der IV-Rente in prekären finanziellen Situationen waren. Dies dürfte auch eine Folge davon sein, dass mit der Zusprache der IV-Rente u. a. der Zugang zu Ergänzungsleistungen und eine minimale Sicherung des Existenzbedarfs gewährt wird.
Im Jahr 2023 belief sich die durchschnittliche IV-Monatsrente auf 1568 Franken für ledige Personen und auf 1628 Franken für verheiratete Personen. Die durchschnittliche Monatsrente für getrenntlebende oder geschiedene Personen war mit 1664 Franken ähnlich hoch, während sie für verwitwete Personen mit 1945 Franken höher ausfiel. Der höhere Betrag für verwitwete Personen ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass diese Personen einen Verwitwetenzuschlag erhalten. Der Rentenbetrag richtet sich nach dem prozentualen Anteil. Alleinstehende erhielten durchschnittlich 1694 Franken pro Monat bei einer Vollrente und 911 Franken bei einer halben Rente. Für verheiratete Personen betrug die durchschnittliche Vollrente 1978 Franken, und die halbe Rente 1033 Franken.
Rund die Hälfte der Bezügerinnen und Bezüger einer IV-Rente beanspruchen EL, weil ihr Gesamteinkommen (Rente, allfälliges Erwerbseinkommen oder Liegenschaftserträge) nicht zur Deckung der Ausgaben ausreicht. Bei den ledigen Personen ist dieser Anteil (66,5 % im Jahr 2023) höher als bei den verheirateten (21,9 %) oder den verwitweten Personen (32,7 %). Bei den getrenntlebenden oder geschiedenen Personen liegt der Anteil bei rund der Hälfte (51,4 %).
Fazit
Obwohl Personen im Rentenalter im Durchschnitt über ein geringeres Einkommen verfügen als Personen im erwerbsfähigen Alter, ist ihre finanzielle Situation im Allgemeinen gut. Für mindestens 12,2 Prozent der Personen, die eine AHV-Rente beziehen, reichen das Vermögen und das Einkommen nicht zur Deckung ihrer Ausgaben, weshalb sie EL beanspruchen (Stand: Dezember 2023). Der Anteil der Bezügerinnen und Bezüger von EL zur AHV ist stark zivilstandsabhängig: Bei den ledigen (22,4 %) bzw. geschiedenen oder getrenntlebenden Personen (24,3 %) ist er wesentlich höher als bei den verheirateten Personen (6,1 %). Bei den verwitweten Personen liegt der Anteil mit 14,9 Prozent dazwischen.
Rund ein Fünftel der IV-Bezügerinnen und -Bezüger muss mit wenig finanziellen Mitteln auskommen, was im Vergleich zu den Personen ohne IV-Rente ein bedeutend höherer Anteil ist. Rund die Hälfte der IV-Bezügerinnen und -Bezüger beansprucht EL (50,1 % im Jahr 2023). Bei den ledigen Personen ist dieser Anteil (66,5 %) höher als bei den verheirateten (21,9 %) oder den verwitweten Personen (32,7 %). Bei den getrenntlebenden oder geschiedenen Personen liegt der Anteil bei rund der Hälfte (51,4 %).
²3 BFS (2023): Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen, SILC-2022 Version vom 20.12.2023.
²4 Die Haushaltsbudgeterhebung von 2022 des BFS kann im Internet abgerufen werden unter:
www.bfs.admin.ch > Statistiken > Wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung > Einkommen, Verbrauch und Vermögen > Weiterführende Informationen > Tabellen (Stand: 22.01.2025).
²5 Wanner, Philippe / Gerber, Roxane (2022): Die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung im Erwerbs- und Rentenalter. Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht 4/22, Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV).
²6 BSV (2023): Rentenregister 2023, Bern.
²7 Statistik der Ergänzungsleistungen 2023.
²8 BSV (2023): Rentenregister 2023.
²9 Braun-Dubler, Nils / Frei, Vera / Kaderli, Tabea / Roth, Florian (2022): Wer geht wann in Rente? Ausgestaltung und Determinanten des Rentenübergangs. Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht 5/22, Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV).
3⁰ Guggisberg, Jürg / Liechti, Lena / Bischof, Severin (2020): Die wirtschaftliche Situation von IV-Rentnerinnen und IV-Rentnern Beiträge zur Sozialen Sicherheit. Forschungsbericht 14/20. Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV).

2.6 Laufende Reformen in der AHV

Änderung des AHVG - Neuregelung der Hinterlassenenrenten
An seiner Sitzung vom 23. Oktober 2024 hat der Bundesrat die Botschaft vom 23. Oktober 2024 zur Änderung des AHVG zur Anpassung der Hinterlassenenrenten zuhanden des Parlaments verabschiedet. Das Ziel der Vorlage ist es, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) festgestellte Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern zu beseitigen und die Rentenleistungen an die gesellschaftliche Entwicklung anzupassen. Weiter soll dem Finanzierungsbedarf der AHV und den Bundesfinanzen Rechnung getragen werden. Die Hinterlassenenleistungen sollen auf die Betreuungs- und Erziehungszeit ausgerichtet und für Eltern unabhängig vom Zivilstand ausgerichtet werden. Für verheiratete oder geschiedene Personen, deren Kinder nicht mehr unterhaltsberechtigt sind, ist eine zweijährige Übergangsrente vorgesehen. Diese Revision führt bei einer angenommenen Inkraftsetzung im Jahr 2026 zu Einsparungen von schätzungsweise 350 Millionen Franken im Jahr 2030, davon rund 70 Millionen Franken zu Gunsten des Bundes unter Berücksichtigung des Bundesbeitrags von 20,2 Prozent. Im Jahr 2035 werden Einsparungen von rund 770 Millionen Franken erwartet, davon rund 160 Millionen Franken zu Gunsten des Bundes (Preisbasis 2023).
Änderung des AHVG - Umsetzung und Finanzierung der 13. AHV-Rente
Nach der Annahme der Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» durch Volk und Stände am 3. März 2024 3¹ hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 27. März 2024 festgelegt, dass die 13. Altersrente ab 2026 einmal jährlich ausbezahlt und nachhaltig finanziert werden soll.
Im Oktober 2024 hat der Bundesrat die Botschaft vom 16. Oktober 2024 3² zur Umsetzung und Finanzierung der Initiative für eine 13. AHV-Rente zuhanden des Parlaments verabschiedet. Ohne Zusatzfinanzierung würde die AHV im Jahr der Einführung der 13. Altersrente 2026 mehr ausgeben als einnehmen. Dadurch würde der Stand des AHV-Ausgleichsfonds rasch unter die gesetzlich vorgeschriebene Schwelle von 100 Prozent einer Jahresausgabe der AHV sinken. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, die Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte zu erhöhen. Der Normalsatz würde von heute 8,1 auf 8,8 Prozent steigen, der Sondersatz für die Hotellerie von 3,8 auf 4,2 Prozent und der reduzierte Satz für Güter des täglichen Bedarfs von 2,6 auf 2,8 Prozent. Mit diesen Mehreinnahmen kann die AHV bis 2030 im Gleichgewicht gehalten werden. Um eine zusätzliche Belastung der Bundesfinanzen zu vermeiden, soll zudem der Bundesbeitrag von 20,2 Prozent temporär auf 19,5 Prozent reduziert werden.
Entlastungspaket für den Bundeshaushalt
Der Bundesrat hat am 29. Januar 2025 die Vernehmlassung zu einem Entlastungspaket für den Bundeshaushalt eröffnet. Eine der in die Vernehmlassung geschickten Massnahmen betrifft den Bundesbeitrag an die AHV. Der Bundesrat will das Wachstum der Ausgaben des Bundes und die Ausgaben der AHV entflechten. Künftig sollen die Bundesbeiträge von den Ausgaben der AHV entkoppelt werden und sich stattdessen am Wachstum der Bundeseinnahmen orientieren: Der Bundesbeitrag an die AHV soll an die Entwicklung der Mehrwertsteuererträge gekoppelt werden.
Nächste Reform der AHV
Der Bundesrat wurde beauftragt, dem Parlament bis Ende 2026 die nächste AHV-Reform zur Stabilisierung der Finanzierung der AHV für den Zeitraum 2030-2040 zu unterbreiten. 3³ Die demografische Entwicklung bleibt eine grosse Herausforderung für die Finanzen der AHV und nach den in den letzten Jahren verabschiedeten Reformen müssen Lösungen für die Zeit nach 2030 in die Wege geleitet werden. Die aktuellen Vorlagen (Anpassung der Witwen- und Witwerrenten, Umsetzung und Finanzierung 13. Rente) werden die laufenden Arbeiten der nächsten Reform der AHV stark beeinflussen, da der Umfang der für die Zukunft benötigten Zusatzfinanzierung letztlich vom Ausgang der Beratungen dieser verschiedenen die AHV betreffenden Vorlagen abhängt.
3¹ BBl 2024 996
3² BBl 2024 2747
3³ Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit Nationalrat 21.3462 «Auftrag für die nächste AHV-Reform».

3 Ziele und Inhalt der Initiative

3.1 Ziele der Initiative

Die AHV dient zusammen mit den EL der Sicherung des minimalen Existenzbedarfs und ist für viele Menschen im Alter eine wesentliche Einkommensquelle. Damit im hohen Alter auch Ehepaare finanziell besser geschützt sind, wollen die Initiantinnen und Initianten faire AHV-Renten für alle Paare sichern. Die Plafonierung der Renten stamme aus einer Zeit, als oft nur Männer in den Familien berufstätig waren. Die Rentenplafonierung bilde deshalb die gesellschaftliche Realität nicht mehr ab. Heute erhalten verheiratete Paare maximal 150 Prozent des Maximalbetrages einer Vollrente. Unverheiratete Paaren hingegen erhalten mit zwei unplafonierten AHV-Renten bis zu 200 Prozent des Höchstbetrags einer AHV-Rente, was als ungerecht angesehen wird. Von dieser Diskriminierung seien rund 700 000 verheiratete Personen betroffen, also fast 9 von 10 pensionierten Ehepaaren. ³4
Zeitgleich wurde auch die Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» ³5 eingereicht. Diese Initiative fordert, dass Ehepaare bei der direkten Bundessteuer gemeinsam besteuert und gegenüber anderen Steuerpflichtigen nicht benachteiligt werden.
³4 Vgl. Argumente der Initiantinnen und Initianten. Kann im Internet abgerufen werden unter
www.ja-zu-fairness.ch > Argumente.
³5 BBl 2022 2286

3.2 Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Mit der Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» fordert die Mitte-Partei die Gleichstellung von verheirateten und unverheirateten Paaren in der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung. Ehepaare sollen gegenüber anderen Lebensgemeinschaften in der AHV und IV nicht mehr benachteiligt werden.
Die erwähnte Gleichstellung soll durch die Anhebung der Renten von Ehepaaren erreicht werden. Konkret soll eine Kürzung der Summe der beiden Renten eines Ehepaares nicht mehr zulässig sein und die Plafonierung der AHV und IV-Renten aufgehoben werden.
Ausserdem ist im Sinne der Gleichstellung die Aufhebung der Beitragsbefreiung (Befreiung nicht erwerbstätiger Ehepartnerinnen und Ehepartner von der Beitragspflicht, wenn die andere Ehepartnerin oder der andere Ehepartner den doppelten Mindestbeitrag gezahlt hat) im Rahmen einer provisorischen Regelung durch den Bundesrat bei Untätigkeit des Gesetzgebers nach drei Jahre nach der Annahme der Volksinitiative gefordert.

3.3 Auslegung und Erläuterung des Initiativtextes

Der Initiativtext zielt auf eine Änderung von Artikel 112 BV ab. Obwohl im Titel der Initiative und im Wesentlichen in der Argumentation der Initiantinnen und Initianten nur die AHV-Renten (genauer gesagt, die Altersrenten der AHV) erwähnt werden, bezieht sich die Initiative auch auf die Renten der IV, da Artikel 112 BV sowohl für die AHV als auch für die IV gilt. Bei einer Annahme der Initiative müsste geklärt werden, ob die Aufhebung der Rentenplafonierung bereits für laufende Renten oder nur für Neurentnerinnen und Neurentner angewandt werden soll. Der Initiativtext lässt diese Frage offen.
Die in der 10. AHV-Revision mit der Plafonierung als Ausgleichsmassnahmen eingeführten verschiedenen Sonderregelungen für Ehepaare (Beitragsbefreiung, Einkommensteilung, Verwitwetenzuschlag, Witwen- und Witwerrenten) werden von der Initiative nicht in Frage gestellt.
Mit der Übergangsbestimmung wird vorgesehen, dass der Bundesrat, sofern die gesetzlichen Ausführungsbestimmungen zu Artikel 112 Absatz 2 Buchstabe cbis BV drei Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände nicht in Kraft getreten sind, die Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg erlässt (Art. 197 Ziff. 15 Abs. 1 BV). Um die Gleichstellung verheirateter Versicherter mit den übrigen Versicherten zu gewährleisten, soll der Bundesrat in der Verordnung insbesondere bestimmen, dass die Summe der Renten verheirateter Versicherter nicht aufgrund ihres Zivilstandes gekürzt wird und dass verheiratete Versicherte, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, Beiträge bezahlen müssen (Abs. 2). Damit wird die Aufhebung der Beitragsbefreiung gefordert.
Absatz 2 der Übergangsbestimmung ist nur für den Bundesrat verbindlich und nur für eine Ausführungsregelung auf dem Verordnungsweg bis zum Inkrafttreten einer Gesetzesrevision. Sie ist nicht für den Gesetzgeber verbindlich, der somit nicht verpflichtet ist, die Beitragsbefreiung abzuschaffen. Findet die Gesetzesrevision innerhalb von drei Jahren nach Annahme der Initiative statt, so steht es dem Gesetzgeber frei, zusätzlich zur Aufhebung des Höchstbetrags der Summe der Einzelrenten eines Ehepaares (wie in Art. 112 Abs. 2 Bst. cbis zweiter Satz vorgeschrieben) weitere Massnahmen vorzusehen, um verheiratete Versicherte bei der Berechnung der ordentlichen Rente den anderen Versicherten gleichzustellen, wie z. B. die Aufhebung der Beitragsbefreiung.
Die in dieser Botschaft dargelegten Konsequenzen einer Abschaffung der Beitragsbefreiung bei Annahme der Initiative beruhen somit auf folgender alternativen Annahme: Entweder würde der Gesetzgeber frei entscheiden, diese Massnahme zu erlassen, oder der Bundesrat müsste bei Untätigkeit des Gesetzgebers diese Massnahme auf dem Verordnungsweg gemäss Artikel 197 Ziffer 15 Absatz 2 BV erlassen.

4 Würdigung der Initiative

4.1 Würdigung der Anliegen der Initiative

Gleichbehandlung von Ehepaaren und Konkubinatspaaren
Mit der aktuellen Regelung sind die AHV- und IV-Renten von Ehepaaren je nach Umständen aufgrund der Plafonierung niedriger als diejenigen von unverheirateten Paaren (vgl. Ausführungen in Kapitel 2). Diese Ungleichbehandlung soll mit der Initiative aufgehoben werden.
Das Gleichheitsgebot von Artikel 8 Absatz 1 BV bestimmt, dass jeder Mensch gleich geschützt ist und deshalb gleichbehandelt werden soll. Ziel des Gebots ist die Gleichbehandlung aller Personen durch staatliche Organe im Rahmen der Rechtsetzung und bei der Rechtsanwendung durch Verwaltungsbehörden und Gerichte. Das Gebot der Rechtsgleichheit wird verletzt, wenn ein Erlass rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Das Rechtsgleichheitsgebot ist insbesondere verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird, was beispielsweise zutrifft, wenn rechtliche Unterscheidungen getroffen werden, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn Unterscheidungen unterlassen werden, die aufgrund der Verhältnisse hätten getroffen werden müssen. Jede Differenzierung in vergleichbaren Situationen als auch jede Gleichbehandlung bei unterschiedlichen Sachverhalten muss sachlich begründet sein. ³6
Der Anspruch verheirateter Personen auf Gleichbehandlung mit Konkubinatspaaren ist nicht absolut, sondern er wird vom Bundesgericht unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des jeweiligen Regelungsbereichs beurteilt. Nach der zivilrechtlichen Ordnung umfassen die vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe namentlich ein gegenseitiges Erbrecht (Art. 462 ZGB), eine allgemeine Beistandspflicht (Art. 159 Abs. 3 ZGB) sowie eine eheliche Unterhaltspflicht (Art. 163 ZGB). Von einer rechtlichen Regelung des Konkubinates haben Gesetz- und Verordnungsgeber demgegenüber bislang abgesehen. Ehe und Konkubinat sind unterschiedliche Formen des Zusammenlebens mit unterschiedlichen Rechtswirkungen. Für die nur bei verheirateten Paaren und eingetragenen Partnerschaften gesetzlich verankerte Rentenplafonierung gibt es in einer Gesamtschau des Sozialversicherungsrechts sachliche Gründe.
Das Bundesgericht hat die Verfassungsmässigkeit der Rentenplafonierung mehrmals bestätigt und sie auch im Lichte der europäischen Menschenrechtskommission als konventionskonform beurteilt ³7 . Es kam zum Schluss, dass nicht von Übervorteilung oder gar Diskriminierung von Ehepaaren durch die Rentenplafonierung gesprochen werden könne und die nur für Ehepaare zum Tragen kommende Rentenplafonierung sachlich gerechtfertigt und mit dem Rechtsgleichheitsgebot vereinbar sei.
Rentenplafonierung und Sonderregelungen für Verheiratete
Mit der 10. AHV-Revision wurde die Einkommensteilung für Ehepaare eingeführt. Es wurde von der Überlegung ausgegangen, dass die Ehe eine wirtschaftliche Einheit darstellt und deshalb die während der Ehe bis zum ersten Versicherungsfall erzielten Einkommen hälftig geteilt und gegenseitig dem Konto der Ehepartnerin oder des Ehepartners gutgeschrieben werden sollen. Das hätte ohne weitere Massnahmen jedoch zu einem Abbau der Solidarität in der AHV/IV und einer Besserstellung von verheirateten Personen mit höheren Einkommen geführt, weshalb gleichzeitig die Plafonierung der Renten von Ehepaaren eingeführt wurde. Da die zuvor geltende Ehepaar-Altersrente 150 Prozent der einfachen Altersrente betrug, wurde die Plafonierungsgrenze bei 150 Prozent festgelegt. So wurden insgesamt trotz Einkommensteilung und Erziehungsgutschriften keine wesentlichen Mehrkosten generiert.
Diese Regelung führte seither öfters zu Diskussionen ³8 , insbesondere da heute ein Grossteil der verheirateten Personen von der Rentenplafonierung betroffen ist (in der Schweiz im Jahr 2023 gegen 90 Prozent) ³9 . Auch der Bundesrat hat sich bereits mehrmals dazu geäussert. Er war stets der Ansicht, dass Ehepaare trotz der Tatsache, dass sie aufgrund der Plafonierung geringere Renten als Konkubinatspaare erhalten, von verschiedenen Massnahmen profitieren, die den Nachteil der Plafonierung ausgleichen können. Obwohl die Plafonierung in der Bevölkerung oft als ungerecht empfunden wird, fanden auch verschiedene politische Vorstösse zum Thema keine Zustimmung. 4⁰ Ausschlaggebend dafür waren neben den finanziellen Aspekten auch das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Ausgleichsmassnahmen für verheiratete Personen in der AHV/IV und der Rentenplafonierung.
Die Gesellschaft hat sich seit der Einführung der aktuellen Regel der Rentenplafonierung zwar weiterentwickelt und die Familiensituation hat sich verändert, aber auch heute noch sind Männer und Frauen auf dem Arbeitsmarkt und bei den Löhnen nicht in einer gleichberechtigten Situation. Auch die ebenfalls mit der 10. AHV-Revision eingeführten Ausgleichsfaktoren, insbesondere die Einkommensteilung, spielen immer noch eine wichtige Rolle. Durch die Nutzbarmachung des Einkommens der anderen Partnerin oder des anderen Partners aufgrund der Einkommensteilung während den Ehejahren können verheiratete Personen mit geringem Einkommen insgesamt oft höhere Rentenbeträge generieren. In vielen Fällen steigt dadurch das AHV-Einkommen der schlechter verdienenden Person in der Ehe. Dabei handelt es sich überwiegend um Frauen. Zudem erhalten heute nur Ehepaare (oder Paare in eingetragener Partnerschaft) Witwen- und Witwerrenten sowie den Verwitwetenzuschlag.
Die Initiative geht von der Annahme aus, dass Ehepaare in der AHV und IV benachteiligt werden. Der Bundesrat hat sich mit Entscheid vom 26. Juni 2024 dafür ausgesprochen, die Volksinitiative abzulehnen. Er erachtet den sozialen Schutz von verheirateten Paaren als gut. Wie bereits unter Kapitel 2.3 dargelegt, ist die Sichtweise der Initiantinnen und Initianten zu eng. Ehepaare sind zwar wegen der Plafonierung bezüglich der Rentenhöhe schlechter gestellt als Unverheiratete. Diese Benachteiligung darf aber nicht isoliert betrachtet werden. Wenn man auch die anderen Leistungen der AHV berücksichtigt, stellt man fest, dass Ehepaare im Vergleich zu Konkubinatspaaren nicht benachteiligt sind. Sowohl die Plafonierung wie auch die Ausgleichsmassnahmen dürfen dabei nicht nur im Allgemeinen betrachtet werden. Es wird immer verheiratete Personen geben, die keine Massnahmen für Ehepaare nutzen können, deren Renten aber plafoniert werden. Auf der anderen Seite gibt es verheiratete Personen, die Ausgleichsmassnahmen beanspruchen, ohne dass ihre Rente plafoniert wird, weil sie unter der Plafonierungsgrenze liegt. Ferner bezieht sich bei den Altersrenten die Plafonierung nur auf den Zeitraum, in dem die Ehefrau und der Ehemann eine Altersrente beziehen. Statistisch gesehen beträgt die Mediandauer des gemeinsamen Rentenbezugs zwischen 14 (ältere Jahrgänge) und 17 Jahre (jüngere Jahrgänge). 4¹ Diese Dauer wird sich tendenziell verlängern, da die Lebenserwartung kontinuierlich steigt.
³6 Schweizer, Rainer J. / Fankhauser, Kim (2023). Gleichbehandlungsgebot (Abs. 1) In: Ehrenzeller, Bernhard / Egli, Patricia / Hettich, Peter / Hongler, Peter / Schindler, Benjamin / Schmid, Stefan G. / Schweizer, Rainer J. (Hrsg.): Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, Art. 8. Zürich: Dike, Rz 21 ff.
³7 BGE 140 I 77
³8 Motion der Mitte-Fraktion 16.3103 «Beseitigung der Heiratsstrafe auch in der AHV»; Postulat der FDP-Liberalen Fraktion 21.4430 «Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge?»; Postulat Grin 22.4476 «AHV-Renten für Ehepaare. Gleichberechtigung anstreben»; Parlamentarische Initiative Amaudruz 24.407 «Beseitigung der Diskriminierung von verheirateten Paaren bei den AHV-Renten».
³9 AHV-Statistik 2023.
4⁰ Volksinitiative «Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe» ( BBl 2013 8513 ); siehe auch Fussnote 39.
4¹ BSV (2023): Rentenregister 2023.

4.2 Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

Die Initiative sieht keine Finanzierung vor. Diesbezüglich müssten weitere politische Beschlüsse gefällt werden. Wenn die Initiative nicht innerhalb der vorgesehenen Frist von drei Jahren umgesetzt werden kann, muss der Bundesrat die notwendigen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg erlassen und in diesem Rahmen die Beitragsbefreiung für die nichterwerbstätige Ehepartnerin oder den nichterwerbstätigen Ehepartner abschaffen. Diese Massnahme würde im Vergleich zu den Kosten, die durch die Aufhebung der Plafonierung entstehen, nur geringe Mehreinnahmen bringen. Die Auswirkungen der Initiative auf einzelne Bevölkerungsgruppen sowie die Volkswirtschaft hängen jedoch auch von der Art der Finanzierung der Mehrkosten ab.

4.2.1 Auswirkungen auf die Sozialversicherungen

Auswirkungen auf die AHV
Die Aufhebung der Rentenplafonierung gemäss Initiative würde die AHV- und IV-Renten von verheirateten Personen mit einem gemeinsamen massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen der AHV von über 90 720 Franken (Stand 2025) erheblich verbessern. Sie hätte hingegen keine Auswirkungen auf Haushalte mit niedrigeren durchschnittlichen Einkommen oder auf die Renten von unverheirateten, verwitweten oder geschiedenen Personen.
Die Mehrausgaben für die AHV bei einer Aufhebung der Plafonierung für Ehepaare im Jahr 2030 würden sich bei einem Inkrafttreten der Vorlage am 1. Januar 2030 auf schätzungsweise rund 3,8 Milliarden Franken belaufen. Die Aufhebung der Beitragsbefreiung würde im Jahr 2030 zu Mehreinnahmen von schätzungsweise rund 200 Millionen Franken führen (siehe Tabelle 2).
Damit ergeben sich Nettokosten der Initiative von schätzungsweise rund 3,6 Milliarden Franken. Wie sich diese Kosten auf AHV- und Bundeshaushalt aufteilen, hängt von der künftigen Bemessung des Bundesbeitrags ab. Gemäss aktuell geltendem Recht übernimmt der Bundeshaushalt automatisch rund einen Fünftel des Mehrbedarfs. Mit der vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickten Entflechtung des Bundesbeitrags von den AHV-Ausgaben würde die Mehrbelastung ausschliesslich bei der AHV anfallen.
Tabelle 2 gibt einen Überblick über die finanziellen Auswirkungen im Jahr 2030, Tabelle 3 über die finanziellen Auswirkungen im Jahr 2035. Bei diesen Berechnungen sind die Auswirkungen der Initiative für eine 13. Altersrente bereits berücksichtigt.
Tabelle 2
Schätzung der finanziellen Auswirkungen der Initiative auf die AHV im Jahr 2030
Definitive Abrechnung 2023, zu Preisen von 2023
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Plafonds Mehrausgaben Mehreinnahmen Aufhebung Beitragsbefreiung Finanzierungsbedarf für die AHV Kosten Bund (20,2 % der Ausgaben Maximale Summe der beiden Renten eines Ehepaares pro Monat (im Jahr 2030)
Aufhebung 3843 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. 2852 Mio. Fr. 776 Mio. Fr. Fr. 5300.-
Tabelle 3
Schätzung der finanziellen Auswirkungen der Initiative auf die AHV im Jahr 2035
Definitive Abrechnung 2023, zu Preisen von 2023
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Plafonds Mehrausgaben Mehreinnahmen Aufhebung Beitragsbefreiung Finanzierungsbedarf für die AHV Kosten Bund (20,2 % der Ausgaben Maximale Summe der beiden Renten eines Ehepaares pro Monat (im Jahr 2035)
Aufhebung 4310 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 3220 Mio. Fr. 870 Mio. Fr. Fr. 5800.-
Auswirkungen auf die IV
Bei der IV entstünden mit der Initiative keine Mehrkosten. Wenn die Initiative am 1. Januar 2030 in Kraft treten würde, würden die Mehrausgaben für die IV-Renten im Jahr 2030 schätzungsweise 20 Millionen Franken betragen. Die Aufhebung der Beitragsbefreiung würde aber gleichzeitig zu Mehreinnahmen von schätzungsweise 40 Millionen Franken führen. Folglich würde die Initiative zu geschätzten Einsparungen bei der IV in Höhe von schätzungsweise rund 20 Millionen Franken im Jahr 2030 führen.
Ergänzungsleistungen (EL)
Die Aufhebung der Plafonierung der AHV-Renten für Ehepaare würde bei den EL Einsparungen bringen. Heute beziehen 31 000 verheiratete Paare EL zur AHV, davon 4000 mit mindestens einer Person im Heim. 4² Der Bundesrat schätzt, dass etwa 13 000 dieser Paare von der Aufhebung des Höchstbetrags der AHV-Renten betroffen wären. Bei der Mehrheit der Fälle würden die Rentenerhöhungen zu einer Senkung der Ergänzungsleistungen und bei einer kleinen Minderheit (rund 1800 Ehepaare) zu einem Verlust des EL-Anspruchs führen. Wenn die Initiative am 1. Januar 2030 in Kraft treten würde, würden die Einsparungen im Jahr 2030 schätzungsweise 30 Millionen Franken ausmachen, wovon 20 Millionen Franken auf den Bund und 10 Millionen Franken auf die Kantone entfallen würden.
Die Zahl der Paare, die EL zur IV beziehen und von der Aufhebung der Obergrenze der Renten betroffen wären, wird auf 400 geschätzt. Die Einsparungen für die EL bei einer Aufhebung der Obergrenze der IV-Rente würden sich somit auf weniger als eine Million belaufen.
Überbrückungsleistungen (ÜL)
Die Initiative hat keine finanziellen Auswirkungen auf die Überbrückungsleistungen.
Berufliche Vorsorge
Die Initiative hat keine finanziellen Auswirkungen auf die berufliche Vorsorge.
Unfallversicherung (UV)
Die Invalidenrenten werden gemäss UVG lebenslang ausgerichtet. Beim gleichzeitigen Bezug einer Rente der 1. Säule wird die Differenz zwischen 90 Prozent des versicherten Verdienstes und der Rente der 1. Säule in Form einer Komplementärrente gewährt (Art. 20 Abs. 2 UVG). Der Gesetzgeber wollte in der Unfallversicherung IV-Renten von insgesamt 90 Prozent des versicherten Verdiensts gewähren. Das bedeutet, dass sich die Komplementärrente des Unfallversicherers aufgrund der höheren AHV-Rente verringern würde, wenn die Plafonierung der Renten aufgehoben wird. Dies jedoch lediglich bei den echten Komplementärrenten, bei denen die Summe der AHV- und UV-Rente mehr als 90 Prozent des versicherten Verdienstes ausmachen. Bei den unechten Komplementärrenten machen die AHV- und die UV-Rente in der Summe weniger als 90 Prozent des versicherten Verdienstes aus und somit kürzt die Unfallversicherung die UV-Rente nicht, obschon die AHV-Renten neu höher ausfallen.
Militärversicherung (MV)
Sobald eine versicherte Person eine ganze Altersrente nach Artikel 40 Absatz 1 AHVG vorbezieht, spätestens jedoch ab Erreichen des Referenzalters nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG, wird die auf unbestimmte Zeit zugesprochene Invalidenrente als Altersrente auf der Hälfte des Jahresverdienstes ausgerichtet, welcher der Rente zugrunde liegt (Art. 47 Abs. 1 MVG). So gesehen hat eine Änderung der Plafonierungsregelung keine Auswirkungen auf die MV.
Erwerbsersatz (EO)
Die Initiative hat keinen finanziellen Effekt auf die Leistungen der EO, da die Leistungen der EO zivilstandsunabhängig erbracht werden. Die Aufhebung der Beitragsbefreiung würde aber zu Mehreinnahmen von schätzungsweise 12 Millionen Franken im Jahr 2030 führen.
Familienzulagen (FamZ)
Die Initiative hat keinen finanziellen Effekt auf die FamZ, da die Höhe der Zulagen unabhängig des Lohnes und des Einkommen oder der geleisteten Beiträge festgesetzt wird und weder das FamZG noch das FLG eine Plafonierung kennen.
Arbeitslosenversicherung (ALV)
Eine Annahme der Volksinitiative zur Abschaffung der Plafonierung der maximalen AHV-Rente auf 150 Prozent für Ehepaare hätte mit Blick auf den Zivilstand keine weiteren Effekte als jene, die in Kapitel 2.4 aufgeführt sind.
Die Volksinitiative würde sich hingegen auf die Höhe der Leistungen der Arbeitslosenversicherung für verheiratete Versicherte auswirken. Zum Tragen käme nämlich Artikel 18 c Absatz 1 AVIG. Altersleistungen der AHV würden von der Arbeitslosenentschädigung proportional zum Beschäftigungsgrad, mit dem sich die versicherte Person zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellt, abgezogen. Um eine Überentschädigung der Versicherten zu vermeiden, wäre auch die höhere 13. Rente von verheirateten Versicherten von diesem Abzug betroffen.
In der ALV werden bei arbeitslosen Personen die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmenden vom ausbezahlten Taggeld abgezogen. Die Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber hingegen werden vom Ausgleichsfonds der ALV übernommen (Art. 22 a Abs. 2 AVIG). Eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge würde zu zusätzlichen Ausgaben der ALV führen.
4² BSV (2023): EL-Register 2023.

4.2.2 Auswirkungen auf die privaten Haushalte

Im Jahr 2023 waren 40,3 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung verheiratet. 4³ Von den Personen, die eine Rente beziehen, waren 1,5 Millionen Personen, also rund 59 Prozent verheiratet. Mit der Aufhebung der Plafonierung der Renten für Ehepaare würden alle von der Plafonierung betroffenen aktuellen und neuen verheirateten Rentnerinnen und Rentner begünstigt.
Im Jahr 2023 betraf dies rund 374 000 verheiratete Paare von rund 423 000, die beide Altersrenten beziehen und in der Schweiz wohnhaft sind, was einem Anteil von 89 Prozent entspricht. Hinzu kommen in der Schweiz 1 000 verheiratete Paare von 3000, die beide IV-Renten beziehen, 4000 verheiratete Paare von 8000 bei denen eine Ehepartnerin oder ein Ehepartner eine Altersrente, die oder der andere eine IV-Rente bezieht. Insgesamt wären 380 000 Paare von 434 000 Paaren mit Wohnsitz in der Schweiz begünstigt, was einem Anteil von 87 Prozent entspricht. Es gibt rund 123 000 Paare mit zwei Renten, bei denen mindestens eine Partnerin oder ein Partner im Ausland wohnt. Von diesen Paaren wären gemäss Prognosen 41 Prozent, also 51 000 Paare von einer Aufhebung der Plafonierung begünstigt. Betrachtet man alle Paare unabhängig vom Wohnsitz, so kommt man insgesamt auf 557 000 Paare, bei denen beide eine Rente beziehen. Davon würden gemäss Prognosen 430 000 Paare von einer Aufhebung der Plafonierung profitieren. Dies entspricht 77 Prozent. 4⁴
Dieser hohe Prozentsatz ist darauf zurückzuführen, dass die Einkommensgrenze, ab der die Renten plafoniert werden, niedrig ist. Die Plafonierung gilt, sobald das jährliche massgebende durchschnittliche AHV-Gesamteinkommen eines Ehepaares 90 720 Franken übersteigt (Preisniveau 2025). Ehepaare, deren kumuliertes Einkommen diese Grenze nicht überschreitet, würden von der Initiative nicht profitieren, da ihre Renten bereits heute nicht plafoniert werden, ausser es liegen Beitragslücken vor und es besteht kein Anspruch auf eine Vollrente (vgl. Kap. 3).
4³ BFS: Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP).
4⁴ BSV (2023): Rentenregister 2023.

4.2.3 Auswirkungen auf die Wirtschaft

Eine Annahme der Initiative würde sich, durch die geforderten Anpassungen am Rentensystem, einerseits direkt auf die Wirtschaft auswirken. Andererseits wäre ein erheblicher Teil der Auswirkungen abhängig von den Massnahmen, die zur Gegenfinanzierung der zusätzlichen Ausgaben der AHV und IV getroffen würden.
Direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft
Durch die Aufhebung der Plafonierung würde das Einkommen von Ehepaaren mit einem massgebenden durchschnittlichen AHV-Gesamteinkommen von über 90 720 Franken (Stand 2025) in unterschiedlichem Ausmass erhöht.
Gemäss der Haushaltsbudgeterhebung des Bundesamtes für Statistik ⁴5 betrug der Anteil der Konsumausgaben am verfügbaren Einkommen (Konsumquote) bei Paaren über 65 Jahren in den Jahren 2018 bis 2019 89 Prozent. Haushalte mit Personen im Erwerbsalter verwendeten im Durchschnitt einen deutlich geringeren Einkommensanteil für Konsumausgaben (Einpersonenhaushalte: 77 %, Paare: 68 %; Paarhaushalte mit Kindern: 71 %). 374 000 Paare würden von der Deplafonierung (Stand 2023) und, damit verbunden, von einem Anstieg um bis zu einem Drittel des bisher plafonierten AHV-Einkommens profitieren. Aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Konsumquote dürfte ein signifikanter Teil des zusätzlichen Einkommens aus den Altersrenten für Konsumausgaben ausgegeben werden. Dies dürfte zu einer Stärkung des privaten Konsums führen, die sich grundsätzlich positiv auf das BIP-Wachstum auswirkt. Die erforderlichen Massnahmen zur Finanzierung der Zusatzleistungen wären demgegenüber mit negativen Auswirkungen auf das BIP-Wachstum verbunden. Die durch die Deplafonierung bedingten Veränderungen hätten bei der IV keine nennenswerten Auswirkungen. Für die 55 000 rentenbeziehenden Ehepaare, die aufgrund ihres tiefen Renteneinkommens nicht von einer Annahme der Initiative profitieren würden, wäre hingegen keine Veränderung der Konsumausgaben zu erwarten.
Gemäss der vom Bundesamt für Sozialversicherung in Auftrag gegebenen Studie von Demografik (vgl. Kap. 4.5) sind bei der Aufhebung der Plafonierung und der allfälligen Beitragsbefreiung nur geringfügige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu erwarten. Zwar könnte die Deplafonierung für Zweitverdienende mit einem Teilzeitpensum Anreize für eine stärkere Erwerbsbeteiligung setzen. Dies aufgrund der Motivation, das rentenbildende Einkommen zu steigern und später eine höhere, nicht mehr plafonierte Rente zu erhalten. Allerdings würden diese Anreize durch die höher anfallende, weiterhin zivilstandsabhängige Einkommensbesteuerung insbesondere bei Gutverdienenden weitgehend neutralisiert. Ebenfalls könnten Erwerbstätige, deren Renten bis anhin plafoniert worden wären, den Anreiz erhalten, ihr Arbeitspensum reduzieren oder sich früher aus dem Arbeitsmarkt zurückzuziehen. Denn aufgrund der Deplafonierung würde es möglich, mit einem geringeren Arbeitspensum eine gleich hohe Rente zu erzielen. Stärkere Anpassungen des Arbeitsmarktverhaltens wären bei jenen Personen zu erwarten, die vom Wegfall der Beitragsbefreiung betroffen sind. Obwohl der Anreiz zur Erwerbsbeteiligung für diese Personengruppe aufgrund der unmittelbaren Wahrnehmung einer wegfallenden Versicherung höher ausfallen dürfte, wird der gesamtwirtschaftliche Effekt aufgrund der vergleichsweise kleinen Anzahl betroffener Personen dennoch als gering geschätzt.
Von der Finanzierung abhängige Auswirkungen
Bei einer Annahme der Initiative müsste die Finanzierungsquelle für die hinzukommenden Ausgaben erst noch bestimmt werden. Je nach Finanzierungsmassnahme sind unterschiedliche Auswirkungen auf die Wirtschaft zu erwarten. Eine Finanzierung mittels Erhöhung der Mehrwertsteuer oder der von Arbeitnehmenden und Arbeitgebern geleisteten Beiträge (vgl. Kap. 4.3.4) hätte zur Folge, dass der zu erwartende positive Einfluss des höheren Konsums von rentenbeziehenden Ehepaaren wieder abgeschwächt würde.
Eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes hat überwiegend Auswirkungen auf das Preisniveau und die Kaufkraft der privaten Haushalte. Sie wird im Regelfall teilweise von den Unternehmen auf die Konsumentinnen und Konsumenten überwälzt, woraus eine Verteuerung der Preise für Waren und Dienstleistungen resultiert. In der Schweiz zeigte sich bei der Einführung der Mehrwertsteuer (MWST) 1995 und der Steuersatzerhöhung per 1. Januar 1999 zugunsten der AHV eine Überwälzung der Steuermehrbelastungen auf die Konsumentinnen und Konsumenten von 75 Prozent (1995) und 65 Prozent (1999). ⁴6 Falls Unternehmen die MWST-Erhöhung nicht vollständig überwälzen können, kann dies bei den Unternehmen in Branchen mit starker Konkurrenz den Druck auf die Margen erhöhen. Ausserdem kann die Erhöhung der Konsumentenpreise infolge der Erhöhung des MWST-Satzes höhere Lohnforderungen nach sich ziehen. Unternehmen, die von der MWST ausgenommene Leistungen erbringen, und Unternehmen, die nicht steuerpflichtig sind, können die MWST, die auf ihren Vorleistungen lastet, nicht als Vorsteuer in Abzug bringen. Sie sind somit mit einer Schattensteuer belastet. Aufgrund der genannten Auswirkungen auf den privaten Konsum und die Unternehmen wäre bei einer MWST-basierten Finanzierung zumindest vorübergehend von einer Dämpfung des Wirtschaftswachstums auszugehen. Für die Finanzierung der Kosten der Initiative wäre gemäss Schätzung eine Erhöhung der MWST um gut 0,8 Prozentpunkt nötig.
Eine Erhöhung der von Arbeitnehmenden und Arbeitgebern zu leistenden Beiträgen entspricht einer Verteuerung des Produktionsfaktors Arbeit. Die höheren Lohnstückkosten würden von Unternehmen entweder auf die Produktpreise oder die Nettolöhne überwälzt oder führten zu einer geringeren Arbeitsnachfrage. Unabhängig von der Art und Weise, wie die Unternehmen diese Mehrkosten kompensieren, dürften Effekte eintreten, die das BIP-Wachstum bremsen. Preissteigerungen führen dazu, dass die teureren Produkte weniger stark nachgefragt werden, und wirken sich dadurch negativ aus. Gleiches gilt für Reduktionen der bezahlten Nettolöhne: Sie führen zu einem verringerten verfügbaren Einkommen bei Beitragspflichtigen, wodurch deren Konsum und dadurch das BIP-Wachstum gebremst wird. Auch eine verminderte Nachfrage nach Arbeitskräften würde zu Einkommenseinbussen bei Arbeitnehmenden führen und den privaten Konsum entsprechend dämpfen. Wenn die zusätzlichen Kosten für die Aufhebung der Plafonierung und der Beitragsbefreiung durch eine Erhöhung der Beitragssätze finanziert würden, müssten die Beitragssätze um schätzungsweise 0,6 Prozentpunkte angehoben werden.
⁴5 Die Haushaltsbudgeterhebung des BFS kann im Internet abgerufen werden unter:
www.bfs.admin.ch > Statistiken > Wirtschaftliche und Soziale Situation der Bevölkerung > Einkommen, Verbrauch und Vermögen > Weiterführende Informationen > Tabellen (Stand: 22.01.2025).
⁴6 Vgl. Botschaft vom 25. Juni 2008 zur Vereinfachung der Mehrwertsteuer, BBl 2008 6885 , hier 7093 ff.

4.2.4 Auswirkungen auf Bund, Kantone, Gemeinden

Mit dem heutigen Finanzierungsmodus der AHV hätte eine Annahme dieser Initiative auch Auswirkungen auf die Bundesfinanzen. Der Bund leistet nach der geltenden Ordnung einen Beitrag an die AHV in der Höhe von 20,2 Prozent der jährlichen Ausgaben der Versicherung. Im Jahr 2030 würden sich bei einem Inkrafttreten der Vorlage am 1. Januar 2030 die Mehrausgaben der AHV aufgrund der Aufhebung der Plafonierung auf rund 3,8 Milliarden belaufen und der Bundesanteil entsprechend rund 770 Millionen Franken betragen. Im Jahr 2035 würden die Mehrausgaben der AHV aufgrund der Aufhebung der Plafonierung auf schätzungsweise rund 4,3 Milliarden belaufen und der Bundesanteil entsprechend schätzungsweise 870 Millionen Franken betragen. Mit der Vorlage zur Finanzierung der 13. AHV-Rente soll der Beitrag des Bundes auf 19,5 Prozent gesenkt werden. Bei einem Bundesanteil von 19,5 Prozent würde der Bundesanteil im Jahr 2030 schätzungsweise 750 Millionen Franken betragen. Nicht belastet würde der Bundeshaushalt bei einer Entflechtung, wie sie der Bundesrat im Rahmen des Entlastungspakets 2027 vorsieht (siehe Kap. 2.6).
Aufgrund der Auswirkungen der Initiative auf die Ergänzungsleistungen entstünden dem Bund im Jahr 2030 Minderausgaben in der Höhe von schätzungsweise 20 Millionen Franken. Für die Kantone würde dies gemäss Schätzungen eine Ausgabensenkung in der Grössenordnung von rund 10 Millionen Franken bedeuten.
Der Bundesbeitrag zu Gunsten der IV ist von der Initiative nicht betroffen, da der Bundesbeitrag zu Gunsten der IV an das Wachstum der Mehrwertsteuer gekoppelt ist.
Bund, Kantone und Gemeinden wären aber je nach Finanzierungsquelle (Beiträge) auch als Arbeitgeber betroffen.
Die zusätzlich an Ehepaare ausbezahlte Rentensumme ist einkommenssteuerpflichtig. Dadurch entstünden für Bund, Kantone und Gemeinden Mehreinnahmen. Diese sind relevant für die Bestimmung des zusätzlichen Finanzierungsbedarfs für die öffentliche Hand. Auf der Finanzierungsseite kann ein analoger Effekt entstehen. So würde eine Finanzierung der zusätzlichen Renten über höhere Lohnbeiträge die steuerbaren Einkommen der Erwerbstätigen reduzieren, was zu Einnahmeausfällen bei Bund, Kantonen und Gemeinden bei den Einkommenssteuern führen würde.

4.3 Vorzüge und Mängel der Initiative

4.3.1 Vergleich zwischen Ehepaaren und anderen Lebensgemeinschaften

Wenn die verschiedenen Sonderregelungen für Ehepaare wie die Einkommensteilung oder der Verwitwetenzuschlag beibehalten werden, würde durch die Initiative die Besserstellung von verheirateten Personen im Vergleich zu Personen in Konkubinaten sogar noch verstärkt. Wenn nur die Rentenplafonierung aufgehoben würde, würde dies zu einer hohen finanziellen Mehrbelastung für die AHV führen und käme Personen mit tieferem Einkommen nicht zugute. Denn wie unten erwähnt (vgl. Kap. 4.3.2), können Versicherte nur ab einem bestimmten Einkommensbetrag von einer Aufhebung der Plafonierung profitieren.
In anderen Sozialversicherungen wie beispielsweise in der UV und MV werden Ehepaare und unverheiratete Personen ebenfalls unterschiedlich behandelt: Nur die überlebende Ehepartnerin oder der überlebende Ehepartner hat Anspruch auf eine Rente oder Abfindung. Eine Änderung dieser Regelung ist nicht vorgesehen.

4.3.2 Besserstellung für verheiratete Personen, die eine Rente beziehen

Die Aufhebung der Plafonierung gemäss Initiative hätte hauptsächlich positive Auswirkungen auf Personen, die eine Rente beziehen und ein gemeinsames massgebendes durchschnittliches Jahreseinkommen der AHV von 90 720 Franken (Stand 2025) oder höher vorweisen. Je höher die Einkommen eines Ehepaares sind, desto grösser ist der Effekt der Aufhebung der Rentenplafonierung und umso höher fällt die einzelne Rente von verheirateten Paaren aus. Dies bedeutet, dass finanziell weniger gut gestellte Ehepaare von der Plafonierung nicht betroffen wären, da sie die Plafonierungsgrenze nicht erreichen.
Dies ist besonders problematisch, weil bei einer Finanzierung aus den klassischen Quellen (Erhöhung der Mehrwertsteuer oder des Beitragssatzes) erwerbstätige Personen mit tiefen Einkommen relativ stärker belastet würden. Trotz dieser tendenziell höheren Finanzierungslast für die unteren Einkommen würden verheiratete Personen mit tieferen Einkommen aber in keiner Weise von der Aufhebung der Rentenplafonierung profitieren, da sie die Plafonierungsgrenze nicht erreichen und ihre Rente auch mit der Aufhebung der Plafonierung nicht höher ausfallen würde. Verheiratete Rentnerinnen und Rentner, insbesondere jene mit höheren Einkommen, würden somit auf Kosten von Personen mit tiefen Einkommen höhere Leistungen beziehen. Ein solcher Finanzierungsfluss würde die Solidarität in der AHV schwächen.

4.3.3 Generationengerechtigkeit

Die Aufhebung der Rentenplafonierung wäre auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit problematisch.
Die AHV wird nach dem sogenannten Umlageverfahren finanziert. Dabei werden die laufenden Ausgaben mit den laufenden Einnahmen finanziert. Das bedeutet, dass die heutigen und die zukünftigen Erwerbstätigen im Verlauf der Zeit eine immer höhere Last zu tragen haben, damit nur schon das bisherige Leistungsniveau sichergestellt ist. Diese Lasten sind zudem höher als diejenigen, welche die Mehrheit der heutigen Rentnerinnen und Rentner während ihrer Erwerbstätigkeit tragen musste. Es kann deshalb unter dem Aspekt der Gerechtigkeit in Frage gestellt werden, ob die heutigen verheirateten Ehepaare, die eine Rente beziehen durch eine Aufhebung der Rentenplafonierung begünstigt werden sollen, obwohl sie kaum zur Finanzierung der dadurch entstehenden Mehrkosten beitragen würden.

4.3.4 Finanzierung

Die Initiative sieht keine Finanzierung vor. Eine Annahme der Initiative, ohne dass die Finanzierung geregelt ist, würde die finanzielle Stabilität der AHV erheblich gefährden, insbesondere in Anbetracht der Mehrkosten für die 13. Altersrente sowie den demografischen Herausforderungen für die AHV. Dieses Problem ist umso grösser, als die Initiative eine dreijährige Übergangsfrist vorsieht, indem sie den Bundesrat verpflichtet, die Initiative auch dann umzusetzen, wenn die Finanzierung in der Zwischenzeit (noch) nicht geregelt ist.
Bei einem Inkrafttreten der Initiative per 1. Januar 2030 würden sich die Mehrausgaben für die AHV infolge Aufhebung der Plafonierung im Jahr 2030 auf schätzungsweise rund 3,8 Milliarden Franken belaufen. Die Abschaffung der Beitragsbefreiung würde - wenn diese letzte Massnahme provisorisch auf Verordnungsweg oder vom Gesetzgeber eingeführt wäre - im Jahr 2030 zu Mehreinnahmen von schätzungsweise 200 Millionen Franken führen, was bei Weitem nicht ausreicht, um die durch die Aufhebung der Plafonierung verursachten Ausgaben zu finanzieren. Für den Bund entfielen im Jahr 2030 (unter der Annahme eines Bundesanteils von 20,2 Prozent der Ausgaben der AHV) zusätzliche Mehrausgaben von schätzungsweise 770 Millionen Franken. Im Jahr 2035 würde die Abschaffung der Plafonierung zu Mehrausgaben von schätzungsweise rund 4,3 Milliarden Franken führen, die Aufhebung der Beitragsbefreiung zu Mehreinnahmen von rund 220 Millionen Franken. Insgesamt käme es 2035 zu Mehrausgaben von rund 4,1 Milliarden Franken. Für den Bund entfielen Mehrausgaben von schätzungsweise 870 Millionen Franken.
Die AHV verfügt nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um die mit der Initiative verbundenen Kosten zu übernehmen. Die demografische Entwicklung stellt bereits eine Herausforderung für die finanzielle Stabilität der AHV dar, und die Einführung der 13. Altersrente wird die Situation verschärfen, wenn keine Finanzierung beschlossen wird. Zudem darf der AHV-Ausgleichsfonds in der Regel nicht unter den Betrag einer Jahresausgabe sinken. Diese Vorgabe ist in Artikel 107 Absatz 3 AHVG festgelegt. Auch der Bundeshaushalt vermag aus heutiger Sicht die Zusatzbelastung ohne Gegenfinanzierung nicht zu tragen. Bei einer Annahme der Initiative ist es somit unerlässlich, dass der Gesetzgeber die Modalitäten für die Finanzierung festlegt.
Würden die Mehrkosten der Aufhebung der Rentenplafonierung und der Beitragsbefreiung über eine Erhöhung der Beitragssätze finanziert, müssten diese um 0,6 Prozentpunkte erhöht werden, eine Finanzierung über die MWST würde gemäss Schätzungen zu einer Erhöhung um 0,8 Prozentpunkte führen.
Was die IV betrifft, so erfordert die Aufhebung der Plafonierungsgrenze keine zusätzliche Finanzierung, da diese Massnahme in Kombination mit der Abschaffung der Beitragsbefreiung zu einer Entlastung im Jahr 2030 von schätzungsweise rund 20 Millionen Franken führen dürfte.

4.3.5 Fazit

Die aktuelle Regelung zur Plafonierung der Rentenbetrifft heute eine Mehrzahl der verheirateten Rentnerinnen und Rentner (gegen 90 Prozent), wobei aber die Plafonierung der Altersrenten nur den Zeitraum betrifft, in dem beide Partner eine Altersrente erhalten.
Dennoch ist eine Aufhebung der Plafonierung für die Renten von verheirateten Personen, wie von der Initiative gefordert, angesichts der finanziellen Folgen für die AHV, der demografischen Entwicklung, der Einführung der 13. AHV-Rente und der fehlenden Finanzierung nicht in Betracht zu ziehen. Eine weitere Belastung durch höhere Lohnbeiträge oder einer Erhöhung der MWST ist sowohl für die Erwerbstätigen, insbesondere unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit, wie auch für die Arbeitgeber nicht angezeigt.
Die Aufhebung hätte bereits für Ehepaare mit einem gemeinsamen massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen der AHV ab 90 720 Franken (Stand 2025) positive Auswirkungen. Je höher jedoch das gesamte Einkommen des Ehepaares ist, desto grösser wäre der Effekt einer Aufhebung der Plafonierung. Eine Verbesserung der Renten für verheiratete Personen mit höheren Einkommen ist jedoch weder notwendig noch mit den finanziellen Zielen der AHV vereinbar.
Allerdings hat die Rentenplafonierung seit ihrer Einführung immer wieder zu Diskussionen geführt und wird in der Bevölkerung oft als ungerecht empfunden, wie die verschiedenen Vorstösse zu diesem Thema zeigen. ⁴7
Der Bundesrat hat deshalb zwei weitere Möglichkeiten geprüft, mit denen die geltende Regelung modifiziert und dem Anliegen der Initiantinnen und Initianten in gewisser Weise Rechnung getragen werden könnte.
⁴7 Siehe Fussnote 39.

4.4 Geprüfte Varianten

4.4.1 Erhöhung Plafonierung auf 170 Prozent

Die erste Variante, die analysiert wurde, sieht eine Erhöhung der Plafonierungsgrenze auf 170 Prozent vor. Die Einkommensteilung und der Witwen- und Witwerzuschlag würden beibehalten, die Beitragsbefreiung aufgehoben.
Heute wird die Rente eines Ehepaares mit einem gemeinsamen massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen der AHV von 90 720 Franken (Stand 2025) plafoniert und die Rente fällt dadurch tiefer aus. Dies entspricht einem durchschnittlichen massgebenden AHV-Einkommen von 7560 Franken pro Monat für das Paar oder 3780 Franken pro Monat und Person, wenn das Einkommen der beiden Personen gleich hoch ist. Durch die Erhöhung der Plafonierungsgrenze auf 170 Prozent der Maximalrente würde das gesamte durchschnittliche massgebende Jahreseinkommen der AHV, ab dem die Renten plafoniert werden, auf 126 000 Franken steigen (Rentensystem 2025). Mit dieser Erhöhung der Plafonierungsgrenze würden die Renten von 369 000 Personen (rund 184 000 Ehepaaren) neu nicht mehr plafoniert. Das entspricht 43 Prozent der Ehepaare, bei denen die Renten heute plafoniert werden.
Schätzungen zufolge würden sich die finanziellen Auswirkungen im Jahr 2030 auf rund 2,4 Milliarden Franken und im Jahr 2035 auf rund 2,75 Milliarden Franken belaufen. Die Einsparungen durch die Abschaffung der Beitragsbefreiung wären unverändert und würden sich Schätzungen zufolge im Jahr 2030 auf etwa 200 Millionen Franken und im Jahr 2035 auf etwa 220 Millionen Franken belaufen.
Für den Bund entfielen im Jahr 2030 bei einem Bundesanteil von 20,2 Prozent der Ausgaben der AHV zusätzliche Mehrausgaben von schätzungsweise 490 Millionen Franken.
Tabelle 4 gibt einen Überblick über die finanziellen Auswirkungen einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze auf 170 Prozent im Jahr 2030, Tabelle 5 über diejenigen im Jahr 2035.
Tabelle 4
Schätzung der finanziellen Auswirkungen einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze im Jahr 2030
Definitive Abrechnung 2023, zu Preisen von 2023
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Plafonds Mehrausgaben Mehreinnahmen Aufhebung Beitragsbefreiung Finanzierungsbedarf für die AHV Kosten Bund (20,2 % der Ausgaben
170 % 2449 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. 1740 Mio. Fr. 495 Mio. Fr.
Tabelle 5
Schätzung der finanziellen Auswirkungen einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze im Jahr 2035
Definitive Abrechnung 2023, Beiträge zu Preisen von 2023
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Plafonds Mehrausgaben Mehreinnahmen Aufhebung Beitragsbefreiung Finanzierungsbedarf für die AHV Kosten Bund (20,2 % der Ausgaben
170 % 2750 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 1970 Mio. Fr. 560 Mio. Fr.
Dieses Modell würde es zwar erlauben, den verheirateten Personen mit höheren AHV/IV-Renten entgegenzukommen. Allerdings bleiben die Kosten einer Anhebung der Plafonierung auf 170 Prozent beträchtlich. Angesichts der finanziellen Lage der AHV wäre - wie bei der vollständigen Aufhebung der Plafonierung - eine neue Massnahme nur mit einer entsprechenden Zusatzfinanzierung möglich.

4.4.2 Aufhebung der Plafonierung und Abschaffung von Vorteilen für verheirateten Neurentnerinnen und Neurentner (zivilstandsunabhängige Rente)

Ein weiteres Modell wurde analysiert. Es handelt sich um ein Modell, das auf eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge abzielt. Bei diesem Modell würde die Plafonierung für zukünftige verheiratete Rentnerinnen und Rentner aufgehoben, aber auch alle Vorteile für Ehepaare abgeschafft, mit Ausnahme der Hinterlassenenleistungen. Letztere sind bereits Gegenstand einer AHVG-Revision. Ebenfalls beibehalten würde die Einkommensteilung nach einer Scheidung. Da die heutigen verheirateten Rentnerinnen und Rentner bereits von einem erweiterten ehebedingten Schutz profitieren konnten, wäre es vertretbar, diese Änderungen nur auf zukünftige Renten anzuwenden. Andernfalls müssten auch alle Renten neu berechnet werden und würden je nach Umständen tiefer ausfallen als die bestehenden Renten, was mit Blick auf die Rechtssicherheit problematisch wäre.
Ein solches Modell wäre angesichts des gesellschaftlichen Wandels und generell der zunehmenden Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt grundsätzlich denkbar. Denn der spezifische Schutz für Verheiratete begünstigt vor allem Personen, die wenig erwerbstätig sind und sich stärker in der Erziehung engagieren (Beitragsbefreiung, Einkommensteilung) oder generell Personen mit tieferen Einkommen (Verwitwetenzuschlag). Verschiedene parlamentarische Vorstösse haben die Prüfung dieses Modells verlangt (vgl. Kap. 4.3.5).
Trotz der gesellschaftlichen Veränderungen seit Inkrafttreten der 10. AHV-Revision sind es aufgrund der Rollenverteilung in der Partnerschaft derzeit immer noch häufig die Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit reduzieren, um Erziehungs- oder Betreuungsaufgaben zu übernehmen, was de facto zu einem niedrigeren Einkommen führt.
Wie die in Kapitel 4.5 vorgestellte Studie zeigt, würde die Abschaffung der Einkommensteilung dazu führen, dass die AHV-Renten der jeweiligen weniger gutverdienenden Ehepartnerin oder des jeweiligen weniger gutverdienenden Ehepartners (also insbesondere der Frauen) sinken würden, da sie nicht mehr von der Hälfte des Einkommens der Ehepartnerin oder des Ehepartners profitieren könnten. Die Abschaffung des Verwitwetenzuschlags, der die Altersrente um 20 Prozent erhöht, solange die Maximalrente noch nicht erreicht ist, würde Personen mit geringem Einkommen ebenfalls stärker treffen.
Angesichts der Auswirkungen, die ein solches Modell auf die Versicherten hätte, insbesondere auf diejenigen, die in einer Partnerschaft am wenigsten verdienen, müsste seine Einführung von Ausgleichsmassnahmen begleitet werden, um die negativen Auswirkungen auf diejenigen abzumildern, die am meisten auf sozialen Schutz angewiesen sind, nämlich diejenigen, die ein niedriges Einkommen beziehen. Auch wenn die Einführung eines solchen zivilstandsunabhängigen Altersvorsorgemodells eine eingehende Prüfung verdient, sollten die damit verbundenen Änderungen nicht isoliert im Rahmen eines Gegenvorschlags zur Initiative umgesetzt werden. Stattdessen sollten sie im Rahmen einer umfassenderen Reform analysiert werden, um den nötigen Spielraum für die Umsetzung der notwendigen Anpassungen zu haben.

4.5 Zusammenfassung der in Verbindung mit dem Postulat der FDP-Liberalen Fraktion 21.4430 «Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge» durchgeführten Analyse

4.5.1 Einleitung

Am 18. März 2022 nahm der Nationalrat das am 15. Dezember 2021 von der FDP-Liberale Fraktion eingereichte Postulat 21.4330 «Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge?» an. Das Postulat beauftragt den Bundesrat, einen Bericht vorzulegen, in dem die Folgen der Einführung einer individuellen, vom Zivilstand völlig unabhängigen Altersvorsorge aufgezeigt werden.
Da die Volksinitiative auf die Abschaffung einer zivilstandsabhängigen Regelung abzielt, nämlich auf die Abschaffung der Plafonierung der Renten von Ehepaaren, ist es angebracht, im Rahmen dieser Botschaft eine Zusammenfassung der Analyse vorzulegen, die im Hinblick auf die Beantwortung des oben erwähnten Postulats durchgeführt wurde.

4.5.2 Modell einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge in der 1. Säule

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat das Kompetenzzentrum für Demografie (Demografik) in Basel beauftragt, die Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge zu untersuchen, das heisst die Einführung einer Individualisierung, bei der weder der Zivilstand noch die Form des Zusammenlebens (Konkubinat oder Ehe) für den Leistungsanspruch und die Beitragszahlung massgebend wären ⁴8 . Mit dem Mandat sollten die Effekte auf die Individualrenten der 1. und der 2. Säule quantifiziert werden können. Der Prognosehorizont reicht bis ins Jahr 2040. Die Studie enthält ausserdem eine Schätzung der mittelfristigen finanziellen Folgen für die 1. Säule auf Versicherungsebene, die aus den aggregierten Effekten der individuellen Rentenveränderungen berechnet wird. Die langfristigen Auswirkungen wurden hingegen nur qualitativ untersucht.
4.5.2.1 Beschreibung des Modells
Das Postulat der FDP-Liberalen Fraktion ⁴9 fordert, dass ein Modell einer vom Zivilstand völlig unabhängigen Altersvorsorge unter Wahrung der Kostenneutralität analysiert wird. Das heisst, dass eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge keine höheren Kosten verursachen darf als das aktuelle System. Die Unabhängigkeit vom Zivilstand und die Kostenneutralität sind aber nur dann vereinbar, wenn die Leistungen angepasst werden (z. B. minimale und maximale Rente). Werden die zivilstandsabhängigen Komponenten der Altersvorsorge abgeschafft, hat das automatisch höhere Kosten zur Folge.
Um die Effekte eines Wechsels von einer zivilstandsabhängigen zu einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge in der 1. Säule messen zu können, wurde ein Modell entwickelt, das den Fokus auf eine vom Zivilstand unabhängige Altersvorsorge legt. Dabei wird folglich in der AHV kein Unterschied mehr zwischen verheirateten, geschiedenen oder verwitweten oder ledigen Personen gemacht. Das Modell basiert auf folgenden Vorgaben:
-
Die Befreiung von der Beitragspflicht für nichterwerbstätige Ehepartner wird abgeschafft. Personen, die im Unternehmen der Ehepartnerin oder des Ehepartners arbeiten und kein Gehalt beziehen, sind ebenfalls betroffen, da sie ebenfalls als Nichterwerbstätige gelten.
-
Bei Entstehung des Rentenanspruchs wird das während der Ehe erzielte Einkommen nicht mehr zwischen dem Ehepaar aufgeteilt (keine Einkommensteilung). Die Rente wird somit ausschliesslich auf der Grundlage der Beitragsdauer und des persönlichen Einkommens jedes Versicherten berechnet.
-
Die Rentenplafonierung wird abgeschafft. Jede Ehepartnerin und jeder Ehepartner erhält also 100 Prozent ihrer oder seiner individuellen Rente, die das entsprechende Maximum im Jahr 2025 von 2520 Franken pro Monat erreichen kann, d. h. als Ehepaar insgesamt 5040 Franken.
-
Verwitwete Personen, die Anspruch auf eine Altersrente haben, haben keinen Anspruch mehr auf den Verwitwetenzuschlag von 20 Prozent auf den Betrag ihrer Rente.
-
Erziehungs- und Betreuungsgutschriften werden nicht mehr zwischen verheirateten Personen geteilt. Erziehungsgutschriften werden frei zwischen verheirateten Eltern aufgeteilt, während Betreuungsgutschriften der Person gewährt werden, die die Betreuungsarbeit tatsächlich leistet, und eventuell geteilt werden, wenn mehrere Personen dieselbe Person betreuen.
-
Renten für Pflegekinder, d. h. Renten, die gewährt werden, wenn die Kinder der Ehepartnerin oder des Ehepartners nach Entstehung des Anspruchs auf eine Altersrente betreut wurden, werden abgeschafft.
-
Die nichterwerbstätige Ehepartnerin oder der nichterwerbstätige Ehepartner einer Person, die im Ausland für den Bund oder für einen Arbeitgeber mit Sitz in der Schweiz arbeitet, hat nicht mehr die Möglichkeit, sich der obligatorischen AHV/IV/EO anzuschliessen. Unter bestimmten Bedingungen kann er sich der freiwilligen Versicherung anschliessen.
⁴9 21.4430 «Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge».
4.5.2.2 Abgrenzung des Modells
Hinterlassenenleistungen
Die Hinterlassenenrenten gehören zu einer separaten Leistungskategorie, die an das Risiko Tod und nicht an das Risiko Alter gebunden ist. Obwohl diese Renten heute zivilstandsabhängig sind, wurden sie im Rahmen der Studie nicht untersucht und sind somit nicht Bestandteil des Modells für eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge.
Die Hinterlassenenleistungen sollen den Verlust der finanziellen Unterstützung kompensieren, der durch den Tod eines Ehepartners oder eines Elternteils entsteht. Sie werden der verwitweten Person beim Tod der Ehepartnerin oder des Ehepartners gewährt, sofern der verstorbenen Person mindestens während eines vollen Beitragsjahres AHV-Beiträge angerechnet werden können.
IV-Leistungen
Die Effekte auf die Versicherten der IV wurden im Rahmen der Studie von Buchmann/Budliger/Unterhofer/Triolo/Bütler (2024) 5⁰ nicht quantifiziert, da die Altersvorsorge im Vordergrund stand.
5⁰ Buchmann, Manuel / Budliger, Hendrik / Unterhofer, Ulrike / Triolo, Lisa / Bütler, Monika (2024): Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge. Beiträge zur sozialen Sicherheit, Bern.
⁴8 Buchmann, Manuel / Budliger, Hendrik / Unterhofer, Ulrike / Triolo, Lisa / Bütler, Monika (2024): Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge, Beiträge zur Sozialen Sicherheit. Bern.

4.5.3 Unmittelbare Auswirkungen auf Versicherte in der 1. Säule

4.5.3.1 Übersicht
Tabelle 6 zeigt, dass von rund 2,5 Millionen Personen, die im Jahr 2023 eine Altersrente bezogen haben, rund 500 000 verwitwet sind. Rund 1,5 Millionen sind verheiratet, bei mehr als zwei Drittel der Verheirateten beziehen beide eine Rente (Verheiratete, 2. Fall), weshalb die Renten plafoniert werden können. Rund 200 000 Personen, also in etwa 8 Prozent aller Personen, die eine Rente beziehen, waren nie verheiratet oder in einer eingetragenen Partnerschaft.
Tabelle 6
Anzahl Personen, die 2023 eine Altersrente bezogen haben, nach Zivilstand
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Anzahl Renten Anteil
ledig 191 800 8 %
verheiratet, 1. Fall 397 200 16 %
verwitwet 486 400 19 %
geschieden/getrennt 373 500 15 %
verheiratet, 2. Fall 1 097 000 43 %
Alle 2 545 900 100 %
Verheiratete im 2. Fall bezeichnet alle Personen, die verheiratetet oder in einer eingetragenen Partnerschaft sind und beide eine Rente aus AHV oder IV beziehen. Bei verheirateten im 1. Fall bezieht die Partnerin oder der Partner (noch) keine AHV oder IV Rente.
5¹ BSV (2023): Rentenregister 2023.
4.5.3.2 Plafonierung
Die Plafonierung betrifft Renten der IV und der AHV. Tabelle 7 zeigt, dass die Renten von rund 87 Prozent aller verheirateten Personen, die zwei IV- oder Altersrenten beziehen und wovon beide in der Schweiz wohnen, plafoniert werden. Betrachtetet man nur Personen mit Altersrenten, steigt der Anteil plafonierter Renten auf 89 Prozent. Diese Renten wären im Durchschnitt ohne Plafonierung monatlich rund 300 Franken höher. Die Unterschiede nach Geschlecht sind klein.
Tabelle 7
Verheiratete 2. Fall mit Wohnsitz in der Schweiz nach Rentenart, 2023 (2001)
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AHV- oder IV-Rente Beide haben eine AHV-Rente
Anteil plafoniert 87 % (82 %) 89 % (83 %)
Durchschnittliche monatliche plafonierte Rente in Franken 1800 1800
Durchschnittlicher plafonierter Betrag in Franken 300 300
Schätzung: Nur Verheiratete, 2. Fall, d. h. Verheiratete, bei denen nur eine Person eine Rente bezieht, sind aus der Analyse ausgeschlossen, da ihre Renten nicht plafoniert werden.
5² BSV (2023): Rentenregister 2023.
4.5.3.3 Einkommensteilung
Bei rund zwei Dritteln, also 1,7 Millionen, der 2,5 Millionen Personen, die eine Altersrente beziehen, wurde eine Einkommensteilung durchgeführt (siehe Tabelle 8).
Tabelle 8
Anzahl Personen, die eine Altersrente beziehen, mit Einkommensteilung
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Wohnsitz Anteil mit Einkommensteilung Anzahl mit Einkommensteilung Total Renten
Schweiz 75 % 1 314 500 1 749 400
Ausland 45 % 359 600 796 400
Total 66 % 1 674 000 2 545 900
In einer Spezialauswertung wurden während mehreren Monaten für alle Rentenberechnungen mit neuer Einkommensteilung ebenfalls die hypothetischen Renten ohne Einkommensteilung berechnet. Insgesamt wurden so rund 43 000 Fälle von Altersrenten mit einer durchgeführten Einkommensteilung erfasst. Tabelle 9 basiert auf diesen Daten.
Tabelle 9
Hypothetische Renten in Franken ohne Einkommensteilung
5⁴
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Tatsächliche Rente mit Einkommensteilung Hypothetische Rente ohne Einkommensteilung Rentenunterschied ohne Einkommensteilung Anzahl erfasster Fälle
Männer verheiratet 1619 1834 214 20 159
verwitwet 1819 1886 67 373
geschieden/ getrennt 1704 1807 103 367
Alle 1624 1834 210 20 899
Frauen verheiratet 1523 1286 -237 19 586
verwitwet 2041 1829 -212 1 755
geschieden/ getrennt 1692 1467 -225 378
Alle 1568 1333 -234 21 719
Alle 1595 1579 -17 42 618
Um den Effekt der Einkommensteilung zu berechnen, muss man die Personen nach dem Zivilstand unterscheiden. Bei verheirateten ist der Effekt der Einkommensteilung begrenzt, weil die meisten Renten plafoniert sind. Eine Aufhebung der Einkommensteilung führt nur zu einer Umverteilung beim verheirateten Paar. Die gemeinsame Rente verändert sich kaum.
Geschiedene, Witwen und Witwer bilden keine wirtschaftliche Einheit mit der ehemaligen Partnerin oder dem ehemaligen Partner mehr. Ihre Renten werden nicht plafoniert. In der Gesamtbetrachtung profitieren Frauen von der Einkommensteilung, da ihre Einkommen im Durchschnitt niedriger sind als die der Männer.
5³ BSV (2023): Rentenregister 2023.
5⁴ BSV (2023): Sonderauswertung Rentenregister 2023.
4.5.3.4 Verwitwetenzuschlag
Rund 500 000 Personen, die eine Altersrente beziehen, sind verwitwet und haben demzufolge Anspruch auf einen Verwitwetenzuschlag von maximal 20 Prozent. Rund 80 Prozent der verwitweten Personen sind Frauen. 226 000 Frauen und 50 000 Männer erhalten den vollen Verwitwetenzuschlag von 20 Prozent. Wie in Tabelle 10 dargestellt, erhalten 117 000 Frauen und 44 000 Männer einen reduzierten Zuschlag, weil sie die Maximalrente ihrer Skala erreichen. Rund 32 000 Frauen und 17 000 Männer erhalten keinen Zuschlag, weil sie bereits am Maximum ihrer Rentenskala sind. Der durchschnittliche Zuschlag beträgt zwischen 80 und 360 Franken (Tabelle 11). 5⁵
Tabelle 10
Anzahl verwitweter Personen, die eine Altersrente beziehen, Effekt der Zuschläge, Dezember 2023
⁵6
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Geschlecht Wohnsitz Kein Effekt: Bereits am Maximum Teileffekt: Erreicht Maximum Voller Effekt
Frau Schweiz 28 800 99 500 139 500
Ausland 3 400 17 000 86 600
Mann Schweiz 12 600 33 600 24 600
Ausland 3 900 10 800 25 900
Tabelle 11
Durchschnittlicher Witwen-/Witwerzuschlag in Franken bei Personen, die eine Altersrente beziehen
⁵7
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Geschlecht Wohnsitz Kein Effekt: Bereits am Maximum der jeweiligen Rentenskala Teileffekt: Erreicht Maximum der jeweiligen Rentenskala Voller Effekt
Frau Schweiz 0 260 360
Ausland 0 170 100
Mann Schweiz 0 240 360
Ausland 0 120 80
5⁵ BSV (2023): Rentenregister 2023.
⁵6 BSV (2023): Rentenregister 2023.
⁵7 BSV (2023): Rentenregister 2023.
4.5.3.5 Beitragsbefreiung der nichterwerbstätigen Ehepartnerinnen und Ehepartner
Eine Schätzung der beitragsbefreiten Personen kann vorgenommen werden, wenn die beitragspflichtige ständige Wohnbevölkerung (21-63-jährige Frauen, 21-64-jährig Männer) mit den tatsächlichen beitragszahlenden Personen gemäss individuellen Konten der AHV verglichen wird. Personen der ständigen Wohnbevölkerung im Erwerbsalter (ohne Diplomaten), die keine oder zu tiefe Beiträge zahlen, um die Beitragspflicht zu erfüllen, sind potenziell beitragsbefreit. Bei ihnen wird ermittelt, wer verheiratet ist und ob die Ehepartnerin oder der Ehepartner den doppelten Mindestbeitrag zahlt. Im Jahr 2020 waren rund 238 000 Personen (5 % der ständigen Wohnbevölkerung im Alter von 21-64 Jahren) beitragsbefreit, wenn auch diejenigen mitgezählt werden, die aus einer Erwerbstätigkeitweniger als den Mindestbeitrag bezahlt haben. Bei den Frauen war die Anzahl mit knapp 200 000 deutlich höher als bei den Männern (39 000). Während die Anzahl mitversicherter Männer leicht ansteigt, ist bei den Frauen ein Rückgang zu verzeichnen (siehe Tabelle 12).
Tabelle 12
Anzahl und Anteil beitragsbefreiter Personen der ständigen Wohnbevölkerung im Alter von 21-64 Jahren, 2010-2022
⁵8
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Jahr Männer Frauen Total
Anzahl In %* Anzahl In %* Anzahl In %*
Beitragsbefreit sind Personen ohne IK-Eintrag oder mit zu tiefem IK-Eintrag (unterhalb Mindestbeitrag)
2010 33 000 1 % 221 000 9 % 253 000 5 %
2015 36 000 1 % 221 000 9 % 257 000 5 %
2020 39 000 1 % 198 000 8 % 238 000 5 %
*in % der Wohnbevölkerung im Alter von 21-63 Jahren (Frauen) und 21-64 Jahren (Männer).
⁵8 STATPOP und AHV-IK Daten, eigene Berechnungen des Bundesamts für Sozialversicherungen.
4.5.3.6 Gutschriften
Die Mehrheit der rund 1,7 Millionen Personen, mit einer Altersrente und Gutschriften haben Anspruch auf Erziehungsgutschriften und nur rund 8350 Versicherte können Betreuungsgutschriften anrechnen lassen. Die Altersrente von Personen mit Erziehungsgutschriften ist im Durchschnitt zwischen 50 und 100 Franken höher als sie ohne Gutschriften wäre. Bei den Betreuungsgutschriften fällt die Rente im Durchschnitt 100 bis 150 Franken höher aus.

4.5.4 Mittelfristige Auswirkungen auf Versicherte in der 1. Säule

In den folgenden Kapiteln werden die mittelfristigen Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge der 1. Säule analysiert. Die hier präsentierten Ergebnisse basieren auf der Studie von Buchmann/Budliger/Unterhofer/Triolo/Bütler (2024). ⁵9
4.5.4.1 Generelle Auswirkungen
Die Effekte einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge auf die Versicherten hängen im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Dem eigenen massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen sowie dem massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen der Ehepartnerin und dem Ehepartner. Beim Wegfall der Einkommensteilung verbessert sich grundsätzlich die Situation der Personen, die während der Ehe mehr verdienen als ihre Ehepartnerin oder ihr Ehepartner. Für Personen, die während der Ehe weniger verdienen als ihre Ehepartnerin oder ihr Ehepartner, verschlechtert sich die Situation. Ausgenommen sind Ehepaare, bei denen beide Personen das maximale durchschnittliche Jahreseinkommen der Rententabellen 6⁰ erreichen, da in diesem Fall ohnehin beide Personen die Maximalrente erhalten. Wird der Haushalt als Gesamtheit betrachtet, resultieren in vielen Fällen keine Unterschiede, da die besserverdienende Person in dem Umfang profitiert, in dem die geringer verdienende Person verliert. Dies ist jedoch nur der Fall, solange die Ehe nicht geschieden wird. Im Falle einer Scheidung erleidet die weniger verdienende Person grosse Verluste. Beim blossen Wegfall der Plafonierung gibt es hingegen keine Personen, deren Rente sich reduziert. Alle Ehepaare, die im aktuellen System nicht von der Plafonierung betroffen sind, verzeichnen keine Veränderung. Alle Ehepaare, deren Renten aktuell plafoniert werden, gewinnen. Dies sind eher gutverdienende Ehepaare, bei denen beide Personen erwerbstätig sind. Beim Wegfall des Verwitwetenzuschlags ist das Gegenteil der Fall. Bei einer Streichung dieser Leistung verlieren alle. Es verlieren insbesondere Witwen mit tiefen Einkommen. Da die Renten von Verwitweten ohnehin nicht plafoniert werden, gibt es für diese Personen auch keine positiven Effekte, die den Wegfall der Leistung kompensieren könnten. Nicht erwerbstätige Ehepartnerinnen und Ehepartner müssen im Falle eines Wegfalls der Beitragsbefreiung einen jährlichen Beitrag an die AHV entrichten. Die Höhe der Beiträge hängt vom gemeinsamen Vermögen und allfälligem Renteneinkommen ab. Die Beiträge können sich auf die Rentenhöhe auswirken.
6⁰ 89 496 Franken im Jahr 2040 (vgl. Buchmann/Budliger/Unterhofer/Triolo/Bütler 2024).
4.5.4.2 Effekte auf Individualebene
Eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge wirkt sich je nach Zusammensetzung des Haushalts unterschiedlich aus. So hat u. a. die Beitragsdauer, der Bildungsgrad und das Vorhandensein von Kindern einen Einfluss darauf, ob jemand profitiert oder verliert. Weiter sind die Effekte davon abhängig, ob die beobachteten Personen verheiratet, geschieden oder verwitwet sind. Die Effekte einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge werden im Folgenden anhand von fünf Haushaltskonstellationen gezeigt. Abgebildet sind verheiratete Paare mit unterschiedlichem Ausbildungsgrad, mit und ohne Kinder. Bei den ersten vier Haushalten wird eine vollständige Beitragsdauer von 44 Jahren angenommen, wobei die gesamte Erwerbskarriere in der AHV versichert ist. Beim letzten Haushalt wird von einer Beitragsdauer von 38 Jahren und von sechs Jahren ohne Versicherung in der AHV ausgegangen. Es sind dies die häufigsten Haushaltskonstellationen und es werden damit knapp zwei Drittel aller Schweizer Haushalte abgedeckt. Für die Berechnungen wird ein Renteneintritt im Jahr 2040 angenommen. Der Rentenentwicklung wurde wie folgt Rechnung getragen. Sie wurde auf dem Preisniveau des Jahres 2019 unter Einhaltung eines konstanten Preisniveaus, d. h. unter der Ausklammer von Inflationseffekten berechnet: Die prognostizierte Minimalrente beträgt im Jahr 2040 1243 Franken und die Maximalrente 2486 Franken. 6¹
Für die Berechnung der Auswirkungen wurde der Wegfall der Einkommensteilung, der Plafonierung und des Verwitwetenzuschlags quantifiziert.
Auswirkungen auf ein verheiratetes Paar
Unter den quantitativ analysierten Versicherungselementen wirken sich bei einem verheirateten Paar nur der Wegfall der Einkommensteilung und der Plafonierung aus. Der Verwitwetenzuschlag kommt hier nicht zum Tragen. Die monatlichen Rentenveränderungen unterscheiden sich je nach Haushaltstyp und zwischen den Geschlechtern stark (siehe Tabelle 13). Die hauptverdienenden Personen, im Durchschnitt sind dies aktuell Männer, profitieren in beinahe allen Haushaltstypen durch den Wegfall der Einkommensteilung. Durch den Wegfall der Plafonierung vergrössert sich der Gewinn der Männer weiter. Frauen verlieren beim Wegfall der Einkommensteilung und der Plafonierung häufig, was auf den Wegfall der Einkommensteilung zurückzuführen ist. Trotz diesen Umverteilungen weisen 60 Prozent der Haushaltskonstellationen im Durchschnitt keine oder kaum Verluste auf. Allerdings wären im Falle einer Scheidung viele der von Verlusten betroffenen Frauen potenziell armutsgefährdet. 6²
Tabelle 13
Auswirkungen auf die häufigste Haushaltskonstellation des Wegfalls der Plafonierung und der Einkommensteilung auf ein verheiratetes Paar (in Franken). Monatliche Renten (in Franken) bei Renteneintritt im Jahr 2040
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Bezeichnung Rente Mann Effekt Mann Rente Frau Effekt Frau Effekt Haushalt
Verheiratetes Paar mit sekundärer Ausbildung und Kindern Zivilstandsabhängig 1874 1856
Zivilstandsunabhängig 2401 527 1989 133 660
Verheiratetes Paar mit sekundärer Ausbildung ohne Kinder Zivilstandsabhängig 1875 1855
Zivilstandsunabhängig 2268 393 1835 -20 373
Verheiratetes Paar, Frau sekundäre / Mann tertiäre Ausbildung, mit Kindern Zivilstandsabhängig 1858 1871
Zivilstandsunabhängig 2486 628 2041 170 798
Verheiratetes Paar mit tertiärer Ausbildung und Kindern Zivilstandsabhängig 1865 1865
Zivilstandsunabhängig 2486 621 2257 392 1013
Verheiratetes Paar mit Beitragslücken, primärer Ausbildung und Kindern Zivilstandsabhängig 1620 1601
Zivilstandsunabhängig 1810 190 1482 -119 71
Effekte im Falle einer Scheidung
In einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge werden die Einkommen von Ehepaaren nicht mehr geteilt. Die Renten hängen nur noch von den eigenen Einkommen ab. Renten von geschiedenen Personen werden bereits unter geltendem Recht nicht plafoniert. Die blosse Aufhebung der Plafonierung hat also keinen Einfluss bei einem geschiedenen Ehepaar. Aus Tabelle 14 wird aber ersichtlich, dass ein Wegfall der Einkommensteilung zu einer Umverteilung der Renten von der Frau zum Mann führt. Die Rente der Frau sinkt in dem Umfang, wie die des Mannes steigt.
Tabelle 14
Auswirkungen auf die häufigste Haushaltskonstellation des Wegfalls der Einkommensteilung auf ein geschiedenes Paar (in Franken). Monatliche Renten (in Franken) bei Renteneintritt im Jahr 2040
6⁴
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Bezeichnung Rente Mann Effekt Mann Rente Frau Effekt Frau
Geschiedenes Paar mit sekundärer Ausbildung und Kindern Zivilstandsabhängig 2205 2184
Zivilstandsunabhängig 2371 166 2018 -166
Geschiedenes Paar mit sekundärer Ausbildung ohne Kinder Zivilstandsabhängig 2073 2051
Zivilstandsunabhängig 2260 187 1864 -187
Geschiedenes Paar, Frau sekundäre / Mann tertiäre Ausbildung, mit Kindern Zivilstandsabhängig 2383 2400
Zivilstandsunabhängig 2573 190 2210 -190
Geschiedenes Paar mit tertiärer Ausbildung und Kindern Zivilstandsabhängig 2486 2486
Zivilstandsunabhängig 2576 90 2396 -90
Paar mit Beitragslücken, primärer Ausbildung und Kindern Zivilstandsabhängig 1685 1665
Zivilstandsunabhängig 1836 151 1514 -151
Bei Verwitwung
In Tabelle 15 ist der Wegfall der Einkommensteilung sowie des Verwitwetenzuschlags dargestellt. In allen Paarkonstellationen ergeben sich negative Effekte für die verwitwete Person. Die negativen Effekte sind in den allermeisten Fällen für die Frauen am höchsten und gehen bis über 800 Franken pro Monat im Fall eines kinderlosen Paares, in dem die Frau einen primären und der Mann einen tertiären Bildungsabschluss hat 6⁵ . Die negativen Effekte übersteigen, insbesondere für Frauen, oft die 20 Prozent des Verwitwetenzuschlags, da in diesem Modell nebst dem Verwitwetenzuschlag auch die Einkommensteilung wegfällt und bei Wegfall dieser Komponente die Frauen im Durchschnitt die Verliererinnen sind.
Tabelle 15
Auswirkungen auf die häufigste Haushaltskonstellation des Wegfalls der Einkommensteilung und des Verwitwetenzuschlags auf verwitwete Personen (in Franken). Monatliche Renten (in Franken) bei Renteneintritt im Jahr 2040
6⁶
Tabelle vergrössern
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Bezeichnung Rente Mann Effekt Mann Rente Frau Effekt Frau
Ehemaliges Paar mit sekundärer Ausbildung und Kindern Zivilstandsabhängig 2486 2486
Zivilstandsunabhängig 2401 -85 1989 -497
Ehemaliges Paar mit sekundärer Ausbildung ohne Kinder Zivilstandsabhängig 2486 2461
Zivilstandsunabhängig 2268 -218 1835 -626
Ehemaliges Paar, Frau sekundäre / Mann tertiäre Ausbildung, mit Kindern Zivilstandsabhängig 2486 2486
Zivilstandsunabhängig 2486 0 2041 -445
Ehemaliges Paar mit tertiärer Ausbildung und Kindern Zivilstandsabhängig 2486 2486
Zivilstandsunabhängig 2486 0 2257 -229
Paar mit Beitragslücken, primärer Ausbildung und Kindern Zivilstandsabhängig 2022 1998
Zivilstandsunabhängig 1810 -212 1482 -516
6¹ Buchmann, Manuel / Budliger, Hendrik / Unterhofer, Ulrike / Triolo, Lisa / Bütler, Monika (2024): Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge. Beiträge zur sozialen Sicherheit, Bern, S. 40.
6² Ebd. S. 35.
6³ Ebd. S. 40, 44, 48, 51 und 54.
6⁴ Ebd. S. 43, 47, 50, 53 und 56.
6⁵ Buchmann, Manuel / Budliger, Hendrik / Unterhofer, Ulrike / Triolo, Lisa / Bütler, Monika (2024): Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge. Beiträge zur sozialen Sicherheit, Bern, S. 98.
6⁶ Ebd. S. 42, 46, 50, 53 und 55.
4.5.4.3 Auswirkungen auf die Gesellschaft
Die Anspruchsvoraussetzungen auf Leistungen ändern mit einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge markant. Vor allem der Wegfall der Schutzmechanismen der Altersvorsorge hat grosse Auswirkungen, massgeblich auf Frauen.
Allgemein sind Verhaltensänderungen in einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge nur schwer zu prognostizieren. Ein Einflussfaktor, der die möglichen Effekte einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge dämpft, ist das oft nicht vorhandene Verständnis über die Altersvorsorgeregelungen, wie eine Studie in sieben europäischen Ländern gezeigt hat. ⁶7 Bei Änderungen der Bestimmungen der Altersvorsorge haben betroffene Personen häufig auch weder ihre Erwartungen noch ihr Verhalten angepasst. Dies gilt insbesondere für Personen mit tieferer Bildung und Personen, die auch vor den Veränderungen im Rentensystem kein grosses Wissen von den Regeln der Altersvorsorge besessen haben. Es existiert starke Evidenz dafür, dass allgemein weniger auf Anreize reagiert wird, wenn die Regelungen und Konsequenzen nicht leicht verständlich sind. ⁶8 Dies kann auf die Schweizer Altersvorsorge übertragen werden, da auch sie eine gewisse Komplexität beinhaltet. ⁶9
Verhalten am Arbeitsmarkt
Die Studie von Buchmann/Budliger/Unterhofer/Triolo/Bütler (2024) 7⁰ kommt zum Schluss, dass Frauen und Männer ihr Verhalten auf dem Arbeitsmarkt in einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge kaum anpassen würden. So erhöhen insbesondere Frauen deswegen kaum ihr Erwerbspensum.
Es kann sein, dass Zweitverdienende durch den Wegfall der Plafonierung Anreize haben, ihr Erwerbseinkommen zu steigern. Gleichzeitig hat die Aufhebung der Plafonierung aber den gegenläufigen Anreiz, die Erwerbstätigkeit einzuschränken, da bei einem tieferen Einkommen die gleiche Rente ausbezahlt wird. Ein solcher Effekt wurde in Deutschland bei der Erhöhung der Mütterrente beobachtet. 7¹ Insbesondere bei Gutverdienenden sind Steueranreize viel wichtiger und im Vergleich zur Rente besser vermittelbar, da sie sich sofort auswirken und die Rente aus der 1. Säule für Gutverdienende ohnehin eher nebensächlich ist. Einzig Personen, die bereits im erwerbsfähigen Alter verwitwet sind, dürften möglicherweise ihr Arbeitspensum erhöhen. Die grössten Anpassungen werden jedoch von den in der Studie von Buchmann/Budliger/Unterhofer/Triolo/Bütler (2024) 7² konsultierten Expertinnen und Experten in der ersten Säule bei der Beitragsbefreiung erwartet, da neu starke Anreize für die nichtarbeitende Person geschaffen werden, auch in den Arbeitsmarkt einzusteigen.
Die Studie geht im Hauptszenario davon aus, dass eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge in einer mittleren Frist keine Auswirkungen auf das Arbeitsmarktverhalten der Bevölkerung hat. Als Alternativszenario wird davon ausgegangen, dass als Konsequenz des Wegfalls der Beitragsbefreiung verheiratete Nichterwerbstätige öfter eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Von der Aufhebung der Einkommensteilung, des Verwitwetenzuschlags und der Plafonierung wird auch im Alternativszenario kein Arbeitsmarkteffekt erwartet. Es wird im Alternativszenario angenommen, dass 20 Prozent aller verheirateten, nichterwerbstätigen Frauen zum Zeitpunkt der Einführung der Reform eine Erwerbstätigkeit aufnehmen und ein Einkommen erzielen, das dem Durchschnittseinkommen ihrer Bevölkerungsgruppe entspricht. Dies ist eine sehr starke Reaktion und stellt daher wohl eher eine obere Grenze für die tatsächlich zu erwartenden Verhaltensänderungen im Alternativszenario dar.
Die Auswirkungen einer solchen Erhöhung der Erwerbstätigkeit sind wie bereits erwähnt gering. Unter den getroffenen Annahmen steigt die Rente von verheirateten Frauen mit voller Beitragsdauer, sekundärer Ausbildung und Kindern aufgrund der Arbeitsmarkteffekte im Durchschnitt um 7 Franken. 7³ Die Rente von Frauen mit Beitragslücken, tertiärer Ausbildung ohne Kinder steigt im Durchschnitt um 30 Franken. 7⁴
Eheschliessungs- und Scheidungsverhalten
Die Aufhebung der verschiedenen Versicherungselemente wirkt sich unterschiedlich auf das Eheschliessungs- und Scheidungsverhalten aus. Allgemein wird die finanzielle Absicherung durch die Ehe in einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge geschwächt und die Aufhebung der Einkommensteilung, der Beitragsbefreiung und des Verwitwetenzuschlags verringern den Anreiz zu heiraten. Dies gilt vor allem für die geringverdienende Partnerin oder den geringverdienenden Partner oder für Personen, die zeitweise aus dem Arbeitsmarkt austreten wollen. Jedoch wird, wenn überhaupt, ein minimaler Effekt auf die Heiratswahrscheinlichkeit erwartet. Die Grösse der Effekte ist überschaubar und für die Betroffenen weit in der Zukunft, da während der Ehe in der Regel das Haushaltseinkommen und -vermögen relevant ist. Ferner bietet der Sozialstaat Systeme der sozialen Absicherung (z. B. Ergänzungsleistungen), sodass eine Absicherung durch Eheschliessung für viele Personen vermutlich zweitrangig ist. 7⁵
Entfällt die Plafonierung, verstärkt dies den Anreiz zur Eheschliessung für Paare, deren Renten plafoniert würden. Es ist aber zu berücksichtigen, dass bereits heute die überwiegende Mehrheit der zusammenlebenden Paare im Rentenalter verheiratet sind.
Gleichstellung der Geschlechter
Mit einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge kommt es zu einer Umverteilung von der geringer verdienenden zur besserverdienenden Person. Da es in den meisten Fällen Frauen sind, die weniger verdienen, erhöht eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge die finanzielle Diskrepanz der AHV-Renten zwischen Mann und Frau. Der Wegfall der Einkommensteilung für die Berechnung der AHV-Renten führt dazu, dass lediglich bezahlte Arbeit für die zukünftige Rentenhöhe relevant ist. Der einzige Ausgleich besteht darin, dass Erziehungs- und Betreuungsgutschriften nicht mehr von Gesetzes wegen geteilt werden. Da dieser Effekt vom Wegfall der Einkommensteilung völlig überschattet wird und viele Frauen insgesamt hohe Verluste erleiden, verliert die Betreuungsarbeit in der 1. Säule an Wert. Frauen sind davon besonders betroffen, da sie im Durchschnitt mehr als 60 Prozent mehr Haus- und Familienarbeit leisten. Insbesondere bei Scheidung oder Verwitwung kann dies zu prekären finanziellen Situationen führen. 7⁶
Fazit
Von einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge würde vor allem die meistverdienende Person in der Ehe profitieren. Dabei handelt es sich überwiegend um verheiratete Männer. Dies liegt daran, dass sie im Durchschnitt mehr verdienen als ihre Ehepartnerinnen und durch den Wegfall der Einkommensteilung ihr ganzes Einkommen in die Berechnung ihrer AHV-Rente einfliessen würde. Im Gegenzug würden weniger gutverdienende Personen beim Wegfall der Einkommensteilung verlieren. Dabei handelt es sich überwiegend um verheiratete Frauen. Die Umverteilung von den Frauen zu den Männern wird umso grösser, je mehr sich die Erwerbseinkommen unterscheiden. Dies bedeutet, dass insbesondere Personen verlieren, deren Ehepartnerin oder Ehepartner wesentlich mehr verdient als sie selbst. Sind die Renten verhältnismässig niedrig oder werden die Renten nicht oder nur wenig plafoniert, ergibt dies für die Frau einen negativen monatlichen Effekt auf ihre AHV-Rente, da der Gewinn durch die Plafonierung den Verlust durch die Einkommensteilung nicht aufwiegt. Viel deutlicher sind die Effekte im Falle einer Scheidung: In diesem Fall würden die Renten der Männer in dem Umfang steigen, als die Renten der Frauen sinken. Viele der von Verlusten betroffenen Frauen wären potenziell armutsgefährdet. Im Falle einer Verwitwung würden alle verlieren, jedoch verlören Geringverdienende am meisten. Bei der Aufhebung der Plafonierung würden die Renten aller verheirateten Personen mit plafonierten Renten steigen. Geringverdienende oder alleinstehende Personen, deren Rente nicht plafoniert wird, würden nicht von den Änderungen profitieren.
Als Reaktion auf eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge dürften die Versicherten ihr Verhalten nicht oder nur minimal anpassen. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass Frauen in höherem Umfang erwerbstätig wären. Geht man hingegen davon aus, dass Frauen eine starke Verhaltensänderung im Arbeitsmarkt zeigen, hätte dies nur minimale Auswirkungen auf die Rentenhöhe. Die Verluste durch die Aufhebung der Einkommensteilung könnten nicht ausgeglichen werden.
⁶7 Bucher-Koenen, Tabea / Ferrari, Irene / Pettinicchi, Yuri (2019): The role of pension knowledge in labour supply decisions. Evidence from Europe. Echnical report, Nespar Discussion Paper 11.
⁶8 Chetty, Raj / Kroft, Kory / Looney, Adam (2009): Salience and taxation. Theory and evidence. American economic review, 99(4), 1145-1177.
⁶9 Buchmann, Manuel / Budliger, Hendrik / Unterhofer, Ulrike / Triolo, Lisa / Bütler, Monika (2024): Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge. Beiträge zur sozialen Sicherheit, Bern, S. 87.
7⁰ Ebd. S. 88.
7¹ Artmann, Elisabeth / Fuchs-Schündeln, Nicola / Giupponi, Giulia (2023): Forward-Looking Labor Supply Responses to Changes in Pension Wealth. Evidence from Germany.
7² Buchmann, Manuel / Budliger, Hendrik / Unterhofer, Ulrike / Triolo, Lisa / Bütler, Monika (2024): Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge. Beiträge zur sozialen Sicherheit, Bern, S. 67.
7³ Ebd. S. 72.
7⁴ Ebd. S. 71.
7⁵ Ebd. S. 83.
7⁶ Ebd. S. 84.
⁵9 Buchmann, Manuel / Budliger, Hendrik / Unterhofer, Ulrike / Triolo, Lisa / Bütler, Monika (2024): Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge. Beiträge zur sozialen Sicherheit, Bern.

4.5.5 Auswirkungen auf die Versicherung

4.5.5.1 Auswirkungen auf AHV
Wie die Studie von Buchmann/Budliger/Unterhofer/Triolo/Bütler (2024) 7⁷ ergeben hat, hätte eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge klar negative Auswirkungen auf die Finanzierung der AHV. Die einzelnen Versicherungselemente wirken sich jedoch unterschiedlich aus und haben positive oder negative Effekte. Die Effekte sind auch nicht konstant, sondern verändern sich mit der Zeit. Dies ergibt sich einerseits aus demografischen Gründen, andererseits aufgrund der gestaffelten Wirkung einiger Versicherungselemente. Die folgende Abbildung zeigt die Effekte auf das Umlageergebnis der AHV. Die Berechnungen basieren aus Gründen der Datenverfügbarkeit auf einem hypothetischen Inkrafttreten im Jahr 2019 und auf dem Preisniveau von 2019:
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
Aus der Abbildung ist ersichtlich, dass die Aufhebung der Plafonierung einen klar negativen Effekt hat. Der Effekt wirkt sich unmittelbar ab Inkrafttreten der Reform aus, da neben neuen Renten auch bereits laufende Renten erhöht werden. Im Jahr des Inkrafttretens beträgt der Effekt auf die AHV bereits rund 3 Milliarden Franken. Der Effekt nimmt jährlich zu, da die Anzahl an Pensionierten mit dem demografischen Wandel und der Pensionierung der Babyboomer schnell wächst. Im Jahr 2030 betragen die Mehrausgaben für die AHV rund 3,7 Milliarden Franken und im Jahr 2040 rund 4,3 Milliarden Franken ⁷8 . Andere Komponenten haben einen positiven Effekt auf die AHV, vermögen aber den Verlust durch die Aufhebung der Plafonierung nicht auszugleichen. So hat ein Wegfall der Beitragsbefreiung einen positiven Effekt auf das Umlageergebnis der AHV. Im Jahr 2030 führt der Wegfall dieser Versicherungselemente zu Mehreinnahmen von rund 246 Millionen Franken und im Jahr 2040 zu Mehreinnahmen von rund 247 Millionen Franken ⁷9 . Die Aufhebung der Einkommensteilung hat einen kleinen, aber positiven Effekt. Im Jahr 2030 betragen die Mehreinnahmen rund 12 Millionen Franken und im Jahr 2040 rund 69 Millionen Franken 8⁰ . Beim Verwitwetenzuschlag werden im Jahr 2030 rund 898 Millionen Franken und im Jahr 2040 rund 1,4 Milliarden Franken an Mehreinnahmen anfallen. 8¹
7⁷ Ebd. S. 61 ff.
⁷8 Ebd. S. 61. Der Prognosehorizont der Quantifizierung reicht in der Studie bis 2040. Projektionen über zehn Jahre hinaus sind mit Unsicherheit behaftet und können erheblich revidiert werden.
⁷9 Ebd. S. 61. Der Prognosehorizont der Quantifizierung reicht in der Studie bis 2040. Projektionen über zehn Jahre hinaus sind mit Unsicherheit behaftet und können erheblich revidiert werden.
8⁰ Ebd. S. 61. Der Prognosehorizont der Quantifizierung reicht in der Studie bis 2040. Projektionen über zehn Jahre hinaus sind mit Unsicherheit behaftet und können erheblich revidiert werden.
8¹ Ebd. S. 61. Der Prognosehorizont der Quantifizierung reicht in der Studie bis 2040. Projektionen über zehn Jahre hinaus sind mit Unsicherheit behaftet und können erheblich revidiert werden.
4.5.5.2 Auswirkungen auf die IV
Eine zivilstandsunabhängige Altersvorsorge würde sich auch auf die IV auswirken. Da die AHV und die IV eine gemeinsame Versicherung bilden, muss die Aufhebung der Plafonierung, der Einkommensteilung und der Beitragsbefreiung auch bei der IV übernommen werden.
4.5.5.3 Auswirkungen auf die EL
Die Auswirkungen einer zivilstandsneutralen Altersvorsorge auf die EL lassen sich ebenfalls nur qualitativ einschätzen. Im Jahr 2022 hatten 12,3 Prozent der Personen im Rentenalter Anspruch auf EL. Bei den verheirateten Personen liegt dieser Anteil bei 6,1 Prozent. Der Anteil an Frauen mit EL-Bezug ist über alle Alterskohorten hinweg höher als für Männer. Bei verheirateten Personen dürfte sich der Anspruch auf EL in den meisten Fällen nicht ändern, da der Anspruch über das gemeinsame Einkommen und Vermögen berechnet wird. Ein Wegfall der Einkommensteilung für Verheiratete stellt bis auf wenige Ausnahmen in erster Linie eine Umverteilung zwischen Ehepartnerinnen und Ehepartnern dar. Ein Wegfall der Plafonierung könnte in wenigen Fällen dazu führen, dass die EL gesenkt oder der Anspruch verloren geht. Dies hätte Einsparungen für die EL zur Folge.
Grössere Effekte sind bei verwitweten und geschiedenen Personen zu erwarten. Diese hätten durch den Wegfall der Einkommensteilung und des Verwitwetenzuschlags oft eine tiefere AHV-Rente zur Verfügung als bisher. Der Anteil an verwitweten und geschiedenen Rentnerinnen und Rentnern, die EL beziehen, dürfte deswegen mit einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge steigen. Besonders betroffen wären Frauen, da diese im Status Quo im Durchschnitt weniger verdienen und in einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge durchschnittlich tiefere Renten hätten. Insgesamt dürften die Kosten der EL wahrscheinlich steigen. 8²
8² Ebd. S. 80.

4.5.6 2. Säule

Die berufliche Vorsorge enthält drei wesentliche zivilstandsabhängige Elemente: den Vorsorgeausgleich bei Scheidung, die Hinterlassenenleistungen und damit verbunden den Umwandlungssatz. Die Studie von Demografik 8³ hat sich bei der Analyse der beruflichen Vorsorge auf eine Betrachtung der individuellen Ebene beschränkt. Eine Betrachtung der Versicherungsebene brächte vor dem Hintergrund der Komplexität der beruflichen Vorsorge, sprich dem fast unbegrenzten Möglichkeitsraum hinsichtlich des Leistungsniveaus im Überobligatorium, keinen Mehrwert.
Vorsorgeausgleich bei Scheidung
Nach geltendem Recht werden bei einer Scheidung oder Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft die während der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft erworbenen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge geteilt. Diese Regelung würde bei einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge hinfällig.
Ein Wegfall des Vorsorgeausgleichs bei Scheidung führt allgemein zu höheren Renten bei der Ehepartnerin oder dem Ehepartner, die oder der während der Ehe ein höheres Guthaben in der beruflichen Vorsorge sparen konnte und zu tieferen Renten bei der Ehepartnerin oder dem Ehepartner, die oder der während der Ehe ein geringeres Guthaben äufnen konnte. Häufig verfügen Frauen aufgrund von Erziehungs- und Teilzeitarbeit über geringere Guthaben in der beruflichen Vorsorge als Männer. Die Studie hat gezeigt, wie intuitiv zu erwarten, dass ein Wegfall des Vorsorgeausgleichs bei Scheidung im Durchschnitt zu höheren Renten für geschiedene Männer zu Ungunsten geschiedener Frauen führen würde. 8⁴ Je nach Haushaltstyp können die Veränderungen substanziell sein. Die Studienautorinnen- und autoren schätzen für den häufigsten Haushaltstyp einen Rentenzugewinn beziehungsweise Rentenverlust von durchschnittlich 787 Franken pro Monat. 8⁵
Hinterlassenenleistungen und Umwandlungssatz
Nach geltendem Recht hat die überlebende Ehepartnerin oder der überlebende Ehepartner einen Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente, wenn sie oder er beim Tod der Ehepartnerin oder des Ehepartners für den Unterhalt mindestens eines Kindes aufkommen muss, oder sie oder er älter ist als 45 Jahre und die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert hat. Die überlebende Ehepartnerin oder der überlebende Ehepartner, die oder der keine dieser Voraussetzungen erfüllt, hat Anspruch auf eine einmalige Abfindung in der Höhe von drei Jahresrenten. Die eingetragene Partnerschaft ist der Ehe gleichgestellt. Die Pensionskassen sind reglementarisch aber häufig weniger restriktiv als das Gesetz und verzichten auf gewisse Voraussetzungen wie die Dauer der Ehe, das Alter oder den Kinderunterhalt. Die gesetzliche Regelung würde bei einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge aus den obligatorischen Leistungen wegfallen.
Das BVG-Obligatorium sieht eine anwartschaftliche Ehepaaraltersrente von 60 Prozent der Altersrente vor, die entsprechend auch im Rentenumwandlungssatz abgebildet wird. Die Analyse von Demografik 8⁶ zeigt, dass diese Risikokomponente 0,5 Prozentpunkte (0,11 für Frauen und 0,67 für Männer) beträgt und auf den versicherungstechnischen Grundlagen BVG 2020 basiert. Um überhaupt einen Renteneffekt schätzen zu können, geht die Studie von Buchmann/Budliger/Unterhofer/Triolo/Bütler (2024) 8⁷ davon aus, dass die Abschaffung der Hinterlassenenleistungen einen positiven, proportionalen Effekt auf den Umwandlungssatz hätte. In der Vorsorgepraxis dürfte ein solcher Effekt kaum zu beobachten sein. Gerade BVG-nahe Kassen dürften die durch die Abschaffung der Hinterlassenenleistungen freiwerdenden Mittel vielmehr für die Deckung von Rentenumwandlungsverlusten heranziehen. Im Übrigen stünde es den Pensionskassen frei, überobligatorisch weiterhin reglementarische Hinterlassenenleistungen anzubieten. Der Renteneffekt wird hier also modellbedingt stark überschätzt.
Aufgrund ihrer durchschnittlich tieferen Guthaben in der beruflichen Vorsorge verlieren Frauen und Witwen auch beim Wegfall der Hinterlassenenleistungen am meisten. Im häufigsten Haushaltstyp beliefe sich der geschätzte Verlust auf monatlich durchschnittlich 1300 Franken. 8⁸ Der Effekt wäre also substanzieller als derjenige in Bezug auf den Wegfall des Vorsorgeausgleichs bei Scheidung.
Fazit
Ein Wegfall der zivilstandsabhängigen Versicherungselemente in der beruflichen Vorsorge könnte zu substanziellen Rentenzugewinnen oder -verlusten führen. Allgemein würden bei einem Wegfall des Vorsorgeausgleichs bei Scheidung die besserverdienenden Ehepartnerinnen oder Ehepartner profitieren, während die schlechterverdienenden Ehepartnerinnen oder Ehepartner verlieren. Gewinne und Verluste auf individueller Ebene gleichen sich jeweils aus. Von einem Wegfall der Hinterlassenenleistungen würden allgemein Nichtverheiratete und die nicht verwitweten Bezügerinnen und Bezüger einer Rente aus der beruflichen Vorsorge profitieren, während Verwitwete, deren Ehepartnerin oder Ehepartner eine Altersrente bezog, Renteneinbussen erfahren würden. Gewinne und Verluste auf individueller Ebene gleichen sich hier nur theoretisch aus, über eine proportionale Erhöhung des Umwandlungssatzes. In der Praxis dürften die Vorsorgeeinrichtungen die freiwerdenden Mittel aber zur Deckung von Rentenumwandlungsverlusten heranziehen, weshalb dieser Wirkungskanal in der Studie überschätzt wird. Zudem sind die Pensionskassen im überobligatorischen Bereich frei, weiterhin zivilstandsabhängige Komponenten anzubieten.
8³ Ebd. S. 3.
8⁴ Ebd. S. 43 ff.
8⁵ Ebd. S. 43 und 47 ff.
8⁶ Ebd. S. 3.
8⁷ Ebd.
8⁸ Ebd. S. 42.

4.6 Verschiedene Plafonierungsgrenzen und ihre Auswirkungen

Heute liegt die Plafonierungsgrenze bei 150 Prozent des Höchstbetrages der Altersrente. Als möglicher indirekter Gegenvorschlag hat der Bundesrat eine Erhöhung der Plafonierungsgrenze auf 170 Prozent geprüft. Nachfolgend werden die Auswirkungen der verschiedenen weiteren möglichen Plafonierungsgrenzen aufgezeigt.
Tabelle 16 gibt einen Überblick über die finanziellen Auswirkungen einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze auf 160 Prozent bis zur vollständigen Aufhebung der Plafonierung mit Abschaffung der Beitragsbefreiung im Jahr 2030, Tabelle 17 im Jahr 2035. Der Prozentsatz von 20,2 Prozent für den Bundesbeitrag soll zudem im Zuge der Finanzierung der 13. Altersrente gesenkt werden:
Tabelle 16
Schätzung der finanziellen Auswirkungen einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze im Jahr 2030 (für neue und für laufende Renten)
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Plafonds Mehrausgaben Mehreinnahmen Aufhebung Beitragsbefreiung Finanzierungsbedarf für die AHV Bundesbeitrag (20,2 % der Ausgaben)
Aufhebung 3843 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. 2852 Mio. Fr. 776 Mio. Fr.
190 % 3597 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. 2656 Mio. Fr. 727 Mio. Fr.
180 % 3154 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. 2302 Mio. Fr. 637 Mio. Fr.
170 % 2449 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. 1740 Mio. Fr. 495 Mio. Fr.
160 % 1388 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. 893 Mio. Fr. 280 Mio. Fr.
150 % - - - -
Tabelle 17
Schätzung der finanziellen Auswirkungen einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze im Jahr 2035 (für neue und für laufende Renten)
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Plafonds Mehrausgaben Mehreinnahmen Aufhebung Beitragsbefreiung Finanzierungsbedarf für die AHV Bundesbeitrag (20,2 % der Ausgaben)
Aufhebung 4310 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 3220 Mio. Fr. 870 Mio. Fr.
190 % 4030 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 3000 Mio. Fr. 810 Mio. Fr.
180 % 3540 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 2600 Mio. Fr. 720 Mio. Fr.
170 % 2750 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 1970 Mio. Fr. 560 Mio. Fr.
160 % 1560 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 1020 Mio. Fr. 320 Mio. Fr.
150 % - - - -
Tabelle 18 zeigt die jeweiligen Auswirkungen einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze für Ehepaare auf die maximale AHV-Rente und die Höhe des durchschnittlichen jährlichen Gesamteinkommens im Jahr 2030:
Tabelle 18
Auswirkungen einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze für Ehepaare im Jahr 2030 (für neue und für laufende Renten)
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Plafonds Maximale Summe der beiden Renten eines Ehepaares pro Monat in Franken (Skala 44) Durchschnittliches Jahreseinkommen in Franken während Beitragszeit des Ehepaares
Aufhebung 5300 190 800
190 % 5035 172 250
180 % 4770 151 050
170 % 4505 132 500
160 % 4240 111 300
150 % 3975 95 400
Je höher die Plafonierungsgrenze, desto stärker ist die Verbesserung für höhere Einkommen, aber desto höher fallen auch die Kosten aus.
Mit einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze auf 160 Prozent der Maximalrente würde im Jahr 2030 die Einkommensgrenze für ein Ehepaar, ab der die Renten plafoniert werden, von 95 400 auf 111 300 Franken steigen. Mit dieser Erhöhung der Plafonierungsgrenze würden die Renten von 163 000 Personen (rund 81 000 Ehepaaren) nicht mehr plafoniert. Das entspricht 19 Prozent der Ehepaare, bei denen die Renten heute plafoniert werden.
Mit einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze auf 180 Prozent würde im Jahr 2030 die Einkommensgrenze für ein Ehepaar, ab der die Renten plafoniert würden, auf 151 050 Franken steigen. Mit dieser Erhöhung der Plafonierungsgrenze würden die Renten von 550 000 Personen (rund 275 000 Ehepaaren) neu nicht mehr plafoniert. Das entspricht 64 Prozent der Ehepaare, bei denen die Renten heute plafoniert werden
Mit einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze von 190 Prozent würde im Jahr 2030 die Einkommensgrenze für ein Ehepaar, ab der die Renten plafoniert würden, auf 172 250 Franken steigen. Mit dieser Erhöhung der Plafonierungsgrenze würden die Renten von 671 000 Personen (rund 335 000 Ehepaaren) neu nicht mehr plafoniert. Das entspricht 78 Prozent der Ehepaare, bei denen die Renten heute plafoniert werden.
Würde die Plafonierungsgrenze nur für neue Renten erhöht und die Beitragsbefreiung aufgehoben, hätte dies jeweils folgende finanzielle Auswirkungen für die AHV (siehe Tabelle 19 für das Jahr 2030 und Tabelle 20 für das Jahr 2035):
Tabelle 19
Schätzung der finanziellen Auswirkungen einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze im Jahr 2030 (nur für neue Renten)
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Plafonds Mehrausgaben Mehreinnahmen Aufhebung Beitragsbefreiung Finanzierungsbedarf für die AHV Bundesbeitrag (20,2 % der Ausgaben)
Aufhebung 334 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. 52 Mio. Fr. 67 Mio. Fr.
190 % 314 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. 36 Mio. Fr. 63 Mio. Fr.
180 % 278 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. 7 Mio. Fr. 56 Mio. Fr.
170 % 217 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. -41 Mio. Fr. 44 Mio. Fr.
160 % 124 Mio. Fr. 214 Mio. Fr. -115 Mio. Fr. 25 Mio. Fr.
Tabelle 20
Schätzung der finanziellen Auswirkungen einer Erhöhung der Plafonierungsgrenze im Jahr 2035 (nur für neue Renten)
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Plafonds Mehrausgaben Mehreinnahmen Aufhebung Beitragsbefreiung Finanzierungsbedarf für die AHV Bundesbeitrag (20,2 % der Ausgaben)
Aufhebung 1610 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 1060 Mio. Fr. 330 Mio. Fr.
190 % 1510 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 980 Mio. Fr. 310 Mio. Fr.
180 % 1330 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 840 Mio. Fr. 270 Mio. Fr.
170 % 1040 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 610 Mio. Fr. 210 Mio. Fr.
160 % 590 Mio. Fr. 220 Mio. Fr. 250 Mio. Fr. 120 Mio. Fr.

4.7 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

4.7.1 Instrumente der Vereinten Nationen

Der Internationale Pakt vom 16. Dezember 1966 ⁸9 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist für die Schweiz am 18. September 1992 in Kraft getreten. In Artikel 9 sieht er das Recht einer und eines jeden auf soziale Sicherheit vor; diese schliesst die Sozialversicherungen ein.
⁸9 SR 0.103.1

4.7.2 Instrumente der Internationalen Arbeitsorganisation

Die Schweiz hat das Übereinkommen Nr. 128 vom 29. Juni 1967 9⁰ über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene am 13. September 1977 ratifiziert. Für die drei Risiken definiert das Übereinkommen den gedeckten Versicherungsfall und bezeichnet die zu schützenden Personen, die Leistungsvoraussetzungen sowie die Höhe und die Dauer der Leistungen. Es sieht weiter im Teil V (Berechnung der regelmässig wiederkehrenden Zahlungen) vor, dass der Betrag der laufenden Barleistungen nach erheblichen Änderungen in der allgemeinen Verdiensthöhe oder nach erheblichen Änderungen in den Lebenshaltungskosten zu überprüfen ist (Art. 29 Abs. 1).
9⁰ SR 0.831.105

4.7.3 Instrumente des Europarates

Die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 9¹ wurde am 16. September 1977 von der Schweiz ratifiziert. Die Schweiz hat unter anderem die Teile V, IX und X über die Leistungen bei Alter, Invalidität und an Hinterbliebene angenommen. Diese Teile definieren den gedeckten Versicherungsfall und legen die zu schützenden Personen, die Anspruchsvoraussetzungen sowie die Höhe und die Dauer der Leistungen fest. Die Europäische Ordnung sieht zudem im Teil XI (Berechnung der regelmässig wiederkehrenden Zahlungen) vor, dass der Betrag der laufenden Zahlungen nach namhaften Änderungen in der allgemeinen Verdiensthöhe, die sich aus namhaften Änderungen in den Lebenshaltungskosten ergeben, zu überprüfen ist (Art. 65 Abs. 10). Schliesslich regelt die Ordnung im Teil XII (Gemeinsame Bestimmungen) die Finanzierung der Sozialversicherungssysteme, indem sie die Staaten verpflichtet, erforderlichenfalls dafür zu sorgen, dass die notwendigen versicherungstechnischen Untersuchungen und Berechnungen über das finanzielle Gleichgewicht vor jeder Änderung der Leistungen, der Sätze der Versicherungsbeiträge oder der zur Deckung der in Betracht kommenden Fälle in Anspruch genommenen Steuern angestellt werden (Art. 70 Abs. 3).
9¹ SR 0.831.104

4.7.4 Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die Personenfreizügigkeit und Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA)

Die EU hat zwecks Erleichterung der Personenfreizügigkeit Regelungen zur Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit geschaffen. Die Schweiz nimmt seit dem Inkrafttreten des Abkommens vom 21. Juni 1999 9² zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) am 1. Juni 2002 an diesem Koordinierungssystem teil. Das EU-Recht sieht keine Harmonisierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Die Mitgliedstaaten der EU können die Einzelheiten ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unter Beachtung der im Folgenden genannten europarechtlichen Koordinierungsgrundsätze selbst festlegen. Dies gilt aufgrund des Übereinkommens vom 4. Januar 1960 9³ zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) auch in den Beziehungen zwischen der Schweiz und den übrigen EFTA-Staaten.
Die Schweiz wendet aufgrund des FZA mit der EU sowie des EFTA-Übereinkommens die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 9⁴ und die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 9⁵ an. Diese beiden Verordnungen bezwecken einzig die Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit und stützen sich auf die entsprechenden internationalen Koordinierungsgrundsätze, insbesondere die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien mit den eigenen Staatsangehörigen, die Aufrechterhaltung der erworbenen Ansprüche und die Auszahlung von Leistungen im ganzen europäischen Raum.
9² SR 0.142.112.681
9³ SR 0.632.31
9⁴ Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1, in der für die Schweiz verbindlichen Fassung ( SR 0.831.109.268.1 ).
9⁵ Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 284 vom 30.10.2009, in der für die Schweiz verbindlichen Fassung ( SR 0.831.109.268.11 ).

4.7.5 Fazit: Vereinbarkeit mit dem internationalen Recht

Die in der Volksinitiative vorgesehene Abschaffung der Plafonierung der AHV/IV-Renten von Ehepaaren ist bezogen auf das Ergebnis mit den von der Schweiz ratifizierten Übereinkommen der UNO, der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und des Europarates insofern vereinbar, als diese Instrumente Mindesthöhen festhalten. Die aktuelle Rentenhöhe in Verbindung mit deren regelmässiger Anpassung gemäss der bestehenden Regelung (Art. 33ter AHVG) ermöglichen bereits, die Anforderungen des Übereinkommens Nr. 128 der IAO und der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit des Europarats bezüglich des Leistungsniveaus und der Anpassung der laufenden Zahlungen zu erfüllen. Bezüglich der Vorgaben in Artikel 70 Absatz 3 der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit wird auf die Ausführungen in Kapitel 4.2 verwiesen.
Die Alters-, Invaliditäts- und Hinterlassenenrenten fallen in den sachlichen Geltungsbereich der erwähnten Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der EU, die in der Schweiz im Rahmen von Anhang II des FZA und des EFTA-Übereinkommens Anwendung finden. Die Aufhebung der Plafonierung der AHV/IV-Renten von Ehepaaren wäre mit Blick auf das EU-Koordinierungsrecht, wie es im Rahmen des FZA und des EFTA-Übereinkommens anwendbar ist, unproblematisch.

5 Schlussfolgerungen

Der Bundesrat hat Verständnis für das Anliegen, das mit der Initiative zum Ausdruck gebracht wird. Aus seiner Sicht überwiegen jedoch die Argumente für eine Ablehnung der Initiative.
Die Rentenplafonierung kann zwar als ungerecht empfunden werden. Sie ist aber sachlich gerechtfertigt und mit dem Rechtsgleichheitsgebot vereinbar. Es besteht also keine Diskriminierung gegenüber unverheirateten Versicherten. Der Nachteil durch die Rentenplafonierung wird durch diverse Leistungen und Massnahmen zugunsten der verheirateten Versicherten aufgewogen. Nur den Nachteil aufzuheben, ohne auch die heutigen Begünstigungen aufzuheben, wie die Initiative verlangt, würde im Gegenteil unverheiratete Versicherte benachteiligen.
Die Initiative hätte mehrheitlich Auswirkungen auf Ehepaare mit einem gemeinsamen massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen der AHV ab 90 720 Franken (Stand 2025). Verheiratete Personen mit tieferen Einkommen könnten jedoch von der Aufhebung der Rentenplafonierung kaum profitieren, zumal ihre Rente bereits heute oftmals nicht plafoniert wird. Insbesondere auf Haushalte mit niedrigem Einkommen oder auf die Renten von unverheirateten, verwitweten oder geschiedenen Personen hätte die Aufhebung der Plafonierung kaum Einfluss.
Die Initiative wäre mit hohen Mehrkosten für die AHV und den Bundeshaushalt verbunden. Je nach Art der Finanzierung, die mit einer Annahme der Initiative vorgesehen würde, hätte die aktive Generation die zusätzliche Finanzierungslast zu tragen, was zu einer Erhöhung der Arbeitskosten und zu einer Benachteiligung von beschäftigungsintensiven Wirtschaftszweigen führen würde. Fände die Finanzierung über die MWST statt, würden die Kosten auf die gesamte Bevölkerung abgewälzt. Dies wäre problematisch für Geringverdienende, die wenig oder gar nicht von der Aufhebung der Plafonierung profitieren würden, sie aber mitfinanzieren müssten. Mit der Annahme der 13. AHV-Rente und der demografischen Entwicklung ist die finanzielle Herausforderung für die AHV bereits gross. Die Mehrkosten, die sich dadurch ergeben, lassen keinen Spielraum für eine Aufhebung der Rentenplafonierung mit weiteren zusätzlichen hohen Kosten für die AHV 9⁶ . Insbesondere unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit ist eine weitere Mehrbelastung durch höhere Lohnbeiträge oder einer Erhöhung der MSTW für Erwerbstätige, aber auch für Arbeitgeber nicht angebracht.
Die Erhöhung der Plafonierungsgrenze auf 170 Prozent würde das Anliegen der Initiantinnen und Initianten teilweise aufnehmen. Da die Renten von verheirateten Personen mit höheren Einkommen auch bei einem Plafond von 170 Prozent plafoniert würden, könnten insbesondere die Renten von verheirateten Personen mit tieferen Einkommen verbessert werden. Die finanziellen Auswirkungen wären zwar etwas geringer als bei einer Aufhebung der Plafonierung, aber auch diese Variante wäre mit hohen Mehrkosten für die AHV verbunden. Je nach Art der Finanzierung wäre zudem die zusätzliche Finanzierungslast für die aktive Generation untragbar hoch.
Die andere geprüfte Alternative wäre eine zivilstandsunabhängige Ausgestaltung der Altersvorsorge der 1. Säule. Die könnte zwar teilweise über einen Kostenausgleich innerhalb der AHV finanziert werden, eine Zusatzfinanzierung wäre aber trotzdem erforderlich. Wie auch die Studie von Demografik 9⁷ zeigt, würden von einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge hauptsächlich Besserverdienende profitieren. Geringverdienende, oft Frauen, sowie verwitwete und geschiedene Personen würden hingegen finanziell schlechter dastehen. Eine solche Massnahme müsste folglich im Rahmen einer umfassenderen Reform, wie sie gerade gemäss dem Auftrag des Parlaments erarbeitet wird, vertieft untersucht werden. Dies lässt mehr Spielraum für Anpassungen, die notwendig sind, um die Auswirkungen auf die Rente von Geringverdienenden abzufedern.
Wie unter Kapitel 2.5 erläutert, stellt der Übergang ins Rentenalter für die meisten Neurentnerinnen und -rentner kein finanzielles Risiko dar. Personen in Haushalten mit geringen Mitteln erfahren dank den Ergänzungsleistungen eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation beim Übergang ins AHV-Rentenalter. Eine Erhöhung der Renten vieler Ehepaare durch die Aufhebung der Rentenplafonierung ist also nicht notwendig.
Mit der Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit 9⁸ hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, bis Ende 2026 eine Vorlage zur Stabilisierung der AHV-Finanzen für die Zeit von 2030 bis 2040 zu unterbreiten. Eine weitere Mehrbelastung der AHV wäre kontraproduktiv und würde dem Auftrag einer finanziellen Stabilisierung der AHV zuwiderlaufen.
Der Bundesrat beantragt deshalb den eidgenössischen Räten, die Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen und der Initiative keinen direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag entgegenzusetzen.
9⁶ Vgl. Finanzhaushalt im Anhang.
9⁷ Buchmann, Manuel / Budliger, Hendrik / Unterhofer, Ulrike / Triolo, Lisa / Bütler, Monika (2024): Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge. Beiträge zur sozialen Sicherheit, Bern.
9⁸ 21.3462 «Auftrag für die nächste AHV-Reform»

Anhang

Finanzhaushalt der AHV

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Bundesrecht
Botschaft zur Volksinitiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!»
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