BBl 2024 3216
CH - Bundesblatt

Botschaft zur Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)»

Botschaft zur Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)»
vom 13. Dezember 2024
Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.
Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
13. Dezember 2024 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Übersicht
Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» ab. Schätzungen in Bezug auf die finanziellen Auswirkungen der geforderten Erbschafts- und Schenkungssteuer deuten darauf hin, dass sie zu signifikanten Mindereinnahmen für Bund und Kantone führen könnte. Zudem betreiben Bund und Kantone bereits eine aktive Klimapolitik. Schliesslich sprechen auch föderalistische Überlegungen gegen die Initiative.
Inhalt der Initiative
Die Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» wurde am 8. Februar 2024 mit 109 988 gültigen Unterschriften eingereicht.
Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag.
Die Initiative sieht die Einführung einer Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer vor. Diese Steuer soll ab einem einmaligen Freibetrag von 50 Millionen Franken auf der Summe des Nachlasses und aller Schenkungen zur Anwendung gelangen. Der Steuersatz soll 50 Prozent betragen. Die Steuer soll von den Kantonen veranlagt und bezogen werden. Der Rohertrag der Steuer würde zu zwei Dritteln dem Bund und zu einem Drittel den Kantonen zukommen. Der Ertrag der Steuer wäre zweckgebunden: Er müsste vom Bund und den Kantonen zur «sozial gerechten Bekämpfung der Klimakrise sowie für den dafür notwendigen Umbau der Gesamtwirtschaft» verwendet werden. Die Kompetenz der Kantone, eine Erbschafts- und Schenkungssteuer zu erheben, soll unberührt bleiben.
Vorzüge und Mängel der Initiative
Der Bundesrat teilt das klimapolitische Anliegen der Initiantinnen und Initianten. Er erachtet jedoch die mit der Initiative vorgeschlagene Finanzierung der Klimapolitik als problematisch und auch nicht als zielführend. Bund und Kantone betreiben bereits heute eine aktive und verursachergerechte Klima- und Energiepolitik, die sich in verschiedenen Gesetzen mit Massnahmen niedergeschlagen hat, deren Finanzierung sichergestellt ist. So verfügt die Schweiz unter anderem mit dem Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit über Normen, die auf die Bekämpfung der Klimaerwärmung abzielen. So sollen die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2050 auf netto null reduziert werden. Damit wird ein grundsätzliches Anliegen der Initiative, nämlich dass die Schweiz gegen den Klimawandel vorgehen soll, bereits erfüllt.
Schätzungen zeigen zudem, dass das Ertragspotenzial der vorgeschlagenen Erbschafts- und Schenkungssteuer aufgrund der zu erwartenden starken Verhaltensanpassungen relativ gering bleiben dürfte und die Volksinitiative darum auch aus finanzieller Sicht ihr Ziel nicht erreichen dürfte. Für Bund und Kantone könnten sogar Mindereinnahmen resultieren. Das Ertragspotenzial der vorgeschlagenen Erbschafts- und Schenkungssteuer könnte theoretisch zwar über 4 Milliarden Franken betragen. Ein von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) bei Prof. Marius Brülhart von der Universität Lausanne in Auftrag gegebenes Gutachten kommt jedoch zum Schluss, dass bei einer Erhöhung des Erbschaftssteuersatzes um 10 Prozentpunkte die (Netto-)Abwanderungswahrscheinlichkeit zwischen 20 Prozent und 40 Prozent liegt. Da die Initiative einen Steuersatz von 50 Prozent verlangt, könnten gemäss dem Gutachten 77 bis 93 Prozent des potenziellen Steuersubstrats abwandern beziehungsweise nicht zuwandern. Schätzungen der ESTV, basierend auf dem Gutachten sowie einer Datenerhebung bei den Kantonen, deuten auf eine noch höhere potenzielle Abwanderungsquote hin (85 bis 98 Prozent). Nach Abwanderungseffekten verblieben damit unter Umständen aus der vorgeschlagenen Erbschafts- und Schenkungssteuer nur noch geschätzte Erträge von rund 100 bis 650 Millionen Franken. Diesen neuen Einnahmen stünden wiederum Ausfälle bei bestehenden (Einkommen- und Vermögens-)Steuern in Höhe von schätzungsweise 2,8 bis 3,7 Milliarden Franken gegenüber. In einem konservativeren Szenario, bei dem nur über 65-jährige steuerpflichtige Personen durch Abwanderung auf die neue Steuer reagieren würden, könnten geschätzt noch zwischen 500 Millionen und 1,1 Milliarden Franken an Einnahmen durch die Erbschafts- und Schenkungssteuer erzielt werden, denen jedoch zu erwartende Ausfälle bei anderen Steuern in Höhe von schätzungsweise 1,3 bis 1,7 Milliarden Franken gegenüberstehen würden.
Diese Schätzungen bestätigen die negativen Folgen der Volksinitiative für die Attraktivität der Schweiz als Wohnsitz für vermögende Personen, die bereits heute über die progressiven Einkommens- und Vermögenssteuern einen bedeutenden Beitrag an die Einnahmen der öffentlichen Hand und damit auch an die Finanzierung der Klimapolitik leisten. Aus Sicht des Bundesrates ist die Initiative aber auch aus föderalistischen Gründen abzulehnen. Die kantonale Kompetenz zur Erhebung von Erbschafts- und Schenkungssteuern soll zwar nicht berührt werden, die Einführung einer Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer würde jedoch den fiskalischen Spielraum der Kantone reduzieren und mit der Zweckbindung der Erträge zugunsten der Klimapolitik auch in deren Finanzautonomie eingreifen.
Schliesslich hält der Bundesrat die Vorwirkung, die die Initiative mit der vorgesehenen Rückwirkung verursacht, für staatspolitisch bedenklich. Potenziell betroffene Personen mit Wohnsitz in der Schweiz sehen sich mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit konfrontiert und Personen mit Wohnsitz im Ausland werden vom Zuzug in die Schweiz abgehalten. Allerdings gilt die Rückwirkung einzig für die nach einer allfälligen Annahme der Volksinitiative tatsächlich ausgerichteten Erbschaften und Schenkungen. Die in der Übergangsbestimmung vorgesehenen Ausführungsbestimmungen zur Bekämpfung der Steuervermeidung könnten hingegen erst ab deren Erlass (und damit nicht rückwirkend) angewendet werden.
Antrag des Bundesrates
Der Bundesrat beantragt deshalb den eidgenössischen Räten mit dieser Botschaft, die Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen.
Botschaft

1 Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1 Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» hat folgenden Wortlaut ¹ :
Die Bundesverfassung ² wird wie folgt geändert:
Art. 129a
³
Zukunftssteuer
¹ Der Bund erhebt zum Aufbau und Erhalt einer lebenswerten Zukunft eine Steuer auf dem Nachlass und den Schenkungen von natürlichen Personen.
² Der Bund und die Kantone verwenden den Rohertrag der Steuer zur sozial gerechten Bekämpfung der Klimakrise sowie für den dafür notwendigen Umbau der Gesamtwirtschaft.
³ Die Steuer wird von den Kantonen veranlagt und eingezogen. Der Rohertrag der Steuer fliesst zu zwei Dritteln dem Bund und zu einem Drittel den Kantonen zu. Die Kompetenz der Kantone, eine Erbschafts- und Schenkungssteuer zu erheben, bleibt unberührt.
⁴ Der Steuersatz beträgt 50 Prozent. Nicht besteuert wird ein einmaliger Freibetrag von 50 Millionen Franken auf der Summe des Nachlasses und aller Schenkungen. Die Besteuerung erfolgt, sobald der Freibetrag überschritten ist.
⁵ Der Bundesrat passt den Freibetrag periodisch der Teuerung an.
Art. 197 Ziffer 15
15. Übergangsbestimmungen zu Art. 129a (Zukunftssteuer)
¹ Der Bund und die Kantone erlassen Ausführungsbestimmungen über:
a.
die Verhinderung von Steuervermeidung, insbesondere in Bezug auf den Wegzug aus der Schweiz, die Pflicht zur Aufzeichnung von Schenkungen und die lückenlose Besteuerung;
b.
die Verwendung des Rohertrags zur Unterstützung des sozial gerechten, ökologischen Umbaus der Gesamtwirtschaft, insbesondere in den Bereichen der Arbeit, des Wohnens und der öffentlichen Dienstleistungen.
² Bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Ausführungsbestimmungen erlässt der Bundesrat innert drei Jahren nach Annahme von Artikel 129 a durch Volk und Stände die Ausführungsbestimmungen per Verordnung. Die Ausführungsbestimmungen finden auf Nachlässe und Schenkungen, die nach der Annahme von Artikel 129 a ausgerichtet werden, rückwirkend Anwendung.
¹ In der Bundesverfassung existiert bereits ein Artikel 129 a («Besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen»). Dieser Artikel bleibt unberührt von dieser Volksinitiative. Wird in dieser Botschaft Art 129 a BV erwähnt, ist der Artikel gemäss der Volksinitiative gemeint.
² SR 101
³ Die endgültige Nummerierung dieses Artikels wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt; dabei stimmt diese die Nummerierung ab auf die anderen geltenden Bestimmungen der Bundesverfassung und nimmt diese Anpassung im ganzen Text der Initiative vor.
⁴ Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt.

1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» wurde am 2. August 2022 ⁵ von der Bundeskanzlei vorgeprüft und am 8. Februar 2024 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.
Mit Verfügung vom 4. März 2024 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Volksinitiative mit 109 988 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist. ⁶
Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag. Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 ⁷ (ParlG) hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 8. Februar 2025 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 8. August 2026 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen. Fasst ein Rat über einen Gegenentwurf oder über einen mit der Volksinitiative eng zusammenhängenden Erlassentwurf Beschluss, so kann die Bundesversammlung die Behandlungsfrist der Volksinitiative um ein Jahr verlängern (Art. 105 Abs. 1 ParlG).
⁵ BBl 2022 1934
⁶ BBl 2024 509
⁷ SR 171.10

1.3 Gültigkeit

Die Gründe, die zu einer Ungültigkeit einer Volksinitiative führen können, sind in Artikel 139 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV) ⁸ aufgeführt. Danach muss eine Volksinitiative, um gültig zu sein, die Einheit der Form und die Einheit der Materie wahren. Zudem darf die Initiative zwingende Bestimmungen des Völkerrechts nicht verletzen. Dazu besteht noch der ungeschriebene Ungültigkeitsgrund der Undurchführbarkeit.

1.3.1 Einheit der Form

Die vorliegende Volksinitiative hat die Form eines ausgearbeiteten Entwurfs. Die Einheit der Form ist somit gewahrt.

1.3.2 Einheit der Materie

Der Grundsatz der Einheit der Materie wird in Artikel 75 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 ⁹ über die politischen Rechte (BPR) wie folgt umschrieben: «Die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn zwischen den einzelnen Teilen einer Initiative ein sachlicher Zusammenhang besteht.» Mit dieser Anforderung soll die freie und unverfälschte Willensbildung und -kundgebung der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sowie der Stimmenden geschützt werden. In der Botschaft des Bundesrates zu Artikel 75 Absatz 2 BPR ist die Vorschrift wie folgt erläutert worden: «Initiativen, welche verschiedene Materien, zwischen denen kein sachlicher Zusammenhang besteht, willkürlich verkoppeln, sind … ungültig zu erklären. Die Stimmberechtigten sollen sowohl bei der Unterzeichnung einer Initiative als auch bei der Volksabstimmung darüber ihren wirklichen Willen klar zum Ausdruck bringen können. Dies wäre unmöglich, wenn sie jeweils mit einer einzigen Stimme zu einer Initiative Stellung nehmen müssen, die mehrere, wesentlich verschiedene Postulate vermischt». 1⁰
Der «sachliche Zusammenhang» ist ein offener Rechtsbegriff und lässt einen weiten Ermessensspielraum offen. Die Praxis erlaubt es, verschiedene Fallgruppen zu unterscheiden, bei denen die Einheit der Materie als gegeben erachtet wird, wobei den zuständigen Behörden ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt wird. 1¹ Namentlich werden die folgenden Fallgruppen genannt:
-
Beschränkung auf ein einziges Thema.
-
Verbindung eines Zwecks mit einem Finanzierungsvorschlag: die Einheit der Materie ist gewahrt, wenn die Initiative nebst dem angestrebten Zweck auch dessen Finanzierung umschreibt. Beispielsweise verlangte die eidgenössische Volksinitiative «Für eine soziale Einheitskasse» ¹2 einerseits eine Einheitskasse für die obligatorische Krankenversicherung, andererseits eine Festlegung der Prämien nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten.
-
Verbindung eines Ziels mit sachlich dazu gehörenden Mitteln oder mit den sich daraus ergebenden Konkretisierungen.
-
Verknüpfung mehrerer zusammenhängender Anliegen: Zulässig ist nach der Lehrmeinung ¹3 die Verknüpfung mehrerer Forderungen, die einem einheitlichen Thema zugerechnet werden können. So sah z.B. die Initiative «für eine Reichtumssteuer» ¹4 neben der Einführung einer Reichtumssteuer auf Bundesstufe auch ausführliche Regelungen über die Steuerharmonisierung und minimale Steuersätze für die Erhebung kantonaler und kommunaler Steuern vor.
Die vorliegende Initiative verlangt einerseits die Erhebung einer Bundessteuer auf dem Nachlass und auf Schenkungen ab 50 Millionen Franken, andererseits die Verwendung des Ertrags der Steuer «zur sozial gerechten Bekämpfung der Klimakrise sowie für den dafür notwendigen Umbau der Gesamtwirtschaft». Es geht also um die Erhebung einer Zwecksteuer. Die Einführung solcher Zwecksteuern in einer Verfassungsvorlage ist bisher von den Eidgenössischen Räten nie als Verstoss gegen die Einheit der Materie betrachtet worden. Beispielsweise forderte die eidgenössische Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)» ¹5 die Erhebung einer nationalen Erbschafts- und Schenkungssteuer zugunsten der AHV. Die eidgenössische Volksinitiative «Für Geldspiele im Dienste des Gemeinwohls» ¹6 sah vor, eine Spielbankenabgabe zu erheben und deren Ertrag für die Finanzierung der AHV zu verwenden. Auch der neue Spielbankenartikel (Art. 106 BV), der als Gegenentwurf zur eidgenössischen Volksinitiative am 11. März 2012 angenommen wurde ¹7 , ist bezüglich Spielbankenabgabe und Ertragsverwendung gleich konzipiert worden.
Die vorliegende Initiative entspricht daher aus Sicht des Bundesrates dem Erfordernis der Einheit der Materie.
⁹ SR 161.1
1⁰ BBl 1975 I 1351
1¹ Basler Kommentar zu Art. 139 Abs. 3, Rz 28, mit weiteren Verweisen.
¹2 BBl 2006 735
¹3 Basler Kommentar zu Art. 139 Abs. 3, Rz 28, mit weiteren Verweisen.
¹4 BBl 1976 I 1503
¹5 BBl 2014 125
¹6 BBl 2010 7961
¹7 BBl 2012 6623

1.3.3 Vereinbarkeit mit zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts

Die Initiative ist mit dem zwingenden Völkerrecht vereinbar: Auf dem Gebiet der Erbschaftssteuern gibt es kein zwingendes Völkerrecht.

1.3.4 Durchführbarkeit

Bei diesem ungeschriebenen (d.h. nicht in der Verfassung kodifizierten) Kriterium für die Gültigkeit einer Volksinitiative geht es um die offensichtliche faktische Unmöglichkeit. Rein rechtliche oder praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer Initiative reichen für eine Ungültigkeit nicht aus. Die vorliegende Initiative ist nicht offensichtlich faktisch undurchführbar.
Die Volksinitiative erfüllt die Anforderungen von Artikel 139 Absatz 3 BV und des ungeschriebenen Grundsatzes der Durchführbarkeit und ist somit gültig.

1.3.5 Frage der (Teil-)Ungültigkeit aufgrund von Rück- bzw. Vorwirkung

Wie der Bundesrat in der Antwort zur Interpellation Schneeberger «Juso-Enteignungsinitiative» (
24.3763 ) ausgeführt
hat, hält er die von der Initiative verlangte rückwirkende Besteuerung von Nachlässen und Schenkungen staatspolitisch für problematisch.
Konkret sieht die Initiative in der Übergangsbestimmung vor, dass d
ie Ausführungsbestimmungen auf Nachlässe und Schenkungen, die nach der Annahme von Artikel 129 a ausgerichtet werden, rückwirkend Anwendung finden.
Die Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer würde somit im Falle der Annahme der Initiative für Erbgänge und Schenkungen ab der Volksabstimmung gelten. Die konkrete Besteuerung könnte aber erst erfolgen, wenn die entsprechenden Ausführungsbestimmungen vorliegen. Diese Rückwirkung ist von der Initiative explizit gewollt und wäre nach deren allfälligen Annahme als neues Verfassungsrecht zu beachten. Nach Ansicht des Bundesrates ist die Vorwirkung, welche die Initiative mit den Bestimmungen in der Übergangsbestimmung zur Rückwirkung entfaltet, staatspolitisch bedenklich (vgl. zur Rückwirkung auch Ziff. 3.3.3, Unterabschnitt
Rückwirkung
). Dies insbesondere, da bis zur Volksabstimmung über die Initiative für längere Zeit eine grosse Unsicherheit für die potenziell betroffenen Personen und den Standort Schweiz herrscht. In Kombination mit den potenziell grossen negativen Auswirkungen für die betroffenen Personen und den Standort Schweiz (Hindernis für Zuzug in die Schweiz) ist dies besonders stossend.
In diesem Zusammenhang sind von verschiedenen Seiten auch Forderungen nach (Teil-)Ungültigkeit der Initiative ergangen. Insbesondere die Bestimmungen in der Übergangsbestimmung zur Rückwirkung sollten für ungültig erklärt werden. Die (Teil-)Ungültigkeit würde bedeuten, dass Volk und Ständen nur der gültige Teil der Initiative unterbreitet würde, sofern die Initiative ohne den gestrichenen Teil noch Sinn macht und davon auszugehen ist, dass die Initiative auch in dieser Form zustande gekommen wäre. ¹8
Die Kriterien, die für eine Gültigkeit einer Initiative massgebend sind, sind in Artikel 139 Absatz 3 BV aufgeführt. Diese Kriterien sind vorliegend erfüllt (siehe Ausführungen weiter oben). Es besteht aus Sicht des Bundesrates somit nach geltendem Verfassungsrecht und der damit verbundenen Praxis bei der Abklärung der Gültigkeit von Volksinitiativen kein Anlass für eine (Teil-)Ungültigkeit der Initiative.
¹8 Vgl. BGE 139 I 292 E. 7.2.3; 125 I 21 E. 7b.
⁸ SR 101

2 Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

2.1 Klimapolitik

Die Stimmbevölkerung hat am 18. Juni 2023 dem Bundesgesetz vom 30. September 2022 ¹9 über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KlG) zugestimmt. Das KlG verankert die Zielsetzung, dass die Schweiz bis 2050 ihre Treibhausgasemissionen auf Netto-Null senken muss (sog. Netto-Null-Ziel) und definiert den Absenkpfad bis 2050. Das KlG ist als Rahmengesetz konzipiert und enthält zwei befristete Förderinstrumente. Zum einen geht es um den Ersatz fossiler Heizungen im Gebäudebereich, zum anderen um die Anwendung neuartiger Technologien und Prozesse in der Industrie. Während zehn Jahren stehen dafür insgesamt 3,2 Milliarden Franken zur Verfügung. Diese Mittel werden gemäss geltendem Recht aus dem allgemeinen Bundeshaushalt und damit grösstenteils mit den Einnahmen aus der direkten Bundessteuer sowie der Mehrwertsteuer finanziert.
Die Umsetzung von Massnahmen zur Erreichung des Netto-Null-Ziels erfolgt in erster Linie in den Spezialgesetzen, insbesondere im CO
2
-Gesetz vom 23. Dezember 2011 2⁰ . Die wichtigsten Instrumente sind die CO
2
-Abgabe auf fossilen Brennstoffen (inklusive der Möglichkeit zur Abgabebefreiung mit Verminderungsverpflichtung für Unternehmen), das Emissionshandelssystem, die Kompensationspflicht für die Importeure fossiler Treibstoffe, die Emissionsvorschriften für neue Fahrzeuge und das Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen.
Die CO
2
-Abgabe wird unabhängig vom Einkommen oder vom Unternehmensumsatz erhoben. Der Abgabesatz beträgt 120 Franken pro Tonne CO
2
. Ein Drittel der Einnahmen von aktuell jährlich rund 1,2 Milliarden Franken wird zweckgebunden für Förderprogramme eingesetzt, zwei Drittel werden verbrauchsunabhängig an Haushalte und Wirtschaft zurückverteilt, wobei. die Rückverteilung an die Haushalte auf Pro-Kopf-Basis erfolgt. Dieser Mechanismus begünstigt diejenigen, die wenig fossile Brennstoffe verbrauchen.
Das auf Anfang 2025 in Kraft tretende revidierte CO
2
-Gesetz 2¹ führt neue Förderinstrumente ein, wie beispielsweise den zweckgebundenen Einsatz der Erlöse aus den Versteigerungen von Emissionsrechten von Anlagen für die Anpassung an den Klimawandel und für Dekarbonisierungsmassnahmen in der Industrie. Insgesamt sieht das revidierte CO
2
-Gesetz Fördermittel in der Höhe von 587-592 Millionen Franken pro Jahr vor. Über die gesamte Periode 2025-2030 sind dies rund 3,5 Milliarden Franken.
Der Bundesrat hat am 20. September 2024 Eckwerte eines Entlastungspakets für den Bundeshaushalt festgelegt. 2² Zu den Entlastungsmassnahmen gehört auch eine Priorisierung der Subventionen für die Klima- und Energiepolitik. Dadurch könnten die durch den Bund eingesetzten Mittel um einige hundert Millionen Franken reduziert werden. Die Vernehmlassung dazu soll im Januar 2025 eröffnet werden. Der Bundesrat wird zugleich flankierende Massnahmen prüfen, um sicherzustellen, dass die vom Volk beschlossenen Klimaziele weiterhin erreicht werden können. Eng mit der Klimapolitik verzahnt ist die Energiepolitik. Diese bildet die Grundlage für eine umfassende Dekarbonisierung. Der Bund fördert unter anderem Investitionen in erneuerbare Energien und Stromeffizienzmassnahmen. Die Mittel dafür stammen aus dem bei den Stromkonsumentinnen und -konsumenten erhobenen Netzzuschlag gemäss dem Energiegesetz vom 30. September 2016 ²3 , mit dem jährliche Mittel in der Höhe von rund 1,3 Milliarden Franken generiert werden. Zudem werden mit dem neuen Bundesgesetz vom 29. September 2023 ²4 über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien die bestehenden Förderinstrumente für die erneuerbare Stromproduktion, wie beispielsweise finanzielle Beiträge an Photovoltaikanlagen auf Gebäuden, bis 2035 verlängert und marktnäher ausgestaltet. Die Stimmbevölkerung hat dieses Gesetz am 9. Juni 2024 mit über 68 Prozent der Stimmen gutgeheissen.
Schliesslich fliessen insgesamt ungefähr 100 Millionen Franken jährlich aus dem Bundeshaushalt für die Entwicklung und Anwendung von klimafreundlichen Technologien im Energiebereich und für Energieeffizienz, u.a. im Rahmen des Pilot- und Demonstrationsprogramms. ²5
In eine ähnliche Richtung wie die vorliegende Initiative zielt die Volksinitiative «Für eine gerechte Energie- und Klimapolitik: Investieren für Wohlstand, Arbeit und Umwelt (Klimafonds-Initiative)» ²6 , die am 22. Februar 2024 ²7 eingereicht wurde. Die Klimafonds-Initiative möchte, dass der Bund jährlich Mittel in der Höhe von 0,5 bis 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) in einen sogenannten Klimafonds einlegt. Das entspräche rund 3,94 bis 7,7 Milliarden Franken pro Jahr (gemäss BIP von 2023). Damit sollen Massnahmen zur Bekämpfung und Bewältigung des Klimawandels finanziert werden. Auch die Klimafonds-Initiative möchte also künftig mehr finanzielle Mittel für den Klimaschutz einsetzen, wobei der Klimafonds mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt alimentiert werden soll. Dabei sollen die Fondszahlungen zumindest vorübergehend nicht zu den ordentlichen Ausgaben des Bundes gezählt werden, die der Schuldenbremse unterliegen (Art. 126 Abs. 2 BV) und damit über eine zusätzliche Verschuldung des Bundes finanziert werden können. Der Bundesrat hat am 15. Mai 2024 das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation beauftragt, ihm bis 22. Februar 2025 eine Botschaft im Sinne einer Ablehnung ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zu unterbreiten. ²8
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 9. April 2024 im Fall «Verein KlimaSeniorinnen Schweiz and Others v. Switzerland» ²9 unter anderem eine Verletzung von Artikel 8 festgestellt (Recht auf Privat- und Familienleben). Nach Ansicht des EGMR hat die Schweiz nicht rechtzeitig und in geeigneter Weise gehandelt und keine ausreichenden Massnahmen getroffen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Der Bundesrat hat sich am 28. August 2024 mit dem Urteil des EGMR zu den Klimaseniorinnen befasst. 3⁰ Er ist der Auffassung, dass die Schweiz die klimapolitischen Anforderungen des Urteils erfüllt. Insbesondere mit dem revidierten CO
2
-Gesetz vom 15. März 2024 hat die Schweiz Massnahmen definiert, um ihre Klimaziele 2030 zu erreichen. Diese Weiterentwicklung der Schweizer Klimapolitik hat der EGMR in seinem Urteil nicht berücksichtigt. Auch das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien vom 23. September 2023 hat der EGMR in seinem Urteil nicht berücksichtigt. Im Einklang mit der Konvention vom 4. November 1950 3¹ zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten hat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement dem Ministerkomitee des Europarats, das die Urteile des EGMR überwacht, am 27. September 2024 Bericht erstattet, wie die Schweiz das Urteil umsetzt. Es hat in seinem Bericht über die Haltung des Bundesrates informiert und auf die jüngsten Entwicklungen in der klima- und energiepolitischen Gesetzgebung hingewiesen.
¹9 AS 2023 655
2⁰ SR 641.71
2¹ AS 2024 376
2² Bundesrat legt Eckwerte des Entlastungspakets für den Bundeshaushalt fest. Abrufbar unter:
www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bundesrat legt Eckwerte des Entlastungspakets für den Bundeshaushalt fest.
²3 SR 730.0
²4 BBl 2023 2301
²5 Pilot- und Demonstrationsprogramm. Abrufbar unter:
www.bfe.admin.ch > Forschung und Cleantech > Pilot und Demonstrationsprogramm.
²6 BBl 2022 2070
²7 BBl 2024 808
²8 Der Bundesrat empfiehlt die Klimafonds-Initiative zur Ablehnung
. Abrufbar unter: www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Der Bundesrat empfiehlt die Klimafonds-Initiative zur Ablehnung.
²9 Application no. 53600/20.
3⁰ Der Bundesrat klärt seine Haltung zum EGMR-Urteil über den Klimaschutz. Abrufbar unter:
www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilungen > Der Bundesrat klärt seine Haltung zum EGMR-Urteil über den Klimaschutz.
3¹ SR 0.101

2.2 Geltende Erbschafts- und Schenkungssteuern

2.2.1 Verfassungsordnung

Nach Artikel 128 BV kann der Bund direkte Steuern erheben auf dem Einkommen natürlicher Personen und dem Reinertrag juristischer Personen. Artikel 129 BV legt die Grundsätze der Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden fest.
Erbschafts- und Schenkungssteuern, die nach jüngerer Lehre ebenfalls zu den direkten Steuern zu zählen sind, wurden von der Steuerharmonisierung ausdrücklich ausgeklammert, da sie nur untergeordnete Bedeutung hätten und ein dringendes Harmonisierungsbedürfnis nicht vorliege. 3²
Nach geltendem Verfassungsrecht liegt die Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer und deren Ausgestaltung somit in alleiniger kantonaler Kompetenz.
3² Basler Kommentar zur Bundesverfassung, Artikel 129, RN 21.

2.2.2 Kantonale Erbschafts- und Schenkungssteuern

3³ Vgl. Erbschafts- und Schenkungssteuern. Abrufbar unter:
www.estv.admin.ch > Die ESTV > Steuersystem Schweiz > Dossier Steuerinformationen > D. Einzelne Steuern > Erbschafts- und Schenkungssteuern.
Die meisten Kantone erheben eine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Einzig die Kantone Schwyz und Obwalden erheben weder eine Erbschafts- noch eine Schenkungssteuer. Der Kanton Luzern erhebt eine Erbschafts-, aber keine Schenkungssteuer, jedoch werden Schenkungen, die in den letzten fünf Jahren vor dem Tod des Erblassers stattgefunden haben, wie Erbschaften besteuert.
Die kantonalen Erbschaftssteuern sind als Erbanfallsteuer ausgestaltet, d.h. sie beschlagen den auf die einzelne Erbin oder den einzelnen Erben entfallenden Anteil. Im Kanton Solothurn wird zusätzlich zur Erbanfallsteuer auch eine Nachlasssteuer auf dem gesamten hinterlassenen, nicht aufgeteilten Vermögen der oder des Verstorbenen erhoben.
Ein Kanton nimmt eine Besteuerung vor, wenn eine Erblasserin oder ein Erblasser ihren oder seinen letzten steuerlichen Wohnsitz in diesem Kanton hatte oder eine Schenkerin oder ein Schenker ihren oder seinen steuerlichen Wohnsitz in diesem Kanton hat. Bei der Vererbung und Schenkung von Grundstücken gilt das Belegenheitsprinzip: Ein Kanton nimmt eine Besteuerung vor, wenn ein in diesem Kanton gelegenes Grundstück durch Erbgang oder Schenkung übertragen wird, unabhängig davon, wo die Erblasserin oder der Erblasser bzw. die Schenkerin oder der Schenker ihren oder seinen steuerrechtlichen Wohnsitz hatte bzw. hat. Umgekehrt besteuert ein Kanton niemals den Übergang eines Grundstückes, das ausserhalb des Kantons liegt. Dasselbe gilt bei der Vererbung und Schenkung von Betriebsvermögen einer ausserhalb des Kantons gelegenen Betriebsstätte.
Steuersubjekt der Erbschaftssteuer sind die Erbinnen und Erben sowie die Vermächtnisnehmerinnen und die Vermächtnisnehmer, bei der Schenkungsteuer die Beschenkten.
Die Ehegattin und der Ehegatte (alle Kantone) sowie die Nachkommen (ausser in Appenzell Innerrhoden, Neuenburg und Waadt) sind steuerbefreit. Konkubinatspartnerinnen und -partner sind einzig in den Kantonen Graubünden und Uri steuerbefreit. Jedoch sehen mehrere Kantone für Konkubinatspartnerinnen und -partner eine im Vergleich zu anderen Nichtverwandten tiefere Besteuerung vor. Ebenfalls steuerbefreit sind in sämtlichen Kantonen Vermögensanfälle und Zuwendungen an die öffentliche Hand (Bund, Kantone, Gemeinden und ihre Anstalten) sowie an gemeinnützige Organisationen.
Im Interesse der Einfachheit und Billigkeit der Steuererhebung sind in vielen Kantonen kleine Vermögensübergänge (Objekt) bis zu einer bestimmten Summe von der Besteuerung ausgenommen. Dies trifft in der Regel auch für Heiratsgut, Hausrat und andere bewegliche Gegenstände zu.
Zusätzlich werden in den meisten Kantonen Steuerfreibeträge oder persönliche Abzüge gewährt. Die Steuerfreibeträge liegen zwischen 5000 Franken (u.a. Zürich) und 15 000 Franken (Uri). Als persönliche Abzüge können beispielsweise Geschwister der Erblasserin oder des Erblassers Beträge zwischen 500 Franken (Genf) und 20 000 Franken (Nidwalden) geltend machen. Die Tarife werden abgestuft nach Verwandtschaftsverhältnis.
Im Weiteren wird in gewissen Kantonen die Überführung von Vermögenswerten in Stiftungen oder Trusts ³4 als Schenkung qualifiziert und der Schenkungssteuer unterworfen, sofern sich die Stifterin oder der Stifter bzw. die Errichterin oder der Errichter eines Trusts unwiderruflich der Vermögenswerte entledigen.
Die Tarife für nichtverwandte Empfängerinnen und Empfänger sind jeweils am höchsten. Die Tarife sind unterschiedlich, aber fast alle progressiv ausgestaltet und reichen bis zu einer Maximalhöhe von 49,5 Prozent (Basel-Stadt). ³5 Die Kantone wenden für die Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer denselben Tarif an.
Bei der Erbschaftssteuer sind die Erbinnen und Erben oder die Vermächtnisnehmerinnen und -nehmer die Steuerschuldnerinnen und -schuldner. In den meisten Kantonen haften die Erbinnen und Erben bis zur Höhe ihres Erbanteils solidarisch für die insgesamt geschuldete Erbschaftssteuer. In der Regel müssen die Erbinnen und Erben auch die Steuer auf den Vermächtnissen begleichen. Für deren Rückerstattung durch die Vermächtnisnehmerinnen und -nehmer müssen sie selbst besorgt sein. In einigen Kantonen haften jedoch auch die Vermächtnisnehmerinnen und -nehmer bis zum Betrag ihres Vermächtnisses selbst für die Steuer. Bei der Schenkungssteuer ist grundsätzlich die beschenkte Person die Steuerschuldnerin. Doch diese haftet nicht immer alleine. Die Mehrheit der Kantone sieht eine solidarische (vereinzelt auch nur subsidiäre) Haftung der schenkenden Person vor. Erfolgt eine Schenkung an mehrere Personen gemeinsam, so haftet in der Mehrheit der Kantone jede beschenkte Person nur für die Steuer auf ihrem eigenen Anteil. In den übrigen Kantonen haften die Beschenkten solidarisch untereinander bis zu dem ihnen zufallenden Wert für die Steuer.
³4 Trusts sind privatrechtliche Rechtsverhältnisse, bei dem Vermögen (Trustvermögen oder trust fund) der Aufsicht einer Person ( trustee ) unterstellt wird, damit diese es im Interesse von Begünstigten oder für einen bestimmten Zweck verwaltet und verwendet.
³5 www.erbrechtsinfo.ch > Erbrecht Ratgeber > Steuern & Finanzen > Erbschaftssteuer § Steuersätze, Freibeträge & mehr.

2.2.3 Internationaler Rechtsvergleich

Ein Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2021 ³6 bietet einen Überblick über die Besteuerung von Erbschaften, Nachlässen und Schenkungen in den OECD-Mitgliedstaaten. Die Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten ist unterschiedlich ausgestaltet. Die USA und das Vereinigte Königreich erheben Nachlasssteuern, wobei die Steuer auf dem Gesamtvermögen der Erblasserin oder des Erblassers basiert. Die meisten OECD-Mitgliedstaaten, in denen Erbschaftsteuern existieren, erheben hingegen - wie die Kantone - Erbanfallsteuern, deren Höhe sich nach dem Anteil der Erbin oder des Erben richtet. Sowohl im Falle von Nachlass- als auch von Erbanfallsteuern sind die Steuerbefreiungsschwellen und -sätze sehr unterschiedlich und begünstigen allgemein nahe Verwandte mit höheren Schwellenwerten und niedrigeren Sätzen.
Mehrere OECD-Mitgliedstaaten erheben keine Erbschafts- und Schenkungssteuern (mehr), darunter Österreich, Norwegen, Schweden, Neuseeland und Kanada. In den Staaten, die Erbschafts- und Schenkungssteuern erheben, sind die Steuersätze in der Regel progressiv ausgestaltet und erreichen für nichtverwandte Erbinnen und Erben Werte bis zu 80 Prozent (Belgien). Da sich jedoch weitere Parameter wie die Berücksichtigung und Bewertung verschiedener Vermögensklassen wie Liegenschaften, nicht-kotierte Beteiligungen, Betriebsvermögen oder Haushaltsinventar, welche oft einen Grossteil der Reinvermögen ausmachen, von Land zu Land unterscheiden, sind Steuersätze nur eingeschränkt über verschiedene Länder hinweg vergleichbar.
Abbildung 1
Summe der Einnahmen aus Erbschafts-, Nachlass- und Schenkungssteuern in Relation zu den gesamten Steuereinnahmen in den OECD-Mitgliedstaaten im Jahr 2019
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
Quelle: Abbildung 3.1 aus Inheritance Taxation in OECD Countries (OECD, 2021).
³6 Abrufbar unter: http://www.oecd.org > Publications > Reports and research papers > Browse all publications > Inheritance Taxation in OECD Countries.

2.2.4 Fiskalische Bedeutung

Die Einnahmen aus den Erbschafts- und Schenkungssteuern für Kantone und Gemeinden, welche in der Finanzstatistik zusammengefasst ausgewiesen werden, beliefen sich im Jahr 2022 insgesamt auf 1399 Millionen Franken (davon 1292 Millionen Franken in den Kantonen und 107 Millionen Franken in den Gemeinden). Gemessen an den Gesamtsteuereinnahmen der Kantone und Gemeinden im Jahr 2022 (86 977 Millionen Franken) bzw. an den Gesamtsteuererträgen der öffentlichen Haushalte (Bund, Kantone und Gemeinden: 162 932 Millionen Franken) ergibt dies einen Anteil von 1,8 bzw. 0,9 Prozent.
Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz mit rund 0,6 Prozent des gesamten Steueraufkommens von Bund, Kantonen und Gemeinden aus Erbschafts- und Schenkungssteuern (2019) im Mittelfeld der OECD-Staaten und etwa gleichauf mit Staaten wie den USA, den Niederlanden, Deutschland und Grossbritannien (dabei ist der von der OECD ausgewiesene Anteil der Erbschafts- und Schenkungssteuern an den gesamten Steuereinnahmen [0,6 Prozent] niedriger als der von der Eidgenössischen Finanzverwaltung berechnete Anteil [0,9 Prozent], da die OECD bei der Ermittlung der gesamten Steuereinnahmen Beiträge an die Sozialversicherungen mitberücksichtigt.) Einzig Japan, Frankreich, Belgien und Südkorea erzielten mit bis zu 1,6 % deutlich grössere Anteile am gesamten Steueraufkommen durch Erbschafts- und Schenkungssteuern. Insgesamt haben Erbschafts- und Schenkungssteuern in den OECD-Staaten eine vergleichsweise geringe fiskalische Bedeutung.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Schweiz als einziger OECD-Staat nebst Norwegen und Spanien zusätzlich zur Erbschafts- und Schenkungssteuer auch eine Vermögenssteuer kennt. Diese fällt ebenfalls in die Kompetenz der Kantone und Gemeinden, wobei Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a des Steuerharmonisierungsgesetzes vom 14. Dezember 1990 ³7 den Kantonen die Erhebung vorschreibt. Die meisten Kantone wenden einen progressiven Tarif an. Sie fällt daher vor allem bei hohen Vermögen ins Gewicht. Im Jahr 2022 brachte sie den Kantonen 5,536 Milliarden Franken und den Gemeinden 3,479 Milliarden Franken ein. Gemessen an den Gesamtsteuereinnahmen der Kantone und Gemeinden bzw. an den Gesamtsteuererträgen aller öffentlichen Haushalte ergibt dies einen Anteil von 11,9 bzw. 5,5 Prozent. Gemäss Schätzungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) betrug der Vermögensanteil der 1 Prozent vermögendsten steuerpflichtigen Personen in der Schweiz im Jahr 2020 44 Prozent. Unter Berücksichtigung der progressiven kantonalen Vermögenssteuertarife kommt diese Gruppe daher für mehr als 44 Prozent des Vermögenssteueraufkommens auf.
³7 SR 642.14

2.3 Doppelbesteuerungsabkommen des Bundes und Gegenrechts-vereinbarungen der Kantone

Die Schweiz hat Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für Erbschafts- und Nachlasssteuern mit folgenden acht Staaten abgeschlossen: Dänemark, Deutschland, Finnland, Niederlande, Österreich, Schweden, USA und Vereinigtes Königreich.
Der Anwendungsbereich dieser Abkommen ist grundsätzlich auf die Vermögensübertragung von Todes wegen (Steuern auf Erbschaften oder dem Nachlass) beschränkt. Die Abkommen gelten einerseits für die bestehenden kantonalen und kommunalen Steuern auf Nachlässen und Erbanfällen. Andererseits enthalten die Abkommen eine Bestimmung, wonach sie auch für alle Nachlass- und Erbschaftssteuern gelten, die künftig neben den derzeit bestehenden Steuern oder an deren Stelle erhoben werden. Somit würden diese Abkommen auch auf eine künftige Bundeserbschaftssteuer Anwendung finden. Einzig das Abkommen mit den USA beschränkt den Anwendungsbereich in Bezug auf künftige Steuern auf solche, die von den Kantonen und Gemeinden erhoben werden.
Schenkungen fallen nicht in den Anwendungsbereich der erwähnten Abkommen. Eine Ausnahme stellt das Abkommen mit Deutschland dar: Dieses gilt auch für die Schenkung von Geschäftsbetrieben.
Nach diesen Abkommen steht das ausschliessliche Besteuerungsrecht grundsätzlich dem Staat zu, in dem die Erblasserin oder der Erblasser ihren oder seinen letzten Wohnsitz hatte. Die Abkommen sehen jedoch Ausnahmen für die Besteuerung gewisser Vermögensbestandteile des Nachlasses vor. Davon sind insbesondere Betriebsstättenvermögen, unbewegliches Vermögen sowie Schiffe und Luftfahrzeuge betroffen. Diese Nachlassobjekte können unter gewissen Umständen im anderen Staat besteuert werden. Es sind jedoch abkommensspezifische Abweichungen zu beachten. Das Erbschaftssteuerabkommen mit Deutschland sieht bei einer ständigen Wohnstätte in Deutschland unter gewissen Voraussetzungen ein Besteuerungsrecht für Deutschland vor, obwohl sich der letzte Wohnsitz der Erblasserin oder des Erblassers im Todeszeitpunkt in der Schweiz befand. Diese Bestimmung berührt jedoch die nach dem Abkommen zulässige Besteuerung in der Schweiz nicht, da Deutschland die Doppelbesteuerung gemäss Artikel 10 Absatz 1 des Abkommens vom 27. September 1979 ³8 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlass- und Erbschaftssteuern durch Anrechnung der schweizerischen Steuern vermeidet.
Nebst den erwähnten Abkommen gibt es Gegenrechtsvereinbarungen einzelner Kantone mit dem Ausland
.
³9
Diese können die kantonale Erbschaftssteuer teilweise zusätzlich einschränken und gelten teilweise auch für bestimmte Schenkungen.
Die Gegenrechtsvereinbarungen betreffend die Erbschafts- und Schenkungssteuern verfolgen den Zweck, die Steuerfreiheit von Zuwendungen an gewisse Institutionen auf Zuwendungen an ausländische Institutionen auszuweiten. Es geht insbesondere um die gegenseitige Anwendung solcher Steuerbefreiungen in den Kantonen und den Partnerstaaten. Welche Zuwendungen und Institutionen erfasst sind, hängt von der konkret anwendbaren Erklärung ab. Erfasst sind beispielsweise Zuwendungen an Institutionen, die ausschliesslich öffentliche, kulturelle, religiöse, wissenschaftliche, erzieherische, mildtätige (wohltätige), gemeinnützige oder sonstige uneigennützige Zwecke verfolgen.
Diese Vereinbarungen verpflichten die Kantone. Sie fänden daher keine Anwendung auf eine Bundeserbschaftssteuer im Sinne der vorliegenden Initiative.
³8 SR 0.672.913.61
³9 Vgl. www.estv.admin.ch > Internationales Steuerrecht > Staatenbezogene Steuerinformationen > Gegenrechtserklärungen.

3 Ziele und Inhalt der Initiative

3.1 Ziele der Initiative

Die Initiative fordert die Beschaffung zusätzlicher Einnahmen für Bund und Kantone, die für die Klimapolitik eingesetzt werden sollen. Gemäss dem Initiativkomitee sollen die Kosten der Klimapolitik von dem einen Prozent der vermögendsten Personen bezahlt werden. Das Komitee begründet dies damit, dass dieses eine Prozent am meisten vom kapitalistischen System profitiere, welches die Klimakrise verursacht habe. Zudem trügen die vermögendsten Personen durch ihre Investitionen einen grossen Teil der Verantwortung für die Klimakrise. 4⁰
4⁰ Vgl. Factsheet zur Initiative für eine Zukunft, abrufbar unter:
https://zukunft -initiative.ch/kurzargumentarium
.

3.2 Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Die Initiative sieht die Einführung einer Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer zwecks «Aufbau und Erhalt einer lebenswerten Zukunft» vor. Diese Steuer soll ab einem einmaligen Freibetrag von 50 Millionen Franken auf der Summe des Nachlasses und aller Schenkungen zur Anwendung gelangen. Der Steuersatz soll 50 Prozent betragen.
Die Steuer soll von den Kantonen veranlagt und bezogen werden.
Der Rohertrag der Steuer fliesst zu zwei Dritteln dem Bund und zu einem Drittel den Kantonen zu. Der Ertrag der Steuer ist zweckgebunden: Er muss vom Bund und den Kantonen zur «sozial gerechten Bekämpfung der Klimakrise sowie für den dafür notwendigen Umbau der Gesamtwirtschaft» verwendet werden.
Die Kompetenz der Kantone, eine Erbschafts- und Schenkungssteuer zu erheben, bleibt unberührt.
Die Übergangsbestimmungen verlangen von Bund und den Kantonen u.a. den Erlass von Ausführungsbestimmungen zur Verhinderung von Steuervermeidung sowie über die Verwendung des Rohertrages der Steuer zur Unterstützung des «sozial gerechten, ökologischen Umbaus der Gesamtwirtschaft», insbesondere in den Bereichen der Arbeit, des Wohnens und der öffentlichen Dienstleistungen.

3.3 Auslegung und Erläuterung des Initiativtextes

Nachfolgend wird auf die wesentlichen Aspekte des Initiativtextes eingegangen.

3.3.1 Erbschafts- und Schenkungssteuer des Bundes (Art. 129

a

Abs. 1 BV)

Die Initiative verlangt die Einführung einer Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer mit einem einmaligen Freibetrag von 50 Millionen Franken und einem Steuersatz von 50 Prozent. Mit der Steuer sollen also nicht nur Erbschaften, sondern konsequenterweise auch unentgeltliche Vermögensübertragungen unter Lebenden besteuert werden.
Bei der vorgeschlagenen neuen Bundessteuer handelt es sich gemäss Initiativtext um eine Steuer auf dem Nachlass, d.h. sie beschlägt das gesamte hinterlassene, nicht aufgeteilte Vermögen einer Erblasserin oder eines Erblassers. Bei einer Nachlasssteuer ist die Erbengemeinschaft Steuersubjekt und der Nachlass das Steuerobjekt. Die Steuerschuld ist als sogenanntes Nachlasspassivum anzusehen - und zwar als Erbgangsschuld (Schuld der Erblasserin oder des Erblassers, die auf die Erbinnen und die Erben übergeht).
Artikel 129 a BV äussert sich nicht dazu, ob Steuerbefreiungen (z.B. für die überlebende Ehegattin oder den überlebenden Ehegatten oder Nachkommen) oder Steuererleichterungen (z.B. für Betriebsvermögen oder in [Familien-]Unternehmen gebundenes oder angelegtes Vermögen oder für Zuwendungen an gemeinnützige Institutionen) zulässig wären. Die Übergangsbestimmung von Artikel 197 Ziffer 15 Absatz 1 Buchstabe a BV verlangt indessen eine «lückenlose Besteuerung», was gegen solche Ausnahmen spricht. Offen ist, ob z.B. Zahlungserleichterungen möglich wären.
Vorgesehen ist auch die Erhebung einer Schenkungssteuer (Art. 129 a Abs. 1). Aus dem Wortlaut der Initiative ergibt sich nicht, ob die schenkende oder die beschenkte Person steuerpflichtig ist. Es ist jedoch naheliegend, in Analogie zur Nachlasssteuer bei der schenkenden Person anzuknüpfen.
Das Zusammenspiel der vorgeschlagenen Erbschafts- und Schenkungssteuer lässt sich wie folgt illustrieren:
-
Eine Person verstirbt und hinterlässt einen Nachlass von insgesamt 100 Millionen Franken. Die Person hat zuvor keine Schenkungen getätigt. Nach Abzug des Freibetrages von 50 Millionen Franken werden 50 Millionen Franken des Nachlasses zu 50 Prozent besteuert. Dies entspricht einem Steuerbetrag zulasten des Nachlasses von 25 Millionen Franken.
-
Eine Person verschenkt im Jahr x und anschliessend im Jahr x+10 je 30 Millionen Franken ihres Vermögens. Mit der zweiten Schenkung wird der Freibetrag von 50 Millionen Franken überschritten und es treten Steuerfolgen ein: Die schenkende Person muss 10 Millionen Franken zu einem Steuersatz von 50 Prozent versteuern und folglich 5 Millionen Franken Bundesschenkungssteuer bezahlen. Im Jahr x+15 verstirbt die Person und hinterlässt einen Nachlass von 40 Millionen Franken. Da die Person den Freibetrag bereits durch die beiden Schenkungen ausgeschöpft hat, unterliegt der gesamte Nachlass (40 Mio.) der Bundeserbschaftssteuer von 50 Prozent, was einem Steuerbetrag von 20 Millionen Franken zulasten des Nachlasses entspricht. Der gesamte Steuerbetrag beträgt 25 Millionen Franken.
-
Eine Person verschenkt im Jahr x Vermögenswerte in der Höhe 30 Millionen Franken. Da der Freibetrag von 50 Millionen Franken nicht ausgeschöpft wird, entstehen keine Steuerfolgen. Im Jahr x+15 verstirbt die Person und hinterlässt einen Nachlass von 70 Millionen Franken. Von dem insgesamt verschenkten und vererbten Vermögen von 100 Millionen Franken unterliegen 50 Millionen Franken einer Besteuerung zu 50 Prozent, was einem Steuerbetrag von 25 Millionen Franken zulasten des Nachlasses entspricht.
Die Erbinnen und Erben bzw. Beschenkten können für ihre eigenen künftigen Schenkungen und Nachlässe jeweils wieder den vollen Freibetrag in Anspruch nehmen.

3.3.2 Verwendung des Ertrags der Steuer (Art. 129

a

Abs. 2 BV)

Die Initiative verlangt, dass Bund (zwei Drittel) und Kantone (ein Drittel) den gesamten Rohertrag der neuen Steuer «zur sozial gerechten Bekämpfung der Klimakrise sowie für den dafür notwendigen Umbau der Gesamtwirtschaft» verwenden. In der Übergangsbestimmung von Artikel 197 Ziffer 15 Absatz 1 Buchstabe b BV finden sich Hinweise, in welchen Bereichen die Erträge eingesetzt werden sollen (Arbeit, Wohnen und öffentliche Dienstleistungen). Die Initiative überlässt aber dem Gesetzgeber einen grossen Ermessensspielraum, wie er die Einnahmen unter Berücksichtigung der aktuellen Finanzierungsinstrumente im Umweltbereich einsetzen will. Dies dürfte auch vom tatsächlichen Ertragspotenzial der neuen Steuer abhängen: Die Initiantinnen und Initianten gehen von einem Rohertrag der neuen Steuer von durchschnittlich 6 Milliarden Franken pro Jahr aus, Schätzungen der ESTV deuten jedoch auf deutlich tiefere Erträge hin (vgl. Ziff. 4.2).

3.3.3 Übergangsbestimmung (Art. 197 Ziff. 15 BV)

Ausführungsbestimmungen
Gemäss Artikel 195 BV tritt eine Verfassungsänderung in Kraft, wenn sie von Volk und Ständen angenommen wird. Zur Umsetzung der vorliegenden Verfassungsänderung braucht es jedoch Ausführungsbestimmungen.
Absatz 1 der Übergangsbestimmung fordert Ausführungsbestimmungen von Bund und Kantonen:
-
über die Verhinderung von Steuervermeidung, insbesondere betreffend den Wegzug aus der Schweiz, die Pflicht zur Aufzeichnung von Schenkungen und eine lückenlose Besteuerung (Bst. a); und
-
über die Verwendung des Rohertrags «zur Unterstützung des sozial gerechten, ökologischen Umbaus der Gesamtwirtschaft», insbesondere in den Bereichen der Arbeit, des Wohnens und der öffentlichen Dienstleistungen (Bst. b).
Absatz 1 ist an den Bund und die Kantone adressiert. Unter Berücksichtigung der in Artikel 129 a Absätze 1 und 2 BV festgelegten Kompetenzordnung kann Absatz 1 dahingehend interpretiert werden, dass Buchstabe a (Ausführungsbestimmungen zur Verhinderung von Steuervermeidung) einzig an den Bund, Buchstabe b (Verwendung des Rohertrages der Steuer) hingegen sowohl an den Bund als auch an die Kantone adressiert ist.
Absatz 2 der Übergangsbestimmung legt fest, dass der Bundesrat bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Ausführungsbestimmungen innert drei Jahren nach Annahme von Artikel 129 a durch Volk und Stände die Ausführungsbestimmungen per Verordnung erlässt. Die Ausführungsbestimmungen finden auf Nachlässe und Schenkungen, die nach der Annahme von Artikel 129 a ausgerichtet werden, rückwirkend Anwendung.
Die Ausführungsbestimmungen haben somit wie üblich durch die eidgenössischen Räte auf Gesetzesstufe zu erfolgen. Sofern dies nicht innert drei Jahren geschieht, hat der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen - innerhalb der gleichen Frist - vorübergehend auf dem Verordnungsweg zu erlassen. Diese Verordnung würde direkt gestützt auf die Bundesverfassung erlassen und später durch ein Gesetz ersetzt werden.
Massnahmen gegen Steuervermeidung
Unter Steuervermeidung sind legale Handlungen einer Person zu verstehen, die darauf abzielen, der Besteuerung - hier durch die Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer - zu entgehen. Während die Steuerhinterziehung durch das Verschweigen bzw. Verfälschen des steuerlich relevanten Sachverhalts charakterisiert ist, erfolgt bei der Steuervermeidung eine steuerliche Optimierung des Sachverhalts im Rahmen der legalen Gestaltungsmöglichkeiten.
Der Wortlaut der Übergangsbestimmung sieht eine rückwirkende Anwendung der Ausführungsbestimmungen explizit für Nachlässe und Schenkungen vor, die nach einer allfälligen Annahme der Initiative ausgerichtet werden. Massnahmen zur Steuervermeidung würden hingegen nicht rückwirkend auf den Zeitpunkt der Annahme der Initiative gelten, sondern erst ab Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen (siehe Ziff. 3.3.3, Unterabschnitt Rückwirkung ).
Die Übergangsbestimmung gibt in Bezug auf die Ausführungsbestimmungen zur Steuervermeidung lediglich die Zielsetzung vor. Mit welchen rechtlichen Mitteln dieses Ziel erreicht werden soll, ist somit dem Gesetz- bzw. dem Verordnungsgeber überlassen. Dieser muss sich bei der konkreten Ausgestaltung von Massnahmen gegen die Steuervermeidung an die bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben halten. So sind namentlich die Grundrechte und Grundprinzipien der Verfassung sowie die Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) zu wahren. Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass eine Massnahme geeignet sein muss, um das im öffentlichen Interesse angestrebte Ziel zu erreichen, dass sie erforderlich sein muss (wenn vorhanden muss eine mildere Massnahme ergriffen werden) und dass der Eingriffszweck und die Eingriffswirkung in einer vernünftigen Relation stehen müssen (verhältnismässig im engeren Sinn).
Wenn die Steuerpflicht an den Wohnsitz der Schenkerin oder des Schenkers bzw. der Erblasserin oder des Erblassers anknüpft, können sich diese der Steuerpflicht durch vorgängigen Wegzug aus der Schweiz entziehen. Die Übergangsbestimmung (Art. 197 Ziff. 15 Abs. 1 Bst. a) schreibt ausdrücklich vor, dass zur Verhinderung von Steuervermeidung, insbesondere in Bezug auf den Wegzug aus der Schweiz, Ausführungsbestimmungen zu erlassen sind.
Der Wegzug einer Person ins Ausland darf nicht ohne Weiteres als Steuervermeidung qualifiziert und mit Steuerfolgen sanktioniert werden. Ein Wegzug kann auch aus anderen Gründen erfolgen, z.B. wegen Heirat, beruflichen oder gesundheitlichen Gründen. Es braucht somit neben dem Wegzug zusätzlich eine auf Steuervermeidung gerichtete Handlung, wie z.B. eine zeitnahe Schenkung.
Eine Einschränkung oder gar ein Verbot eines Wegzugs für Personen, die potenziell von der Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer betroffen sind - beispielsweise mittels Passentzugs oder Kapitalverkehrskontrollen - ist aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Solche Massnahmen würden einen unverhältnismässigen Eingriff in die persönliche Freiheit und die Niederlassungsfreiheit darstellen. Erstere umfasst insbesondere die körperliche und geistige Unversehrtheit sowie die Bewegungsfreiheit jedes Menschen (Art. 10 Abs. 2 BV), während Letztere nicht nur das Recht von Schweizerinnen und Schweizern umfasst, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen (Art. 24 Abs. 1 BV), sondern auch das Recht, die Schweiz zu verlassen (Art. 24 Abs. 2 BV).
Nach Einreichung der vorliegenden Volksinitiative wurde in der Öffentlichkeit die Einführung einer Wegzugssteuer diskutiert, mit der eine vorsorgliche Besteuerung einer potenziell unter die Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer fallenden Person vorgenommen würde, wenn diese ihren Wohnsitz von der Schweiz ins Ausland verlegt.
Einer solchen Wegzugssteuer steht entgegen, dass der Wegzug einer Person ins Ausland nicht ohne Weiteres als Steuervermeidung qualifiziert und mit Steuerfolgen sanktioniert werden darf. Der Bundesrat hat bereits in seiner Antwort zur Interpellation Schneeberger «Juso-Enteignungsinitiative» (
24.3763 ) ausgeführt, dass er einer Wegzugssteuer zur Sicherstellung der Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer ablehnend gegenübersteht. Eine Wegzugssteuer, beispielsweise von 50 Prozent auf dem 50 Millionen Franken übersteigenden Vermögen, ohne dass ein Todesfall vorliegt oder dass eine Schenkung erfolgt ist, würde einen unverhältnismässigen Eingriff in die persönliche Freiheit und die Niederlassungsfreiheit darstellen. Sie würde die Freiheit, die Schweiz zu verlassen, massiv einschränken, namentlich wenn das Vermögen gebunden ist (Familienunternehmen oder Liegenschaften) und daher die Bundeserbschafts- oder Schenkungssteuer nicht bezahlt werden kann, ohne den Familienbetrieb zu (teil-)liquidieren oder die Liegenschaften zu verkaufen.
Die soeben beschriebene Wegzugssteuer ist zu unterscheiden von der Besteuerung der stillen Reserven im Geschäftsvermögen einer natürlichen Person oder bei juristischen Personen: Überführt eine natürliche Person Geschäftsvermögen von der Schweiz in einen ausländischen Betrieb oder eine ausländische Betriebsstätte, wird dies einer Veräusserung gleichgestellt und es erfolgt eine Besteuerung der realisierten stillen Reserven (Art. 18 Abs. 2 zweiter Satz des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 4¹ über die direkte Bundessteuer [DBG]). Analoges gilt, wenn eine juristische Person Vermögenswerte, Betriebe, Teilbetriebe oder Funktionen aus dem Inland in einen ausländischen Geschäftsbetrieb oder in eine ausländische Betriebsstätte verlegt (Art. 61 b Abs. 2 DBG). Der Grund für diese Arten der Besteuerung liegt darin, dass jeweils eine tatsächliche Wertsteigerung stattgefunden hat, die aber steuerlich erst bei der Realisierung erfasst wird. Im Falle des Wegzugs der steuerpflichtigen Person löst dieser Umstand die Besteuerung aus, da die Besteuerung andernfalls aufgrund des Wegzugs nicht mehr möglich wäre.
Im Unterschied zu dieser erwähnten Besteuerung würde bei einer allfälligen Bundeserbschafts- und Schenkungsteuer die Wegzugssteuer greifen, bevor ein Todesfall eingetreten oder eine Schenkung getätigt wurde.
Eine Massnahme gegen die Steuervermeidung könnte die Nichtanerkennung der Wohnsitzverlegung ins Ausland sein, indem ein (andauernder) Wohnsitz für Bundeserbschafts- und Schenkungssteuerzwecke in der Schweiz fingiert würde. Eine solche Wohnsitzfiktion müsste zeitlich befristet werden, z.B. für fünf Jahre. Eine zeitlich unbeschränkte Wohnsitzfiktion erscheint unter Verhältnismässigkeitsgesichtspunkten ausgeschlossen.
Würde die betroffene Person in diesem Fall innert 5 Jahren nach der Wohnsitzverlegung eine Schenkung machen oder versterben, so würde auf Grund der Wohnsitzfiktion die Bundeserbschafts- oder Schenkungssteuer erhoben, sofern dem im Einzelfall kein Doppelbesteuerungsabkommen entgegensteht (vgl. Ziff. 2.3).
Eine solche nachwirkende Besteuerung wäre unabhängig von deren Ausgestaltung allerdings nicht ohne Weiteres durchsetzbar. Namentlich kann die Schweiz eine Erbschaftssteuerforderung im Ausland derzeit nicht direkt durchsetzen, da sie mit keinem Staat die Vollstreckungshilfe für Erbschaftssteuerforderungen vereinbart hat.
Die Initiative fordert in Absatz 1 der Übergangsbestimmung zur Steuervermeidung die Pflicht zur Aufzeichnung von Schenkungen. Dies dürfte notwendig sein, um feststellen zu können, wann der Freibetrag von 50 Millionen Franken erreicht ist. Eine solche Aufzeichnungspflicht würde jede natürliche Person treffen, auch wenn völlig offen ist, ob sie je über 50 Millionen Franken schenken bzw. vererben wird. Aus verwaltungsökonomischen Gründen drängt es sich auf, nur Schenkungen ab einem zu definierenden Betrag einer Aufzeichnungspflicht zu unterstellen (De-Minimis-Regel). Eine Pflicht zur Aufzeichnung beispielsweise von «Gelegenheitsgeschenken» wäre unverhältnismässig und kaum umsetzbar.
Die Initiative fordert eine lückenlose Besteuerung. Damit wären Steuererleichterungen für Erbinnen und Erben sowie für beschenkte Personen wie z.B. nahe Verwandte oder die öffentliche Hand ausgeschlossen. Ebenfalls ausgeschlossen wären Erleichterungen in Bezug auf das Steuerobjekt wie z.B. in Unternehmen angelegtes Vermögen. Im Weiteren würde die Einbringung von Vermögen in Stiftungen oder Trusts als Schenkung qualifizieren und damit besteuert.
Rückwirkung
Die Übergangsbestimmung von Artikel 197 Ziffer 15 BV sieht in ihrem Absatz 2 zweiter Satz explizit vor, dass die Ausführungsbestimmungen «auf Nachlässe und Schenkungen, die nach der Annahme von Artikel 129 a ausgerichtet werden, rückwirkend Anwendung» finden. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens der von der Initiative verlangten Erbschafts- und Schenkungssteuer des Bundes würden also Nachlässe und Schenkungen besteuert, die zwar vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes bzw. der verfassungsunmittelbaren Bundesratsverordnung, aber nach der Annahme der Volksinitiative durch Volk und Stände ausgerichtet worden sind. Weniger eindeutig ist, ob die in Absatz 1 der Übergangsbestimmung angesprochenen Massnahmen zur Verhinderung der Steuervermeidung (Bst. a) und der Verwendung des Rohertrags zur Unterstützung des sozial gerechten, ökologischen Umbaus der Gesamtwirtschaft (Bst. b) ebenfalls rückwirkend Anwendung finden sollen. Nach Wortlaut und Systematik bezieht sich die von der Initiative geforderte rückwirkende Anwendung lediglich auf Nachlässe und Schenkungen, die nach der Annahme der Volksinitiative ausgerichtet werden. Wenn man eine rückwirkende Anwendung auch von Massnahmen zur Verhinderung der Steuervermeidung erwägen würde, so ist zu beachten, dass die rückwirkende Anwendung von neuem Recht mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Vertrauensgrundsatz kollidiert.
Lehre und Rechtsprechung verlangen deshalb, dass eine (echte) Rückwirkung ausdrücklich durch die Norm angeordnet sein oder sich zumindest klar aus dieser ergeben muss, zeitlich mässig ist, nicht zu stossenden Ungleichheiten führt, einem schutzwürdigen öffentlichen Interesse dient und wohlerworbene Rechte respektiert. 4² Die Auslegung, wonach die gesetzlichen Massnahmen zur Steuervermeidung und die gesetzlichen Vorschriften über die Verwendung des Rohertrages rückwirkend anzuwenden wären, würde bereits die erste Anforderung nicht erfüllen, weil die Rückwirkung weder ausdrücklich noch klar für diese beiden Massnahmen verfassungsrechtlich vorgeschrieben wird, sondern nur für die Besteuerung der Nachlässe und Schenkungen.
Nachlässe und Schenkungen, die nach der Annahme der Volksinitiative von Personen ausgerichtet werden, die im Zeitpunkt des Todes oder der Schenkung Wohnsitz in der Schweiz haben, werden deshalb von der Nachlass- und Schenkungssteuer nach Artikel 129 a BV erfasst. Hingegen können die von der Volksinitiative geforderten Massnahmen zur Verhinderung von Steuervermeidung (vgl. auch Ziff. 3.3.3.2, Unterabschnitt Massnahmen gegen Steuervermeidung ) nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Vielmehr würden diese erst gelten, wenn die entsprechenden Ausführungsbestimmungen in Kraft gesetzt sind, die der Gesetz- oder der Verordnungsgeber bis spätestens drei Jahre nach einer allfälligen Annahme der Volksinitiative erlassen müsste. Weil diese Bestimmungen nicht rückwirkend angewandt werden dürften, entfällt auch deren Vorwirkung.
4¹ SR 642.11
4² BGE 138 I 189 E.3.4; Häfelin U., Müller G., & Uhlmann F. (2020). Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl., Zürich/St. Gallen: Dike, Rz. 266 ff; Tschannen P., Müller M. & Kern M. (2022). Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Bern: Stämpfli, Rz. 555 ff.

4 Würdigung der Initiative

4.1 Würdigung der Anliegen der Initiative

4.1.1 Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels

Der Bundesrat teilt das übergeordnete Ziel der Initiative. Er will die Klimaerwärmung im Einklang mit den internationalen Klimaabkommen reduzieren. Das von ihm am 28. August 2019 beschlossene Netto-Null-Ziel bis 2050 wird mit dem KlG auf Gesetzesstufe verankert (Art. 3 Abs. 1). Das KlG legt zudem Zwischenziele und sektorielle Richtwerte fest, um klare Rahmenbedingungen zu schaffen.
Ausserdem erachtet es der Bundesrat wie die Initiantinnen und Initianten als unbestritten, dass für das Erreichen der Klimaziele und den Umbau des Energieversorgungssystems beträchtliche Investitionen nötig sind und dass dabei grosse Herausforderungen bestehen. Auch die sozialverträgliche Ausgestaltung von Massnahmen ist aus Sicht des Bundesrates wichtig.
Der von den Initiantinnen und Initianten gewählte Ansatz geht dem Bundesrat jedoch zu weit. Mit den bestehenden und den ab 2025 geltenden Förder- und Unterstützungsmassnahmen verfügt der Bund auch unter Berücksichtigung möglicher Reduktionen aufgrund des Entlastungspakets für den Bundeshaushalt über Mittel von gut 2 Milliarden Franken pro Jahr für den Umbau des Energiesystems und für die Bekämpfung des Klimawandels. Hinzu kommen die Steuererleichterungen für erneuerbare Treibstoffe, Erd- und Flüssiggas gemäss den Artikeln 12 b -12 d des Mineralölsteuergesetzes vom 21. Juni 1996 4³ im Umfang von schätzungsweise 200 Millionen Franken pro Jahr. Diese Mittel sollen gemeinsam mit den weiteren Massnahmen gemäss CO
2
-Gesetz sicherstellen, dass die Schweiz ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 halbieren kann. Das Bundesparlament hat zudem zu jeder Zeit die Möglichkeit, auf demokratischem Wege über zusätzliche Massnahmen zu entscheiden, wenn es einen Handlungsbedarf sieht.
Ohnehin stehen sowohl die von der Initiative vorgesehene Erhebung wie auch die Verwendung der Mittel in keinem Zusammenhang mit dem effektiven Mittelbedarf. Weil das gesamte potenzielle Aufkommen der Erbschaftssteuer gemäss Initiativtext zweckgebunden für den Klimaschutz eingesetzt werden muss, besteht vielmehr die Gefahr, dass hohe Mitnahmeeffekte entstehen, indem Steuergelder für nicht notwendige oder wenig wirksame Massnahmen eingesetzt werden (vgl. auch Ziff. 4.1.3 zur Zweckbindung).
Fraglich ist zudem, inwiefern die in der Initiative vorgesehene Art der Finanzierung von Klimaschutzmassnahmen angemessen ist:
Die Initiative würde zu einer Umverteilung der finanziellen Belastung durch Klimaschutzmassnahmen zu sehr einkommensstarken bzw. vermögenden Haushalten führen. Heute stammt etwa die Hälfte der Mittel zur Finanzierung der Massnahmen im KlG und CO
2
-Gesetz aus dem allgemeinen Bundeshaushalt und damit primär aus den Einnahmen der progressiv ausgestalteten direkten Bundessteuer für natürliche Personen, der Gewinnsteuer für juristische Personen sowie der Mehrwertsteuer. Während letztere tendenziell Haushalte mit tieferen Einkommen relativ stärker belastet, stammen zwischen 65 und 69 Prozent der Einnahmen aus der direkten Bundessteuer für natürliche Personen von den 5 Prozent einkommensstärksten steuerpflichtigen Personen; etwa ein Viertel der steuerpflichtigen Personen bezahlt gar keine Steuern (vgl. Bericht vom 16. Dezember 2022 4⁴ über die Verteilung des Wohlstands in der Schweiz). Die übrigen Mittel stammen aus verbrauchsabhängigen Abgaben wie der CO
2
-Abgabe und dem Emissionshandelssystem und kommen grundsätzlich demjenigen Sektor zugute, aus dem sie stammen. Bei der CO
2
-Abgabe wird die regressive Wirkung der Erhebung durch die teilweise Pro-Kopf-Rückverteilung kompensiert.
Sollten aus den Erträgen der Erbschaftssteuer zusätzliche Finanzmittel - wie von den Initiantinnen und Initianten erhofft - in Milliardenhöhe für die Klimapolitik eingesetzt werden, würde dies eine Abkehr von gezielten und wirksamen Anreizen für klimafreundliches Verhalten bedeuten. Denn die Reduktion von klimaschädlichen Treibhausgasen würde primär über staatlich geplante Förder- und Unterstützungsmassnahmen erfolgen. Die relevanten Verursacherinnen und Verursacher von Treibhausgasen, die mit der heutigen Klimapolitik in die Verantwortung genommen werden - u.a. Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer, Immobilienbesitzerinnen und -besitzer, Finanzmarktakteure und Industriebetriebe -, würden faktisch aus der Pflicht entlassen. Zugleich würde die Initiative auch bei den vermögendsten Personen keine Anreize zu klimafreundlicherem Verhalten setzen, weil diese die Steuer ohnehin schulden. Während die heutige Klimapolitik auf einen Mix aus marktwirtschaftlichen Instrumenten, Regulierungen und gezielter finanzieller Unterstützung setzt, würde der aus der Initiative resultierende starke Fokus auf Fördermassnahmen folglich zu einer Aufweichung des im Umweltrecht verankerten Verursacherprinzips gemäss Artikel 74 Absatz 2 BV führen und volkswirtschaftliche Kosten durch Mitnahmeeffekte und ineffiziente Mittelallokation verursachen.
4³ SR 641.61
4⁴ Abrufbar unter: www.parlament.ch > 15.3381 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses.

4.1.2 Das Instrument Erbschaftssteuer

Steuern und Klima
Die Initiantinnen und Initianten wollen den Klimawandel durch höhere Steuern auf Kapital bekämpfen, weil vermögende steuerpflichtige Personen für einen höheren Anteil des CO
2
-Ausstosses verantwortlich seien. ⁴5 Wissenschaftliche Studien mit konkretem Bezug zur vorliegenden Thematik kommen hingegen zum Ergebnis, dass Kapitalbesteuerung den Klimawandel sogar verstärken kann. Basierend auf bestimmten Annahmen kommen diese Modelle zum Schluss, dass Vermögen und Kapitaleinkommen und damit auch Erbschaften eher subventioniert als besteuert werden sollten. Solche Subventionen würden einen Anreiz bieten, Konsum von der Gegenwart in die Zukunft zu verlagern. Die Besteuerung von Kapital und insbesondere von Erbschaften führt in diesen Modellen zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch in der Gegenwart zu Lasten zukünftiger Generationen. ⁴6
Andere fiskalische Massnahmen gelten jedenfalls als besser geeignet, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. So setzen sich führende Ökonomen wie N. Gregory Mankiw oder Robert Litterman seit langem für eine CO
2
-Bepreisung ein. ⁴7 Dies werde immer dringlicher, da die bisherigen politischen Massnahmen nicht ausreichten, um die globale Erwärmung auf 2 °C oder auf ein kosten- und nutzenoptimales Niveau zu begrenzen. ⁴8 Die Wahl des richtigen Instruments und der Preis sind Gegenstand intensiver Forschung. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen empirisch, dass preisbasierte Instrumente in Kombination mit anderen Maßnahmen wie Verboten wirksam zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen können. ⁴9 Neuesten Schätzungen zufolge müsste der Preis für die Emission einer Tonne CO
2
bei mindestens 225 US-Dollar liegen. 5⁰ Eine andere Studie kommt sogar zum Schluss, dass eine Tonne CO
2
mit mehr als 1000 US-Dollar bepreist werden müsste. 5¹ Zur Einordnung: Ein einfacher Transatlantikflug oder je nach Fahrzeugtyp eine Autofahrt von rund 1500-3000 km verursacht einen Ausstoss von etwa einer Tonne CO
2
. 5²
Die in letzter Zeit allerdings verbreitete ablehnende Haltung vieler Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik gegenüber einer CO
2
-Bepreisung beruht ausserdem auf der Befürchtung, dass diese Massnahme in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähig wäre. Gemäss einer Studie von 2022 haben beispielsweise viele Verbraucherinnen und Verbraucher die finanziellen Auswirkungen einer in Frankreich eingeführten CO
2
-Steuer auf ihren Haushalt überschätzt und diese Massnahme fälschlicherweise als regressiv und umweltpolitisch ineffizient wahrgenommen. Diese Ablehnung könne auch durch generelles Misstrauen und eine negative Grundeinstellung gegenüber der Politik begünstigt werden. 5³ Ein ähnliches Bild zeigte sich bei der Abstimmung über das Bundesgesetz vom 25. September 2020 5⁴ über die Verminderung von Treibhausgasemissionen im Jahr 2021. Das Stimmvolk lehnte das Gesetz mit knapper Mehrheit ab, wobei gemäss der Vox-Analyse 5⁵ finanzielle Bedenken und ein grundsätzlicher Vertrauensmangel in Wissenschaft und Klimaforschung eine zentrale Rolle spielten.
Erbschaftssteuern und Familienunternehmen
Die klassische Finanzmarkttheorie betrachtete bis in die 1990er-Jahre Finanzierung und Eigentümerstruktur als weitgehend neutral, d.h. als wenig bedeutend für Unternehmensabläufe und Unternehmenserfolg. Seit Ende der 1990er Jahre sind Familienunternehmen verstärkt in den Fokus der Forschung gerückt. ⁵6 Die Forderung, in Unternehmen gebundenes Vermögen von der Erbschaftssteuer auszunehmen, findet unter Ökonomen nach wie vor nur wenige Befürworter. Vermögen ist austauschbar und eine steuerliche Sonderbehandlung von Familienunternehmen gilt aus ökonomischer Sicht als fragwürdig. ⁵7
Die Tatsache, dass Unternehmerfamilien aufgrund von Erbschaftssteuern gezwungen sein können, Anteile zu veräussern, kann für die betroffenen Unternehmen Vor- und Nachteile mit sich bringen. Studien zur italienischen Wirtschaft argumentieren beispielsweise, dass dort starke familiäre Bindungen innerhalb von Unternehmen die wirtschaftliche Entwicklung behindern können. ⁵8 Allerdings ist davon auszugehen, dass viele Gründerinnen und Gründer ihre Unternehmen gar nicht erst aufgebaut hätten, wenn sie von vornherein damit hätten rechnen müssen, aufgrund hoher Erbschaftssteuern nur einen geringen Teil dieser Unternehmen an ihre Nachkommen weitergeben zu können. Erbschaftssteuern beeinflussen deshalb die Investitionen in Familienunternehmen negativ. ⁵9
Die Auswirkungen der Abwanderung von Unternehmerinnen und Unternehmern ins Ausland auf die heimische Wirtschaft sind in der Regel ausschliesslich negativ. Wenn Unternehmerinnen und Unternehmer aufgrund von Steuererhöhungen ihr Heimatland verlassen, führt dies nicht nur zur Kontrolle der Unternehmen aus dem Ausland, sondern häufig auch zur Einstellung der Geschäftstätigkeit. 6⁰
Finanzwissenschaftliche Bewertung
Die ökonomische Literatur zur Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen kommt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Dies liegt unter anderem am Zielkonflikt zwischen der Erzielung von Steuereinnahmen einerseits und der Verteilungswirkung andererseits. Erbschaftssteuern generieren zwar im Allgemeinen nur geringe Einnahmen, können aber dennoch ein wirksames Instrument zur Verringerung der Vermögensungleichheit sein. Bei der Wirkung von Erbschaftssteuern auf die Vermögensverteilung kann unterschieden werden zwischen direkter Umverteilung von Steuereinnahmen (Redistribution) und langfristiger Veränderung der Vermögensverteilung aufgrund von Verhaltensanpassungen (Prädistribution). Die dämpfende Wirkung der Erbschaftssteuer auf die Vermögensverteilung wird in der Literatur vor allem mit Prädistribution in Verbindung gebracht und damit auf die Verzerrungswirkung der Erbschaftssteuer zurückgeführt. 6¹ Dies führt einerseits dazu, dass die Erbschaftssteuer nur ein geringes Aufkommen erzielen kann und weniger direkte Umverteilung bewirkt. Andererseits führen Verhaltensanpassungen zu einer gleichmäßigeren Vermögensverteilung (Prädistribution).
Eine von Befürworterinnen und Befürwortern verfasste Studie, die zum Resultat kommt, dass der optimale Steuersatz auf Erbschaften bei mindestens 50-60 Prozent liegt, beruht auf den Annahmen, dass die Elastizität der Erbschaften in Bezug auf den Steuersatz gering ist, die Konzentration der Erbschaften hoch ist und die Gesellschaft vor allem um diejenigen besorgt ist, die wenig erben. 6² Die im Gutachten von Prof. Brülhart zusammengefasste Literatur, die den Schätzungen in Kapitel 4.2 zugrunde liegt, deutet jedoch darauf hin, dass die Elastizität erheblich ist.
Zwei aktuelle skandinavische Studien 6³ legen empirisch nahe, dass es unklar ist, inwieweit Erbschaftssteuern zu mehr Chancengleichheit führen. Zwar sind Erbschaften in der Bevölkerung nicht gleichmässig verteilt, und die Erbschaften der Wohlhabenden sind im Durchschnitt höher als die der weniger Wohlhabenden. Über die Vermögensverteilung hinweg sind Erbschaften jedoch gleichmässiger verteilt als die Vermögen selbst, die in der Schweiz bereits einer progressiven Besteuerung unterliegen (vgl. Ziff. 2.2.4).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Erbschaftssteuern zwar eine dämpfende Wirkung auf die Vermögensungleichheit haben, dieser Effekt jedoch wesentlich auf ihre Verzerrungswirkung zurückzuführen ist. Im Fall der vorliegenden Initiative würden nur sehr wenige steuerpflichtige Personen, die in der Regel sehr mobil sind, mit einem sehr hohen Steuersatz belastet. Die verzerrende Wirkung der Steuer dürfte daher umso grösser sein und sich negativ auf die Standortattraktivität der Schweiz auswirken. Durch Abwanderung steuerpflichtiger Personen droht zudem eine Verringerung der bestehenden Einnahmen aus Einkommens- und Vermögenssteuern. Auch die Frage, ob Erbschaftssteuern die Chancengleichheit fördern oder nicht, wird in der neueren Literatur differenziert beurteilt. Da es wenige wissenschaftliche Hinweise darauf gibt, dass Erbschaften zu einer Erhöhung der Vermögensungleichheit beitragen, scheint dies eher nicht der Fall zu sein.
⁴5 Vgl. www.zukunft-intitiative.ch > Die Initiative > Argumente.
⁴6 Vgl. Barrage, L. (2018). Be careful what you calibrate for: social discounting in general equilibrium. Journal of Public Economics , 160 , 33-49; Farhi, E., & Werning, I. (2010). Progressive estate taxation. The Quarterly Journal of Economics , 125 (2), 635-673.
⁴7 Vgl. beispielsweise https://scholar.harvard.edu/files/mankiw/files/carbon_tax.pdf
.
⁴8 Vgl. Barrage, L., & Nordhaus, W. (2024). Policies, projections, and the social cost of carbon: Results from the DICE-2023 model. Proceedings of the National Academy of Sciences , 121 (13), e2312030121.
⁴9 Vgl. Stechemesser, A., Koch, N., Mark, E., Dilger, E., Klösel, P., Menicacci, L., ... & Wenzel, A. (2024). Climate policies that achieved major emission reductions: Global evidence from two decades. Science , 385 (6711), 884-892.
5⁰ Vgl. epic.uchicago.edu, Seite The social cost of carbon is now US$225 per tonne - what this means for Asia.
5¹ Bilal, A., & Känzig, D. R. (2024). The Macroeconomic Impact of Climate Change: Global vs. Local Temperature (No. w32450). National Bureau of Economic Research.
5² Vgl. https://co2.myclimate.org .
5³ Vgl. Douenne, T., & Fabre, A. (2022). Yellow vests, pessimistic beliefs, and carbon tax aversion. American Economic Journal: Economic Policy , 14 (1), 81-110.
5⁴ BBl 2020 7847
5⁵ VOX-Analyse Juni 2021. Abrufbar unter: www.vox.gfsbern.ch
> zu den Publikationen > VOX-Analyse zur Abstimmung vom 13. Juni 2021 > vollständige VOX-Analyse.
⁵6 Als Ausgangspunkt hierfür gilt: La Porta, R., Lopez-de-Silanes, F., & Shleifer, A. (1999). Corporate ownership around the world. The journal of finance , 54 (2), 471-517.
⁵7 Vgl. Hines Jr, J. R., & Thaler, R. H. (1995). Anomalies: The flypaper effect. Journal of economic perspectives , 9 (4), 217-226.
⁵8 Vgl. Prat, A., Bandiera, O., Guiso, L., & Sadun, R. (2010). Italian managers: fidelity or performance. The ruling class: management and politics in modern Italy. Oxford, Oxford University Press , 105-202; Pellegrino, B., & Zingales, L. (2017). Diagnosing the Italian disease (No. w23964). National Bureau of Economic Research.
⁵9 Vgl. Tsoutsoura, M. (2015). The effect of succession taxes on family firm investment: Evidence from a natural experiment. The Journal of Finance , 70 (2), 649-688.
6⁰ Vgl. Jakobsen, K., Kleven, H., Kolsrud, J., Landais, C., & Muñoz, M. (2024). Taxing Top Wealth: Migration Responses and their Aggregate Economic Implications (No. w32153). National Bureau of Economic Research; die Diskussion im Begleitgutachten von Prof. Brülhart.
6¹ Vgl. Cowell, F. A., Van De Gaer, D., & He, C. (2018). Inheritance taxation: Redistribution and predistribution. In Inequality, Taxation and Intergenerational Transmission . Emerald Publishing Limited, 1-13.
6² Vgl. Piketty, T., & Saez, E. (2013). A theory of optimal inheritance taxation. Econometrica , 81 (5), 1851-1886.
6³ Vgl. Nekoei, A., & Seim, D. (2023). How do inheritances shape wealth inequality? Theory and evidence from Sweden. The Review of Economic Studies , 90 (1), 463-498; Black, S. E., Devereux, P. J., Landaud, F., & Salvanes, K. G. (2022). The (un) importance of inheritance. Journal of the European Economic Association , forthcoming.

4.1.3 Zweckbindung der Steuererträge

Die Initiative schreibt vor, dass der Bund und die Kantone ihre Anteile an dem Steuerertrag zur sozial gerechten Bekämpfung der Klimakrise sowie für den aus Sicht des Initiativkomitees notwendigen Umbau der Gesamtwirtschaft verwenden müssen, insbesondere in den Bereichen der Arbeit, des Wohnens und der öffentlichen Dienstleistungen. Diese Zweckbindung der Steuererträge ist kritisch zu würdigen:
-
Gemäss heutiger Gesetzgebung liegt die Klimapolitik zu grossen Teilen in der Kompetenz des Bundes. Im Gebäudebereich sind jedoch die Kantone für die Umsetzung von Massnahmen zuständig. Dasselbe gilt auch für die Anpassung an den Klimawandel, wobei die Gesetzgebung dem Bund dort eine koordinierende Rolle zuweist. Der nach der Initiative vorgesehene Verteilschlüssel berücksichtigt diese Kompetenzverteilung nicht und kann deshalb einen bedarfsgerechten und effizienten Einsatz der Mittel behindern. Die Zweckbindung der Steuererträge auch für die Kantone (für ihren Anteil von einem Drittel) stellt zudem einen Eingriff in die Finanzautonomie der Kantone dar, da die Kantone die Mittel nur für den vorgegebenen Zweck verwenden dürfen (vgl. auch Ziff. 4.1.4).
-
Steuern sind voraussetzungslos geschuldet und dienen der Deckung des Finanzbedarfs des Staates. Die Zweckbindung einer Steuer wird eingesetzt, um die Finanzierung einer spezifischen Staatsaufgabe sicherzustellen. Zweckbindungen weisen jedoch auch Nachteile auf. So können Anreize zur Verschwendung geschaffen werden, da die Gefahr besteht, dass infolge des garantierten Mittelflusses nicht nachgefragte Leistungen erbracht werden oder deren Erstellung nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt (vgl. auch Ziff. 4.1.1). Auch wird der Handlungsspielraum im Budgetbereich bzw. die Steuerbarkeit des öffentlichen Haushalts eingeschränkt und die Festlegung von neuen finanzpolitischen Prioritäten erschwert.

4.1.4 Föderalismus

Die Kantone sind gemäss Artikel 3 BV souverän und üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen wurden. Ihnen obliegt somit auch die Steuerhoheit, soweit diese nicht dem Bund übertragen wurde. Die Kompetenz zur Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer liegt traditionell bei den Kantonen. Obwohl heute die überlebende Ehegattin und der überlebende Ehegatte sowie die Nachkommen in fast allen Kantonen von der Erbschafts- und Schenkungssteuer befreit sind, sind die Einnahmen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer im Vergleich zu anderen Ländern immer noch beträchtlich (siehe Ziff. 2.2.4).
Die Initiative hält zwar explizit fest, dass die Kompetenz der Kantone zur Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer unberührt bleiben soll (Art. 129 a Abs. 3). Dies trifft aber faktisch nur für Nachlässe und Schenkungen unter 50 Millionen Franken zu. Bei Nachlässen und Schenkungen über 50 Millionen Franken hätten Bund und Kantone künftig beide eine Erhebungskompetenz.
Dadurch würde die Finanzautonomie der Kantone eingeschränkt, da ein Teil des Steuersubstrats neu auch vom Bund abgeschöpft würde.
4.1.5 Besteuerungsgrundsätze
Eine Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer, bei der Vermögen über 50 Millionen Franken zu 50 Prozent besteuert werden, tangiert gewisse Besteuerungsgrundsätze der Bundesverfassung, namentlich den in Artikel 127 Absatz 2 BV statuierten Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung. Dieses Prinzip verlangt gemäss Bundesgericht, «dass alle Personen oder Personengruppen nach denselben gesetzlichen Regeln erfasst werden; Ausnahmen, für die kein sachlicher Grund besteht, sind unzulässig» 6⁴ . Die Rechtfertigung für den Verfassungsrang dieses Prinzips liegt darin, dass die öffentlichen Ausgaben von allen Bürgerinnen und Bürgern getragen werden sollen. Der Grundsatz der Allgemeinheit betrifft sowohl Privilegierungen wie auch Diskriminierungen von natürlichen als auch juristischen Personen. Mit einer Verfassungsänderung kann jedoch der Verfassungsgeber (Volk und Stände) von bestehenden Verfassungsgrundsätzen und Grundrechten abweichen. Immerhin ist aber zu fordern, dass die Abweichung vom Verfassungsgeber angeordnet sein muss, der Entscheid also nicht dem Bundesgesetzgeber oder dem Bundesrat überlassen wird.
6⁴ BGE 137 I 145 E. 2.1, 147.

4.2 Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

Im Folgenden werden Schätzungen zu den Auswirkungen der Einführung der von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer präsentiert. Zunächst werden die Datenquellen beschrieben. Anschliessend wird die Entwicklung des geschätzten Steuersubstrats im Zeitraum 2005-2021 dargestellt. Auf der Basis von Daten für das Jahr 2021 werden die Steuereinnahmen vor und nach Verhaltensanpassungen geschätzt. Den Einnahmen aus der von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer werden die durch Wegzüge verursachten Mindereinnahmen bei der Einkommens- und Vermögenssteuer gegenübergestellt.

4.2.1 Datenlage

Die vorliegenden Auswertungen stützen sich auf zwei Quellen. Dabei handelt es sich einerseits um die Daten der gesamtschweizerischen Vermögenssteuerstatistik 6⁵ der ESTV und andererseits um eigens für diese Botschaft von den Kantonen erhobene Einzeldaten zu Steuerpflichtigen mit Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken (Ad-hoc-Erhebung). Die auf diesen beiden Quellen basierenden Auswertungen führen zu konsistenten Resultaten. Die Auswertungen der Vermögenssteuerstatistik erlauben einen Überblick über die längerfristige Entwicklung über den Zeitraum 2005-2021. Die Auswertungen der erhobenen Einzeldaten ermöglichen die Erstellung detaillierter Statistiken für das Jahr 2021.
Die Schätzungen der zu erwartenden Einnahmen aus der von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer stützen sich somit ausschliesslich auf Vermögensdaten. Dabei müssen Annahmen über Sterbewahrscheinlichkeiten getroffen werden, um den jährlich vererbten Anteil dieser Vermögen schätzen zu können. Eine andere, direktere Methode bestünde darin, Schätzungen auf der Grundlage von Daten über Erbschaften vorzunehmen. Solche Daten zu Erbschaften werden jedoch nur in wenigen Kantonen umfassend erhoben und bieten keine Basis für verlässliche Schätzungen. Ein Nachteil von Erbschaftssteuerdaten ist zudem, dass sie keine Informationen über Einkommens- und Vermögenssteuern enthalten.
Gesamtschweizerische Vermögenssteuerstatistik
Die Kantone liefern der ESTV Daten zu für die Vermögenssteuer von den Kantonen veranlagten Reinvermögen, welche die Grundlage für die gesamtschweizerische Vermögenssteuerstatistik bilden. Für die gesamtschweizerische Statistik der besteuerten Vermögen ist das veranlagte Reinvermögen (Aktiven abzüglich Passiven, vor Berücksichtigung der Sozialabzüge) der natürlichen Personen per 31. Dezember des jeweiligen Jahres massgebend. Die Steuerpflichtigen ohne Reinvermögen werden ebenfalls in die Erhebung einbezogen. Abgestellt wird, wann immer möglich, auf die definitiven Steuereinschätzungen. Liegen diese im Zeitpunkt der Erhebung nicht vor, werden provisorische Veranlagungen bzw. die Selbstdeklarationen herangezogen.
Diese Statistik, die jährlich aktualisiert wird und zuletzt Daten von 2021 beinhaltet, differenziert neuerdings zwischen unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen. Für die unbeschränkt steuerpflichtigen Personen (persönliche Zugehörigkeit) ist nur das für die Besteuerung massgebende Reinvermögen im Wohnsitzkanton erfasst. Reinvermögen, welches anderen Kantonen oder dem Ausland für die Besteuerung zusteht, fällt somit ausser Betracht. Unbeschränkt steuerpflichtige Personen, die während der Steuerperiode vom Kanton weggezogen oder verstorben sind, sind in der Datenlieferung für diesen Kanton nicht enthalten. Die ESTV berücksichtigt in ihren Auswertungen nur das Vermögen unbeschränkt steuerpflichtiger Personen in ihrem Wohnsitzkanton. Vermögen in Form von Liegenschaften oder Betriebsstätten in anderen Kantonen als dem Wohnsitzkanton würde zwar im Todesfall in den Nachlass fallen. Mit den vorhandenen Daten ist es jedoch nicht möglich, unbeschränkt steuerpflichtigen Personen solche Vermögenswerte in anderen Kantonen zuzuordnen. Beschränkt steuerpflichtige Personen haben ihren Wohnsitz ausserhalb des betreffenden Kantons und werden deshalb in den folgenden Auswertungen nicht berücksichtigt. Die gesamtschweizerische Vermögenssteuerstatistik enthält für beschränkt steuerpflichtige Personen nur Angaben zu Vermögenswerten in Form von Liegenschaften und Betriebsstätten im jeweiligen Kanton selbst und nicht zum satzbestimmenden weltweiten Vermögen. Bei den folgenden Schätzungen, die sich auf die Entwicklung von 2005 bis 2021 konzentrieren, handelt es sich daher um Untergrenzen.
Bei den Daten, welche die Kantone der ESTV übermitteln, handelt es sich um klassierte Daten. Für elf Intervalle teilen die Kantone jeweils die Zahl Steuerpflichtiger und deren Gesamtvermögen mit. Demografische Details liegen nicht vor. Da der in der Volksinitiative vorgesehene Freibetrag von 50 Millionen Franken deutlich über der obersten Schwelle in der Vermögenssteuerstatistik in Höhe von 10 Millionen Franken liegt, sind Annahmen bezüglich der Vermögensverteilung nötig. Die unten dokumentierten Schätzungen stützen sich auf eine Methode, die von einer Pareto-Verteilung ausgeht. 6⁶
Auswertungen auf Basis der verfügbaren Vermögenssteuerdaten sind im Hinblick auf eine Bundesnachlasssteuer mit Vorsicht zu interpretieren. Die heutige Bewertung von Vermögen, wie Immobilien und Unternehmensbeteiligungen, variiert kantonal, weswegen die kantonalen Vermögenssteuerwerte nicht als Bemessungsgrundlage für eine Bundeserbschaftssteuer herangezogen werden können. Die Kantone stellen bei der Erbschaftssteuer nicht auf ihre eigenen Vermögenssteuerwerte ab, sondern nehmen nach Todesfällen eine Schätzung der Verkehrswerte vor. Die ESTV hat jedoch keinen Überblick über die Vorgehensweise in allen Kantonen und es ist möglich, dass einzelne Kantone von dieser Praxis abweichen. Die Unterbewertung von Liegenschaftswerten in Vermögenssteuerdaten führt zu einer Unterschätzung der Erbschaftssteuereinnahmen.
Eine weitere Einschränkung bei der Interpretation der vorliegenden Auswertung ergibt sich daraus, dass Ehepaare bei der Vermögenssteuer gemeinsam veranlagt werden. Bei der Erbschaftssteuer hingegen werden Nachlässe von Ehegattinnen und Ehegatten jeweils separat besteuert. Die Vermögenssteuerstatistik unterscheidet nicht zwischen Einzelpersonen und gemeinsam veranlagten Steuerpflichtigen. Sie enthält daher auch keine Informationen über die güterrechtliche Aufteilung des Vermögens auf die beiden Eheleute. Statt einer Zahl von der Erbschaftssteuer potenziell betroffener Personen können daher nur potenziell betroffene Steuerpflichtige ausgewiesen werden. Die Zahl betroffener Personen kann höher sein als die Zahl betroffener Steuerpflichtiger, weil Verheiratete zu einer steuerpflichtigen Person zusammengefasst werden. Die Zahl betroffener Personen kann aber auch geringer sein als die Zahl betroffener Steuerpflichtiger, weil der Freibetrag in Höhe von 50 Millionen für jede Person einzeln angewandt wird. Ist das Vermögen einer steuerpflichtigen Person beispielsweise mit 100 Millionen Franken angegeben, so wäre diese nicht von der Erbschaftssteuer betroffen, falls sie sich aus zwei Eheleuten zusammensetzt und das gemeinsame Vermögen zu gleichen Teilen auf diese verteilt ist.
Auf das potenzielle Steuersubstrat ergeben sich aus der gemeinsamen Veranlagung zwei gegenläufige Effekte. Zum einen fällt ein grösserer Anteil der Vermögen unter den Freibetrag von 50 Millionen Franken als aus Steuerdaten erkennbar ist, da dieser Freibetrag für beide Eheleute individuell gilt. Zum anderen kann es bei gemeinsam veranlagten Ehepaaren auch sein, dass Vermögen in einem bestimmten Zeitraum häufiger vererbt wird, wenn beide Eheleute nacheinander versterben. Die Verwendung von Vermögenssteuerdaten führt wegen der gemeinsamen Veranlagung von Ehepaaren tendenziell jedoch insgesamt eher zu einer Überschätzung der Erbschaftssteuereinnahmen.
Ad-hoc-Erhebung von Einzeldaten
Im Rahmen ihrer Untersuchungen zur Erbschaftssteuer hat die ESTV die Kantonsregierungen sowie die kantonalen Steuerverwaltungen gebeten, einerseits Einzeldaten über Steuerpflichtige mit einem Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken und andererseits Einzeldaten über Erbanfälle von mehr als 20 Millionen Franken zu liefern. Die Angaben sollten sich auf das Jahr 2021 beziehen, das letzte Jahr, für das der ESTV Daten aus der Vermögenssteuerstatistik vorliegen, um Vergleiche zwischen den beiden Datensätzen zu ermöglichen. Insgesamt sind 24 der 26 Kantone dieser Aufforderung nachgekommen.
Die 24 teilnehmenden Kantone lieferten Einzeldaten zu steuerpflichtigen Personen mit Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken, die auch demografische Charakteristika umfassten. Das für die vorliegenden Auswertungen wichtigste Merkmal sind die Reinvermögen der Steuerpflichtigen. Je nach Kanton waren in den Daten zudem die folgenden Informationen enthalten: Angaben zu Ehestand, Geburtsdatum, einfachen Steuerbeträgen für die Einkommens- und Vermögenssteuern, Zuzugsdaten und Herkunft sowie eine Information, ob diese steuerpflichtigen Personen teilbesteuerte Dividenden bezogen haben. Tabelle 1 zeigt die wichtigsten deskriptiven Statistiken aus der Ad-hoc-Erhebung.
Tabelle 1
Deskriptive Statistiken zur Ad-hoc-Erhebung
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Merkmal Anzahl Kantone mit Angaben Anzahl Beobachtungen Arithmetisches Mittel des Merkmals
Reinvermögen 24 2347 192 Millionen
Reineinkommen 22 1814 3,04 Millionen
Alter Dossierträger 17 1591 65,2 Jahre
Dividendenteilbesteuerung 21 730 von 2015 36,2 %
Zuzug aus anderem Kanton 16 716 von 1425 50,2 %
Zuzug aus Ausland 16 236 von 1425 16,6 %
Anteil an Einkommenssteuereinnahmen 21 3,1 %
Anteil Vermögenssteuereinnahmen 22 26,7 %
Die Tabelle zeigt die Anzahl der Kantone, die für die jeweilige Fragestellung verwertbare Daten geliefert haben, die Anzahl der Beobachtungen, die für diese Fragestellung ausgewertet werden können und das arithmetische Mittel für jedes Merkmal. Bei den Merkmalen «Dividendenteilbesteuerung» sowie «Zuzug aus anderen Kantonen und aus dem Ausland» ist in der Spalte «Anzahl Beobachtungen» zusätzlich die Anzahl Beobachtungen angegeben, auf die das jeweilige Merkmal zutrifft.
Quelle: Eigene Berechnungen basierend auf der Ad-hoc-Datenerhebung.
Zu beachten ist, dass die Datenlieferungen der meisten Kantone unvollständig waren. Nur für wenige der abgefragten Merkmale liegen Informationen aus allen Kantonen vor. Einige Kantone lieferten keine Angaben zu steuerpflichtigen Personen, die bisher nur provisorisch veranlagt wurden und deren Reinvermögen im relevanten Bereich liegt. Gemäss den Angaben der Kantone an die ESTV handelt es sich dabei um insgesamt 16 steuerpflichtige Personen. Andere Kantone übermittelten offenbar aus Gründen der Vertraulichkeit nicht die tatsächlichen Reinvermögen, falls diese einen Wert von einer Milliarde Franken überstiegen, sondern kappten diese bei einer Milliarde Franken. Davon waren sechs steuerpflichtige Personen betroffen. Diese Massnahmen der Kantone führen zu gewissen Einschränkungen bei der Interpretation der vorliegenden Auswertungen. So ist davon auszugehen, dass sowohl die Anzahl der steuerpflichtigen Personen als auch deren Gesamtvermögen in einem unbekannten, aber vermutlich relativ geringen Ausmass höher ausfallen würden.
Wie die Auswertungen der gesamtschweizerischen Vermögenssteuerstatistik stützt sich auch die Auswertung der Ad-hoc-Erhebung auf die kantonalen Steuerwerte, welche häufig niedriger sind als die Verkehrswerte. Bei gemeinsam veranlagten Ehepaaren liegen den kantonalen Steuerverwaltungen darüber hinaus keine Informationen zur Aufteilung der Vermögenswerte auf die beiden Eheleute vor. Die Daten der Ad-hoc-Erhebung umfassen Informationen zu 39 steuerpflichtigen Personen, die nach dem Aufwand besteuert werden. Diese bleiben in den Auswertungen unberücksichtigt, da deren Vermögen nicht systematisch erfasst und bewertet werden und sie auch in der Vermögenssteuerstatistik nicht enthalten sind. In den folgenden Auswertungen werden zudem Liegenschaften und Betriebsstätten beschränkt Steuerpflichtiger nicht berücksichtigt, die ebenfalls einer Erbschafts- und Schenkungssteuer unterliegen können, wenn das weltweite Vermögen den Freibetrag übersteigt.
Den Kantonen war es nicht möglich, in hinreichender Anzahl kantonal vergleichbare und statistisch auswertbare Daten über Erbschaften zur Verfügung zu stellen. Zu Erbanfällen, bei denen keine Erbschaftssteuer anfällt (sei es, weil der Kanton keine Erbschaftssteuer kennt, sei es, weil die Erbinnen und Erben von der Erbschaftssteuer befreit sind), werden in den Kantonen in der Regel keine Daten geführt, so dass sich die Fallzahlen der gelieferten Erbschaften letztlich nur im mittleren zweistelligen Bereich bewegen. Die wenigen Beobachtungen, die der ESTV von den Kantonen übermittelt wurden, lassen sich letztlich in zwei Kategorien einteilen: Einige Kantone übermittelten Angaben zu im Kanton unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, wenn diese im Jahr 2021 Erbschaften erhalten hatten. Andere Kantone übermittelten Angaben zu Erbschaften, die im Kanton steuerpflichtig waren, unabhängig davon, ob die Erbinnen und Erben ihren Wohnsitz im Kanton selbst oder ausserhalb hatten. Eine einheitliche Infrastruktur zur Erfassung von Nachlässen scheint in den Kantonen noch zu fehlen und müsste im Falle einer Bundeserbschaftssteuer neu geschaffen werden.
6⁵ Die gesamtschweizerische Vermögenssteuerstatistik ist online veröffentlicht unter:
www.estv.admin.ch > Die ESTV > Schweizer Steuerstatistiken > Allgemeine Steuerstatistiken > Gesamtschweizerische Vermögenssteuerstatistik.
6⁶ Vgl. Piketty, T. (2001). Les hauts revenus en France au XXe siècle. Grasset, Paris.

4.2.2 Schätzung von Trends basierend auf gesamtschweizerischer Vermögenssteuerstatistik

Abbildung 2
Entwicklung der geschätzten Anzahl unbeschränkt Steuerpflichtiger in der Schweiz mit Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken in den Jahren 2005-2021
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Quelle: Gesamtschweizerische Vermögenssteuerstatistik der natürlichen Personen, ESTV.
Gemäss den Zahlen der gesamtschweizerischen Vermögenssteuerstatistik ist unter Anwendung des Schätzmodells die Zahl der in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtigen Personen mit einem Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken zwischen 2005 und 2021 von geschätzt etwa 760 auf etwa 2520 gestiegen (Abb. 2). Dies entspricht einer Zunahme von etwa 230 Prozent über den gesamten Zeitraum von 16 Jahren. Da hier für jedes Jahr der nominale Wert von 50 Millionen Franken verwendet wird, widerspiegelt diese Zunahme teilweise das gestiegene Preisniveau. Gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) lagen die allgemeinen Verbraucherpreise im Jahr 2021 jedoch nur um 3,8 Prozent über dem Niveau von 2005. Veränderungen des Preisniveaus sind für diesen Zeitraum somit weitgehend vernachlässigbar.
Damit einher ging ein Anstieg des Anteils dieser Gruppe an der Gesamtzahl der Steuerpflichtigen von 0,018 Prozent im Jahr 2005 auf 0,049 Prozent im Jahr 2021 (Abb. 3). Im letzten Jahr, für das Daten verfügbar sind, verfügt somit schätzungsweise eine von etwa 2040 steuerpflichtigen Personen über ein Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken.
Abbildung 3
Entwicklung des geschätzten Anteils unbeschränkt Steuerpflichtiger in der Schweiz mit Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken an der Gesamtzahl unbeschränkt Steuerpflichtiger in den Jahren 2005-2021
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Quelle: Gesamtschweizerische Vermögenssteuerstatistik der natürlichen Personen, ESTV.
Abbildung 4 zeigt die Entwicklung der gesamten Reinvermögen der unbeschränkt steuerpflichtigen Personen mit Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken. Diese stiegen im Beobachtungszeitraum um fast 300 Prozent von etwa 130 Milliarden Franken auf gut 500 Milliarden Franken.
Da die Volksinitiative einen steuerlichen Freibetrag von 50 Millionen Franken für Nachlässe vorsieht, werden für die nachfolgenden Schätzungen vom Vermögen jeder unbeschränkt steuerpflichtigen Person 50 Millionen Franken abgezogen, um das massgebende Steuersubstrat zu ermitteln. Das durchschnittliche Reinvermögen einer steuerpflichtigen Person mit einem Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken betrug im Jahr 2021 gut 200 Millionen Franken. Im Durchschnitt würde somit etwas weniger als ein Viertel des Reinvermögens der Steuerpflichtigen dieser Gruppe unter den von der Volksinitiative vorgesehenen Freibetrag fallen.
Abbildung 4
Entwicklung der geschätzten Reinvermögen unbeschränkt Steuerpflichtiger in der Schweiz mit Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Frankens in den Jahren 2005-2021, mit und abzüglich des von der Initiative vorgesehenen Freibetrags in Höhe von 50 Millionen Franken
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Quelle: Gesamtschweizerische Vermögenssteuerstatistik der natürlichen Personen, ESTV.
Wie Abbildung 4 ebenfalls zeigt, belief sich das gesamte Reinvermögen der in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtigen Personen mit einem Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken abzüglich des Freibetrags von 50 Millionen Franken pro steuerpflichtige Person im Jahr 2021 auf rund 380 Milliarden Franken. Da der von der Initiative vorgeschlagene Steuersatz nur auf diesen 50 Millionen übersteigenden Betrag anwendbar wäre, würde der durchschnittliche Steuersatz auf dem Gesamtvermögen der Steuerpflichtigen mit einem Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken 37,6 Prozent (= 380 Milliarden Franken x 50 % / 506 Milliarden Franken) betragen.
Abbildung 5
Entwicklung des geschätzten Anteils der Reinvermögen unbeschränkt Steuerpflichtiger in der Schweiz mit Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken an den gesamten Reinvermögen aller unbeschränkt Steuerpflichtiger in den Jahren 2005-2021
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Quelle: Gesamtschweizerische Vermögenssteuerstatistik der natürlichen Personen, ESTV.
Insgesamt stieg der Anteil der Reinvermögen unbeschränkt steuerpflichtiger Personen in der Schweiz mit Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken an allen Reinvermögen unbeschränkt Steuerpflichtiger - wie in Abbildung 5 dargestellt - von geschätzt 11,7 Prozent im Jahr 2005 auf zuletzt 21,7 Prozent im Jahr 2021 an.

4.2.3 Auswertung Ad-hoc-Datenlieferung und Vergleich mit den Ergebnissen der gesamtschweizerischen Vermögenssteuerstatistik

Vergleich mit gesamtschweizerischer Vermögenssteuerstatistik
Die Gesamtzahl der steuerpflichtigen Personen mit Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken beläuft sich im Jahr 2021 gemäss der Datenlieferung aus den 24 Kantonen auf 2347 Personen mit einem Gesamtvermögen in Höhe von 450 Milliarden Franken. Diese Werte weichen jeweils um weniger als 5 Prozent von den auf der gesamtschweizerischen Vermögenssteuerstatistik basierenden Schätzungen für dieselben 24 Kantone ab. Lässt man die beiden Kantone, die der ESTV keine Daten geliefert haben, ausser Acht, so ergibt sich auf Basis der gesamtschweizerischen Vermögenssteuerstatistik eine Gesamtzahl von knapp 2300 steuerpflichtigen Personen mit einem Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken (statt etwa 2520 für die ganze Schweiz) mit einem Gesamtvermögen in Höhe von etwa 470 Milliarden Franken (statt gut 500 Milliarden für die ganze Schweiz).
Auswirkungen auf die Steuereinnahmen: Schätzungen vor Verhaltensanpassungen
Zwei Gruppen von Steuerpflichtigen werden in den folgenden Auswertungen nicht berücksichtigt. Dabei handelt es sich um nach dem Aufwand besteuerte Personen und um beschränkt Steuerpflichtige. Bei der Aufwandbesteuerung wird das Vermögen steuerlich nicht vollständig erfasst und bewertet. Liegenschaften und Betriebsstätten von beschränkt steuerpflichtigen Personen mit Wohnsitz in einem anderen Kanton oder im Ausland sind ebenfalls nicht berücksichtigt. Diese können jedoch ebenfalls einer Nachlasssteuer unterliegen, wenn das satzbestimmende Vermögen den Freibetrag übersteigt.
Für 1591 steuerpflichtige Personen aus der Ad-hoc-Erhebung liegen Informationen über ihr Alter im Jahr 2021 vor. Ihnen kann eine vom BFS ermittelte Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden, in den folgenden 12 Monaten zu versterben und damit einen Erbgang auszulösen. ⁶7
Die durchschnittliche Sterbewahrscheinlichkeit über alle steuerpflichtigen Personen mit einem Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken beträgt gemäss dieser Schätzung 2,59 Prozent. Es zeigt sich, dass relativ jüngere steuerpflichtige Personen in der relevanten Gruppe tendenziell höhere Reinvermögen aufweisen. Die geschätzte Wahrscheinlichkeit, dass ein Franken des Reinvermögens oberhalb des Freibetrags der relevanten steuerpflichtigen Personen vererbt wird, lag daher im Jahr 2021 mit durchschnittlich 2,23 Prozent etwas niedriger. Diese Schätzungen basieren auf der Annahme, dass alle potenziell steuerpflichtigen Personen männlich sind, was zu einer Überschätzung der Sterbewahrscheinlichkeiten führt.
Wendet man diese basierend auf der Ad-hoc-Erhebung für 2021 geschätzte Sterbewahrscheinlichkeit von 2,23 Prozent auf die oben genannte Schätzung aus der Vermögenssteuerstatistik an, wonach ein Gesamtvermögen in Höhe von 380 Milliarden Franken über der Schwelle von 50 Millionen Franken liegt, so ergibt sich ein geschätztes theoretisches Steueraufkommenspotenzial in Höhe von 4,25 Milliarden Franken vor Verhaltensanpassungen, wovon zwei Drittel dem Bund und ein Drittel den Kantonen zu Gute kommen sollen. Tabelle 2 zeigt auch die geschätzten Anteile der unter 65-Jährigen und der über 65-Jährigen an diesen potenziellen Einnahmen. Die Besteuerung wirkt dem Wachstum dieser Einnahmen im Laufe der Zeit «mechanisch» entgegen, da das Vermögen, das künftige Generationen vererben können, durch die Besteuerung verringert wird. Dieser «mechanische» Effekt wird im Folgenden nicht berücksichtigt, im Vergleich zu den Auswirkungen der zu erwartenden Verhaltensanpassungen ist er weniger gewichtig.
Wie oben bereits erwähnt, liegt der Durchschnittssteuersatz auf Grund des Freibetrags unter dem Grenzsteuersatz von 50 Prozent. Gemäss Auswertung der von den Kantonen gelieferten Einzeldaten ergibt sich ein durchschnittlicher Steuersatz von 37 Prozent pro Franken Reinvermögen, was wiederum nur geringfügig von der oben erwähnten Schätzung aufgrund der gesamtschweizerischen Vermögenssteuerstatistik von 37,6 Prozent abweicht. Dieser Wert könnte etwas höher ausfallen, wenn alle Kantone die tatsächlichen Reinvermögen aller Steuerpflichtigen ausgewiesen hätten, anstatt diese teilweise bei einer Milliarde zu kappen.
Berechnet man für jede steuerpflichtige Person einen individuellen Durchschnittssteuersatz und bildet dann das ungewichtete arithmetische Mittel über alle Durchschnittssteuersätze, so ergibt sich ein durchschnittlicher Durchschnittssteuersatz von 22,2 Prozent. Dieser ist tiefer als der durchschnittliche Steuersatz pro Vermögensfranken, weil ein relativ grosser Anteil der steuerpflichtigen Personen mit einem Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken diese Schwelle nur knapp überschreitet, womit nur ein relativ kleiner Teil ihres Vermögens nachlasssteuerpflichtig wäre.
Tabelle 2
Geschätztes Einnahmepotenzial vor Verhaltensanpassungen und Einnahmen aus anderen Steuern
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Stpfl. >50 Mio. bis 65 J. über 65 J.
Einnahmenpotenzial Erbschaftssteuer 4250 400 3850
Einnahmen Einkommenssteuer (Kantone + Gemeinden) 1450 750 700
Einnahmen Vermögenssteuer (Kantone + Gemeinden) 2300 1250 1050
Einnahmen DBSt 400 210 190
Geschätztes Einnahmenpotenzial aus der von den Initiantinnen und Initianten vorgesehenen Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer vor Verhaltensanpassungen und geschätzte Steuereinnahmen aus der Einkommens- und der Vermögenssteuer durch Steuerpflichtige mit Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken im Jahr 2021. Alle Zahlen sind in Millionen Franken ausgewiesen.
Quelle: Eigene Berechnungen basierend auf der Gesamtschweizerischen Vermögensstatistik und der-Ad hoc-Datenerhebung.
Die Angaben der Kantone zum einfachen Steuerbetrag, d.h. zum durch den Steuertarif bestimmten Steuerbetrag vor Anwendung der jährlichen Vielfachen, bei der Vermögens- und Einkommenssteuer erlauben eine Schätzung des Anteils dieser Steuerpflichtigen an den kantonalen Einkommens- und Vermögenssteuereinnahmen. Dazu wurden die einfachen Steuerbeträge mit den Vielfachen des Kantons und des Kantonshauptortes multipliziert. Anschliessend wurde die Summe der Steuerbeträge nach Anwendung der Vielfachen für alle steuerpflichtigen Personen mit Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken pro Kanton gebildet. Die daraus resultierenden Einkommens- und Vermögenssteuereinnahmen, die durch steuerpflichtige Personen mit Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken generiert wurden, wurden dann in Relation zu den gesamten Einkommens- und Vermögenssteuereinnahmen der Kantone und Gemeinden gemäss Finanzstatistik der Eidgenössischen Finanzverwaltung gesetzt. Berücksichtigt wurden nur Kantone mit vollständigen Daten.
Gemäss diesen Schätzungen stammen insgesamt 3,1 Prozent der kantonalen Einkommenssteuereinnahmen von steuerpflichtigen Personen mit Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken. Dieser Anteil variiert jedoch stark zwischen den Kantonen und reicht von 0,32 Prozent bis 26,4 Prozent.
Höher sind die Anteile dieser Gruppe an den Vermögenssteuereinnahmen. Insgesamt beträgt dieser Anteil in allen Kantonen 26,7 Prozent. Dieser Wert erscheint vor dem Hintergrund des oben geschätzten Vermögensanteils dieser Gruppe von 21,7 Prozent plausibel. Auch der Anteil am Vermögenssteueraufkommen dieser Gruppe variiert zwischen den Kantonen stark und liegt zwischen 5,8 Prozent und 74,6 Prozent.
Aus diesen Anteilen ergeben sich die in Tabelle 2 dargestellten geschätzten Einnahmen aus Einkommens- und Vermögenssteuern, die durch steuerpflichtige Personen mit Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken generiert werden. Kantone und Gemeinden erzielten 2021 Einnahmen in Höhe von 46,69 Milliarden Franken aus der Einkommenssteuer und in Höhe von 8,70 Milliarden Franken aus der Vermögenssteuer. ⁶8 Für die direkte Bundessteuer liegen keine Daten vor. Es wird im Folgenden unterstellt, dass der geschätzte Anteil von 3,1 Prozent an den kantonalen Einkommenssteuern, der von Steuerpflichtigen mit einem Reinvermögen von mehr als 50 Millionen Franken generiert wird, auch hier gilt. Im Jahr 2021 betrugen die Einnahmen aus der direkten Bundessteuer der natürlichen Personen 12,76 Milliarden Franken.
Auswirkungen auf die Steuereinnahmen: Schätzungen nach Verhaltensanpassungen
Überblick über mögliche Verhaltensanpassungen
Hinsichtlich der Verhaltensanpassungen auf die von der Initiative geforderte Nachlasssteuer kann auf das von der ESTV in Auftrag gegebene Gutachten Bundeserbschaftssteuer gemäss der «Initiative für eine Zukunft»: Steuersubstrat und Verhaltensreaktionen ⁶9 von Prof. Marius Brülhart (Universität Lausanne) zurückgegriffen werden. Das Gutachten unterscheidet zwischen Verhaltensanpassungen der Erbinnen und Erben sowie Verhaltensanpassungen der Erblasserinnen und Erblasser. Auf der Seite der Erbinnen und Erben ist dokumentiert, dass der Erhalt grösserer Erbschaften deren Arbeitsangebot reduziert, was wiederum zu geringeren Steuerzahlungen auf Arbeitseinkommen führt. 7⁰ Erblasserinnen und Erblasser haben laut Gutachten grundsätzlich drei Möglichkeiten, auf die Einführung einer Erbschaftssteuer zu reagieren: Sie können ihre Vermögensakkumulation anpassen, sie können ihr Vermögen umstrukturieren und sie können mit ihrem Vermögen umziehen.
Das Gutachten legt seinen Fokus auf Umzüge als Möglichkeit der Verhaltensanpassung, weil hierzu solide wissenschaftliche Evidenz existiert. Die im Gutachten ausgewiesenen Werte werden im Folgenden verwendet, um die Auswirkungen von Netto-Abwanderung auf die Steuereinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden abzuschätzen. Dass andere Verhaltensanpassungen hier unberücksichtigt bleiben, bedeutet allerdings nicht, dass diese nicht existieren. Es fehlen jedoch Forschungsergebnisse zu deren Quantifizierung.
Mobilität
Die Literatur zeigt hier gemäss Gutachten ein konsistentes Bild, wonach die Netto-Abwanderung betroffener Steuerpflichtiger in Reaktion auf eine Erhöhung des Erbschaftssteuersatzes um 10 Prozentpunkte um zwischen 20 Prozent (Semi-Elastizität = -2 %) und 40 Prozent (Semi-Elastizität = -4 %) steigt. 7¹ Die zugrundeliegenden Studien haben jeweils geringere Änderungen der Steuersätze für ihre Schätzungen verwendet, so dass unklar ist, inwieweit die Ergebnisse für die Abschätzung der Reaktion auf die Einführung einer Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer in Höhe von 50 Prozent verwendet werden können. Sie deuten jedoch darauf hin, dass eine Nachlasssteuer von 50 Prozent grosse Teile oder sogar eine deutliche Mehrheit der potenziell betroffenen Personen dazu veranlassen könnte, das Land zu verlassen. Die für das Gutachten herangezogenen Studien beziehen sich auf die Netto-Abwanderung. Fehlende Zuzüge gehen daher implizit in Form erhöhter Abwanderung in die Schätzungen ein.
Basierend auf den Semi-Elastizitäten aus dem Gutachten Brülhart sowie den der ESTV zusätzlich vorliegenden Daten aus der Ad-hoc-Erhebung bei den Kantonen hat die ESTV für 2347 steuerpflichtige Personen Abwanderungswahrscheinlichkeiten ermittelt. In welchem Ausmass sich eine Abwanderung in steuerlichen Mindereinnahmen niederschlägt, hängt dabei zu einem gewissen Grad von deren zeitlichem Verlauf ab. Es ist davon auszugehen, dass die im Folgenden dokumentierte Minderung der zu erwartenden Einnahmen aus der Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer durch Abwanderung unmittelbar eintritt. Die Höhe einer zusätzlichen Reduzierung der bestehenden Einkommen- und Vermögensteuereinnahmen steigt dagegen, je länger potenziell steuerpflichtige Personen vor ihrem Tod das Land verlassen. Im Folgenden werden die Semi-Elastizitäten aus dem Gutachten Brülhart auf den Bestand potenziell steuerpflichtiger Personen und deren Vermögen angewandt. Darüber hinaus wird eine Variante dargestellt, bei der nur die über 65-Jährigen, nicht aber die Jüngeren, durch Zu- und Abwanderung reagieren. 7²
Für Umzugsentscheidungen ist nicht der Grenzsteuersatz von 50 Prozent relevant, sondern der Durchschnittssteuersatz. Wie oben beschrieben, liegt dieser im Durchschnitt bei 37 Prozent. Er ist jedoch individuell sehr unterschiedlich. Für eine steuerpflichtige Person mit einem Reinvermögen von 51 Millionen Franken beträgt er 0,98 Prozent (1 Million x 50 % / 51 Millionen), für eine steuerpflichtige Person mit einem Reinvermögen von einer Milliarde Franken beträgt er dagegen 47,5 Prozent (950 Millionen x 50 % / 1 Milliarde). Durch Multiplikation der individuellen Durchschnittssteuersätze mit den im Gutachten angegebenen Semi-Elastizitäten, dividiert durch 10, lassen sich die Abwanderungswahrscheinlichkeiten der Steuerpflichtigen aus der Ad-hoc-Datenerhebung ermitteln. Dies erfolgt für die untere und obere Grenze des im Gutachten angegebenen Bereichs der Semi-Elastizitäten von -2 Prozent und -4 Prozent. Für viele Steuerpflichtige ergeben sich Werte über 100 Prozent. Da Wahrscheinlichkeiten jedoch nicht grösser als 100 Prozent sein können, werden Werte über 100 Prozent durch 100 Prozent ersetzt.
Bei einer Semi-Elastizität von -2 Prozent beträgt die durchschnittliche geschätzte Abwanderungswahrscheinlichkeit 44,5 Prozent und bei einer Semi-Elastizität von -4 % beträgt sie 70,2 Prozent Bei der Variante, in der nach Alter unterschieden wird, wird die Semi-Elastizität und damit auch die Nettoabwanderung in Bezug auf die Einführung einer Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer in der Altersgruppe der 65-Jährigen und Jüngeren gleich Null gesetzt. Bei den über 65-Jährigen beträgt die Nettoabwanderung 44,2 Prozent bei einer Semi-Elastizität von -2 Prozent und 69,6 Prozent bei einer Semi-Elastizität von -4 Prozent. Allerdings ist die individuelle Abwanderungswahrscheinlichkeit umso höher, je höher das Reinvermögen einer oder eines Steuerpflichtigen ist.
Durch Gewichtung der individuellen Abwanderungswahrscheinlichkeiten mit den jeweiligen Reinvermögen oberhalb des Freibetrags lässt sich abschätzen, welcher Anteil des Steuersubstrats durch Abwanderung verloren gehen könnte. An der Untergrenze der im Gutachten genannten Semi-Elastizitäten wäre dies gemäss den Schätzungen der ESTV ein Anteil von 84,3 Prozent des betroffenen Steuersubstrats , d.h. der Gesamtsumme der Vermögen oberhalb des Freibetrags. An der Obergrenze wäre dies ein Anteil von 97,6 Prozent. Geht man davon aus, dass nur die über 65-Jährigen auf die Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer reagieren, beträgt der Nettoabfluss ihres Vermögens 83,2 Prozent am unteren Ende der Bandbreite der Semi-Elastizitäten und 97,5 Prozent am oberen Ende.
Liegen die Semi-Elastizitäten also innerhalb der im Gutachten genannten Bandbreite, so verblieben von den geschätzten Einnahmen aus der von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Erbschafts- und Schenkungssteuer in Höhe von 4,25 Milliarden Franken (siehe Abschnitt 4.2.3 Auswirkungen auf die Steuereinnahmen: Schätzungen vor Verhaltensanpassungen ) vor Verhaltensanpassungen schätzungsweise nur zwischen 100 und 650 Millionen Franken nach Verhaltensanpassungen. Würden nur die über 65-Jährigen innerhalb der im Gutachten angegebenen Bandbreite reagieren, lägen die möglichen Einnahmen zwischen 500 Millionen und 1,05 Milliarden Franken.
Tabelle 3
Geschätztes Einnahmepotenzial nach Verhaltensanpassungen ohne Unterscheidung nach Alter
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Szenario Semi-Elastizität -2 % alle
Einnahmen Erbschaftssteuer 650
Reduktion Einnahmen Einkommenssteuer (Kt. + Gde.) -900
Reduktion Einnahmen Vermögenssteuer (Kt. + Gde.) -1650
Reduktion Einnahmen DBSt -250
Saldo -2150
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Szenario Semi-Elastizität -4 % alle
Einnahmen Erbschaftssteuer 100
Reduktion Einnahmen Einkommenssteuer (Kt. + Gde.) -1200
Reduktion Einnahmen Vermögenssteuer (Kt. + Gde.) -2100
Reduktion Einnahmen DBSt -350
Saldo -3550
Geschätzte Veränderungen der Einnahmen aus verschiedenen Steuerarten in Folge einer Einführung der von den Initiantinnen und Initianten vorgesehenen Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer nach Verhaltensanpassungen. Alle Zahlen sind in Millionen Franken aus gewiesen.
Quelle: Eigene Berechnungen basierend auf der Gesamtschweizerischen Vermögensstatistik und der Ad-hoc-Datenerhebung.
Durch die Abwanderung vieler Steuerpflichtiger würden aber auch die Einnahmen aus der bestehenden Einkommens- und Vermögenssteuer sinken. Gewichtet man die Abwanderungswahrscheinlichkeiten mit den gezahlten Steuerbeträgen aus der Ad-hoc-Erhebung, so ergibt sich, dass bei einer Semi-Elastizität von -2 Prozent 63,9 Prozent der Einnahmen aus der (kantonalen und kommunalen) Einkommenssteuer sowie der direkten Bundessteuer und 71,3 Prozent der Einnahmen aus der (kantonalen und kommunalen) Vermögenssteuer dieser Gruppe verloren gehen könnten. Bei einer Semi-Elastizität von -4 % dürften es sogar 84,4 Prozent der Einnahmen aus der Einkommenssteuer sowie der direkten Bundessteuer und 89,4 Prozent der Einnahmen aus der Vermögenssteuer dieser Gruppe sein. Falls nur die über 65-Jährigen auf die Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer reagieren, könnten sich bei einer Semi-Elastizität von -2 Prozent die Einnahmen aus der Einkommenssteuer sowie der direkten Bundessteuer dieser Gruppe um 65,8 Prozent und die Einnahmen aus der Vermögenssteuer dieser Gruppe um 66,8 Prozent reduzieren. Bei einer Semi-Elastizität von -4 Prozent wären es 86,9 Prozent der Einnahmen aus der Einkommenssteuer sowie der direkten Bundessteuer und 87,2 Prozent der Einnahmen aus der Vermögenssteuer dieser Gruppe.
Tabelle 3 bietet einen Überblick über die geschätzten Mindereinnahmen nach Verhaltensanpassungen ohne Unterscheidung nach dem Alter. Den oben geschätzten Erträgen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer von 100 bis 650 Millionen Franken, die zu zwei Dritteln dem Bund und zu einem Drittel den Kantonen zu Gute kämen, stünden demnach Steuerausfälle bei anderen Steuern auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene von schätzungsweise 2,80 bis 3,65 Milliarden Franken gegenüber. Die Mehrheit der Mindereinnahmen entfiele auf die Kantone.
Tabelle 4 zeigt, wie die geschätzten Mindereinnahmen aussehen, wenn nur die über 65-Jährigen mit Abwanderung reagieren würden. In diesem Fall lägen die erwarteten Einnahmen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer je nach Semi-Elastizität zwischen 500 Millionen und 1,05 Milliarden Franken. 400 Millionen Franken dieser erwarteten Einnahmen würden von den unter 65-Jährigen generiert. Bei einer Semi-Elastizität von -2 Prozent unter den über 65-Jährigen müssten die Kantone und Gemeinden mit Mindereinnahmen bei den Einkommens- und Vermögenssteuern von geschätzt rund 1,15 Milliarden Franken rechnen. Bei einer Semi-Elastizität von -4 Prozent würden die Mindereinnahmen für die Kantone und Gemeinden bei Einkommens- und Vermögenssteuern auf 1,55 Milliarden Franken geschätzt. Der Rückgang der Einnahmen aus der direkten Bundessteuer könnte je nach angenommener Semi-Elastizität zwischen 100 und 150 Millionen Franken liegen. Unter dem Strich wäre auf der Ebene aller Gebietskörperschaften mit geschätzten Mindereinnahmen zwischen 200 Millionen und 1,2 Milliarden Franken zu rechnen, wenn nur die über 65-Jährigen mit Abwanderung reagieren würden.
Tabelle 4
Geschätztes Einnahmepotenzial nach Verhaltensanpassungen mit Unterscheidung nach dem Alter
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Szenario Semi-Elastizität -2 % über 65-Jährige
Stpfl. >50 Mio. davon bis 65 J. davon über 65 J.
Einnahmen Erbschaftssteuer 1050 400 650
Reduktion Einnahmen Einkommenssteuer (Kt. + Gde.) -450 -450
Reduktion Einnahmen Vermögenssteuer (Kt. + Gde.) -700 -700
Reduktion Einnahmen DBSt -100 -100
Saldo -200 400 -600
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Szenario Semi-Elastizität -4 % über 65-Jährige
Stpfl. >50 Mio. davon bis 65 J. davon über 65 J.
Einnahmen Erbschaftssteuer 500 400 100
Reduktion Einnahmen Einkommenssteuer (Kt. + Gde.) -600 -600
Reduktion Einnahmen Vermögenssteuer (Kt. + Gde.) -950 -950
Reduktion Einnahmen DBSt -150 -150
Saldo -1200 400 -1600
Geschätzte Veränderungen der Einnahmen aus verschiedenen Steuerarten in Folge einer Einführung der von den Initiantinnen und Initianten vorgesehenen Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer nach Verhaltensanpassungen. Alle Zahlen sind in Millionen Franken ausgewiesen.
Quelle: eigene Berechnungen basierend auf der gesamtschweizerischen Vermögensstatistik und der Ad-hoc-Datenerhebung.
Prof. Brülhart hat in seinem Gutachten eigene Schätzungen zu den finanziellen Auswirkungen vorgenommen. Da er sich dabei auf Todesfälle stützt, musste er Annahmen über die Höhe der Einkommens- und Vermögenssteuern sowie den Zeitraum treffen, über den diese vor dem Erbfall geleistet wurden. Die im Gutachten getroffenen Annahmen würden bezüglich finanzieller Auswirkungen insgesamt zu günstigeren Ergebnissen führen als hier ermittelt. Konkret schätzt das Gutachten Brülhart das Aufkommenspotenzial der von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Steuer vor Verhaltensanpassungen auf 2,5 bis 5 Milliarden Franken. Die Netto-Abwanderung schätzt das Gutachten auf 49 bis 74 Prozent der von der vorgeschlagenen Erbschafts- und Schenkungssteuer betroffenen Personen , verbunden mit einem Netto-Abfluss von zwischen 77 und 93 Prozent des betroffenen Steuersubstrats . Daraus würde eine Spannweite der geschätzten fiskalischen Netto-Wirkungen für die öffentliche Hand von -0,7 Milliarden bis +0,3 Milliarden Franken resultieren.
Die Abweichungen zwischen den Schätzungen sind vor allem darauf zurückzuführen, dass im Gutachten davon ausgegangen wird, dass die Verstorbenen erst 12 Jahre vor ihrem Tod wegziehen. Bei den Schätzungen der ESTV wird dagegen von einem sofortigen Wegzug ausgegangen. Aus den Daten der Ad-hoc-Erhebung geht hervor, dass der durchschnittliche Franken in der Variante ohne Altersdifferenzierung nach dem Wegzug im Erwartungswert noch rund 40 Jahre im Vermögen der Erblasserinnen und Erblasser verbleibt. Die Variante, in der unterstellt wird, dass nur über 65-Jährige durch Wegzug reagieren, führt dementsprechend zu Ergebnissen, die näher an denen des Gutachtens liegen.
Wie oben beschrieben, sind beschränkt Steuerpflichtige und Steuerpflichtige, die nach dem Aufwand besteuert werden, auf Grund der Datenlage in diese Schätzungen nicht einbezogen. Es ist unklar, ob der Einbezug dieser beiden Gruppen nach Verhaltensanpassungen zu Mehr- oder Mindereinnahmen führen würde. Etwa 4000 steuerpflichtige Personen wurden zuletzt nach dem Aufwand besteuert. Es ist aber unklar, wie hoch deren Vermögen sind und wie viele von der Erbschaftssteuer betroffen wären.
Wenn Steuerpflichtige in der Vergangenheit umgezogen sind, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass sie in Zukunft aufgrund von Steuererhöhungen eher wieder umziehen werden. 16 Kantone haben im Zuge der Ad-hoc-Erhebung Angaben darüber gemacht, ob die Steuerpflichtigen schon immer im Wohnsitzkanton gewohnt haben oder von auswärts zugezogen sind. Gemäss diesen Angaben, die für insgesamt 1425 Steuerpflichtige vorliegen, sind 716 oder 50,2 Prozent aus anderen Kantonen und 236 oder 16,6 Prozent aus dem Ausland zugezogen. Nur eine Minderheit war also immer im gleichen Kanton ansässig. Das durchschnittliche Reinvermögen der aus anderen Kantonen zugezogenen Steuerpflichtigen betrug 176 Millionen Franken. Das durchschnittliche Reinvermögen der aus dem Ausland zugezogenen und der immer im Kanton wohnhaften Steuerpflichtigen betrug je 213 Millionen Franken.
Unternehmerische Tätigkeit
Über die direkten fiskalischen Folgen hinaus kann sich die Abwanderung negativ auf die unternehmerische Tätigkeit auswirken. Wie in Abschnitt 4.1.2 erwähnt, deutet die aktuelle Forschung darauf hin, dass Unternehmen häufig aufgelöst werden, wenn ihre Eigentümerinnen und Eigentümer durch Steuererhöhungen zum Wegzug ins Ausland veranlasst werden. 7³ Um abschätzen zu können, welcher Anteil der betroffenen steuerpflichtigen Personen eine unternehmerische Tätigkeit ausübt, können Angaben über die Inanspruchnahme der Dividendenteilbesteuerung herangezogen werden. 21 Kantone haben entsprechende Angaben geliefert. Von den 2015 steuerpflichtigen Personen, für welche diese Angaben vorliegen, haben 730 oder 36,2 Prozent die Dividendenteilbesteuerung in Anspruch genommen. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Unternehmen im Jahr 2021 Dividenden ausgeschüttet haben müssen, weshalb es sich um eine Untergrenze des Anteils der steuerpflichtigen Personen, die Unternehmensanteile von mehr als 10 Prozent halten, in der betreffenden Gruppe handeln dürfte. Steuerpflichtige mit Dividendenteilbesteuerung weisen im Durchschnitt ein höheres Reinvermögen auf, nämlich 233 Millionen Franken gegenüber 176 Millionen Franken bei Steuerpflichtigen ohne Dividendenteilbesteuerung.
⁶7 Sterbetafeln sind zu finden auf der Website des BFS:
www.bfs.admin.ch > Statistiken > Bevölkerung > Geburten und Todesfälle > Lebenserwartung > Tabellen > Vollständige jährliche Sterbetafel (Männer), 2023-2023.
⁶8 Die Daten der Finanzstatistik sind öffentlich zugänglich unter:
www.efv.admin.ch > Themen > Finanzstatistik > Daten > Detaillierte Daten FS
.
⁶9 abrufbar unter: www.estv.admin.ch > Die ESTV > Steuerpolitik STP > Steuerpolitische Gutachten, Berichte, Arbeitspapiere.
7⁰ Vgl. z.B. Kindermann, F., Mayr, L., & Sachs, D. (2020). Inheritance taxation and wealth effects on the labor supply of heirs. Journal of Public Economics , 191 , 104127.
7¹ Spezifisch stützt sich das Gutachten in diesem Zusammenhang auf folgende Studien: Bakija, J. M., & Slemrod, J. (2004). Do the rich flee from high state taxes? Evidence from federal estate tax returns. (No. w10645). National Bureau of Economic Research ; Conway, K. S., & Houtenville, A. J. (2003). Out with the old, in with the old: A closer look at younger versus older elderly migration. Social Science Quarterly , 84 (2), 309-328; Brülhart, M., & Parchet, R. (2014). Alleged tax competition: The mysterious death of bequest taxes in Switzerland. Journal of Public Economics , 111 , 63-78; Moretti, E., & Wilson, D. J. (2023). Taxing billionaires: Estate taxes and the geographical location of the ultra-wealthy. American Economic Journal: Economic Policy , 15 (2), 424-466.
7² Vgl. Moretti, E., & Wilson, D. J. (2023). Taxing billionaires: Estate taxes and the geographical location of the ultra-wealthy. American Economic Journal: Economic Policy , 15 (2), 424-466.
7³ Vgl. Jakobsen, K., Kleven, H., Kolsrud, J., Landais, C., & Muñoz, M. (2024). Taxing Top Wealth: Migration Responses and their Aggregate Economic Implications (No. w32153). National Bureau of Economic Research.

4.3 Auswirkungen auf die Erreichung der Klimaziele

Mit dem vorgeschlagenen Ansatz kämen gemäss den Initiantinnen und Initianten jährlich Erlöse im Umfang von rund 6 Milliarden Franken zusammen, die für die vorgeschlagenen Zwecke eingesetzt werden können. Die Massnahmen, die mit diesen Erlösen zusätzlich umsetzbar wären, könnten dazu beitragen, die Dekarbonisierung zu beschleunigen und die Energieeffizienz sowie die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien für Wohnen und Mobilität zu verbessern. 7⁴ Es ist jedoch zu erwarten, dass bei einem Ausbau der Subventionen in dem von der Initiative angestrebten Umfang auch mit beträchtlichen Mitnahmeeffekten zu rechnen wäre (vgl. Ziff. 2.1). Das Ertragspotenzial der neuen Steuer dürfte zudem durch die Initiantinnen und Initianten stark überschätzt werden (vgl. Ziff. 4.2).
Welche Auswirkungen eine Annahme der Initiative auf die Menge der in der Schweiz emittierten Treibhausgase genau hätte, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Die Auswirkungen wären stark von den effektiv erzielten Erlösen und den konkreten, auf Stufe Gesetz festzulegenden klimapolitischen Massnahmen abhängig. Und nicht zuletzt sind die zur Erreichung des Netto-Null-Ziels notwendigen Etappen zur Anpassung der gesetzlichen Grundlagen im KlG verankert, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die zur Erreichung des Ziels erforderlichen Massnahmen von Bund, Kantonen, Gemeinden, aber auch von Wirtschaft und Bevölkerung ergriffen werden.
7⁴ Vgl. zukunft-initiative.ch > Die Initiative > Argumente.

4.4 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Initiative selbst hat keinen Einfluss auf internationale Verpflichtungen der Schweiz.
Bei ihrer Umsetzung müssten jedoch die bestehenden Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für Erbschafts- und Nachlasssteuern berücksichtigt werden (siehe Ziff. 2.3), d.h. im Einzelfall würden diese Doppelbesteuerungsabkommen vorgehen. Zudem wären bei einer Umsetzung der Initiative auch die Anforderungen zu berücksichtigen, die das Abkommen vom 21. Juni 1999 7⁵ zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit bzw. das Übereinkommen vom 4. Januar 1960 7⁶ zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) an die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit stellt.
7⁵ SR 0.142.112.681
7⁶ SR 0.632.31

5 Schlussfolgerungen

Bund und Kantone betreiben bereits heute eine aktive Klimapolitik, die sich in verschiedenen Gesetzen mit Massnahmen und der Sicherstellung derer Finanzierung niedergeschlagen hat. So verfügt die Schweiz mit dem KlG und dem CO
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-Gesetz sowie dem Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien über rechtliche Grundlagen, die auf die Dekarbonisierung der Schweiz und die Bewältigung der Klimaerwärmung abzielen. Damit wird ein grundsätzliches Anliegen der Initiative, wonach die Schweiz gegen den Klimawandel vorgehen soll, bereits erfüllt. Die Klimapolitik setzt auf Anreize und gezielte Fördermassnahmen und nimmt nicht zuletzt auch grosse Emittenten wie die Verkehrsteilnehmenden, die Immobilienbesitzenden und die Industrie in die Pflicht. Für die Klimapolitik und die Dekarbonisierung stehen zudem bereits heute beträchtliche Mittel zur Verfügung: Mit den bestehenden und den ab 2025 geltenden Förder- und Unterstützungsmassnahmen verfügt der Bund auch unter Berücksichtigung möglicher Reduktionen aufgrund des Entlastungspakets für den Bundeshaushalt über Mittel von gut 2 Milliarden Franken pro Jahr für den Umbau des Energiesystems und für die Bekämpfung des Klimawandels.
Im Gegensatz dazu möchte die Initiative die Finanzierung der Klimaschutzmassnahmen mittels Erhebung einer zweckgebundenen Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer teilweise oder vollständig auf das vermögendste eine Prozent der Bevölkerung verlagern. Damit würde jedoch das Verursacherprinzip geschwächt und die Anreize zu klimafreundlicherem Verhalten reduziert.
Die Zweckbindung des Steuerertrags führt ausserdem dazu, dass sich die Finanzierung nicht nach dem effektiven Mittelbedarf für die Klimapolitik richtet und die Gefahr besteht, dass die Steuergelder nicht sachgerecht und effizient eingesetzt werden.
In der Schweiz verfügen schätzungsweise rund 2500 steuerpflichtige Personen über ein Vermögen von mehr als 50 Millionen Franken, die folglich von der neuen Steuer potenziell betroffen wären. Sie verfügen über ein Gesamtvermögen von rund 500 Milliarden Franken. Daraus lässt sich zwar ein theoretisches Ertragspotenzial der vorgeschlagenen neuen Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer von über 4 Milliarden Franken ableiten. Allerdings deuten die Schätzungen zu den finanziellen Auswirkungen der Volksinitiative darauf hin, dass sie unter Umständen im Gegenteil zu signifikanten Mindereinnahmen für Bund und Kantone führen könnte. Ein von der ESTV bei Prof. Marius Brülhart von der Universität Lausanne in Auftrag gegebenes Gutachten kommt jedenfalls zum Schluss, dass es bei der vorgeschlagenen Erbschafts- und Schenkungssteuer zu sehr starken Verhaltensanpassungen kommen dürfte. Im vorliegenden Fall schätzt die ESTV basierend auf den Semi-Elastizitäten aus dem Gutachten von Prof. Brülhart sowie kantonalen Daten aus einer Ad-hoc-Erhebung, dass zwischen 85 und 98 Prozent des potenziellen Steuersubstrats abwandern könnten. Vom theoretischen Aufkommenspotenzial von über 4 Milliarden Franken würden nach Abwanderungseffekten demnach nur noch geschätzte rund 100 bis 650 Millionen Franken übrig. Davon kämen zwei Drittel dem Bund und ein Drittel den Kantonen zu. Diesen neuen Einnahmen dürften zugleich bedeutende Ausfälle bei den bestehenden Einkommens- und Vermögenssteuern gegenüberstehen, womit unter dem Strich sogar ein negativer Einnahmensaldo für die öffentliche Hand resultieren könnte.
Die Volksinitiative würde insgesamt die Attraktivität der Schweiz als Wohnsitz für vermögende Personen senken, die über die progressiven Einkommens- und Vermögenssteuern bereits heute einen stark überproportionalen Beitrag an die Einnahmen der öffentlichen Hand leisten. Sie sieht zudem bei in Unternehmen gebundenen (Betriebs- und Sach-) Vermögen keine Erleichterungen vor, was die Kontinuität in der Unternehmensführung und die Nachfolgeplanung gefährdet.
Aus föderalistischer Sicht ist die Initiative ebenfalls negativ zu bewerten, weil sie durch die Vorgabe zur Mittelverwendung sowie die teilweise Kompetenzverlagerung bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer zum Bund in die Finanzautonomie der Kantone eingreift. Die Kantone würden zwar dank dem Anteil am Ertrag der neuen Erbschafts- und Schenkungssteuer einen Teil der potenziellen Einnahmen erhalten. Diese Einnahmen wären jedoch zweckgebunden, sodass sich die frei verfügbaren Steuereinnahmen verringern würden, da die Erbschafts- und Schenkungshöhe wegen der Bundessteuer reduziert würden. Zudem dürfte der Druck auf die Kantone steigen, negativen Effekten der Initiative auf den Standort entgegenzuwirken. Solche Massnahmen hätten wiederum Kosten beispielsweise in Form von Vermögenssteuersenkungen oder Mehrausgaben zur Folge.
Aus Sicht des Bundesrates ist die vorgeschlagene Bundeserbschafts- und Schenkungssteuer sowie die vorgesehene Zweckbindung in mehrerer Hinsicht problematisch und nicht zielführend. Er lehnt die Volksinitiative daher ab.
Bundesrecht
Botschaft zur Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik - steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)»
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