Botschaft zum Bundesgesetz über die Erstreckung der Verlustverrechnung
Botschaft zum Bundesgesetz über die Erstreckung der Verlustverrechnung
vom 27. November 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf des Bundesgesetzes ¹ über die Erstreckung der Verlustverrechnung.
Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben:
| 2022 | M | 21.3001 | Möglichkeit zur Verlustverrechnung auf zehn Jahre erstrecken (N 1.3.21, WAK-N; S 1.6.22) |
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
| 27. November 2024 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Übersicht
Die Erstreckung der Verlustverrechnung auf zehn Jahre ist eine Massnahme zur steuerlichen Entlastung von selbstständig Erwerbstätigen und Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person. Damit sollen gemäss der vom Parlament überwiesenen Motion 21.3001 dem Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstärkt Rechnung getragen und die Resilienz der Unternehmen gestärkt werden.
Ausgangslage
Gemäss der Motion der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 12. Januar 2021 (21.3001) sollen Verluste, die ab dem Jahr 2020 eingetreten sind, während zehn Jahren (anstatt wie heute während sieben Jahren) von allen Unternehmen steuerwirksam vorgetragen werden können. Die Motion wurde mit der ausserordentlich schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Unternehmen aufgrund der Covid-Pandemie begründet. Die Möglichkeit einer verlängerten Verlustverrechnung könne die Unternehmen beim Wiederaufbau des Geschäfts unterstützen, sobald sie wieder Gewinne generieren. Der Bericht des Bundesrates vom 26. Juni 2024 in Erfüllung des Postulats der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates vom 20. April 2020 (20.3132) hingegen relativiert die (negativen) wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie.
Inhalt der Vorlage
Unternehmen sollen Verluste bei der Gewinnsteuer neu zehn Jahre, statt wie bisher sieben Jahre, mit künftigen Gewinnen verrechnen können. Mit der Erstreckung der Verlustverrechnung könnte dem verfassungsrechtlichen Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstärkt Rechnung getragen werden. Die Massnahme soll die Erholung der durch die Pandemie geschädigten Unternehmen erleichtern und für Verluste ab dem Steuerjahr 2020 gelten. Von der Massnahme dürften zudem neu gegründete Unternehmen profitieren, die eine längere Aufbauphase verzeichnen.
Bei Unternehmen, die während der Corona-Pandemie stark gelitten haben, kann die verlängerte Verlustverrechnung unter Umständen den Wiederaufbau erleichtern. Die Erstreckung der Verlustverrechnung müsste allerdings am 1. Januar 2028 in Kraft treten, damit sie - wie von der überwiesenen Motion gefordert - für Verluste des Steuerjahrs 2020 und der Folgejahre wirksam wird.
Die Mindereinnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden lassen sich mangels hinreichender Daten nicht verlässlich quantifizieren. In Ausnahmejahren könnten sie unter Umständen die Grenze von 100 Millionen Franken bei der direkten Bundessteuer überschreiten. Der Bundesrat anerkennt das Anliegen der Motion, erachtet die Vorlage aber nicht als prioritär und verzichtet darum angesichts der finanziellen Lage des Bundeshaushalts auf einen Antrag auf Zustimmung. Er weist auch darauf hin, dass er ursprünglich eine alternative Umsetzung mit einer Mindestbesteuerung vorgeschlagen und die Motion daher zur Ablehnung empfohlen hatte.
Botschaft
¹ BBl 2024 3117
1 Ausgangslage
1.1 Handlungsbedarf und Ziele
Der Grund für die periodenübergreifende Verlustverrechnung ist das Totalgewinn-prinzip. Das Totalgewinnprinzip wird aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abgeleitet und besagt, dass die Summe aller Periodenergebnisse eines Unternehmens dessen Totalgewinn und damit dessen gesamter wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit entspricht. ² Der Totalgewinn ist der Gewinn, der während der gesamten Zeitspanne des Unternehmens erwirtschaftet wird (Summe sämtlicher Jahresgewinne abzüglich sämtlicher Jahresverluste). Nach diesem Prinzip sollte die Verlustverrechnung zeitlich unbeschränkt möglich sein. Dies gilt sowohl für den Verlustvortrag als auch für den Verlustrücktrag. Die Umsetzung des Totalgewinnprinzips ist in den geltenden Steuergesetzen insbesondere eingeschränkt durch die periodische Besteuerung, die aus Praktikabilitätsgründen eine Verlustverrechnung nur zeitlich beschränkt zulässt. Die zeitliche Beschränkung der Verlustverrechnung hilft Bund, Kantonen und Gemeinden, ihre Steuereinnahmen zu verstetigen. Damit fällt es ihnen leichter, ihre Finanzhaushalte zu planen. Die Kehrseite davon ist, dass sich in wirtschaftlichen Krisensituationen die zeitliche Beschränkung negativ auf die Resilienz der Unternehmen auswirken kann.
Die heutige zeitliche Begrenzung der Verlustverrechnung auf sieben der Steuerperiode vorangegangene Geschäftsjahre führt zu einer Überbesteuerung (Regulierungsversagen), wenn die Beschränkung der Verlustverrechnung zum Untergang verrechenbarer Verluste führt. Mit einer Erstreckung könnten daher die Unternehmensresilienz gestärkt und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen besser berücksichtigt werden.
Anlass, die bestehende Regelung zu überarbeiten, war die Motion der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) vom 12. Januar 2021 (21.3001 «Möglichkeit zur Verlustverrechnung auf zehn Jahre erstrecken»). Die Motion verlangt, dass Verluste ab dem Jahr 2020 von der Erstreckung der Verlustverrechnung von heute sieben auf neu zehn Jahre profitieren sollen. Die Erstreckung der Verlustverrechnung hätte somit erst ab 2028 praktische Auswirkungen.
Die Motion wurde damit begründet, dass durch die Corona-Pandemie viele Unternehmen in eine ausserordentlich schwierige wirtschaftliche Situation geraten seien und aufgrund von Verlusten Covid-Bürgschaftskredite beansprucht hätten. Mit der Erstreckung der Verlustverrechnung auf zehn Jahre sei es für die von der Corona-Pandemie stark betroffenen Unternehmen leichter, ihr Geschäft wiederaufzubauen.
Der Bundesrat beantragte wegen der engen Formulierung der Motion und dem fehlenden Spielraum bei der Umsetzung in seiner Stellungnahme vom 24. Februar 2021 die Ablehnung der Motion. Der Ausdehnung der Verlustverrechnung ist der Bundesrat zwar nicht grundsätzlich abgeneigt. Bereits in der Vernehmlassung zur Unternehmenssteuerreform III (USR III) im Jahr 2014 hatte der Bundesrat eine Reform der Verlustverrechnung vorgeschlagen. Die Massnahme beinhaltete eine zeitlich unbeschränkte Verlustverrechnung, dies allerdings in Verbindung mit einer Mindestbesteuerung des Reingewinns vor Verlustverrechnung. Verluste sollten demnach in voller Höhe auf zukünftige Steuerperioden vorgetragen werden können. Wenn ein Unternehmen jedoch wieder Gewinne erwirtschaftet, sollten jährlich jeweils 20 Prozent des Reingewinns vor Verlustverrechnung besteuert werden. Damit hätte eine gewisse Verstetigung der Gewinnsteuereinnahmen sichergestellt werden können. Die Kantone und die Mehrheit der Parteien und Verbände sprachen sich damals jedoch gegen die Massnahme aus, weil sie keinen direkten Zusammenhang mit der USR III erkannten und die Massnahme als nicht prioritär einstuften. Daher hatte der Bundesrat die Reform der Verlustverrechnung nicht weiterverfolgt.
² Zweifel, Martin / Beusch, Michael (Hrsg.) (2022): Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer. 4. Aufl. Basel: Schulthess. N. 138 zu Art. 57 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer.
1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung
Nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a des Unternehmensentlastungsgesetzes vom 29. September 2023 ³ (UEG) ist zu prüfen, inwiefern vereinfachte oder kostengünstigere Regelungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Sinne von Artikel 4 UEG möglich sind. Solche speziellen Regelungen im Bereich der Verlustverrechnung nur für KMU brächten kaum einen Mehrwert. Die Geltendmachung von noch nicht verrechneten Verlusten erfolgt bei allen Unternehmen mit der Einreichung der Steuererklärung. Der administrative Mehraufwand für KMU und für übrige Unternehmen ist gering. Angesichts des Nutzens einer tieferen Besteuerung im Verhältnis zum Status quo ist dieser auch bei den KMU vertretbar. Eine Ungleichbehandlung von KMU und den übrigen Unternehmen wäre vorliegend auch verfassungsrechtlich problematisch, da eine solche soweit ersichtlich nicht durch eine ausserfiskalische Zielsetzung gedeckt wäre und Wettbewerbsverzerrungen nach sich ziehen könnte.
Mit der von der Motion verlangten Erstreckung würde die zeitliche Zulässigkeit der Verlustverrechnung für sämtliche Unternehmen ausgedehnt und das Periodizitätsprinzip zugunsten einer gerechteren Gesamtsteuerbelastung gelockert. Insgesamt brächte die Erstreckung der Verlustverrechnungsfrist auf zehn Jahre eine Entlastung für Unternehmen mit grossen Verlusten ab dem Jahr 2020, falls sie diese mangels ausreichender Gewinne nicht innerhalb von sieben Geschäftsjahren verrechnen konnten. Dieser Vorschlag vermeidet Abgrenzungsprobleme und ist im Einklang mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Konkurrenten (Art. 94 Abs. 1 der Bundesverfassung [BV]).
³ SR 930.31
1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates
Die Vorlage ist nicht in der Botschaft vom 24. Januar 2024 ⁴ zur Legislaturplanung 2023-2027 angekündigt. Die Umsetzung hat allerdings Berührungspunkte mit dem Ziel 7 («Die Schweiz sorgt für einen ausgeglichenen Bundeshaushalt sowie eine stabile Finanzordnung und verfügt über ein wettbewerbsfähiges Steuersystem»). Die Vorlage verursacht einerseits Mindereinahmen, die nicht genau quantifizierbar sind, und bringt andererseits eine leicht verbesserte Wettbewerbsfähigkeit. Letzteres, indem Unternehmen, die in der Vergangenheit nicht sämtliche erlittenen Verluste verrechnen konnten, mehr Spielraum bei der Verlustverrechnung eingeräumt wird. Die Vorlage findet ebenfalls keine Erwähnung in der Botschaft vom 21. August 2024 ⁵ zum Voranschlag 2025 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2026-2028. Dies gilt auch in Bezug auf die Strategien des Bundesrates ⁶ .
⁴ BBL 2024 525
⁵ BBl 2024 2146
⁶ Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030, abrufbar unter:
www.are.admin.ch
> Nachhaltige Entwicklung > Strategie und Berichterstattung, und Strategie Digitale Schweiz, abrufbar unter:
digital.swiss
.
1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse
Mit der Vorlage wird die Motion der WAK-N vom 12. Januar 2021 (21.3001 «Möglichkeit zur Verlustverrechnung auf zehn Jahre erstrecken») umgesetzt. Diese wurde vom Ständerat am 1. März 2021 und vom Nationalrat am 1. Juni 2022 angenommen und beauftragt den Bundesrat, dem Parlament die Änderungen im Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 ⁷ über die direkte Bundessteuer (DBG) und Steuerharmonisierungsgesetz vom 14. Dezember 1990 ⁸ (StHG) zu unterbreiten, damit Verluste, die ab dem Jahr 2020 eingetreten sind, während zehn Jahren (anstatt wie heute sieben Jahren) steuerwirksam vorgetragen werden können.
⁷ SR 642.11
⁸ SR 642.14
2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren
Am 28. Juni 2023 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement, bei den Kantonen, den politischen Parteien, den gesamtschweizerischen Dachverbänden der Gemeinden, Städte und Berggebiete, den gesamtschweizerischen Dachverbänden der Wirtschaft und den weiteren interessierten Kreisen ein Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf des Bundesgesetzes über die Erstreckung der Verlustverrechnung durchzuführen. Dieses dauerte bis zum 19. Oktober 2023.
Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens sind insgesamt 52 Stellungnahmen eingegangen. ⁹ Von den sich vernehmlassenden Parteien waren die FDP, Die Mitte und die SVP für die Vorlage, die SP sowie die Grünen dagegen. Argumente der Befürworter waren die Unterstützung beim Wiederaufbau nach der Corona-Pandemie, eine bessere Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die Förderung der Widerstandsfähigkeit der Unternehmen sowie Anreize für Neugründungen. Die Gegner argumentierten mit hohen Steuerausfällen, fehlender Eignung, um Unternehmen, die aufgrund der Corona-Pandemie Verluste geschrieben haben, zu entlasten, sowie mit der fehlenden Notwendigkeit weiterer Unterstützungsmassnahmen.
Rund zwei Drittel der Kantone (AR, BS, FR, GR, JU, LU, NE, NW, OW, SG, SO, SZ, TG, UR, VS, ZG, ZH und die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren) lehnten die Vorlage ab. Für die Vorlage sprachen sich die Kantone AG, AI, BE, BL, GE, GL, SH, VD und TI aus. Etliche Kantone wendeten gegen die Vorlage ein, dass für marktmässige überlebensfähige und sanierungswürdige Unternehmen im geltenden Recht bereits wirksame steuerliche Begleitmassnahmen bestünden. Ein wiederholt genanntes Argument betraf die fehlende praktische Relevanz bei der selbstständigen Erwerbstätigkeit. Bei natürlichen Personen mit einer Verlustsituation von über sieben Jahren stelle sich vielmehr die Frage, ob es sich um eine auf Erwerb ausgerichtete Tätigkeit handle oder eher um eine Liebhaberei. Eine Verlängerung der Verlustverrechnungsperiode verursache zudem administrativen Mehraufwand sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Steuerbehörden. Die befürwortenden Kantone begründeten ihre Zustimmung häufig mit der besseren Berücksichtigung des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Totalgewinnprinzip) und der Annäherung an die Regelungen in den Nachbarstaaten sowie an die Mindestbesteuerung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Die Organisationen und Verbände begrüssten mit überwiegender Mehrheit (CP, Chambre de commerce, d’industrie et des services de Genève, economiesuisse, Expertsuisse, Fédération des Entreprises Romandes, Gastrosuisse, Hotelleriesuisse, KMU-Forum, Ordre Romand des Experts Fiscaux, Raiffeisen, Schweizerische Bankiervereinigung, Schweizerischer Gewerbeverband, Schweizerischer Versicherungsverband, Swissholdings, Treuhand Suisse, veb.ch und Zürcher Handelskammer) die Vorlage und nur eine kleine Minderheit (Schweizerische Bankengesellschaft, SSV, Städtische Steuerkonferenz) sprach sich dagegen aus. Argument der Befürworter war wiederum die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Im Weiteren wurden die Anreize für Neugründungen sowie die Annäherung an die Regelungen in den Nachbarstaaten sowie an die OECD-Mindestbesteuerung genannt. Die Gegner argumentierten vor allem mit den Mindereinnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden, der fehlenden Notwendigkeit weiterer Unterstützungsmassnahmen und dem administrativen Mehraufwand.
Zu den gestellten Fragen über die finanziellen Auswirkungen gab die Mehrheit der Kantone an, dass sie die Mindereinnahmen nicht berechnen können und auch keine Datengrundlagen haben, um die nach geltendem Recht untergehenden und nach der Erstreckung neu zur Verrechnung kommenden Verlustvorträge zu schätzen. Einige Kantone gaben immerhin an, dass sie nur von geringen Einnahmeausfällen ausgehen.
⁹ Der Ergebnisbericht ist unter
www.fedlex.admin.ch
> Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen 2023 > EFD abrufbar.
3 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht
Fast alle Länder in der EU kennen den Verlustvortrag. Eine relative Mehrheit von zwölf EU-Mitgliedsstaaten - darunter auch die Nachbarstaaten der Schweiz - sieht eine zeitlich unbegrenzte Verlustverrechnung vor, beschränkt diese jedoch betragsmässig und stellt damit eine Mindestbesteuerung sicher; neun Staaten kennen einen Verlustvortrag von lediglich fünf Jahren; nur vier Staaten lassen eine gänzlich unbeschränkte Verlustverrechnung zu sowie zwei Staaten eine längere Frist als sieben Jahre. Wenige Länder kennen zusätzlich einen Verlustrücktrag. Der Verlustrücktrag ist im Grunde der Gewinn aus einer vorherigen Periode, mit dem ein Verlust der aktuellen Periode ausgeglichen werden kann. In Deutschland, aber auch in Irland, den Niederlanden und in Tschechien führt die Möglichkeit des Verlustrücktrags zu einer Liquiditätszufuhr in wirtschaftlich weniger ertragreichen Zeiten. Frankreich zahlt nach Verrechnung mit Steuerrechnungen der fünf darauffolgenden Steuerperioden nur die noch nicht verrechneten Restbeträge aus.
Übersicht zu den Regeln der Verlustverrechnung in den EU-Staaten
1⁰
und im Fürstentum Liechtenstein
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| Staaten | Verlustrücktrag | Verlustvortrag |
|---|---|---|
| Belgien | - | Unbegrenzt bis zu 1 Mio. EUR pro Jahr voll abzugsfähig, darüber hinaus Verrechnung nur bis zu 40 % des 1 Mio. EUR übersteigenden Gewinns |
| Bulgarien | - | 5 Jahre |
| Dänemark | - | Unbegrenzt bis zu 9 135 500 DKK pro Jahr voll abzugsfähig, darüber hinaus Verrechnung nur bis zu 60 % der 8 872 500 DKK übersteigenden Einkünfte |
| Deutschland | 2 Jahre begrenzt auf 1 Mio. EUR; COVID-19 Maßnahme: bis 2023 erhöht auf 10 Mio. € | Unbegrenzt bis zu 1 Mio. EUR pro Jahr voll abzugsfähig, darüber hinaus Verrechnung nur bis zu 60 % der 1 Mio. EUR übersteigenden Einkünfte |
| Estland | - | - |
| Finnland | - | 10 Jahre für Verluste aus der gleichen Quelle |
| Frankreich | 1 Jahr begrenzt auf 1 Mio. EUR; Verlustrücktrag führt zu Steuergutschrift, die in den darauffolgenden 5 Jahren mit künftigen Steuerschulden verrechnet und deren Restbetrag im 6. Jahr erstattet wird | Unbegrenzt bis zu 1 Mio. EUR pro Jahr voll abzugsfähig, darüber hinaus Verrechnung nur bis zu 50 % der 1 Mio. EUR übersteigenden Einkünfte |
| Fürstentum Liechtenstein | - | Unbegrenzt Verrechnung nur bis zu 70 % der jährlichen Einkünfte |
| Griechenland | - | 5 Jahre |
| Irland | 1 Jahr bei Betriebsaufgabe 3 Jahre | Unbegrenzt für Verluste aus der gleichen Quelle |
| Italien | - | Unbegrenzt Verrechnung nur bis zu 80 % der jährlichen Einkünfte; dies gilt nicht für Verluste aus den ersten 3 Jahren einer neuen Geschäftstätigkeit |
| Kroatien | - | 5 Jahre |
| Lettland | - | - |
| Litauen | - | Unbegrenzt Verrechnung nur bis zu 70 % der jährlichen Einkünfte; Beschränkung gilt nicht für kleine Unternehmen, die dem ermässigten Steuersatz von 5 % unterliegen |
| Luxemburg | - | 17 Jahre |
| Malta | - | Unbegrenzt |
| Niederlande | 1 Jahr bis zu 1 Mio. EUR voll abzugsfähig, darüber hinaus Verrechnung nur bis zu 50% des 1 Mio. EUR übersteigenden Gewinns | Unbegrenzt bis zu 1 Mio. EUR pro Jahr voll abzugsfähig, darüber hinaus Verrechnung nur bis zu 50 % des 1 Mio. EUR übersteigenden Gewinns |
| Österreich | - | Unbegrenzt Verrechnung nur bis zu 75 % der jährlichen Einkünfte |
| Polen | - | 5 Jahre für Verluste aus der gleichen Quelle; bis zu 5 Mio. PLN innerhalb eines der 5 Jahre voll abzugsfähig, Verrechnung eines verbleibenden Verlustvolumens in den verbleibenden Jahren des Fünfjahreszeitraums, wobei der Verrechnungsbetrag in keinem dieser Jahre 50 % des Verlustbetrags überschreiten darf |
| Portugal | - | 5 Jahre Verrechnung nur bis zu 70 % der jährlichen Einkünfte |
| Rumänien | - | 7 Jahre |
| Schweden | - indirekter Verlustrücktrag jedoch möglich durch Auflösung sog. «Periodisierungsrücklagen» aus den Vorjahren | Unbegrenzt |
| Slowakei | - | 5 Jahre Verrechnung nur bis zu 50 % der jährlichen Einkünfte, ausgenommen Kleinstunternehmen |
| Slowenien | - | Unbegrenzt Verrechnung nur bis zu 50 % der jährlichen Einkünfte |
| Spanien | - | Unbegrenzt bis zu 1 Mio. EUR pro Jahr voll abzugsfähig, darüber hinaus Verrechnung abhängig von der Höhe der Umsätze des Unternehmens: bis 20 Mio. EUR bis zu 70 %, 20-60 Mio. EUR bis zu 50 % und mehr als 60 Mio. EUR bis zu 25 % der 1 Mio. EUR übersteigenden Einkünfte |
| Tschechien | 2 Jahre höchstens 30 Mio. CZK insgesamt in die 2 vorangegangenen Jahre | 5 Jahre |
| Ungarn | - | 5 Jahre Verrechnung nur bis zu 50 % der jährlichen Einkünfte |
| Zypern | - | 5 Jahre |
Mit der Verlängerung der Verlustverrechnung von sieben auf zehn der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahre könnte eine gewisse Annäherung an die in den Nachbarstaaten der Schweiz geltenden Regeln zur Verlustverrechnung erreicht werden.
1⁰ Tabelle des deutschen Bundesfinanzministeriums, Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2023, abrufbar unter:
www.bundesfinanzministerium.de
, Ausgabe 2024; Rechtsstand zum 31. Dezember 2023 auf S. 19.
4 Grundzüge der Vorlage
4.1 Die beantragte Neuregelung
Die Verlustverrechnung soll gemäss Parlamentsauftrag erstreckt, aber weiterhin nur zeitlich beschränkt zugelassen werden. Es sind hauptsächlich haushaltspolitische Interessen der öffentlichen Hand, insbesondere das Bedürfnis nach einer Verstetigung der Steuereinnahmen, die für eine zeitliche Beschränkung sprechen. Die Massnahme soll für alle Unternehmen, d. h. für selbstständig Erwerbstätige und juristische Personen, gelten.
Bei Unternehmen, die während der Corona-Pandemie stark gelitten haben oder von künftigen Krisen betroffen sein werden, kann die verlängerte Verlustverrechnung unter Umständen den Wiederaufbau des Geschäftes erleichtern. Von der Massnahme profitieren könnten auch neu gegründete Unternehmen, die eine längere Aufbauphase verzeichnen, wie beispielsweise Start-ups im Life-Science-Bereich.
Ebenso wie die Verrechnungsperiode von inländischen Unternehmensverlusten soll im DBG auch die provisorische Verlustübernahme aus ausländischen Betriebsstätten von sieben auf zehn Jahre erstreckt werden. Die Erstreckung der nachträglichen Berücksichtigung von Gewinnen ausländischer Betriebsstätten führt aber - anders als die Änderung der Bestimmungen zur inländischen Verlustverrechnung - zu einer Verschärfung gegenüber dem geltenden Recht. Neu können demnach Verluste aus ausländischen Betriebsstätten, die im Ausland erst später mit Gewinnen verrechnet werden konnten und vorher mit inländischen Erträgen verrechnet wurden, bis zu zehn Jahre nach der Steuerperiode, in der die Verluste anfielen, in der Veranlagung des Unternehmens im Inland korrigiert oder berücksichtigt werden.
4.2 Umsetzungsfragen
Nach aktueller Rechtsprechung sind Vorjahresverluste erst zum Zeitpunkt einer Verrechnung verfahrensrechtlich festzulegen. 1¹ Eine Verlängerung der zeitlichen Beschränkung der Verlustverrechnung hat deshalb unter Umständen Auswirkungen auf die Tätigkeit der Steuerverwaltungen und der Gerichte. So müssen Sachverhalte zu Zeitpunkten geklärt werden, in welchen die dafür notwendigen Informationen unter Umständen nicht mehr vollständig verfügbar sind oder nicht mehr eruiert werden können. Die Prüfung der Steuerklärung erfolgt nach zehnjähriger Aufbewahrungspflicht der Geschäftsbücher. Die Kantone haben denn auch in der Vernehmlassung administrativen Mehraufwand geltend gemacht.
Eine Verlängerung der Aufbewahrungspflicht der Geschäftsbücher im Handelsrecht wäre eine zusätzliche Regulierung, die wenig Sinn ergibt. Der Mehraufwand für die Unternehmen, die keine Verluste erwirtschaften, wäre unverhältnismässig. Die allgemeine Beweislastregel, wonach diejenige Partei, welche einen behaupteten Sachverhalt nicht beweisen kann, die Folgen dieser Beweislosigkeit zu tragen hat, dürfte genügen um die potenziell betroffenen Unternehmen zu motivieren. So gesehen hat jeder und jede betroffene Steuerpflichtige selbst ein Interesse daran, sämtliche Geschäftsunterlagen genügend lange aufzubewahren, um das Bestehen von nicht verrechneten Vorjahresverlusten nachweisen zu können. Nach Artikel 38 b StHG sehen die Kantone die Möglichkeit elektronischer Verfahren im Steuerbereich vor. Somit besteht bereits eine Verpflichtung für elektronische Verfahrenserleichterungen, wie sie vom UEG verlangt wird.
Die Erstreckung der Verlustverrechnung muss am 1. Januar 2028 in Kraft treten, damit sie - wie von der überwiesenen Motion gefordert - für Verluste des Steuerjahres 2020 wirksam wird. Gleichzeitig sollen die neuen Regeln für Verluste vor der Steuerperiode 2020 noch nicht gelten. Dies kann in den Übergangsbestimmungen geregelt werden. Sollte die Erstreckung der Verlustverrechnung später in Kraft treten, müssten die Übergangsbestimmungen angepasst werden (vgl. Ziff. 5.1).
Die Kantone müssten ihre Gesetzgebung den geänderten Bestimmungen im StHG auf den Zeitpunkt von deren Inkrafttreten anpassen. Der Bund gewährt ihnen dafür in der Regel eine Frist von mindestens zwei Jahren (Art. 72 StHG).
Den Kantonen obliegt nicht nur die Übernahme der Änderungen im kantonalen Recht, sondern auf Grund von Artikel 104 DBG auch die Umsetzung der neuen Regelung für die direkte Bundessteuer.
1¹ Anstatt vieler vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_1055/2020 vom 3. März 2021 E. 1.2.2.3.
5 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln
5.1 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer
Art. 6 Abs. 3 zweiter Satz
Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 52 Absatz 3 dritter Satz DBG für die juristischen Personen. Im Unterschied zu jener Bestimmung ist bei den natürlichen Personen wie bereits im geltenden Recht die ursprüngliche Veranlagung zu korrigieren und die nachträgliche Anrechnung nur satzbestimmend im aktuellen Jahr der Verlustverrechnung im Betriebsstättestaat zu berücksichtigen. Der Grund für die unterschiedliche Regelung von Artikel 6 Absatz 3 zweiter Satz DBG gegenüber Artikel 52 Absatz 3 dritter Satz DBG ist der Umstand, dass die Einkommenssteuer einen progressiven Tarif kennt, die Gewinnsteuer demgegenüber einen proportionalen Tarif hat.
Art. 31 Abs. 1
Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 67 Absatz 1 DBG.
Art. 52 Abs. 3 zweiter und dritter Satz
Mit der angepassten Verlustverrechnungsperiode können neu innerhalb der folgenden zehn Geschäftsjahre im Betriebsstättestaat berücksichtigte Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte, die vorher durch die Schweiz beim schweizerischen Unternehmen angerechnet wurden, nachträglich zu einer Besteuerung in der Schweiz führen. Dies, da die Möglichkeit der Verlustverrechnung beim schweizerischen Unternehmen nur provisorisch war und unter dem Vorbehalt stand, dass während den neu folgenden zehn Geschäftsjahren keine Berücksichtigung der ausländischen Verluste aus einer ausländischen Betriebsstätte im Betriebsstättestaat mehr möglich ist. Bei juristischen Personen erfolgt die Besteuerung wie im geltenden Recht im aktuellen Jahr der effektiven Verlustverrechnung im Betriebsstättestaat.
Art. 67 Abs. 1
Die verrechenbaren Verluste können bei juristischen Personen neu vom Reingewinn der folgenden zehn Geschäftsjahre abgezogen werden. Unverändert sind Verluste stets im nächstmöglichen Geschäftsjahr mit einem Reingewinn zu verrechnen. Zudem müssen zuerst diejenigen Verluste vom Reingewinn abgezogen werden, die in den zeitlich am Weitesten zurückliegenden Geschäftsjahren entstanden sind.
Art. 205g und 207c
Für Verluste vor der Steuerperiode 2020 sind die neuen Regeln zur Verlustverrechnung nicht anwendbar. Hier gilt weiterhin, dass Verluste aus sieben der Steuerperiode vorangehenden Geschäftsjahren verrechnet werden können. Gleichfalls gilt für Verluste einer ausländischen Betriebsstätte vor der Steuerperiode 2020, die in der Schweiz anerkannt wurden, dass sie in der Schweiz weiterhin nur in den sieben dem Verlustjahr folgenden Steuerperioden nachträglich berücksichtigt oder nachbesteuert werden können, wenn der Betriebsstättestaat die Verrechnung nachträglich zulässt.
Geschäfts- und Kalenderjahr müssen nicht zwingend übereinstimmen. Massgebend für die Zuordnung eines Geschäftsjahres des Unternehmens zur Steuerperiode ist das Abschlussdatum des Geschäftsjahres (vgl. Art. 41 und 79 DBG, Art. 3 Abs. 1 der Verordnung vom 14. August 2013 ¹2 über die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer). Daraus folgt, dass z. B. Verluste aus einem Geschäftsjahr, das mit dem 1. Februar 2019 beginnt und am 31. Januar 2020 endet, vollständig der Steuerperiode 2020 zugerechnet werden und nicht mehr dem bisherigen Recht zur Verlustverrechnungsdauer unterliegen.
Falls die Vorlage beispielsweise erst am 1. Januar 2029 in Kraft treten würde, bräuchte es eine weitere Ergänzung in den Übergangsbestimmungen mit Rückwirkung auf Steuerperioden vor 2029. In Anwendung bisherigen Rechts, bei der noch die siebenjährige Verlustverrechnung gelten würde, könnten ansonsten Verluste aus dem Geschäftsjahr 2020 für Veranlagungen der Steuerperiode 2028 nicht mehr berücksichtigt werden.
¹2 SR 642.117.1
5.2 Steuerharmonisierungsgesetz
Art. 10 Abs. 2
Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 31 Absatz 1 DBG.
Art. 25 Abs. 2
Vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 67 Absatz 1 DBG.
Art. 78h
Vergleiche die Erläuterungen zu den Artikeln 205 g und 207 c DBG
6 Auswirkungen
6.1 Auswirkungen auf Bund und die Kantone
In der Vernehmlassung zur Erstreckung der Verlustverrechnung wurden die Kantone befragt, (1) welcher Betrag an Verlustvorträgen schätzungsweise jährlich aufgrund der auf sieben Jahre begrenzten Verrechnungsperiode in ihrem Kanton untergehe und (2) welcher Betrag an Verlustvorträgen aufgrund der Erstreckung auf zehn Jahre schätzungsweise zusätzlich in ihrem Kanton insgesamt (über sämtliche drei Jahre) geltend gemacht werden könne.
Die Mehrzahl der Kantone gab an, dass aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten kein Betrag geschätzt werden könne oder machten keine Angaben, so dass zu Frage (1) nur von wenigen Kantonen Schätzungen vorliegen. Zu Frage (2) präsentierten nur NW und GE nachvollziehbare Schätzungen. Während GE aufgrund einer detaillierten Abklärung Frage (2) mittels historischer Daten und präziser Zahlen beantwortete, nahm NW eine Schätzung im Rahmen einer zu grossen Bandbreite vor. Andere Kantone beschränkten ihre Schätzung auf die im achten, neunten und zehnten Geschäftsjahr verbleibenden Verlustvorträge, ohne zu überprüfen, in welchem Umfang diese verbleibenden Verlustvorträge in den entsprechenden Jahren tatsächlich mit positiven laufenden Gewinnen verrechnet werden konnten. Weil davon auszugehen ist, dass ein beachtlicher Teil der betroffenen Unternehmen auch im achten, neunten und zehnten Geschäftsjahr keine oder keine nennenswerten Gewinne ausweisen wird, hätte die Erstreckung der Verlustverrechnung den Effekt, dass nur ein geringer Anteil der noch vorhandenen Verlustvorträge tatsächlich zu Mindereinnahmen führt.
Somit könnte eine Schätzung der Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer und bei den kantonalen Steuern einzig auf die Daten des Kantons GE abstellen. GE schätzte den Betrag der Verlustvorträge, die im Kanton bei einer Erstreckung der Frist auf zehn Jahre zusätzlich verrechnet werden könnten, für juristische Personen im Durchschnitt auf rund 170 Millionen Franken pro Jahr. Hochgerechnet auf die ganze Schweiz ergäbe sich daraus nach Abzug des Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer der juristischen Personen eine Schätzung der Mindereinnahmen von rund 45 Millionen Franken für den Bund und rund 75 Millionen Franken für die Kantone und Gemeinden. Allerdings ist nicht bekannt, ob die Daten über die zusätzlichen jährlich zu verrechnenden Verlustvorträge aus dem Kanton GE repräsentativ für die ganze Schweiz sind. Daher ist die Datenlage für eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen zu unsicher.
Das liegt zum einen daran, dass die rudimentären Angaben anderer Kantone erhebliche Unterschiede zwischen den Kantonen vermuten lassen und dass Unterschiede in der Höhe der Beteiligungserträge der betroffenen Unternehmen stark auf die Mindereinnahmen durchschlagen. Die Schweiz kennt die indirekte Methode der Freistellung der Beteiligungserträge. Bei dieser ist der Beteiligungsertrag in der Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuer enthalten und wird erst auf Ebene der Steuerberechnung berücksichtigt, indem der Gewinn einschliesslich des Beteiligungsertrags mit dem um den Anteil des Beteiligungsertrages gekürzten Steuersatz multipliziert wird. In der obigen Schätzung der gesamten zu erwartenden Mindereinnahmen wurde daher unterstellt, dass der Kürzungsfaktor aufgrund des Beteiligungsertrages aggregiert über alle steuerpflichtigen Personen auch dem Kürzungsfaktor aufgrund des Beteiligungsertrages der steuerpflichtigen Personen entspricht, die aufgrund der Erstreckung der Verlustverrechnungsperiode zusätzliche Verlustvorträge mit laufenden Gewinnen verrechnen können.
Des Weiteren sind in der Schätzung die Mindereinahmen, die durch die Reform bei den Personenunternehmen entstehen, mangels verfügbarer Daten nicht berücksichtigt. Dies gilt auch für die Mehreinnahmen, die mit der Erstreckung der Korrekturdauer für nachträglich im Ausland angerechnete Verluste von Betriebsstätten verbunden sind, zumal diese mit den im Ausland erzielten (auch zukünftigen) Geschäftsergebnissen zusammenhängen.
In Ausnahmejahren könnten die Mindereinnahmen unter Umständen die Grenze von 100 Millionen Franken bei der direkten Bundessteuer überschreiten. Dies wäre z. B. bei ausserordentlichen Verlusten von Grossunternehmen möglich, wie sie etwa bei der Finanzkrise von 2008 eintraten. Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Bundeshaushalt in den nächsten Jahren vor grossen Herausforderungen steht. Er hat darum eine Aufgaben- und Subventionsüberprüfung durchgeführt und am 20. September 2024 die Eckwerte für eine Vernehmlassungsvorlage beschlossen, mit der die absehbaren strukturellen Defizite des Bundeshaushalts bereinigt werden können. Vorlagen, die neue Mindereinnahmen oder Mehrausgaben mit sich bringen, sollten aus Sicht des Bundesrats daher auf ihre Priorität geprüft und im Falle einer Umsetzung gegenfinanziert werden. Entsprechend verzichtet er darauf, dem Parlament die Zustimmung zu dieser Vorlage zu beantragen.
6.2 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft
Die heutige zeitliche Begrenzung der Verlustverrechnung auf sieben der Steuerperiode vorangegangene Geschäftsjahre führt zu einer Überbesteuerung, wenn die Beschränkung der Verlustverrechnung zum Untergang verrechenbarer Verluste führt. Mit der Vorlage sollen die Unternehmensresilienz gestärkt und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen besser berücksichtigt werden. Über einen längeren Zeitraum gesehen führt die Massnahme bei Wirtschaftsakteuren mit grösseren Verlusten oder Verlusten in mehreren Geschäftsjahren zu einer niedrigeren Gesamtsteuerbelastung. Die steuerliche Entlastung bewirkt auch, dass mehr Mittel für betriebliche Aktivitäten zur Verfügung stehen. Der damit gewährte Spielraum ist der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen förderlich. Gleichfalls profitieren von der Massnahme Start-ups mit längeren Aufbauphasen, wie sie beispielsweise bei Neugründungen im Life-Science-Bereich üblich sind.
Der Einfluss auf die Standortattraktivität ist gering, aber positiv. Dies, weil das Risiko von nicht mehr verrechenbaren Verlusten für Unternehmen in der Schweiz sinkt.
Bis zu einem gewissen Grad dient die Massnahme auch der Arbeitsplatzsicherung, indem die Verlustverrechnungsperiode an die Dauer der Bürgschaftskredite, die während der Pandemie ausgegeben wurden, angepasst wird. Unternehmen, die eine Frist von zehn Jahren zur Rückzahlung der Kredite haben, erhalten mehr Spielraum, um die beanspruchten Kredite mit nach der Pandemie wieder erwirtschafteten Gewinnen zurückzuzahlen. ¹3 Hingegen relativiert der Bericht des Bundesrates vom 26. Juni 2024 in Erfüllung des Postulats der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates vom 20. April 2020 (20.3132) die (negativen) wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, mit der die Motion begründet wurde.
Gemäss Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d UEG ist auch zu prüfen, inwiefern Unternehmen durch die Aufhebung von Regulierungen im Bereich der Verlustverrechnung entlastet werden könnten. Nach geltendem Recht ist die Verlustverrechnung in zweierlei Hinsicht eingeschränkt: Zum einen können Verluste höchstens aus den sieben der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahren geltend gemacht werden; zum anderen ist der Abzug nur zulässig, wenn er in vorausgehenden Jahren nicht berücksichtigt werden konnte. Indem die heutige Regelung durch die neue zehnjährige Verlustverrechnung ersetzt wird, entlastet die grössere Zeitspanne Unternehmen mit unverrechneten Verlusten aus älteren als den sieben der Steuerperiode vorangegangen Geschäftsjahren. Weitergehende Verrechnungsmöglichkeiten, wie z. B. eine Verrechnung von Verlusten, die in mehr als den zehn der Steuerperiode vorangegangenen Geschäftsjahren eingefahren wurden oder die Einführung einer wie in anderen EU-Ländern angewandten Verlustrücktragung (vgl. Ziff. 3), sind wegen des engen Wortlautes der Motion und der mehrheitlichen Ablehnung der Vernehmlassungsvorlage durch die Kantone nicht weiter geprüft worden. Die zweite Einschränkung wird als Gebot der ungesäumten Verlustverrechnung bezeichnet. Dieses Gebot besagt, dass Verluste oder Verlustvorträge, die in einer früheren Steuerperiode nicht vom Reingewinn abgezogen wurden, in einer späteren Steuerperiode nicht mehr geltend gemacht werden können. Eine Aufhebung dieses Gebots wäre mit der Rechtssicherheit nicht vereinbar, weil frühere Beurteilungen der Steuerbehörden sonst in späteren Steuerperioden immer wieder infrage gestellt werden. ¹4
Neben einmaligen Umstellungskosten für eine Erstreckung der Verlustverrechnung von heute sieben auf künftig zehn Jahre können verlängerte Aufbewahrungspflichten der Geschäftsbücher (mehr als die in Art. 958 f des Obligationenrechts ¹5 vorgeschriebenen zehn Jahre) zu zusätzlichen Kosten führen. Diese Kosten dürften für die Unternehmen bei den heutigen Digitalisierungsmöglichkeiten allerdings gering sein. In Anbetracht des direkten Nutzens aus der daraus resultierenden Gewinnsteuerreduktion sind diese Kosten vertretbar und auch zumutbar. Da soweit ersichtlich keine Zahlen zum Aufwand der Unternehmen für die Verlustverrechnung greifbar sind, rechtfertigt der Nutzen einer auch quantitativen Schätzung der Regulierungskosten nach dem UEG den damit verbundenen Mehraufwand nicht.
¹3 Vgl. dazu die Medienmitteilung des Bundesrates vom 2. Februar 2022, zu finden unter:
www.admin.ch
> Dokumentation > Medienmitteilungen > Medienmitteilungen des Bundesrats > Covid-19-Kredite: Bundesrat belässt Zinsen unverändert und begrüsst Amortisationsregelungen.
¹4 Vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_696/2013 vom 29. April 2014 E. 3.1.
¹5 SR 220
6.3 Auswirkungen in weiteren Bereichen
Mit der Erstreckung der Verlustverrechnungsdauer würde die Schweiz zu anderen europäischen Ländern aufschliessen, die zum Teil sogar eine unbeschränkte Verlustverrechnung kennen (vgl. Ziff. 3). Die Erstreckung der Verlustverrechnungsdauer auf zehn Jahre bringt überdies eine Annäherung an die OECD-Mindeststeuerbestimmungen zur Verlustverrechnung. Die Frage der Verlustverrechnung und ihre Bedeutung für die Standortattraktivität sollen darum auch in den Bericht des Bundesrates zum Postulat 23.3752 «Attraktiv bleiben, Finanzen sichern. Die Schweiz braucht eine langfristige Steuer- und Standortstrategie» einfliessen und damit eine Gesamtsicht ermöglichen.
Die Erstreckung der Verlustverrechnungsdauer kann in einzelnen Fällen zu einem administrativen Mehraufwand führen, wenn die Steuerbehörden im Zeitpunkt der Verrechnung zusätzliche Geschäftsjahre prüfen müssen, in denen die Steuerpflichtige Verluste geltend machen. Der Grund hierfür liegt darin, dass im gegenwärtigen System im Veranlagungsjahr die Verluste nicht rechtsverbindlich festgestellt werden, sondern die Steuerpflichtigen bei einem Verlust im Geschäftsjahr lediglich eine sogenannte «Nullerveranlagung» erhalten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in Artikel 131 Absatz 1 DBG als Steuerfaktoren, die neben dem Steuersatz und dem Steuerbetrag in der Veranlagungsverfügung genannt werden müssen, nur das steuerbare Einkommen (bei natürlichen Personen) und der steuerbare Reingewinn (bei juristischen Personen) erwähnt werden. Im Steuerharmonisierungsgesetz selbst sind keine Angaben zu den in der Veranlagungsverfügung auszuweisenden Steuerfaktoren enthalten. Somit ist es den Kantonen überlassen, die in der Veranlagungsverfügung für die Kantons- und Gemeindesteuern ausgewiesenen Steuerfaktoren im kantonalen Recht festzulegen. Aus Gründen der Verfahrensökonomie werden in der Regel nur das steuerbare Einkommen und Vermögen beziehungsweise der steuerbare Gewinn und das steuerbare Kapital festgelegt.
Zudem kann eine Verlängerung der Verlustverrechnungsperiode unter Umständen die Volatilität der Einnahmen bei einzelnen Kantonen und Gemeinden erhöhen. Dies dürfte dann der Fall sein, wenn eine grosse Abhängigkeit von einigen wenigen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern besteht und letztere infolge grösserer Verluste für längere Zeit keine Beiträge zur Finanzierung der Finanzhaushalte der Gemeinwesen leisten.
Es ist offensichtlich, dass die Vorlage keine spezifischen Auswirkungen auf Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete hat. Die entsprechenden Fragen wurden daher nicht vertieft untersucht. Im Weiteren hat die Vorlage auch keine spezifischen Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt.
7 Rechtliche Aspekte
7.1 Verfassungsmässigkeit
Neben den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beachten (Art. 127 Abs. 2 BV).
Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verlangt, dass eine steuerpflichtige Person nicht mehr Gewinn zu versteuern hat als den während ihrer Existenz (die nicht mit der Dauer ihrer Steuerpflicht übereinstimmen muss) erzielten steuerlichen Totalgewinn. ¹6 Nach dem Totalgewinnprinzip ist die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erst dann optimal verwirklicht, wenn die gesamte Zeitspanne vom erstmaligen Bestehen der juristischen Person bis zu ihrer Liquidation beziehungsweise bei einer natürlichen Person vom Beginn bis zum Ende ihrer selbstständigen Erwerbstätigkeit berücksichtigt wird. Aus Gründen der Finanzhaushaltsführungspolitik (Art. 126 BV) und des dieser Führung dienenden Periodizitätsprinzips wird allerdings das Totalgewinnprinzip für alle Unternehmen gleichermassen eingeschränkt und die Verlustverrechnung zeitlich befristet. Mit der vorliegenden Erstreckung der Verlustverrechnung von sieben auf zehn Jahre soll das Periodizitätsprinzip weiter zurückgebunden werden. Dazu ist zu bemerken, dass sowohl dem Totalgewinnprinzip als auch dem Periodizitätsprinzip angemessen Rechnung zu tragen ist und eine Abwägung vorgenommen werden muss. Eine Erstreckung der Verlustverrechnung auf zehn Jahre erweist sich dabei als verfassungsrechtlich zulässig. Allerdings misst das Bundesgericht dem Periodizitätsprinzip eine hohe Bedeutung zu. ¹7 Eine längere Zeitspanne als die vorliegend vorgesehenen zehn Jahre oder eine unbefristete Möglichkeit zur Verlustverrechnung müssten deshalb unter Berücksichtigung aller Umstände vertieft abgeklärt werden.
¹6 Vgl. Urteil des Bundesgerichts 2C_696/2013 vom 29. April 2014 E. 3.1.
¹7 Vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_696/2013 vom 29. April 2014 E. 3.1 und 2C_628/2010 vom 28. Juni 2011 E. 6.4.4.
7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz
Die vorliegend geplanten Änderungen sind mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.
Das Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) der OECD und der G20-Staaten, an dem aktuell 147 Mitgliedstaaten beteiligt sind, hat am 8. Oktober 2021 eine Erklärung zur künftigen Besteuerung von grossen, international tätigen Unternehmensgruppen verabschiedet. ¹8 Mit der Säule 2 dieses Projekts wurde auf den 1. Januar 2024 eine Mindestbesteuerung eingeführt. Diese Mustervorschriften (sogenannte GloBE-Regeln, Global Anti-Base Erosion Rules) schreiben für Unternehmensgruppen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent auf der Basis einer international vereinheitlichten Bemessungsgrundlage vor. Volk und Stände hatten die für die nationale Umsetzung der Säule 2 nötige Verfassungsänderung am 18. Juni 2023 gutgeheissen. Der Bundesrat hat danach beschlossen die Mindestbesteuerung mit der Einführung einer Ergänzungssteuer im Inland per 1. Januar 2024 in Kraft zu setzen. Die vereinheitlichte Bemessungsgrundlage der OECD/G20-Staaten lässt eine unbefristete Verlustverrechnung zu. Mit der vorliegenden Erstreckung der Verlustverrechnungsmöglichkeit wird die schweizerische Bemessungsgrundlage der Bemessungsgrundlage der OECD/G20-Staaten angepasst. Dies kann sich für die von der Mindestbesteuerung betroffenen Unternehmensgruppen im Rahmen der verlängerten Vortragsmöglichkeit steuerentlastend auswirken.
¹8 Abrufbar unter:
www.oecd.org
> Topics > Taxation > Base erosion and profit shifting (BEPS) - 13 November 2024.
7.3 Erlassform
Die Vorlage beinhaltet wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die Revision des DBG und des StHG erfolgt demzufolge im normalen Gesetzgebungsverfahren.
Bundesrecht
Botschaft zum Bundesgesetz über die Erstreckung der Verlustverrechnung
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