BBl 2024 3077
CH - Bundesblatt

Botschaft zur Volksinitiative «Ja zum Importverbot für Stopfleber (Stopfleber-Initiative)»

Botschaft zur Volksinitiative «Ja zum Importverbot für Stopfleber (Stopfleber-Initiative)»
vom 20. November 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Ja zum Importverbot für Stopfleber (Stopfleber-Initiative)» ¹ Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
20. November 2024 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Übersicht
Die Volksinitiative « Ja zum Importverbot für Stopfleber (Stopfleber-Initiative)» will die Einfuhr von Stopfleber und Stopfleberprodukten verbieten. Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne direkten Gegenentwurf und indirekten Gegenvorschlag insbesondere deshalb ab, weil ein Importverbot mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht vereinbar ist und das Risiko von Handelsstreitigkeiten beinhaltet.
Inhalt der Initiative
Am 28. Dezember 2023 wurde die Volksinitiative «Ja zum Importverbot für Stopfleber (Stopfleber-Initiative)» eingereicht. Sie will die Einfuhr von Stopfleber und Stopfleberprodukten in der Bundesverfassung verbieten. Auch die Einfuhr durch Privatpersonen für den Eigengebrauch wäre vom Verbot erfasst. Die Ausführungsbestimmungen zur Initiative müssten spätestens zwei Jahre nach der Annahme der Initiative erlassen werden.
Gemäss Initiativkomitee wird Gänsen und Enten bei der Produktion der Stopfleber durch Zwangsernährung grosses Leiden zugefügt. In der Schweiz erfülle die Zwangsernährung den Tatbestand der Tierquälerei und sei deshalb seit über 40 Jahren verboten. Durch ein Einfuhrverbot werde zudem eine faire Wettbewerbssituation gegenüber den Schweizer Landwirtinnen und Landwirten geschaffen, die keine Stopfleber produzieren dürften.
Vorzüge und Mängel der Initiative
Die Initiative zielt auf den Schutz bzw. die Verbesserung des Tierwohls von Gänsen und Enten im Ausland ab. In der Schweiz ist das Stopfen beim Hausgeflügel verboten, weshalb in der Schweiz keine Stopfleber produziert wird. Der Import von Stopfleber und Stopfleberprodukten aus dem Ausland wird durch das aktuelle Verbot des Stopfens jedoch nicht tangiert und ist somit erlaubt.
Die Anliegen der Initiative sind für den Bundesrat grundsätzlich nachvollziehbar. Importverbote sind jedoch schwerwiegende Eingriffe in den freien Handel. Aufgrund des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes sollen sie als strengste Massnahme erst dann erlassen werden, wenn alle anderen milderen Massnahmen nicht zum Ziel geführt haben. Auch die übrigen im internationalen Recht festgelegten Voraussetzungen wie etwa das Diskriminierungsverbot müssen beachtet werden. Ein Importverbot wäre nicht mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar und würde das Risiko von internationalen Handelsstreitigkeiten beinhalten. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat am 5. April 2023 beschlossen, die Einführung einer Deklarationspflicht für Stopfleber und Stopfleberprodukte in die Wege zu leiten.
Antrag des Bundesrates
Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten, die Initiative «Ja zum Importverbot für Stopfleber (Stopfleber-Initiative)» Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.
Botschaft
¹ BBl 2024 3078

1 Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1 Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Ja zum Importverbot für Stopfleber (Stopfleber-Initiative)» hat den folgenden Wortlaut:
Die Bundesverfassung ² wird wie folgt geändert:
Art. 80 Abs. 2ter
³
²ter Die Einfuhr von Stopfleber und Stopfleberprodukten ist verboten.
Art. 197 Ziff. 15
15. Übergangsbestimmung zu Art. 80 Abs. 2ter (Verbot der Einfuhr von Stopfleber)
Die Bundesversammlung erlässt die Ausführungsbestimmungen zu Artikel 80 Absatz 2ter spätestens zwei Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände. Treten die Ausführungsbestimmungen innerhalb dieser Frist nicht in Kraft, so erlässt der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen in Form einer Verordnung und setzt sie auf diesen Zeitpunkt hin in Kraft. Die Verordnung gilt bis zum Inkrafttreten der von der Bundesversammlung erlassenen Ausführungsbestimmungen.
² SR 101
³ Die endgültige Nummerierung dieses Absatzes wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt; dabei stimmt diese die Nummerierung ab auf die anderen geltenden Bestimmungen der Bundesverfassung und nimmt diese Anpassung im ganzen Text der Initiative vor.
⁴ Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt.

1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Stopfleber-Initiative wurde am 14. Juni 2022 von der Bundeskanzlei vorgeprüft ⁵ und am 28. Dezember 2023 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.
Mit Verfügung vom 13. Februar 2024 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 102 478 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist. ⁶
Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag. Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 ⁷ (ParlG) hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 28. Dezember 2024 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 28. Juni 2026 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen.
⁵ BBl 2022 1572
⁶ BBl 2024 394
⁷ SR 171.10

1.3 Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV):
a.
Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.
b.
Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.
c.
Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts. Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

2 Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

In der Schweiz ist das Stopfen beim Hausgeflügel verboten (Art. 20 Bst. e der Tierschutzverordnung vom 23. April 2008 ⁸ [TSchV]), weshalb in der Schweiz auch keine Stopfleber produziert wird. Die Einfuhr von Stopfleber und Stopfleberprodukten aus dem Ausland wird durch das geltende Verbot des Stopfens nicht tangiert.
In den letzten Jahren wurden verschiedene parlamentarische Verstösse zu Importverboten für tierquälerisch erzeugte Produkte eingereicht. Die an den Bundesrat überwiesene Motion 20.3021 Haab «Importverbot für tierquälerisch erzeugte Stopfleber» beauftragt den Bundesrat, gestützt auf seine Kompetenz in Artikel 14 Absatz 1 des Tierschutzgesetzes vom 16. Dezember 2005 ⁹ (TSchG) ein Importverbot für tierquälerisch erzeugte Stopfleber zu erlassen. Diese Motion wurde am 14. September 2023 vom Parlament abgelehnt. Deutlich angenommen wurde zeitgleich jedoch eine abgeänderte Fassung der Motion, welche die Einführung einer Deklarationspflicht für Erzeugnisse aus der Stopfmast von Gänsen und Enten verlangt. Die Änderung des Motionstextes hängt mit einer weiteren am 16. Juni 2021 an den Bundesrat überwiesenen Motion zusammen, der Motion 20.4267 der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates «Deklaration von in der Schweiz verbotenen Produktionsmethoden». Diese fordert eine Deklarationspflicht für in der Schweiz verbotene Produktionsmethoden. Gestützt auf diese Motion hat der Bundesrat in seinem Beschluss vom 5. April 2023 1⁰ das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) beauftragt, einen Regulierungsvorschlag für eine Deklarationspflicht für Stopfleber und weitere Produkte auszuarbeiten. Die Arbeiten sind im Gang. 1¹
Die Motion 20.3021 Haab wie auch die zu behandelnde Volksinitiative zum Einfuhrverbot für Stopfleber zeigen, dass der Umstand, dass die Produktion von Stopfleber aus Gründen des Tierschutzes in der Schweiz verboten wurde, der Import ebensolcher Produkte aber weiterhin erlaubt ist, teilweise auf Unverständnis stösst und mit den moralischen Vorstellungen eines Teils der Bevölkerung nicht vereinbar ist.
Rechtliche Grundlagen für ein Einfuhrverbot
Die für den Tierschutz massgebliche Verfassungsbestimmung ist primär Artikel 80 BV. Dessen Absatz 1 beauftragt den Bund, Vorschriften zum Schutz der Tiere zu erlassen. Der Bund wird u. a. beauftragt, die Einfuhr von Tieren und tierischen Erzeugnissen zu regeln (Art. 80 Abs. 2 Bst. d BV). Diese Bestimmung stellt die Verfassungsgrundlage dar, mit der die Einfuhr von Stopfleber und Stopfleberprodukten verboten werden könnte.
Auf Gesetzesebene findet sich eine entsprechende Regelung in Artikel 14 Absatz 1 TSchG. Gestützt darauf kann der Bundesrat aus Gründen des Tierschutzes die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten an Bedingungen knüpfen, einschränken oder verbieten. Vorbehalten bleibt die Einfuhr von Koscher- und von Halalfleisch, um eine ausreichende Versorgung der jüdischen und der islamischen Gemeinschaft mit solchem Fleisch sicherzustellen.
Das Lebensmittelgesetz vom 20. Juni 2014 ¹2 (LMG) hingegen bezweckt, die Konsumentinnen und Konsumenten vor nicht sicheren Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen zu schützen, den hygienischen Umgang mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen sicherzustellen, den Schutz vor Täuschung zu gewährleisten sowie den Konsumentinnen und Konsumenten die für den Erwerb notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen (Art. 1 LMG). Kein Ziel der Lebensmittelgesetzgebung ist hingegen der Schutz des Tierwohls. Ein Einfuhrverbot für Stopfleber und Stopfleberprodukte aus Gründen des Tierschutzes könnte somit nicht auf die Lebensmittelgesetzgebung abgestützt werden.
Internationaler Vergleich
In einigen europäischen Ländern ist, wie in der Schweiz, die Stopfmast verboten. Zu diesen Ländern gehören Dänemark, Deutschland, Finnland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Schweden und Tschechien. ¹3 Hingegen besteht kein allgemeines Verbot der Einfuhr von Stopfleber in der EU. Jedoch wurde die Frage der Kennzeichnung der Herstellungsmethoden tierischer Erzeugnisse diskutiert. ¹4 Die EU-Kommission hatte 2020 angekündigt, dass die Tierschutzgesetzgebung überarbeitet und ausgeweitet werden solle und im Laufe des Jahres 2023 erste Entwürfe vorgestellt werden. Diese hätten ab 2024 in die Arbeiten zur Nachhaltigkeitskennzeichnung von Lebensmitteln einfliessen sollen, die Teil der «Farm to Fork»-Strategie der EU sind. Die entsprechenden Bestrebungen sind jedoch im Arbeitsprogramm der Kommission 2024 nicht mehr enthalten. ¹5
Ein generelles Importverbot für Stopfleber kennt Indien, ein Handelsverbot z. B. der US-Bundesstaat Kalifornien. In Grossbritannien wird aktuell von Tierschutzkreisen sowie verschiedenen Parlamentarierinnen und Parlamentariern ein Importverbot für Gänsestopfleber gefordert; ob diese Forderung weiterverfolgt wird, ist offen. ¹6
⁸ SR 455.1
⁹ SR 455
1⁰ www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung > Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen > 5. April 2023 > Bundesrat will Deklarationspflicht für Froschschenkel und Stopfleber sowie Importverbot für bestimmte Pelzprodukte.
1¹ www.fedlex.admin.ch > Abgeschlossene Vernehmlassungen > EDI > Vernehmlassung 2023/94 > Änderung von Verordnungen im Lebensmittelbereich sowie im Bereich der Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten
¹2 SR 817.0
¹3 Regulierungsfolgenabschätzung vom 19. Januar 2022 zur Einführung neuer Pflichten zur Deklaration der Herstellungsmethoden tierischer Erzeugnisse sowie zur Umkehr der Beweislast, S. 29 (abrufbar unter:
www.seco.admin.ch > Publikationen & Dienstleistungen > Publikationen > Regulierung > Regulierungsfolgenabschätzung > Vertiefte RFA > Deklaration von Stopfleber, Froschschenkel und Reptilienleder [2022])
¹4 food.ec.europa.eu > Animals > Animal welfare > Other aspects of animal welfare > Animal welfare labelling
¹5 food.ec.europa.eu > Animals > Animal welfare > Evaluations and Impact assessment > Revision of the animal welfare legislation
¹6 parliament.uk > Hansard > Commons: 24 October 2023 > Westminster Hall > Importation and Sale of Foie Gras;
www.edm.parliament.uk > UK Parliament > Early Day Motions > Ban on the import of foie gras

3 Ziele und Inhalt der Initiative

3.1 Ziele der Initiative

Laut dem Initiativkomitee Alliance Animale Suisse ist es moralisch falsch, Produkte zu konsumieren, für deren Herstellung Tiere Qualen erleiden müssten. Zudem sei es heuchlerisch, den Schweizer Landwirtinnen und Landwirten die Produktion von Stopfleber unter Strafandrohung zu verbieten und gleichzeitig die Einfuhr solcher Produkte aus dem Ausland zuzulassen. Die Initiative hat deshalb zum Ziel, die Einfuhr von Stopfleber und Stopfleberprodukten zu verbieten. Durch ein Einfuhrverbot würden weniger Enten und Gänse gemästet und getötet. Überdies würde eine faire Wettbewerbssituation gegenüber einheimischen Landwirtinnen und Landwirten geschaffen. ¹7
Wegen des grossen Leidens, das Gänsen und Enten beim Mästen zugefügt werde, sei die Produktion von Stopfleber in der Schweiz seit über 40 Jahren verboten. Die Prozedur des Mästens - dabei werde mehrmals täglich ein Metallrohr oder Schlauch in die Speiseröhre der Tiere eingeführt - verursache schmerzhafte Verletzungen. Die erzwungene, schnelle Zunahme der Leber (Fettleber) führe zudem zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Zwangsernährung gelte in der Schweiz als grausame Praxis gegenüber Tieren und erfülle den Tatbestand der schweren Tierquälerei. Mit jährlich 200 000 kg importierter Stopfleber sei die Schweiz eines der wichtigsten Importländer für diese Produkte. ¹8 Überdies würden in Frankreich jedes Jahr mehr als 15 000 000 weibliche Entenküken, deren Leber nicht für die Produktion von Stopfleber geeignet ist, in den ersten Lebenstagen lebendig geschreddert, zermahlen oder vergast. ¹9
Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in über 20 weiteren Ländern (z. B. Norwegen, Israel und Argentinien), sei Stopfmast heute nicht mehr erlaubt. 2⁰ In mehreren Ländern, Staaten und Städten sei aber auch der Handel mit Stopfleber verboten, so etwa in Indien, Kalifornien und Buenos Aires. 2¹
Ein Einfuhrverbot für Stopfleber und Stopfleberprodukte sei mit den internationalen Handelsverpflichtungen der Schweiz vereinbar. Alle Abkommen sähen Ausnahmen für Massnahmen vor, die zum Schutz der öffentlichen Sittlichkeit und des Lebens oder der Gesundheit von Tieren erforderlich seien. So seien beispielsweise Einfuhrverbote für Robben-, Hunde- und Katzenfelle bereits gesetzlich verankert. Das höchste Gericht der Welthandelsorganisation (WTO) habe ausdrücklich anerkannt, dass der Schutz von Tieren Teil der öffentlichen Moral sei. 2²
¹7 www.stopfleber-initiative.ch > Initiative > Fragen und Antworten > Warum soll der Import von Stopfleber verboten werden? (Stand: 13. August 2024)
¹8 www.stopfleber-initiative.ch > Initiative > Darum geht’s (Stand: 13. August 2024)
¹9 www.stopfleber-initiative.ch > Initiative > Fragen und Antworten > Wird Stopfmast auch bei weiblichen Tieren angewendet? (Stand: 13. August 2024)
2⁰ www.stopfleber-initiative.ch > Initiative > Fragen und Antworten > Seit wann ist die Stopfmast in der Schweiz verboten? (Stand: 13. August 2024)
2¹ www.stopfleber-initiative.ch > Initiative > Fragen und Antworten > Warum soll der Import von Stopfleber verboten werden? (Stand: 13. August 2024)
2² www.stopfleber-initiative.ch > Initiative > Fragen und Antworten > Ist ein Verbot mit internationalem Recht vereinbar? (Stand: 13. August 2024)

3.2 Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Die Initiative will in der Bundesverfassung ein Einfuhrverbot für Stopfleber und Stopfleberprodukte verankern. Sie zielt damit auf ein Verbot von Produkten ab, die aus tierquälerischer Zwangsfütterung stammen. Produkte, die der Stopfleber ähnlich sind, nicht aber durch Stopfmast produziert wurden, sollen weiterhin in die Schweiz importiert werden dürfen. ²3
Die Übergangsbestimmungen sehen vor, dass die Bundesversammlung die Ausführungsbestimmungen spätestens zwei Jahre nach der Annahme des Verbots durch Volk und Stände zu erlassen hat. Ist dies nicht der Fall, hat der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen in Form einer Verordnung zu erlassen und diese auf den gleichen Zeitpunkt hin in Kraft zu setzen. Die Verordnung würde bis zum Inkrafttreten der von der Bundesversammlung erlassenen Ausführungsbestimmungen gelten.
²3 www.stopfleber-initiative.ch > Initiative > Fragen und Antworten (Stand: 13. August 2024)

3.3 Auslegung und Erläuterung des Initiativtextes

Die Initiative will durch eine Ergänzung von Artikel 80 BV um einen weiteren Absatz (2ter) die Einfuhr von Stopfleber und Stopfleberprodukten verbieten. Die Begriffe «Einfuhr», «Stopfleber» und «Stopfleberprodukte» sind auslegungsbedürftig.
Gemäss Initiativkomitee soll das Verbot sowohl für die gewerbliche wie auch für die private Einfuhr gelten. ²4 Der Wortlaut beschränkt das Verbot nicht auf eine gewerbliche Einfuhr. Es ist, insbesondere auch nach Sinn und Zweck der Initiative, davon auszugehen, dass das Einfuhrverbot umfassend zu verstehen ist, da die Initiative tierquälerische Zwangsfütterung vermeiden will.
Bei «Stopfleber» handelt es sich nach dem Initiativkomitee um eine durch Stopfmast verfettete Leber von Enten und Gänsen. ²5 Eine vergleichbare Definition lässt sich der Verordnung (EG) Nr. 543/2008 ²6 entnehmen, die Stopfleber als Leber von Gänsen und Enten beschreibt, bei denen fütterungsbedingt eine Verfettung und Zellvergrösserung hervorgerufen wurde. Die Orientierung an der EU-Definition ist sinnvoll, da Stopfleber zu einem Grossteil in EU-Ländern (Frankreich, Ungarn, Bulgarien) ²7 produziert und von dort in die Schweiz eingeführt wird.
Aus dem Initiativtext geht nicht eindeutig hervor, welche Produkte neben der Stopfleber unter das Einfuhrverbot fallen sollen. Nach dem Wortlaut handelt es sich bei «Stopfleberprodukten» um Lebensmittel mit Stopfleber (z. B. Stopfleberpastete). Da die Initiative tierquälerische Zwangsfütterung vermeiden will, ist nach Sinn und Zweck der Initiative der Begriff «Stopfleberprodukte» aber weiter zu fassen. Durch die Stopfmast entsteht neben der Stopfleber auch Magret und Confit. Zur Auslegung dieser Begriffe drängt es sich auf, sich an den entsprechenden Definitionen der EU bzw. Frankreichs zu orientieren. Magret wird in der Verordnung (EG) Nr. 543/2008 als Brustfilet von Enten und Gänsen umschrieben, bei denen fütterungsbedingt eine Verfettung und Zellvergrösserung der Leber hervorgerufen wurde. Eine Definition für Confit lässt sich der «Spécification technique no B1-19-08» ²8 des französischen Ministeriums für Wirtschaft, Finanzen und Beschäftigung entnehmen. Demnach handelt es sich dabei um Produkte, die aus Flügeln und Keulen von stopfgemästeten Gänsen und Enten hergestellt werden. Folglich ist davon auszugehen, dass mit «Stopfleberprodukten» sowohl Lebensmittel mit Stopfleber als auch Magret und Confit gemeint sind.
²4 www.stopfleber-initiative.ch > Initiative > Fragen und Antworten > Wird das Verbot von Stopfleber einen «Wirtschaftstourismus» auslösen? (Stand: 13. August 2024)
²5 www.stopfleber-initiative.ch > Initiative > Fragen und Antworten > Was ist Stopfleber? (Stand: 13. August 2024)
²6 Verordnung (EG) Nr. 543/2008 der Kommission vom 16. Juni 2008 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates hinsichtlich der Vermarktungsnormen für Geflügelfleisch, ABl. L 157 vom 17. Juni 2008, S. 46; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 519/2013, ABl. L 158 vom 21. März 2013, S. 74.
²7 Regulierungsfolgenabschätzung vom 19. Januar 2022 zur Einführung neuer Pflichten zur Deklaration der Herstellungsmethoden tierischer Erzeugnisse sowie zur Umkehr der Beweislast, S. 30 f., Abb. 3 und 4.
²8 www.economie.gouv.fr/daj > Observatoire économique de la commande publique > Liste des guides et recommandations des GEM (en vigueur et archives) > Liste des guides et recommandations GEM en vigueur > GEM - Restauration collective et nutrition > Spécification technique - Préparations de viandes, produits à base de viande de volaille ou de lapin - Foies gras de volaille

4 Würdigung der Initiative

4.1 Würdigung der Anliegen der Initiative

Der Tierschutz geniesst in der Schweiz einen hohen Stellenwert. Dies ergeht bereits aus Artikel 80 BV, der sehr breit gefasst ist. Das Anliegen der Initiative, die Einfuhr von Stopfleber und Stopfleberprodukten zu verbieten, ist aus Tierschutzsicht deshalb nachvollziehbar. Indem der Bundesrat das Stopfen von Hausgeflügel mit Einführung der neuen TSchV 2008 verboten hat (Art. 20 Bst. e TSchV), hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Stopfmast seiner Auffassung nach mit den Zielen des Tierschutzgesetzes (Schutz der Würde und des Wohlergehens von Tieren) nicht vereinbar ist.
Demgegenüber zeigt der Konsum von geschätzten 200 000 kg importierter Stopfleber in der Schweiz, dass in der Bevölkerung der Schweiz eine relevante Nachfrage nach Stopfleber besteht. Darüber hinaus sind auch die internationalen Handelsbeziehungen und der freie Warenverkehr für die Schweiz von grosser Bedeutung, namentlich mit der EU, welche die wichtigste Handelspartnerin der Schweiz ist. ²9 Die Annahme der Initiative würde nach Ansicht des Bundesrates, entgegen der Annahme des Initiativkomitees, diese Handelsbeziehungen und den freien Warenverkehr beeinträchtigen (vgl. Ziff. 4.4). Der Bundesrat ist deshalb bestrebt, eine Lösung zu finden, die einerseits die Anliegen des Tierschutzes berücksichtigt, anderseits aber mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar ist. Die vorhandenen Rechtsgrundlagen lassen dies zu (vgl. den Entscheid des Bundesrates vom 5. April 2023 betreffend Deklarationspflicht für Froschschenkel und Stopfleber sowie Importverbot für bestimmte Pelzprodukte 3⁰ ).
Hinzu kommt, dass im Tierschutzgesetz bereits die Grundlage besteht, um das von der Volksinitiative verlangte Einfuhrverbot für Stopfleber und Stopfleberprodukte umzusetzen (vgl. Ziff. 2). Eine Änderung der Bundesverfassung wäre dafür nicht erforderlich.
²9 Staatssekretariat STS-EDA, Schweiz-EU in Zahlen, Statistiken zu Handel, Bevölkerung und Verkehr von August 2023, S. 6 (abrufbar unter:
www.eda.admin.ch/europa > Publikationen > Schweiz-EU in Zahlen).
3⁰ www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung > Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen > 5. April 2023 > Bundesrat will Deklarationspflicht für Froschschenkel und Stopfleber sowie Importverbot für bestimmte Pelzprodukte

4.2 Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

Grundsätzliches
Die Verankerung des Einfuhrverbots auf Verfassungsstufe liesse keinen Spielraum für Kompromisse und Ausnahmen auf Gesetzesstufe und wäre entsprechend umzusetzen.
Auswirkungen auf Konsumentinnen und Konsumenten
Da Stopfleber und Stopfleberprodukte weder in der Schweiz produziert noch eingeführt werden dürften, hätte die Annahme der Initiative Auswirkungen auf die Produkteauswahl für die Konsumentinnen und Konsumenten. Sie könnten diese Produkte im Inland nicht mehr kaufen und dürften sie auch zum Privatkonsum nicht mehr einführen. Angesichts fehlender gleichwertiger Alternativen hätte ein Importverbot zur Folge, dass der Stopfleberkonsum in der Schweiz verunmöglicht würde. Die Auswirkungen beträfen insbesondere Konsumentinnen und Konsumenten in der Romandie und im Tessin. In der Deutschschweiz wird Stopfleber deutlich weniger konsumiert. 3¹
Auswirkungen auf Anbieterinnen sowie Importeure
Der Wegfall dieser Produkte hätte bei den heutigen Anbieterinnen (so auch der Gastronomie) sowie bei den Importeuren Umsatzeinbussen zur Folge. Dies insbesondere in den Regionen, wo Stopfleber und Stopfleberprodukte regelmässig konsumiert werden.
Auswirkungen auf die Umwelt (Tiere)
Es ist denkbar, dass durch das Importverbot im Ausland weniger Stopfleber und Stopfleberprodukte hergestellt würden, da die Nachfrage aus der Schweiz wegfällt. Damit würden allenfalls weniger Gänse und Enten für die Stopfleberproduktion eingesetzt. Allerdings ist zu erwähnen, dass der Konsum in der Schweiz lediglich 1 Prozent der Nachfrage auf dem Weltmarkt ausmacht (vgl. Ziff. 4.3), womit die direkten Auswirkungen auf das Tierwohl schätzungsweise gering wären.
Auswirkungen auf die Kantone
Es ist mit keinen nennenswerten finanziellen oder personellen Auswirkungen auf die Kantone zu rechnen. Würden die Kantone im Rahmen der üblichen Kontrollen Stopfleber oder Stopfleberprodukte in Betrieben feststellen, müssten Massnahmen getroffen werden, die im Rahmen der Ausführungsbestimmungen noch festzulegen wären. Stopfleber und Stopfleberprodukte sind bei korrekt deklarierten Produktekennzeichnungen in den meisten Fällen leicht erkennbar; ein erhöhter Abklärungsaufwand bzw. erhöhte Kosten für die Abklärung sind nicht zu erwarten.
Auswirkungen auf den Bund
Die Auswirkungen im Rahmen der Vollzugsaufgaben sowie die finanziellen Auswirkungen wären vergleichsweise gering. Da der Bund in der Regel für die Kontrolle der Ein-, Durch- und Ausfuhr zuständig ist, wäre gleichwohl mit einem erhöhten Kontroll- und Vollzugsaufwand zu rechnen, insbesondere in den ersten Jahren nach Inkrafttreten. Bei der Feststellung einer widerrechtlichen Einfuhr wären Massnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Ausführungsbestimmungen noch festgelegt werden müssten. Der Mehraufwand könnte voraussichtlich mit den bestehenden Ressourcen bewältigt werden.
Auswirkungen auf internationaler Ebene
Ein Einfuhrverbot für Stopfleber und Stopfleberprodukte würde sich auf die internationalen Verpflichtungen der Schweiz auswirken (vgl. Ziff. 4.4). Handelsstreitigkeiten mit den Handelspartnern der Schweiz oder Sanktionen wären möglich. Es ist denkbar, dass künftige Verhandlungen mit internationalen Vertragspartnern, namentlich der EU, erschwert würden.
3¹ Regulierungsfolgenabschätzung vom 19. Januar 2022 zur Einführung neuer Pflichten zur Deklaration der Herstellungsmethoden tierischer Erzeugnisse sowie zur Umkehr der Beweislast, S. 31.

4.3 Vorzüge und Mängel der Initiative

Die Verankerung eines Einfuhrverbots für Stopfleber und Stopfleberprodukte in der Bundesverfassung gemäss Initiativtext ist grundsätzlich geeignet, die mit der Initiative verfolgten Ziele zu erreichen. Würde die Initiative angenommen, würde die Schweiz damit ein Zeichen setzen und dokumentieren, dass sie dem Tierschutz ein grosses Gewicht beimisst. Sie könnte eine Vorreiterrolle einnehmen und andere Länder dazu veranlassen, ebenfalls Einfuhrverbote zu erlassen. Zudem wäre es konsequent, beim heutigen Produktionsverbot für Stopfleber in der Schweiz, auch die Einfuhr solcher Produkte zu verbieten.
Allerdings betrifft das Einfuhrverbot nur die Schweiz, die lediglich für einen kleinen Teil des Konsums dieser Produkte verantwortlich ist. Auf die Schweiz entfällt nur ca. 1 Prozent der Nachfrage auf dem Weltmarkt. 3² Stopfleber und Stopfleberprodukte würden im Ausland weiterhin in grosser Menge hergestellt und konsumiert.
Auch wäre eine Kontrolle im Rahmen des Vollzugs insbesondere für die privaten Einfuhren schwierig, da an der Grenze nur stichprobenweise geprüft werden könnte, ob Stopfleber oder Stopfleberprodukte in die Schweiz eingeführt werden.
Das Einfuhrverbot für Stopfleber und Stopfleberprodukte hätte zudem auch negative Konsequenzen. So ist davon auszugehen, dass ein solches Einfuhrverbot in Bezug auf die WTO-rechtlichen Verpflichtungen der Schweiz zu Problemen führen würde. Ein Importverbot ist im internationalen Handel die einschneidendste aller Massnahmen. Die Einführung eines solchen Verbots ohne vorherige mildere Massnahmen (z. B. einer Deklarationspflicht) würde einer Verhältnismässigkeitsprüfung WTO-rechtlich mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht standhalten. Allenfalls könnte die Annahme der Initiative bei möglichen Handelsstreitigkeiten (vgl. Ziff. 4.4.1) als Ausdruck der öffentlichen Moral gedeutet werden. Die öffentliche Moral gilt als einer der Rechtfertigungsgründe für Handelsbeschränkungen im WTO-Recht, was die Ausgangslage in solchen Verfahren tendenziell verbessern könnte.
Weiter würden bei Annahme der Initiative auch die Abkommen mit der EU tangiert (vgl. Ziff. 4.4.2). In diesem Zusammenhang sind allenfalls auch gezielte Gegenmassnahmen der EU möglich, etwa die Verweigerung der Aufdatierung von für die Schweiz wichtigen Bereichen in den bilateralen Abkommen oder die Verweigerung, über die Erweiterung des Landwirtschaftsabkommens auf sämtliche Lebensmittel zu verhandeln.
Ebenfalls zu beachten ist, dass ein nationales Einfuhrverbot angesichts der Unterschiede zwischen den Sprachgemeinschaften des Landes hinsichtlich des Verzehrs von Gänseleber zu emotionalen Debatten und Spannungen führen könnte. Denn beliebt ist Gänseleber vor allem in der Romandie und im Tessin; in der Deutschschweiz wird Stopfleber hingegen deutlich weniger konsumiert. 3³ Angesichts fehlender Alternativen führte das Einfuhrverbot dazu, dass Stopfleber in der Schweiz nicht mehr konsumiert werden könnte.
Und schliesslich ist auch darauf hinzuweisen, dass ein Importverbot für Stopfleber in der Bundesverfassung nicht stufengerecht wäre. Die Gesetzesstufe bzw. - angesichts der vorhandenen gesetzlichen Grundlage - die Verordnungsstufe wären für ein derart partikuläres Verbot stufengerechter.
Am 5. April 2023 ³4 hat der Bundesrat das EDI beauftragt, Regulierungsvorschläge u. a. für eine Deklarationspflicht für Stopfleber auszuarbeiten. Entsprechende Verordnungsänderungen im Lebensmittelbereich ³5 sind im Gang (vgl. Ziff. 2). Die Volksinitiative und die laufende Verordnungsrevision überschneiden sich somit. In diesem Sinn wäre ein Einfuhrverbot mit den laufenden Änderungen nicht kompatibel und aus dem Blickwinkel der Verhältnismässigkeit (mögliches milderes Mittel) verfrüht.
3² Regulierungsfolgenabschätzung vom 19. Januar 2022 zur Einführung neuer Pflichten zur Deklaration der Herstellungsmethoden tierischer Erzeugnisse sowie zur Umkehr der Beweislast, S. 30.
3³ Regulierungsfolgenabschätzung vom 19. Januar 2022 zur Einführung neuer Pflichten zur Deklaration der Herstellungsmethoden tierischer Erzeugnisse sowie zur Umkehr der Beweislast, S. 31.
³4 www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung > Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen > 5. April 2023 > Bundesrat will Deklarationspflicht für Froschschenkel und Stopfleber sowie Importverbot für bestimmte Pelzprodukte
³5 www.fedlex.admin.ch > Abgeschlossene Vernehmlassungen > EDI > Vernehmlassung 2023/94 > Änderung von Verordnungen im Lebensmittelbereich sowie im Bereich der Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten

4.4 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

4.4.1 WTO

GATT
Die Schweiz ist Mitgliedstaat der WTO. Importverbote unterliegen den WTO-rechtlichen Anforderungen gemäss dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen vom 30. Oktober 1947 ³6 (GATT). Artikel XI:1 GATT untersagt quantitative Handelsbeschränkungen wie Importverbote. Artikel I:1 GATT untersagt zudem die Diskriminierung von Waren unterschiedlichen Ursprungs. Eine unterschiedliche Behandlung von Produkten aufgrund von Verfahren und Produktionsmethoden, die sich nicht in den physischen Eigenschaften des Produktes niederschlagen (z. B. das Tierwohl bei Fleischimporten), kann zu einer Verletzung dieser Verpflichtungen führen.
Artikel XX GATT nennt verschiedene Ausnahmen, welche die Nichteinhaltung der GATT-Vorgaben im Einzelfall zu rechtfertigen vermögen. Für die Anliegen der Initiative kommen dabei primär die Buchstaben a (Massnahmen, die für den Schutz der öffentlichen Moral erforderlich sind) und b (Massnahmen, die für den Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Personen und Tieren oder die Erhaltung des Pflanzenwuchses erforderlich sind) in Betracht. Die Anforderungen an die Rechtfertigung solcher Massnahmen sind jedoch hoch. Erstens müsste ein Staat - je nach Massnahme - nachweisen, dass diese Massnahme zu den angerufenen Schutzzielen beiträgt und tatsächlich erforderlich ist, um diese zu erreichen. Das heisst, dass dem Mitglied keine weniger handelsbeschränkende Massnahme zur Verfügung steht. Die Einführung eines Importverbots ohne vorherige mildere Massnahmen (z. B. einer Deklarationspflicht) würde dieser Anforderung mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht standhalten. Zweitens dürfen Massnahmen zur Durchsetzung solcher Anforderungen an importierte Produkte auch bei Berufung auf die Ausnahmebestimmung weder eine willkürliche oder ungerechtfertigte Diskriminierung zwischen Ländern mit gleichen Bedingungen herbeiführen noch auf eine verschleierte Behinderung des Welthandels hinauslaufen.
TBT-Übereinkommen
Das Übereinkommen vom 12. April 1979 ³7 über technische Handelshemmnisse (TBT-Übereinkommen) ergänzt die Grundsätze des GATT und legt allgemeine Rahmenbedingungen fest, um zu vermeiden, dass technische Vorschriften den Handel negativ und unverhältnismässig beeinträchtigen. Es folgt denselben Grundsätzen wie das GATT. Darüber hinaus legt es fest, dass technische Vorschriften nicht handelsbeschränkender sein dürfen, als es zur Erfüllung legitimer Ziele erforderlich ist. Bei der Ausarbeitung ihrer technischen Vorschriften wird von den WTO-Mitgliedern erwartet, dass sie internationale Normen berücksichtigen. Werden letztere ins nationale Recht übernommen, wird gemäss TBT-Übereinkommen vermutet, dass keine unnötigen Handelshemmnisse vorliegen, da die internationalen Normen in der Regel von allen Staaten, die Mitglieder der Organisation sind, die sie erlassen hat, akzeptiert werden. Unter dem Blickwinkel der Verhältnismässigkeit ist daher zu prüfen, ob die angestrebten Massnahmen tatsächlich geeignet und erforderlich sind, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Es ist insbesondere zu prüfen, ob die angestrebten Ziele nicht besser erreicht werden könnten, wenn sich die Schweiz in internationalen Gremien wie der Weltorganisation für Tiergesundheit ( World Organisation for Animal Health ) dafür einsetzte, von deren Mitgliedern akzeptierte Standards zu erarbeiten (wie denjenigen zum Wohlergehen von Reptilien bei ihrer Tötung zur Gewinnung ihrer Häute, ihres Fleisches und anderer Produkte ³8 ), oder wenn sich die Schweiz bemühte, die Tierschutzthematik in die bilateralen Freihandelsabkommen aufzunehmen.
Fazit
Insgesamt ist davon auszugehen, dass ein Einfuhrverbot für Stopfleber und Stopfleberprodukte ohne vorherige mildere Massnahmen (z. B. einer Deklarationspflicht) nicht verhältnismässig ist und zu einer ungerechtfertigten Handelsbeschränkung führt, womit es gegen das GATT und das TBT-Übereinkommen verstösst.
³6 SR 0.632.21
³7 SR 0.632.231.41
³8 www.woah.org > What we do > Standards > Codes and Manuals > Terrestrial Code Online Access (2024) > Section 7, Chapter 7.14

4.4.2 EU

Verpflichtungen der Schweiz gegenüber der EU ergeben sich aufgrund des Abkommens vom 22. Juli 1972 ³9 zwischen der Schweiz und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Freihandelsabkommen) sowie des Abkommens vom 21. Juni 1999 4⁰ zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Landwirtschaftsabkommen).
Freihandelsabkommen
Das Freihandelsabkommen verbietet in Artikel 13 im Warenverkehr zwischen der Schweiz und der EU neue mengenmässige Einfuhrbeschränkungen oder Massnahmen gleicher Wirkung. Ausnahmen aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit sowie zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen und Tieren oder von Pflanzen sind nach Artikel 20 zwar möglich, aber nur, wenn dieselben Voraussetzungen erfüllt sind, die auch nach dem WTO-Recht erfüllt sein müssen (Diskriminierungsverbot und Verhältnismässigkeit). Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Vertragsparteien darstellen. Das mit der Initiative vorgesehene Einfuhrverbot liesse sich zwar womöglich unter dem Titel der «öffentlichen Sittlichkeit» und dem «Schutz der Gesundheit des Lebens von Tieren» rechtfertigen, es ist jedoch anzunehmen, dass es an der Verhältnismässigkeit scheitern würde (vgl. Ziff. 4.4.1).
Zu beachten ist auch, dass in Frankreich Stopfleber 2005 von der Nationalversammlung als Kulturerbe deklariert wurde. Damit fällt Stopfleber (franz. «foie gras») unter den Begriff der «kulturellen Traditionen» nach Artikel 13 des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union 4¹ . Sie nimmt im Rahmen des EU-Rechts damit eine Sonderstellung ein, was die Einführung eines Importverbots für französische Stopfleber erschweren dürfte. Ein solches Verbot könnte als ungerechtfertigte Diskriminierung von Frankreich aufgrund seiner kulturellen Tradition verstanden werden.
Ein Einfuhrverbot für Stopfleber und Stopfleberprodukte ist im Übrigen nicht mit den bestehenden Einfuhrverboten für Katzen- und Hundefelle 4² und für Robbenprodukte 4³ vergleichbar, da für diese auch in der EU Einfuhrverbote gelten. 4⁴
Landwirtschaftsabkommen
Das bilaterale Landwirtschaftsabkommen mit der EU hat zum Ziel, die Freihandelsbeziehungen zwischen den Parteien durch Verbesserung des Marktzugangs für landwirtschaftliche Erzeugnisse der jeweils anderen Partei zu stärken (Art. 1 Abs. 1). Es verpflichtet die Parteien, ihre Bemühungen fortzusetzen, um den Handel mit Agrarerzeugnissen schrittweise weiter zu liberalisieren und sich aller Massnahmen zu enthalten, welche die Verwirklichung der Ziele des Abkommens gefährden könnten (Art. 14 Abs. 2 i. V. m. Art. 13 Abs. 1). Ein Einfuhrverbot würde dieser Absichtserklärung prinzipiell entgegenstehen. Das bilaterale Landwirtschaftsabkommen Schweiz-EU verpflichtet die Schweiz zudem zur Einräumung von Zollzugeständnissen für eine jährliche Menge von 20 Tonnen an Fettlebern von Enten oder Gänsen aus der EU (Landwirtschaftsabkommen, Anhang 1). Ein Verbot der Einfuhr von Stopfleber wäre eine mengenmässige Einfuhrbeschränkung, welche diesem Zollzugeständnis gegenüber der EU zuwiderlaufen würde.
Künftige Abkommen
Sowohl der Bundesrat als auch die EU-Kommission haben ein Verhandlungsmandat ⁴5 verabschiedet, um u. a. über die Ausweitung des Geltungsbereichs des Landwirtschaftsabkommens auf die gesamte Lebensmittelkette zu verhandeln. Die Ausweitung des Abkommens zielt darauf ab, den Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten zu stärken und den Marktzugang durch den Abbau von Handelshemmnissen zu verbessern. Durch ein Einfuhrverbot für Stopfleber und Stopfleberprodukte würden aber neue Handelshemmnisse geschaffen, welche die Verhandlungen erschweren könnten.
³9 SR 0.632.401
4⁰ SR 0.916.026.81
4¹ Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABI. C 202 vom 7. Juni 2016, S. 1; konsolidierter Text vom 1. März 2020.
4² Art. 14 Abs. 2 TSchG
4³ Art. 5 a der Verordnung vom 18. November 2015 über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten im Verkehr mit den EU-Mitgliedstaaten, Island und Norwegen sowie Nordirland, SR 916.443.11 und Art. 10 a der Verordnung vom 18. November 2015 über die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten im Verkehr mit Drittstaaten, SR 916.443.10 .
4⁴ Verordnung (EG) Nr. 1523/2007 des Europäischen Parlaments vom 11. Dezember 2007 über ein Verbot des Inverkehrbringens sowie der Ein- und Ausfuhr von Katzen- und Hundefellen sowie von Produkten, die solche Felle enthalten, in die bzw. aus der Gemeinschaft, ABl. L 343 vom 27. Dezember 2007, S. 1 und Verordnung (EG) Nr. 1007/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über den Handel mit Robbenerzeugnissen, ABl. L 286 vom 31. Oktober 2009, S. 36.
⁴5 www.admin.ch > Dokumentation > Medienmitteilung > Bundesrat > 8. März 2024 > Beziehungen Schweiz-EU: Der Bundesrat verabschiedet das endgültige Verhandlungsmandat;
www.consilium.europa.eu > Nachrichten und Medien > Pressemitteilungen > Rat der Europäischen Union > 12. März 2024 > EU-Schweiz: Rat nimmt Mandat für Verhandlungen über die künftigen Beziehungen an

5 Schlussfolgerungen

Obwohl der Bundesrat für das Anliegen des Initiativkomitees Verständnis hat und auch dem Tierschutz und dem Tierwohl eine grosse Bedeutung zumisst, stimmt er dem vorliegenden Initiativtext aus folgenden Gründen nicht zu:
-
Eine Verfassungsänderung ist für das Realisieren der Ziele der Initiative nicht erforderlich.
-
Einfuhrverbote stellen schwerwiegende Eingriffe in den freien Handel dar, die grundsätzlich die WTO-rechtlichen Verpflichtungen der Schweiz sowie die Abkommen mit der EU verletzen (vgl. Ziff. 4.4), weshalb mit Handelsstreitigkeiten mit den Handelspartnern der Schweiz zu rechnen ist. Aufgrund des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes sollen Importverbote erst dann erlassen werden, wenn alle anderen milderen Massnahmen nicht zum Ziel geführt haben und auch die übrigen im internationalen Recht festgelegten Voraussetzungen wie etwa das Diskriminierungsverbot beachtet werden. Bevor ein Importverbot eingeführt wird, müsste aus Gründen der Verhältnismässigkeit somit geprüft werden, ob das angestrebte Ziel (Verbesserung des Tierwohls) nicht auch mit einer milderen Massnahme, beispielsweise einer Deklarationspflicht, erreicht werden kann.
-
Verordnungsrevisionen, welche die Deklaration der Zwangsfütterung von Gänsen oder Enten vorsehen, hat der Bundesrat bereits in die Wege geleitet. Diese werden dazu beitragen, den Informationsstand der Konsumentinnen und Konsumenten über die Gewinnung von Stopfleber und Stopfleberprodukten zu verbessern, was zur Folge haben könnte, dass der Konsum an Stopfleber, Magret und Confit reduziert wird. Die neuen Regelungen werden voraussichtlich im Sommer 2025 in Kraft treten.
-
Neue Handelshemmnisse würden geschaffen, welche die derzeitigen Verhandlungen mit der EU erschweren würden.
-
Die Konsumentinnen und Konsumenten könnten die Produkte im Inland nicht mehr kaufen und sie auch nicht zum Privatkonsum einführen. Dadurch könnten emotionalen Debatten und Spannungen zwischen den Sprachgemeinschaften des Landes entstehen, da Stopfleber vor allem in der Romandie und im Tessin beliebt ist.
-
Die Kontrolle der eingeführten Produkte wäre schwierig, insbesondere da auch private Einfuhren an der Grenze kontrolliert werden müssten.
Gestützt auf diese Ausführungen empfiehlt der Bundesrat, die Stopfleber-Initiative ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag abzulehnen.
Bundesrecht
Botschaft zur Volksinitiative «Ja zum Importverbot für Stopfleber (Stopfleber-Initiative)»
keyboard_arrow_up
Markierungen
Leseansicht