Die Geschäftsführung der Bundesbehörden im Kontext der CS-Krise Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission
Die Geschäftsführung der Bundesbehörden im Kontext der CS-Krise Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission
vom 17. Dezember 2024
Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren
Die Parlamentarische Untersuchungskommission unterbreitet Ihnen ihren Bericht über die Geschäftsführung der Bundesbehörden im Kontext der CS-Krise. Sie beantragt die Kenntnisnahme.
| 17. Dezember 2024 | Im Namen der KommissionDie Präsidentin: Isabelle Chassot, Ständerätin Die Vizepräsidentin: Franziska Ryser, Nationalrätin |
Zusammenfassung
1. Ausgangslage
Nach der Notfusion zwischen der Credit Suisse (CS) und der UBS vom 19. März 2023 stellten sich grundlegende Fragen zur Geschäftsführung der für die Finanzmarktstabilität zuständigen Akteure. Im Zentrum des Interesses standen der Gesamtbundesrat, das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD), die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) und die Schweizerische Nationalbank (SNB). Vor diesem Hintergrund setzten die eidgenössischen Räte am 8. Juni 2023 die parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» ein. Diese hatte zum Auftrag, die «Geschäftsführung der letzten Jahre des Bundesrates, der Bundesverwaltung und anderer Träger von Aufgaben des Bundes im Zusammenhang mit der Notfusion der Credit Suisse mit der UBS, soweit diese der parlamentarischen Oberaufsicht unterliegen», zu untersuchen.
Untersuchung der PUK
Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung der PUK zusammengefasst. Die vorliegende Übersicht dient der Orientierung, sie kann die Lektüre des Berichtes jedoch nicht ersetzen. Der Gesamtbericht enthält Sachverhaltsdarstellungen und Feststellungen, welche die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der PUK erst in vollem Umfang nachvollziehbar machen.
Die Kommission tagte zwischen Juni 2023 und Dezember 2024 an insgesamt 45 Sitzungen. Sie verfolgte das Ziel, ihre Untersuchung auf eine möglichst breite Informations- und Datenbasis abzustützen. So führte sie zum einen insgesamt 79 Anhörungen von aktuellen wie auch ehemaligen Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern des Bundes, die in die Geschäftsführung der Behörden gegenüber der CS involviert waren, sowie von Vertretern der CS und der UBS durch. Zum anderen wertete die Kommission eine sehr grosse Anzahl an verwaltungs- und bankinternen Dokumenten aus. Neben nicht öffentlich zugänglichen Unterlagen zog sie auch öffentliche Berichte der involvierten Behörden, wissenschaftliche Publikationen und Medienberichte bei. Die PUK vergab darüber hinaus neun Expertenmandate, um verschiedene sehr technische Fragestellungen abzuklären (siehe Kap. 1.4.3, Tabelle 2).
Zu Beginn ihrer Untersuchung erstellte die PUK ein Untersuchungskonzept und definierte den Untersuchungszeitraum. Dieser sollte einen genügend langen Zeitraum vor der Notfusion der CS mit der UBS abdecken, um die Ereignisse angemessen einordnen und allfällige relevante Aspekte der Geschäftsführung der Behörden ermitteln zu können. Als Ausgangspunkt wählte die PUK das Jahr 2015, das Erscheinungsjahr des ersten Evaluationsberichtes des Bundesrates über systemrelevante Banken.
In ihrer Untersuchung unterschied die PUK die folgenden vier zeitlichen Hauptphasen:
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Die erste Phase (Geschäftsführung vor der Krise) deckt die Ereignisse von 2015 bis und mit Sommer 2022, also vor der eigentlichen Krise, ab.
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Die zweite Phase (Geschäftsführung in der ersten Krisenphase) dauert von Herbst 2022 bis Mitte März 2023. Sie umfasst die massiven Liquiditätsab flüsse bei der CS Anfang Oktober 2022, den Wechsel der Behörden in den Krisenmodus und die Akzentuierung der Krise bis Mitte März 2023.
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Die dritte Phase (Geschäftsführung in der akuten Krisenphase) deckt die Ereignisse im Zeitraum zwischen dem 15. und 19. März 2023 ab, in welchem die Fusion verhandelt und vorbereitet wurde.
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Die vierte Phase (Umsetzung der Notfusion) beinhaltet den Vollzug der Fusion nach dem 19. März 2023 bis zum Closing der Transaktion zwischen UBS und CS am 12. Juni 2023.
Im Fokus der Untersuchung der PUK standen die ersten drei Phasen, bis und mit Notfusion. Im Sinne der Vollständigkeit wurde die Phase vier ebenfalls untersucht und im Bericht dargestellt, jedoch nicht im gleichen Detailgrad. Die Empfehlungen und parlamentarischen Vorstösse der PUK leiten sich aus den Erkenntnissen der Untersuchung zu den ersten drei Phasen ab. Sie beziehen sich, sofern nicht anders ausgewiesen, auf die Regulierung und Überwachung systemrelevanter Banken.
2. Jahrelanges Missmanagement des CS-Verwaltungsrates und der CS -Geschäftsleitung als Ursprung der Krise
Die PUK hatte als Organ der parlamentarischen Oberaufsicht den Auftrag, die Geschäftsführung der Bundesbehörden zu untersuchen. Damit lag die Geschäftsführung der CS ausserhalb ihres Auftrags. Die Kommission bezog die Entwicklung der Bank jedoch in ihre Untersuchung ein, soweit dies zur Beurteilung der Geschäftsführung der Behörden nötig war. Die Kommission hält einleitend fest, dass der Beinahe-Kollaps der CS und die daraus resultierende Notfusion ihrer Ansicht nach auf die selbstverschuldete Krise der CS zurückzuführen ist. Diese wird nachfolgend summarisch beschrieben.
Nach der Finanzkrise 2007/08 verlief die Erholung des Finanzsektors ausgesprochen schleppend (siehe Kap. 5.1.1). Insbesondere war der europäische Bankensektor durch eine niedrigere Rentabilität gekennzeichnet, und die Zinserträge blieben aufgrund des Niedrigzinsumfelds bescheiden. Das schwierige Geschäftsumfeld führte zu sinkenden Aktienkursen und einer Verschlechterung der Kreditqualität. Zudem nahm die Unsicherheit über die künftige Entwicklung zu, dies aufgrund zahlreicher internationaler politischer Umwälzungen (bspw. der US-Wahlen 2016 oder des 2022 ausgebrochenen Kriegs in der Ukraine), der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen unerwartet hohen Inflation zwischen 2022 und 2023 (siehe Kap. 6.1.1).
Die CS war von der Finanzkrise weniger stark betroffen als andere Finanzinstitute wie etwa die UBS. Sie galt im Vergleich als solides Bankinstitut (siehe Kap. 5.1.2). Aufwendige Strategieanpassungen der Bank, um insbesondere die Risiken im Investmentbanking zu reduzieren, sowie gerichtlich verordnete Bussen führten jedoch zu hohen Kosten, die durch die Erträge, die in verschiedenen Sektoren niedriger als erwartet ausfielen, nicht gedeckt werden konnten. So musste die CS zwischen 2010 und 2022 rund 15 Milliarden Franken für Bussen, Vergleiche oder Schadenersatz bezahlen. Gleichzeitig blieben die variablen Vergütungen der CS stets zwischen 1 und 5 Milliarden Franken pro Jahr (siehe Kap. 5.1.2), insgesamt beliefen sie sich auf 39,8 Milliarden Franken. Im gleichen Zeitraum ergab die Summe der Jahresergebnisse einen Gesamtverlust von 33,7 Milliarden Franken. Der Aktienkurs fiel seit 2012 hinter den europäischen Bankenindex zurück, und das Eigenkapital wurde vom Markt laufend schlechter bewertet.
Negativschlagzeilen führten punktuell zu grosser öffentlicher Aufmerksamkeit, insbesondere im Zuge des Mosambik-Skandals im Jahr 2016 oder der Beschattungsaffäre im Jahr 2019. Die 2021 publik gewordenen Skandale um Greensill und Archegos erhöhten die Skepsis gegenüber der Widerstandsfähigkeit und Profitabilität der CS. Ihr Aktienkurs brach infolgedessen ein und erholte sich nicht mehr. Das Geschäftsjahr 2021 schloss die CS mit einem Verlust ab. In den ersten zwei Quartalen 2022 verzeichnete die CS aufgrund mangelnder Erträge in mehreren Bereichen und des Ausbruchs des Ukraine-Kriegs ebenfalls hohe Verluste. Daraufhin stuften im Mai 2022 erstmals mehrere Ratingagenturen die CS herab.
Nicht zuletzt aufgrund dieser negativen Entwicklungen kam es 2021 und 2022 zu mehreren personellen Wechseln im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung der CS. Im Sommer 2022 kündigte die CS eine weitere Strategieüberprüfung an. Das Resultat sollte Ende Oktober 2022 kommuniziert werden (siehe Kap. 6.1.2). Anfang Oktober 2022 löste der Tweet eines australischen Journalisten zu einem Kollaps einer G-SIB Spekulationen über die CS aus; die Folge waren riesige Kapitalabflüsse bei der CS. Die Präsentation der neuen Strategie Ende Monat wurde von den Märkten verhalten aufgenommen und konnte die Lage nicht nachhaltig beruhigen.
Anfangs März 2023 brach in den USA eine Regionalbankenkrise aus (siehe Kap. 7.1.1). Obwohl die CS keine Verbindungen zu den betroffenen Banken aufwies, stürzte ihr Aktienkurs wie auch derjenige anderer europäischer Banken zeitweise stark ab. Der Wert der CS-Aktie geriet weiter unter Druck, als der Präsident der Saudi National Bank am 15. März öffentlich kommunizierte, dass weitere Investitionen in die CS ausgeschlossen seien. Die Geldabflüsse nahmen erneut zu, sodass die CS in der Nacht auf den 16. März bei der SNB Liquiditätshilfe beantragen musste, um zahlungsfähig zu bleiben.
3. Too-big-to-fail-Gesetzgebung: Ausgangslage, Akteure und Weiterentwicklung
Ausgangslage
Die Too-big-to-fail-Gesetzgebung in der Schweiz (TBTF-Gesetzgebung) geht auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise und die in diesem Zusammenhang stehende staatliche Rettung der UBS im Jahr 2008 zurück. Mit der TBTF-Gesetzgebung sollte das Risiko der Insolvenz eines systemrelevanten Bankinstituts minimiert werden. Gleichzeitig sollte der Handlungsspielraum des Staates für den Fall, dass eine systemrelevante Bank in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, klar definiert werden.
Die Revision des Bankengesetzes (BankG) im Jahr 2012 markierte den Beginn der Entwicklung der TBTF-Regulierung in der Schweiz (siehe Kap. 4.2.2). Im revidierten BankG und in verschiedenen Verordnungen wie der Liquiditätsverordnung (LiqV), der Eigenmittelverordnung (ERV) oder der Bankenverordnung (BankV) wurden besondere Anforderungen an die systemrelevanten Banken bezüglich Eigenmittel, Liquidität, Risikoverteilung und Organisation festgelegt. Die nachfolgende Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung orientierte sich an internationalen Standards (siehe Kap. 4.1), insbesondere den sogenannten Basel-III-Standards des Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) und den Guiding Principles des Financial Stability Board (FSB).
Aufsicht über die Stabilität des schweizerischen Finanzmarkts - Akteure und Koordination
Die Wahrung der Finanzstabilität wird in der Schweiz in einem engen Zusammenspiel mehrerer Akteure wahrgenommen. Die FINMA ist gemäss Finanzmarktaufsichtsgesetz (FINMAG) und den Finanzmarktgesetzen für die mikroprudenzielle Aufsicht verantwortlich. Sie bewilligt die in der Schweiz tätigen Finanzinstitute, übernimmt deren laufende Überwachung, setzt das Finanzmarktaufsichtsrecht in sogenannten Enforcementverfahren durch und ist zuständig für die Abwicklung systemrelevanter Banken (siehe Kap. 3.2). Demgegenüber ist die SNB für die makroprudenzielle Überwachung verantwortlich. Sie trägt auf der Ebene des Gesamtsystems zur Finanzstabilität bei, indem sie Risiken für das gesamte Finanzsystem analysiert, die systemrelevanten Finanzmarktinfrastrukturen überwacht und die Rahmenbedingungen für den Schweizer Finanzplatz mitgestaltet (siehe Kap. 3.3).
Das EFD wird im Bereich der Finanzmarktpolitik durch zwei Stellen vertreten, das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) und die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV). Das SIF erarbeitet als hauptverantwortliche Stelle des EFD die Grundlagen der Finanzmarktpolitik und Finanzmarktregulierung und vertritt die Schweiz in verschiedenen Gremien wie dem FSB oder dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Die EFV ist im Rahmen des tripartiten Memorandum of Understanding (siehe unten) in die Behördenkoordination eingebunden, befasst sich jedoch darüber hinaus nicht explizit mit der Finanzmarktstabilität (siehe Kap. 3.1).
Im Bereich der Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung bestehen zwei Memoranda of Understanding zur Zusammenarbeit und Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren. Es ist dies erstens das tripartite Memorandum of Understanding zur Zusammenarbeit im Bereich Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung zwischen dem EFD, der FINMA und der SNB. Dieses regelt den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit insbesondere in Hinblick auf die Prävention und die Bewältigung von Krisen. Die Koordination erfolgt in zwei Gremien: Während im Ausschuss Finanzkrisen (AF) die operative Vorbereitung von Krisenmassnahmen - bspw. durch Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen und Lagebeurteilungen - erfolgt, übernimmt das Lenkungsgremium (LG) die strategische Koordination der Krisenorganisation und allfälliger Interventionen. Der Sitzungsrhythmus der beiden Gremien unterscheidet sich je nach Ausgangslage. Ausserhalb einer Krise tagt der AF zweimal jährlich und das LG nach Bedarf. In Krisenzeiten erhöhen sich die Sitzungsrhythmen entsprechend (siehe Kap. 3.6.1).
Zweitens regelt das bilaterale Memorandum of Understanding im Bereich Finanzstabilität die Zuständigkeiten zwischen der SNB und der FINMA im Rahmen der Finanzstabilität (siehe Kap. 3.6.2). Der Austausch zwischen den beiden Behörden erfolgt auf strategischer Ebene im Leitungsausschuss SNB-FINMA, der zweimal jährlich tagt, also nicht nur in Krisensituationen.
Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung
Bis ca. 2015 gehörte die Schweiz zu den Ländern mit der insgesamt am weitesten fortgeschrittenen (bzw. am frühesten umgesetzten) TBTF-Regulierung. Auch danach wurde die Schweizer TBTF-Gesetzgebung weiterentwickelt (siehe Kap. 5.2), z. B. mit dem Wechsel vom System mit Beteiligungsabzügen und Erleichterungen nach Artikel 125 ERV zur Risikogewichtung (2017/2019) oder mit der Einführung einer Finanzierungsquote (Net stable Funding Ratio, NSFR). Nach 2015 war aber ein etwas anderer Trend zu beobachten: Aus Rücksicht auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Grossbanken sollten die internationalen Standards nicht rascher als in anderen Finanzplätzen umgesetzt werden. In der Politik und als Folge davon auch in der Verwaltung machte sich vermehrt Widerstand gegen eine strengere Bankenregulierung bzw. gegen eine weitere Verschärfung des bestehenden TBTF-Regimes bemerkbar («pushback»). Der Bundesrat kam den Grossbanken bei der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung verschiedentlich entgegen, obwohl namentlich die FINMA und die SNB mit Blick auf die Finanzstabilität gegenteilige Positionen vertraten. Die Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz, die der Bundesrat in Umsetzung der Motion Landolt vom 4. Mai 2017 (17.3317 «Klare Verantwortlichkeiten zwischen Finanzmarktpolitik und Finanzmarktaufsicht») erliess, reihte sich ebenfalls in diese Entwicklungen ein.
Als sich im Herbst 2022 und dann im Frühjahr 2023 die CS-Krise akzentuierte, fehlten den Schweizer Behörden wichtige Instrumente, über die andere Rechtsordnungen bereits seit einigen Jahren verfügten. Grund dafür war die in Teilen mangelhafte Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung (siehe Kap. 9.1.1 und 9.1.2). Aus Sicht der Kommission fällt vor allem ins Gewicht, dass der Bundesrat bei der Einführung eines Public Liquidity Backstop (PLB) zu zögerlich war (siehe Kap. 9.1.1). Obwohl die wichtigsten Finanzplätze der Empfehlung des FSB von 2016 zur Einführung eines PLB rasch gefolgt waren und sowohl die FINMA wie die SNB die Einführung eines PLB spätestens ab 2018 forderten, verabschiedete der Bundesrat die Eckwerte einer PLB-Vorlage erst im Frühjahr 2022. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichtes war die Vorlage in den Räten hängig.
Die Kommission ist der Ansicht, dass aufgrund der Lehren aus der CS-Krise bei der zukünftigen Ausrichtung der TBTF-Regulierung gewisse grundlegende Anpassungen vorzunehmen sind. Insbesondere sind die internationalen Verflechtungen sowie die vergleichsweise bedeutende Grösse der verbleibenden Schweizer global systemrelevanten Bank (Global systemically important Bank, G-SIB) angemessen zu berücksichtigen. Zudem ist den Interessen der Finanzstabilität und der Gesamtwirtschaft mehr Gewicht beizumessen (siehe Kap. 9.1.2).
Monitoring der TBTF-Regulierung
In Erfüllung von Artikel 52 BankG berichtet der Bundesrat seit 2015 mittels Evaluationsberichten jährlich über die TBTF-Regulierung in der Schweiz (siehe Kap. 5.2). Aus Sicht der PUK waren diese Berichte bis und mit 2021 zu summarisch (siehe Kap. 9.1.1). Es fehlte konkret an einer strategischen Auseinandersetzung mit der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung und an einer Bezugnahme auf die Empfehlungen der vorangegangenen Berichte. Auch verzichtete der Bundesrat in diesen Jahren auf einen Aussenblick, was unter anderem zu einem lückenhaften Vergleich der Schweizer Regulierung mit den internationalen Standards führte. Diese Aspekte sollte der Bundesrat verbessern (siehe Kap. 9.1.2).
4. Aufsicht der FINMA in den Jahren vor der Krise
Für die CS als systemrelevante Bank galten besondere aufsichtsrechtliche Anforderungen. Diese betrafen insbesondere die Eigenmittel und die Liquidität, die Entwicklung von Notfall-, Stabilisierungs- und Abwicklungsplänen und das Risikomanagement sowie die Compliance der Bank.
Die FINMA thematisierte im Rahmen ihrer sogenannten Assessment-Briefe an die CS jedes Jahr die Strategie, die Organisation und die Führung der Bank, deren Risikomanagement, die Eigenmittel- und Liquiditätssituation sowie die Abwicklungsplanung (siehe Kap. 5.3.1). Sie informierte die CS über ihre aktuelle Einschätzung der Situation, die bestehenden Handlungsfelder, die Entwicklungen seit dem letzten Assessment-Brief und teilte ihr ihre Erwartungen unter Angabe einer Frist mit. Zusätzlich führte die FINMA bei der CS zahlreiche Vor-Ort-Kontrollen und Stresstests durch und setzte Prüfbeauftragte ein. Schliesslich übte die FINMA ihre Aufsicht über die CS zusammen mit ausländischen Aufsichtsbehörden in verschiedenen Gremien aus.
Im Rahmen ihrer laufenden Aufsicht thematisierte die FINMA gegenüber der CS verschiedene Themen wiederholt. Spätestens ab 2015 machte sie regelmässig geltend, die CS solle ihr proaktiv und in transparenter Weise wesentliche Entwicklungen mitteilen, die von aufsichtsrechtlicher Bedeutung sind. Dieser Aufforderung kam die CS jedoch nicht nach. Zudem hatte die Finanzmarktaufsicht Zweifel an der Nachhaltigkeit der Strategie der Bank und insbesondere an deren Vergütungspolitik. Auch wies sie die CS auf die mit den zahlreichen Wechseln auf Stufe der Geschäftsleitung verbundenen Risiken hin. Zu den identifizierten Risiken zählten unter anderem Lücken im Geldwäschereidispositiv und in der dezentralisierten Risikokontrolle. Zudem brachte die FINMA wiederholt ihre Besorgnis zum Ausdruck, dass die CS ihre Eigenmittel nicht aus den Erträgen der Geschäftstätigkeit, sondern aus Kapitalerhöhungen und Finanzierungen durch andere Gruppengesellschaften aufbaute. Diese Sorge nahm mit der Erhöhung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Tochtergesellschaften im Ausland zu. Die FINMA auferlegte der CS regelmässig zusätzliche Anforderungen und forderte beinahe jährlich Verbesserungen in der Berichterstattung zu ihrer Eigenmittel- und Liquiditätssituation (siehe Kap. 5.3.1). Nach Analyse der Kommission setzte die FINMA ihre Aufsichtsinstrumente, insbesondere die jährlichen Assessment-Briefe, Vor-Ort-Kontrollen wie auch verschiedene Stresstests, gegenüber der CS intensiv ein. Dennoch erzielte die CS kaum Fortschritte. Insgesamt stellen sich somit Fragen zur Wirksamkeit der Interventionen der FINMA (siehe Kap. 11.1.1).
Die Kommission stellt weiter fest, dass die FINMA ihre Erwartungen gegenüber der CS regelmässig schriftlich kommunizierte, namentlich in Form von Assessment-Briefen. Sie musste gewisse Forderungen jahrelang wiederholen. Dabei griff sie jedoch nach Einschätzung der Kommission selten auf formelle Verfügungen zurück. Zum Zweck der besseren Durchsetzbarkeit, aber auch des Rechtsschutzes der beaufsichtigten G-SIB scheint es der PUK angemessen, dass die FINMA die von ihr geforderten Massnahmen in Form von formellen Verfügungen ausspricht.
Regulatorischer Filter
Im Rahmen ihrer mikroprudenziellen Aufsichtsaufgaben erliess die FINMA 2013 eine Verfügung, um die Eigenmittelanforderungen des Stammhauses der CS (Credit Suisse AG; auch Parent Bank genannt) zu regeln. Die Regelung wurde mit einer zweiten Verfügung im Jahr 2017 angepasst. Darin verfügte die FINMA die gestaffelte Risikogewichtung der Beteiligungen des Stammhauses, obschon die einschlägige Verordnung damals den vollständigen Abzug der Beteiligungen vorsah (sogenannter Regimewechsel). Grund für diesen Regimewechsel war, dass das damals geltende Recht mit dem Abzug der Beteiligungen unter gewissen Voraussetzungen zwingende Erleichterungen vorsah. Mehrere Akteure sahen Handlungsbedarf: Die FINMA führte gegenüber der PUK aus, dass diese zwingenden Erleichterungen intransparent und inakzeptabel gewesen seien (siehe Kap. 5.3.3).
Zudem gewährte die FINMA mit der gleichen Verfügung von 2017 einen regulatorischen Filter. Die Umstände für dessen Gewährung konnte die PUK nicht umfassend klären. Gemäss FINMA war die Gewährung eines regulatorischen Filters die Bedingung der CS dafür, dass sie dem oben ausgeführten Regimewechsel zustimmte und somit auch die Bedingung dafür, dass der Bundesrat mit der Abschaffung von Artikel 125 ERV einverstanden war. Die PUK konnte hierfür allerdings keine Belege ermitteln (Kap. 5.3.2). Die SNB, die damals von der FINMA konsultiert wurde, sah den Filter kritisch.
Der regulatorische Filter ermöglichte es, die damals bevorstehende Änderung der Rechnungslegungsvorschriften in Bezug auf die Beteiligungen im Obligationenrecht zu neutralisieren. Der regulatorische Filter wurde damit faktisch Teil der ausgewiesenen regulatorischen Eigenmittel. Seine Gewährung wurde von der FINMA an die Bedingung geknüpft, dass die CS den Filter quartalsweise offenlegte und eine Drittpartei die relevanten Bewertungen der Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften regelmässig überprüfte. Der Filter wirkte sich auf die regulatorischen Eigenmittel und die Eigenkapitalquote (Verhältnis des harten Kernkapitals zu den risikogewichteten Aktiven) der CS AG aus und griff nicht in die Rechnungslegung ein (siehe Kap. 5.3.3).
Der Effekt des Filters wurde bei seiner Konzeption im Jahre 2017 von der FINMA auf ca. 8 Milliarden Franken geschätzt. Bereits bei der erstmaligen Anwendung per Ende 2019 wies die CS den Effekt des Filters mit 15,3 Milliarden Franken aus, also beinahe doppelt so hoch wie ursprünglich eingeschätzt. Der regulatorische Filter blieb in der Periode 2019 bis 2022 betragsmässig etwa gleich. Die ausgewiesenen Eigenmittel der CS AG hingegen gingen, ohne Filter gerechnet, aufgrund des schlechten Geschäftsgangs ab dem dritten Quartal 2021 deutlich zurück. Ohne Anwendung des Filters wäre die Eigenmittelquote von 10 % Ende 2019 auf 5 % im dritten Quartal 2022 und damit deutlich unter das regulatorische Minimum gefallen. Der Filter erlaubte es der CS AG, den Anschein genügender Kapitalisierung bis zum Schluss aufrechtzuerhalten. Aufgrund des Filters erübrigte sich für die FINMA die Anordnung früherer oder grösserer Kapitalerhöhungen (siehe Kap. 5.3.3). Die Prüfgesellschaft, die die FINMA mit der Plausibilisierung der Marktwertberechnungen der Beteiligungen des Stammhauses beauftragte, identifizierte Ende 2019 und Mitte 2021 eine substanzielle Überschätzung der Marktwerte (Fair Value) durch die CS AG. Die FINMA limitierte jeweils den entsprechenden Betrag, den die Bank zum Filter zurechnen durfte, was im Endeffekt aber den Filter nur indirekt beeinflusste (siehe Kap. 5.3.3).
Die Auswirkungen des regulatorischen Filters auf die aufsichtsrechtliche Eigenmittelsituation der CS AG waren nach Ansicht der Kommission beträchtlich (siehe Kap. 11.1.1.3). Zwar stellte Artikel 4 BankG eine genügende Rechtsgrundlage dar. Das Vorgehen der FINMA war damit rechtmässig. Die Kommission erkennt in der Verfügung gleichwohl eine extensive Auslegung der Rechtsgrundlagen und erachtet den Entscheid als unzweckmässig.
Weiter ist für die Kommission fraglich, inwiefern die Einführung des regulatorischen Filters dazu beigetragen haben soll, das von der FINMA verfolgte Ziel der erhöhten Transparenz (durch Veröffentlichung aussagekräftiger Zahlen zu den ausgewiesenen Eigenmitteln) zu erreichen. Das Stammhaus der CS wies den Betrag des Filters auf eine für Aussenstehende kaum erkennbare Weise aus. Weiter kann die Kommission nicht nachvollziehen, dass die FINMA die von ihr initiierte Abschaffung von zwingenden Erleichterungen (Art. 125 ERV) zeitgleich durch den regulatorischen Filter wiedereingeführt hat.
Die Kommission stellt fest, dass sich der regulatorische Filter zwar nicht auf die ökonomische Substanz der Beteiligungen des Stammhauses auswirkte. Dessen ungeachtet wurde die weitere Entwicklung der CS durch die Gewährung des regulatorischen Filters wesentlich beeinflusst. Der regulatorische Filter überdeckte die reale Lage der CS AG. Somit war die CS nicht gezwungen, ihre Kapitalsituation zu stärken, als dies unter Umständen noch einfacher möglich gewesen wäre. Wäre die Eigenmittelquote der CS AG ohne Filter publik gewesen, hätten Kapitalmärkte, Analystinnen und Analysten oder Medien eine transparentere Informationsbasis für ihre Entscheidungen gehabt. Ferner gelangte die Kommission gestützt auf einen Expertenbericht zur Ansicht, dass die FINMA den regulatorischen Filter in mehrfacher Hinsicht falsch konzipiert und dessen Auswirkung nicht korrekt eingeschätzt hatte. Aus Sicht der Kommission ist die Wirkung des regulatorischen Filters nicht nur vor, sondern auch während der Krise kritisch zu würdigen, und solche Erleichterungen sind zu überdenken. Die Kommission reicht aus diesem Grund eine entsprechende Motion ein (siehe Kap. 11.1.1).
Enforcementverfahren
Neben der laufenden Aufsicht über die CS musste die FINMA Verstösse gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen im Rahmen sogenannter Enforcementverfahren ahnden und den ordnungsgemässen Zustand wiederherstellen (siehe Kap. 5.3.2). Die FINMA führte zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 31. Dezember 2022 in 42 Fällen Vorabklärungen aufgrund mutmasslicher Aufsichtsrechtsverletzungen durch die CS durch. In elf Fällen mündeten die Vorabklärungen in die Eröffnung eines Enforcementverfahrens zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands. Im selben Zeitraum wurden acht Enforcementverfahren gegen Geschäftsleitungsmitglieder der CS geführt. Drei davon wurden beendet, als die betreffenden Personen Verzichtserklärungen unterschrieben. Fünf Fälle sind noch nicht abgeschlossen.
Die PUK ist der Ansicht, dass die FINMA in ihren Enforcementfällen rechtmässig und dabei meistens zweckmässig wie auch wirksam gehandelt hat. Die PUK bedauert aber, dass es der FINMA trotz der zahlreichen Enforcementverfahren nicht gelungen ist, eine aufsichtsrechtskonforme Geschäftspraxis der CS durchzusetzen. Zudem ist es für die Kommission nicht nachvollziehbar, dass trotz der zahlreichen Verfehlungen der Bank keine kausale Verantwortung für die betreffenden Verfehlungen etabliert werden konnte. Zur Verbesserung der Wirksamkeit der Enforcementverfahren hat die PUK eine Empfehlung formuliert (Kap. 11.1.1).
5. Makroprudenzielle Aufgaben der SNB in den Jahren vor der Krise
Die SNB trägt durch die Wahrnehmung verschiedener makroprudenzieller Aufgaben (siehe Kap. 3.3 und 5.5) gemeinsam mit der FINMA zur Stabilität des Finanzsystems bei. Dies tut sie insbesondere durch die Definition der systemrelevanten Finanzgruppen, das kontinuierliche Monitoring im Rahmen des jährlichen Berichtes zur Finanzstabilität, die Gewährung von ausserordentlicher Liquiditätshilfe als Lender of last Resort sowie andere konjunkturbedingte Massnahmen (z. B. antizyklischer Kapitalpuffer, Covid-19-Refinanzierungsfazilitäten).
Die PUK stellt fest, dass sich die SNB im Untersuchungszeitraum im Rahmen ihrer Finanzstabilitätsberichte regelmässig zur Umsetzung der TBTF-Regulierung und zur Lage der Grossbanken geäussert hat. Die SNB stufte die beiden Grossbanken bis 2021 vergleichbar ein. Ab dem Finanzstabilitätsbericht 2022 nahm sie eine Differenzierung hinsichtlich der CS vor und erörterte deren heikle Situation mit der FINMA. Allerdings wurden zu jenem Zeitpunkt keine konkreten Massnahmen ergriffen. Vor allem erfolgte keine Information des Ausschusses Finanzkrisen oder des Lenkungsgremiums (siehe Kap. 11.3.1).
Ein besonderes Augenmerk kam der Frage zu, wie die SNB ihre Rolle als Lender of last Resort ausgeübt hat. Die PUK begrüsst die Anstrengungen der SNB, einer Bank Liquiditätshilfe zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören z. B. die ausserordentliche Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance, ELA), ein Memorandum of Understanding zwischen einer Bank und der SNB oder eine jährliche Überprüfung der Liquiditätshilfe und der angenommenen Sicherheiten. Die SNB verfügt über einen grossen Spielraum, was die Anerkennung von Sicherheiten der um Liquidität anfragenden Bankinstitute anbelangt. Im Untersuchungszeitraum hat die SNB die akzeptierten Sicherheiten laufend überprüft und erweitert (siehe Kap. 5.5.3). Jedoch wäre es an den Banken gewesen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, um die erweiterte Palette an Sicherheiten bei Bedarf nutzen zu können.
Die SNB stellte der CS im März 2023 mehr als 88 Milliarden Franken an Liquiditätshilfe zur Verfügung (als ELA oder ELA+). Dies hat aber nicht gereicht. Die CS hätte die Möglichkeit gehabt, entsprechende Vorbereitungen für den Bezug eines grösseren ELA-Betrags zu treffen, was sie aber gemäss Kenntnisstand der PUK nicht getan hat. Die SNB verfügte jedoch nicht über die Kompetenz, den systemrelevanten Banken vor der Inanspruchnahme von ELA vorbereitende Massnahmen vorzuschreiben. Zudem verzichtete die CS zwischen Oktober und Dezember 2022 dreimal darauf, ELA zu beziehen, dies auch aufgrund einer allfälligen stigmatisierenden Wirkung, da der Bezug von ELA auszuweisen gewesen wäre. Für die PUK bleibt die Frage offen, ob die Praxis der SNB in Bezug auf die Vergabe und die anrechenbaren Sicherheiten zu restriktiv ist. Die Kommission erkennt sowohl hinsichtlich der fehlenden Kompetenz der SNB zur Auferlegung vorbereitender Massnahmen wie auch der stigmatisierenden Wirkung von ELA Handlungsbedarf und reicht eine Motion dazu ein (siehe Kap. 11.3.2).
6. Revisionsaufsicht der RAB/FINMA zwischen 2015 und 2023
Das duale Aufsichtssystem im Schweizer Bankensektor zeichnet sich dadurch aus, dass die Banken ihre Revisionsgesellschaften selbst auswählen und entlohnen. Die aktuelle Aufgabenteilung im Bereich der Aufsicht über die Revisionsgesellschaften stammt aus dem Jahre 2015, also dem Beginn des Untersuchungszeitraums der PUK. Seither ist die Eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) alleine für die Zulassung von Prüfgesellschaften zuständig. Sie legt auch die Qualitätsstandards in diesem Bereich fest. Die FINMA wiederum ist alleine für die Inhalte und Grundsätze der Aufsichtsprüfung verantwortlich.
Aufsichtstätigkeit der RAB
Zwischen 2015 und 2022 führte die RAB jährliche Prüfungen der Revisionsgesellschaften durch. Dabei wechselte sie zwischen den sogenannten Regulatory Audits (RA) und den Financial Audits (FA) ab. Die Frequenz und Art der Prüfungen wurden intern festgelegt. Die RAB identifizierte Mängel bei den Prüfungen der CS, die von KPMG und PwC durchgeführt wurden, und ergriff Korrekturmassnahmen, hauptsächlich Schulungen. Die Prüfungen von KPMG wiesen in den Jahren 2015, 2018 und 2019 Mängel auf, während bei PwC im Jahr 2022 Probleme auftraten.
Die PUK hält fest, dass die Aufsicht insgesamt zweckmässig erfolgte. Der gewählte alternierende Ansatz gewährleistete ein angemessenes Risikomanagement, jedoch wurden die Entscheide über den Umfang der Prüfungen unvollständig dokumentiert. Dadurch kann die Transparenz und Stringenz der durchgeführten Prüfungen beeinträchtigt werden. Dies erweist sich in Fällen, in denen ein wichtiges Prüfmandat, wie dasjenige der CS, geprüft wurde, als besonders schwerwiegend. Zudem wurde bei der CS in entscheidenden Momenten - wie etwa beim Wechsel der Revisionsgesellschaft im Jahr 2021 - eine umfassende Inspektion nicht für notwendig erachtet.
Eine wirksame Aufsicht über die Revisionsgesellschaften erfordert nicht nur eine angemessene Frequenz der Inspektionen, sondern auch die Flexibilität, die Inspektionen zu intensivieren, wenn die Umstände dies nahelegen. Für die PUK ist nicht nachvollziehbar, dass die RAB auch in den letzten Jahren vor der Notfusion zwischen der CS und der UBS im Normalmodus verblieb und die erste Ad-hoc-Prüfung erst nach der Notfusion ab Sommer 2023 durchgeführt hat. Dass diese Prüfung erst im Oktober 2024 abgeschlossen wurde, ist für die Kommission ebenfalls wenig verständlich (siehe Kap. 11.2.1).
Zudem stützte sich die RAB bei ihrer Prüftätigkeit auf die Dokumentation der Revisionsgesellschaften, ohne die Unterlagen der CS direkt zu überprüfen. Diese Methode entspricht zwar den geltenden Standards, kann jedoch die Aussagekraft der Prüfung schwächen, weshalb unter Umständen eine Neuevaluierung dieses Prozesses erforderlich ist. Ferner hat die RAB nur stichprobenweise überprüft, ob die von ihr auferlegten Massnahmen umgesetzt wurden. Dadurch lassen sich potenzielle schwerwiegende Mängel nicht immer aufdecken, was die Wirksamkeit der Korrekturmassnahmen verringern und der Qualität der von den Revisionsgesellschaften durchgeführten Revisionen abträglich sein könnte. Es wäre notwendig, die Transparenz und systematische Dokumentation der Entscheidungsprozesse der RAB zum Umfang der Inspektionen zu stärken, insbesondere bei risikobehafteten Institutionen. Zudem würden eine strengere und systematischere Überprüfung der Korrekturmassnahmen in kritischen Fällen sowie ein flexiblerer und besser koordinierter Inspektionsansatz in Krisensituationen die Wirksamkeit der Aufsicht verbessern. Die PUK hat entsprechende Empfehlungen formuliert (siehe Kap. 11.2).
Rolle der FINMA in der Revisionsaufsicht
Die FINMA entwickelt ihre Prüfstrategie gegenüber den Bankinstituten insbesondere bei grossen Banken wie der CS in Zusammenarbeit mit den Revisionsgesellschaften. Zwischen 2015 und 2022 wurden hohe Risiken für die CS identifiziert, insbesondere in Bezug auf Eigenkapital, Liquidität und die Einhaltung der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäscherei. Die FINMA intensivierte ihre Kontrollen und setzte externe Prüfer für spezifische Prüfungen ein. Als Reaktion auf diese Risiken wurden auch zusätzliche Massnahmen wie Vor-Ort-Kontrollen ergriffen. Aufgrund dieser Massnahmen konnten die wesentlichen Risikobereiche abgedeckt werden (siehe Kap. 5.4.2).
Zusammenarbeit zwischen der RAB und der FINMA
Die Zusammenarbeit zwischen der RAB und der FINMA wird durch Artikel 22 des Revisionsaufsichtsgesetzes (RAG) und Artikel 28 FINMAG geregelt. Beide Behörden müssen die erforderlichen Informationen austauschen und ihre Tätigkeiten koordinieren, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden.
Im Untersuchungszeitraum tauschten sich die RAB und die FINMA verschiedentlich auf strategischer Ebene aus, beispielsweise im Rahmen von Ämterkonsultationen. Jedoch fanden auf strategischer Ebene keine gesonderten Informationsaustausche zur CS statt, obwohl beiden Akteuren bewusst sein musste, dass sich die Krise der Bank akzentuierte. Die Interaktionen der RAB und der FINMA auf der operativen Ebene unterschieden sich in den einzelnen Bereichen und liessen sich ab 2017 nicht durchgehend nachvollziehen. Ein enger Austausch wäre für die Gewährleistung einer koordinierten und wirksamen Aufsicht zentral gewesen. Im Rahmen der PUK-Untersuchung hat sich gezeigt, dass die FINMA und die RAB in gewissen Bereichen die jeweils andere Behörde in der Verantwortung sahen. Eine klarere Festlegung der Zuständigkeiten und eine stärker formalisierte Zusammenarbeit könnten dazu beitragen, Doppelspurigkeiten oder Lücken in der Aufsicht zu vermeiden und die Effizienz des Aufsichtssystems zu erhöhen (siehe Kap. 11.2.2).
Angesichts der bisherigen Erfahrungen und der Herausforderungen im Bereich der Revisionsaufsicht stellt sich für die PUK darüber hinaus die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, die Aufsicht über die systemrelevanten Banken bei einem einzigen Organ, sprich bei der FINMA, anzusiedeln (siehe Kap. 14.1.2).
7. Aufsicht des Bundes über FINMA, RAB und SNB
Die FINMA, die RAB und die SNB verfügen als verselbstständigte Einheiten über eine gewisse Unabhängigkeit vom Bund. Dennoch unterstehen diese drei Institutionen in unterschiedlichem Masse der Aufsicht durch den Bundesrat und die Bundesverwaltung. Wahrgenommen wird die Aufsicht insbesondere durch das EFD und das EJPD. Im Rahmen der Kontakte zwischen dem Bundesrat und den genannten drei Institutionen wurde die Situation der CS sowohl vor wie auch während der Krise nur bedingt thematisiert.
FINMA
Die FINMA ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit, die sich selbst organisiert und ihre Aufsichtstätigkeit selbstständig und unabhängig ausführt. Das EFD übt im Auftrag des Bundesrates die Eignerrechte aus. Zwischen dem EFD und der FINMA existieren diverse Dialoggefässe, die dem Informationsaustausch und der Wahrnehmung gewisser Aufsichtsaufgaben durch das EFD dienen. Es sind dies zum einen die Eignergespräche, die Standard für alle verselbstständigten Einheiten sind. Zum andern entwickelten sich in den letzten Jahren insbesondere im Kontext der Umsetzung der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz wichtige Austauschgremien. Infolgedessen wurde die Kompetenzverteilung zwischen EFD und FINMA im Regulierungsbereich präzisiert, und zwischen SIF und FINMA wurden ab 2020 verschiedene neue Prozesse der Zusammenarbeit und des Austausches festgelegt.
Die CS wurde bis Ende 2022 weder in den Eignergesprächen zwischen dem Vorsteher des EFD und dem Verwaltungsratspräsidenten respektive der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA noch in den neuen Dialoggefässen zwischen FINMA und SIF erwähnt. Die konkreten Liquiditätsprobleme der CS wurden vielmehr in den trilateralen Gremien AF und LG behandelt (siehe Kap. 5.6.2), was die PUK als zweckmässig erachtet.
Im Untersuchungszeitraum der PUK waren ein erhöhter politischer Druck auf die FINMA und eine Verschlechterung der Beziehung zwischen dem damaligen EFD-Vorsteher und dem damaligen FINMA-Verwaltungsratspräsidenten festzustellen. Infolgedessen trat der Verwaltungsratspräsident der FINMA inmitten seiner zweiten Amtszeit per Ende 2020 zurück. Darauf wurde die aktuell amtierende Verwaltungsratspräsidentin auf Antrag des damaligen EFD-Vorstehers vom Bundesrat gewählt (siehe Kap. 5.6.2). Die PUK stellt fest, dass die Zusammenarbeit zwischen den Spitzen der FINMA und des EFD in der Vergangenheit nicht reibungslos verlief und auch der Wechsel im FINMA-Verwaltungsratspräsidium nicht nach klar formalisierten Vorgaben erfolgte.
RAB
Die RAB wird als öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit durch das EJPD administrativ beaufsichtigt. Dieses führt jährlich ein bis zwei Eignergespräche sowie periodisch sogenannte Direktionsgespräche mit der RAB durch. In diesen Gesprächen wurden verschiedentlich das Risiko- und das Compliance-Management thematisiert. Da diese Themen jedoch nicht auf Stufe einzelner Revisionsunternehmen und Prüfgesellschaften erörtert wurden, beschränkte sich die Information der RAB auf die Mitteilung, dass die RAB das Revisionsmandat der CS seit 2012 jährlich prüfte (siehe Kap. 5.6.3). Die PUK hält fest, dass das EJPD die administrative Aufsicht über die RAB nur minimal ausübt und eine intensivere Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion anzustreben ist.
Austauschgefässe mit der SNB
Die Unabhängigkeit der SNB im Bereich der Geld- und Währungspolitik ist in der Bundesverfassung verankert. Der Bundesrat hat primär Ernennungs- und Genehmigungsbefugnisse. Die SNB-Präsidentin oder der SNB-Präsident trifft sich mindestens einmal jährlich mit dem Gesamtbundesrat, um die Wirtschaftslage, die Geld- und Währungspolitik und aktuelle Fragen zur Wirtschaftspolitik der Schweiz zu erörtern. Die CS-Krise wurde anlässlich des Treffens im November 2022 thematisiert (siehe unten).
Zwischen dem EFD und der SNB bestehen nebst dem AF und dem LG, den Organen des trilateralen Memorandum of Understanding, keine direkten Austauschgefässe. Die PUK sieht einen Bedarf, den Austausch zu stärken. Analog zum Memorandum of Understanding zwischen der FINMA und der SNB im Bereich der Finanzstabilität sollten das EFD und die SNB sich gegenseitig proaktiver über relevante Entwicklungen bei systemrelevanten Banken und deren Auswirkungen auf die Finanzstabilität informieren (siehe Kap. 12.3).
8. Risikomanagement und Krisenfrüherkennung der Bundesbehörden zwischen 2015 und 2022
Risikomanagement
Die Bundesverwaltung führt seit gut zwanzig Jahren ein eigenes Risikomanagement (siehe Kap. 5.7.1). Das Risiko der Insolvenz von systemrelevanten Finanzinstituten wurde nach der Finanzkrise im Jahr 2008 ins Risikomanagement aufgenommen und stellt seither ein Bundesratsrisiko dar. Die Einstufung des Risikos änderte während des Untersuchungszeitraums zweimal: In der Risikoberichterstattung zum Jahr 2017 wurde das Risiko von «möglich» (alle 3 bis 10 Jahre) auf «selten» (alle 10 bis 50 Jahre) zurückgestuft. Mit der Risikoberichterstattung zum Jahr 2022 erhöhte das SIF im Februar 2023 die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos wiederum auf die Stufe «möglich». Dabei ist festzustellen, dass das genannte Risiko ausserhalb des zuständigen Departementes kaum erörtert wurde: In der Zeitspanne zwischen 2014 und 2023 befasste sich die Generalsekretärenkonferenz nur einmal explizit mit dem Risiko (siehe Kap. 5.7.1).
Im Zusammenhang mit dem Risiko der Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts ist es die Aufgabe des SIF, die Stabilität des schweizerischen Finanzsektors zu fördern und im Risikoreporting Massnahmen auszuweisen, die ergriffen wurden, um die Realisierung des Risikos zu vermeiden. Die zwischen 2015 und 2022 aufgeführten Massnahmen standen alle im Zusammenhang mit der TBTF-Regulierung. Aus Sicht der Kommission war die Bewirtschaftung des Risikos insgesamt angemessen. Die Führung des Risikos als Bundesratsrisiko erachtet die PUK als richtig und zwingend notwendig. Die Rückstufung des Risikos von «möglich» auf «selten» im Risikoreporting 2017 erwies sich im Nachhinein als zu optimistisch. Allerdings kann im aktuellen Risikoreporting ein sich realisierendes Risiko nicht angemessen abgebildet werden. Daher fordert die PUK, dass die Transition vom Risikomanagement hin zum Beginn der Krisenbewältigung sichergestellt wird. Dazu ist ein institutionalisiertes Gefäss zu schaffen. Das Risikomanagement muss zwingend besser in die Gesamtkonzeption der Krisenbewältigung eingebettet werden. Die PUK hat eine entsprechende Empfehlung formuliert (siehe Kap. 10.1).
Krisenfrüherkennung
Mit dem Risikomanagement thematisch eng verbunden ist die Krisenfrüherkennung auf Stufe Bundesrat, welche bei der Bundeskanzlei (BK) angesiedelt ist. Sie weist einen Betrachtungshorizont von einem bis anderthalb Jahren auf. Die Aufgabe der Krisenfrüherkennung ist es, Risiken zu identifizieren, zu analysieren und zu überwachen, die potenziell eine bundesratsrelevante Krise herbeiführen könnten (siehe Kap. 5.7.2.).
Da das Risiko «Insolvenz von systemrelevanten Finanzinstituten» seit Beginn des Risikomanagements erfasst war, kam der Krisenfrüherkennung im vorliegenden Fall keine spezifische Bedeutung zu. Die PUK stellt daher fest, dass eine eigentliche Krisenfrüherkennung, die der Bezeichnung gerecht werden würde, nicht besteht. Aus Sicht der PUK kann das Instrument der Krisenfrüherkennung nur dann angemessen und zweckmässig eingesetzt werden, wenn Krisen so früh als möglich erkannt werden können und daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden - ungeachtet dessen, ob das Risikoreporting ein entsprechendes Risiko ausweist oder nicht. Die PUK reicht hierzu ein Postulat ein (siehe Kap. 10.2).
9. Krisenmanagement ab Sommer 2022
Ab Sommer 2022 spitzte sich die Situation bei der CS zunehmend zu. Dabei können drei Abschnitte unterschieden werden: 1. die Frühphase zwischen Sommer und September 2022 (erste Anzeichen einer Krise), 2. die Zeitspanne von Oktober bis Dezember 2022 (Liquiditätsabflüsse im Oktober, intensivierte Krisenvorbereitung) und 3. die Zeitspanne von Januar bis Anfang März 2023 (fortgesetzte Vorbereitung auf eine allfällige Akutkrise unter neuer Departementsleitung).
Im Rahmen ihrer laufenden Aufsicht war die FINMA jeweils die erste Behörde, die über die sich verändernde Situation der CS informiert war. Es war auch an der FINMA, im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe entsprechende Massnahmen zu treffen. Somit bildet der Beschrieb ihrer Aufsichtstätigkeit einen geeigneten Ausgangspunkt für die nachfolgende Darstellung des eigentlichen Krisenmanagements durch Bundesrat, EFD sowie die Koordinationsorgane LG und AF.
Krisenorganisation der Behörden in der Frühphase der Krise zwischen Sommer und September 2022
Die FINMA intensivierte ihre Aufsicht ab Sommer 2022. Sie startete ein Projekt zur Begleitung des Strategiewechsels der CS und erhöhte ab Mitte Juli den Druck auf die CS, die Contingency-Massnahmen aufgrund der strukturellen Verlustsituation zu verbessern. Ab August traf sie sich zu wöchentlichen Status-Updates mit dem CEO und dem Verwaltungsratspräsidenten der Bank zu parallel umgesetzten Massnahmenpaketen. Auch der FINMA-Verwaltungsrat beschäftigte sich in dieser Phase in jeder Sitzung als Fokusthema mit der CS (siehe Kap. 6.2.1). Ab September fanden wöchentliche High-Level-Meetings mit der Führungsebene der CS statt, um strategische und operative Entwicklungen zu besprechen.
Wichtiger Bestandteil der Tätigkeit der FINMA war auch ihre Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden: Im Rahmen des Core College und der Crisis Management Group fand eine enge Kooperation zwischen der FINMA und den US-amerikanischen sowie den britischen Behörden zum Monitoring der Liquiditätssituation der CS und zur Vorbereitung einer Resolution statt (siehe Kap. 6.3.1).
Massnahmen der SNB in der Frühphase der Krise
Die SNB als Hüterin der Finanzmarktstabilität traf ab Herbst 2022 ebenfalls spezifische Massnahmen in Zusammenhang mit der CS und im Bereich der Liquiditätshilfen. So verstärkte die SNB insbesondere die Vorbereitungen für eine ELA, indem sie von der CS verlangte, weitere Aktiven zu ermitteln, die der SNB im Falle der Inanspruchnahme einer ELA als Sicherheiten dienen könnten. Die von der CS vorgeschlagenen Kredite erfüllten die von der SNB geforderten Kriterien jedoch nicht. Die SNB führte zudem ab Juni 2022 ein tägliches Liquiditätsmonitoring mit der CS ein (siehe Kap. 6.2.2).
Beginn der Krisenbewältigung durch den Ausschuss Finanzkrisen und das Lenkungsgremium ab August 2022
Im Zuge der sich anbahnenden Krise stieg der Bedarf an Koordination zwischen den verschiedenen Behörden (siehe zu AF und LG Ziff. 3). So fand am 3. August 2022 eine erste Ad-hoc-Sitzung des AF statt, an der alle AF-Mitglieder zum ersten Mal in diesem Rahmen über die besorgniserregenden Entwicklungen bei der CS informiert wurden. Die Mitglieder des LG wurden knapp drei Wochen später, am 23. August 2022, über die Entwicklungen orientiert, wobei ihnen mitgeteilt wurde, dass gemäss Einschätzung des AF nach wie vor die «Phase Grün» gelte. Ab diesem Zeitpunkt wurden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der CS Hauptthema des AF. Mitte September zogen die Behörden zum ersten Mal eine vorgezogene Einführung eines PLB als mögliche Massnahme zur Krisenbewältigung in Erwägung (siehe Kap. 6.2.3).
Erste Orientierung des Bundesrates
Im August 2022 wurde der Gesamtbundesrat ein erstes Mal summarisch über den kritischen Zustand der CS informiert.
Zusammenarbeit der Fachbehörden im Krisenmanagement und Einbezug des Bundesrates ab den massiven Liquiditätsabzügen von Oktober bis Ende Dezember 2022
Im Nachgang an den eingangs erwähnten Tweet fiel der Aktienkurs der CS am 3. Oktober 2022 um 11 %. Kurz darauf zogen Kundinnen und Kunden Einlagen im Wert von über 100 Milliarden Franken ab, was den Beginn der massiven Liquiditätsabflüsse markierte.
Ab Mitte Oktober begann die FINMA mit der Ausarbeitung der Sanierungsverfügung und des Sanierungsplans der CS. Ende Oktober gewährte die FINMA der CS die Nutzung gewisser Liquiditätspuffer. Im Oktober 2022 fand auch eine Diskussion mit der SNB über die Engpassfinanzierungs-Fazilität (EFF) statt, die der CS erlaubt hätte, bis zu 10 Milliarden Franken Liquidität zu generieren. Die CS zog ihren Antrag Ende Oktober jedoch aus eigenem Antrieb wieder zurück (siehe Kap. 6.3.2).
Die FINMA führte im November 2022 die Vorbereitungsarbeiten für eine potenzielle Sanierung weiter. Da die CS im November der Gefahr weiterer Liquiditätsabflüsse ausgesetzt war, beschloss die FINMA, die ohnehin vorgesehene Valuation-in-Resolution-Übung der CS mit Echtzeitdaten durchzuführen, um den Ernstfall zu testen. Diese Übung wurde Anfang November unter Beteiligung der CS sowie der US-amerikanischen und der britischen Behörden durchgeführt und verlief erfolgreich (siehe Kap. 6.3.4).
Die PUK bewertet die Durchführung der Übung positiv, da diese für die Vorbereitung des Sanierungsszenarios wichtig war und dazu beitrug, dass die Sanierung während der Akutkrise im März 2023 als realistische Alternativoption zur Verfügung stand. Für die PUK ist jedoch nicht nachvollziehbar, weshalb die Ergebnisse der Übung in der Folge nur im AF, nicht aber im LG diskutiert wurden.
Intensiviertes Krisenmanagement der Behörden ab Oktober 2022
Angesichts der anhaltenden Verschlechterung der Lage der CS wechselte der AF am 5. Oktober 2022 in den Krisenmodus, in die «Phase Rot». Zur engeren Verfolgung der Situation und zwecks Erarbeitung von Lösungen wurde der Sitzungsrhythmus deutlich intensiviert. Der AF tagte fortan mehrmals pro Monat, teilweise auch mehrmals pro Woche, und das LG führte ebenfalls Sitzungen in engeren Abständen durch (siehe Kap. 6.3.3, 6.3.4, 6.3.5, 6.4.2, 6.4.3).
Die PUK begrüsst die intensivierte Sitzungsabfolge und die vertieften Diskussionen im LG und im AF. Sie anerkennt die Schlüsselrolle dieser Gremien in der Krise und sieht die breite Vertretung aus den verschiedenen Behörden als Vorteil. Dank diesem Sitzungsrhythmus war der Informationsfluss insgesamt gut.
Erste eingehendere Beratungen im Bundesrat zur CS-Krise und zu möglichen Massnahmen
Infolge der Liquiditätsabflüsse orientierte der EFD-Vorsteher den Bundesrat am 26. Oktober 2022 ein zweites Mal summarisch über die Liquiditätsprobleme der CS. Am 2. November wurde der Bundesrat zum ersten Mal umfassender über die dramatischen Abflüsse bei der CS in Kenntnis gesetzt, als der EFD-Vorsteher das Gremium anlässlich des jährlich stattfindenden Austauschs mit dem SNB-Präsidenten gemeinsam mit diesem über die Situation der CS unterrichtete. Grund für die Information waren die sich abzeichnende erneute Verschlechterung der Liquiditätssituation der CS aufgrund von Ratingdowngrades und die Feststellungen der Behörden vom Vortag, dass ein PLB per Notrecht eingeführt werden müsse. Der Bundesrat thematisierte überdies auch das Szenario eines Verkaufs der Bank, zu dessen Vorbereitung der CS-Verwaltungsratspräsident ebenfalls am Vortag durch den EFD-Vorsteher und den SNB-Präsidenten aufgefordert worden war.
Anschliessend wurde für den 4. November eine ausserordentliche Bundesratssitzung traktandiert. Zudem wurden die Arbeiten in Auftrag gegeben, um einen PLB per bundesrätlicher Verordnung einzuführen, und das EFD erhielt den Auftrag, in einer Notiz die Situation der CS darzulegen. Die geplante Sitzung wurde noch am Abend des 2. Novembers auf Initiative des damaligen EFD-Vorstehers abgesagt (siehe Kap. 6.3.4). Der EFD-Vorsteher begründete die Absage damit, dass das LG schliesslich von einem PLB-Antrag abgesehen hatte, u. a. aufgrund der Sorge der CS vor einer negativen öffentlichen Reaktion. Dem Bundesrat wurde die vorübergehende Beruhigung der Lage als Grund für den Verzicht auf eine Sitzung angegeben. Das LG fasste am 7. November den Entschluss, dem Bundesrat die Einführung und gleichzeitige Aktivierung des PLB vorerst nicht zu unterbreiten, da die Umstände dies nicht rechtfertigten.
In der Folge informierte der EFD-Vorsteher im November zweimal den zuständigen Bundesratsausschuss Finanzfragen über den weiteren Verlauf der Krise, die Krisenorganisation und die Handlungsoptionen der Behörden. Am 22. November tagte der Bundesratsausschuss im Beisein des Direktors des Bundesamts für Justiz (BJ) und einer Vertretung der BK zur Frage, ob der Bundesrat einen PLB per Notrecht einführen könnte. Diese Frage wurde bejaht.
Die Orientierung des Bundesrates erfolgte in dieser Phase jeweils ohne schriftliche Unterlagen, was vom Gesamtbundesrat und auch von den Mitgliedern des Ausschusses Finanzen kritisiert wurde. Der EFD-Vorsteher begründete das gewählte Vorgehen mit der Angst vor einem Informationsleck, welches angesichts der sensiblen marktrelevanten Informationen gravierende Konsequenzen gehabt hätte (siehe Kap. 6.3.4). Nach Ansicht der PUK führte diese Art der Informationspolitik dazu, dass der Bundesrat als Kollegium seiner Rolle und Verantwortung nur bedingt nachkommen konnte. Auch die Absage der Sitzung vom 4. November 2022 erschwerte eine umfassende Information des Gesamtbundesrates. Die Kommission ist der Auffassung, dass schriftliche Unterlagen bei der Beratung wichtiger Geschäfte notwendig sind, und hat eine entsprechende Empfehlung abgegeben (siehe Kap. 13.1.3).
Da die Mitglieder des LG Ende November 2022 zunehmend an der Umsetzung der von der CS angekündigten Strategie zu zweifeln begannen und einen Turnaround für unwahrscheinlich hielten, vereinbarten sie, dass alle Behörden sich mit der CS über mögliche Alternativlösungen austauschen sollten (siehe Kap. 6.3.4).
Paralleler Austausch mit CS und UBS: Non-Meetings zwischen Ende Oktober und Dezember 2022
Parallel zu den vom Memorandum of Understanding vorgesehenen Regelstrukturen initiierten der damalige EFD-Vorsteher und der SNB-Präsident ab Ende Oktober 2022 sogenannte Non-Meetings mit dem CS-Verwaltungsratspräsidenten. Bei einem Grossteil der Treffen ist nicht im Detail bekannt, welche Inhalte besprochen wurden. Gemäss dem SNB-Präsidenten und dem EFD-Vorsteher dienten diese Non-Meetings dazu, die Lösungsfindung mit der CS in einem nicht formalisierten Rahmen voranzutreiben. Anlässlich eines Non-Meetings mit dem UBS-Verwaltungsratspräsidenten wurde bereits im Oktober 2022 die Bereitschaft der UBS für eine Übernahme abgeklärt. Die FINMA äusserte sich aufgrund der mangelnden Verbindlichkeit und der fehlenden Forderungen gegenüber der CS kritisch zum Format dieser Treffen und nahm daher nur an dreien davon teil. Erst am letzten, von der FINMA organisierten Non-Meeting am 29. Dezember 2022 wurde die CS mit verbindlichen Forderungen konfrontiert. Die FINMA und der AF wurden nicht über alle Treffen und deren Inhalte informiert (siehe Kap. 6.3.3). Mit dem Wechsel an der Departementsspitze des EFD Anfang 2023 endeten die Non-Meetings.
Die Kommission gelangt zur Einschätzung, dass die Zweckmässigkeit der Non-Meetings im Rahmen der Gesamtkrisenorganisation bedingt gegeben war, da diese Treffen wenig in die Arbeiten der Krisenorgane eingebettet waren und der Informationsfluss nicht gewährleistet war. Dennoch boten die Treffen, insbesondere jenes mit dem UBS-Verwaltungsratspräsidenten, einen gewissen Mehrwert, da so die Übernahmelösung verhältnismässig früh angedacht werden konnte. Zur verbesserten Einbettung solcher Non-Meetings in die regulären Arbeiten der Behörden hat die Kommission eine Empfehlung formuliert (siehe Kap. 13.1.1).
Vorbereitung des Jahresendes
Am 2. Dezember diskutierte der Gesamtbundesrat erneut die Lage der CS, inklusive der zur Verfügung stehenden Reaktionszeit im Falle eines ELA-Antrags der CS bei der SNB. Es wurde vereinbart, dass die Bundesratsmitglieder über die Feiertage ihre Erreichbarkeit sicherzustellen hatten (siehe Kap. 6.3.5). Weitere Informationen erfolgten an den Sitzungen des Bundesrates vom 9. und 16. Dezember. Der EFD-Vorsteher setzte den Bundesrat darüber in Kenntnis, dass die Lage der CS auf niedrigem Niveau stabil sei.
Am 4. Dezember fand eines der oben erwähnten Non-Meetings zwischen dem EFD-Vorsteher, dem SNB-Präsidenten und dem CS-Verwaltungsratspräsidenten statt. Inhalt war der Verkauf der CS sowie die stabilisierende Wirkung einer öffentlichen Kommunikation der Behörden zur Situation der Bank. Nachfolgend äusserten sich im Dezember 2022 sowohl der SNB-Präsident wie auch der EFD-Vorsteher öffentlich positiv zur neuen Strategie der CS (siehe Kap. 6.4.4). Für die PUK stellt sich die Frage, ob diese Äusserungen zum damaligen Zeitpunkt - im Wissen um die tatsächliche, kritische Lage der CS - angemessen waren. Ob die öffentliche Kommunikation die gewünschte stabilisierende Wirkung für die CS hatte, mit der sie allenfalls gerechtfertigt werden könnte, kann nicht beurteilt werden.
Da sich die Liquiditätsabflüsse bei der CS im Dezember weiter fortsetzten und sich keine Besserung abzeichnete, diskutierte der AF ebenfalls Anfang Dezember verschiedene Handlungsszenarien zur Stabilisierung oder Rettung der CS (u. a. Bezug von ELA, Verkauf der CS, verschiedene Formen eines PLB, Konkurs der Bank). Innerhalb der Behörden bestand Einigkeit darüber, dass die CS ein Verkaufsszenario selbstständig vorantreiben musste, da die FINMA angesichts ihrer institutionellen Rolle nicht mit Bankinstituten über eine Übernahme der CS sprechen konnte. Währenddessen nahmen die Behörden weitere Abklärungen zu den Ausfallrisiken für den Bund bei einer staatlichen Liquiditätsfazilität vor. FINMA und SNB waren sich jedoch uneinig in der Frage, ob das Vertrauensproblem der CS durch zusätzliche Liquidität verbessert werden könnte. Die SNB vertrat die Ansicht, dass Instrumente wie ELA und PLB ein chronisches Vertrauensdefizit nicht beheben könnten und ihr Einsatz nur im Falle eines plötzlichen Vertrauensverlusts sinnvoll sei (siehe Kap. 6.3.5).
Ab dem 6. Dezember eskalierten die FINMA-Vertreterinnen und -Vertreter die Kritik an der CS bis an die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin. Die FINMA forderte in der Folge mit noch mehr Nachdruck die Vorbereitung eines Zusammenschlusses mit einer anderen Bank (Kap. 6.3.1).
Kurz vor den Feiertagen tagte der AF am 22. Dezember ein letztes Mal im Kalenderjahr 2022 und konstatierte, dass bei der CS seit Oktober 2022 rund 130 Milliarden Franken an Depositen abgeflossen waren und ein weiterer Abfluss die Situation der Bank drastisch verschlimmern würde. Die FINMA stellte deswegen sicher, dass die CS die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von EFF und ELA erfüllte. Die FINMA teilte dem AF mit, dass sie die CS beauftragt habe, bis Anfang Januar ein kurz- und ein mittelfristiges Verkaufsszenario zu erarbeiten, um auch für einen Notverkauf der Bank vorbereitet zu sein. Auch das LG beschloss auf Basis der Diskussionen im AF, den Verkauf der CS noch intensiver zu prüfen und soweit möglich vorzubereiten (siehe Kap. 6.3.5).
Am 28. Dezember alarmierte die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin den SNB-Präsidenten, da sich die CS in einem äusserst kritischen Zustand befand und sich die Liquiditätssituation noch einmal massiv verschlechtert hatte. Daraufhin fand am 29. Dezember ein Non-Meeting mit dem CS-Verwaltungsratspräsidenten statt, bei dem die FINMA der CS gegenüber klare Forderungen stellte, bis Anfang Januar Vorbereitungen für einen Verkauf zu treffen. Gefordert wurden u. a. eine konkrete Shortlist möglicher Käuferinnen, die Einrichtung eines virtuellen Datenraums und die Ausarbeitung des Szenarios einer Übernahme durch die UBS in der kurzen Frist (siehe Kap. 6.3.5).
Departementsübergabe EFD im Kontext der CS-Krise
Mit dem Rücktritt des bisherigen EFD-Vorstehers per Ende 2022 wurde im Dezember eine Departementsübergabe im EFD notwendig. Hierzu fand am 19. Dezember 2022 ein Treffen zwischen Bundesrat Ueli Maurer und Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Beisein seines Generalsekretärs und ihrer Generalsekretärin statt. Der neuen EFD-Vorsteherin wurden kurze mündliche Informationen zur Lage der CS übermittelt. Die Lage der Bank wurde als stabil bezeichnet. Im weiteren Verlauf des Monats tauschten sich der amtierende EFD-Vorsteher und die zukünftige Departementsvorsteherin kurz vor Weihnachten und zwischen Weihnachten und Neujahr zweimal telefonisch aus. Auch bei diesen Gelegenheiten beschrieb der damalige EFD-Vorsteher den Zustand der Bank als stabil, obwohl die CS über die Feiertage Schwierigkeiten bekundet hatte (siehe Kap. 6.3.5).
Zwischen der Direktorin der EFV und Bundesrätin Karin Keller-Sutter kam es zwar bereits im Dezember 2022 zu zwei Treffen, jedoch war die CS nicht Hauptthema dieser Treffen. Vielmehr stand die Budgetplanung im Vordergrund. Die ersten Treffen der neuen Departementsvorsteherin mit der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA und der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen fanden im Januar 2023 statt.
Die PUK gelangt zum Schluss, dass die Departementsübergabe in Bezug auf das CS-Dossier nicht optimal verlief: Es fand keine eigentliche Dossierübergabe statt. Die PUK hat bezüglich der Departementsübergabe eine Empfehlung beschlossen (siehe Kap. 13.1.6).
Weiterführende Arbeiten der Behörden und Information des Bundesrates ab Januar 2023 bis zur Akutkrise
Die FINMA begleitete und beaufsichtigte im Januar und Februar 2023 die Arbeiten der CS im Rahmen der von den Behörden verfolgten Szenarien (siehe unten). Mitte Januar bestätigte die CS die abgeschlossene Aufbereitung des geforderten virtuellen Datenraums, nachdem sie Anfang Januar der FINMA bereits eine Shortlist mit vier möglichen Käuferinnen mitgeteilt hatte. Die FINMA drängte die CS unterdessen zur Erweiterung der Contingency-Massnahmen im Rahmen der Stabilisierungs-, Notfall- und Abwicklungspläne der Bank (siehe Kap. 6.4.1).
Im AF trieben die Behörden ab Anfang Januar die Formalisierung der vier Szenarien voran. Sie erarbeiteten im Rahmen einer gemischten Arbeitsgruppe auch makroökonomische Analysen, um die Folgen der Szenarien abschätzen zu können. Auch eine Temporary Public Ownership (TPO) der Schweizer Einheit der CS im Falle eines Konkurses wurde von einer Arbeitsgruppe des AF vertieft vorbereitet (siehe Kap. 6.4.2).
Im Jahr 2023 wurde der Bundesrat durch die neue EFD-Vorsteherin etwas häufiger über die Lage der CS informiert. Diese Informationen wurden vorerst weiterhin mündlich vermittelt, bevor dem Bundesrat am 1. Februar 2023 erstmals auch ein Tischpapier zu den verschiedenen Szenarien zur Verfügung gestellt wurde. Die Informationen waren jedoch weiterhin generell gehalten. So wurden die wichtigen makroökonomischen Analysen der involvierten Behörden bis zur Akutkrise im März 2023 nicht im Bundesrat thematisiert (siehe Kap. 6.4.3, 13.1.3, 13.2.3).
Entwicklung der Lösungsszenarien zwischen Oktober 2022 und März 2023
Ab Oktober 2022 wurden zwischen den Behörden verschiedene Lösungsszenarien diskutiert. Dies geschah in der Regel im AF und nachfolgend im LG, zu bestimmten Thematiken teilweise auch in ad hoc eingesetzten Arbeitsgruppen. Von Herbst 2022 bis März 2023 haben die Behörden vorwiegend folgende Szenarien diskutiert und gegebenenfalls vorbereitet (siehe Kap. 6.3.3):
-
Bewältigung der Krise durch die CS aus eigener Kraft;
-
Übernahme der CS durch eine andere (inländische oder ausländische) Bank;
-
Sanierung der CS;
-
Konkurs der CS und Auslösung des Notfallplans;
-
vorübergehende Verstaatlichung der CS (TPO).
Einzelne Massnahmen (z. B. ELA, ELA+, PLB, Anordnung zur Abschreibung der AT1-Anleihen) waren in mehreren Lösungsszenarien enthalten. Eine Fusion der CS mit der UBS resp. eine Übernahme der CS durch die UBS wurde im LG zum ersten Mal am 21. Oktober 2022 diskutiert, nachdem der SNB-Präsident am Rande der IWF-Tagung in Washington informell den Verwaltungsratspräsidenten der UBS darauf angesprochen hatte (siehe Kap. 6.3.3). Trotz dieser ersten Kontaktnahme im Oktober wurden alle genannten Lösungsszenarien weiterentwickelt und dem Bundesrat vorgelegt (siehe Kap. 6.3.4, 6.3.5, 6.4.2, 6.4.3). Dabei standen nicht nur Fragen zur Machbarkeit im Zentrum, sondern die Behörden interessierten sich auch für die wirtschaftlichen Folgen der einzelnen Massnahmen: So haben SNB, FINMA, SIF und EFV ab Januar 2023 ökonomische Folgeabschätzungen zum Konkurs der CS und zu Kosten und Nutzen der einzelnen Lösungsszenarien durchgeführt (siehe Kap. 6.4.3). Dabei zeigte sich, dass das mit diesen Analysen verfolgte Ziel nicht eindeutig war. Während die einen Akteure zum Ziel hatten, mit der genannten Analyse das beste Lösungsszenario zu identifizieren, verfolgten andere das Ziel, Informationen für den Ernstfall zu erhalten, um die Folgen einer später getroffenen Lösung beziffern zu können. Es stellten sich bei diesen Analysen auch Rechtsfragen, so beispielsweise zur Umsetzung einer TPO. Die Arbeiten zu den Folgen wurden nicht abgeschlossen, da die Behörden Mitte März mit Ausbruch der Akutkrise von den Ereignissen eingeholt wurden.
PLB als notwendige Massnahme in den verschiedenen Szenarien
Bereits zur Beginn der Krise zeigte sich, dass in den meisten der erörterten Szenarien unter Umständen ein PLB notwendig würde. So diskutierte der AF zum ersten Mal Mitte September 2022 über die vorgezogene Einführung eines PLB spezifisch im Kontext der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der CS (siehe Kap. 6.2.3). Dabei konnten sich die Behörden auf die laufenden Arbeiten des EFD stützen. Denn der Bundesrat hatte das EFD im März 2022 beauftragt, bis Mitte 2023 eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage zu erarbeiten (siehe Kap. 5.2.6).
Am 2. November 2022 diskutierte der Bundesrat über die vorgezogene Einführung eines PLB, da das LG und der AF am Vortag zur Erkenntnis gelangt waren, dass die Einführung eines PLB per Notrecht zu diesem Zeitpunkt ernsthaft erwogen werden musste (siehe Kap. 6.3.4). Im Nachgang zur abgesagten ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 4. November 2022 fanden im Rahmen des Bundesratsausschusses Finanzfragen vertiefte Abklärungen zur notrechtlichen Einführung eines PLB statt. Das BJ wurde beigezogen, um gewisse rechtliche Fragen zu klären (siehe Kap. 6.3.4). Schliesslich sah der Bundesrat von der Einführung eines PLB im Herbst/Winter 2022 ab, da die Behörden keine unmittelbare Notwendigkeit für diese Massnahme erkannten und da gerade die CS befürchtete, die frühzeitige Einführung eines PLB könnte negative Auswirkungen auf die Märkte haben. Die Vorbereitungsarbeiten zur notrechtlichen Einführung eines PLB wurden 2023 von der Arbeitsgruppe PLB weitergeführt, die ihre Erkenntnisse im Rahmen der Vertiefung der Szenarien im Februar 2023 dem AF vorstellte (siehe Kap. 6.4.3).
Einschätzung der PUK
Die PUK stellt fest, dass von den Behörden sowohl in der TBTF-Regulierung vorgesehene Optionen (Abwicklung, ELA) wie auch neue Optionen (TPO, ELA+, Übernahme) vorbereitet wurden. Die PUK begrüsst, dass die Behörden mehrere Lösungsszenarien vorbereitet haben (siehe Kap. 13.1.5). Insbesondere die Analyse der wirtschaftlichen Folgen der Lösungsszenarien erscheint der PUK unumgänglich. Obwohl gewisse Aspekte verbesserungswürdig sind, kommt die PUK zum Schluss, dass die getroffenen Annahmen und Kostenschätzungen der Behörden plausibel sind. Der Zweck der makroökonomischen Analysen war aber nicht klar. Zudem wurden diese Analysen dem Bundesrat nicht zur Kenntnis gebracht (siehe Kap. 13.1.5).
10. Bewältigung der Akutkrise durch staatlich unterstützte Fusion der CS mit der UBS
Ab dem 15. März 2023 überschlugen sich die Ereignisse. Der Zeitdruck war in der akuten Krisenphase ein entscheidender Faktor: Die involvierten Behörden realisierten umgehend, dass nun dringende Massnahmen gefordert waren, um eine Abwicklung der systemrelevanten CS zu verhindern. Sie setzten deshalb bereits am 15. März eine Krisenorganisation im Hauptsitz des EFD (Bernerhof) ein. Die Behörden waren mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. Erstens ging es darum, die für diese Situation optimale Lösung zu finden, um eine unmittelbar bevorstehende Finanzkrise zu verhindern. Für eine Lösung brauchte es zweitens aber nicht nur die Zustimmung der CS und der UBS, sondern auch jene der ausländischen Regulierungsbehörden und die Bewilligung von zwei ausserordentlichen Verpflichtungskrediten durch die Finanzdelegation (FinDel). Es ging also darum, innert kürzester Zeit einen Interessenausgleich zwischen den unterschiedlichsten Partnern zu finden.
Im Folgenden wird ein kurzer chronologischer Abriss zu den wichtigsten Ereignissen in den Märztagen gegeben. Daran anschliessend stellt die PUK verschiedene wesentliche Aspekte der Akutkrise dar.
Kurzer Abriss der wichtigsten Entwicklungen zwischen dem 15. und dem 19. März 2023
Die Behörden erkannten die Bedeutung der Aussage des Vorsitzenden der Saudi National Bank, dass weitere Investitionen in die CS ausgeschlossen seien, umgehend. Noch am Vormittag des 15. März 2023 fanden mehrere Kontakte auf Arbeitslevel zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der FINMA, der SNB und der CS statt, um die Auswirkungen dieser Aussagen zu erörtern. Die FINMA verlangte von der CS zudem, den Sanierungsplan bis am nächsten Tag fertigzustellen (siehe Kap. 7.2.2).
Das LG kam erstmals um 12 Uhr zusammen. Die Mitglieder waren sich einig, dass Handlungsbedarf bestand. Sie entschieden sich, alle Szenarien weiterzuverfolgen. Wichtig für die Beteiligten war, dass spätestens am Sonntagabend eine tragfähige Massnahme bereitstand, um die Märkte vor Öffnung der internationalen Börsen am Montag zu beruhigen. Das LG beschloss anschliessend, Kontakt mit der UBS und der CS aufzunehmen, um eine allfällige Fusion vorzubereiten. Auch wurde vereinbart, dass die SNB und die FINMA im Laufe des Tages eine Medienmitteilung zur Beruhigung der Märkte publizierten.
Bereits um 16 Uhr trafen sich die Vorsteherin des EFD, die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, die Verwaltungsratspräsidentin sowie der Direktor und der Leiter der Bankenaufsicht der FINMA, der SNB-Präsident sowie UBS-Vertreterinnen und -Vertreter in Zürich. Anlässlich dieses Treffens überreichte der UBS-Verwaltungsratspräsident den Behörden einen Onepager mit den Forderungen der UBS. Am späteren Abend tauschte sich die EFD-Vorsteherin telefonisch mit den Spitzen der CS aus und vermittelte ihre Erwartungen an die CS.
Parallel zum Austausch mit den beiden Finanzinstituten nahmen die Behörden die ersten Kontakte mit den internationalen Partnerorganen auf. Zudem beantragte die EFD-Vorsteherin eine ausserordentliche Bundesratssitzung für den Folgetag.
Da sich die Liquiditätslage kontinuierlich verschlechterte, reichte die CS-Gruppe gegen 21 Uhr einen offiziellen Antrag auf ausserordentliche Liquiditätshilfe (ELA) für die CS (Schweiz) AG bei der SNB ein. Die CS kommunizierte diesen ELA-Bezug in einer Medienmitteilung in der Nacht vom 15. auf den 16. März 2023.
Am Folgetag, dem 16. März 2023, befasste sich der Bundesrat zum ersten Mal mit der Akutkrise. Frühmorgens erfolgte auch ein erster telefonischer Kontakt zwischen der CS und der UBS, der ergebnislos blieb. Der AF und danach das LG berieten im Laufe des Vormittags die Forderungen der UBS.
Die Forderungen der UBS bezogen sich auf Restrukturierungsfragen, zukünftige Kapitalanforderungen, die Vermittlung mit relevanten inländischen und ausländischen Behörden zur Genehmigung der Fusion, die öffentliche Kommunikation sowie Garantiefragen. Auch die AT1-Abschreibung wurde erwähnt. Drei Forderungen waren besonders problematisch: die Gewährung von Liquidität an die UBS ohne Leistung entsprechender Sicherheiten, die Gewährung einer Garantie durch den Bund zugunsten der UBS und die Gewährung von langfristigen Erleichterungen bei Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen durch die FINMA. Im Anschluss daran teilten die Behörden der UBS mit, dass sie einzelnen Forderungen gar nicht und anderen nur teilweise entsprechen könnten. Die Behördenvertreterinnen und -vertreter vereinbarten, mit der UBS bis am Ende des Tages noch offene Fragen zu klären sowie sie zu fragen, bis wann mit einer grundsätzlichen Zusage ihrerseits zum Zusammenschluss mit der CS gerechnet werden könne. Ebenfalls am Vormittag genehmigte die SNB den ELA-Antrag der CS. Zudem orientierten die EFD-Vorsteherin und die Direktorin der EFV die Präsidentin der FinDel.
An der am frühen Nachmittag beginnenden ersten ausserordentlichen Bundesratssitzung erfolgte eine erste Weichenstellung: Das EFD beantragte, gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 der Bundesverfassung, die Erweiterung der bestehenden ELA sowie eine sofortige Inkraftsetzung eines Instruments der staatlichen Liquiditätssicherung (PLB). Dieses Instrument der staatlichen Liquiditätssicherung (mithin der PLB) sollte vom Bundesrat unmittelbar «aktiviert» werden, um Liquiditätshilfe-Darlehen mit Ausfallgarantie des Bundes an die CS zu ermöglichen. Der Antrag sah auch vor, dass der Bundesrat bei der FinDel den zur Zusicherung der Ausfallgarantie erforderlichen Verpflichtungskredit von 100 Milliarden Franken im Dringlichkeitsverfahren beantragt, damit der Bund gegenüber der SNB die für die Liquiditätshilfe-Darlehen an die CS notwendige Garantie abgeben kann. Die verabschiedete Notverordnung trat um 19 Uhr in Kraft. Publiziert wurde sie allerdings erst am 19. März 2023.
Am 16. März führten die Behörden auch den Austausch mit ihren ausländischen Partnern weiter. Zudem bereiteten die CS und die UBS intern ihre Verhandlungen weiter vor. Ausserdem reichte die UBS ihren erweiterten Forderungskatalog ein.
Am dritten Krisentag, am 17. März 2023, spitzte sich die Lage der CS zusehends zu. Die CS reichte frühmorgens auftragsgemäss einen revidierten, mit aktuellen Zahlen korrigierten und genehmigungsfähigen Entwurf des Sanierungsplans bei der FINMA ein. Wie bereits am Vortag telefonierten die Vorsteherin des EFD, die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, die Direktorin der EFV, die Verwaltungsratspräsidentin und der Direktor der FINMA sowie der Präsident und der Vizepräsident der SNB ebenfalls frühmorgens mit dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO der UBS. Eine Einigung zwischen der CS und der UBS war weiterhin nicht in Sicht. Gleich im Anschluss fand eine Videokonferenz zwischen denselben Behördenvertreterinnen und -vertretern und dem Verwaltungsratspräsidenten sowie dem CEO der CS statt. Die Behörden betonten dabei, dass angesichts der akuten Krisensituation aus Sicht der FINMA nur eine Abwicklung oder ein Zusammenschluss mit der UBS möglich sei. Mit Blick auf die stockenden Verhandlungen lud die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen die Spitzen der beiden Banken zu einer Klärungssitzung ein und machte sie auf den Ernst der Lage aufmerksam.
Aufgrund der sich dramatisch verschlechternden Liquiditätssituation beantragte die CS im Laufe des Vormittags ELA+, was von der SNB umgehend gewährt wurde.
An der gleichentags stattfindenden Bundesratssitzung erhielt der Bundesrat den aktuellsten Lagebericht. Er diskutierte über eine mögliche TPO und verwarf diese Option für den Moment. Aufgrund der sich hinziehenden Verhandlungen verlangte er, dass zusätzlich zum Fusionsszenario eine Alternativvariante weiterverfolgt wird.
Am vierten Krisentag, dem 18. März, liefen die parallelen Verhandlungsstränge weiter. Das LG tagte zweimal und führte je ein Gespräch mit der UBS und der CS, wobei die CS mit BlackRock einen neuen Übernahmepartner ins Spiel brachte. Diese Möglichkeit musste jedoch kurz darauf nach der Absage durch die BlackRock-Verantwortlichen verworfen werden. Derweil fragte die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin Sergio Ermotti an, ob er bereit wäre, im Falle einer Sanierung die Funktion des CEO zu übernehmen. Die FINMA verabschiedete zudem ihr Verhandlungsmandat. An der ausserordentlichen Sitzung des Bundesrates diskutierte dieser erneut über mögliche Alternativszenarien, da eine Einigung weiterhin in der Schwebe stand. Derweil gingen die Gespräche zwischen den Behörden und den Banken weiter.
Der UBS-Verwaltungsrat bekannte sich am frühen Nachmittag grundsätzlich zur Fusion mit der CS, verlangte jedoch von den Behörden eine grössere Sicherheit hinsichtlich der Non Core Unit (NCU), da die UBS hohe operative Kosten über einen langen Zeitraum erwartete (siehe Kap. 7.2.4). Erst gegen Abend einigten sich die UBS und die Behörden auf die später kommunizierte Verlustgarantie, woraufhin die EFD-Vorsteherin den Bundesrat darüber informierte, dass ein Deal mit der UBS stehe.
Gleichentags erhielt die CS von der UBS die erste Version des Fusionsvertrags. Der Verwaltungsratspräsident der CS war bis am Samstag nicht über den gesamten Inhalt der Verhandlungen informiert. So erfuhr er erstmals am Samstagabend vom Preisangebot in der Höhe von 1 Milliarde Franken (siehe Kap. 7.2.4).
Während die Verhandlungen der Banken zur Übernahme voranschritten, führte die FINMA als Rückfalloption die Vorbereitungsarbeiten für die Sanierung der CS weiter. Diese Lösung war am Abend des 18. März 2023 unterschriftsreif, international abgestimmt und hätte als Alternative zur Fusion umgesetzt werden können (siehe Kap. 7.2.4).
Am Sonntag, 19. März 2023, dem fünften Krisentag, lag der Fokus der Behörden insbesondere darauf, die CS von der am Vortag mit der UBS erreichten Einigung zu überzeugen. Die CS richtete in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag ein ausgesprochen kritisches Schreiben ans SIF, in welchem sie ausführte, dass die Bedingungen inakzeptabel seien. Im Fokus der Kritik standen vor allem der Kaufpreis und die weitgehende Rückzugsklausel, die die UBS eingebracht hatte. Als Reaktion darauf fand am Sonntag früh ein Treffen zwischen dem Verwaltungsratspräsidenten der CS und verschiedenen Behördenvertreterinnen und -vertretern statt. Diese führten aus, dass nun der Point of Non-Viability (PONV) erreicht sei und die CS abgewickelt werden müsse, wenn keine Lösung mit der UBS gefunden werden könne. Sie stellten auch einen höheren Preis in Aussicht. Anschliessend versuchten sie, mit der UBS in den noch strittigen Punkten eine Einigung zu erzielen.
In der nachfolgenden Bundesratssitzung zeigte sich der Bundesrat bereit, die Bundesgarantien zu erhöhen, falls die UBS im Gegenzug insbesondere einem höheren Preis zustimmen würde. Da der Abschluss des Deals zu diesem Zeitpunkt aber noch offen war, wurde im Bundesrat ebenfalls die Möglichkeit einer Zwangsfusion mit der UBS vertieft. Zusätzlich war eine kurzfristige staatliche Übernahme (TPO) vorbereitet, wie auch die Sanierung. Die präferierte Variante blieb weiterhin der Verkauf der CS an die UBS respektive die Fusion zwischen den beiden Banken. Diesem Zweck dienten die beiden Treffen des Bundesrates zuerst mit der Spitze der CS und anschliessend mit jener der UBS.
Parallel zu dieser Lösungsfindung tagte die FinDel im Hinblick auf die Gewährung des ausserordentlichen Verpflichtungskredits in der Höhe von 100 Milliarden Franken für die Liquiditätshilfen, die es für die Realisierung des bundesrätlichen Massnahmenpakets brauchte.
Am Nachmittag wurde schliesslich eine Einigung zwischen der CS und der UBS erzielt. In der Folge erliess der Bundesrat sein Massnahmenpaket, das insbesondere eine Verlustübernahmegarantie des Bundes an die UBS im Umfang von 9 Milliarden Franken sowie eine Garantie an die SNB zur Absicherung von Liquiditätshilfe-Darlehen an die CS im Umfang von 100 Milliarden Franken beinhaltete. Die FinDel bewilligte die beiden Kredite und übermittelte ihre Zustimmung um 17.47 Uhr dem EFD und der BK. Die Notverordnung des Bundesrates enthielt zudem eine Kompetenznorm zur Anordnung seitens FINMA an die CS zur Abschreibung der AT1-Anleihen.
Nach dem Fusionsentscheid beantragte die CS bei der SNB nochmals ELA+ in der Höhe von 30 Milliarden Franken. An der nachfolgenden gemeinsamen Medienkonferenz der Spitzen der Banken, der EFD-Vorsteherin, des Bundespräsidenten sowie der Verantwortlichen bei FINMA und SNB wurde die Fusion der CS mit der UBS kommuniziert. Die getroffene Lösung erfüllte ihr Ziel: Sie beruhigte die Marktteilnehmenden und verhinderte eine mögliche internationale Finanz- und Wirtschaftskrise.
Ausgewählte Aspekte des Krisenmanagements in der Akutkrise
Im Folgenden werden wesentliche Aspekte des Krisenmanagements in der Akutkrise kurz dargestellt.
Koordination zwischen EFD, SIF, SNB und FINMA
Wie dargelegt, waren verschiedene Behördenvertreterinnen und -vertreter an vorderster Front in die Verhandlungen mit den Banken involviert (siehe Kap. 7.2.4), allen voran die Spitzen des EFD, des SIF, der FINMA und der SNB. So führte am Tag des Krisenbeginns die EFD-Vorsteherin die Gespräche mit den Banken (siehe Kap. 7.2.1). Nachfolgend setzte sich der SNB-Präsident mit dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS in Verbindung, um den Forderungskatalog zu erörtern. Er war auch Ansprechperson für die Rückmeldung des UBS-Verwaltungsratspräsidenten, dass sich der Austausch mit der CS schwierig gestalte (siehe Kap. 7.2.2). Angesichts des schleppenden Vorankommens der Verhandlungen zwischen der UBS und der CS organisierte die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen eine Besprechung zwischen den Vertretungen der CS und der UBS (siehe Kap. 7.2.3). Am Samstag, 18. März, führten die FINMA und die SNB Gespräche mit der UBS über die problematischen Aspekte der NCU. Gleichentags wandte sich die EFD-Vorsteherin an den CS-Verwaltungsratspräsidenten und forderte ihn auf, das Angebot der UBS anzunehmen (siehe Kap. 7.2.4).
Die PUK wertet die Flexibilität und das Engagement der beteiligten Akteure positiv. Durch die Einrichtung der Krisenzelle im Bernerhof wurde eine enge Koordination zwischen den Behörden ermöglicht und die Grundlage für eine effiziente Beratung und Entscheidungsfindung gelegt (siehe Kap. 7.2.1 bis 7.2.5). Angesichts der hohen Dringlichkeit wurden gewisse an sich übliche Prozesse nicht eingehalten. So konnten die LG-Sitzungen zwischen dem 17. und 19. März 2023 nicht mehr protokolliert werden, was verständlich ist, aber teilweise die Nachvollziehbarkeit erschwert.
Rolle des Bundesrates - Einbezug desselben
In der akuten Krise der CS im März 2023 erhöhte sich der Rhythmus der Bundesratssitzungen. Sie fanden mit einer Ausnahme täglich statt. Um die Organisation der ausserordentlichen Sitzungen in diesen Tagen zu erleichtern, wurde Threema als Informationskanal genutzt.
An den Sitzungen nahmen regelmässig Vertreterinnen und Vertreter der FINMA, des SIF, der SNB und der beiden Banken teil. Dadurch konnte der Bundesrat Informationen aus erster Hand erhalten und sich ein eigenes Bild machen. Dies war umso wichtiger, als aufgrund des hohen Zeitdrucks die Vorbereitung der Bundesratsmitglieder auf die Sitzungen ohnehin erschwert war.
Das EFD legte dem Bundesrat die für die Umsetzung der Massnahmen notwendigen Dokumente vor. Allerdings fehlten detaillierte Darstellungen zu den Szenarien und die von einer Arbeitsgruppe des AF durchgeführten Schätzungen zu den volkswirtschaftlichen Kosten. Am 18. März erfolgte eine mündliche Erläuterung der Folgen und Kosten aller Varianten. Der Bundesrat erhielt diese Informationen nach Ansicht der Kommission äusserst spät (siehe Kap. 7.2.4). Bei einem Scheitern der Fusion hätte er sich am Sonntag, 19. März 2023, für ein alternatives Szenario entscheiden müssen.
Die Orientierung des Bundesrates über die Szenarien verlief nach Einschätzung der Kommission somit auch in den Akuttagen nicht optimal. Für die Kommission stellt sich die Frage, ob der Gesamtbundesrat in dieser Krisenphase eine ausreichende Informationsgrundlage besass, um den Erarbeitungsstand der verschiedenen Lösungsszenarien effektiv nachvollziehen zu können. Es ist aus Sicht der Kommission unbefriedigend, dass das EFD die anderen Mitglieder des Bundesrates nicht umgehend über die Resultate der Arbeiten zu den Szenarien im Februar und anfangs März 2023 informiert hatte. So hätte der Bundesrat seine Entscheidung während einiger Wochen abwägen können.
Rolle der Behörden bei der Einigung zwischen der CS und UBS sowie bei der Festlegung des Kaufpreises
Die Behörden - namentlich das EFD und die SNB - spielten, wie aus den obigen Ausführungen folgt, bei den Verhandlungen mit den Banken eine sehr aktive Vermittlerrolle. Sie ersetzten bis zu einem gewissen Grad den direkten Kontakt zwischen der CS und der UBS. So diskutierte zum Beispiel die UBS ihren Forderungskatalog mit den Behörden und nicht mit der CS (siehe Kap. 7.2.1 und 7.2.2). Am Samstag, 18. März, erreichten die Behörden am Abend eine Einigung mit der UBS (siehe Kap. 7.2.4) - ohne dass die CS direkt involviert war.
Die Behörden achteten auf einen gewissen Interessenausgleich zwischen der CS und der UBS sowie auf die finanziellen Auswirkungen für den Bund. Da die CS sich noch am Sonntagmorgen weigerte, den ursprünglichen Preis von 1 Milliarde Franken zu akzeptieren, erhöhten die Behörden die Garantieleistungen. In die Preisverhandlungen involviert waren namentlich der SNB-Präsident sowie die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen. Letztere moderierte auch die Verhandlungen über die Material-adverse-Change-Klausel.
Nach Meinung der PUK konnte dank dieser sehr aktiven Rolle der Behörden innert kurzer Zeit ein Verhandlungsergebnis erzielt werden, welches den wichtigsten Anliegen der betroffenen Akteure angemessen Rechnung trug (siehe Kap. 13.2.6). Dabei war die Rolle der Behörden deutlich aktiver, als dies angesichts der öffentlichen Kommunikation nach dem Fusionsentscheid hätte erwartet werden können. Aus Sicht der PUK war das gemeinsame Eingreifen der Behörden angebracht, da es deren Position stärkte. Ein solches Vorgehen kann jedoch auch dazu führen, dass nicht klar ist, wer letztlich die Verantwortung trägt. Die PUK hat in dieser Hinsicht Verbesserungspotenzial erkannt und eine Empfehlung formuliert (siehe Kap. 13.2.1).
Auswahl des Szenarios
Die PUK stellt fest, dass am Sonntag, 19. März, drei fertig ausgearbeitete Optionen zur Verfügung standen, was insgesamt als positiv zu bewerten ist: eine Übernahme der CS durch die UBS (einschliesslich einer allfälligen erzwungenen Übernahme), eine Sanierung der CS und eine vorübergehende Verstaatlichung (TPO) der Gruppe (siehe Kap. 13.2.4).
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Übernahme der CS durch die UBS: Dieses Szenario wurde ab Herbst 2022 diskutiert. Theoretisch wurde sowohl eine Übernahme durch inländische als auch durch ausländische Banken in Betracht gezogen. Dennoch lag keine realistische Alternative zu einer Übernahme durch die UBS auf dem Tisch. Dieses Szenario war die bevorzugte Lösung der Behörden (siehe Kap. 13.1.5).
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Sanierung: Dieses Szenario wurde von der FINMA ab Herbst 2022 vorbereitet. Die Umsetzung wurde aber als riskant erachtet. Die PUK stellt fest, dass am 17. März ein Entwurf einer Sanierungsverfügung der FINMA sowie dessen englische Übersetzung vorlagen und ein potenzieller CEO der CS identifiziert worden war (siehe Kap. 13.1.5).
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Verstaatlichung (TPO): Dieses Szenario gewann in den Tagen der Akutkrise wieder an Bedeutung. Das BJ wurde erst spät einbezogen, was die PUK bedauert (siehe Kap. 13.1.5).
Die PUK hält fest, dass trotz ihren umfangreichen Abklärungen nicht restlos klar wurde, ob die Behörden beim Nichtzustandekommen einer Einigung zwischen der CS und der UBS zur Sanierung, zu einer temporären staatlichen Übernahme (TPO) oder gar einer Zwangsfusion mit der UBS geschritten wären (siehe Kap. 7.2). Es scheint, dass sich die Akteure bezüglich Plan B noch nicht geeinigt hatten.
Beurteilung der getroffenen Lösung
Die Situation im März 2023 war von grosser Unsicherheit in Bezug auf die potenziellen Folgen eines Eingreifens der Behörden geprägt. Die PUK hält die gewählte Lösung angesichts der Umstände für angemessen. Die Fusion zwischen der CS und der UBS beruhigte die Märkte und verhinderte eine mögliche internationale Finanz- und Wirtschaftskrise. Allerdings stellen sich mittel- bzw. langfristig kartellrechtliche Fragen. Sodann ist die PUK der Meinung, dass die gewählte Lösung einzelne Schwachstellen der bestehenden TBTF-Regulierung deutlich offengelegt hat (siehe Kap. 13.2.6).
Koordination mit den ausländischen Behörden
Zentral für die erfolgreiche Krisenbewältigung war nicht zuletzt auch die enge Koordination mit den ausländischen Behörden. Die Schweizer Behörden intensivierten die Auslandkontakte unmittelbar nach Ausbruch der Akutkrise am 15. März 2023 (siehe Kap. 7.2.1 ff.). Der Austausch und die Koordination mit den ausländischen Partnern erfolgten entlang der institutionellen Zuständigkeiten. Inhalt der Kontakte waren regelmässige Updates über die sich entwickelnde Situation einerseits sowie über die bereits getroffenen Massnahmen andererseits, beispielsweise die Gewährung von ELA durch die SNB wie auch die Erhöhungen der Liquiditätsanforderungen durch die Fed. Zentral war insbesondere die Koordination mit Blick auf die Massnahmen, die sich in Vorbereitung befanden, namentlich hinsichtlich einer Sanierungsverfügung und einer allfälligen Fusion zwischen der CS und der UBS.
Die meisten der genannten Kontakte wurden kurzfristig anberaumt. Sie wurden nicht durchwegs schriftlich dokumentiert, weshalb ihre konkreten Inhalte nicht immer gänzlich nachvollziehbar sind. Aufgrund der Abklärungen der PUK scheint es jedoch eindeutig, dass die Schweizer Behörden den Eindruck erhielten, ihre Partnerbehörden würden bei einer Abwicklung eine schwerwiegende Finanzkrise erwarten und daher auf das Zustandekommen einer Fusion drängen.
Kommunikation am 19. März 2023
In der Endphase der Verhandlungen liefen parallel die Arbeiten der Kommunikationsverantwortlichen der involvierten Akteure. Über die Einigung kommunizierten der Bundespräsident, die zuständige Departementsvorsteherin, die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA, der Präsident des Direktoriums der SNB sowie die Verwaltungsratspräsidenten von UBS und CS im Rahmen einer Pressekonferenz (siehe Kap. 13.2.7). Die Lösung wurde aus Sicht der PUK glaubwürdig kommuniziert, und die Kommunikation erzielte die erhoffte Wirkung, namentlich die Beruhigung der Märkte.
11. Übersicht über die verfügbar gemachten Finanzhilfen
Die von der öffentlichen Hand (Bund und SNB) für die CS-Notfusion eingesetzten beziehungsweise garantierten Mittel waren enorm. Sie werden zusammenfassend kurz dargestellt. Es wurden mehr Mittel bewilligt als bezogen wurden.
Teil der Gesamtlösung vom 19. März 2023 war ein Garantievertrag zwischen dem Bund und der UBS in der Höhe von 9 Milliarden Franken für die Übernahme von allfälligen Verlusten der UBS aus dem Verkauf von bestimmten Aktiven der CS, welche nicht zum Kerngeschäft der UBS passten (ca. 3 % der gesamten Aktiven der fusionierten Bank). Die ersten 5 Milliarden Franken Verluste musste die UBS selbst übernehmen, die nächsten 9 Milliarden Franken hätte der Bund getragen. Die Rechtsgrundlage fand sich in Artikel 14a der Notrechtsverordnung.
Nach dem 19. März 2023 verhandelten die EFV und die UBS darüber, welche Aktiven der CS genau von der Garantie erfasst waren. Der Vertrag wurde am 9. Juni 2023 unterschrieben. Die UBS löste den Garantievertrag am 11. August 2023 auf, weil sie ihn nach der Prüfung des Portfolios für nicht mehr erforderlich hielt. Dem Bund bezahlte die UBS für die Bereitstellung des Garantievertrags insgesamt 40 Millionen Franken.
Ein weiterer Teil des Gesamtpakets war eine Garantie des Bundes an die SNB zur Absicherung von Liquiditätshilfe-Darlehen an die Credit Suisse im Umfang von 100 Milliarden Franken (PLB). Effektiv bezogen wurden 70 Milliarden Franken am 20. März 2023. Die UBS kündigte dieses Darlehen am 11. August 2023 ebenfalls freiwillig. Damit entfielen auch diese finanziellen Risiken für den Bund. Bis zum 31. Juli 2023 verbuchte die CS eine Bereitstellungs- und Risikoprämie von 214 Millionen Franken, wovon 61 Millionen an die SNB und 153 Millionen Franken an den Bund gingen.
Erhebliche Mittel stammten von der Schweizerischen Nationalbank durch deren ausserordentliche Liquiditätshilfe. So gewährte die SNB am 16. März 2023 ausserordentliche Liquiditätshilfe (ELA) in der Höhe von 38 Milliarden Franken und Engpassfinanzierungs-Fazilität (EFF) in der Höhe von rund 10 Milliarden Franken.
Ein wesentliches Unterstützungsmittel waren auch die auf Artikel 3 der Notrechtsverordnung gestützten, mit einem Konkursprivileg gesicherten ausserordentlichen Liquiditätshilfen (sog. ELA+) der SNB. Am 17. und 19. März 2023 gewährte die SNB insgesamt 100 Milliarden Franken, effektiv bezogen wurden 50 Milliarden Franken.
Insgesamt stellte damit die öffentliche Hand 257 Milliarden Franken zur Verfügung. Die SNB gewährte gemäss ihren Angaben effektive Liquiditätshilfe in der Höhe von 168 Milliarden Franken. Der Bundeshaushalt wurde durch die Kündigungen des Garantievertrages und des PLB nicht belastet.
12. Weitere übergeordnete Aspekte
Einbezug anderer Bundesstellen
Bundesamt für Justiz
Das BJ ist die Fachbehörde und das Dienstleistungszentrum des Bundes für Rechtsfragen. Es prüft sämtliche Entwürfe für rechtssetzende Erlasse, wozu auch bundesrätliche Notverordnungen zählen, auf ihre Verfassungs- und Gesetzmässigkeit sowie auf ihre Übereinstimmung und Vereinbarkeit mit dem geltenden nationalen und internationalen Recht (präventive Rechtskontrolle).
Das BJ wurde im Rahmen des CS-Dossiers viermal beigezogen: erstens auf fachlicher Ebene zwischen Oktober und November 2022 zu den Entwürfen einer PLB-Notverordnung, zweitens in Person des Direktors des BJ bei der vertieften Auseinandersetzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen mit der Thematik PLB Ende November 2022 (siehe Kap. 6.3.4), drittens in der akuten Krise am Abend des 15. März 2023 und viertens, ebenfalls in der akuten Krise, am Wochenende des 18./19. März 2023 (siehe Kap. 7.2.3 und 7.2.4). Zwar beschloss der AF am 7. März 2023, d. h. noch vor Ausbruch der akuten Krise, das BJ demnächst wieder zu gewissen Fragen zu involvieren. Insgesamt fand der Einbezug des BJ aber mit Unterbrechungen und mit wenig Vorlaufzeit statt. Zu gewissen Themen war der Einbezug dementsprechend nur sehr oberflächlich.
Der Einbezug des BJ ermöglichte eine eingehendere Orientierung des Bundesrates im Herbst/Winter 2022 über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Handlungsmöglichkeiten und über Alternativen zur notrechtlichen Einführung eines PLB. Aus Sicht der Kommission hätte der Einbezug des BJ zu gewissen Aspekten laufend bzw. früher erfolgen sollen (siehe Kap. 14.2.1). Gleichzeitig hat die CS-Krise gezeigt, dass das BJ zentrale fachliche Punkte nicht selber beurteilen kann, sondern auf die Expertise der Fachbehörden und auf deren transparente Einschätzungen angewiesen ist. Aufgrund der rechtsstaatlichen Bedeutung des Einbezugs des BJ fordert die Kommission den Bundesrat auf, beim Erlass von Notrecht den frühzeitigen und laufenden Einbezug des BJ zu gewährleisten und sicherzustellen, dass seine Positionen dem Kollegium in geeigneter Form zur Kenntnis gebracht werden (siehe Kap. 14.2.1).
Wettbewerbskommission
Grundsätzlich ist die Wettbewerbskommission (WEKO) für die Prüfung und Bewilligung von meldepflichtigen Zusammenschlüssen von Unternehmen zuständig. Die FINMA kann diese Rolle aus Gründen des Gläubigerschutzes übernehmen, muss dann aber die WEKO zur Stellungnahme einladen. Dies war bei der Fusion der CS mit der UBS der Fall (siehe Kap. 7.2.3). Die WEKO wurde am 17. März 2023 erstmals über eine mögliche Fusion informiert. In dieser kurzen Frist konnte die WEKO das Dossier nicht ausreichend prüfen, sodass sie einer Kompetenzübertragung an die FINMA zustimmte.
In ihrer im September 2023 veröffentlichten Stellungnahme zum Zusammenschluss identifizierte die WEKO in sechs Märkten Bedarf zu prüfen, ob die UBS durch die Fusion mit der CS eine marktbeherrschende Stellung erhalten oder ausgebaut hat. Die FINMA befand in ihrer abschliessenden Verfügung weitere Untersuchungen nicht für nötig, da die durchgeführten Arbeiten dem Umfang einer vertieften Prüfung der WEKO gleichkämen (siehe Kap. 8.2.1).
Die Kommission bedauert, dass die Expertise der WEKO nicht in die Vorbereitung der Fusion und in die Verhandlungen einfliessen konnte. Allerdings ist es rückblickend schwierig zu beurteilen, wann der Einbezug idealerweise erfolgt wäre, da sich die Situation laufend veränderte (siehe Kap. 14.2.3). Dennoch sollte gemäss der Kommission geklärt werden, wie «Gläubigerschutz» genau definiert wird und wann es die WEKO zu involvieren gilt (siehe Kap. 14.2.3).
Teilrevision des Parlamentsgesetzes
Im Laufe der Untersuchung der PUK zeigte sich, dass verschiedene Bestimmungen des geltenden Parlamentsrechtes in Bezug auf die PUK zu konkretisieren oder gar anzupassen sind (siehe Kap. 14.4). Aus diesem Grund hat die PUK beschlossen, eine parlamentarische Initiative einzureichen. Eine Präzisierung oder eine Änderung des bisherigen Rechts ist in erster Linie für folgende Bereiche notwendig:
a.
die Stellung des Bundesrates im Sinne von Artikel 167 des Parlamentsgesetzes (insbesondere das Recht des Bundesrates, sich zu äussern, sowie die Sonderstellung der Vertreterin bzw. des Vertreters des Bundesrates);
b.
die Rechte der Betroffenen im Sinne von Artikel 168 des Parlamentsgesetzes;
c.
die Heranziehung von Arbeiten anderer Kommissionen (insbesondere der Geschäftsprüfungskommissionen );
d.
die Schweigepflicht gemäss Artikel 169 des Parlamentsgesetzes;
e.
die Informationsrechte der PUK gegenüber den unabhängigen bzw. verselbstständigen Einheiten;
f.
die Protokollierung der Sitzungen der PUK;
g.
die Konsultation der angehörten Personen zum Berichtsentwurf.
Diese parlamentarische Initiative soll einer der beiden Geschäftsprüfungskommissionen zur weiteren Behandlung zugewiesen werden, da sie den Bereich der Oberaufsicht betrifft.
13. Handlungsbedarf aus Sicht der Kommission
Die PUK hat sowohl auf Vollzugs- wie auch auf Gesetzesebene Optimierungs- und Handlungsbedarf festgestellt. Zu diesem Zweck hat sie insgesamt 20 Empfehlungen zuhanden des Bundesrates verabschiedet sowie sechs Postulate, vier Motionen und eine parlamentarische Initiative eingereicht (siehe
Liste der Empfehlungen, Motionen, Postulate und der parlamentarischen Initiative
).
Mit ihren Empfehlungen und parlamentarischen Vorstössen adressiert sie im Vollzugsbereich folgende Themenfelder: Sie sieht Verbesserungsbedarf im Bereich der Umsetzung des Finanzmarktaufsichts- und Revisionsaufsichtsrechts und erkennt Handlungsbedarf bei der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen für die Finanzmarktstabilität zuständigen Behörden wie auch weiteren Fachbehörden. Zu optimieren ist aus ihrer Sicht auch der Informationsfluss innerhalb des Bundesrates, die Übergabe von heiklen Dossiers im Rahmen der Departementsübergabe sowie die Nachvollziehbarkeit der Beratungen verschiedener Gremien. Gegenstand von Empfehlungen sind auch das Risikomanagement und die Krisenfrüherkennung.
Auf der Gesetzesebene sieht die Kommission Anpassungs- resp. Prüfbedarf hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung der TBTF-Gesetzgebung, der Begrenzung von Erleichterungen bei Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften, des Risikos von Bankruns im digitalen Zeitalter, Vergütungssystemen, Ausgestaltung der Aktionärsrechte wie auch der Kompetenzen im Revisionsbereich. Die vollständige Liste der Empfehlungen und Vorstösse findet sich weiter
unten
. Zudem verweist die PUK auch auf ihre
Schlussbemerkungen
in Kapitel
15
.
Bericht
1 Einleitung
1.1 Ausgangslage
Als Reaktion auf die globale Finanzkrise 2007/08 und die notwendig gewordene Rettung der UBS durch den Bund führte die Schweiz ab 2010 die sogenannte Too-big-to-fail-Regulierung (TBTF-Regulierung) ein. Ziel war es zu verhindern, dass der Staat bei künftigen Krisen wiederum ein systemrelevantes Finanzinstitut retten muss. 2009 entstand mit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) zudem eine neue Aufsichtsbehörde mit dem Auftrag, die Einhaltung der gesetzlichen Regeln durch die in der Schweiz tätigen Banken, Finanzintermediäre und Versicherungsanstalten zu beaufsichtigen. Im Zusammenspiel mit der SNB und dem Bund sollte die FINMA so künftig einen Beitrag zur Stabilität der Schweizer Finanzmärkte leisten. Parallel zu den genannten Entwicklungen analysierten die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) beider Räte zwischen 2009 und 2010, wie die Behörden die UBS-Rettung durchgeführt hatten und welche Lehren daraus zu ziehen waren. Die Empfehlungen der GPK fanden Eingang in die Gesetzgebung wie auch in die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure, die für die Stabilität des Schweizer Finanzplatzes verantwortlich sind.
Die TBTF-Gesetzgebung wurde seit ihrer Einführung in Anwendung der entsprechenden Bestimmungen des Bankengesetzes (BankG) ¹ alle zwei Jahre evaluiert und sowohl auf Gesetzes- wie auf Verordnungsstufe verschiedentlich angepasst. Noch in seinem TBTF-Bericht 2021 kam der Bundesrat zum Schluss, dass die TBTF-Regulierung der Schweiz zweckmässig sei und sich keine grundsätzliche Neuordnung aufdränge.
Die Finanzkrise führte auf politischer Ebene auch dazu, dass der Bundesrat 2009 mittels eines Berichtes erstmals die Grundzüge seiner Finanzmarktpolitik, inklusive der Herausforderungen, darlegte. ² Seither veröffentlicht er alle vier Jahre einen aktualisierten Bericht. Ein Grundsatz der Finanzmarktpolitik seit 2009 ist, international akzeptierte Rahmenbedingungen für einen konkurrenzfähigen Finanzmarkt zu schaffen und zu pflegen, denn «ein starker Finanzplatz ist für die Schweizer Volkswirtschaft und ihre internationale Standortqualität entscheidend». ³ In späteren Berichten wurden zudem Stabilität bzw. Widerstandsfähigkeit sowie die Wahrung eines integren Finanzplatzes, in dem Missbrauch bekämpft wird, als wichtigste Ziele genannt. ⁴
Entwicklung der CS zwischen 2008 und 2023: von der Vorzeigebank zum Sanierungsfall
Die CS hatte die Finanzkrise 2007/08 im Gegensatz zur UBS vergleichsweise gut überstanden. Während die UBS im Nachgang an die Rettung durch den Bund unter enger Beobachtung der Öffentlichkeit stand, galt die CS bis vor wenigen Jahren im In- und Ausland als ein ausgesprochen solides und wettbewerbsfähiges Bankinstitut. Im Zuge verschiedener Skandale (u.a. Mosambik, Archegos, Greensill) erhielt dieses Bild zunehmend Risse. So verzeichnete der Aktienkurs der CS im Vergleich zum europäischen Bankenindex einen kontinuierlichen Rückgang, was in der breiten Öffentlichkeit zu Beginn weitgehend unbeachtet blieb. Spätestens 2021 verdichteten sich jedoch die Zeichen, dass sich bei der CS ein strategischer Richtungswechsel aufdrängte. Daraufhin kündigte die Bank Ende Juli 2022 eine tiefgreifende Restrukturierung an. Diese Ankündigung vermochte jedoch nicht zu verhindern, dass die CS infolge eines Tweets eines australischen Journalisten, wonach der Konkurs eines globalen Finanzinstituts kurz bevorstehe, im Oktober 2022 mit massiven Kapitalabflüssen konfrontiert war.
Als im darauffolgenden März in den USA eine Regionalbankenkrise ausbrach, zeigte sich, dass die CS weiterhin unter einem massiven Vertrauensmangel bei ihren Kundinnen und Anlegern litt: Im Zuge der Ankündigung des Vorsitzenden der Saudi National Bank, dass sie ihre Beteiligung an der CS nicht weiter erhöhen werde, setzte ein erneuter Bankrun ein. Die Erklärung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der FINMA vom 15. März 2023, wonach die CS die Anforderungen hinsichtlich Kapital und Liquidität erfülle und die SNB der CS bei Bedarf Liquidität zur Verfügung stellen werde, beruhigte die Märkte nur kurzzeitig.
Am 19. März 2023 gab die UBS an einer vom Bundesrat einberufenen Medienkonferenz bekannt, dass sie die CS übernehmen werde. Der Bundesrat begrüsste die geplante Übernahme der CS durch die UBS und ergriff folgende Massnahmen, um die Fortführung der Geschäftstätigkeit der CS bis zur Umsetzung der Übernahme sicherzustellen sowie die Kosten für die Schweizer Volkswirtschaft zu reduzieren: ⁵ Erstens schuf er die nötigen rechtlichen Grundlagen, damit die SNB der CS zusätzliche Liquiditätshilfen gewähren konnte. Damit die CS jederzeit mit ausreichend Liquidität versorgt werden konnte, entschied der Bundesrat zweitens, der SNB eine Ausfallgarantie für Liquiditätsdarlehen in Höhe von 100 Milliarden Franken zu gewähren.
Der Bund gewährte der UBS ausserdem eine Garantie im Umfang von 9 Milliarden Franken zur Übernahme von potenziellen Verlusten aus bestimmten Aktiven, sofern die allfälligen Verluste 5 Milliarden Franken überschreiten sollten. Diese Massnahmen wurden in Form einer auf die Bundesverfassung (BV) ⁶ gestützten sogenannten Notverordnung getroffen. Diese Regelung war daher, anders als wenn sie im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens durch das Parlament erlassen worden wäre, nicht dem Referendum unterstellt.
Der Fusionsentscheid beruhigte die Lage an den Finanzmärkten verhältnismässig rasch. In der schweizerischen Öffentlichkeit zeigte sich hingegen eine breite Konsternation, da der Staat nach 2008 ein zweites Mal die Abwicklung eines systemrelevanten Bankinstituts in extremis verhindern musste und in der Schweiz nunmehr nur noch eine Grossbank existierte. Diese Konsternation äusserte sich unter anderem darin, dass bereits kurz nach der Ankündigung der CS-Übernahme Forderungen nach einer Untersuchung durch eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) gestellt wurden. Diese sollte klären, weshalb die CS trotz der TBTF-Regulierung mit Unterstützung des Staates von einer anderen Bank übernommen werden musste und ob die zuständigen Behörden ihre Rolle gesetz- und zweckmässig wahrgenommen hatten.
¹ Bundesgesetz vom 8.11.1934 über die Banken und Sparkassen (BankG; SR 952.0 ).
² Bericht zur Finanzmarktpolitik des Bundes, Bericht des Bundesrates vom 19.12.2012, S. 7
³ Weltweit führend, verankert in der Schweiz: Politik für einen zukunftsfähigen Finanzplatz Schweiz, Bericht des Bundesrates vom 4.12.2020, S. 3.
⁴ Berichte zur Finanzmarktpolitik des Bundes der Jahre 2012 und 2016
⁵ « Sicherung der Finanzmarktstabilität: Der Bundesrat begrüsst und unterstützt die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS», Medienmitteilung des Bundesrates vom 19.3.2023 . https://www.admin.ch/gov/fr/accueil/documentation/communiques/communiques-conseil-federal.msg-id-93793.html
⁶ Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.4. 1999 (BV; SR 101 ).
1.2 Einsetzung der PUK - gesetzlicher Auftrag und Untersuchungsgegenstand
1.2.1 Gesetzliche Kompetenzen und Auftrag von parlamentarischen Untersuchungskommissionen
Die parlamentarische Oberaufsicht wird in der Schweiz von den ständigen Aufsichtskommissionen, den GPK und den Finanzkommissionen (FK), sowie ihren jeweiligen Delegationen, der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) und der Finanzdelegation (FinDel), wahrgenommen. Bei der parlamentarischen Oberaufsicht handelt es sich um eine politische Kontrolle von Exekutive und Judikative durch das Parlament. Der gesetzliche Auftrag der Oberaufsicht ist in Artikel 169 BV und in den Artikeln 26 und 52 des Parlamentsgesetzes (ParlG) ⁷ verankert. Ihr Hauptauftrag ist es, die Geschäftsführung der Exekutive und der Judikative nach den Kriterien der Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit zu prüfen. Hingegen können die Organe der parlamentarischen Oberaufsicht Entscheide einer Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde aufgrund der Gewaltenteilung weder ändern noch aufheben (Art. 26 Abs. 4 ParlG).
Wenn Vorkommnisse von grosser Tragweite abzuklären sind, können die Räte eine PUK einsetzen. Die Kompetenzen einer PUK umfassen ebenfalls die Untersuchung der Geschäftsführung der Behörden und Organe des Bundes gemäss Artikel 26 und 52 des ParlG. Im Vergleich zu den Geschäftsprüfungs- und Finanzkommissionen verfügen parlamentarische Untersuchungskommissionen über zusätzliche Kompetenzen und Informationsrechte, die vergleichbar sind mit denjenigen der GPDel und der FinDel. Insbesondere können einer PUK keine Geheimhaltungspflichten entgegengehalten werden. Konkret bedeutet dies, dass eine PUK auch Zugang zu als geheim klassifizierten Dokumenten sowie zu Bundesratsprotokollen erhält (Art. 166 Abs. 1 ParlG). Zudem verfügt sie über die Kompetenz, Zeugen (auch Privatpersonen) vorzuladen. Diese sind verpflichtet, vor der PUK zu erscheinen und wahrheitsgemäss Auskunft zu geben, unter Vorbehalt des Zeugnisverweigerungsrechts; Art. 155 Abs. 4 ParlG. Zudem kann eine PUK im Einzelfall Untersuchungsbeauftragte einsetzen (Art. 166 Abs. 2 ParlG). Darüber hinaus erhält sie ein eigenes Sekretariat (Art. 164 Abs. 3 ParlG).
⁷ Bundesgesetz vom 13.12.2002 über die Bundesversammlung (ParlG; SR 171.10 ).
1.2.2 Vorarbeiten zur Einsetzung der PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion»
Kurz nach der Übernahme der CS durch die UBS starteten die ständigen Oberaufsichtskommissionen, die GPK des National- und Ständerates, Vorabklärungen zur Geschäftsführung der Behörden im Kontext der Krise der CS und deren Übernahme durch die UBS (GPK-S am 24. März 2023, GPK-N am 31. März 2023). In ihrer Voruntersuchung vertieften sie die folgenden Themen: die Krisenvorbereitung durch das EFD und den Bundesrat ab Herbst 2022, die Prüfung von Alternativen zur Übernahme der CS durch die UBS, die Anwendung von Notrecht, das Risikomanagement des Bundes, die bisherige Aufsicht über die CS durch die FINMA sowie die Rolle der SNB.
Parallel dazu beschloss das Büro des Nationalrates am 27. März 2023 einstimmig, die Einsetzung einer PUK zu beantragen, um die Verantwortlichkeiten der Behörden und Organe zu klären, die in die Notfusion der CS mit der UBS involviert waren ⁸ .
Die beiden GPK bilanzierten an ihrer gemeinsamen Sitzung vom 15. Mai 2023 die Ergebnisse ihrer Vorabklärungen und stellten fest, dass insbesondere die folgenden Themen vertieft werden sollten: die Krisenfrüherkennung durch das zuständige EFD und der Einbezug des Bundesrates, die Aufsichtstätigkeit der FINMA gegenüber der CS, die Rolle der SNB, die Anwendung von Notrecht, die Evaluation und das Monitoring zur Wirkung der TBTF-Regulierung sowie die Umstände der Beschlussfassung im März 2023. Aufgrund der grossen Tragweite der Ereignisse, der Vielschichtigkeit der Themen, der zahlreichen involvierten Akteure und deren unterschiedlichen Rollen sowie der zusätzlichen Instrumente, die einer PUK im Vergleich zu den GPK zur Verfügung stehen, unterstützten die beiden GPK am 15. Mai 2023 den Antrag des Büros des Nationalrates auf Einsetzung einer PUK. Daraufhin stimmte am 17. Mai 2023 auch das Büro des Ständerates der Einsetzung einer PUK zu.
Am 30. Mai 2023 definierte das Büro des Nationalrates die Eckwerte der PUK und verabschiedete den Bundesbeschluss ⁹ zuhanden des National- und des Ständerates. Die Grösse der PUK wurde auf 14 Mitglieder (je sieben Mitglieder des National- und Ständerates) festgelegt. Mit Beschluss vom 7. Juni 2023 genehmigte der Nationalrat einstimmig die Einsetzung einer PUK. Am 8. Juni 2023 verabschiedete der Ständerat den entsprechenden Bundesbeschluss ebenfalls.
Als Mitglieder der PUK wählte das Büro des Nationalrates am 14. Juni 2023 die folgenden Nationalrätinnen und Nationalräte: Roland Fischer (GLP/LU), Alfred Heer (SVP/ZH), Thomas Matter (SVP/ZH), Leo Müller (Mitte/LU), Roger Nordmann (SP/VD), Franziska Ryser (Grüne/SG) und Daniela Schneeberger (FDP/BL). Das Büro des Ständerates bestimmte die folgenden Ständerätinnen und Ständeräte als Mitglieder der PUK: Philippe Bauer (FDP/NE), Andrea Caroni (FDP/AR), Isabelle Chassot (Mitte/FR), Maya Graf (Grüne/BL), Daniel Jositsch (SP/ZH), Werner Salzmann (SVP/BE) und Heidi Z’graggen (Mitte/UR). Gleichentags wählte die Koordinationskonferenz, bestehend aus den Büros der beiden Räte, Ständerätin Isabelle Chassot (Mitte/FR) zur Präsidentin und Nationalrätin Franziska Ryser (Grüne/SG) zur Vizepräsidentin.
Nach den Wahlen vom 22. Oktober 2023 schieden Ständerat Philippe Bauer (FDP/NE) und Nationalrat Roland Fischer (GLP/LU) aus. Sie wurden zu Beginn der neuen Legislatur durch Ständerat Matthias Michel (FDP/ZG) und Nationalrat Beat Flach (GLP/AG) ersetzt.
⁸ 23.427 n Pa. Iv. Bü-N. Einsetzung einer PUK zur Untersuchung der Verantwortlichkeiten der Behörden und Organe rund um die Notfusion der Credit Suisse mit der UBS
⁹ Bundesbeschluss vom 8.6. 2023 über die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission zur Untersuchung der Geschäftsführung der Behörden im Zusammenhang mit der Notfusion der Credit Suisse mit der UBS ( BBl 2023 1369 )
1.2.3 Auftrag der PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion»
Der Bundesbeschluss vom 8. Juni 2023 über die Einsetzung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission zur Untersuchung der Geschäftsführung der Behörden im Zusammenhang mit der Notfusion der CS mit der UBS lautet (Auszug):
Art. 2
¹ Gegenstand der parlamentarischen Untersuchung bildet die Geschäftsführung der letzten Jahre des Bundesrates, der Bundesverwaltung und anderer Träger von Aufgaben des Bundes im Zusammenhang mit der Notfusion der CS mit der UBS, soweit diese der parlamentarischen Oberaufsicht unterliegen.
² Zu untersuchen ist die Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit der Tätigkeit der in Absatz 1 genannten Behörden und Organe - sowie deren Zusammenwirken untereinander und mit Dritten.
Art. 3
¹ Die Kommission erstattet den beiden Räten Bericht über ihre Untersuchung sowie über allfällige Verantwortlichkeiten und institutionelle Mängel.
² Sie unterbreitet die nötigen Vorschläge für Massnahmen zur Behebung der Mängel.
Der Untersuchungsgegenstand, der zu analysierende Behördenkreis und der Untersuchungszeitraum wurden im Bundesbeschluss bewusst offen gefasst, damit die PUK den Kreis der relevanten Akteure bestimmen und auch den Untersuchungszeitraum festlegen konnte. Anlässlich der Vorbereitungsarbeiten äusserten beide Büros und beide GPK die Ansicht, dass sowohl die Anzahl der Akteure als auch der zu untersuchende Zeitraum weit gefasst werden sollten. Die Untersuchung sollte spätestens bei der Bekanntgabe der umfassenden Strategieüberprüfung durch die CS im Juli 2022 einsetzen.
1.3 Schranken der Untersuchung
Die vorliegende Untersuchung stützt sich auf die Zuständigkeit des Parlaments für die Oberaufsicht über den Bundesrat und die Bundesverwaltung, die eidgenössischen Gerichte und die anderen Träger von Aufgaben des Bundes (Art. 169 BV und Art. 26 ParlG). Der Kreis der beaufsichtigten Stellen ist auch für eine PUK verbindlich. Natürliche und juristische Personen können nur zur Mitwirkung an der Untersuchung aufgefordert werden, wenn ihr Beitrag erforderlich ist, um die Tätigkeit der Bundesbehörden zu beurteilen (Art. 153 Abs. 2 ParlG in Verbindung mit Art. 166 Abs. 1 ParlG). Die Geschäftsführung der CS wie auch jene der UBS konnten somit an sich nicht Gegenstand der Untersuchung sein und wurden nur soweit einbezogen, wie es notwendig war, um das Krisenmanagement der schweizerischen Behörden beurteilen zu können.
Darüber hinaus setzte auch die Einhaltung des Gewaltenteilungsprinzips der Untersuchung der PUK Grenzen. So ist es nicht an der PUK, Rechtsfragen zu beurteilen, die Gegenstand hängiger Gerichtsverfahren sind. Das betrifft insbesondere die Klagen gegen die Abschreibung der AT1-Anleihen, die Aktionärsklagen in Zusammenhang mit der Fusion sowie Schiedsrechtsklagen (zu den hängigen Verfahren siehe Kap. 8.6).
1.4 Organisation und Vorgehen der PUK
1.4.1 Etappierung der Untersuchungsarbeit
Die PUK zur Untersuchung der Geschäftsführung der Bundesbehörden im Kontext der CS-Notfusion nahm ihre Tätigkeit am 16. Juni 2023 auf. Die Kommission verfügte über ein eigenes Sekretariat, dessen Aufgabe es war, die Kommission fachlich, organisatorisch und administrativ zu unterstützen, die Geschäftsführung der verschiedenen Bundesstellen zuhanden der Kommission zu analysieren und Entscheidgrundlagen sowie Berichts- und Empfehlungsentwürfe für die Kommission auszuarbeiten. 1⁰
Ihre Untersuchungsarbeit führte die Kommission in vier Schritten (Phasen) durch. Die erste Untersuchungsphase (Juli/August 2023) diente dazu, die organisatorischen und inhaltlichen Grundlagen für die Untersuchung der PUK zu schaffen. So liess sich die Kommission zu Beginn über die geltenden Rechtsgrundlagen informieren und nahm von den Vorarbeiten der GPK, insbesondere von deren Kurzbericht zuhanden der PUK, Kenntnis. Zudem legte sie ihre Handlungsgrundsätze, ihre Kommunikationsrichtlinien wie auch ihr Informationsschutzkonzept fest. Darüber hinaus nahm sie im Hinblick auf die Ausarbeitung des Untersuchungskonzepts eine erste Auslegeordnung der zentralen Themen und Fragestellungen vor. Auch befasste sie sich mit den zu klärenden Verfahrensfragen und definierte die Eckwerte zur Beauftragung eines externen Verfahrensexperten. Schliesslich forderte sie - soweit ihr Informationsbedarf bereits bekannt war - von verschiedenen betroffenen Stellen wie dem Bundesrat, dem EFD, der FINMA und der SNB die für ihre Arbeiten erforderlichen Unterlagen an. 1¹
In der zweiten Untersuchungsphase (August/September 2023) ging es insbesondere darum, das Untersuchungskonzept festzulegen. Darin konkretisierte die Kommission den vom Parlament generell gehaltenen Auftrag. Sie definierte insbesondere den Untersuchungszeitraum und die zu untersuchenden Behörden. Im Anschluss an die Verabschiedung ihres Konzepts befasste sich die Kommission mit der Frage, ob es für ihre Arbeiten förderlich wäre, die Untersuchung im Rahmen von Subkommissionen gemäss Artikel 45 Absatz 2 und Artikel 165 Absatz 1 ParlG durchzuführen. Von dieser Möglichkeit hatten die letzten drei parlamentarischen Untersuchungskommissionen Gebrauch gemacht. Nach Abwägung der Vor- und Nachteile entschied sich die Kommission gegen die Einsetzung von Subkommissionen. Zudem fällte sie aus verfahrensökonomischen Gründen den Grundsatzentscheid, sowohl mündliche wie auch schriftliche Anhörungen durchzuführen.
In den Phasen 1 und 2 erteilte die PUK auch erste Aufträge an externe Untersuchungsbeauftragte (zu den externen Aufträgen siehe Kap. 1.4.3.2). Zudem liess sie sich von insgesamt zehn externen Expertinnen und Experten verschiedene für die Untersuchung zentrale Themen präsentieren (vgl. Tabelle).
Tabelle 1: Expertinnen- und Expertenreferate vor der PUK
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| Themenfelder | Experten/Expertinnen ¹2 |
|---|---|
| Finanzstabilität / makroprudenzielle Aufsicht / TBTF | Cédric Tille, Professor am Geneva Graduate Institute for International and Development Studies, ehemaliges Mitglied des Bankrats der SNB |
| Peter Zöllner, Head of Banking Department, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) | |
| Bankenrecht / Finanzmarktregulierung | Rolf Sethe, Professor an der Universität Zürich |
| Franca Contratto ¹3 , Professorin an der Universität Luzern, Mitglied der Übernahmekommission | |
| Revisionen / Auditing | Alex Geissbühler, Rechtsanwalt Thomas Wirth, Partner und Leiter Audit Financial Services bei Grant Thornton in Zürich |
| Übernahmerecht / Wettbewerbsrecht | Isabelle Chabloz, Professorin an der Universität Freiburg, Mitglied der Übernahmekommission |
| Kartellrecht | Philipp Zurkinden, Rechtsanwalt und Titularprofessor an der Universität Basel |
| Compliance / Governance | Christian Bovet, Professor an der Universität Genf |
| Krisenkommunikation und Anlegerverhalten / Verhaltensökonomie | Thorsten Hens, Professor an der Universität Zürich |
Die dritte Untersuchungsphase (Oktober 2023 bis Mai 2024) umfasste die Erhebung der Informationen, insbesondere die Durchführung der verschiedenen Anhörungen, die Einforderung weiterer Unterlagen sowie die Analyse der erhaltenen Informationen. Das PUK-Sekretariat analysierte im Auftrag der PUK die durchgeführten Anhörungen und die eingetroffenen Dokumente, erstellte hierzu Arbeitspapiere und Entwürfe für Fragenkataloge im Hinblick auf die weiteren Anhörungen.
In der vierten und letzten Untersuchungsphase (ab Mai 2024) erfolgte die Redaktion des vorliegenden Schlussberichtes, in welchem die Ergebnisse der Untersuchungen, die Schlussfolgerungen und die Empfehlungen zuhanden des Bundesrates dargelegt sind. Zwischen dem 11. Juli und dem 5. August 2024 sowie dem 11. und 25. Oktober wurden die beiden Teile des Berichtsentwurfs (die Sachverhaltsdarstellung und die Feststellungen) den betroffenen Stellen sowie den angehörten Personen zur Konsultation unterbreitet. Ziel dieser Konsultation war es, allfällige Fehler zu korrigieren und zu erörtern, ob öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen der Veröffentlichung einzelner Informationen entgegenstehen. In diesem Rahmen war es der Kommission ein Anliegen, den angehörten Personen das rechtliche Gehör zu gewähren. Sie passte den Berichtsentwurf an, soweit sie dies für angemessen hielt.
Ihre Untersuchung hat die Kommission am 17. Dezember 2024 abgeschlossen, ihren Bericht einstimmig genehmigt und zur Publikation freigegeben. Als nichtständige Kommission wird sie nach der Berichterstattung in den Räten aufgelöst.
1⁰ Die Leitung lag bei der Sekretärin GPK und GPDel, Ursina Jud Huwiler, und ihrem Stellvertreter Stefan Koller, Sekretär FK und FinDel. Das wissenschaftliche Kernteam bestand aus Amando Ammann, Melissa Auderset, Marion Baud-Lavigne, Stefan Diezig, Dominic Etienne, Mirdin Gnägi, Katherine Haller und Tanja Schindler. Das administrative Sekretariat wurde von Yolanda Ritter und Inthuyan Nagamuththu betreut. Über die gesamte Projektdauer ergab dies durchschnittlich rund 8 FTE.
1¹ Dies gilt insbesondere für die Unterlagen zu den Bundesratsbeschlüssen, die Dokumente des EFD zum Krisenmanagement im Zusammenhang mit der CS und die sachdienlichen Dokumente der GPK.
¹2 Die angegebene Funktion entspricht jener, die die angehörten Expertinnen und Experten zum Zeitpunkt ihrer Anhörung durch die PUK innehatten.
¹3 Franca Contratto ist seit 1.1.2024 Vizepräsidentin des Verwaltungsrats der Eidg. Revisionsaufsichtsbehörde.
1.4.2 Fragestellungen und Zeitraum der Untersuchung
Bei der Festlegung des Untersuchungszeitraums war es für die PUK zentral, einen genügend langen Zeitraum vor der CS-Krise abzudecken, um die Ereignisse angemessen einordnen und allfällige relevante Aspekte der Geschäftsführung ermitteln zu können. Als Ausgangspunkt für ihre Untersuchung legte die PUK das Erscheinungsjahr des ersten Evaluationsberichtes des Bundesrates über systemrelevante Banken fest, der sich insbesondere mit der Umsetzung der 2012 in Kraft getretenen TBTF-Regulierung befasste. Dieser Bericht wurde am 18. Februar 2015 veröffentlicht. Die PUK behielt sich aber vor, relevante Ereignisse und Meilensteine, die länger als 2015 zurückliegen und zum Verständnis der nachfolgenden Entwicklungen wichtig sind, in geeigneter Weise in den Bericht zu integrieren (siehe dazu auch Chronologie, im Anhang 4).
In ihrem Untersuchungskonzept unterschied die PUK vier zeitliche Hauptphasen der Geschäftsführung der Behörden im Zusammenhang mit der CS-Krise. Die erste Phase deckt die Geschäftsführung vor der Krise ab, konkret die Ereignisse von 2015 bis und mit Sommer 2022. Die PUK setzte für die Untersuchung der ersten Phase die folgenden Schwerpunktthemen: a) das Monitoring resp. die Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung im Untersuchungszeitraum; b) die Geschäftsführung der drei verschiedenen Aufsichtsinstanzen FINMA, Eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) und SNB; c) die Aufsicht der Bundesbehörden über FINMA, RAB und SNB; d) das Risikomanagement; e) die Krisenfrüherkennung.
Die zweite Phase wird vom Beginn und der Akzentuierung der Krise markiert. Sie dauert von Herbst 2022 bis Mitte März 2023. Im genannten Zeitraum stand die Analyse der Krisenfrüherkennung durch die involvierten Behörden und deren Krisenmanagement im Zuge der sich abzeichnenden CS-Krise im Zentrum. In diese Phase fällt auch der Wechsel der Departemensleitung im EFD, der ebenfalls Teil der Analyse ist.
Die dritte Phase, die Phase der akuten Krise, umfasst die Ereignisse von Mittwoch, 15. März 2023, bis Sonntag, 19. März 2023, dem Tag, als der Bundesrat bekannt gab, die Übernahme der CS durch die UBS zu unterstützen. In dieser Phase wurden insbesondere das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Bundesbehörden sowie ihre Koordination mit der CS und der UBS detailliert untersucht.
Die vierte Phase beinhaltet schliesslich die Umsetzung der Notfusion nach dem 19. März 2023 bis zum Closing der Transaktion zwischen der UBS und der CS am 12. Juni 2023. Der Bericht der PUK bildet soweit angezeigt ebenfalls die nachfolgenden Ereignisse kursorisch ab, um den relevanten Kontext wiederzugeben. Die vierte und letzte Phase stand nicht im Mittelpunkt der Untersuchung der PUK, die sich auf die Phasen 1 bis 3 konzentrierte.
1.4.3 Vorgehen und Methodik
1.4.3.1 Durchgeführte Anhörungen und beigezogene Akten
Die PUK verfolgte das Ziel, ihre Untersuchung auf eine möglichst breite Informations- und Datenbasis abzustützen. Eine zentrale Informationsquelle waren die Anhörungen verschiedener Funktionsträgerinnen und Funktionsträger. Aufgrund der hohen Anzahl durchzuführender Anhörungen beschloss die PUK, sowohl mündliche als auch schriftliche Anhörungen durchzuführen. ¹4 Sie befragte im Rahmen von 79 Anhörungen insgesamt 62 Vertreterinnen und Vertreter der betroffenen Behörden wie auch der CS und der UBS. Angehört wurden alle Bundesrätinnen und Bundesräte sowie
die Direktorinnen und Direktoren der zentralen Akteure und Organe, namentlich des
Staatssekretariates für internationale Finanzfragen
(SIF), der
Eidgenössischen Finanzverwaltung
(EFV), der FINMA, der SNB und der RAB. Die PUK beschränkte sich dabei nicht nur auf die aktuellen Funktionsträgerinnen und Funktionsträger, son
dern deckte mit ihren Anhörungen den gesamten Untersuchungszeitraum ab. Zudem hörte sie
- soweit sie dies als angezeigt erachtete -
ergänzend zu den Leitungspersonen
der verschiedenen Bundesstellen weitere Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Hierarchiestufen an. Darüber hinaus bezog die PUK ebenfalls Behörden ein, die zwar nicht im Zentrum der Krisenbewältigung standen, aufgrund ihres Zuständigkeitsbereichs gleichwohl involviert waren, namentlich das Bundesamt für Justiz (BJ) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Aufgrund der Vielzahl der untersuchten Behörden musste die Kommission die Anzahl der Anhörungen gleichwohl auf ein gewisses Mass beschränken.
Des Weiteren forderte die PUK bei den involvierten Behörden (Bundeskanzlei, EFD, SIF, EFV, FINMA, SNB, RAB, SECO, EJPD) eine Vielzahl von nicht öffentlich zugänglichen Unterlagen an. Ergänzend hierzu stützte sich die PUK auf öffentlich zugängliche Berichte dieser und weiterer Stellen ab. Ebenfalls einbezogen wurden Protokolle der GPK, der FK, der FinDel, der Staatspolitischen Kommissionen (SPK) und der Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben (WAK). Zusätzlich stützte sich die Analyse der PUK auf verschiedene Dokumente von privaten und juristischen Personen. So erhielt sie Zugang zu für die Untersuchung relevanten Auszügen aus Verwaltungsrats-Protokollen der UBS und der CS.
¹4 Die Liste aller angehörten Personen findet sich in Anhang 3.
1.4.3.2 Externe Aufträge
Da die Untersuchung spezifisches Fachwissen in teilweise sehr technischen Fachbereichen erforderte, vergab die PUK verschiedene Aufträge an externe Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer. Da die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger zwingend einschlägige Fachexpertise und Vorerfahrung aufweisen mussten, stellte sich unweigerlich die Frage von allfälligen Interessenbindungen und Interessenkonflikten. Deshalb prüfte die PUK die potenziellen Beauftragten vertieft auf die Frage hin, ob Interessenkonflikte bestehen, die eine Auftragsvergabe ausschliessen könnten. In verschiedenen Themenbereichen bestand die Herausforderung, dass eine Vielzahl der möglichen Offertsteller bereits Aufträge von anderen involvierten Stellen oder Organen ausführten, weshalb sie als Auftragnehmende ausschieden. Dies war insbesondere der Fall bei Themen, bei denen die PUK Untersuchungsbeauftragte (Art. 166 Abs. 2 ParlG) einsetzte. Ihre Aufträge vergab die PUK im Einladungsverfahren. ¹5
Insgesamt liess die PUK zwei Themenbereiche von externen Untersuchungsbeauftragten im Sinne von Artikel 166 Absatz 2 ParlG untersuchen: Die beiden Anwälte Albrecht Langhart und Matthias Hirschle prüften, inwiefern die Enforcementverfahren der FINMA gegenüber der CS rechtmässig, zweckmässig und wirksam waren. Das Büro gw&p AG erhielt von der PUK den Auftrag, die Aufsichtstätigkeit der RAB über die Revisionsstellen, die von der CS beauftragt waren, zu analysieren. ¹6
Zudem gab die PUK zwei Expertisen mit einem rechtsvergleichenden Fokus in Auftrag. Inhalt des Expertenberichts der Rechtsanwältin Lea Hungerbühler war die Frage, wie die schweizerische Finanzmarktgesetzgebung im internationalen Quervergleich zu beurteilen ist. Das Büro gw&p AG erstellte eine vergleichbare Expertise für den Revisionsbereich.
Ein weiterer Schwerpunkt der externen Aufträge bildete die Plausibilisierung der Szenarien der Behörden. Da es sich um eine zentrale Fragestellung handelte und die Resultate erwartungsgemäss von der angewandten Methode abhängen, entschied sich die die PUK zur Vergabe je eines Mandats an die KOF und an das Forschungsbüro BSS.
Zwei Gutachten befassten sich zudem mit verschiedenen Fragestellungen zum sogenannten regulatorischen Filter, den die FINMA 2017 gegenüber der CS verfügt hatte. Es handelte sich hierbei um Erleichterungen hinsichtlich der Erfüllung von Eigenmittelanforderungen. Corinne Zellweger-Gutknecht, Professorin für Finanzrecht an der Universität Basel, analysierte die Rechtmässigkeit des regulatorischen Filters, und Urs Birchler, emeritierter Professor für Bankenökonomie an der Universität Zürich, befasste sich mit dessen ökonomischen Auswirkungen.
Die Beurteilung der Geschäftsführung der CS ist zwar nicht Gegenstand der parlamentarischen Oberaufsicht und war damit nicht Aufgabe der PUK. Dennoch stellte die Lageentwicklung bei der CS eine wichtige Kontextinformation dar, welche die PUK zur Beurteilung der Geschäftsführung der Behörden benötigte. Deshalb holte sie bei den Professoren Jean-Charles Rochet und Harald Hau der Universitäten Zürich und Genf eine Analyse zur Finanzlage der CS gestützt auf öffentliche Quellen zur CS ein.
Tabelle 2: Liste der externen Berichte
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| Auftrag | Auftragnehmer |
|---|---|
| Untersuchungsauftrag zu den Enforcementverfahren der FINMA | Dr. iur. Albrecht Langhart, RA Matthias Hirschle |
| Untersuchungsauftrag zur Revisionsprüfung durch die RAB | gw&p AG Financial Services Advisory (RA Alex Geissbühler, Dr. iur. Milan Jovanovic, Reto Weber) |
| Internationaler Rechtsvergleich TBTF und Finanzmarktaufsicht | RA Lea Hungerbühler, LL.M. |
| Internationaler Rechtsvergleich Revisionsrecht | gw&p AG Financial Services Advisory (RA Alex Geissbühler, Dr. iur. Milan Jovanovic) |
| Plausibilisierung Szenarien | BSS (Dr. rer. pol. Wolfram Kägi) |
| Plausibilisierung Szenarien | KOF (Prof. Jan-Egbert Sturm) |
| Finanzlage CS und international | Prof. Harald Hau, Prof. Jean-Charles Rochet |
| Gutachten zu den Auswirkungen des regulatorischen Filters | Prof. Urs Birchler |
| Kurzgutachten zur Rechtsmässigkeit des regulatorischen Filters | Prof. Corinne Zellweger-Gutknecht |
Die im Rahmen der vergebenen Aufträge entstandenen Berichte werden gleichzeitig mit dem PUK-Bericht publiziert. Die PUK legte den inhaltlichen Auftrag fest und stellte sicher, dass das methodologische Vorgehen transparent ausgewiesen ist und der Inhalt der Berichte dem Pflichtenheft entspricht. Die Verantwortung für die Inhalte liegt bei den Autorinnen und Autoren. Soweit sich die PUK im vorliegenden Bericht auf die Ergebnisse der externen Aufträge abstützt, ist dies ausgewiesen.
¹5 In einem ersten Schritt erstellte das PUK-Sekretariat eine Liste von mehreren potenziellen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern. Anschliessend wurde vom PUK-Sekretariat eine erste Überprüfung hinsichtlich der bestehenden Interessenbindungen und allfälliger Interessenkonflikte vorgenommen. Die Liste der potenziellen Auftragnehmer wurde nachfolgend der PUK zur Genehmigung vorgelegt. Die zur Offertstellung eingeladenen Institute, Kanzleien sowie Expertinnen und Experten hatten anschliessend die Möglichkeit, eine Offerte einzureichen und mussten ihrerseits ihre Interessenbindungen aufzeigen.
¹6 Bei der Vergabe der genannten Untersuchungsaufträge stellte sich die Frage der Interessenbindungen besonders. Aus Transparenzgründen weist die PUK aus, dass der Untersuchungsauftrag im Bereich der Enforcementverfahren an die Anwälte A. Langhart und M. Hirschle ad personam vergeben wurde, ohne Bezug zur Kanzlei, in welcher die beiden genannten Anwälte tätig sind. Andere Angestellte dieser Kanzlei vertreten Kläger im Kontext der Verfahren zur Abschreibung der AT1. Mit umfangreichen Informationsschutzmassnahmen wurde sichergestellt, dass keine Informationen aus dem Untersuchungsbereich an die Kanzlei gelangen konnten. Zur Ausführung der Arbeiten wurde insbesondere ein komplett abgeschlossenes System auf den Servern der Parlamentsdienste eingerichtet, welches einen Datentransfer verunmöglichte. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass zwischen den Enforcementverfahren und den Verfahren zur Abschreibung der AT1 kein inhaltlicher Zusammenhang besteht und die gesamte AT1-Thematik vom Mandat ausgenommen war. Somit konnte das unter fachlichen wie organisatorisch-personellen Kriterien klar am besten bewertete Angebot von Langhart/Hirschle angenommen werden. Das Büro gw&p AG, welches die Untersuchung zur RAB durchführte, nahm seit Mai 2023 ein rein administratives Mandat der Kanzlei Quinn Emanuel wahr, die ebenfalls Kläger im Kontext der AT1-Abschreibung vertritt. Auch hier gab es keine Hinderungsgründe für die Vergabe des Auftrags, da es sich erstens um ein rein administratives Mandat auf der Grundlage einer langjährigen Zusammenarbeit handelte, zweitens die Untersuchungsbeauftragten A. Geissbühler, M. Jovanovic und R. Weber nicht in das erwähnte Mandat involviert waren und drittens ebenfalls kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen der AT1-Abschreibung und dem UB-Mandat bestand. Somit konnte auch hier das unter fachlichen wie organisatorisch-personellen Kriterien klar am besten bewertete Angebot angenommen werden.
1.4.4 Sicherstellung der Informationssicherheit, der Verfahrensrechte und die Ausübung der Informationsrechte
1.4.4.1 Informationssicherheit und öffentliche Kommunikation der PUK während der Untersuchung
Neben dem Grundsatz von Artikel 47 ParlG, dass Beratungen der Kommissionen vertraulich sind, untersteht die PUK der Schweigepflicht nach Artikel 169 ParlG. Diese gilt für alle an den Sitzungen und den Befragungen teilnehmenden Personen. In ihrem Konzept vom 13. Juli 2023 zur Informationssicherheit und zum Datenschutz regelte die PUK ihre Massnahmen zum Schutz ihrer Informationsquellen und des Kommissionsgeheimnisses sowie zur Einhaltung der Schweigepflicht.
Zu den umfangreichen Informationsschutzmassnahmen gehörte insbesondere, dass geheime und besonders sensible vertraulich klassifizierte Dokumente von den PUK-Mitgliedern nur vor Ort in einem ausschliesslich für die Kommissionsmitglieder und Sekretariatsmitarbeitenden zugänglichen Lesezimmer eingesehen werden konnten. Zusätzlich waren an den Anhörungen keine elektronischen Geräte zugelassen, und der Sitzungsort und die Sitzungsdaten wurden nicht öffentlich kommuniziert. Die PUK tagte zudem an verschiedenen Orten, um die Vertraulichkeit der Anhörungen sicherzustellen. Darüber hinaus klassifizierte die PUK alle Unterlagen mit Bezug zur Untersuchung als vertraulich gemäss den Kriterien des Informationssicherheitsgesetzes (ISG) ¹7 . Auch erfolgte der gesamte Mail-Kontakt mit Bezug zum Inhalt der Untersuchung verschlüsselt. Für Kommissionsmitglieder, die - soweit möglich - digital arbeiteten, wurde eine Plattform zur Verfügung gestellt, die den hohen Sicherheitsanforderungen entsprach. ¹8 Zudem absolvierten alle PUK-Sekretariatsmitarbeitenden eine Personensicherheitsprüfung.
Kommunikationsrichtlinien und öffentliche Kommunikation
Aufgrund des grossen öffentlichen Interesses an ihrer Untersuchung und der gesetzlichen Schranken bei der öffentlichen Kommunikation erliess die Kommission eigene Kommunikationsrichtlinien. Die Kommission kommunizierte im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten in regelmässigen Abständen, in der Regel jeweils bei Abschluss von Untersuchungsphasen. Auch wurde über die eingereichten Strafanzeigen informiert. ¹9
¹7 Bundesgesetz vom 18.12.2020 über die Informationssicherheit beim Bund (ISG; SR 128 ).
¹8 SwissTrustRoom, zugelassen für Dokumente bis und mit Klassifizierung «vertraulich»
¹9 «PUK zur CS reicht Strafanzeige gegen Unbekannt ein», Medienmitteilung der PUK vom 5.9.2024; «Informationserhebung der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» weitgehend abgeschlossen», Medienmitteilung der PUK vom 23.5.2024; «Die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) «Geschäftsführung der Behörden zur CS-Notfusion» informiert über den Stand ihrer Arbeiten», Medienmitteilung der PUK vom 23.2.2024; «Die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» ist im Zeitplan», Medienmitteilung der PUK vom 8.9.2023; «Arbeiten der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur CS-Notfusion gestartet», Medienmitteilung der PUK vom 13.7.2023.
1.4.4.2 Verfahrensrechte
Die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen sehen aufgrund der weitreichenden Informations- und Verfahrensrechte der PUK spezifische Verfahrensrechte und -pflichten vor, welche die PUK zu beachten hatte. Dies betrifft einerseits die Rechte und Pflichten einer Person bei ihrer eigenen Anhörung oder Befragung und andererseits weitergehende Rechte, die bestimmten Personengruppen zustehen (Anwesenheit bei Anhörungen anderer Personen, Akteneinsicht etc.; siehe hierzu auch Kap. 14.4.2).
Für die Klärung dieser und weiterer komplexer Verfahrensfragen zog die PUK Yvan Jeanneret, ordentlicher Professor am Departement für Strafrecht der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Genf, als Verfahrensexperten bei. Um eine rechtskonforme und kohärente Praxis sicherzustellen, legte die Kommission unter Beizug des Verfahrensexperten die Vorgehensweise in den verschiedenen Konstellationen in einem Leitfaden fest. Die Angehörten wurden anlässlich ihrer Einladung und unmittelbar vor ihrer Anhörung durch die Kommission über ihre Rechte und Pflichten informiert. Die Anhörungen wurden entsprechend den geltenden Regeln des Parlamentsgesetzes auf einem Tonträger aufgenommen. Nach der Anhörung erhielten die Angehörten die Möglichkeit, die Protokolle zu prüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Ermittlung des Verfahrensstatus
Parlamentarische Untersuchungskommissionen haben die gesetzliche Pflicht, den Verfahrensstatus einer angehörten Person laufend zu ermitteln (vgl. Art. 155 und 168 ParlG). Angehörte Personen haben standardmässig den Status einer Auskunftsperson (Art. 155 Abs. 1 und 2 ParlG). Im Laufe der Ermittlung kann es jedoch angezeigt sein, einer angehörten Person den Status einer von der Untersuchung in ihren Interessen unmittelbar betroffenen Person im Sinne von Artikel 168 Absatz 1 ParlG oder einer Person, gegen die sich die Untersuchung ganz oder vorwiegend im Sinne von Artikel 155 Absatz 3 ParlG richtet, zu verleihen. Deshalb hat die PUK laufend den Status der angehörten Personen ermittelt. Hierzu hat die Kommission verschiedene Kriterien entwickelt, die bei der Frage eines möglichen Wechsels des Verfahrensstatus einer angehörten Person zur Anwendung kamen (vgl. hierzu Kap. 14.4.2). Bis zum Abschluss ihrer Untersuchung kam sie zum Schluss, dass keine Person durch die Arbeiten der PUK unmittelbar in ihren Interessen betroffen ist. Aus diesem Grund nahm sie keine Anpassungen des Verfahrensstatus einer Person vor.
Rechtsstellung des Bundesrates im PUK-Verfahren
Besonders zu erwähnen ist die besondere Rechtsstellung des Bundesrates. Er hat nach Artikel 167 Absatz 1 ParlG das Recht, den Anhörungen beizuwohnen und dabei Ergänzungsfragen zu stellen. Zudem kann er Einsicht in die herausgegebenen Unterlagen, in die Gutachten und die Einvernahmeprotokolle der Untersuchungskommission nehmen. Der Bundesrat bezeichnet ein Mitglied, das ihn gegenüber der Kommission vertritt (Art. 167 Abs. 3 ParlG). Der Bundesrat beschloss am 16. Juni 2023, Frau Bundesrätin Karin Keller-Sutter für diese Funktion zu bezeichnen. Sie wiederum beauftragte alt Bundesrichter Dr. Niklaus Oberholzer als Verbindungsperson zur Wahrnehmung der Rechte des Bundesrates nach Artikel 167 Absatz 1 ParlG. Dr. Oberholzer nahm von einer Ausnahme abgesehen an allen Anhörungen der PUK teil. Zudem erhielt Bundesrätin Karin Keller-Sutter alle Antworten aus den schriftlichen Anhörungen und hätte die Möglichkeit gehabt, schriftliche Zusatzfragen zu stellen. Darüber hinaus wünschte die EFD-Vorsteherin am 30. Juli 2024 Einsicht in die Unterlagen der PUK. Ihr Vertreter nahm anschliessend in den Räumlichkeiten der PUK Einsicht in verschiedene Dokumente. Der Bundesrat konnte sich in Anwendung von Artikel 167 Absatz 2 ParlG an der Sitzung vom 16. Dezember 2024 zum Ergebnis der Untersuchung vor der PUK äussern. Auf der Grundlage der von der bundesrätlichen Delegation eingebrachten Themen sah die Kommission keinen Anpassungsbedarf, zumal sich der Bundesrat in einem Bericht an die Bundesversammlung äussern kann.
Abgrenzung der Untersuchung zu anderen öffentlichen Berichten
Seit der Einsetzung der PUK wurden verschiedene Berichte publiziert, die einen inhaltlichen Bezug zum Untersuchungsauftrag der PUK aufweisen. Es waren dies namentlich der Bericht der SNB zur Finanzstabilität vom September 2023, der Lessons-learned-Bericht der FINMA vom 19. Dezember 2023 sowie der Bericht des Bundesrates zur Bankenstabilität (5. Evaluationsbericht zu systemrelevanten Banken) vom 10. April 2024. Die PUK nahm von diesen Publikationen Kenntnis. Soweit thematische Überschneidungen zu ihrem Untersuchungsgegenstand bestehen, nimmt die PUK im vorliegenden Bericht Bezug auf die genannten Berichte. Allerdings war es nicht die Aufgabe der PUK, die verschiedenen Berichte in ihrer Gesamtheit zu würdigen.
1.4.5 Hauptherausforderungen der Untersuchung
Die PUK hatte im Rahmen ihrer Untersuchung verschiedene Herausforderungen zu bewältigen.
Aufwendige Informationsübergabe von der GPK an die PUK
Die beiden GPK hatten kurz nach der Fusion zwischen der UBS und der CS verschiedene Vorabklärungen durchgeführt, die unter anderem mehrere Anhörungen und die Analyse von verschiedenen Dokumenten umfassten (siehe Kap. 1.2.2). Die Informations- und Verfahrensrechte einer PUK und der GPK unterscheiden sich in wesentlichen Punkten. Da die PUK über weitergehendere Informationsrechte als die GPK verfügt, sehen die rechtlichen Grundlagen der PUK explizit spezifische Rechte für in ihren Interessen betroffene Personen vor. Aufgrund dieser Unterschiede zwischen den ständigen Organen der Oberaufsicht und der PUK erstellten die GPK zuhanden der PUK einen Kurzbericht, in welchem die durchgeführten Anhörungen und die eingeholten Unterlagen ohne Wiedergabe des Inhalts aufgelistet sowie die aus Sicht der GPK zu vertiefenden Fragestellungen abgebildet waren. Die PUK konnte auf dieser Grundlage anschliessend definieren, in welche Protokolle sie Einsicht wünschte. Vor der Herausgabe der Protokolle an die PUK mussten die GPK bei den angehörten Personen und Organen die entsprechende Erlaubnis einholen. Dieses Verfahren erwies sich sowohl für die GPK wie auch für die PUK als aufwendig und für eine effiziente Wahrnehmung der Oberaufsicht wenig zweckmässig (siehe Kap. 14.4.3).
Erste PUK nach neuem Recht
Bei den bisher eingesetzten PUK kamen die Bestimmungen gemäss Geschäftsverkehrsgesetz zur Anwendung. 2⁰ Seit der Einsetzung der letzten PUK wurden die rechtlichen Grundlagen massgeblich revidiert. Die PUK zur Geschäftsführung der Behörden im Kontext der CS-Notfusion ist somit die erste PUK, die nach Massgabe des neuen Rechts eingesetzt wurde. Demnach konnte sich die Kommission nur teilweise auf die bisherige Verfahrenspraxis abstützen und musste einen erheblichen Rechtsinterpretationsaufwand leisten. Dieser band umfangreiche Ressourcen, da der Gesetzgeber das Verfahren der PUK bewusst «nicht zu detailliert geregelt» hatte, damit künftige PUK genügend Handlungsspielraum bei der Erfüllung ihres Auftrags haben. 2¹
Untersuchung der Geschäftsführung im Kontext des Versagens eines Privatunternehmens
Die PUK zur Geschäftsführung der Behörden im Kontext der CS-Krise unterschied sich nicht nur aufgrund des anzuwendenden Rechts von ihren Vorgänger-Kommissionen. Die bisherigen PUK hatten jeweils zum Auftrag, die Hintergründe und Ursachen für gravierende Probleme zu analysieren, die direkt auf die Geschäftsführung der betroffenen Amtsstelle respektive des zuständigen Departements zurückzuführen waren. Es bestand somit jeweils eine direkt und eindeutig feststellbare Kausalität zwischen einer langjährigen stark ungenügenden Geschäftsführung und der daraus resultierenden Missstände. Betroffen von der Untersuchung waren bisher jeweils eine bis zwei Amtsstellen und das zuständige Departement.
Im Rahmen der aktuellen PUK ging es hingegen darum, die Geschäftsführung von mehreren Organen und Behörden im Kontext des Beinahekonkurses eines privatwirtschaftlichen, systemrelevanten Akteurs zu untersuchen, der aufgrund seines langjährigen Missmanagements spätestens ab Sommer 2022 in eine zunehmend bedrohliche Schieflage geraten war und Mitte März 2023 kurz vor der Abwicklung (d. h. Sanierung oder Konkurs) stand. Von der Untersuchung erfasst waren neben dem Gesamtbundesrat und dem eidgenössischen Finanzdepartement somit die FINMA, die SNB, die RAB, das SIF, die EFV und weitere mittelbar betroffene Behörden. Dies bedeutete einerseits, dass deutlich mehr Akteure als in bisherigen PUK-Untersuchungen im Zentrum standen. Bei der SNB, der FINMA und der RAB handelt es sich ferner um verselbstständigte Einheiten, gegenüber welchen die Tragweite der parlamentarischen Oberaufsicht im Vergleich zur Regierung und der zentralen Bundesverwaltung begrenzt ist (siehe unten). Andererseits ist eine direkte Kausalität zwischen dem marktwirtschaftlichen Versagen eines Privatunternehmens und der Geschäftsführung der thematisch betroffenen Behörden nicht per se gegeben. Anders gesagt: Die Verantwortlichkeiten sind im genannten Kontext weniger eindeutig fassbar.
Die Vielzahl der Akteure brachte auch eine äusserst umfassende Dokumentation mit sich, die an die 30 000 Seiten umfasste. Deren Auswertung erwies sich als ausgesprochen aufwendig. Die Triage war sowohl inhaltlich wie auch zeitlich sehr anspruchsvoll, dies auch deshalb, weil die PUK von den Bundesstellen nicht nur die relevanten Unterlagen, sondern beispielsweise auch Dokumente mit Randdaten und Vorversionen von Übersetzungen erhielt, die nicht automatisch herausgefiltert werden konnten. Um die Übersicht sicherzustellen, stützte sich das PUK-Sekretariat für die Auswertung und Analyse der Dokumente auf eine Software ab, die nicht nur eine effiziente Handhabe erlaubte, sondern auch den Anforderungen des Informationsschutzes vollumfänglich genügte.
Sicherstellung Informationsschutz
Wie oben erläutert, gelten für die PUK aufgrund der einzuhaltenden Schweigepflicht respektive der Vertraulichkeit besondere Informationsschutzbestimmungen, deren Einhaltung die Abläufe der PUK teilweise erschwerte und insbesondere einen bedeutenden zeitlichen Zusatzaufwand generierte. Diesbezüglich zu nennen sind unter anderem die Erstellung von persönlich gekennzeichneten Kopien von Dokumenten, die Bereitstellung von umfangreichen Papierdokumentationen für die Einsicht im Lesezimmer, generelle Einschränkungen beim elektronischen Arbeiten und die aufwendige Organisation von vertraulichen Anhörungen (siehe Kap. 1.4.4.1).
Trotz den genannten Informationsschutzmassnahmen kam es während der Untersuchung mutmasslich zu mehreren, punktuellen Indiskretionen. Die PUK reichte deshalb zwei Strafanzeigen gegen Unbekannt ein. 2²
Breite und Umfang der Untersuchung als besondere Herausforderung im Milizsystem
Damit die PUK die aus ihrer Sicht erforderlichen Anhörungen durchführen und die fortlaufend eintreffenden Dokumente verarbeiten konnte, war ein hoher Sitzungsrhythmus unabdingbar. In den sessionsfreien Monaten fanden in der Regel wöchentlich Sitzungen statt, was für die PUK-Mitglieder eine ausgesprochen hohe zeitliche Belastung bedeutete. Teilweise mussten aus Zeitgründen auch mehrere Sitzungen am Rande der Sessionen durchgeführt werden. Auch die Kenntnisnahme und die Verarbeitung der eingegangenen Unterlagen waren mit einem grossen Aufwand verbunden.
Informationsrechte der PUK gegenüber den unabhängigen bzw. verselbstständigten Einheiten
Die Informationsrechte der PUK richten sich gemäss Artikel 166 Absatz 1 ParlG nach jenen der Delegationen der Aufsichtskommissionen (Art. 150 und 153 ff. ParlG). Einerseits bedeutet dies, dass der PUK keinerlei Informationen vorenthalten werden dürfen. Andererseits stellen sich Fragen in Bezug auf die konkrete Anwendung, da der Untersuchungsgegenstand einer PUK viel breiter sein kann, als dies bei Untersuchungen der GPDel oder der FinDel der Fall ist. Vorliegend interessierten in erster Linie die Informationsrechte der PUK gegenüber der RAB, der FINMA und der SNB. Folgende praktischen Fragen musste die PUK angehen:
-
Darf die PUK Mitarbeitende der SNB, welche nicht dem Direktorium angehören, zu einer Anhörung einladen? Welche Modalitäten kommen dabei zur Anwendung?
-
Welche Fragen darf die PUK den Vertreterinnen und Vertretern von SNB, RAB und FINMA stellen? Welche Dokumente darf sie einverlangen?
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Welche Informationen darf die PUK zu laufenden und abgeschlossenen Enforcementverfahren bei der FINMA einholen? Darf sie darüber Bericht erstatten?
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Ist es notwendig, den Bundesrat vor einer Anhörung von Vertreterinnen und Vertretern der RAB, der FINMA und der SNB zu orientieren?
Zur Beantwortung dieser Fragen hat die PUK einerseits ein von den GPK in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten von Prof. Uhlmann ²3 herangezogen und andererseits Abklärungen von einem externen Experten durchführen lassen. Die PUK zog hieraus folgende Schlüsse:
Bei der RAB und der FINMA ist der Gegenstand der Oberaufsicht auf die Aufsichtsbefugnisse des Bundesrates beschränkt. Die Informationsrechte gegenüber der RAB und der FINMA und ihrem Personal richten sich nach den Artikeln 150, 153-156 und 166-170 ParlG, welche jedoch nur für den Aufsichtsbereich des Bundesrates gelten. Im Aufsichtsbereich des Bundesrates kann dieser auch Adressat von Empfehlungen der Oberaufsicht sein. RAB und FINMA sind hingegen nicht direkte Adressaten von Empfehlungen der PUK.
Bezüglich der SNB ist eine noch grössere Zurückhaltung geboten. Im Bereich der Geld- und Währungspolitik ist der Gegenstand der Oberaufsicht und damit auch die Tragweite der Informationsrechte auf die Befugnisse nach Artikel 7 Absatz 2 des Nationalbankgesetzes (NBG) ²4 beschränkt. In diesem Bereich ist es den Organen der Oberaufsicht auch untersagt, Empfehlungen an den Bundesrat zu richten. Diesbezüglich unterscheidet sich die SNB von anderen verselbstständigten oder unabhängigen Verwaltungseinheiten. Ausserhalb des Bereichs der Geld- und Währungspolitik kommen die Informationsrechte nach den Artikeln 150, 153-156 und 166-170 ParlG zur Anwendung.
Umgang mit für Gerichts- und Schiedsverfahren allenfalls relevanten Informationen
Im Rahmen der Verwaltungskonsultation wurde der Berichtsentwurf allen angehörten Stellen und Personen zur Stellungnahme zugestellt. Dabei wurden diese unter anderem gebeten anzugeben, ob Geheimhaltungsinteressen einer Publikation gewisser Informationen durch die PUK entgegenstehen. Verschiedene Stellen und Personen machten in der Folge Geheimhaltungsinteressen geltend. Ein Grossteil dieser Anträge zur Streichung oder Schwärzung wurde damit begründet, dass die Veröffentlichung der jeweils betroffenen Stellen in allfälligen Schieds- oder Gerichtsverfahren gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft verwendet werden könnte. Gleichzeitig wurde geltend gemacht, dass auch die PUK verpflichtet werden könnte, allenfalls Unterlagen an ein Schiedsgericht herauszugeben.
Die PUK beschloss daraufhin, sich von zwei Experten beraten zu lassen. Professor Giovanni Biaggini wurde in erster Linie mit der Beantwortung von staatsrechtlichen Fragen beauftragt, Daniel Hochstrasser mit der Beantwortung von Fragen zu allfälligen internationalen Schiedsgerichtsverfahren. Die Kommission verfolgte damit das Ziel zu eruieren, welche Aspekte in welcher Art veröffentlicht werden dürfen. Stark vereinfacht festgehalten, liegt es an der PUK, eine Abwägung zwischen den Geheimhaltungsinteressen einerseits und der Erfüllung ihres Untersuchungsauftrags andererseits vorzunehmen. Der Untersuchungszweck darf nicht vereitelt werden. Die PUK muss in Ausübung ihres Auftrags der Bundesversammlung gegenüber transparent Bericht erstatten. Damit soll auch das Vertrauen in die beaufsichtigten Behörden und in die parlamentarische Oberaufsicht sichergestellt werden.
Die PUK hat im Sinne einer vorbeugenden Massnahme den vorliegenden Bericht eingehend darauf geprüft, ob Quellenangaben nicht oder nur summarisch wiedergegeben werden können, um Geheimhaltungsinteressen im Rahmen des Möglichen gerecht zu werden, ohne dass sie ihren Untersuchungsauftrag verletzt. Zwei Punkte gilt es hierzu festzuhalten: Erstens beruhen die im PUK-Bericht getätigten Aussagen stets auf Quellen, auch wenn diese Quellen im Einzelfall aufgrund überwiegender Geheimhaltungsinteressen nicht genannt werden. Zweitens ist eine Vielzahl der von der PUK in Betracht gezogenen und zitierten Dokumenten aus unterschiedlichen Rechtsgründen vertraulich. Diese Dokumente werden durch die Erwähnung in den Fussnoten nicht ohne Weiteres zum Bestandteil des Berichtes. Was die Herausgabe von Unterlagen an Gerichte direkt durch die PUK angeht, so ist eine solche gemäss der ständigen Praxis der Organe der parlamentarischen Oberaufsicht ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang ist auf eine Verfügung der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts ²5 hinzuweisen. Dabei ging es in einem Verfahren zweier Kläger gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft betreffend die Übernahme der CS durch die UBS um ein Gesuch, das Verfahren zu sistieren, bis der Bericht der PUK vorliegt. Das Gesuch wurde abgelehnt.
Die PUK kommentiert diesen Zwischenentscheid nicht, hält jedoch fest, dass es sich bei der Untersuchung der PUK um eine politische Aufarbeitung handelt und daher ein Gericht per se nicht daran gebunden sein kann. Dies gilt umso mehr, als dass sich die Verfahren der PUK einerseits und jene vor Bundes- oder Bundesverwaltungsgericht andererseits grundlegend unterscheiden. Die PUK ist keine gerichtliche Behörde.
2⁰ Bundesgesetz vom 23.3.1962 über den Geschäftsverkehr der Bundesversammlung sowie über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ihrer Erlasse (GVG; AS 1962 773 ). Vgl. Kommentar zum Parlamentsgesetz, S. 1076.
2¹ Vgl. den Bericht der Staatspolitische Kommission des Nationalrates vom 1.3.2001 ( BBl 2001 3467 ff., 3609-3610). Vgl. auch BGE 141 I 172 E. 4.3.4 zur Rolle der Oberaufsicht (der Entscheid ist auf Französisch verfasst).
2² «Die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) ‹Geschäftsführung der Behörden zur CS-Notfusion› informiert über den Stand ihrer Arbeiten», Medienmitteilung der PUK vom 23.2.2024; «PUK zur CS reicht Strafanzeige gegen Unbekannt ein», Medienmitteilung der PUK vom 5.9.2024; gemäss den der PUK vorliegenden Informationen sind die Verfahren zum Zeitpunkt der Publikation des vorliegenden Berichtes noch nicht abgeschlossen.
²3 Prof. Uhlmann, Oberaufsicht über die eidgenössische Finanzmarktaufsichtsbehörde (FINMA), Gutachten zuhanden der GPK, 28.8.2013 und Präsentation von Prof. 1.4.5 vor der PUK vom 7.9.2023. Sowohl Prof. Uhlmann als auch Prof. Stöckli bezogen sich einerseits auf die Botschaft zum ParlG, die festhält, dass sich Empfehlungen der Oberaufsicht an den Bundesrat richten. Andererseits stellen beide fest, dass die Botschaft zum FINMAG klarstellt, dass ausschliesslich der Bundesrat Adressat von Empfehlungen der Oberaufsicht sein darf. Insgesamt ist festzuhalten, dass bei der Frage des konkreten Anwendungsbereichs der Oberaufsicht der jeweiligen Spezialgesetzgebung eine wichtige Rolle zukommt. In diesem Sinne ist der gesetzlich garanteirte Autonomiebereich von der Aufsicht durch den Bundesrat und damit von der Oberaufsicht durch das Parlament ausgenommen.
²4 Bundesgesetz vom 3.10.2003 über die Schweizerische Nationalbank (NBG; SR 951.11 ).
²5 Nicht veröffentlichter Zwischenentscheid des BGer vom 15.8.2024
1.5 Aufbau des Berichtes
Der Bericht ist in drei Teile gegliedert. Nach der vorliegenden Einleitung folgen in Teil I die inhaltlichen Grundlagen: Kapitel 2 umfasst einen Kurzabriss des für die Untersuchung relevanten Spezialrechts, während Kapitel 3 die im Fokus stehenden Behörden und Organe beschreibt sowie die Zusammenarbeitsmechanismen zwischen Bundesrat bzw. EFD, FINMA und SNB aufzeigt. Im Anhang findet sich eine tabellarische Chronologie der relevanten Entwicklungen seit 2008 sowie ein Glossar zu den wichtigsten verwendeten Begriffen.
Im nachfolgenden Teil II findet sich die Sachverhaltsdarstellung von 2015 bis 2023: Einleitend schildert Kapitel 4 die relevante Ausgangslage für den Untersuchungszeitraum von 2015 bis 2023, insbesondere die Folgen der internationalen Finanzkrise 2007/08 auf die internationale Finanzmarktregulierung wie auch auf die Finanzmarktregulierung in der Schweiz. Zudem enthält Kapitel 4 die Lehren aus der UBS-Rettung durch den Bund, die die GPK im Jahr 2010 aufgearbeitet hatte. Kapitel 5 markiert den Beginn der eigentlichen Untersuchung der PUK. Konkret geht es um die Geschäftsführung der Behörden in der ersten Phase, ab 2015 bis zum Sichtbarwerden der CS-Krise im Sommer 2022. Das Kapitel ist thematisch aufgebaut, da es einen vergleichsweise langen Zeitraum von sieben Jahren abdeckt. Es werden die folgenden Schwerpunktthemen gesetzt: a) das Monitoring resp. die Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung und des Banken- und Finanzmarktaufsichtsrechts im Untersuchungszeitraum; b) die Geschäftsführung der drei verschiedenen Aufsichtsinstanzen FINMA, RAB und SNB; c) die Aufsicht der Bundesbehörden über FINMA, SNB und RAB; d) das Risikomanagement und die Krisenfrüherkennung des Bundesrates resp. der Bundeskanzlei. Kapitel 6 behandelt anschliessend die Geschäftsführung der Behörden in der ersten Krisenphase bis Mitte März 2023. Diese Phase wird in mehrere Unterphasen unterteilt. Soweit angezeigt, werden zentrale Themen, die über eine längere Zeitdauer untersucht wurden, integral dargestellt. Diese Darstellungsweise hat die PUK beispielsweise bei den Abklärungen zur Anwendung von Notrecht, zur Entwicklung der verschiedenen Szenarien oder zur öffentlichen Kommunikation gewählt. Kapitel 7 deckt die akute Krise vom 15. bis zum 19. März 2023 ab. Auch dieses Kapitel ist chronologisch aufgebaut und übergeordnete Aspekte werden ebenfalls in thematischen Unterkapiteln vertieft. Kapitel 8 betrifft die Umsetzung der Notfusion nach dem 19. März 2023.
Im Teil III bewertet die Kommission die Geschäftsführung der Behörden und spricht Empfehlungen aus. Dieser Teil ist wie folgt aufgebaut: Kapitel 9 behandelt die Frage, wie die Behörden die Rechtsgrundlagen im Untersuchungszeitraum weiterentwickelt und insbesondere sichergestellt haben, dass die Schweizer Regulierung den internationalen Standards entspricht. Nachfolgend bewertet die Kommission in Kapitel 10 das Risikomanagement und die Früherkennung der Bundesbehörden. Kapitel 11 hat die Aufsichtstätigkeit der FINMA, der RAB und der SNB zum Gegenstand. Daran schliessen in Kapitel 12 die Feststellungen der Kommission zur Aufsicht der Bundesbehörden über FINMA, RAB und SNB an. Nachfolgend legt die Kommission in Kapitel 13 ihre Beurteilung zum Krisenmanagement der Bundesbehörden ab Sommer 2022 bis und mit März 2023 dar. In Kapitel 14 vertieft die PUK schliesslich verschiedene übergeordnete Themen, die sich aus ihrer Untersuchung ergeben haben.
Abschliessend folgen in Kapitel 15 die Schlussbemerkungen der Kommission zu den aus ihrer Sicht wesentlichen Aspekten.
| Kasten 1 : Fusion oder Übernahme? Hinweis zur Terminologie In der Öffentlichkeit, aber auch in verwaltungsinternen Dokumenten werden im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss der CS und der UBS die beiden Begriffe «Fusion» und «Übernahme» synonym verwendet. Rechtlich sind die Fusion und die Übernahme aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen und Zuständigkeiten voneinander abzugrenzen:Bei einer (Absorptions-)Fusion übernimmt eine Gesellschaft die Aktiven und Passiven einer anderen. Nach vollzogener Fusion besteht nur noch eine Einheit, und die andere wird aus dem Handelsregister gelöscht. ²6 Anwendbar sind unter anderem das Fusionsgesetz (FusG) und gegebenenfalls das Kartellgesetz (KG) ²7 . Handelt es sich um einen meldepflichtigen Zusammenschluss nach Artikel 9 KG, ist die Wettbewerbskommission (WEKO) grundsätzlich für die Prüfung und Bewilligung von Fusionen zuständig. Bei Zusammenschlüssen von Banken, die der FINMA aus Gründen des Gläubigerschutzes als notwendig erscheinen, tritt die FINMA an die Stelle der WEKO. ²8 Bei einer Übernahme werden die Aktien einer Gesellschaft oder einer Gruppe gekauft. Die beiden Gesellschaften bestehen nach der Übernahme weiter: Die erworbene Gesellschaft wird eine Tochtergesellschaft der übernehmenden Gesellschaft. Gemäss dem Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) ist im Fall einer Übernahme die Übernahmekommission zuständig. ²9 Die CS und die UBS haben am 19. März 2023 einen Fusionsvertrag abgeschlossen (siehe Kap. 7.2.5). Diese Fusion wurde am 12. Juni 2023 rechtlich vollzogen (siehe Kap. 8.2). 3⁰ Folglich wird in diesem Bericht grundsätzlich der Begriff «Fusion» verwendet. Da die Behörden und deren Mitglieder vor allem im Vorfeld der Fusion von einer Übernahme als einem möglichen Lösungsszenario sprachen (siehe Kap. 6.4.3), wird nachfolgend der Begriff «Übernahme» verwendet, wenn aus den Dokumenten der Behörden oder deren Mitglieder zitiert wird. |
Teil I: Grundlagen
²6 Art. 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 3.10.2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (FusG; SR 221.301 ).
²7 Bundesgesetz vom 6.10.1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (KG; SR 251 ).
²8 Die FINMA lädt die WEKO in diesem Fall zur Stellungnahme ein (Art. 10 Abs. 3 KG). Die FINMA kann in jedem Zeitpunkt des Verfahrens und nötigenfalls vor Eingang der Meldung des Zusammenschlussvorhabens den Vollzug der Fusion bewilligen. Auch in diesem Fall ist die WEKO vor ihrem Entscheid zur Stellungnahme einzuladen (Art. 17 der Verordnung vom 17.6.1996 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen; SR 251.4 ).
²9 Art. 126 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 19.6.2015 über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (FinfraG; SR 958.1 ).
3⁰ Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB), Tagesregister-Nr. 23793 vom 12.6.2023
2 Verfassungsrechtliche Grundlagen und relevante Spezialgesetzgebung
Grundsätzlich gilt nach Artikel 27 BV die Wirtschaftsfreiheit auch im Finanzsektor. Artikel 98 BV verleiht dem Bund jedoch die Kompetenz, «Vorschriften über das Banken- und Börsenwesen» und «Finanzdienstleistungen in anderen Bereichen» sowie über das Privatversicherungswesen zu erlassen. Das Geld- und Währungswesen fällt in die Kompetenz des Bundes, wobei die Schweizerische Nationalbank, die «unter Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet» wird, eine «dem Gesamtinteresse des Landes» dienende Geld- und Währungspolitik führt. 3¹ Im Geld- und Kreditwesen kann gemäss Artikel 100 Absatz 3 BV nötigenfalls vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit abgewichen werden. 3²
Nachfolgend wird zuerst in Kapitel 2.1 das für systemrelevante Banken einschlägige Finanzmarktaufsichtsrecht dargestellt. Dabei wird auf die Ziele der Finanzmarktaufsicht, die Hierarchieordnung zwischen dem Finanzmarktaufsichtsgesetz (FINMAG) 3³ als Dachgesetz und den Spezialgesetzen ³4 sowie insbesondere auf das BankG Bezug genommen. Die Entwicklung der TBTF-Regulierung während des Untersuchungszeitraums wird eingehend in Kapitel 5.2 unten behandelt.
Die Darstellung des NBG folgt in Kapitel 2.2. Schliesslich führt Kapitel 2.3 in die Regelung der Aufsicht über die Revision von systemrelevanten Banken ein.
Zusätzlich zur nachfolgend dargestellten Spezialgesetzgebung hat der Bundesrat mittels Notrecht spezielle Rechtsgrundlagen für Massnahmen der Behörden geschaffen, die die Notfusion der CS mit der UBS ermöglicht haben. Diese Massnahmen und die über Notrecht eingeführte Verordnung des Bundesrates werden in Kapitel 7 beschrieben.
2.1 Gesetzgebung betreffend die Aufsicht über systemrelevante Banken
Die Aufsicht über den Finanzmarkt ist im FINMAG geregelt, zuständig ist die FINMA. ³5 Das Ziel der Finanzmarktaufsicht ist der Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger, der Anlegerinnen und Anleger, der Versicherten sowie der Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte. Die Finanzmarktaufsicht trägt damit zur Stärkung des Ansehens, der Wettbewerbsfähigkeit und der Zukunftsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz bei. ³6
Die verfassungsrechtliche Grundlage der Aufsichtstätigkeit der FINMA findet sich in den Artikeln 95 ³7 und 98 ³8 BV. Das FINMAG konkretisiert die Ziele der Finanzmarktaufsicht, regelt die Organisation und Finanzierung der FINMA, deren Aufsichtsinstrumente, die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Stellen, das Verfahren und den Rechtsschutz bei Verfügungen der FINMA und sieht spezielle Strafbestimmungen auf dem Gebiet des Finanzmarktrechts vor.
Neben dem FINMAG als Dachgesetz ³9 unterliegt die Tätigkeit der FINMA sowie der Beaufsichtigten den spezifischen Finanzmarktgesetzen. 4⁰ Dazu gehören das Pfandbriefgesetz (PfG), das Versicherungsvertragsgesetz (VVG), das Kollektivanlagengesetz (KAG), das Bankengesetz (BankG), das Finanzinstitutsgesetz (FINIG), das Geldwäschereigesetz (GwG), das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), das Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) und das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG). Weiter regeln verschiedene Verordnungen des Bundesrates und der FINMA die Aufsicht über die Banken sowie die weiteren Beaufsichtigten. Zudem kommt der FINMA die Aufgabe zu, ihre Aufsichtspraxis in Rundschreiben zu konkretisieren. 4¹
Bankengesetz - Too-big-to-fail-Regulierung
Das BankG regelt die Aufsicht über Banken, die in der Schweiz oder von der Schweiz aus tätig sind. Das BankG wurde per 1. März 2012 durch die TBTF-Regulierung ergänzt. 4² Diese findet auf systemrelevante Banken Anwendung. Systemrelevante Banken sind Banken, deren Ausfall die Schweizer Volkswirtschaft und das schweizerische Finanzsystem erheblich schädigen würde. 4³ Eingeführt wurde das TBTF-Regime nach der Finanzkrise 2007/08. Ziel ist es, systemrelevante Finanzinstitute zu stärken 4⁴ , damit sie nicht vom Staat gerettet werden müssen. Kernelemente des TBTF-Regimes sind die Stärkung der Eigenmittelbasis, strengere Liquiditätsanforderungen, eine bessere Risikodiversifikation sowie organisatorische Massnahmen, die eine Weiterführung von systemrelevanten Funktionen bei drohender Insolvenz gewährleisten. ⁴5
Vor der Notfusion der CS mit der UBS im März 2023 galten die CS, die UBS, die Raiffeisen Gruppe, die Postfinance und die Zürcher Kantonalbank als systemrelevante Banken. ⁴6
Massgeblich für die Qualifizierung als systemrelevant sind die Grösse einer Bank, ihre Vernetzung mit dem Finanzsystem und der Volkswirtschaft sowie die kurzfristige Substituierbarkeit ihrer Dienstleistungen.
⁴7
Zu den systemrelevanten Funktionen zählen das inländische Einlagen- und Kreditgeschäft sowie der Zahlungsverkehr.
⁴8
³5 Art. 6 Abs. 1 FINMAG
³6 Art. 4 FINMAG
³7 Art. 95 Abs. 1 BV sieht vor, dass der Bund Vorschriften über die Ausübung der privatwirtschaftlichen Tätigkeit erlassen kann.
³8 Art. 98 Abs. 1 BV sieht vor, dass der Bund Vorschriften über das Banken- und Börsenwesen erlässt. Die Absätze 2 und 3 betreffen Vorschriften über Finanzdienstleistungen in anderen Bereichen sowie über das Privatversicherungswesen.
³9 Botschaft vom 1.2.2006 zum Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz; FINMAG; BBl 2006 2829 ).
4⁰ Art. 2 Abs. 1 FINMAG
4¹ Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass sich die privaten Akteure auf dem Finanzmarkt über Richtlinien und Empfehlungen selbst regulieren (Selbstregulierung).
4² EFD: Faktenblatt - «Too big to fail»-Regulierung, 1.3.2024, https://www.efd.admin.ch > Finanzplatz > Übernahme der CS durch die UBS > Too-Big-To-Fail-Regulierung (TBTF) (Stand 13.11.2024).
4³ Art. 7 Abs. 1 BankG
4⁴ Botschaft vom 20.4.2011 zur Änderung des Bankengesetzes (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail; BBl 2011 4718 ).
⁴5 Botschaft vom 20.4.2011 zur Änderung des Bankengesetzes (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail; BBl 2011 4719 ).
⁴6 Gemäss Einschätzung des Financial Stability Board (FSB) waren die CS und die UBS vor der Fusion global systemrelevante Banken («G-SIB»). Demgegenüber werden die Raiffeisen Gruppe, die PostFinance und die Zürcher Kantonalbank üblicherweise als inländisch systemrelevante Banken («D-SIB») bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen G-SIB und D-SIB deckt sich mit der Aufsichtskategorisierung der Banken und Wertpapierhäuser durch die FINMA: Die CS und die UBS gehörten bis zur Notfusion zur Aufsichtskategorie 1, während die Raiffeisen Gruppe, die PostFinance und die Zürcher Kantonalbank zur Aufsichtskategorie 2 gehören.
⁴7 Art. 8 Abs. 2 BankG
⁴8 FINMA: Systemrelevante Banken, www.finma.ch > Durchsetzung > Recovery und Resolution > «Too big to fail» und Systemstabilität > Systemrelevante Banken (Stand: 13.11.2024).
2.2 Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank
Das NBG regelt namentlich die Aufgaben der Nationalbank, ihre Unabhängigkeit (siehe Kap. 3.3), ihre Rechenschaftspflicht, den Umfang ihrer Geschäfte mit Finanzmarktteilnehmern, anderen Zentralbanken, internationalen Organisationen und dem Bund, ihre geld- und währungspolitischen Befugnisse, ihre Organisation sowie das für sie geltende Verfahren. Die verfassungsmässigen Grundlagen des NBG finden sich in den Artikeln 99, 100 und 123 BV. Gestützt auf das NBG hat die SNB in der Nationalbankverordnung (NBV) Ausführungsbestimmungen zu ihren geld- und währungspolitischen Befugnissen erlassen. Die Ausführungsbestimmungen betreffen die Erhebung von Statistiken, Mindestreservevorschriften und die Überwachung von systemisch bedeutsamen Finanzmarktinfrastrukturen.
Das NBG enthält allgemeine Bestimmungen über die Geschäfte, die die SNB zur Erfüllung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben tätigen kann. Die SNB hat gemäss NBG insbesondere die Aufgabe, zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen. ⁴9 Die entsprechende Bestimmung ist die Grundlage für eine Reihe von Tätigkeiten und Aufgabenbereichen der SNB. 5⁰ Die SNB hat unter anderem die Pflicht, in einer Finanzkrise als Kreditgeberin in letzter Instanz («Lender of last Resort») für die Aufrechterhaltung der Liquiditätsversorgung zu sorgen (siehe Kap. 3.3). 5¹ Die Voraussetzungen für die Vergabe ausserordentlicher Liquiditätshilfe an Einzelinstitute hat die SNB in ihren Richtlinien über das geldpolitische Instrumentarium dargelegt. 5² Diese Richtlinien schliessen an das geldpolitische Konzept der SNB an. Sie beschreiben die Instrumente und Verfahren zur Umsetzung der Geldpolitik. Ferner legen sie fest, welche Sicherheiten für geldpolitische Operationen mit der SNB verwendet werden können. Die Richtlinien werden durch Merkblätter ergänzt, welche rechtlich verbindlich sind. 5³
Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kreditgeberin in letzter Instanz setzt die SNB lediglich die Konditionen fest, zu denen die Geschäftspartner Liquidität beziehen können. 5⁴ Die SNB hat jedoch nicht die Kompetenz, eine Bank zum Bezug eines Kredits bei ihr zu zwingen. Sie kann Banken auch nicht verpflichten, ihre Sicherheiten für Emergency Liquidity Assistance (ELA) zu erhöhen. 5⁵
Eine weitere Aufgabe der SNB im Bereich Finanzstabilität ist die Bezeichnung von systemrelevanten Banken und Funktionen (Art. 8 Abs. 3 BankG). Die SNB verfügt über einen weiten Ermessensspielraum bei der Beurteilung, ob die gesetzlichen Kriterien für die Bezeichnung einer Bank als systemrelevant in einem konkreten Fall erfüllt sind. ⁵6 Zudem stellt die SNB gestützt auf Artikel 44 der Eigenmittelverordnung (ERV) dem Bundesrat Antrag auf Aktivierung, Anpassung oder Deaktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers . Sie hört die FINMA vorgängig zum Antrag an und informiert gleichzeitig das EFD. Der antizyklische Kapitalpuffer bezweckt, die Widerstandsfähigkeit der Banken gegenüber den Risiken eines übermässigen Kreditwachstums zu stärken und einem übermässigen Kreditwachstum entgegenzuwirken. ⁵7 Er wirkt sich auf die von den systemrelevanten Banken zu haltenden Eigenmittel aus.
Schliesslich begründet die Aufgabe, einen Beitrag zur Finanzstabilität zu leisten, auch die Pflicht der SNB, bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen des Schweizer Finanzplatzes mitzuwirken. Auf nationaler Ebene beteiligt sich die SNB gemeinsam mit der FINMA an Reformprojekten des EFD. Auf internationaler Ebene ist sie permanent im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS), im Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen (CPMI) sowie im Financial Stability Board (FSB) vertreten und nimmt Einsitz in zahlreichen Ausschüssen und Arbeitsgruppen, die mit der Ausarbeitung einschlägiger internationaler Standards betraut sind. So hat die SNB namentlich bei der Ausarbeitung internationaler Standards zur Aufsicht über systemrelevante Banken und zu deren Abwicklung mitgewirkt. ⁵8
Damit die SNB die Stabilität des Finanzsystems überwachen kann, muss sie zeitnah auf aussagekräftige Daten und Informationen zugreifen können. Gestützt auf Artikel 14-16 NBG kann sie direkt bei den Finanzmarktteilnehmern statistische Angaben erheben. Mit Artikel 16 a NBG hat der Gesetzgeber darüber hinaus für den Bereich der Finanzstabilität einen eigenständigen, rechtlich durchsetzbaren Zugang der SNB zu Daten nichtstatistischer Natur geschaffen. ⁵9
⁴9 Art. 5 Abs. 2 Bst. e NBG
5⁰ Grünewald, Seraina (2021): Kommentar zu Art. 5 Abs. 2 Bst. e NBG. In: Plenio, Martin / Senn, Myriam (Hrsg.): Kommentar zum Nationalbankgesetz und Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel. Zürich/St.Gallen: Dike Verlag AG, Rz. 23.
5¹ Art. 9 Abs. 1 Bst. e NBG
5² Grünewald, Seraina (2021): Kommentar zu Art. 5 Abs. 2 Bst. e NBG. In: Plenio, Martin / Senn, Myriam (Hrsg.): Kommentar zum Nationalbankgesetz und Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel. Zürich/St. Gallen: Dike Verlag AG, Rz. 24.
5³ SNB (2004): Richtlinien der Schweizerischen Nationalbank über das geldpolitische Instrumentarium vom 25.3.2004 (Stand 17.6.2024), S. 1.
5⁴ SNB (2004): Richtlinien der Schweizerischen Nationalbank über das geldpolitische Instrumentarium vom 25.3.2004 (Stand 17.6.2024), S. 1.
5⁵ Stellungnahme der SNB vom 31.7.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
⁵6 Grünewald, Seraina (2021): Kommentar zu Art. 5 Abs. 2 Bst. e NBG. In: Plenio, Martin / Senn, Myriam (Hrsg.): Kommentar zum Nationalbankgesetz und Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel. Zürich/St.Gallen: Dike Verlag AG, Rz. 27.
⁵7 «Antizyklischer Kapitalpuffer: Antrag der Schweizerischen Nationalbank und Entscheid des Bundesrates», Medienmitteilung der SNB vom 13.2.2013, S. 3.
⁵8 Grünewald, Seraina (2021): Kommentar zu Art. 5 Abs. 2 Bst. e NBG. In: Plenio, Martin / Senn, Myriam (Hrsg.): Kommentar zum Nationalbankgesetz und Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel. Zürich/St.Gallen: Dike Verlag AG, Rz. 39.
⁵9 Grünewald, Seraina (2021): Kommentar zu Art. 5 Abs. 2 Bst. e NBG. In: Plenio, Martin / Senn, Myriam (Hrsg.): Kommentar zum Nationalbankgesetz und Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel. Zürich/St.Gallen: Dike Verlag AG, Rz. 5.
2.3 Rechtliche Regelung der Aufsicht über die Revisionen von systemrelevanten Banken
Die Rechnungsprüfung und die Aufsichtsprüfung von Banken richtet sich nach den Vorgaben des OR, des Revisionsaufsichtsgesetzes (RAG) 6⁰ , der Revisionsaufsichtsverordnung (RAV) 6¹ , des FINMAG, der Finanzmarktprüfverordnung (FINMA-PV) 6² , des BankG, der Bankenverordnung (BankV) 6³ und des Rundschreibens 2013/3 der FINMA (FINMA-RS 2013/13). In diesem Bereich haben sowohl die RAB als auch die FINMA Aufgaben.
Gemäss geltendem Recht werden die Banken im Rahmen der Aufsichtsprüfung durch von der RAB zugelassene Prüfgesellschaften geprüft. 6⁴ Diese sind dabei als sogenannter «verlängerter Arm» der FINMA tätig: Sie kontrollieren die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen gemäss den Vorgaben der FINMA. Es handelt sich somit um ein duales Aufsichtssystem.
In einem jährlichen Bericht zur aufsichtsrechtlichen Prüfung von Banken und Wertpapierhäusern teilen die Prüfgesellschaften ihre Feststellungen der FINMA mit.
6⁵
Die RAB und die FINMA müssen einander seit 2007 von Gesetzes wegen alle Auskünfte erteilen und Unterlagen übermitteln, die sie für die Durchsetzung der jeweiligen Gesetzgebung benötigen. Sie sind gesetzlich verpflichtet, ihre Aufsichtstätigkeiten zu koordinieren, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden.
6⁶
Die RAB und die FINMA haben ihre Zusammenarbeit in einem Schreiben vom 30. Januar 2015 geregelt, das die Kooperation in verschiedenen Bereichen konkretisiert.
⁶7
Schliesslich müssen Banken ihre Jahres- und Konzernrechnung im Rahmen der
Rechnungsprüfung
von einem staatlich beaufsichtigten Revisionsunternehmen prüfen
lassen.
⁶8
Sie wählen die Prüfgesellschaften für die Aufsichts- sowie die Rechnungsprüfung gemäss Gesetz selbst.
⁶9
In der Praxis
beauftragen sie regelmässig ihre statutarische Revisionsstelle (Rechnungsprüfung) auch mit der Aufsichtsprüfung. Die Prüfgesellschaften werden von den Banken für ihre Dienstleistungen vergütet. Gemäss RAG benötigen die genannten Prüfgesellschaften eine besondere Zulassung und stehen unter staatlicher Aufsicht der RAB.
7⁰
Die RAB ist für die Durchsetzung (Enforcement) des Revisionsaufsichtsrechts zuständig.
Die Zulassungsvoraussetzungen für die Prüfgesellschaften finden sich im RAG und dessen Ausführungsverordnung, der RAV. Die leitenden Revisoren (Rechnungsprüfung) und die leitenden Prüfer (Aufsichtsprüfung), welche die Verantwortung für das Revisions- oder Prüfmandat haben und den Revisions- oder Prüfbericht unterzeichnen, müssen von der RAB als Revisionsexperten zugelassen sein. Leitende Prüfer (Aufsichtsprüfung) brauchen zudem eine Sonderzulassung der RAB als Bankenprüfer. 7¹
6⁰ Bundesgesetz über die Zulassung und Beaufsichtigung der Revisorinnen und Revisoren (RAG; SR 221.302 ).
6¹ Verordnung vom 22.8.2007 über die Zulassung und Beaufsichtigung der Revisorinnen und Revisoren (RAV; SR 221.302.3 ).
6² Finanzmarktprüfverordnung vom 5.11.2014 (FINMA-PV; SR 956.161 ).
6³ Verordnung vom 30.4.2014 über die Banken und Sparkassen (Bankenverordnung, BankV; SR 952.02 ).
6⁴ Art. 24 Abs. 1 Bst. a FINMAG i. V. m. Art. 18 Abs. 1 BankG; FINMA- RS 2013 /3 «Prüfwesen», Ziff. 1.
6⁵ FINMA: Der verlängerte Arm der FINMA, www.finma.ch > Überwachung > Branchenübergreifende Themen > Prüfwesen (Stand 13.11.2024).
6⁶ Art. 22 RAG; Art. 28 FINMAG.
⁶7 Geissbühler, Alex / Jovanovic, Milan (2024): Internationaler Rechtsvergleich zur Regulierung der Revisionsaufsicht. Bericht vom 24.5.2024 im Auftrag der PUK, S. 46.
⁶8 Art. 18 Abs. 2 BankG
⁶9 Art. 24 Abs. 1 Bst. a FINMAG i. V. m. Art. 18 Abs. 1 BankG sowie Art. 18 Abs. 2 BankG
7⁰ Art. 7 Abs. 1 sowie Art. 9 und Art. 9 a Abs. 1 RAG
7¹ Art. 9 a Abs 2 RAG
3¹ Art. 99 Abs. 2 BV
3² Nobel, Peter (2019): Schweizerisches Finanzmarktrecht. 4., vollständig überarb. Aufl. Bern: Stämpfli Verlag AG, Rz. 60.
3³ Bundesgesetz vom 22.6.2007 über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz, FINMAG; SR 956.1 ).
³4 Kunz, Peter V. (2014): Kreuzfahrt durch’s schweizerische Finanzmarktrecht. Bern: Stämpfli Verlag AG, S. 13 f.
3 Rolle und Kompetenzen der hauptbetroffenen Behörden und Organe
Wie aus Kapitel 2 hervorgeht, nehmen verschiedene Behörden und Organe eine Funktion bei der Gewährleistung der Stabilität des schweizerischen Finanzmarkts und der Aufsicht über diesen wahr. Dementsprechend waren verschiedene Stellen an der Bewältigung der CS-Krise beteiligt. Im folgenden Kapitel werden die Rollen und Kompetenzen der hauptbetroffenen Behörden und Organe dargelegt.
3.1 Bundesrat und zentrale Bundesverwaltung
Einleitend ist festzuhalten, dass der Bund umfassende Gesetzgebungskompetenzen im Finanzmarktbereich hat (Art. 98 BV). Das EFD als zuständiges Departement hat das Ziel, im Rahmen der Finanzmarktpolitik zur Wahrung des Ansehens und der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz beizutragen. 7²
Der bundesrätliche Ausschuss Finanzfragen ist ein Organ des Bundesrates im Sinne von Artikel 23 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG). 7³ Der Ausschuss berät die aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage unter Einschluss der geld- und währungspolitischen Ausrichtung der SNB. Weiter behandelt der Ausschuss internationale Finanz-, Steuer- und Währungsfragen sowie Fragen der Finanzmarktregulierung und -stabilität. Er setzt sich zusammen aus den Departementsvorsteherinnen und -vorstehern des EFD, des UVEK und des WBF. Die Departementsvorsteherin oder der Departementsvorsteher des EFD hat den Vorsitz inne. 7⁴
Im Rahmen des Risikomanagements Bund ist das Risiko «Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts» seit Langem erkannt und Teil des Risikoreportings an den Bundesrat (Bundesratsrisiko). Das EFD trägt die Verantwortung für dieses Risiko und ist verpflichtet, den Bundesrat bei einer ausserordentlichen Risikosituation umgehend zu informieren (siehe Kap. 5.7).
Das SIF erarbeitet unter anderem die Grundlagen der Finanzmarktpolitik und der Finanzmarktregulierung sowie die Rechtserlasse im Bereich der Finanzmarktregulierung. Es fördert die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Integrität des Finanzplatzes Schweiz, den Zugang zu ausländischen Finanzmärkten und die Stabilität des schweizerischen Finanzsektors. Zu den Aufgaben des SIF zählt zudem die Interessenwahrung der Schweiz in internationalen Finanz-, Steuer- und Währungsangelegenheiten gegenüber dem Ausland. Dabei vertritt das SIF die Schweiz unter anderem - gemeinsam mit der SNB - im FSB. Es betreut für das EFD und in Zusammenarbeit mit der SNB die Mitgliedschaft der Schweiz im Internationalen Währungsfonds (IWF). Das SIF pflegt die Beziehungen des Bundes zur SNB im Bereich der internationalen Währungszusammenarbeit und der Finanzmarktstabilität sowie die Beziehungen zur FINMA. 7⁵ Innerhalb des EFD ist das SIF Eigner des Risikos «Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts».
Die EFV befasst sich mit nationalen Finanz- und Wirtschaftsfragen, bereitet Vorlagen vor, welche die Nationalbank betreffen, und erstellt wissenschaftliche Grundlagen zu wirtschafts- und insbesondere finanzpolitischen Themen. Sie ist ferner für die Rechtsetzung auf den Gebieten des Finanzhaushalts-, des Währungs- und des Nationalbankrechts zuständig, soweit nicht die Finanzmarktstabilität betroffen ist. Sie pflegt die Beziehungen des Bundes zur SNB, soweit nicht das SIF zuständig ist. 7⁶
Die Zusammenarbeit und die Koordination zwischen dem EFD, der FINMA und der SNB im Bereich Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung, insbesondere im Hinblick auf die Prävention und die Bewältigung von Krisen, welche die Stabilität des Finanzsystems bedrohen könnten, wird in Kapitel 3.6 näher beschrieben.
Als Stabsstelle des Bundesrates übernimmt die Bundeskanzlei (BK) die Planung und Durchführung der Bundesratssitzungen sowie die Protokollierung der Bundesratssitzungen. Zudem ist die BK für die Krisenfrüherkennung des Bundesrates zuständig. 7⁷
Das BJ führt die präventive Rechtskontrolle durch, und das SECO ist das Kompetenzzentrum des Bundes für Fragen der Wirtschaftspolitik (zu diesen beiden Stellen siehe Kap. 3.7).
7² Art. 1 Abs. 3 Bst. c Organisationsverordnung für das Eidgenössische Finanzdepartement vom 17.2.2010 (OV-EFD; SR 172.215.1 ).
7³ Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21.3.1997 (RVOG; SR 172.010 ).
7⁴ Mandat und Organisation des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 23.3.2016
7⁵ Art. 7 OV-EFD
7⁶ Art. 8 OV-EFD
7⁷ Organisationsverordnung für die Bundeskanzlei vom 29.10.2008 (OV-BK; SR 172.210.10 ).
3.2 Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA)
Die FINMA ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit und Sitz in Bern. ⁷8 Sie ist als verselbstständigte Einheit der dezentralen Bundesverwaltung administrativ dem EFD zugeordnet. ⁷9 Mit dem Inkrafttreten des FINMAG am 1. Januar 2009 wurden die zuvor getrennten Aufsichtsbehörden Eidgenössische Bankenkommission (EBK), Bundesamt für Privatversicherungen (BPV) und die Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei (Kst GwG) in einer einzigen Behörde, der FINMA, zusammengeführt (sogenannte integrierte Finanzmarktaufsichtsbehörde). Mit der Schaffung der FINMA war das Ziel verbunden, die institutionelle Struktur der Aufsicht zu verbessern, um die sich fortwährend ändernden und von grosser Komplexität geprägten Aufgaben der Aufsicht rascher, effizienter und koordiniert wahrnehmen zu können. 8⁰
Die FINMA übt die Aufsicht gemäss dem FINMAG und den Finanzmarktgesetzen aus (siehe Kap. 2.1). Sie ist für die sogenannte mikroprudenzielle Aufsicht zuständig, beaufsichtigt also einzelne Institute. 8¹ Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen Verordnungen erlassen und veröffentlicht Rundschreiben über die Anwendung der Finanzmarktgesetzgebung. 8²
Die Aufsicht der FINMA umfasst die Bewilligung der in der Schweiz tätigen Finanzinstitute, die laufende Überwachung der Aktivität der Finanzinstitute, die Durchsetzung des Finanzmarktaufsichtsrechts in sogenannten Enforcementverfahren und die Abwicklung von systemrelevanten Banken. Nach Massgabe der einzelnen Finanzmarktgesetze kann die FINMA die Prüfung der Beaufsichtigten selbst ausführen oder durch Prüfgesellschaften vornehmen lassen, die von den Beaufsichtigten beauftragt werden (sogenanntes duales Aufsichtssystem; siehe Kap. 5.4). Die Zulassung und Beaufsichtigung dieser Prüfgesellschaften obliegt der RAB.
Die Aufsichtsinstrumente der FINMA für die laufende Überwachung von Banken umfassen unter anderem Vor-Ort-Kontrollen, jährliche Beurteilungen der Schwachstellen und Risikoeinstufungen der Banken (sogenannte Assessment-Briefe), die periodische Überprüfung der Auswirkungen einer möglichen Krise auf Eigenmittel, Liquidität und Solvenz einer Bank (sogenannte Stresstests), periodische Daten- und Informationserhebungen sowie Rügeschreiben. Demgegenüber kommt den Banken die Pflicht zu, der FINMA alle Auskünfte zu erteilen und Unterlagen herauszugeben, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt. 8³
Verfügt die FINMA über Hinweise auf Verstösse gegen das Aufsichtsrecht, klärt sie diese in Enforcementverfahren ab und ergreift Massnahmen zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands sowie zur präventiv wirkenden Sanktionierung von Gesetzesverstössen. 8⁴ Zur Durchsetzung des Aufsichtsrechts kann die FINMA beispielsweise vorsorgliche Massnahmen ergreifen, die Eröffnung eines Verfahrens anzeigen, die schwere Verletzung von Aufsichtsrecht feststellen, die Gewähr für die einwandfreie Geschäftstätigkeit absprechen (siehe Kap. 5.3.2), ein Berufs- oder Tätigkeitsverbot aussprechen, aufsichtsrechtliche Verfügungen veröffentlichen, unrechtmässig erzielte Gewinne einziehen oder die Bewilligung entziehen. 8⁵ Ihre Entscheide erlässt die FINMA in Form von Verfügungen, die Gegenstand einer Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht sein können. 8⁶
Die FINMA ist auch für Massnahmen zur Stabilisierung der Banken im Krisenfall zuständig.
Gerät ein Institut in Schwierigkeiten, wird es von der FINMA dabei unterstützt, sich im Rahmen einer
Recovery
zu stabilisieren. Bei Insolvenzgefahr kann die FINMA Schutzmassnahmen oder eine Sanierung anordnen. Scheitert die Sanierung, ist die FINMA für die Abwicklung des Konkurses zuständig.
Sie orientiert sich an Empfehlungen internationaler Gremien wie dem FSB sowie Empfehlungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).
Der FINMA obliegt es zudem, Aufgaben der internationalen Finanzpolitik zu übernehmen. 8⁷ Zu diesem Zweck vertritt sie die Schweizerische Eidgenossenschaft in verschiedenen Gremien und Organisationen, die internationale Standards der Finanzmarktaufsicht setzen, einschliesslich des BCBS, der Internationalen Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden (Iais), der Internationalen Organisation für Effektenhandels- und Börsenaufsichtsbehörden (Iosco) und der Financial Action Task Force (FATF). Zudem tauscht die FINMA im Rahmen von sogenannten Colleges Informationen über Finanzgruppen, die sie beaufsichtigt, mit ausländischen Aufsichtsbehörden aus. Ziel der internationalen Zusammenarbeit ist es, einen Beitrag an internationale Standards zu leisten und den Informationsaustausch zu fördern.
Die Organe der FINMA sind der Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung und die Revisionsstelle. Der Verwaltungsrat ist zuständig für die strategische Ausrichtung: Er legt die strategischen Ziele der FINMA fest und entscheidet über Geschäfte von grosser Tragweite. 8⁸ Die Geschäftsleitung verantwortet die operative Tätigkeit. ⁸9
Die FINMA übt ihre Aufsichtstätigkeit in funktioneller, institutioneller und finanzieller Hinsicht selbstständig und unabhängig aus. Sie muss dem Bundesrat, dem Parlament und der Öffentlichkeit Rechenschaft über ihre Tätigkeit ablegen. Diese Pflicht erfüllt der Verwaltungsrat der FINMA mit dem jährlichen Geschäftsbericht zur Rechenschaftsablage. Ansprechpartner der FINMA in Belangen, die den Bundesrat betreffen, ist das EFD. 9⁰ Die Aufsichtstätigkeit der Bundesbehörden über die FINMA wird in Kap. 3.5.2 erläutert.
Die FINMA finanziert sich ausschliesslich über Gebühren und Abgaben, die sie bei den von ihr beaufsichtigten Instituten erhebt. 9¹
⁷8 Art. 5 Abs. 1 FINMAG. Die Einführung des FINMAG am 1.1.2019 erlaubte die Zusammenlegung der Aufsichtsbehörden Eidgenössische Bankenkommission (EBK), Bundesamt für Privatversicherungen (BPV) und Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei (Kst GwG) innerhalb einer einzigen Behörde, der FINMA.
⁷9 Anhang 3 Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25.11.1998 (RVOV; SR 172.010.1 ).
8⁰ Roth, Monika (2013): Der FINMA-Verwaltungsrat und die Strategie - und sagte kein einziges Wort? In: ZBJV 2013/149, S. 986.
8¹ Art. 6 Abs. 1 FINMAG
8² Art. 7 Abs. 1 FINMAG
8³ Art. 29 Abs. 1 FINMAG
8⁴ FINMA: Leitlinien zum Enforcement, 25.9.2014, S. 2, www.finma.ch > Durchsetzung > Alles zur Durchsetzung (Stand 13.11.2024).
8⁵ Art. 24 ff. FINMAG
8⁶ Art. 53 und 54 Abs. 1 FINMAG i. V. m. Art. 33 Bst. e Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht vom 17.6.2005 (VGG; SR 173.32 ).
8⁷ Botschaft vom 1.2.2006 zum Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht ( BBl 2006 2860 )
8⁸ Art. 9 Abs. 1 Bst. a und b FINMAG
⁸9 Die Aufgaben der Geschäftsleitung sind im Organisationsreglement der FINMA festgelegt (Art. 10 Abs. 3 FINMAG).
9⁰ Rayroux, François / Conti, Christelle (2019): Kommentar zu Art. 21 FINMAG. In: Watter, Rolf / Bahar, Rashid (Hrsg.): Basler Kommentar zum Finanzmarktaufsichtsgesetz / Finanzmarktinfrastrukturgesetz. Basel: Helbing Lichtenhahn Verlag, Rz. 21.
9¹ Sie erhebt Gebühren für Aufsichtsverfahren im Einzelfall und für Dienstleistungen. Zudem erhebt sie von den Beaufsichtigten jährlich pro Aufsichtsbereich eine Aufsichtsabgabe für die Kosten der FINMA, die durch die Gebühren nicht gedeckt sind (Art. 15 Abs. 1 FINMAG). Die Gebühren und Abgaben werden verursachergerecht festgelegt, sodass die FINMA bei ausgewiesenem Bedarf das Kostenniveau anpassen kann. Vgl. www.finma.ch > FINMA > Organisation > Finanzierung (Stand: 4.7.2024). Die Erhebung der Gebühren und Aufsichtsabgaben durch die FINMA ist in der Verordnung über die Erhebung von Gebühren und Abgaben durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht vom 15.10.2008 (FINMA-GebV; SR 956.122 ) geregelt.
3.3 Nationalbank (SNB)
Die SNB ist die Zentralbank der Schweiz. Sie verfügt über das Banknotenmonopol und hat den Auftrag, die Geld- und Währungspolitik des Landes zu führen. Die SNB erfüllt diesen Auftrag unabhängig, 9² tauscht sich jedoch regelmässig mit dem Bundesrat aus, legt der Bundesversammlung Rechenschaft ab und informiert die Öffentlichkeit periodisch über ihre Tätigkeit. 9³ Die Verantwortlichkeiten des Bundes bei der Beaufsichtigung der SNB werden in Kapitel 3.5.1 beschrieben.
Das NBG überträgt der SNB die Aufgabe, zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen (siehe Kap. 5.5). 9⁴ Die SNB nimmt diese Aufgabe wahr, indem sie die Gefahrenquellen für das Finanzsystem 9⁵ analysiert, die systemrelevanten Finanzmarktinfrastrukturen 9⁶ überwacht und bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für den Finanzplatz Schweiz mitwirkt. Ein spezielles Augenmerk gilt der Resilienz der systemrelevanten Banken. 9⁷ Die Nationalbank veröffentlicht jährlich einen Bericht zur Finanzstabilität, in welchem sie eine Einschätzung der Stabilität des Schweizer Bankensektors vornimmt und Stellung zu den Entwicklungen und Risiken im gesamtwirtschaftlichen Umfeld sowie im Bankensektor bezieht. 9⁸ In einem Krisenfall erfüllt die Nationalbank ihren Auftrag, indem sie als Kreditgeberin in letzter Instanz ( Lender of Last Resort ) auftritt. Sie kann einer Bank, die sich nicht mehr auf dem Markt refinanzieren kann, Liquidität bereitstellen. 9⁹ Unter den geldpolitischen Instrumenten der SNB ist auch die Engpassfinanzierungs-Fazilität (EFF) zu erwähnen. Mit diesem Instrument kann die SNB ihren Geschäftspartnern Liquidität zur Verfügung stellen, damit diese kurzfristig einen unerwarteten Liquiditätsengpass überbrücken können. Die SNB legt die Bedingungen fest, zu denen ihre Geschäftspartner Liquidität erhalten können, aber jede Liquiditätsbereitstellung muss von der betreffenden Partei, z. B. einer Bank, schriftlich beantragt werden. 10⁰
Im Rahmen ihres Auftrags, zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen, arbeitet die SNB auf nationaler Ebene mit der FINMA und dem EFD zusammen (siehe Kap. 3.6). Sie nimmt eine systemische Sichtweise ein und konzentriert sich deshalb auf die makroprudenziellen Aspekte der Regulierung. Die mikroprudenzielle Aufsicht gehört dagegen zu den Aufgaben der FINMA (siehe Kap. 3.2). Auf internationaler Ebene ist die SNB in verschiedenen Gremien vertreten, die sich mit Fragen der Finanzstabilität, der Finanzmarktregulierung und der Finanzmarktinfrastrukturen befassen. Die Präsidentin oder der Präsident des Direktoriums der SNB 1⁰1 ist beispielsweise im obersten Entscheidungsgremium des Internationalen Währungsfonds (IWF) vertreten. Die SNB arbeitet ausserdem in den ständigen Ausschüssen der BIZ mit. Zudem ist sie in der Plenarversammlung, im Steuerungsausschuss sowie im Ausschuss für die Beurteilung von Risiken des FSB vertreten. Im Weiteren ist die SNB Mitglied verschiedener Ausschüsse der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und nimmt auf Einladung am sogenannten Finance Track teil, d. h. an den Treffen der Finanzministerinnen und -minister sowie der Zentralbankchefinnen und -chefs der G-20. 1⁰2
Das geschäftsleitende und ausführende Organ der SNB ist das Direktorium. 1⁰3 Es besteht aus drei Mitgliedern und ist insbesondere für die Geld- und Währungspolitik, die Strategie zur Anlage der Aktiva, den Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems und die internationale Währungskooperation zuständig. 1⁰4 Die Mitglieder und die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums werden auf Vorschlag des Bankrates vom Bundesrat für eine Amtsdauer von sechs Jahren gewählt. Die Mitglieder des Direktoriums leiten je eines der drei Departemente der SNB: Das erste Departement umfasst das Generalsekretariat und ist unter anderem für Volkswirtschaft und die internationale Währungskooperation zuständig. Das zweite Departement ist insbesondere für die Finanzstabilität, Banknoten und Währungen sowie das Risikomanagement verantwortlich. Das dritte Departement befasst sich unter anderem mit dem Geldmarkt und dem Devisenhandel, der Vermögensverwaltung und dem operativen Bankgeschäft. 1⁰5
9² Art. 6 NBG
9³ Art. 7 NBG
9⁴ Art. 5 Abs. 2 Bst. e NBG
9⁵ Art. 16 a NBG
9⁶ Art. 19 ff. NBG
9⁷ SNB (2023): Schweizerische Nationalbank - Ein Kurzporträt, 18. Auflage, S. 31.
9⁸ SNB (2023): Schweizerische Nationalbank - Ein Kurzporträt, S. 31. Diese Berichte sind verfügbar auf www.snb.ch > News und Publikationen > Ökonomische Publikationen > Bericht zur Finanzstabilität.
9⁹ Art. 9 Abs. 1 Bst. e NBG
10⁰ Art. 2 und Art. 2.2 Allgemeine Richtlinien der Schweizerischen Nationalbank über ihre geldpolitischen Instrumente vom 25.3.2004; Notiz der SNB vom 27.9.2023 über die Engpassfinanzierungsfazilität (Repo-Geschäfte zum Sondersatz).
1⁰1 Im weiteren Verlauf des Berichtes wird diese Funktion als «Präsidentin oder Präsident der SNB» bezeichnet. Dasselbe gilt für die Vizepräsidentin oder den Vizepräsidenten.
1⁰2 SNB (2023): Schweizerische Nationalbank - Ein Kurzporträt, 18. Auflage, S. 39-40.
1⁰3 Art. 46 Abs. 1 NBG
1⁰4 Art. 46 Abs. 2 NBG
1⁰5 SNB (2023): Schweizerische Nationalbank - Ein Kurzporträt, 18. Auflage, S. 48-51.
3.4 Revisionsaufsichtsbehörde (RAB)
Die RAB ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit. 1⁰6 Sie ist als unabhängige Einheit der dezentralen Bundesverwaltung administrativ dem Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) zugeordnet. 1⁰7 Die RAB erstattet dem Bundesrat und der Bundesversammlung jährlich Bericht über ihre Tätigkeit. 1⁰8 Die Aufsichtstätigkeit der Bundesbehörden über die RAB wird im Kap. 3.5.3 erläutert.
Zweck und Grundauftrag der RAB ergeben sich aus dem RAG. Die RAB ist für die Erteilung der Zulassung an natürliche Personen und Revisionsunternehmen, die gesetzlich vorgeschriebene Revisionsdienstleistungen erbringen, 1⁰9 für die Aufsicht über die Revisionsstellen und Prüfgesellschaften von Gesellschaften des öffentlichen Interesses 11⁰ und für die (inter-)nationale Amtshilfe im Bereich der Revisionsaufsicht zuständig. 11¹ Die RAB trägt damit zum Schutz der Investorinnen und Investoren sowie aller anderen Schutzadressaten von Revisionsberichten und zur Verlässlichkeit der Finanzberichterstattung bei. 1¹2 Die RAB ist für die Beaufsichtigung der Revisionsbranche verantwortlich, nicht für die der geprüften Unternehmen. Sie hat eine der Tätigkeit der geprüften und prüfenden Unternehmen nachgelagerte Rolle, sie ist kein prudenzieller Regulator.
Seit 2012 (Rechnungsprüfung) bzw. 2015 (Aufsichtsprüfung) überprüft die RAB die
Prüfgesellschaften
von global systemrelevanten Banken. Dabei beurteilt die RAB das Qualitätssicherungssystem zur Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen («Firm Review»). Die RAB prüft insbesondere, ob eine Prüfgesellschaft die spezifischen Vorgaben zur Unvereinbarkeit mit einem Prüfmandat, die Zulassungsvoraussetzungen und die spezifischen Elemente zum Qualitätssicherungssystem eingehalten hat. 1¹3
Weiter nimmt die RAB in ausgewählten Bereichen eines konkreten Revisionsmandates eine stichprobenweise Prüfung vor («File Review»). Diese Überprüfung bezieht sich sowohl auf die Rechnungsprüfung (Prüfung der Jahres- und Konzernrechnung der Bank durch das Revisionsunternehmen) als auch auf die Aufsichtsprüfung (Prüfung der Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben der Bank durch die Prüfgesellschaft). Die RAB stellt mittels Durchsicht von Arbeitspapieren zur Aufsichtsprüfung fest, ob die Vorschriften zur Qualitätssicherung sowie die Vorgaben der FINMA zur Durchführung der Aufsichtsprüfung eingehalten werden. 1¹4 Konkret bezieht sich die File Review beispielsweise auf die Überprüfung der Eigenmittelanforderungen, die Geschäftsrisiken, das interne Kontrollsystem und die Einhaltung der Geldwäschereivorschriften der Bank.
1⁰6 Art. 28 Abs. 2 RAG
1⁰7 Anhang 3 RVOV
1⁰8 Art. 30 a Lit. b RAG
1⁰9 Art. 3 ff. RAG
11⁰ Art. 2 Bst. c i. V. m. Art. 7 ff. RAG
11¹ Art. 22 ff. RAG
1¹2 RAB (2024): Grundsätze zum Enforcement (Enforcement Policy), 2. Auflage, S. 2.
1¹3 RAB (2024): Aufsichtskonzept Bereich Regulatory Audit, Bern, Ziff. 4.1.
1¹4 RAB (2024): Aufsichtskonzept Bereich Regulatory Audit, Bern, Ziff. 4.1.
3.5 Rechtliche Regelung der Aufsicht der Bundesbehörden über die SNB, die FINMA, und die RAB
Die SNB, die FINMA und die RAB verfügen aufgrund ihres gesetzlich verankerten Autonomiebereichs als verselbstständigte Einheiten über eine gewisse Unabhängigkeit vom Bund. Dennoch unterstehen diese drei Institutionen in unterschiedlichem Masse der Aufsicht durch den Bundesrat und die Bundesverwaltung. Im Folgenden wird die Rolle des Bundes gegenüber der SNB ( Kap. 3.5.1 ), der FINMA (Kap. 3.5.2) und der RAB ( Kap. 3.5.3 ) dargestellt.
3.5.1 Aufsicht über die SNB
Die Unabhängigkeit der SNB im Bereich der Geld- und Währungspolitik ist in der Bundesverfassung 1¹5 verankert und wird im NBG 1¹6 konkretisiert. Die Aufgaben der SNB im Zusammenhang mit der Stabilität des Finanzsystems gehören gemäss NBG 1¹7 ebenfalls zu den geld- und währungspolitischen Aufgaben. 1¹8 Die Unabhängigkeit der SNB ist gemäss Botschaft zur Revision des NBG grundsätzlich funktioneller, finanzieller, institutioneller und personeller Natur. 1¹9 In der Verfassung ist gleichwohl festgehalten, dass die SNB «unter Mitwirkung und Aufsicht des Bundes verwaltet» wird. Da die SNB eine ausserhalb der Bundesverwaltung stehende Organisation des öffentlichen Rechts ist, die mit Verwaltungsaufgaben betraut ist, beaufsichtigt der Bundesrat sie nach Massgabe der besonderen Bestimmungen. 12⁰
Seine Mitwirkung und Aufsicht übt der Bundesrat in Form unterschiedlicher Ernennungs- und Genehmigungsbefugnisse aus. So obliegt es dem Bundesrat, sowohl den Jahresbericht wie auch die Jahresrechnung der SNB zu genehmigen, bevor diese der Generalversammlung zur Abnahme vorgelegt werden können. 12¹ Auch wählt der Bundesrat sechs der elf Bankratsmitglieder und bezeichnet die Präsidentin oder den Präsidenten sowie deren Stellvertreterin oder Stellvertreter. Der Bundesrat kann Bankratsmitglieder nur dann ihres Amtes entheben, wenn sie die Voraussetzungen für dessen Ausübung nicht mehr erfüllen oder eine schwere Verfehlung begangen haben. ¹22 Der Bankrat nimmt die Aufsicht und Kontrolle über die Geschäftsführung der SNB wahr. ¹23 Die nähere Ausgestaltung dieser Aufgaben ist im Organisationsreglement der SNB festgehalten ¹24 , welches dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitet werden muss. ¹25
Weitere Ernennungsbefugnisse kommen dem Bundesrat hinsichtlich des Direktoriums zu. Er ernennt dessen Mitglieder und Stellvertretungen auf Vorschlag des Bankrates und kann sie unter den gleichen Voraussetzungen wie die Mitglieder des Bankrates während ihrer Amtsdauer abberufen. Analog zu seinen Kompetenzen bei der Wahl des Bankrates bezeichnet der Bundesrat ausserdem die Präsidentin oder den Präsidenten sowie die Vizepräsidentin oder den Vizepräsidenten der SNB. ¹26
Die SNB ihrerseits hat eine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bundesrat, der sie durch regelmässige mündliche Erörterungen der Wirtschaftslage, der Geld- und Währungspolitik sowie aktueller Fragen der Wirtschaftspolitik der Schweiz nachkommt. ¹27 Vor Entscheidungen von wesentlicher wirtschaftspolitischer und monetärer Bedeutung haben sich der Bundesrat und die SNB zudem gegenseitig über ihre Absichten zu unterrichten. ¹28
Auch dem Parlament gegenüber muss die SNB jährlich in einem Bericht Rechenschaft über die Erfüllung ihrer Aufgaben ablegen (siehe Kap. 5.6.1). Zudem erörtert sie mit den zuständigen Kommissionen der Bundesversammlung regelmässig die Wirtschaftslage sowie ihre Geld- und Währungspolitik. ¹29
1¹5 Art. 99 Abs. 2 BV
1¹6 Art. 6 NBG
1¹7 Art. 5 Abs. 2 Bst. e NBG
1¹8 Vortrag von Prof. Andreas Stöckli vor der PUK vom 7.9.2023; Uhlmann, Felix (2019): Gutachten zuhanden des EFD betreffend Informationspflicht von FINMA und SNB gegenüber EFD, Rz. 59 f.
1¹9 Botschaft vom 26.6.2002 über die Revision des Nationalbankgesetzes, ( BBl 2002 6097 , hier 6108 f.)
12⁰ Art. 8 Abs. 4 RVOG
12¹ Art. 7 Abs. 1 NBG
¹22 Art. 39 und 41 NBS
¹23 Art. 42 NBG
¹24 Art. 10 Organisationsreglement der Schweizerischen Nationalbank vom 14.5.2004 (Organisationsreglement der SNB; RS 951.153 ).
¹25 Art. 42 Abs. 2 Bst. a NBG
¹26 Art. 43-45 NBG
¹27 Art. 7 Abs. 1 NBG
¹28 Art. 7 Abs. 1 NBG
¹29 Art. 7 Abs. 2 NBG
3.5.2 Aufsicht über die FINMA
Wie eingangs erläutert (siehe Kap. 3.2), ist die FINMA eine aus dem Zusammenschluss der EBK, der BPV und der Kst GwG entstandene öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie organisiert sich selbst und führt ihre Aufsichtstätigkeit selbstständig und unabhängig aus. 13⁰ Ihre funktionelle, institutionelle und finanzielle Unabhängigkeit wurde vom Bundesrat in seiner Botschaft zum FINMAG damit begründet, dass eine Finanzmarktaufsichtsbehörde diese zur zweckmässigen Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben benötige. 13¹
Als Departement mit dem engsten Sachbezug übt das EFD im Auftrag des Bundesrates die Eignerrechte aus. ¹32 Die FINMA ist dem EFD jedoch nur administrativ zugeordnet. ¹33 Als Teil der dezentralen Bundesverwaltung gilt sie als eine organisatorisch verselbstständigte Verwaltungseinheit. Gemäss herrschender Lehre richtet sich die Aufsicht über die FINMA nach Artikel 8 Absatz 4 RVOG. ¹34
Dementsprechend verfügt der Bundesrat nur über eingeschränkte Einwirkungsmöglichkeiten, die in der Spezialgesetzgebung, dem FINMAG, im Einzelnen festgehalten sind. Die Festlegung der strategischen Ziele obliegt aufgrund der Aufgaben der FINMA in der Wirtschaftsaufsicht ihrem Verwaltungsrat. Die Ziele können jedoch nur unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Bundesrat verabschiedet werden. Dabei ist zu beachten, dass die festgelegten Ziele vom Bundesrat zwar abgelehnt, aber nicht abgeändert werden können. ¹35 Der Bundesrat ist zudem für die Genehmigung des Geschäftsberichtes ¹36 der FINMA verantwortlich.
Der Bundesrat erstattet dem Parlament jährlich Bericht über die Erreichung der strategischen Ziele der verselbstständigten Einheiten, was eine weitere Überprüfung der Zielsetzung der FINMA ermöglicht. Dieser Bericht wird jeweils auch von den Geschäftsprüfungs- sowie den Finanzkommissionen behandelt (siehe Kap. 5.6.2). ¹37 Die Nachvollziehbarkeit der Zielerreichung wurde im Verlauf der letzten Jahre verbessert. In der am 1. Februar 2020 in Kraft getretenen Verordnung zum FINMAG wurden Präzisierungen zum Verfahren bei den strategischen Zielen vorgenommen, primär im Hinblick auf die Transparenz und die Beurteilung der Zielerreichung. ¹38 Zudem muss die FINMA die Ziele drei Monate vor Genehmigung durch den Bundesrat dem EFD vorlegen. ¹39 Damit hat der Bundesrat im Hinblick auf die Steuerung der FINMA gewisse Einflussmöglichkeiten.
Der Bundesrat verfügt hingegen rechtlich über keine Steuerungskompetenzen , um auf das operative Geschäft der FINMA Einfluss zu nehmen. Diese funktionelle Unabhängigkeit der FINMA kommt unter anderem in der im FINMAG 14⁰ festgehaltenen Weisungsungebundenheit zum Ausdruck. 14¹
In Bezug auf die Führungsorgane der FINMA ist der Bundesrat für die Genehmigung der Wahl der Direktorin oder des Direktors sowie für die Wahl der Mitglieder und der Präsidentin oder des Präsidenten des Verwaltungsrates zuständig, die er auch abberufen kann. ¹42 Der Bundesrat nimmt zudem Kenntnis vom Revisionsbericht, ¹43 den die EFK an ihn und den FINMA-Verwaltungsrat richtet, genehmigt die Personalverordnung der FINMA ¹44 und erlässt eine Verordnung zu den Gebühren und Aufsichtsabgaben. ¹45
Eines der zentralen Instrumente des Bundesrates im Rahmen seiner Eignerstrategie sind die mindestens einmal pro Jahr stattfindenden institutionalisierten Gespräche mit der FINMA. ¹46 Diese bieten dem Bundesrat die Möglichkeit, mit den Organen der FINMA ¹47 die strategischen Ziele und Tätigkeiten, Probleme, die im Rahmen der Aufsichtstätigkeit aufgetreten sind, oder generelle Fragen zur Finanzplatzpolitik zu besprechen. In der Regel nimmt die Präsidentin oder der Präsident des Verwaltungsrates der FINMA an diesen Gesprächen teil. Die konkrete Zusammensetzung der FINMA-Delegation wird aber an die aktuelle Themenlage angepasst. Der Bundesrat kann ebenfalls einen Ausschuss für diese Gespräche bestimmen. Er hat zudem das Recht, jederzeit weitere Gespräche zu verlangen, falls spezielle Ereignisse Anlass dafür bieten. ¹48
Zusätzlich zu den Aussprachen zwischen dem Gesamtbundesrat und der FINMA führt die Vorsteherin oder der Vorsteher des EFD seit 2019 ein- bis zweimal jährlich Eignergespräche mit der Verwaltungsratspräsidentin oder dem Verwaltungsratspräsidenten der FINMA. ¹49
Aufsichtskompetenzen anderer Stellen
Nebst dem Bundesrat haben auch andere Stellen gewisse aufsichtsähnliche Aufgaben. Der Vollzug von Strafbestimmungen 15⁰ erfolgt beispielsweise durch das EFD oder die Bundesanwaltschaft. Das EFD hat überdies ein Mitspracherecht in Bezug auf den Einsitz der FINMA in internationalen Organisationen und Gremien. Die Vertretung in diesen Institutionen soll nach dem Willen des Bundesrates jeweils im Einvernehmen mit dem EFD erfolgen, dem die Federführung für die internationale Finanzmarktpolitik obliegt. Auch hinsichtlich der materiellen Mitwirkung in diesen Gremien hat sich die FINMA mit dem EFD abzusprechen. Dies betrifft insbesondere die Formulierung internationaler Standards, die für den Schweizer Finanzsektor von grundsätzlicher Bedeutung sind. 15¹ Sollen im Rahmen multilateraler Initiativen von grosser Tragweite Informationen ausgetauscht werden, hat eine Teilnahme der FINMA am Informationsaustausch im Einvernehmen mit dem EFD zu erfolgen. ¹52
13⁰ Art. 21 und Art. 5 Abs. 1-3 FINMAG
13¹ Botschaft vom 1.2.2006 zum Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht ( BBl 2006 2829 , hier 2836 f.)
¹32 Art. 24 a Abs. 2 RVOV
¹33 Art. 21 Abs. 3 FINMAG
¹34 Uhlmann, Felix (2019): Gutachten zuhanden des EFD betreffend Informationspflicht von FINMA und SNB gegenüber EFD, Rz. 15ff.
¹35 Eignerstrategie des Bundesrates für die verselbstständigten Einheiten des Bundes, Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 18.4274 vom 26.5.2021, S. 46
¹36 Art. 9 Abs. 1 Bst. f FINMAG
¹37 Art. 148 Abs. 3bis ParlG
¹38 Sie müssen sich an den Vorgaben für den Erlass der strategischen Ziele von verselbstständigten Einheiten des Bundes orientieren und, soweit zweckmässig, Indikatoren und Zielwerte zur Messung der Zielerreichung enthalten.
¹39 Eignerstrategie des Bundesrates für die verselbstständigten Einheiten des Bundes, Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 18.4274 vom 26.5.2021, S. 46 ff.; Art. 14 Abs. 3 Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 13.12.2019 ( SR 956.11 ).
14⁰ Art. 21 Abs. 1 FINMAG
14¹ Das bedeutet konkret, dass der Bundesrat bei Entscheiden über Einzelfälle oder Verwaltungsverfahren nicht in der Lage ist, Beschlüsse der FINMA aufzuheben, abzuändern oder einzelne Geschäft an sich zu ziehen. EFD (2019): Erläuterungen zur Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 13.12.2019, S. 9.
¹42 Art. 9 Abs. 1 Bst. g, Abs. 3 und 5 FINMAG
¹43 Art. 12 FINMAG
¹44 Art. 13 Abs. 5 FINMAG
¹45 Art. 15 FINMAG; FINMA-GebV.
¹46 Art. 21 Abs. 2 FINMAG
¹47 Aufseiten der FINMA nehmen die Verwaltungsratspräsidentin oder der Verwaltungsratspräsident sowie die Direktorin oder der Direktor teil.
¹48 Botschaft vom 1.2.2006 zum Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht ( BBl 2006 2829 , hier 2873)
¹49 Brief des GS-EFD an die PUK vom 8.1.2024, S. 2
15⁰ Art. 50 FINMAG
15¹ Botschaft vom 1.2.2006 zum Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (BBl 2006 2829), S. 2860; Art. 3 Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz; Erläuterungen zur Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 13.12.2019, S. 8.
¹52 Art. 42 b Abs. 2 FINMAG
3.5.3 Aufsicht über die RAB
Wie in Kapitel 3.4 erwähnt, ist die RAB eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit, die die Aufsicht über die Revisionsunternehmen und Prüfgesellschaften fachlich und institutionell unabhängig ausübt. ¹53 Sie ist in ihrer Organisation sowie ihrer Betriebsführung selbstständig und führt eine eigene Rechnung. ¹54
Die RAB ist der administrativen Aufsicht des Bundesrates untergestellt, welche durch das EJPD wahrgenommen wird. RAB und EJPD stehen zu verschiedenen, für den Vollzug der administrativen Aufsicht relevanten Aspekten in einem regelmässigen Austausch. ¹55 Die rechtliche Aufsicht liegt hingegen nicht in der Zuständigkeit des EJPD. Diese erfolgt über den ordentlichen Rechtsweg, indem gegen Verfügungen der RAB vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesgericht Beschwerde geführt werden kann. ¹56
Der Erlass der strategischen Ziele der Behörde für die kommenden vier Jahre ist Aufgabe des Verwaltungsrates. Die Ziele müssen aber dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitet werden. ¹57 Darüber hinaus muss der Verwaltungsrat dem Bundesrat jährlich Bericht über die Erreichung der Ziele und die Erfüllung der Aufgaben erstatten. Das geschieht in Form eines jährlichen Eignergesprächs zwischen der RAB und dem EJPD. ¹58 Das Gespräch dient der Umsetzung der strategischen Ziele, der Eruierung und Diskussion von Angelegenheiten, welche für den Eigner von strategischer Bedeutung sind, sowie der Behandlung von aktuellen Fragen und Herausforderungen. Am Gespräch nehmen in der Regel die Generalsekretärin oder der Generalsekretär des EJPD, die Direktorin oder der Direktor und die Verwaltungsratspräsidentin oder der Verwaltungsratspräsident der RAB teil, in gewissen Fällen auch die Vorsteherin oder der Vorsteher des EJPD. ¹59
Der Bundesrat nimmt seine Aufsichtstätigkeit gegenüber der RAB unter anderem durch die Wahl und Abberufung der Mitglieder des Verwaltungsrates und dessen Präsidentin oder Präsidenten, die Genehmigung der Begründung und der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Direktorin oder dem Direktor, der Genehmigung des Geschäftsberichtes, der Genehmigung der strategischen Ziele, der jährlichen Überprüfung der Erreichung der strategischen Ziele sowie der Entlastung des Verwaltungsrates wahr. 16⁰
Darüber hinaus nimmt das EJPD seine administrative Aufsicht auch durch periodisch stattfindende Direktionsgespräche zwischen der RAB und dem GS-EJPD wahr. Zwar übt das EJPD keine Aufsicht über das Risikomanagement und Compliance-Management der RAB aus. Im Rahmen der Gespräche werden diese Themen sowie die IT-Sicherheit und Fragen des Datenschutzes aber dennoch erörtert. Die RAB kommuniziert zudem ihre grössten Risiken an den Risikomanager des EJPD. Diese haben jedoch keinen Bezug zu einzelnen Revisionsunternehmen bzw. Prüfgesellschaften oder den von diesen geprüften Revisionsmandaten. Die RAB weist das EJPD proaktiv auf Fälle mit politischer Tragweite hin. Grosse Unternehmenszusammenbrüche und deren Auswirkungen auf die Revision werden zudem seit 2021 explizit thematisiert. 16¹
¹53 Art. 28 Abs. 2 und Art. 38 Abs. 1 RAG
¹54 Art. 28 Abs. 3 RAG
¹55 Art. 38 Abs. 2 RAG; Brief der RAB an die PUK vom 6.12.2023, S. 18.
¹56 Art. 44 RAG; Brief des GS-EJPD an die PUK vom 22.2.2024.
¹57 Art. 30 a Bst. b RAG
¹58 Art. 30 a Bst. b und Art. 38 Abs. 3 RAG
¹59 Protokolle der Eignergespräche EJPD-RAB vom 16.2.2017, 30.1.2018, 28.10.2019, 30.8.2021, 16.12.2022, 10.5.2023, 1.12.2023
16⁰ Art. 38 Abs. 2 Bst. a, b, d, e, f RAG
16¹ Brief des GS-EJPD an die PUK vom 22.2.2024, S. 2 f.; Brief der RAB an die PUK vom 25.4.2024, S. 5.
3.6 Koordination zwischen der SNB, der FINMA und dem EFD
In die Aufrechterhaltung der Finanzstabilität sind verschiedene Akteure involviert, insbesondere das EFD, die SNB und die FINMA (siehe Abb. 1). Die Zusammenarbeit dieser Akteure ist mittels Vereinbarungen zwischen den verschiedenen Parteien geregelt. Diese Vereinbarungen werden im Folgenden präsentiert.
Abbildung 1: Überblick über die Koordination zwischen dem EFD, der SNB und der FINMA in Sachen Finanzstabilität
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Legende : LG = Lenkungsgremium; AF = Ausschuss Finanzkrisen.
3.6.1 Memorandum of Understanding zur tripartiten Zusammenarbeit im Bereich Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung (EFD, FINMA, SNB)
Im Nachgang zur Finanzkrise von 2007/08 und auf Empfehlung der GPK ¹62 wurde die Zusammenarbeit zwischen dem EFD (stellvertretend für den Bundesrat), der FINMA und der SNB im Bereich Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung institutionalisiert und ist seither in einem tripartiten Memorandum of Understanding (MoU) geregelt. Eine erste Fassung des Memorandums wurde im Januar 2011 unterzeichnet, um den Informationsaustausch zu Fragen der Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung sowie die Zusammenarbeit im Falle einer Krise, welche die Stabilität des Finanzsystems bedrohen könnte, zu verbessern. ¹63 2019 wurde das Memorandum inhaltlich erweitert. Konkret sollte mithilfe des MoU die «Transparenz über Regulierungsvorhaben im Finanzbereich» erhöht werden. Zudem legte das neue Memorandum einen zusätzlichen Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit im Hinblick auf die Prävention und Bewältigung von Krisen, welche die Finanzstabilität bedrohen. Auch die Koordination im Hinblick auf die Standardsetzungsaktivitäten des BCBS wurde definiert. Dadurch sollte eine effektive und kohärente Interessenwahrung der Schweiz sichergestellt werden. ¹64
Gemäss dem geltenden Memorandum of Understanding treffen sich die Behörden mindestens zweimal jährlich auf Führungsebene zu einem Informations- und Meinungsaustausch über die Finanzstabilität sowie aktuelle Fragen der Finanzmarktregulierung. Die Federführung für diese Treffen liegt bei der FINMA. Zur bereits erwähnten Prävention und Bewältigung von Krisen, welche die Stabilität des Finanzsystems bedrohen, legen die Behörden eine gemeinsame Krisenorganisation fest und arbeiten bei der Vorbereitung von Instrumenten zum Management solcher Krisen eng zusammen. Die strategische Koordination der Krisenorganisation und allfälliger Interventionen erfolgt durch das Lenkungsgremium (LG) . Das LG setzt sich aus der Vorsteherin oder dem Vorsteher des EFD, die bzw. der das Gremium leitet, der Präsidentin oder dem Präsidenten der SNB und der Präsidentin oder dem Präsidenten des Verwaltungsrates der FINMA zusammen. Es tagt nach Bedarf, in der Regel im Beisein der Mitglieder des Ausschusses Finanzkrisen (AF) . ¹65
Der AF ist seinerseits für die Koordination von Vorbereitungsmassnahmen und das Krisenmanagement verantwortlich. Er veranlasst die Ausarbeitung von Entscheidungsgrundlagen und nimmt Lagebeurteilungen vor, über die er bei Bedarf das LG informiert. Im AF sind die Direktorin oder der Direktor der FINMA, die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident der SNB, die Staatssekretärin oder der Staatssekretär für internationale Finanzfragen und die Direktorin oder der Direktor der EFV auf operativer Ebene vereint. Der Ausschuss wird durch die FINMA geleitet, mit Ausnahme von Situationen, in denen Massnahmen des Bundes oder der SNB im Vordergrund stehen. In solchen Fällen kann das LG die Leitung an das EFD oder die SNB übertragen. ¹66
Zur Art und Weise, ob und wie der Gesamtbundesrat über die Arbeiten dieser Koordinationsgremien informiert werden muss, äussert sich das MoU ebenfalls. Demnach liegt es im Ermessen der Vorsteherin oder des Vorstehers des EFD zu entscheiden, wann der Bundesrat über die Lageeinschätzung und die Notwendigkeit von Massnahmen informiert werden soll. Wenn gemäss Risikobeurteilung des LG beziehungsweise des AF jedoch ausserordentliche Massnahmen der Behörden wahrscheinlich werden, ist die Vorsteherin oder der Vorsteher des EFD verpflichtet, den Gesamtbundesrat sofort darüber in Kenntnis zu setzen. ¹67
¹62 Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA, Bericht der GPK-N/S vom 30.5.2010 ( BBl 2011 3099 , hier 3455)
¹63 «EFD, FINMA und SNB unterzeichnen tripartite Vereinbarung über Zusammenarbeit», Medienmitteilung des EFD vom 17.1.2011
¹64 Memorandum of Understanding zur tripartiten Zusammenarbeit im Bereich Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung vom 2.12.2019, Art. 2 Abs. 4, www.finma.ch > FINMA > Nationale Zusammenarbeit (Stand: 3.4.2024). Nachfolgend : MoU EFD, FINMA, SNB.
¹65 Art. 2 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1-3 MoU EFD, FINMA, SNB.
¹66 Art. 3 Abs. 5 MoU EFD, FINMA, SNB
¹67 Art. 3 Abs. 6 MoU EFD, FINMA, SNB
3.6.2 Memorandum of Understanding im Bereich Finanzstabilität zwischen der FINMA und der SNB
Die SNB und die FINMA unterzeichneten 2017 ein Memorandum of Understanding im Bereich Finanzstabilität, ¹68 welches das frühere bilaterale Memorandum of Understanding aus dem Jahr 2010 ersetzte. Darin sind die jeweiligen Zuständigkeiten geregelt: Die SNB verfolgt die Entwicklung im Bankensektor aus der Perspektive des Gesamtsystems, die FINMA hingegen die Entwicklung der beaufsichtigten Institute aus der Perspektive der Einzelinstitute. Das MoU regelt die Zusammenarbeit zwischen den beiden Akteuren in ihren gemeinsamen Interessengebieten, nämlich bei der Beurteilung der Solidität systemrelevanter Banken bzw. des Bankensystems, bei Regulierungen, welche die Solidität der Banken massgeblich beeinflussen, sowie bei der Krisenvorsorge und beim Krisenmanagement. ¹69 Die Steuerung der Zusammenarbeit in den gemeinsamen Interessengebieten findet auf strategischer Ebene im Rahmen des Leitungsausschusses SNB-FINMA 17⁰ und auf operationeller Ebene im Rahmen des Ständigen Ausschusses für Finanzstabilität statt.
Der Leitungsausschuss SNB-FINMA tagt mindestens zweimal jährlich. Seine Aufgaben bestehen darin, das makroökonomische Umfeld zu prüfen, die strategischen Prioritäten zu setzen und die Ergebnisse von gemeinsamen Projekten zu besprechen. Er besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums der SNB und aus der Verwaltungsratspräsidentin oder dem Verwaltungsratspräsidenten, der Verwaltungsratsvizepräsidentin oder dem Verwaltungsratsvizepräsidenten und der Direktorin oder dem Direktor der FINMA. 17¹
Der Ständige Ausschuss steht unter dem Vorsitz der Leiterin oder des Leiters Finanzstabilität (SNB) und der Leiterin oder des Leiters des Geschäftsbereichs Banken (FINMA). Der Ständige Ausschuss tagt mindestens viermal jährlich, namentlich um die Ziele bei gemeinsamen Projekten zu konkretisieren, den Kontakt mit den Banken bei solchen Projekten festzulegen, die gemeinsamen Arbeiten zu koordinieren und zu überwachen sowie die Entscheidungsgrundlagen vorzubereiten. ¹72 Weiter treffen sich die Mitglieder des Direktoriums der SNB und die Mitglieder des Verwaltungsrates der FINMA einmal im Jahr. ¹73
Das MoU regelt auch den Informationsaustausch zwischen der SNB und der FINMA über die Solidität des Bankensektors und der systemrelevanten Banken. Diese Informationen betreffen insbesondere die Einschätzung der Risiken im makroökonomischen und finanziellen Umfeld, die Einschätzung der Eigenmittel- und der Liquiditätsausstattung des Bankensektors, insbesondere der systemrelevanten Banken, oder die Einschätzung des etwaigen Handlungsbedarfs. ¹74
¹68 Memorandum of Understanding im Bereich Finanzstabilität zwischen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA und der Schweizerischen Nationalbank SNB vom 15.5.2017, www.finma.ch > FINMA > Nationale Zusammenarbeit (Stand: 3.4.2024). Nachfolgend : MoU FINMA-SNB .
¹69 Art. 3 Abs. 1 MoU FINMA-SNB
17⁰ Dieses Organ wird im MoU «Leitungsausschuss» genannt. Um Verwechslungen mit dem Lenkungsgremium , in dem das EFD, die SNB und die FINMA vertreten sind (siehe Kap. 3.6.1), zu vermeiden, wird hier die Bezeichnung «Leitungsausschuss SNB-FINMA» verwendet.
17¹ Art. 4 Abs. 2-4 MoU FINMA-SNB
¹72 Art. 4 Abs. 5-7 MoU FINMA-SNB
¹73 Art. 5 MoU FINMA-SNB
¹74 Art. 6 Abs. 2 MoU FINMA-SNB
3.7 Weitere involvierte Bundesstellen
Zusätzlich zu den aufgeführten Organen sind noch weitere Bundesstellen von der Untersuchung der PUK betroffen, aber nur sekundär. Die wichtigsten unter ihnen sind nachstehend aufgeführt.
Das BJ ist die Fachbehörde und das Dienstleistungszentrum des Bundes für Rechtsfragen. ¹75 Es nimmt in Umsetzung von Artikel 7 a Absatz 1 der
Organisationsverordnung für das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement (OV-EJPD) die präventive Rechtskontrolle wahr. Es prüft sämtliche Entwürfe für rechtsetzende Erlasse, wozu auch bundesrätliche Notverordnungen zählen, auf ihre Verfassungs- und Gesetzmässigkeit sowie auf ihre Übereinstimmung und Vereinbarkeit mit dem geltenden nationalen und internationalen Recht. Die präventive Rechtskontrolle ist eine zentrale Aufgabe, weil die Schweiz keine Verfassungsgerichtsbarkeit kennt und die rechtsanwendenden Behörden nach Artikel 190 BV Bundesgesetze anwenden müssen, auch wenn diese der Verfassung widersprechen sollten. ¹76 Das BJ ist deshalb bemüht, die Verfassungsmässigkeit aller Entwürfe von rechtsetzenden Erlassen im Rahmen der präventiven Rechtskontrolle sicherzustellen. Ziel ist dabei insbesondere die Wahrung der Grundrechte und der Schutz der demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien.
Die präventive Rechtskontrolle des BJ erfolgt im Normalfall auf Stufe Ämterkonsultation. Nachdem die GPK 2010 den Bundesrat aufgefordert hatten, «bei wichtigen Rechtsfragen systematisch eine fundierte Analyse und Beurteilung beim BJ einzuholen» (Empfehlung 14), ¹77 wird in den Bundesratsanträgen systematisch ausgewiesen, falls in der Ämterkonsultation Differenzen mit dem BJ verblieben sind. ¹78
Mit der präventiven Rechtskontrolle nimmt das BJ eine Querschnittaufgabe juristischer Art wahr. Die OV-EJPD sieht vor, dass das BJ sämtliche Entwürfe für rechtsetzende Erlasse auch auf ihre inhaltliche Richtigkeit prüft. ¹79 Für diese Aspekte ist das BJ, zumindest in seiner heutigen Ausgestaltung, auf die Expertise der Fachbehörden und deren Bereitschaft angewiesen, kritischen Rückfragen des BJ nachzugehen und Differenzen im Dialog mit dem BJ zu bereinigen.
Beim WBF war in erster Linie das SECO als Kompetenzzentrum des Bundes für alle Kernfragen der Wirtschaftspolitik von der Untersuchung der PUK betroffen. 18⁰ Die Direktion für Wirtschaftspolitik hat insbesondere die Aufgabe, die Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz zu analysieren und zu dokumentieren sowie die Grundlagen für die politische Entscheidungsfindung zu liefern. 18¹ Weiter trägt das SECO zusammen mit dem materiell für die jeweilige Thematik zuständigen Amt (z. B. dem EFD im Zusammenhang mit den Klagen zu den AT1, siehe Kap. 8.3) die Verantwortung für die Koordination sowie für die Vertretung der Schweiz bei allfälligen Schiedsverfahren zwischen ausländischen Investoren und der Schweiz. Insbesondere ist das SECO federführend bei der internen Koordination, der Behandlung der verfahrensrechtlichen Aspekte, den Kontakten zu den Schiedsgerichtssekretariaten, beispielsweise zum Sekretariat des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), und beim Auftrag an die Anwaltskanzlei, die für das Verfahren zuständig ist. ¹82
Teil II: Sachverhaltsdarstellung
¹75 Art. 6 Abs. 1 Organisationsverordnung für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vom 17.11.1999 (OV-EJPD; SR 172.213.1 ).
¹76 Anwendung von Notrecht, Postulatsbericht des Bundesrates vom 19.6.2024 in Erfüllung der Postulate 23.3438 Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 24. März 2023 und 20.3440 Schwander vom 6. Mai 2020 ( BBl 2024 1784 )
¹77 GPK-N/S: Bericht zur Finanzkrise 2008 ( BBl 2011 3099 , hier 3407).
¹78 Die alternativen Formulierungsvorschläge des BJ werden allerdings nicht explizit aufgeführt. Solche ausformulierten alternativen Formulierungsvorschläge können im Rahmen des Mitberichtsverfahrens eingebracht werden. Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 78
¹79 Art. 7 a Abs. 3 OV-EJPD
18⁰ Art. 5 Abs. 1 Organisationsverordnung vom 14.6.1999 für das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (OV-WBF; SR 172.216.1 ).
18¹ SECO (2023): Das SECO - Ein Porträt des Staatssekretariats für Wirtschaft, S. 13
¹82 Antwortschreiben von dem SECO an die PUK vom 28.3.2024, S. 3.
4 Ausgangslage: Folgen der Finanzkrise für die internationalen Normen sowie den Schweizer Rechtsrahmen und die Behördenorganisation (2008
bis 2014)
Unter dem Eindruck der globalen Finanzkrise von 2007/08 wurden sowohl die internationalen Normen im Bereich der Finanzmarktregulierung wie auch die Schweizer Gesetzgebung weiterentwickelt. Gleichzeitig waren die Behörden bestrebt, die Lehren aus der Behördentätigkeit rund um die Rettung der UBS zu ziehen. Die genannten Entwicklungen werden nachfolgend kurz ausgeführt.
4.1 Folgen der Finanzmarktkrise für die internationalen Normen zur Finanzmarktregulierung
Als Reaktion auf die globale Finanzmarktkrise setzte weltweit ein Regulierungstrend ein, der zur Weiterentwicklung resp. Ausarbeitung internationaler Standards führte. Im Folgenden werden die wichtigsten Gremien kurz dargestellt. Es sind dies das FSB und der BCBS , die nach der Finanzkrise 2007/08 die Standards zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Bankensystems und zur Adressierung der Too-big-to-fail-Problematik massgeblich (weiter-)entwickelt haben. ¹83 Darüber hinaus kommt dem IWF die Aufgabe zu, die globale Finanzstabilität zu wahren und zu stärken. ¹84 Die vom FSB, BCBS und IWF gesetzten Standards haben zwar keinen unmittelbaren rechtssetzenden Charakter, ihre Einhaltung und Umsetzung ist aber wichtig für die Reputation des Finanzplatzes und den Zugang zu ausländischen Märkten.
4.1.1 Gremien und Normen im Bereich der Finanzmarktregulierung
Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS)
Der BCBS wurde Ende 1974 im Zuge verschiedener internationaler Währungs- und Bankenkrisen durch die G-10-Staaten gegründet. Er dient gemäss Mandat ¹85 der Stärkung der Regulierung und Bankenaufsicht mit dem Ziel einer verbesserten Finanzstabilität. Seine Aufgaben umfassen hauptsächlich den Informationsaustausch über Entwicklungen im Bankensektor zur Erkennung von Risiken für das globale Finanzsystem und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bezüglich Bankenaufsicht und Regulierungen, welche die Finanzstabilität gewährleisten.
Der BCBS ist die wichtigste internationale Institution, die Standards für die Regulierung von Banken erarbeitet. Er besteht aus Vertretungen von 45 Zentralbanken und Aufsichtsbehörden aus 28 Jurisdiktionen. Die Schweiz ist im Basler Ausschuss durch die SNB und die FINMA vertreten (siehe Kap. 3.2, 3.3 und 5.2.1).
Da der BCBS keine supranationale Autorität besitzt, haben dessen Entscheide keine rechtliche Verbindlichkeit. Stattdessen verlässt sich der Ausschuss gemäss Charta auf die Selbstverpflichtung seiner Mitglieder. Konkret verpflichten sich alle Mitglieder dazu, die Finanzstabilität zu fördern, ihre Bankenaufsicht und -regulierung zu verbessern, die BCBS-Standards in nationales Recht umzusetzen und Verfahren zur Überprüfung der Umsetzung der BCBS-Standards zu durchlaufen. ¹86
Die wichtigste aktuelle Publikation des BCBS ist das Regelwerk Basel III final («Basel III: Finalising post-crisis Reforms») aus dem Jahr 2017 über die Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften im Bankensektor (siehe unten). Dieses Regelwerk baut auf den folgenden Vorgängerschriften auf: Mit Basel I (1988) wurde eine angemessene Eigenkapitalausstattung (mindestens 8 % Eigenkapitalquote) gefordert. Die überarbeitete Eigenkapitalverordnung Basel II (2004) umfasste die Weiterentwicklung der Mindesteigenkapital-Anforderungen, die Überprüfung durch die Bankenaufsicht sowie die wirksame Nutzung der Offenlegung als Hebel zur Stärkung der Marktdisziplin und zur Förderung solider Bankpraktiken.
Basel III wurde als Reaktion auf die Finanzkrise von 2007/08 entwickelt. Die Massnahmen zielen darauf ab, die Regulierung, die Aufsicht und das Risikomanagement von Banken zu stärken. ¹87 Sie lösen seit 2013 die Vorgängerregelungen ab. Die finalen Basel-III-Standards wurden im Dezember 2017 verabschiedet und im Februar 2019 mit dem überarbeiteten Mindeststandard für Marktrisiken vervollständigt. Das Regelwerk musste nach dem Willen des Basler Ausschusses bis Anfang 2023 (mit Übergangsfristen) in nationales Recht umgesetzt werden.
In der Schweiz werden die Basel-III-Standards mit der ERV ¹88 , der Liquiditätsverordnung (LiqV) ¹89 sowie den einschlägigen Verordnungen und Rundschreiben der FINMA umgesetzt. Die Basel-III-Vorschriften traten ab 2013 schrittweise in Kraft. Die Umsetzung der finalen Basel-III-Standards auf Bundesebene wird vom EFD gesteuert. 19⁰ Für die Schweiz tritt die Umsetzung der finalen Basel-III-Standards 2025 in Kraft. 19¹
| Kasten 2 : Übersicht zu den Abkommen Basel I bis III Basel I: EigenkapitalvereinbarungBasel I wurde 1988 eingeführt und war das erste vom BCBS erarbeitete internationale Regelwerk. Es legte Mindesteigenkapital-Anforderungen für Banken fest, um so eine gewisse Finanzstabilität zu gewährleisten und Systemrisiken, also Risiken, welche die Stabilität des gesamten Finanzsystems gefährden könnten, zu verringern. ¹92 Basel II: Neue Basler EigenkapitalvereinbarungIm Jahr 2004 verabschiedete der BCBS die neue Eigenkapitalvereinbarung Basel II. Diese hatte zum Ziel, die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu stärken und durch eine internationale Harmonisierung der Eigenkapitalanforderungen die Gleichbehandlung der Banken im internationalen Wettbewerb zu verbessern. ¹93 Diese Ziele sollten mit dem Drei-Säulen-Prinzip erreicht werden: ¹94 - 1. Säule: Mindestkapitalanforderungen - Ausweitung der Berechnungskriterien, um den Risiken von Banken besser Rechnung zu tragen.- 2. Säule: Aufsichtliches Überprüfungsverfahren - Verpflichtung der Banken (Einhaltung wird von den Aufsichtsbehörden kontrolliert), über ein Verfahren zu verfügen, mit dem sie beurteilen können, ob ihre Eigenkapitalausstattung im Verhältnis zu ihrem Risikoprofil angemessen ist.- 3. Säule: Marktdisziplin - Standards für die Offenlegung von Finanzinformationen, einschliesslich der Höhe der Eigenkapitalausstattung, des Risikoprofils und der Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung. - Die Basel-II-Vereinbarung stärkte zwar die Finanzstabilität, stiess in der globalen Finanzkrise 2007/08 aber an ihre Grenzen, da Schwächen beim Risikomanagement und bei den Eigenkapitalanforderungen zutage traten. ¹95 Basel III: Stärkung der Bankenstandards nach der KriseAls Reaktion auf die Mängel, die in der globalen Finanzkrise 2007/08 zutage getreten waren, erarbeitete der BCBS das Regelwerk Basel III. Ziel war es, die Schwachstellen des bestehenden Regulierungsrahmens zu beseitigen und das Bankensystem widerstandsfähig zu machen. ¹96 Die Basel-III-Reformen verfolgten mehrere Ziele: ¹97 - Verbesserung der Qualität des regulatorischen Eigenkapitals von Banken, indem der Verlusttragfähigkeit grössere Bedeutung beigemessen wird; - Anhebung der Eigenkapitalanforderungen, um die Widerstandsfähigkeit der Banken in Stressphasen sicherzustellen; Verbesserung der Erfassung von Risiken, indem das Rahmenwerk für risikogewichtetes Eigenkapital überarbeitet wird;- Aufnahme makroprudenzieller Elemente, einschliesslich eines Eigenkapitalpuffers zur Beschränkung der Prozyklizität und Einführung einer Regelung für grosse Risiken;- Festlegung einer Mindestanforderung für die Verschuldungsquote, um eine übermässige Verschuldung zu beschränken;- Schaffung eines internationalen Rahmens zur Abfederung übermässiger Liquiditätsrisiken durch die Mindestliquiditätsquote ( Liquidity Coverage Ratio , LCR) und die strukturelle Liquiditätsquote ( Net stable Funding Ratio , NSFR). |
Financial Stability Board (FSB)
Das FSB wurde nach der Finanzkrise, im April 2009, im Auftrag der G-20-Staaten als Nachfolgeorganisation des Financial Stability Forum gegründet. Seither ist es das zentrale Gremium im Bereich der Finanzmarktregulierung und steuert die Reformagenda. ¹98 Das FSB hat seinen Sitz bei der BIZ in Basel.
Ein Hauptfokus des FSB nach der Finanzkrise 2007/08 lag auf der Adressierung der Too-big-to-fail-Problematik. Das FSB hat für den Bereich Banken zusammen mit dem sektorspezifischen Standardsetzungsgremium BCBS ein Rahmenwerk für systemrelevante Banken entwickelt. Das FSB identifiziert und überwacht Risiken für das globale Finanzsystem und gibt Empfehlungen zur Sicherung der Finanzstabilität ab. ¹99
Das FSB regt - in der Regel auf Basis eines G-20-Mandats - internationale Finanzmarktreformen zu systemrelevanten Finanzinstituten, Derivatemärkten, Finanzmarktinfrastrukturen, zur Digitalisierung und technologischen Entwicklung im Finanzsektor oder zur Finanzintermediation im Nichtbankensektor an. Konkrete internationale Regulierungsstandards werden jedoch meist in Standardsetzungsgremien wie dem BCBS entwickelt 20⁰ . Das FSB hat u. a. Grundsätze für die wirksame Abwicklung von Banken veröffentlicht (die sogenannten Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions ).
Im Jahr 2016 publizierte das FSB die ersten, auf diesen Grundsätzen aufbauenden Guiding Principles zum Liquiditätsbedarf in einer Abwicklung. Danach soll der in einer Abwicklung erforderliche Liquiditätsbedarf in erster Linie durch private Liquiditätsquellen gedeckt werden. Die Bereitstellung von Liquidität durch die Behörden soll erst nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen erfolgen und so tief wie möglich gehalten werden, um das Risiko von Fehlanreizen (Moral Hazard) zu minimieren.
Das FSB vereinigt die für die Finanzstabilität zuständigen nationalen Behörden (Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und Finanzministerien), internationale Organisationen 2⁰1 und Institutionen mit Verantwortung für die Finanzsystemaufsicht und -stabilität. 2⁰2
Als Mitglied des FSB hat sich die Schweiz verpflichtet, dauerhafte Finanzstabilität anzustreben, offene und transparente Finanzmärkte zu gewährleisten, internationale Finanzmarktstandards umzusetzen und an Prüfverfahren bezüglich der Umsetzung internationaler Standards (sogenannten Peer Reviews ) teilzunehmen. Die Schweiz hat im FSB zwei Sitze und ist durch das EFD sowie die SNB vertreten (siehe Kap. 3.3 und 5.2.1). Das SIF koordiniert gemeinsam mit der SNB und der FINMA die Schweizer Position im FSB und nimmt an der Plenarversammlung, diversen Gremien und Arbeitsgruppen des FSB teil. 2⁰3
Die Entscheide des FSB sind rechtlich nicht verpflichtend. Vielmehr setzt die Organisation auf moralische Appelle und Gruppendruck, damit die Mitgliedstaaten die Beschlüsse und Mindeststandards in nationales Recht überführen. 2⁰4
Internationaler Währungsfonds (IWF)
Der IWF wurde 1945 zur Durchsetzung der neuen internationalen Währungsordnung im Rahmen des Bretton-Woods-Systems gegründet. Sein Hauptmandat ist die wirtschaftspolitische Überwachung seiner Mitgliedländer.
Als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007/08 verstärkte der IWF sein wirtschaftspolitisches Beratungs- und Aufsichtsinstrumentarium. Unter anderem erklärten sich die G-20-Länder bereit, ihre Finanzsektoren obligatorischen Kontrollen zu unterstellen. Der IWF arbeitet seither auch vermehrt mit Regulationsbehörden zusammen, um die Aufsicht über Finanzunternehmen und deren Regulierung zu verbessern. Zudem überprüft der IWF die Stabilität des Finanzsystems der Mitgliederländer. Unter anderem befasst er sich dabei mit der Frage, ob die nationale Finanzmarktregulierung international anerkannten Standards genügt. Die Prüfung umfasst Stresstests von Finanzinstituten, eine Qualitätsbewertung der Aufsicht und Regulierung des Sektors sowie eine Beurteilung der Krisenmanagementgrundlagen.
Für die Schweiz ist der IWF die zentrale Institution für die internationale Währungskooperation. Die Schweiz ist seit 1992 Mitglied. Ihre Mitgliedschaft wird vom EFD und von der SNB gemeinsam wahrgenommen (siehe Kap. 3.3. und 5.2.1). 2⁰5
Der IWF verfolgt und überprüft regelmässig auch die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz. Das letzte Assessment der Schweizer Volkswirtschaft ( Country Report ) wurde 2024 veröffentlicht. 2⁰6 Das letzte Financial Sector Assessment Programm der Schweiz erfolgte 2019 im Rahmen des sogenannten Finanzsektorexamens (Financial Sector Assessment Program, FSAP). 2⁰7 Die Erkenntnisse des Finanzsektorexamens fliessen in die breiter gefasste Policy-Beratung des IWF ein, insbesondere in die jährlich durchgeführten Artikel-IV-Konsultationen. Der damit verbundene vertiefte Dialog der IWF-Analysten mit Behörden, Privatsektor und Zivilgesellschaft wird in einem Bericht aufbereitet, der Empfehlungen für eine wachstums- und stabilitätsfördernde Politik beinhaltet. Nach Beratung durch den Exekutivrat wird der Länderbericht verabschiedet und mit Zustimmung der Schweiz veröffentlicht (zuletzt 2024). 2⁰8
Tabelle 3: IWF-Berichte
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| Bericht | Periode | Schweiz |
|---|---|---|
| Finanzsektorexamen (Financial Sector Assessment Programm) | Rund alle fünf Jahre | Letztmals 2019 2⁰9 |
| Länderexamen (Artikel-IV-Konsultationen) | In der Regel jährlich | Letztmals 2024 21⁰ |
¹85 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2018): Basel Committee Charter, www.bis.org > Committees & associations > Basel Committee on Banking supervision > About the BCBS > Charter (Stand: 14.5.2024).
¹86 FINMA: Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, www.finma.ch > FINMA > Internationale Zusammenarbeit > Policy- und Regulierungszusammenarbeit > BCBS (Stand: 14.5.2024).
¹87 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht: Basel III: international regulatory framework for banks, www.bis.org > Committees & associations > Basel Committee on Banking Supervision > Basel III (Stand: 13.5.2024).
¹88 Verordnung vom 1.6.2012 über die Eigenmittel und Risikoverteilung der Banken und Wertpapierhäuser (Eigenmittelverordnung, ERV; SR 952.03 ).
¹89 Verordnung vom 30.11.2012 über die Liquidität der Banken und Wertpapierhäuser (Liquiditätsverordnung, LiqV; SR 952.06 ).
19⁰ FINMA: Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, www.finma.ch > FINMA > Alles zur FINMA > Internationale Zusammenarbeit > Policy- und Regulierungszusammenarbeit > BCBS (Stand: 3.6.2024).
19¹ «Änderung der Eigenmittelverordnung zur Umsetzung der finalen Basel III Standards tritt 2025 in Kraft», Medienmitteilung des Bundesrates vom 29.11.2023
¹92 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ): History of the Basel Committee, www.bis.org > Committees & associations > Basel Committe on Banking Supervision > About the BCBS > History (Stand: 31.5.2024).
¹93 Eidgenössische Bankenkommission (2006): Basel II, Umsetzung in der Schweiz, Kommentar, Erläuterungen zur Umsetzung der neuen Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) in der Schweiz.
¹94 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ): History of the Basel Committee, www.bis.org > Committees & associations > Basel Committe on Banking Supervision > About the BCBS > History (Stand: 31.5.2024); Eidgenössische Bankenkommission (2006): Basel II, Umsetzung in der Schweiz, Kommentar, Erläuterungen zur Umsetzung der neuen Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) in der Schweiz; Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2004): Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen, Überarbeitete Rahmenvereinbarung.
¹95 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ): History of the Basel Committe, www.bis.org > Committees & associations > Basel Committe on Banking Supervision > About the BCBS > History (Stand: 31.5.2024).
¹96 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ): History of the Basel Committe, www.bis.org > Committees & associations > Basel Committe on Banking Supervision > About the BCBS > History (Stand: 31.5.2024).
¹97 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2017): High-level summary of Basel III reforms.
¹98 FINMA: Notiz zuhanden der PUK betreffend die internationalen Regulierungsgremien vom 8.8.2023, S. 1.
¹99 FINMA: Notiz zuhanden der PUK betreffend die internationalen Regulierungsgremien vom 8.8.2023, S. 1.
20⁰ Vgl. SIF (2022): Financial Stability Board, www.sif.admin.ch > Multilaterale Beziehungen > Financial Stability Board (Stand 25.9.2023).
2⁰1 Weltbank, IWF, OECD, BIZ, Europäische Zentralbank, Europäische Kommission.
2⁰2 Unter anderem die ständigen Ausschüsse der BIZ.
2⁰3 Staatsekretariat für internationale Finanzfragen: Financial Stability Board, www.sif.admin.ch > Multilaterale Beziehungen > Gremien > Financial Stability Board (Stand: 3.7.2024).
2⁰4 Financial Stability Board: About the FSB, www.fsb.org > about the FSB (Stand: 15.11.2024).
2⁰5 Schweizerische Nationalbank: Internationales, www.snb.ch > Die SNB > Aufgaben & Ziele > Internationale Währungskooperation > Multilaterale Kooperation > IWF (Stand: 13.6.2024).
2⁰6 «IMF Executive Board Concludes 2024 Article IV Consultation with Switzerland», Medienmitteilung des IWF vom 24.6.2024, www.imf.org > News > Press release (Stand: 20.8.2024).
2⁰7 IWF (2019): «Switzerland: Financial System Stability Assessment», https://www.imf.org/en/Publications/CR/Issues/2019/06/26/Switzerland-Financial-Sector-Assessment-Program-47045 (Stand: 25.9.2023).
2⁰8 «IMF Executive Board Concludes 2023 Article IV Consultation with Switzerland», Medienmitteilung des IWF vom 6.6.2023, https://www.imf.org/en/News/Articles/2023/06/06/pr23200-switzerland-imf-executive-board-concludes-2023-article-iv-consultation-with-switzerland (Stand: 25.9.2023).
2⁰9 FSAP-Berichte zur Schweiz seit 2001: 2019, 2014, 2007, 2002.
21⁰ Artikel IV-Berichte zur Schweiz seit 2001: 2023, 2022, 2021, 2019, 2018, 2016, 2015, 2014, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004, 2003, 2002, 2001.
4.1.2 Internationale Standards im Revisionsbereich
Mehrere internationale Organisationen erlassen im Bereich der Aufsicht über die Revisorinnen und Revisoren internationale Standards, 21¹ die darauf abzielen, die Praktiken zu vereinheitlichen und die Qualität der Audits weltweit zu gewährleisten. Gemäss Artikel 16 a RAG, Artikel 2 ff. der Aufsichtsverordnung RAB (ASV-RAB) 2¹2 und dem Rundschreiben 1/2008 der RAB 2¹3 gelten in der Schweiz in der Regel die Standards des
International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB)
. Der RAB kommt eine zentrale Rolle zu, da sie die anerkannten Standards bezeichnet und eigene Standards erlassen oder bestehende Standards ergänzen oder abändern kann, wenn sie diese als unzureichend erachtet (Art. 16 a Abs. 2 RAG). Die IAASB-Standards stellen somit den wichtigsten Referenzrahmen für die Revision in der Schweiz dar.
International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB)
Das IAASB ist ein unabhängiges Standardisierungsgremium, das dem öffentlichen Interesse dient, indem es hochwertige internationale Standards für die Bereiche Abschlussprüfung, Qualitätskontrolle, Revision und sonstige Prüfungsleistungen sowie für damit verbundene Dienstleistungen festlegt. Zudem fördert es die Konvergenz internationaler und nationaler Standards. 2¹4
Das Public Interest Oversight Board (PIOB) nimmt eine Aufsichtsfunktion wahr, um zu gewährleisten, dass die vom IAASB erlassenen Standards den Erwartungen der Öffentlichkeit und der Stakeholder entsprechen. Das PIOB überwacht die Tätigkeit des IAASB und stellt sicher, dass die Standardisierungsverfahren transparent sind, ordnungsgemäss verlaufen und dem öffentlichen Interesse dienen. Mit dieser Aufsicht soll das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand der Revisorinnen und Revisoren weltweit gestärkt werden. 2¹5
Das IAASB erlässt mehrere Arten internationaler Standards, darunter auch internationale Auditing-Standards ( International Standards on Auditing , ISA). Die ISA legen einen Rahmen für die Durchführung von Prüfungen von Finanzabschlüssen fest. So wird ein einheitlicher Ansatz bei der Durchführung von solchen Prüfungen sichergestellt. 2¹6
21¹ Internationaler Rechtsvergleich zur Regulierung der Revisionsaufsicht, Bericht der gw&p financial services AG vom 24.5.2024, S. 36 ff.
2¹2 Verordnung der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde vom 17.3.2008 über die Beaufsichtigung von Revisionsunternehmen (Aufsichtsverordnung RAB, ASV-RAB; SR 221.302.33 ).
2¹3 RAB-Rundschreiben 1/2008 vom 17.3.2008 über die Anerkennung von Standards zur Prüfung und Qualitätssicherung (Stand: 15.12.2023).
2¹4 IAASB: Über das IAASB, www.iaasb.org > Über das IAASB (Stand: 4.6.2024).
2¹5 IAASB: Über das IAASB, www.iaasb.org > Über das IAASB (Stand: 4.6.2024).
2¹6 IAASB: Über das IAASB, www.iaasb.org > Über das IAASB (Stand: 4.6.2024).
¹83 FINMA: Notiz zuhanden der PUK betreffend die internationalen Regulierungsgremien vom 8.8.2023, S. 1.
¹84 SIF: Internationale Währungskooperation der Schweiz, 8.3.2024, www.sif.admin.ch > Multilaterale Beziehungen > Internationaler Währungsfonds IWF > Internationale Währungskooperation der Schweiz (Stand: 14.5.2024).
4.2 Erkenntnisse und Folgen aus der Finanzmarktkrise 2007/08 in der Schweiz - Beginn der TBTF-Regulierung in der Schweiz
Nachfolgend werden die für die Untersuchung der PUK relevanten Entwicklungen in ihren Grundzügen dargestellt. Es handelt sich im Konkreten um die Aufarbeitung der Ereignisse durch die parlamentarische Oberaufsicht und die Ausarbeitung der TBTF-Regulierung.
4.2.1 Lehren aus der Geschäftsführung der Behörden im Kontext der Finanzkrise 2007/08 in der Schweiz (Bericht der GPK)
Nach der Rettung der UBS im Jahr 2008 untersuchten die GPK beider Räte zwischen März 2009 und Mai 2010 die Zweckmässigkeit und Wirksamkeit der Geschäftsführung durch die Behörden. Ihre Untersuchung umfasste den Zeitraum vom Frühjahr 2007, als die Finanzmarktkrise international erkennbar wurde, bis Ende Oktober 2008, als der Bund ein Massnahmenpaket zur Rettung der UBS beschloss. Die GPK gingen namentlich der Frage nach, wie das Verhalten der schweizerischen Behörden (Bundesrat, EFD, EBK/FINMA, SNB) insbesondere unter den folgenden Gesichtspunkten zu beurteilen war: Früherkennung der Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die Schweiz; Beschluss und Umsetzung von Massnahmen im Kompetenzbereich der verschiedenen Behörden; Behandlung des Dossiers UBS unter Berücksichtigung der systemrelevanten Bedeutung der Bank. Zudem analysierten die GPK, welche Lehren für die Zukunft zu ziehen sind. Im Fokus standen die Organisation und die Zuständigkeit der Behörden, die Geschäftsführung der betroffenen Behörden sowie die Koordination und die Zusammenarbeit zwischen denselben.
In ihrem umfangreichen Bericht vom 30. Mai 2010 2¹7 stellten die GPK den Behörden ein kritisches Zeugnis aus. Ihre Kritik betraf zum einen die Krisenorganisation des Bundes. So kritisierten sie, dass die SNB, die EBK (die Vorgängerin der FINMA) und der EFD-Vorsteher den restlichen Bundesrat nicht in ihre Krisenvorbereitung einbezogen hatten. Ihre Kritik betraf aber auch den Gesamtbundesrat, der es zugelassen hatte, dass der EFD-Vorsteher das Krisendossier bis im Herbst 2007 alleine geführt hatte. Zum anderen bemängelten die GPK, dass der Bundesrat während mehrerer Monate bewusst kein Protokoll über die Beratungen zur UBS geführt hatte.
Die GPK formulierten 18 Empfehlungen und reichten zwei Postulate sowie fünf Motionen ein. Diese adressierten unter anderem die Krisenorganisation und den Einbezug des Bundesrates in dieselbe. Gegenstand der Kritik waren sodann die Aufsichtsinstrumente, die Organisation und die Arbeitsprozesse der FINMA sowie die Zusammenarbeit zwischen FINMA und SNB. Der Austausch der SNB mit dem Bundesrat bzw. der Zugang der SNB zu diesem wurde ebenfalls bemängelt. Die GPK empfahlen auch Optimierungen des Frühwarnsystems für Krisen. Darüber hinaus erachteten sie einen verbesserten Einbezug der Generalsekretariate in wichtige Geschäfte, die Sicherstellung ausreichender Mittel zur Protokollierung der Bundesratssitzungen und die Anpassung des Stellvertretersystems für zentral.
2¹7 GPK-N/S: Bericht zur Finanzkrise 2008 ( BBl 2011 3099 , hier 3237).
4.2.2 Beginn der TBTF-Regulierung in der Schweiz
Die TBTF-Gesetzgebung in der Schweiz geht auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise und die in diesem Zusammenhang stehende staatliche Rettung der UBS im Jahr 2008 zurück. Da ein ungeordneter Ausfall eines systemrelevanten Finanzinstituts erhebliche Verwerfungen im Finanzsystem und negative gesamtwirtschaftliche Folgen haben könnte, unterstützten in der Vergangenheit betroffene Staaten die gefährdeten Finanzinstitute im Krisenfall. Dies bedeutete, dass die jeweiligen Finanzinstitute eine implizite Staatsgarantie besassen, was zu Verzerrungen im Markt führte.
Mit der TBTF-Gesetzgebung sollte das Risiko der Insolvenz eines systemrelevanten Bankinstituts minimiert und gleichzeitig der Handlungsspielraum des Staates für den Fall, dass eine systemrelevante Bank in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, klar definiert werden. Für die Schweiz stellt die TBTF-Problematik aufgrund ihrer geringen Grösse und der verhältnismässig grossen wirtschaftlichen Bedeutung der Finanzinstitute eine besondere Herausforderung dar.
Eine Expertenkommission aus Vertretern der Behörden, der Privatwirtschaft und der Wissenschaft formulierte deshalb im Jahr 2010 verschiedene Empfehlungen zur Einführung einer TBTF-Gesetzgebung. 2¹8 Damit sollten insbesondere volkswirtschaftliche Risiken von Grossunternehmen limitiert werden. 2¹9 Die Empfehlungen betrafen in erster Linie grosse Finanzinstitute und wurden bis Ende 2013 auf Gesetzes- und Verordnungsstufe umgesetzt.
4.2.2.1 Revision des Bankengesetzes (BankG)
Die Revision des BankG im Jahr 2012 markierte den Beginn der Entwicklung der TBTF-Regulierung. Gemäss der damaligen Botschaft standen vier Kernmassnahmen im Zentrum: 22⁰ 1. Stärkung der Eigenmittelbasis; 2. strengere Liquiditätsanforderungen; 3. eine bessere Risikodiversifikation, um Verflechtungen innerhalb des Bankensektors zu verringern; 4. organisatorische Massnahmen, um die Weiterführung von systemrelevanten Funktionen bei drohender Insolvenz zu gewährleisten.
Zum Zeitpunkt der Botschaft ging die eingesetzte Expertenkommission von zwei systemrelevanten Banken aus - der CS und der UBS. Die mit der Revision des BankG vorgeschlagenen Anforderungen an systemrelevante Banken übertrafen die damals geltenden internationalen Standards (Basel III des BCBS sowie die Standards des FSB) deutlich. 22¹
Im revidierten BankG wurden die Begriffe «systemrelevante Funktionen» und «systemrelevante Banken» definiert. Seit der Revision des BankG 2012 liegen die entsprechenden Einstufungen in der Kompetenz der SNB (Art. 8 Abs. 3 BankG). Auch die besonderen Anforderungen an die systemrelevanten Banken bezüglich Eigenmittel, Liquidität, Risikoverteilung und Organisation wurden festgelegt. So mussten die systemrelevanten Banken neu einen Notfallplan vorsehen, damit im Falle einer drohenden Insolvenz die systemrelevanten Funktionen weitergeführt werden können (Art. 9 Abs. 2 Lit. d BankG). Neu wurde auch eine Berichterstattungspflicht des Bundesrates eingeführt (Art. 52 BankG). 22²
Die besonderen Anforderungen an systemrelevante Banken wurden in verschiedenen Verordnungen ausgeführt. Diese wurden entweder neu geschaffen (LiqV), ganz (ERV und BankV) oder teilweise revidiert (Verordnung über die Stempelabgaben, StV 2²3 ). In den Übergangsbestimmungen zum revidierten BankG wurde festgehalten, dass die erstmalige Verabschiedung der Verordnungsbestimmungen nach Artikel 10 Absatz 4 BankG (Eigenmittel, Liquidität, Risiken und Notfallplanung systemrelevanter Banken) der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen war. Dies betraf sowohl die Revision der BankV und der ERV als auch das spezifische Kapitel zu systemrelevanten Banken der LiqV. 2²4
Ziel der Revisionen der verschiedenen Verordnungen war es unter anderem, die Verlusttragfähigkeit von systemrelevanten Banken zu erhöhen und die zusätzlich - neben den Vorgaben der Basel-III-Standards - einzuhaltenden Eigenmittelanforderungen zu definieren, welche zur Weiterführung der systemrelevanten Funktionen im Falle einer drohenden Insolvenz beitragen sollen. Die wichtigsten Aspekte dieser Revisionen sind nachfolgend kurz dargestellt.
22⁰ Botschaft vom 20.4.2011 zur Änderung des Bankengesetzes (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail; BBl 2011 4717 ff.).
22¹ Botschaft vom 20.4.2011 zur Änderung des Bankengesetzes ( BBl 2011 4728 , hier 4751). Es ging dabei in erster Linie um die Anforderungen an die Eigenmittel für systemrelevante Banken. Dabei war ein dreistufiger Aufbau, bestehend aus Basisanforderungen, Eigenmittelpuffer und einer progressiven Komponente, vorgesehen.
22² Die Bestimmung sieht vor, dass der Bundesrat spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten des 5. und 6. Abschnittes des BankG und danach jeweils innert zwei Jahren die Bestimmungen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit und den Grad der Umsetzung der entsprechenden internationalen Standards im Ausland prüfen, der Bundesversammlung hierüber Bericht erstatten und dabei den allfälligen Anpassungsbedarf auf Gesetzes-und Verordnungsstufe aufzeigen muss.
2²3 Verordnung vom 3.12.1973 über die Stempelabgaben (StV; SR 641.101 ).
2²4 Botschaft vom 1.6.2012 des Bundesrates zum Beschluss über die Genehmigung der Änderungen der Bankenverordnung und der Eigenmittelverordnung (too big to fail; BBl 2012 6669 ); Botschaft vom 30.11.2012 des Bundesrates zum Beschluss über die Genehmigung des 4. Kapitels der Verordnung über die Liquidität der Banken (too big to fail; BBl 2012 9455 ).
4.2.2.2 Liquiditätsverordnung (LiqV)
Die LiqV trat am 1. Januar 2013 in Kraft und löste die damaligen Bestimmungen zur Liquidität in der BankV (Art. 16 ff.) ab. Gegenstand der neuen LiqV bildete die Regelung der qualitativen und quantitativen Liquiditätsanforderungen unter anderem für Banken (Art. 1 Abs. 1 LiqV). Die Verordnung enthält im vierten Kapitel besondere Bestimmungen für systemrelevante Banken (Art. 19 ff. LiqV). Diese Bestimmungen sahen in der bis Mitte 2022 gültigen Fassung vor, dass systemrelevante Banken über Liquidität verfügen müssen, die gewährleistet, dass sie Liquiditätsschocks besser als nicht systemrelevante Banken absorbieren und dadurch ihre Zahlungsverpflichtungen auch in einer aussergewöhnlichen Belastungssituation erfüllen können (besondere Liquiditätsanforderungen). In diesem Sinne wurde die Anforderung eingeführt, dass systemrelevante Banken während mindestens 30 Tagen jederzeit sämtliche Liquiditätsabflüsse decken können müssen, die beim Eintreten eines entsprechenden, spezifischen Stressszenarios zu erwarten sind (Art. 21 LiqV 2013). Das Stressszenario - eine aussergewöhnliche Belastungssituation - wurde in den weiteren Bestimmungen definiert. Die verschiedenen Anforderungen an das Stressszenario wurden in den Folgejahren weiter spezifiziert. Zudem wurde für systemrelevante Banken eine Berichterstattungspflicht an FINMA und SNB eingeführt (Art. 28 LiqV 2013). Die LiqV wurde 2014 erstmals revidiert. Die Änderungen traten per 1. Januar 2015 in Kraft und betrafen insbesondere die Quote für kurzfristige Liquidität.
4.2.2.3 Eigenmittelverordnung (ERV)
Die totalrevidierte ERV trat am 1. Januar 2013 in Kraft. In dieser Verordnung wurde - wie in der Vorgängerversion - festgehalten, dass unter anderem Banken über angemessene Eigenmittel verfügen und ihre Risiken angemessen begrenzen müssen (Art. 1 Abs. 1 ERV). Die Verordnung regelt die anrechenbaren Eigenmittel, die damit abzudeckenden Risiken, die Risikoverteilung und sieht besondere Anforderungen an systemrelevante Banken vor (Art. 2 ERV). Neben allgemeinen Bestimmungen kennt auch diese Verordnung einen spezifisch für systemrelevante Banken anwendbaren Teil (Art. 124 ff. ERV).
Einführung der AT1-Instrumente
Die ERV konkretisiert unter anderem Artikel 11 BankG. Diese Bestimmung trat im Jahr 2012 im Rahmen der Too-big-to-fail-Gesetzgebung in Kraft. Das damit geschaffene sogenannte zusätzliche Kernkapital, auch Additional Tier 1 oder AT1 genannt, stellt in der Bilanz Fremdkapital dar, soll aber in einer Krisensituation dazu dienen, Verluste aufzufangen. Diese Funktion sollen AT1-Instrumente schon vor einem Insolvenzfall erfüllen können (als Going-Concern-Kapital). Für den möglichen Eintritt dieses Risikos, das einen Totalverlust zur Folge haben kann, erhalten die AT1-Gläubiger einen entsprechend hohen Zins. Es handelt sich hierbei um ein international bekanntes und übliches Kapitalinstrument bei systemrelevanten Banken.
Artikel 27 Absatz 1 ERV enthält eine Auflistung der Voraussetzungen, unter denen eine Bank ein Kapitalinstrument regulatorisch als zusätzliches Kernkapital (AT1-Instrument) anrechnen kann. Namentlich muss es gemäss Buchstabe b unbefristet sein, und die Bank darf bei der Ausgabe keine Erwartungen auf eine Rückzahlung oder auf die entsprechende Zustimmung der Aufsichtsbehörde wecken. Das AT1-Instrument darf nach den Buchstaben b bis d von der emittierenden Bank frühestens fünf Jahre nach Ausgabe und nur mit Zustimmung der FINMA zurückbezahlt werden. Ausschüttungen an die Kapitalgeberinnen und Kapitalgeber durch die Bank dürfen nach Buchstabe f nur freiwillig und nur dann erfolgen, wenn ausschüttbare Reserven zur Verfügung stehen. Ebenso sind gemäss Buchstabe g Zinserhöhungen während der Laufzeit aufgrund des emittentenspezifischen Kreditrisikos ausgeschlossen. Eine weitere Eigenheit dieses Kapitalinstruments besteht darin, dass es bei Eintritt eines vertraglich definierten Ereignisses (des sogenannten Trigger Events) vollständig wegfällt, insbesondere zum Zeitpunkt drohender Insolvenz (dem sogenannten Point of Non-Viability, PONV). Zum Zeitpunkt der Verlusttragung sehen Artikel 29 Absatz 2 Buchstaben a und b ERV in Übereinstimmung mit den Basler Mindeststandards vor, dass die Forderungsreduktion bzw. die Abschreibung von AT1-Instrumenten spätestens vor Inanspruchnahme einer Hilfeleistung der öffentlichen Hand erfolgt oder, wenn die FINMA zur Vermeidung einer Insolvenz eine entsprechende Anordnung trifft.
AT1-Instrumente können im Wesentlichen auf zwei unterschiedliche Arten ausgestaltet werden: als Kapitalinstrumente, die entweder eine bedingte Wandlung in Aktien (Pflichtwandelanleihen; engl. Contingent Convertible Bonds oder kurz CoCos) oder einen bedingten Forderungsverzicht (Anleihen mit Forderungsverzicht; engl. Write-off-Bonds) vorsehen. Bei den von der CS ausgegebenen AT1-Instrumenten handelte es sich um Anleihen mit Forderungsverzicht.
4.2.2.4 Bankenverordnung (BankV)
Die seit 1972 existierende BankV wurde im Zuge der Einführung der TBTF-Regulierung im Jahr 2012 angepasst, indem die Notfallplanung und die Verbesserung der Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit systemrelevanter Banken in die Verordnung aufgenommen wurden. Demnach sollten systemrelevante Banken mittels Notfallplanung sicherstellen, dass systemrelevante Funktionen im Fall drohender Insolvenz unabhängig von den übrigen Teilen der Bank ohne Unterbrechung weitergeführt werden können (Art. 21 Abs. 1 BankV 2012). Weiter wurden die systemrelevanten Banken bzw. die FINMA verpflichtet, einen Stabilisierungs- bzw. einen Abwicklungsplan zu erarbeiten (Art. 22 Abs. 1 und 2 BankV 2012). Die Verordnung wurde im Jahr 2015 totalrevidiert, wobei die hier genannten Aspekte zu den systemrelevanten Banken übernommen wurden.
4.2.2.5 Arbeiten des Bundesrates im Kontext seines ersten Evaluationsberichtes
Der Bundesrat setzte im Jahr 2013 erneut eine Expertengruppe ein, um eine Analyse der internationalen Ausgestaltung der TBTF-Politik und eine Beurteilung des Handlungsbedarfs aus Schweizer Sicht vorzunehmen. 2²5 . Der erste Evaluationsbericht des Bundesrates aus dem Jahr 2015 zur TBTF-Problematik (siehe Kap. 5.2.3.1) 2²6 stützte sich in erster Linie auf den Schlussbericht dieser Expertengruppe und die darin enthaltenen neun Empfehlungen. Die Empfehlungen der Expertengruppe wurden in den Bericht integriert. Dabei bezog der Bundesrat jeweils kurz Stellung zu den einzelnen Empfehlungen.
Der Bundesrat beurteilte in seinem ersten Bericht den Schweizer Ansatz im internationalen Vergleich insgesamt als positiv. Ähnlich wie ein Jahr zuvor der IWF hob er hervor, dass die Schweiz zum Zeitpunkt der Berichtspublikation hinsichtlich Höhe der Anforderungen und hinsichtlich zeitlicher Umsetzung international gesehen eine Vorreiterrolle einnahm. 2²7 Insbesondere bedürfe es keiner kompletten Neuausrichtung des Regulierungsmodells. Er identifizierte jedoch punktuellen Handlungsbedarf.
Der Bundesrat fasste in Zusammenarbeit mit der FINMA und der SNB die Prüfung allfälliger Anpassungen bei den Eigenkapitalanforderungen an die systemrelevanten Banken ins Auge. Weiter hielt der Bundesrat zur Empfehlung bezüglich Notfallplan fest, dass für die Umsetzung der Notfallplanung und damit die Weiterführung der systemrelevanten Funktionen kein klarer Zeitpunkt definiert worden sei. Der Bundesrat kam zum Schluss, dass die FINMA die Umsetzung der Notfallpläne kontrollieren und die Behörden hierüber regelmässig in Kenntnis setzen solle. In Bezug auf die Anforderungen bezüglich Total loss-absorbing Capacity (TLAC), die der Bundesrat ausgehend vom Vorschlag des FSB im Jahr 2014 verbindlich in die Schweizer Gesetzgebung aufnehmen wollte, wurden zudem zwei begleitende Massnahmen beschlossen. So sollten einerseits bestehende Schwachstellen der gesetzlichen Grundlagen im Bereich der Krisenmassnahmen beseitigt werden (beispielsweise Art. 31. Abs. 3 BankG). Andererseits sollten die steuerlichen Voraussetzungen verbessert werden (Verrechnungssteuer), um den Schweizer Kapitalmarkt attraktiver zu machen (siehe Kap. 5.2).
Der Bundesrat hielt abschliessend fest, dass die vollständige Umsetzung der damals geltenden TBTF-Gesetzgebung die Problematik in der Schweiz nicht vollumfänglich zu lösen vermöge und er deshalb die Umsetzung aller Empfehlungen der Expertengruppe unterstütze. Allerdings betonte er gleichzeitig, dass keine Massnahmen ergriffen werden sollten, welche übermässig in das Geschäftsmodell der Banken eingreifen würden. Er kam zum Schluss, dass erst nach der Umsetzung der verschiedenen Empfehlungen analysiert werden könne, ob die TBTF-Problematik nachhaltig beseitigt werden könne.
Der Bericht schliesst mit der Darstellung der weiteren Arbeiten und einem Zeitplan für die Umsetzung von Massnahmen. Mit der Ausgestaltung dieser Massnahmen wurde eine vom EFD eingesetzte und geleitete Arbeitsgruppe betraut, der auch Vertreterinnen und Vertreter von FINMA und SNB angehörten (zu den weiteren Entwicklungen im Bereich der TBTF-Regulierung siehe Kap. 5.2).
2²5 Schlussbericht der Expertengruppe zur Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie vom 1.12.2014
2²6 Der Zeitpunkt der Publikation des Berichtes fällt eigentlich in Phase 2. Der Bericht wäre somit in Kapitel 5.2.2 und 5.2.3 darzustellen. Da er jedoch Rechenschaft zur Zeitspanne von der Inkraftsetzung der Revision des BankG am 1. Dezember 2012 bis anfangs 2015 ablegt, wird sein Inhalt bereits hier aufgeführt.
2²7 Hungerbühler, Lea (2024): Rechtsvergleichende Analyse zur Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzmärkte sowie der TBTF-Regulierung. Bericht vom 7.6.2024 im Auftrag der PUK, S. 7 f.
2¹8 Schlussbericht der Expertengruppe zur Weiterentwicklung der Finanzmarkstrategie vom 1.12.2014 und Anhang 4 zur Überprüfung des Schweizer TBTF-Regimes im internationalen Vergleich - Grundlage für die Evaluation gemäss Artikel 52 Bankengesetz.
2¹9 Das Schweizer Too-big-to Fail-Regime, Faktenblatt der FINMA vom 1.12.2014
5 Phase 1: Von den ersten Erfahrungen mit der TBTF-Regulierung bis zu den ersten Anzeichen der Krise, 2015 bis Sommer 2022
In diesem Kapitel werden die zentralen Entwicklungen bei der CS und die Geschäftsführung der Bundesbehörden von 2015 bis Sommer 2022 beleuchtet. Kapitel 5.1 enthält eine Darstellung des makroökonomischen Umfelds, mit Fokus auf die Entwicklungen im Finanzsektor und die wichtigsten Entwicklungen bei der CS in dieser Zeitspanne. Anschliessend folgt eine Analyse von vier Schwerpunktthemen: Zuerst wird das Monitoring resp. die Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung beschrieben (5.2), während nachfolgend die Geschäftsführung der drei Instanzen FINMA, RAB und SNB erörtert wird (5.3, 5.4 und 5.5). Anschliessend wird die Aufsicht der Bundesbehörden über diese drei Instanzen zusammengefasst (5.6), und schliesslich wird das Risikomanagement und die Krisenfrüherkennung dargestellt (5.7).
5.1 Relevanter Kontext
In den nachfolgenden drei Unterkapiteln wird der internationale und schweizerische Kontext dargelegt, in dem sich die CS zwischen 2015 und 2022 bewegte. Hierfür wird in Kapitel 5.1.1 zuerst beschrieben, wie sich die Wirtschaft allgemein und der Finanzsektor spezifisch entwickelte. Anschliessend erfolgt in Kapitel 5.1.2 eine Zusammenfassung der Entwicklungen bei der CS in der gleichen Zeitspanne. Zuletzt findet sich in Kapitel 5.1.3 eine Zusammenstellung der wichtigsten Änderungen der internationalen Standards in der Finanzmarktregulierung zwischen 2015 und 2022.
5.1.1 Entwicklung des Finanzsektors in der Schweiz und international von 2015 bis 2022
Relevanz des Finanzsektors in der Schweiz
Der Bankensektor trägt massgeblich zum Bruttoinlandprodukt der Schweiz bei. Zwischen 2015 und 2022 belief sich sein Anteil stets auf über 9 %. 2²8 Der Finanzsektor hatte im Untersuchungszeitraum auch für die Arbeitnehmenden in der Schweiz eine wichtige Bedeutung. Zwischen 2015 und 2022 arbeiteten stets über 2 % der Beschäftigten im Bereich Finanzdienstleistungen. Dies entspricht über 100 000 Vollzeitstellen. Werden die Versicherungsdienstleistungen mitberücksichtigt, arbeiteten zwischen 2015 und 2022 über 5 % der berufstätigen Personen in diesem Sektor, was mehr als 200 000 Vollzeitstellen entspricht. 2²9 Durch die wirtschaftliche Verflechtung, z. B. durch Dienstleistungsaufträge und Investitionen, wurden schätzungsweise weitere gut 200 000 Stellen generiert. Somit waren zwischen 2015 und 2022 mehr als 400 000 Arbeitsplätze in der Schweiz auf den Finanzsektor und seine Aktivitäten zurückzuführen. 23⁰
| Kasten 3 : Akteure im Schweizer Finanzsektor Der Schweizer Finanzsektor besteht nebst Banken aus Versicherungen, Vermögensverwaltern, Finanzmarktinfrastrukturen wie beispielsweise der SIX sowie anderen Finanzdienstleistungsunternehmen. 23¹ Je nach Statistik wird auf unterschiedliche Bereiche fokussiert. Die Trennung zwischen den Bereichen ist nicht immer klar, da beispielsweise die Angebote von Banken und Versicherungen teilweise sehr ähnlich sind. Deshalb sind Schätzungen für den gesamten Sektor, den Finanzsektor, nötig und sinnvoll. |
Schliesslich ist der Finanzsektor auch für die öffentlichen Finanzen bedeutend. So wurden für das Jahr 2022 die gesamten Steuererträge aus dem Finanzsektor auf 17,9 Milliarden Franken geschätzt, was 12 % der Fiskalerträge von Bund, Kantonen und Gemeinden entsprach. 23²
Entwicklungen im globalen Finanzsektor
Im Vergleich zu der Zeit vor der globalen Finanzkrise 2007/08 war der Bankensektor in Europa im Untersuchungszeitraum durch eine niedrigere Rentabilität gezeichnet. Dies lag mitunter daran, dass im Schnitt die Kapitalkosten des buchmässigen Eigenkapitals von europäischen Banken über ihrer Rendite lagen. Diese niedrige Rentabilität hatte nach dem Expertenbericht Hau/Rochet mehrere Gründe. Einerseits ermöglichten technologische Innovationen die Schaffung neuer Banken (z. B. Online-Banken), was den Wettbewerb unter den Banken massgeblich verstärkte. Zudem erhöhte eine anspruchsvollere Bankenregulierung die Fixkosten der Banken. ²33 Andererseits erschwerten die Entwicklungen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene die Bedingungen im Finanzsektor. Insbesondere ist hier das Niedrigzinsumfeld aufzuführen, das zwischen 2009 und 2022 nur geringe Zinserträge ermöglichte. Gleichzeitig gab es grössere Unsicherheiten bei den Prognosen zum Wirtschaftswachstum. Dies führte zu sinkenden Aktienkursen und einer abnehmenden Kreditqualität, wovon insbesondere Banken stark betroffen waren. ²34 Dazu kamen politische Unsicherheiten, insbesondere aufgrund des Referendumsentscheids zum Austritt Grossbritanniens aus der EU, der US-Wahlen 2016, ²35 der angespannten Handelsbeziehungen zwischen China und den USA seit 2018, ²36 der Corona-Pandemie von 2020 bis 2022 und des Kriegs in der Ukraine seit 2022 ²37 (zu Letzterem siehe auch Kap. 6.1.1).
2²8 SECO: Quartalsdaten Bruttoinlandprodukt, 28.2.2024, https:// www.seco.admin.ch > Wirtschaftslage & Wirtschaftspolitik > Wirtschaftslage > Bruttoinlandprodukt > Daten (Stand: 12.4.2024).
2²9 Bundesamt für Statistik: Beschäftigte nach Vollzeitäquivalente und Wirtschaftsabteilungen, 23.2.2024, www.bfs.admin.ch > Statistiken > Industrie, Dienstleistungen > Unternehmen und Beschäftigte > Beschäftigungsstatistik > Beschäftigte (Stand: 12.4.2024).
23⁰ BAK Economics AG (2022): Volkswirtschaftliche Bedeutung des Schweizer Finanzsektors - Ergebnisse 2022. Basel, S. 5.
23¹ Bericht des Bunderates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität einschliesslich Evaluation gemäss Artikel 52 des Bankengesetzes ( BBl 2024 1023 , hier 24)
23² Dabei werden 7,6 Mrd. den Bank- und 2,9 Mrd. Fr. den Versicherungsdienstleistungen zugeschrieben. Die restlichen 7,4 Mrd. Fr. sind auf die finanzmarktbezogene Mehrwertsteuer, die Verrechnungssteuer und die Stempelabgabe zurückzuführen. BAK Economics AG (2023): Volkswirtschaftliche Bedeutung des Schweizer Finanzsektors - Ergebnisse 2023. Basel, S. 12.
²33 Hau, Harald / Rochet, Jean-Charles (2024): Eine Analyse der Finanzlage der Credit Suisse im Kontext der Finanzmärkte. Bericht vom 28.5.2024 im Auftrag der PUK, S.9 f.
²34 SNB (2016): Bericht zur Finanzstabilität 2016. Zürich, S. 8.
²35 SNB (2017): Bericht zur Finanzstabilität 2017. Zürich, S. 7 .
²36 Schweizerische Bankiervereinigung (2019): Bankenbarometer 2019. Basel, S. 17.
²37 SNB (2022): Bericht zur Finanzstabilität 2022. Zürich, S. 8.
5.1.2 Entwicklung der CS, 2015 bis Sommer 2022
Die CS agierte im oben beschriebenen Umfeld. Nachfolgend werden die wichtigsten Entwicklungen bei der CS zwischen 2015 und Sommer 2022 dargelegt, insbesondere die Performance der CS, also die Jahresergebnisse, der Aktienkurs und die Kredit-Ratings, sowie die verschiedenen Skandale und Personalwechsel. Die folgende Grafik gibt einen Überblick zu den wichtigsten Eckpunkten: Auf der linken Seite werden die Wechsel an der Führungsspitze und auf der rechten Seite die wesentlichen Entwicklungen in der Bank dargestellt.
Abbildung 2: Übersicht zu den wichtigsten Entwicklungen in der CS zwischen 2015 und 2023
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
2015-2019: CS unter Tidjane Thiam ändert Strategie, verzeichnet Verluste und gerät in Skandale
Zu Beginn der Ausführungen zu den Entwicklungen bei der CS während des Untersuchungszeitraums ist zu erwähnen, dass die Bank bereits vor 2015 verschiedentlich im Fokus des öffentlichen Interesses stand. 2014 bekannte sie sich beispielsweise der Beihilfe zum Steuerbetrug in den USA schuldig und musste eine Busse von 2,8 Milliarden US-Dollar bezahlen. ²38 Nach diesem Entscheid verliess der damalige CEO Brady Dougan nach acht Jahren sein Amt. ²39 Mitte 2015 wurde Tidjane Thiam als neuer CEO der CS Group eingesetzt. Nebst Tidjane Thiam traten sechs weitere Geschäftsleitungsmitglieder ihre Ämter neu an. 24⁰ Tidjane Thiam schlug zusammen mit der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat eine neue Strategie vor, die darauf abzielte, den Kapitaleinsatz im Investmentbanking deutlich zu verkleinern. 24¹ Die Schwerpunkte sollten stattdessen auf dem Wealth Management und dem Asiengeschäft liegen. Zudem wurde die Umwandlung der CS in eine dezentralere Organisation gefördert, indem die Geschäftsstruktur auf drei regionale und zwei Investmentbanking-Divisionen reduziert wurde. Damit wurde den einzelnen Geschäftsbereichen mehr Verantwortung und Kontrolle übertragen. 24² Zur Finanzierung der Strategie wurden zwei Kapitalerhöhungen in einer Gesamthöhe von über 6 Milliarden Franken durchgeführt sowie ein umfassendes Kosteneinsparungsprogramm lanciert. ²43
Für das Geschäftsjahr 2015 vermeldete die CS einen Verlust von 2,9 Milliarden Franken. Der Verlust wurde insbesondere durch eine Goodwill-Abschreibung, die auf eine Firmenübernahme von 2000 zurückzuführen war, sowie durch Umstrukturierungskosten aufgrund der neuen Strategie verursacht. ²44
2016 musste die CS einen weiteren wesentlichen Verlust in der Höhe von 2,7 Milliarden Franken verzeichnen. Dieser rührte überwiegend von der Verpflichtung der CS her, Strafzahlungen an die US-Behörden im Zusammenhang mit früheren Geschäften mit Hypothekenpapieren zu zahlen. Dafür mussten Rückstellungen in der Höhe von 2,792 Milliarden Franken erstellt werden. ²45 Im gleichen Jahr wurde bekannt, dass die britische Tochtergesellschaft der CS in den Jahren 2013 und 2014 zwei mosambikanischen Staatsunternehmen Kredite in der Höhe von mehr als 1 Milliarde US-Dollar gewährt hatte. Mit diesen Krediten sollten primär Küstenwachschiffe und eine Thunfischfangflotte finanziert werden (siehe Kap. 5.3.2). ²46
Ebenfalls 2016 wurde, um die Too-big-to-fail-Vorschriften der Schweiz einzuhalten, die CS (Schweiz) AG gegründet. ²47 Deren Börsengang wurde im April 2017 jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben. Stattdessen wurde eine Aktienkapitalerhöhung von 4 Milliarden Franken ²48 zur Stärkung der Kapitalbasis angekündigt. ²49
Infolge des Abschlusses von zwei Enforcementverfahren der FINMA gegen die CS im Jahr 2018 (siehe Kap. 5.3.2) führte die CS 2019 den Verwaltungsratsausschuss Conduct and Financial Crime Control Committee ein, um «die Wirksamkeit der Compliance-Programme und Initiativen in Bezug auf Finanzkriminalität» zu überwachen und zu beurteilen. 25⁰ Kurz vor Ende 2018 erhob das US-amerikanische Justizdepartement Anklage gegen acht Personen, darunter drei Angestellte der CS International, unter anderem wegen Korruption und Geldwäscherei im Zusammenhang mit den Mosambik-Krediten. Das Jahr 2018 wurde mit einem Reingewinn von 2 Milliarden Franken abgeschlossen, was auch am umgesetzten Kosteneinsparungsprogramm lag. 25¹
2019 schloss die CS mit einem positiven Ergebnis von 3,4 Milliarden Franken ab. 25² Die Kapitalposition konnte somit in dieser Phase stabilisiert werden. Für Schlagzeilen sorgte jedoch eine Beschattungsaffäre, in der hochrangige CS-Manager von Detektiven beschattet wurden. In einer ersten Medienkonferenz der CS wurde der publik gewordene Fall als Einzelfall dargestellt. Als weitere Fälle von beschatteten Mitarbeitenden bekannt wurden, verlor der Verwaltungsrat der CS an Glaubwürdigkeit und die FINMA eröffnete eigene Untersuchungen (siehe Kap. 5.3.2). ²53
2020: CS unter neuem CEO Thomas Gottstein erlebt wirtschaftliche Schwierigkeiten infolge der Corona-Pandemie
Anfangs Februar 2020 trat Tidjane Thiam als CEO der CS Group zurück. Sein Nachfolger wurde Thomas Gottstein. Gleichzeitig wurden im Rahmen einer Strategieweiterentwicklung insbesondere die Einheiten Global Markets und Capital Markets in die globale Investmentbank integriert. ²54
Anfang 2020 brach die Corona-Pandemie aus. Im März 2020 senkte die US-Notenbank als erste grosse Zentralbank die Zinsen um einen halben Prozentpunkt. Die Aktienkurse fielen darauf um über 13 %. Die CS-Aktie wurde nur noch zur Hälfte ihres Werts von Mitte Februar 2020 gehandelt. ²55 Ein Grund für den starken Kursabfall nach der Entscheidung der US-Notenbank war die Struktur der Bank (siehe Kasten 4). Da die CS in Grossbritannien über zwei grosse Tochtergesellschaften verfügte, gestaltete sich das Liquiditätsmanagement bei der CS schwieriger als bei der UBS. Die Liquiditätsengpässe waren offenbar auf die Situation des Stammhauses und der US-Gesellschaft zurückzuführen. ²56 Ende März 2020 stabilisierte sich die Liquiditätssituation der Bank, ohne dass staatliche Hilfe (z. B. durch Covid-19-Refinanzierungsfazilitäten oder ELA, ²57 siehe Kap. 5.5.4) nötig gewesen wäre. ²58
| Kasten 4 : Struktur der CS Zuoberst in der Struktur der CS-Bankengruppe stand bis zur Übernahme durch die UBS 2023 die Konzerngesellschaft Credit Suisse Group AG, eine Holdinggesellschaft mit Börsennotierungen an der New Yorker und der Schweizer Börse. Diese Credit Suisse Group AG hielt hundert Prozent der Credit Suisse AG, die das Stammhaus, die Parent Bank, darstellte. Die CS AG als Stammhaus hielt einerseits Beteiligungen an Tochtergesellschaften im In- und Ausland (Ende 2022 weltweit über 1100 Tochtergesellschaften). So hielt die CS AG auch die hundertprozentige Beteiligung an der 2015 neu gegründeten Schweizer Tochterbank Credit Suisse (Schweiz) AG, in welche die Bankengruppe ihre systemrelevanten Funktionen in der Schweiz überführt hatte. Andererseits führte das Stammhaus auch selbst operative Tätigkeiten (Bankgeschäfte) aus. Es handelte sich also nicht um eine reine Holdinggesellschaft. Organisatorisch war die CS Group AG in die vier Divisionen Wealth Management, Investment Bank, Swiss Bank und Asset Management gegliedert. ²59 Abbildung 3: Vereinfachte Rechtsstruktur der CS vor der Übernahme[Bild bitte in Originalquelle ansehen] Quelle : SNB Stabilitätsbericht 2023, S. 31. |
2021: Skandale bei der CS mehren sich
Im März 2021 meldete Greensill Capital Insolvenz an, weswegen bei der CS kurzfristig Fonds im Umfang von 10 Milliarden US-Dollar geschlossen werden mussten. Bis Juli 2023 konnten 7,4 Milliarden US-Dollar zurückgeführt werden. Zur gleichen Zeit kollabierte der Hedgefonds von Archegos Capital Management, was bei der CS zu einem Verlust von 5,5 Milliarden US-Dollar führte. 26⁰ Die FINMA eröffnete in beiden Fällen Enforcementverfahren (siehe Kap. 5.3.2) und ordnete Sofortmassnahmen an.
Die CS traf weitere, eigenständige Massnahmen, darunter die Separierung der Asset-Management-Aktivitäten vom Wealth Management sowie die Neubesetzung der Posten des CEO des Bereichs Investment Bank, des Chief Risk Officers (CRO) und des Chief Compliance and Regulatory Affairs Officers. Die Fälle Greensill und Archegos hatten auch Auswirkungen auf den Aktienkurs. Als sie publik wurden, fiel der Aktienkurs der CS um 29 %. 26¹ Danach verblieb der Aktienkurs während des gesamten Jahres auf ungefähr diesem Niveau, bevor die Bewertung ab Ende Februar 2022 kontinuierlich zurückging (vgl. Abbildung 4 weiter unten).
Weiter kam es 2021 zu einem Wechsel im Präsidium des Verwaltungsrates, da Urs Rohner die Amtslimite von zehn Jahren erreicht hatte. 26² Sein Nachfolger António Horta-Osório begann am 1. Mai 2021 und leitete die Überprüfung der Strategie ein, die im November 2021 veröffentlicht wurde. Darin wurde verkündet, dass in den folgenden drei Jahren die Bereiche Wealth Management und Investment Bank jeweils global zusammengeführt werden sollen und dem Bereich Investment Bank nur noch ein Drittel des Kapitals zugeteilt werden soll. Damit sollte das Risikomanagement gestärkt und in den Mittelpunkt gestellt werden. ²63
Trotz des Verlustes bei Archegos im ersten Quartal 2021 verzeichnete die CS im weiteren Verlauf des Jahres einen Zuwachs von Netto-Neugeldern im Wealth Management im Umfang 29 Milliarden Franken. Da sie aber auch noch Goodwill-Abschreibungen in der Höhe von 1,6 Milliarden vornahm, schloss die CS das Jahr 2021 mit einem Reinverlust von 1,7 Milliarden Franken. ²64
2022: Weitere Unruhen in der CS-Führungsetage und finanzielle Schwierigkeiten
2022 kam es zu mehreren personellen Wechseln auf Stufe Verwaltungsrat. Unter anderem trat Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório nach einer bankinternen Untersuchung im Januar 2022 zurück und Axel Lehmann wurde in sein Amt gewählt. In den ersten zwei Quartalen 2022 musste die CS hohe Verluste verzeichnen. ²65 Diese waren zum einen auf weniger hohe Erträge in den Bereichen Investment Bank, Wealth Management und Swiss Universal Bank und zum anderen auf die schwierige makroökonomische Lage (siehe Kap. 5.1.1) zurückzuführen, ²66 die Ungewissheit bezüglich der allgemeinen Marktentwicklung schürte. Die allgemeine Ungewissheit, die hohen Quartalsverluste und die Unsicherheit, ob die angekündigte Umstrukturierung erfolgreich umgesetzt werden kann, veranlassten mehrere Ratingagenturen dazu, im Mai 2022 das Rating der CS herabzustufen (so z. B. Fitch) ²67 . Aufgrund der Herabstufung verteuerte sich die Liquiditätsbeschaffung für die CS.
Als Reaktion auf diese Entwicklungen sowie aufgrund gesundheitlicher Probleme von CEO Thomas Gottstein beschloss die CS im Juli 2022, ihn per August 2022 durch Ulrich Körner zu ersetzen. Gleichzeitig wurde eine weitere Strategieüberprüfung angekündigt. ²68 Letztere sollte dazu dienen, eine deutlich niedrigere absolute Kostenbasis zu schaffen und insbesondere die Investment Bank in ein «kapitalschonendes, beratungsorientiertes» Geschäft zu überführen. ²69 Die konkreten Ziele sollten im Oktober 2022 kommuniziert werden (zu den Details der Strategieüberprüfung siehe Kap. 6.1.2). Aufgrund der anhaltenden Unsicherheiten zu den Investitionsaussichten und der fortdauernden negativen Ergebnisse stuften im August 2022 zwei Ratingagenturen die CS nochmals um eine Stufe herab (Fitch 27⁰ und Moody’s 27¹ ).
Einschätzung der CS am Markt blieb viele Jahre hoch, trotz fehlender Performance
Trotz der genannten Skandale und der Verluste zwischen 2016 und 2022 blieben die Kreditratings der drei wichtigsten Agenturen Fitch, Moody’s und S&P zwischen 2016 und 2022 stabil und auf einem hohen Niveau, was der CS unter anderem niedrige Refinanzierungskosten ermöglichte. 27² Erst im Mai 2022 wurden die Kreditratings der CS markant abgewertet. Dies steht in Kontrast zum beständig sinkenden Aktienkurs (siehe Abbildung 4). Bereits ab 2012 fiel der Aktienkurs der CS hinter den Index der europäischen Bankaktien zurück. Nachdem der Aktienkurs der CS im März 2021, als die Skandale rund um Greensill und Archegos publik geworden waren, regelrecht abgestürzt war, erholte er sich nicht mehr nachhaltig. Im Gegenteil, der Aktienkurs der CS blieb immer weiter hinter dem europäischen Index zurück. ²73
Zwischen 2010 und 2022 halbierte sich die Bilanzsumme der CS von 1032 Milliarden auf 531 Milliarden Franken. In dieser Phase werfen die Leistungszahlen der CS Fragen zur Vergütungspolitik auf: Im Expertenbericht Hau/Rochet wird berechnet, dass die CS seit 2011 mit Ausnahme von 2018 immer ein negatives ökonomisches Ergebnis erzielt hatte (Tabelle 1 auf S. 13 im Expertenbericht). Trotz dieser unvorteilhaften Leistungszahlen blieben die variablen Vergütungen für die Bankmanager im Milliardenbereich, auch wenn sie in der Tendenz sanken: 2010 beliefen sich diese sogenannten diskretionären Leistungsprämien auf 5 Milliarden, 2022 noch auf 1 Milliarde Franken. Aufsummiert beliefen sich die Leistungsprämien an die Managementebene der CS zwischen 2010 und 2022 auf 39,8 Milliarden Franken. Der Gesamtverlust im gleichen Zeitraum betrug 33,7 Milliarden Franken. ²74 Ein Faktor hierfür waren die hohen Bussen, Vergleiche und Schadensersatzzahlungen, die sich bei der CS zwischen 2010 und 2022 auf rund 15 Milliarden Franken beliefen. ²75
Abbildung 4: Entwicklung der Aktienkurse der CS, der europäischen Banken und Entwicklung des Weltaktienindexes
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
Grafik aus Expertenbericht Hau/Rochet (2024), S. 17 .
Legende: Erklärung zur Berechnung (durch die Autoren des Expertenberichtes): Der Aktienkurs der Credit Suisse Group wird mit einem Portfolio von europäischen Bankaktien (STOXX 600 Banks) und dem MSCI World Stock Index verglichen. Zugrunde gelegt wurden hierbei Total-Return-Indizes mit reinvestierten Dividenden. Quellen: Compustat-Datenbank und Refinitiv Datastream.
²38 CS-Boss Brady Dougan wird abgelöst. In: Tagesanzeiger,10.3.2015.
²39 Weitere Kritikpunkte betrafen die fehlende oder zu langsame Anpassung an die sich ändernden Bedingungen und Regulierungen in der Industrie (der hohe Anteil der Investmentbank, die niedrige Eigenkapitalquote und die hohen Saläre und Boni). Siehe hierzu auch: Dougan hinterlässt Baustellen bei der CS. In: NZZ, 10.3.2015; Brady Dougan: Mit harter Arbeit zum Musterschüler.In: Handelszeitung, 10.3.2015.
24⁰ Es waren dies u. a. Lara Warner als Chief Compliance & Regulatory Affairs Officer, Thomas Gottstein als CEO der Swiss Universal Bank und Iqbal Khan als CEO International Wealth Management. FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 26 f.
24¹ CS (2015): Präsentation «Credit Suisse Strategy and Objectives» am Investor Day vom 21.10.2015, https://www.ubs.com/global > About us > Investor Relations > Complementary financial information > Holding company and significant regulated subsidiaries and sub-groups > Archive (Credit Suisse Group) > 2015 > 2015 Investor Day (Stand: 3.12.2024).
24² CS (2016): Geschäftsbericht 2015. Zürich, S. 16.
²43 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 26.
²44 CS (2016): Geschäftsbericht 2015. Zürich, S. 9 und 101.
²45 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 27.
²46 «Mosambik-Kredite: FINMA schliesst Verfahren gegen CS ab», Medienmitteilung der FINMA vom 19.10.2021.
²47 CS (2017): Geschäftsbericht 2016. Zürich, S. 9.
²48 Unter anderem diese Kapitalerhöhung führte zusammen mit den Kapitalerhöhungen von 2015 von 6 Mrd. Fr. zu einer Verwässerung der Kapitalstruktur und trug damit zum sinkenden Aktienkurs der CS bei.
²49 CS: Einladung zur ausserordentlichen Generalversammlung, 26.4.2017, https://www.credit-suisse.com/about-us/de.html > Veranstaltungen > Generalversammlung > 2017 > Ausserordentliche Generalversammlung 2017, S. 4 (Stand: 1.5.2024).
25⁰ CS (2019): Geschäftsbericht 2019. Zürich, S. 231.
25¹ CS (2018): Geschäftsbericht 2018. Zürich, S. 69; FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 27.
25² CS (2019): Geschäftsbericht 2019. Zürich, S. 69.
²53 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 28.
²54 «CS baut auf ihren starken Ergebnissen des zweiten Quartals 2020 auf und lanciert Schlüsselinitiativen zur Stärkung der Strategie», Medienmitteilung der CS vom 30.7.2020, https://www.credit-suisse.com > Medien und News > Medienmitteilungen > 2020 (Stand: 1.5.2024).
²55 Coronavirus: Schweizer Börse im Sturzflug, Geldpolitik auf Steroiden. In: swissinfo.ch, 17.3.2020 (Stand: 3.5.2024).
²56 Transkription der AF-Sitzung vom 23.3.2020
²57 Die SNB hatte im März 2020 allen systemrelevanten Banken Liquidität im Rahmen von Covid-19-Refinanzierungsfazilitäten (CRF) angeboten, welche angesichts der pandemiebedingten grossen Unsicherheit auch die etablierten Instrumente WeFa (Wertschriften-Fazilität) und ELA beinhaltet hätten. Diese CRF wurden schlussendlich nicht genutzt. Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024
²58 Transkription der AF-Sitzung vom 23.3.2020 und 30.3.2020
²59 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 22 f.
26⁰ Stellungnahme vom 26.7.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
26¹ Expertenbericht Hau/Rochet (2024), S. 17
26² FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 30.
²63 «Die CS gibt ihre Gruppenstrategie mit einem klaren Fokus auf Stärkung, Vereinfachung und Wachstumsinvestitionen bekannt», Medienmitteilung der CS vom 4.11.2021, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien > Credit Suisse, Teil des UBS-Konzerns (Stand: 22.11.2024).
²64 Stellungnahme vom 5.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
²65 CS: Quartalsergebnisse Berichte, https://www.ubs.com/global > About us > Investor Relations > Complementary financial information > Holding company and significant regulated subsidiaries and sub-groups > Archive (Credit Suisse Group) > 2022 (Stand: 3.12.2024).
²66 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 31.
²67 FitchRatings: Fitch Downgrades CS Group to ‹BBB+›; Stable Outlook, 18.5.2022, https://www.fitchratings.com/research/banks/fitch-downgrades-credit-suisse-group-to-bbb-stable-outlook-18-05-2022 (Stand: 7.5.2024).
²68 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 34.
²69 «CS ernennt Ulrich Körner zum neuen Group Chief Executive Officer und kündigt eine umfassende Strategieüberprüfung an», Medienmitteilung der CS vom 27.7.2022, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien > Credit Suisse, Teil des UBS-Konzerns > CS ernennt Ulrich Körner zum neuen Group Chief Executive Officer und kündigt eine umfassende Strategieüberprüfung an (Stand: 22.11.2024).
27⁰ FitchRatings: Fitch Downgrades CS Group to ‹BBB›; Outlook Negative, 4.8.2022, https://www.fitchratings.com/research/banks/fitch-downgrades-credit-suisse-group-to-bbb-outlook-negative-04-08-2022 (Stand: 7.5.2024).
27¹ Moody’s Investors service: Moody’s downgrades CS Group AG’s senior unsecured debt ratings to Baa2; outlook negative, 1.8.2022, https://www.credit-suisse.com/media/ assets/about-us/docs/investor-relations/debt-investors/ratings-credit-reports/csg-moodys-rating-action-010822.pdf (Stand 7.5.2024).
27² Expertenbericht Hau/Rochet, S. 19
²73 Für eine Übersichtsgrafik über den Verlauf des CS-Aktienkurses und über wichtige Ereignisse bei der CS vgl. FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 23.
²74 Expertenbericht Hau/Rochet, S. 14 und 20
²75 FINMA (2023): Lessons-learned aus der CS-Krise, S. 54.
5.1.3 Entwicklung der internationalen Standards zwischen 2015 und 2022
Wie bereits in Kapitel 4.1.1 erwähnt, sind die beiden wichtigsten internationalen Gremien, die internationale Standards im Bereich der Finanzmärkte erlassen, der BCBS und das FSB. Im Folgenden werden die wichtigsten Entwicklungen ab 2015 zusammengefasst. Eine detaillierte Übersicht ist im Bericht «Rechtsvergleichende Analyse zur Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzmärkte sowie TBTF-Regulierung» von Lea Hungerbühler zu finden, der im Auftrag der PUK erstellt wurde.
Seit 2015 konzentrierten sich die Entwicklungen bei den internationalen Standards vor allem auf zwei für die globale Finanzstabilität entscheidende Bereiche: die Eigenkapitalanforderungen, mit denen die Widerstandsfähigkeit der Banken gegenüber wirtschaftlichen Schocks gestärkt werden sollte, und die Liquiditätsanforderungen, mit denen gewährleistet werden sollte, dass die Finanzinstitute über genügend Liquidität verfügen. ²76
Entwicklung der Eigenkapitalanforderungen
Der BCBS führte als zentralen Bestandteil seiner Reaktion auf die globale Finanzkrise das Regelwerk Basel III ein (siehe Kap. 4.1.1). Die erste Fassung von Basel III wurde 2010 verabschiedet. Zwischen 2013 und 2017 folgten Revisionen und Anpassungen. ²77 Im Jahr 2017 verabschiedete der BCBS neue Massnahmen, um die Glaubwürdigkeit der Berechnung der risikogewichteten Aktiva (RWA) wiederherzustellen und die Vergleichbarkeit der Eigenkapitalquoten von Banken zu verbessern. ²78
Gleichzeitig veröffentlichte das FSB 2017 die Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution / Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) . ²79 Mit dem TLAC-Standard sollte sichergestellt werden, dass eine global systemrelevante Bank (G-SIB) bei einem Ausfall über eine ausreichende Verlusttrag- und Rekapitalisierungsfähigkeit für eine ordentliche Abwicklung verfügt, mit welcher die Auswirkungen auf die Finanzstabilität minimiert werden, die Kontinuität kritischer Funktionen gewährleistet wird und mit der Verluste nicht mit öffentlichen Geldern ausgeglichen werden müssen. 28⁰
Entwicklung der Liquiditätsanforderungen
Zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Banken gegenüber Liquiditätskrisen und zur Gewährleistung der kurzfristigen Finanzstabilität erliess der BCBS die folgenden zwei regulatorischen Standards: die Mindestliquiditätsquote ( Liquidity Coverage Ratio, LCR ) die ab 2015 schrittweise in Kraft trat, 28¹ und die strukturelle Liquiditätsquote ( Net stable Funding Ratio, NSFR), die im Januar 2018 in Kraft trat. 28² Diese beiden Standards sind Teil von Basel III.
Die LCR gibt grundsätzlich vor, wie viele erstklassige liquide Aktiva ( High Quality liquid Assets , HQLA) in einem Stressszenario (Liquiditätszu- und -abflüsse über 30 Kalendertage) vorhanden sein müssen. Konkret muss eine Bank über so viele HQLA verfügen, dass sie während eines Zeitraums von 30 Tagen mindestens 100 % der Nettoabflüsse decken kann. ²83 Gemäss der NSFR muss die verfügbare stabile Refinanzierung ( Available stable Funding , ASF) stets höher als die erforderliche stabile Refinanzierung ( Required stable Funding , RSF) sein, wobei die Zahlen vierteljährlich der Aufsichtsbehörde zu melden sind. Der Basel-III-Standard sieht dabei konkrete Berechnungsvorgaben für die Bestimmung der verfügbaren und der erforderlichen stabilen Finanzierung vor. ²84
²76 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2017): Finalising Basel III - In brief, www.bis.org > Committees & associations > Basel Committe on Banking Supervision > Basel III (Stand: 10.12.2024).
²77 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ): History of the Basel Committee, www.bis.org > Committees & associations > Basel Committe on Banking Supervision > About the BCBS > History (Stand: 6.6.2024).
²78 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2017): Finalising Basel III - In brief, www.bis.org > Committees & associations > Basel Committe on Banking Supervision > Basel III (Stand: 10.12.2024).
²79 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 7
28⁰ «FSB issues final Total Loss-Absorbing Capacity standard for global systemically important banks», Medienmitteilung des Financial Stability Board (FSB) vom 9.11.2015, www.fsb.org > Press > Press Releases (Stand: 10.12.2024).
28¹ Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2013), Basel III: Mindestliquiditätsquote und Instrumente zur Überwachung des Liquiditätsrisikos.
28² Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (2014), Basel III: Strukturelle Liquiditätsquote.
²83 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 11
²84 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 13
5.2 Monitoring und Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung und der Revisionsaufsichtssysteme in der Schweiz
5.2.1 Vorgehensweise der Schweizer Behörden beim Monitoring und bei der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung
Instrumente des Monitorings und der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung in der Schweiz
Das Monitoring des Schweizer und des internationalen TBTF-Regimes durch die Bundesbehörden erfolgte mittels verschiedener Instrumente.
Erstens prüfte der Bundesrat in seinen zweijährlichen Evaluationsberichten zu den systemrelevanten Banken ab 2015, ob die schweizerischen Regelungen gleichwertig zu jenen in anderen Staaten waren und wie der Grad der Umsetzung der internationalen TBTF-Standards war (siehe Kap. 4.2.2). Im Vorfeld des ersten Berichtes hatte der Bundesrat zudem die Aussensicht einer unabhängigen Expertengruppe eingeholt, deren Empfehlungen er in seinem ersten Evaluationsbericht zu systemrelevanten Banken fast alle übernahm.
Zweitens veröffentlicht die SNB jährlich ihren Bericht zur Finanzstabilität, der seit 2012 jeweils auch ein Kapitel zu den Grossbanken und eines zur TBTF-Thematik enthält (siehe Kap. 3.3).
Drittens nehmen die Bundesbehörden Einsitz in verschiedenen internationalen Gremien, die das internationale TBTF-Regime laufend diskutieren und weiterentwickeln. Zu nennen sind insbesondere die folgenden Gremien (siehe Kap. 4.1.1, 3.2 und 3.3):
-
der BCBS (Einsitz für die Schweiz: FINMA und SNB), der für den Erlass der Basel-Standards verantwortlich ist;
-
das FSB (SNB und SIF vertreten die Schweiz in den Entscheidgremien);
-
der IWF (die Vorsteherin oder der Vorsteher EFD vertritt die Schweiz im Ministergremium, die Mitgliedschaft der Schweiz wird durch das EFD und die SNB gemeinsam wahrgenommen).
Der Einbezug in diesen internationalen Gremien erlaubt es den Schweizer Behörden, die internationalen Entwicklungen laufend zu verfolgen und die Schweizer Regeln mit den internationalen Standards zu vergleichen (zu den Gremien und den Standards siehe Kap. 4.1.1 und 4.1.2).
Viertens nehmen einige dieser Gremien unabhängige Überprüfungen bei ihren Mitgliedern vor, unter anderem im Hinblick auf deren TBTF-Regimes. Konkret prüfte der IWF die Schweiz im Rahmen seiner Länderexamen von 2012 bis 2024 jährlich (mit Ausnahme von 2013, 2017 und 2020). Zudem führte er in der Schweiz in den Jahren 2014 und 2019 Finanzsektorexamen durch. Zusätzlich erstellt das FSB seit 2010 obligatorische Peer Reviews seiner Mitglieder (letzte Veröffentlichungen zur Schweiz: 2012 und 2024) sowie thematische Peer Reviews (z. B. 2019 ein Peer Review zur Umsetzung der Abwicklungsplanung in den Mitgliedstaaten).
Tabelle 4: Übersicht der Prüfungen der Schweiz durch internationale Gremien seit 2012
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| Gremium | Art der Prüfung | Jahr |
|---|---|---|
| IWF | Länderexamen (Artikel-IV-Konsultationen) | 2012 |
| 2014 | ||
| 2015 | ||
| 2016 | ||
| 2018 | ||
| 2019 | ||
| 2021 | ||
| 2022 | ||
| 2023 | ||
| 2024 | ||
| Finanzsektorexamen (FSAP) | 2014 | |
| 2019 | ||
| FSB | Obligatorische Peer-Reviews der Mitglieder | 2012 |
| 2024 | ||
| Thematischer Peer-Review Abwicklungsplanung | 2019 |
Weiterentwicklungen vorwiegend auf Verordnungsstufe
Die Weiterentwicklung des Schweizer TBTF-Regimes durch die Bundesbehörden ab 2015 (für die Zeit vor 2015 siehe Kap. 4.2.2) erfolgte insbesondere durch Anpassungen der ERV, der LiqV, der BankV, der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz, der Finanzmarktinfrastrukturverordnung (FinfraV) und der Bankeninsolvenzverordnung-FINMA (BIV-FINMA) durch den Bundesrat. Dabei wurden die relevanten Akteure einbezogen. Neben der FINMA und der SNB waren dies insbesondere die betroffenen Banken.
Punktuell kam es auch zu Anpassungen auf Gesetzesstufe, so im BankG, im FIDLEG, im FINIG, im FinfraG, im Verrechnungssteuergesetz (VStG), im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) und im Steuerharmonisierungsgesetz (StHG). Die meisten Änderungen wurden aber durch den Bundesrat als Verordnungsgeber bzw. teilweise direkt durch die FINMA mittels TBTF-Verfügungen umgesetzt. In den Jahren 2016 bis 2018 kam es vermehrt auch zu parlamentarischen Vorstössen zur TBTF-Regulierung, die teilweise ebenfalls Anpassungen am rechtlichen Rahmen nach sich zogen (siehe Kap. 5.2.5.2).
5.2.2 Übersicht über die wichtigsten Bereiche der TBTF-Regulierung in der Schweiz
Zu den möglichen Bereichen einer TBTF-Regulierung zählen insbesondere: Kapitalvorschriften, Liquiditätsanforderungen, Public Liquidity Backstop (PLB), Temporary public Ownership (TPO), Abwicklungsfähigkeit von Banken, Bankenaufsicht und -regulierung sowie Einlagensicherung . Diese Bereiche sind in der Schweizer und in der internationalen TBTF-Regulierung unterschiedlich ausgebildet. In Kapitel 5.2.2.1 werden diese Themenbereiche zuerst kurz vorgestellt, bevor in Kapitel 5.2.2.2 eine chronologische Übersicht über die wichtigsten Etappen der Weiterentwicklung der Schweizer TBTF-Regulierung von 2015 bis 2022 in den verschiedenen Themenbereichen folgt.
Detaillierte Ausführungen zu den einzelnen Etappen finden sich in den anschliessenden Kapiteln 5.2.3-5.2.6, wobei der Fokus auf der TBTF-Regulierung zu international tätigen systemrelevanten Banken, den G-SIB, liegt. Die inländisch systemrelevanten Banken, die Domestic systemically important Banks (D-SIB), werden nur am Rande betrachtet, da die sie betreffenden Regeln für den Auftrag der PUK kaum von Belang sind.
5.2.2.1 Themenbereiche der TBTF-Regulierung
Die Begrifflichkeiten zu den in diesem Unterkapitel vorgestellten Themenbereichen sind im Glossar am Ende des Berichtes erläutert (sh. Anhang 2).
Kapitalvorschriften
Mit Eigenmittel- oder Kapitalanforderungen wird festgelegt, wie viele Eigenmittel eine Bank halten muss. Das Eigenkapital entspricht der Differenz zwischen den Aktiven und dem Fremdkapital, d. h. zwischen dem, was eine Bank besitzt, und dem, was sie Dritten schuldet (Eigenkapital = Aktiven minus Fremdkapital). Im Krisenfall kann das Fremdkapital verringert werden, was rein mathematisch zu einer Erhöhung des Eigenkapitals führt. Die beiden Hauptinstrumente zur Verringerung des Fremdkapitals sind:
-
Die Abschreibung gewisser Arten von Fremdkapital wie z. B. von bestimmten Formen von AT1, deren Wert dadurch auf null festgelegt wird. Die Gläubigerinnen und Gläubiger verlieren alles.
-
Die Umwandlung gewisser Kategorien von Fremdkapital wie z. B. Bail-in-Bonds in Eigenkapital. Die Gläubigerinnen und Gläubiger werden in einem zu definierenden Ausmass Aktionärinnen und Aktionäre der Bank.
Die Höhe der Eigenmittel , die eine Bank zur ordentlichen Weiterführung ihrer Geschäftstätigkeit aufweisen muss, wird in sogenannten Going-Concern -Anforderungen festgehalten. Die Höhe der Eigenmittel , welche eine Bank halten muss, um die Durchführung ihrer Sanierung oder Abwicklung zu gewährleisten, wird mit sogenannten Gone-Concern-Anforderungen definiert.
Während durch höhere Going-Concern-Anforderungen die Wahrscheinlichkeit einer Abwicklung reduziert werden kann, werden mit Gone-Concern-Anforderungen die Voraussetzungen für eine ordentliche Restrukturierung oder Abwicklung (Resolution) einer Bank geschaffen. Die gesamte Verlusttragfähigkeit (TLAC) einer Bank setzt sich aus den Going-Concern- und den Gone-Concern-Mitteln zusammen.
Kapitalanforderungen an Banken werden auf zwei Arten berechnet. Bei der Quote der risikogewichteten Aktiven, den Risk Weighted Assets (RWA) , werden die von der Bank zu haltenden Eigenmittel ins Verhältnis zu den Risikopositionen der Bank gesetzt, wobei das Verlustrisiko gewichtet wird. Während bei dieser Berechnungsart das Ausfallrisiko der einzelnen Positionen berücksichtigt wird, ist dies bei der Leverage Ratio (LR) nicht der Fall. Die LR bezeichnet die Quote, die sich aus der Gegenüberstellung des Kernkapitals (T1) und des Gesamtengagements ergibt. Die LR-Eigenmittelquote bezieht sich also auf die ungewichteten Positionen der Bank, wobei das Gesamtengagement aufsichtsrechtlich definiert wird.
Die Höhe der verschiedenen Kapitalanforderungen wird nicht nur durch die als Prozentzahl festgelegte Schwelle (z. B.: Eigenkapital in der Höhe von 14,3 % der RWA, siehe Kap. 5.2.3.1) beeinflusst. Folgende Aspekte wirken sich ebenfalls auf die Höhe der Kapitalanforderungen aus:
-
Die Kategorien von Aktiven, die zur Berechnung des Eigenkapitals zugelassen werden. Da das Eigenkapital sich aus den Aktiven minus dem Fremdkapital berechnet, verringert eine Einschränkung der zur Berechnung zulässigen Aktiven die ausgewiesenen Eigenmittel und somit auch die RWA und die LR.
-
Die Bewertung der Aktiven, die nach unterschiedlichen Methoden erfolgen kann (Bewertung nach Kaufpreis, nach Nominalwert, nach Marktwert usw.). Da das Eigenkapital sich aus den Aktiven minus dem Fremdkapital berechnet, sind die Eigenmittel höher, je höher der Wert der Aktiven ist. Folglich führt eine Aufwertung der Aktiven rein mathematisch dazu, dass die Eigenmittelquote ebenfalls erhöht wird.
-
Die Höhe der Risikogewichtung der Aktiven. Risikoreiche Aktiven sollten höher gewichtet werden. Eine höhere Risikogewichtung gewisser Aktiven zwingt die Bank mathematisch, mehr Kapital zu halten.
Bei der Festlegung der Eigenmittelanforderungen an Banken spielt folglich nicht nur die am Ende der Berechnungen resultierende RWA- oder LR-Quote eine Rolle. Vielmehr haben auch die erwähnten, scheinbar technischen Aspekte der Berechnungsmethode gewichtige wirtschaftliche Auswirkungen. Dementsprechend wurden viele dieser Aspekte bei der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung von 2015 bis 2022 kontrovers diskutiert.
Abschliessend ist zu erwähnen, dass die Schweizer TBTF-Gesetzgebung bei den Eigenmittelanforderungen an Banken aus diversen Gründen verschiedene Erleichterungen vorsieht, die über die Jahre weiterentwickelt wurden (siehe Kap. 5.2.3.1).
Liquiditätsanforderungen
Damit eine Bank stabil ist, reicht es nicht aus, dass sie über genügend Eigenmittel verfügt. Sie muss darüber hinaus mit ausreichend Liquidität ausgestattet sein, um ihr Bankgeschäft ausüben und Schocks, die zu raschen Liquiditätsabflüssen führen, überstehen zu können. Entsprechend legt die TBTF-Regulierung auch Liquiditätsanforderungen an die Banken fest.
Die Liquidity Coverage Ratio (LCR) bezeichnet die Mindestquote für kurzfristige Liquidität. Sie bezweckt die Stärkung der Resilienz der Banken bei kurzfristigen Liquiditätskrisen, indem sie sicherstellt, dass die Banken ausreichend qualitativ hochwertige, liquide Aktiva bereithalten, um dem Mittelabfluss in einem vordefinierten Stressszenario standhalten zu können.
Die Net Stable Funding Ratio (NSFR) ist eine Finanzierungsquote, mit der eine stabile Finanzierungsstruktur für einen Zeithorizont von einem Jahr dauernd gewährleistet werden soll.
Zu den TBTF-Instrumenten, die die Liquidität der Banken im Krisenfall sichern sollen, gehört auch der PLB, auf den weiter unten separat eingegangen wird. Dieses Instrument wurde auf internationaler Ebene (FSB) erst ab 2016 diskutiert und war bei der erstmaligen Einführung der Schweizer TBTF-Regulierung 2012 noch kein Thema.
Stabilisierung und Abwicklung
Bei systemrelevanten Banken ist im Krisenfall zwischen Stabilisierung und Abwicklung zu unterscheiden. Unter dem Stichwort «Stabilisierung» ( Recovery ) werden stabilisierende Massnahmen eines Unternehmens ohne staatliche Eingriffe in einem frühen Krisenstadium verstanden. Hingegen ist mit Abwicklung ( Resolution ) die Sanierung oder die Konkursliquidation einer Bank durch Eingreifen der Behörden gemeint, wenn Insolvenzgefahr besteht. ²85 Die internationale Koordination der Vorbereitungen der Behörden auf Krisen von G-SIB erfolgt in der sogenannten Crisis Management Group (CMG) (siehe Kap. 5.3.1.5).
Die Schweizer TBTF-Regulierung sieht seit 2012 vor, dass die SIB über einen von der FINMA zu genehmigenden Stabilisierungsplan verfügen müssen und dass die FINMA für jede SIB in einem Abwicklungsplan darlegt, wie eine von ihr angeordnete Sanierung oder Konkursliquidation erfolgen würde (siehe Kap. 5.3.1.4). Zudem müssen die SIB zuhanden der FINMA einen Notfallplan erstellen. ²86 Im Sanierungsfall stehen den Behörden verschiedene Sanierungsmassnahmen wie ein Bail-in, die Übertragung des Vermögens der betroffenen Bank auf einen anderen Rechtsträger oder auf eine Übergangsbank ( Bridge Bank ), die Weiterführung einzelner Bankdienstleistungen, Restrukturierungsmassnahmen, Anpassungen des Geschäftsmodells oder Governance-Massnahmen zur Verfügung. Mit dem Notfallplan haben systemrelevante Banken den Nachweis zu erbringen, dass ihre systemrelevanten Funktionen in einer Krise ohne Unterbrechung weitergeführt werden können.
In den Jahren 2015 bis 2022, die im vorliegenden Kapitel behandelt werden, erfolgten keine fundamentalen Entwicklungen hinsichtlich Stabilisierung und Abwicklung. ²87
Public Liquidity Backstop (PLB)
Die verschiedenen Liquiditätsanforderungen reichen unter Umständen nicht aus, damit eine Bank im Krisenfall die systemrelevante Geschäftstätigkeit weiterführen kann. Ein sogenannter Public Liquidity Backstop (PLB) oder auch Liquidity Public Backstop (LPB; fortan PLB) kann dieses Restrisiko auffangen. Es handelt sich dabei um eine staatliche Massnahme, um eine systemrelevante Bank rasch mit Liquidität zu versorgen, ²88 falls sich die Bank weder selber auf dem Markt (erste Verteidigungslinie) noch über ausserordentliche Liquiditätshilfen der SNB (zweite Verteidigungslinie) helfen kann. ²89 Ein PLB stellt sozusagen die dritte Verteidigungslinie in Sachen Liquidität dar. Die im Rahmen des PLB zur Verfügung gestellten Mittel müssen zu einem späteren Zeitpunkt zurückbezahlt werden, sodass der öffentlichen Hand keine Verluste entstehen. 29⁰
Im Jahr 2019 verfügten mit den USA und Grossbritannien für die Schweiz massgebliche Referenzländer über einen expliziten PLB-Mechanismus. 29¹
Temporary Public Ownership (TPO)
«TPO» ist kein klar definierter Begriff. Unter eine TPO fallen verschiedene Formen einer zeitlich befristeten staatlichen Übernahme einer Bank oder einer temporären staatlichen Beteiligung an einer Bank. Beispiele sind der Fall von Northern Rock (vom UK 2008 verstaatlicht und 2011 weiterverkauft), derjenige der deutschen Commerzbank (staatliche Beteiligung seit 2008), derjenige der irischen Anglo Irish Bank (Verstaatlichung 2009, Abwicklung 2011) oder derjenige der isländischen Banken (Verstaatlichungen 2008). Verschiedenen Staaten ist es nach einem TPO nicht gelungen, das staatliche Eigentum an der übernommenen Bank wieder aufzugeben.
Eine TPO ist kein klassisches TBTF-Instrument. Die Schweizer TBTF-Regulierung bezweckt ja gerade, staatliche Beihilfen für systemrelevante Banken zu vermeiden (siehe die Zweckbestimmung in Art. 7 Abs. 2 BankG). International wurde auf Anregung des FSB jedoch seit 2011 über das Instrument TPO diskutiert. 29² Im Jahr 2016 hatten 14 Rechtsordnungen wie z. B. diejenige des UK eine TPO bereits explizit gesetzlich verankert. ²93 Die Lösungen unterscheiden sich teilweise deutlich voneinander. Die Schweizer Behörden setzten sich ab 2020 mit der Möglichkeit einer TPO auseinander (siehe Kap. 5.2.5.6).
Bankenaufsicht und -regulierung
Ein wichtiger Bereich der TBTF-Regulierung ist selbstverständlich auch die Bankenaufsicht, die im Nachgang zur Finanzkrise 2007/08 mit der Schaffung der FINMA auf neue Grundlagen gestellt wurde (siehe Kap. 3.2). Die Bankenaufsicht hat sich über die Jahre weiterentwickelt, im Untersuchungszeitraum insbesondere zwischen 2016 bis 2018 im Zuge von mehreren Vorstössen (siehe Kap. 5.2.5.2).
Einlagensicherung
Mit dem System der Einlagensicherung soll das Vertrauen der Einlegerinnen und Einleger in die Sicherheit ihrer Bankeinlagen gestärkt werden. So soll ein Bankensturm in einer Krise verhindert werden können. Kommt es zu einem Bankenausfall, dient ein Einlegerschutzsystem zudem dazu, die Einlegerinnen und Einleger vor dem Verlust ihrer Einlagen zu schützen und die Verfügbarkeit ihrer Einlagen sicherzustellen.
In der Schweiz besteht ein dreistufiges System des Einlegerschutzes: Einlagen bei in- und ausländischen Geschäftsstellen von Schweizer Banken gelten bis zu einem Maximalbetrag von 100 000 Franken pro privilegierte Einlegerin oder privilegierten Einleger (Art. 42 c BankV) als sogenannt privilegierte Einlagen (Art. 37 a BankG). Geht eine Bank Konkurs, werden die privilegierten Einlagen zuerst vollständig oder anteilsmässig aus den liquiden Mitteln der Bank ausgezahlt. Reichen die liquiden Mittel der Bank dazu nicht aus, kommt in einem zweiten Schritt die Einlagensicherung zum Zug. Die Einlagensicherung in der Schweiz wird seit 2005 durch Esisuisse gewährleistet, eine in Vereinsform organisierte Selbstregulierungsorganisation, welcher alle Banken mit einer Geschäftsstelle in der Schweiz angeschlossen sein müssen (Art. 37 h ff. BankG). Die dritte Stufe des bestehenden Einlegerschutzes bildet ein Konkursprivileg.
²85 Siehe dazu den elften und zwölften Abschnitt des BankG.
²86 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 19
²87 Der Bail-in war seit 2011 rudimentär im BankG verankert und wurde 2012 in der Bankeninsolvenzverordnung-FINMA (BIV-FINMA; SR 952.05 ) ausgeführt. Mit der Teilrevision des BankG, die am 1.1.2023 in Kraft trat (siehe Kap. 5.2.6.5), wurde der Bail-in ausführlich in Artikel 30 b BankG unter der Bezeichnung «Kapitalmassnahmen» geregelt. Die Regelungen zur Übertragung von Vermögenswerten und zur Fusion wurden mit der Teilrevision des BankG im Jahr 2021 ergänzt ( AS 2022 732 ).
²88 Mögliche Varianten eines Liquidity Public Backstop, Zwischenbericht der Arbeitsgruppe EFV-SIF-SNB-FINMA zu Handen des AF vom 3.3.2021, S. 4: Es wird dabei klargestellt, dass es sich beim PLB weder um eine staatliche Rettung noch um eine Verstaatlichung des Unternehmens handelt.
²89 Mögliche Varianten eines Liquidity Public Backstop, Zwischenbericht der Arbeitsgruppe EFV-SIF-SNB-FINMA zu Handen des AF vom 3.3.2021, S. 4: Weitere Voraussetzungen zur Aktivierung eines PLB wären demnach, dass die Bank solvent ist, die Anforderungen der FINMA erfüllt und dass der Bundesrat seine Zustimmung gibt.
29⁰ Mögliche Varianten eines Liquidity Public Backstop, Zwischenbericht der Arbeitsgruppe EFV-SIF-SNB-FINMA zu Handen des AF vom 3.3.2021, S. 5
29¹ Bericht des Bundesrates vom 3.7.2019 zu den systemrelevanten Banken.Evaluation gemäss Artikel 52 Bankengesetz ( BBl 2019 5385 , hier 5390)
29² FSB (2011): Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions; FSB (2014): Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, Key Attribute 6.5, S. 12.
²93 FSB (2016): Second Thematic Review on Resolution Regimes, Peer Review Report des FSB vom 18.3.2016, S. 30.
5.2.2.2 Kurzübersicht über die wichtigsten Entwicklungen
In den nachfolgenden Kapiteln 5.2.3 bis 5.2.6 werden die wichtigsten Entwicklungen in der Schweizer TBTF-Regulierung von 2015 bis 2022 chronologisch abgebildet, unterteilt in vier Phasen: von 2015 bis 2017 (5.2.3), 2017 bis 2019 (5.2.4), 2019 bis 2021 (5.2.5) und von 2021 bis Ende 2022 (5.2.6). Neben den vier Evaluationsberichten des Bundesrates und den erfolgten gesetzlichen Weiterentwicklungen werden auch die Arbeiten der Behörden zur Einführung eines PLB und einer TPO dargestellt. Dabei liegt der Fokus insbesondere auf der Frage, inwiefern die Behörden die internationalen Standards umgesetzt haben und wie sich das EFD sowie der Bundesrat im Spannungsfeld zwischen den genannten internationalen Standards und den Anliegen der inländischen Akteure, insbesondere des inländischen Finanzsektors, verortet haben. Die Erkenntnisse des Expertenberichts Hungerbühler (siehe Kap. 1.4.3.2), die im Auftrag der PUK eine rechtsvergleichende Analyse zur Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzmärkte sowie zur TBTF-Regulierung vornahm, sind mitberücksichtigt.
Nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen der TBTF-Regulierung in der Schweiz von 2015 bis 2022, soweit sie in diesem Bericht dargelegt werden (siehe auch Anhang 4).
Tabelle 5: Übersicht über die wichtigsten Entwicklungen der TBTF-Regulierung in der Schweiz 2015-2022
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| Datum | Etappe | Thema | Kapitel |
|---|---|---|---|
| 18.2.2015 | Erster Evaluationsbericht des Bundesrates zu SIB | B | 4.2.2.5 |
| 11.5.2016 | Teilrevision der ERV: Einführung von Going-Concern- und Gone-Concern-Anforderungen für G-SIB | K | 5.2.3.1 |
| 15.2.2017 | Bundesrat beauftragt EFD mit Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage zur Einlagensicherung | E | 5.2.3.2 |
| 28.6.2017 | Zweiter Evaluationsbericht des Bundesrates zu SIB | B | 5.2.3.3 |
| 21.11.2018 | Teilrevision der ERV: Aufhebung der Erleichterungen für Finanzgruppen und Einzelinstitute, Wechsel zur Risikogewichtung von Beteiligungen | K | 5.2.4.1 |
| 14.12.2018 | Erlass des Bundesgesetzes über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei systemrelevanten Banken | K | 5.2.4.2 |
| 3.7.2019 | Dritter Evaluationsbericht des Bundesrates zu SIB | B | 5.2.4.3 |
| 27.11.2019 | Teilrevision der ERV: Klarstellung der Eigenmittelanforderungen an die Stammhäuser | K | 5.2.5.1 |
| 13.12.2019 | Erlass der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz | R | 5.2.5.2 |
| 16.3.2020 | Einsetzung einer Arbeitsgruppe zum PLB | PLB | 5.2.5.3 |
| 19.6.2020 | Botschaft des Bundesrates zu einer Revision des BankG: Anpassungen am Einlagensicherungssystem | E | 5.2.5.4 |
| 11.9.2020 | Teilrevision der LiqV: Einführung einer NSFR | L | 5.2.5.5 |
| 16.9.2020 | Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur TPO | TPO | 5.2.5.6 |
| 4.6.2021 | Vierter Evaluationsbericht des Bundesrates zu SIB | B | 5.2.5.7 |
| 17.12.2021 | Revision des BankG: Anpassungen am Einlagensicherungssystem | E | 5.2.6.1 |
| 11.3.2022 | Bundesratsentscheid zu Eckwerten eines PLB | PLB | 5.2.6.2 |
| 3.6.2022 | Änderung der LiqV: neues Liquiditätskonzept für SIB | L | 5.2.6.3 |
| 23.11.2022 | Änderung der BankV: Ersetzung des Rabattsystems | K | 5.2.6.4 |
| 1.1.2023 | Inkrafttreten des revidierten BankG und der revidierten BankV (Anpassungen Einlagensicherungssystem) | E | 5.2.6.5 |
Legende zur Spalte «Thema»: R = Bankenaufsicht und -regulierung; B = Bericht des Bundesrates, E = Einlagensicherung, K = Eigenkapital, L = Liquidität, PLB = Public Liquidity Backstop, TPO = Temporary Public Ownership
5.2.3 2015-2017: Weiterentwicklung der Eigenkapitalanforderungen und Auftrag zur Anpassung der Einlagensicherung
5.2.3.1 Erste wesentliche Weiterentwicklung der Eigenkapitalanforderungen mit der Einführung von Going-Concern- und Gone-Concern-Anforderungen für G-SIB im Nachgang zum ersten Evaluationsbericht
Ausgangslage
Seit 2012 gelten für die SIB im Vergleich zu den übrigen Banken erhöhte Eigenkapitalanforderungen, die im BankG und in der ERV festgelegt sind. In seinem ersten Evaluationsbericht zu «Too big to fail» bzw. zu den systemrelevanten Banken vom 18. Februar 2015 machte der Bundesrat diesbezüglich weiteren Handlungsbedarf aus (siehe Kap. 4.2.2.5).
Die Verordnungsänderung vor dem Hintergrund der internationalen Standards
Der Bundesrat begegnete dem im Evaluationsbericht ausgemachten Handlungsbedarf mit der Teilrevision der ERV vom 11. Mai 2016. ²94 Als diese Teilrevision am 1. Juli 2016 in Kraft trat, wurde in der Schweiz konzeptionell neu zwischen Going-Concern - und Gone-Concern-Anforderungen unterschieden. Während Going-Concern-Anforderungen in gewisser Weise bereits vorher bestanden, stellte die Einführung von Gone-Concern-Anforderungen eine Neuerung in der Schweizer TBTF-Regulierung dar.
Durch diesen Schritt nahm der Bundesrat die Umsetzung der Gesamtkapitalanforderungen (TLAC) vor, die auch international zum Standard erhoben worden waren: Am 9. November 2015 hatte das FSB seine definitiven TLAC Principles and Term Sheet veröffentlicht. ²95 Nebst den internationalen Empfehlungen für die Anforderungen an die TLAC der Banken erfüllte die Teilrevision der ERV von 2016 auch die Vorgaben von Basel III und den Zuschlag des FSB für G-SIB.
In Einzelfragen bestanden weiterhin Abweichungen vom internationalen Standard. Beispielsweise fehlte ein Automatismus für Dividendenrestriktionen bei einer Unterschreitung des Eigenmittelpuffers. ²96
Generelle Stossrichtung der quantitativen Anpassungen an den Eigenmittelanforderungen
Seit der Teilrevision der ERV 2016 umfassten die Going-Concern -Anforderungen zur ordentlichen Weiterführung der Bank eine erhöhte LR-Anforderung für G-SIB von insgesamt mindestens 5 % (zuvor: mindestens 3,36 %). Die an den RWA gemessenen Eigenmittelanforderungen wurden mit der Verordnungsänderung im Vergleich zu vorher kaum erhöht: Vor 2016 betrugen sie mindestens 14 %, ab dem 1. Juli 2016 neu mindestens 14,3 %. Für die G-SIB galten zudem neu Gone-Concern-Anforderungen für zusätzliche verlustabsorbierende Mittel, die im Grundsatz die Going-Concern-Anforderungen spiegelten (sprich nochmals 14,3 % RWA bzw. 5 % LR).
Das Bankenrecht sah weiterhin Möglichkeiten für Erleichterungen bei den Eigenkapitalanforderungen vor. Zuständig für deren Gewährung war die FINMA. Der untenstehende Kasten stellt die drei Arten von Erleichterungen dar und gibt auch die wesentliche Weiterentwicklung im Sinne einer kurzen Übersicht wieder.
| Kasten 5 : Erleichterungen bei Eigenmittelanforderungen Erstens sieht Artikel 10 Absatz 3 des BankG vor, dass die FINMA den Banken Erleichterungen beim Eigenkapital (sogenannte Rabatte) gewähren muss, wenn die Banken gewisse Verbesserungen bei ihrer Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit realisieren.Diese Rabatte waren zu Beginn auf Verordnungsstufe in Artikel 65 BankV und in Artikel 133 ERV festgeschrieben, bis der Bundesrat dieses Rabattsystem Ende 2022 durch ein neues Anreizsystem ersetzte (siehe Kap. 5.2.6.4). Zweitens sah die ERV von 2013 bis 2019 Erleichterungen für Bankkonzerne vor, wenn aufgrund der individuellen Gruppenstruktur die Aggregation der Einzelanforderungen de facto zu einem Übertreffen der regulatorischen Anforderungen auf Gruppenstufe führte (sogenannte Erleichterungen für Finanzgruppen und Einzelinstitute). Diese Erleichterungen waren in Artikel 125 ERV näher definiert (siehe dazu Kap. 5.3.3). Artikel 32 ERV verlangte für alle Banken in der Einzelinstitutsbetrachtung den Abzug der gehaltenen, auf Gruppenstufe zu konsolidierenden Beteiligungen im Finanzbereich vom harten Kernkapital (CET1). Die FINMA musste die Erleichterungen gemäss Artikel 125 ERV gewähren, womit der vollständige Beteiligungsabzug gar nie zum Tragen kam.Auch wenn der Bundesrat diese Erleichterungen auf Verordnungsstufe vornahm, hatte die Bundesversammlung eine entscheidende Rolle bei ihrer Einführung: Die entsprechende Änderung der ERV unterstand gemäss der Übergangsbestimmung in Artikel 151 der ERV nämlich einem Genehmigungsvorbehalt der Bundesversammlung. Die Bundesversammlung genehmigte die Änderung am 18. September 2012 (BBl 2012 8395). Nach der CS-Krise von 2023 hielten Bundesrat und FINMA fest, dass die Erleichterungen gemäss Artikel 125 ERV politisch gewollt waren. Dabei verwiesen sie auf das Lobbying der beiden G-SIB im Parlament im Jahr 2011. ²97 Die Erleichterungen nach Artikel 125 ERV wurden für G-SIB durch Verfügung der FINMA 2017 und für die übrigen Banken durch eine Verordnungsanpassung seitens des Bundesrates 2019 abgeschafft (siehe Kap. 5.2.4.1 und 5.3.3) . Die dritte Erleichterung bei den Eigenkapitalanforderungen sind die sogenannten regulatorischen Filter, die auf Artikel 4 Absatz 3 BankG basieren. ²98 Mit einem regulatorischen Filter werden Vorgaben der Rechnungslegungsstandards, die aus regulatorischer Sicht anders als in der Finanzbuchhaltung beurteilt werden, zum Zweck der regulatorischen Eigenmittelberechnung korrigiert. Die FINMA gewährte der CS einen solchen zusätzlichen regulatorischen Filter im Kontext der Änderung der Schweizer Rechnungslegungsvorschriften ab dem Rechnungsjahr 2019 für eine unbefristete Dauer (siehe Kap. 5.3.1.3 und 5.3.3). ²99 |
Zur Höhe der revidierten Eigenmittelanforderungen ist weiter zu bemerken, dass das EFD in einem Aussprachepapier von Oktober 2015 festhielt, dass aufgrund der überdurchschnittlichen Grösse der Schweizer Grossbanken im Vergleich zum inländischen BIP auch höhere Eigenmittelanforderungen zu rechtfertigen wären. 30⁰ Die quantitativen Vorgaben für G-SIB in den internationalen Standards betrugen im Vergleichszeitraum (Ende 2015) 21,5-23 % RWA und 6,75 % LR. 3⁰1
Für die Erfüllung der neuen Going-Concern- und Gone-Concern-Anforderungen sah der Bundesrat eine Übergangsfrist bis 2019 vor. 3⁰2
Im Zuge der Revision der ERV vom 22. November 2017, 3⁰3 die per 1. Januar 2018 in Kraft trat, erstreckte der Bundesrat zudem nach bilateraler Rücksprache des GS-EFD mit der CS gewisse bestehende Übergangsfristen zusätzlich. Dies sollte es ermöglichen, für Derivate sowie verwaltete kollektive Vermögen vorerst weiterhin mit den bestehenden Ansätzen zu rechnen, da die EU und die USA in jenem Punkt den Basler Zeitplan ebenfalls nicht einhielten. 3⁰4
Es zeigt sich hier das Bemühen der Behörden, im Interesse der Grossbanken unter dem Stichwort «Wettbewerbsfähigkeit» der Entwicklung der internationalen Regulierung nicht vorzugreifen. Zudem verzichtete der Bundesrat bei der Revision der ERV von 2016 auf eine Terminierung der vorzunehmenden Verbesserungen hinsichtlich der globalen Abwicklungsfähigkeit ( global resolvability ) der Schweizer G-SIB. 3⁰5
Quantitative Anpassungen am Rabattsystem und an den Erleichterungen für Finanzgruppen und Einzelinstitute
Mit der Teilrevision der ERV vom 11. Mai 2016 kam es zudem zu Anpassungen am Rabattsystem und an den Erleichterungen für Finanzgruppen und Einzelinstitute (siehe Kasten 5 hierüber). Beim Rabattsystem wurden die maximalen Rabatte quantifiziert, und bei den Erleichterungen setzte der Bundesrat die Empfehlung Nr. 4 3⁰6 seines ersten Evaluationsberichtes zu systemrelevanten Banken von 2015 um: Einzelinstitute, die systemrelevante Funktionen einer Finanzgruppe ausüben, konnten die genannten Erleichterungen grundsätzlich nicht mehr erhalten. Ausnahmen waren möglich, wenn die Bedeutung der Einzelinstitute für die Fortführung der inländischen systemrelevanten Funktionen der Finanzgruppe gering war. Zweck dieser Anpassung war es, der Finanzgruppe einen Anreiz zu setzen, sich so zu organisieren, dass nach Möglichkeit alle systemrelevanten Funktionen in einer einzigen Einheit zusammengefasst wurden oder dass ex ante separiert wurde. 3⁰7
Dem Bundesrat waren die für die Finanzstabilität potenziell nachteiligen Effekte der ersten beiden Arten von Erleichterungen 2015/2016 also bewusst. Er schränkte sie in den folgenden Jahren denn auch erheblich ein (siehe Kap. 5.2.4.1 und 5.2.6.4). Die dritte Art von Erleichterungen, die zusätzlichen regulatorischen Filter (siehe Kasten 5 hierüber und insbesondere Kap. 5.3.3.3), floss hingegen nicht in die Analyse des Bundesrates bei der Änderung der ERV von 2016 ein. Dies trotz des Umstands, dass der Bundesrat in seinem ersten Evaluationsbericht von 2015 bereits zur Einsicht gelangt war, «dass die aus Schweizer Sicht besonders wichtigen Stammhäuser nur knapp kapitalisiert sind.» 3⁰8
Qualitative Anpassungen an den Eigenmittelanforderungen
Weiter wurden die Anforderungen an die Qualität der Eigenmittel leicht erhöht (Streichung von Tier-2-Instrumenten). Diese Änderungen wurden vorgenommen, weil der Bundesrat erkannt hatte, dass die internationalen Standards zur Berechnung des Eigenkapitals von Banken strenger als die Schweizer Berechnungsmassstäbe waren: International wurde die LR ausschliesslich basierend auf Tier 1 berechnet, 3⁰9 und insbesondere in Krisenzeiten war für die Märkte zur Beurteilung der Solvenz nur die «Common Equity Tier 1 Capital (CET1)»-Ratio relevant. 31⁰
Differenzen innerhalb der Behörden
Insbesondere in zwei Punkten verlangten mehrere Akteure, namentlich die FINMA und die SNB, eine strengere Regulierung, als sie der Bundesrat schliesslich erliess:
1. Progression bei den Eigenmittelanforderungen:
Im Rahmen der Ämterkonsultation sprachen sich die FINMA und die SNB deutlich für einen «Knick» in der Progression der Eigenmittelanforderungen aus. Sie forderten, dass die Progression umso stärker sein soll, je grösser die betreffende Bank ist, und nicht linear verlaufen soll. 31¹
Die beiden Grossbanken und mit ihnen eine Mehrheit der Teilnehmenden an der damaligen Anhörung sprachen sich jedoch gegen einen solchen «Knick» und somit für einen linearen Verlauf der Progression aus. 3¹2 Der Bundesrat nahm die von den Banken befürworteten tieferen Zuschläge in die teilrevidierte ERV auf.
2. Quantitative Offenlegungspflicht:
Die Frage der quantitativen Offenlegungspflicht von Erleichterungen war unter den Teilnehmenden an der damaligen Anhörung umstritten, weshalb das EFD in seinem Antrag an den Bundesrat die damals geltende Formulierung beibehielt. 3¹3 Das EJPD reichte einen Mitbericht ein und schlug darin vor, dass die Erleichterungen für die systemrelevanten Einzelinstitute gemäss Artikel 125 ERV quantitativ vollständig offengelegt werden müssen. 3¹4 Der Bundesrat sah von einer weitergehenden quantitativen Offenlegungspflicht ab und beliess die bestehende Regelung, die eine periodische Offenlegung gewisser Parameter vorsah.
²94 AS 2016 1725
²95 FSB (2015): Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution. Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, 9.11.2015, https://www.fsb.org/uploads/TLAC-Principles-and-Term-Sheet-for-publication-final.pdf (Stand 19.11.2024).
²96 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 9
²97 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 61-63 und 88; Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilitäteinschliesslich Evaluation gemäss Artikel 52 des Bankengesetzes ( BBl 2024 1023 , S. 75 f.).
²98 Brief der FINMA an die PUK vom 14.6.2024, S. 1
²99 Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, S. 71.
30⁰ Eigenmittelanforderungen Banken - Rekalibrierung TBTF und Kategorisierung Festlegung von Eckwerten für Verordnungsänderungen, Aussprachepapier des EFD vom 20.10.2015, S. 7
3⁰1 Report on international financial and tax matters 2016, Bericht des EFD von Februar 2016, S. 32
3⁰2 Dies entsprach der Frist, die der FSB in seinem TLAC Term Sheet vom 9.11.2015 für Banken vorsah, die vor 2015 als G-SIB definiert worden waren.
3⁰3 AS 2017 7625
3⁰4 Begleitblatt zu Geschäften des Staatssekretärs SIF vom 18.10.2017, S. 1
3⁰5 Erläuterungsbericht des EFD vom 13.5.2016 zu Änderungen der Eigenmittelverordnung und der Bankenverordnung (Eigenmittelanforderungen Banken - Rekalibrierung TBTF und Kategorisierung) (überarbeitete Version), S. 6
3⁰6 Die Empfehlung trug den Titel «Anpassung der Erleichterungen nach Artikel 125 der Eigenmittelverordnung für systemrelevante Einzelinstitute».
3⁰7 Erläuterungsbericht des EFD vom 13.5.2016 zu Änderungen der Eigenmittelverordnung und der Bankenverordnung (Eigenmittelanforderungen Banken - Rekalibrierung TBTF und Kategorisierung) (überarbeitete Version), S. 11
3⁰8 Bericht des Bundesrates vom 18.2.2015 über TBTF ( BBl 2015 1927 , hier 1934)
3⁰9 Bericht des Bundesrates vom 18.2.2015 über TBTF ( BBl 2015 1927 , hier 1938 f.)
31⁰ Eigenmittelanforderungen Banken - Rekalibrierung TBTF und Kategorisierung Festlegung von Eckwerten für Verordnungsänderungen, Aussprachepapier des EFD vom 20.10.2015, S. 5 f.
31¹ Stellungnahme der FINMA vom 24.3.2016 im Rahmen der Ämterkonsultation vom 16.3.2016 zu Änderungen der Eigenmittelverordnung und der Bankenverordnung (Eigenmittelanforderungen Banken - Rekalibrierung TBTF und Kategorisierung), S. 2; Stellungnahme der SNB vom 24.3.2016 in der Ämterkonsultation vom 16.3.2016 zu Änderungen der Eigenmittelverordnung und der Bankenverordnung (Eigenmittelanforderungen Banken - Rekalibrierung TBTF und Kategorisierung), S. 2.
3¹2 Bericht des EFD vom 11.5.2016 über die Anhörung zu Änderungen der Eigenmittelverordnung und der Bankenverordnung (Eigenmittelanforderungen Banken - Rekalibrierung TBTF und Kategorisierung), S. 6
3¹3 Bundesratsantrag des EFD vom 9.5.2016, S. 5
3¹4 Mitbericht des EJPD vom 10.5.2016 zum Bundesratsantrag vom 9.5.2016 des EFD, S. 1 f.
5.2.3.2 Erste Bestrebungen zur Anpassung der Einlagensicherung
Ausgangslage
Anlässlich einer Änderung des BankG im Jahr 2010 war eine Vorlage zur Einrichtung eines ex ante finanzierten öffentlich-rechtlichen Einlagesicherungsfonds in der Vernehmlassung durchgefallen. 3¹5 Der IWF empfahl der Schweiz in seinem Finanzsektorexamen 2014 Verbesserungen bei der Einlagensicherung. 3¹6 Die Expertengruppe zur Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie gelangte in ihrem Schlussbericht vom 1. Dezember 2014 zum gleichen Schluss. 3¹7 Der Bundesrat selbst erwähnte die Einlagensicherung in seinem Evaluationsbericht von 2015 nicht, obwohl er sich im Grundsatz auf den erwähnten Schlussbericht abstützte.
Auftrag an das EFD zur Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage
Aufgrund des erwähnten Expertenberichtes liess der Bundesrat eine erste Prüfung möglicher Verbesserungen des Einlegerschutzsystems vornehmen. Als Folge dieser Prüfung beauftragte er das EFD am 15. Februar 2017, bis Ende November eine Vernehmlassungsvorlage zur Einlagensicherung mit einer Änderung des BankG und des Bucheffektengesetzes (BEG) zu erstellen. Da das Vorhaben weiterführende Abklärungen benötigte, verzögerte sich die Revision, auch aufgrund anderer zeitintensiver Arbeiten, bis 2021 (siehe Kap. 5.2.6.1). 3¹8
3¹5 Botschaft vom 19.6.2020 zur Änderung des Bankengesetzes (BankG) (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung) ( BBl 2020 6359 , hier 6373)
3¹6 IWF: FSAP Nr. 14/143 zur Schweiz von Mai 2014.
3¹7 Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie, Schlussbericht der Expertengruppe vom 1. Dezember 2014
3¹8 Änderung des Bankengesetzes (Einlagensicherung); Verzögerung bei der Vernehmlassungseröffnung, Informationsnotiz des EFD an den Bundesrat vom 1.10.2018.
5.2.3.3 Zweiter Evaluationsbericht des Bundesrates zu systemrelevanten Banken von 2017
Der Bundesrat kam in seinem Evaluationsbericht vom 28. Juni 2017 3¹9 zum Schluss, dass der Schweizer Regulierungsansatz im internationalen Vergleich geeignet sei, um das Systemrisiko zu reduzieren. Deshalb beschrieb der Bundesrat den Schweizer TBTF-Ansatz weiter als positiv und sah, abgesehen von punktuellen Aspekten, keinen grundsätzlichen Anpassungsbedarf.
Auf die Empfehlungen aus dem ersten Bericht des Bundesrates aus dem Jahr 2015 wurde im zweiten Bericht nicht explizit Bezug genommen. Der Bericht von 2017 liefert kein explizites Monitoring des Umsetzungsstands der verschiedenen Massnahmen und der Entwicklungen in den einzelnen Handlungsfeldern. Das BJ kritisierte diesen Umstand in der Ämterkonsultation zum Bericht ausdrücklich. 32⁰
Eigenmittelanforderungen
Bezüglich der Eigenmittelanforderungen an G-SIB fasste der Bundesrat im zweiten Evaluationsbericht zu den systemrelevanten Banken vor allem die erfolgte Teilrevision der ERV zusammen. Er führte aus, dass die Schweizer Going-Concern-Kapitalanforderungen für die beiden G-SIB im internationalen Vergleich eher hoch, aber ungefähr gleichwertig mit den Regeln in den USA und im UK seien. 32¹ Sodann hielt er fest, dass die Schweiz als eines der ersten Länder den TLAC-Standard umgesetzt habe. 32² Zur Begründung der geltenden Anforderungen verwies der Bundesrat auf die im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Grösse der Schweizer G-SIB im Verhältnis zum BIP. 3²3
In zwei Bereichen, die die Eigenmittelanforderungen tangieren, erkannte der Bundesrat 2017 zusätzlichen Handlungsbedarf:
-
Erstens stellte er fest, dass aufgrund der geltenden Regeln zur Gewinnsteuer bei der Ausgabe von Kapitalbeschaffungsinstrumenten zur Erfüllung der TLAC-Vorgaben ein nachteiliger Steuereffekt eintreten könne, der entgegen den Zielen der TBTF-Regulierung das Eigenkapital der SIB reduzieren würde. 3²4 Der Bundesrat begegnete diesem Problem mit der Einführung des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 2018 über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei systemrelevanten Banken 3²5 (siehe Kap. 5.2.4.2).
-
Zweitens schlug der Bundesrat eine Anpassung des Beteiligungsabzugs vor, da er das bis anhin geltende gemischte System mit Beteiligungsabzug und Risikogewichtung als komplex und nicht transparent erachtete. Deshalb beauftragte er das EFD, die Regelungen zum Beteiligungsabzug (Art. 32 ERV) und zur Gewährung von Erleichterungen (Art. 125 ERV) zu überprüfen und allfällige Anpassungen vorzuschlagen. Diese erfolgten mit der Revision der ERV vom 21. November 2018 (siehe Kap. 5.2.4.1).
Liquiditätsanforderungen
Nachdem die neue LiqV, die am 1. Januar 2013 in Kraft getreten war, per 1. Januar 2015 hinsichtlich der LCR (Mindestquote für kurzfristige Liquidität eine erste Teilrevision 3²6 erfahren hatte, stellte der Bundesrat 2017 keinen weiteren Handlungsbedarf mit Blick auf die geltenden Liquiditätsanforderungen fest.
Weitere TBTF-Instrumente
Abschliessend ist festzuhalten, dass der Bundesrat das EFD Anfang 2017 auch angesichts internationaler Kritik mit der Erarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage im Bereich Einlagensicherung beauftragt hatte (siehe Kap. 5.2.3.2). Zudem wurde die TPO seit 2011 international diskutiert. Stand 2016 hatten bereits 14 Rechtsordnungen eine TPO eingeführt (siehe Kap. 5.2.2.1). In seinem Evaluationsbericht von 2017 erwähnte der Bundesrat aber weder das Instrument eines PLB (siehe ebenfalls 5.2.2.1) noch den Aspekt der Einlagensicherung oder das Instrument einer TPO.
3¹9 Bericht des Bundesrates vom 28.6.2017 zu den systemrelevanten Banken (Evaluation gemäss Artikel 52 Bankengesetz ( BBl 2017 4847 )
32⁰ Stellungnahme des BJ vom 1.6.2017 in der Ämterkonsultation vom 12.5.2017 zum Bericht des Bundesrates zu den systemrelevanten Banken
32¹ Bericht des Bundesrates vom 28.6.2017 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2017 4847 , hier 4851 f.)
32² Bericht des Bundesrates vom 28.6.2017 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2017 4847 , hier 4853)
3²3 Bericht des Bundesrates vom 28.6.2017 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2017 4847 , hier 4852 f.)
3²4 Bericht des Bundesrates vom 28.6.2017 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2017 4847 , hier 4860 f.)
3²5 AS 2019 1207
3²6 AS 2014 2321
5.2.4 2017-2019: Aufhebung der Erleichterungen für Finanzgruppen und Einzelinstitute und Massnahmen für einen verbesserten Kapitalaufbau
5.2.4.1 Aufhebung der Erleichterungen für Finanzgruppen und Einzelinstitute und Wechsel zur Risikogewichtung von Beteiligungen (Änderung der ERV vom 21. November 2018)
Nachdem der Bundesrat in seinem zweiten Evaluationsbericht von 2017 angekündigt hatte, die Zweckmässigkeit der Erleichterungen nach Artikel 125 ERV (siehe Kasten 5 in Kap. 5.2.3.1) zu überprüfen, hob er diese Erleichterungen mit der Änderung der ERV vom 21. November 2018 auf und organisierte den Umgang mit Beteiligungen neu. 3²7
Inhalt der Revision der ERV von 2018
Bis anhin mussten Beteiligungen vollständig vom Kapital derjenigen Bank abgezogen werden, welche die Beteiligung hielt. Im Fall der Stammhäuser der Schweizer Grossbanken fielen dabei vor allem die hoch kapitalisierten Tochtergesellschaften in den USA, im UK und in der Schweiz ins Gewicht. Als Folge des Abzugs dieser Beteiligungen verschlechterte sich die Kapitalquote der Schweizer Stammhäuser im Vergleich zur konsolidierten Sicht auf den Konzern.
Nach der Revision der ERV von 2018 mussten Beteiligungen von Holdinggesellschaften an Tochtergesellschaften nicht mehr von den Eigenmitteln der haltenden Gesellschaft abgezogen werden, sondern unterlagen künftig einer Risikogewichtung . Für die Beteiligungen im Ausland wurde ein höheres Risikogewicht (400 %) als im Inland (250 %) gewählt, um den unterschiedlichen Verhältnissen bei ausländischen und inländischen Tochtergesellschaften Rechnung zu tragen. 3²8
Da dieses neue System weniger streng als der frühere Umgang mit Beteiligungen war, wurden die Erleichterungen nach Artikel 125 ERV aufgehoben.
Im Rahmen der Überlegungen zum Wechsel vom Beteiligungsabzug zur Risikogewichtung nahmen die Behörden einen Vergleich mit den für die Schweiz massgebenden ausländischen Rechtsordnungen vor, namentlich mit jenen der EU, des UK und der USA. 3²9 Die FINMA prüfte die verschiedenen Systeme eingehend, bevor sie sich für den Systemwechsel aussprach. Der Bundesrat folgte den Überlegungen der FINMA. 33⁰
Anwendbarkeit des neuen Regimes auf die G-SIB bereits seit 2017
Die FINMA hatte den Regimewechsel den beiden Grossbanken gegenüber bereits früher verfügt und per 1. Juli 2017 in Kraft gesetzt. 33¹ Zur Umsetzung des Wechsels gewährte die FINMA den beiden G-SIB eine zehnjährige Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2028. Die Systemumstellung führte in Kombination mit den weiterhin geltenden spezifischen Anforderungen für SIB dazu, dass die beiden Stammhäuser der CS- und der UBS-Gruppe ihre Beteiligungen zu rund 60 % mit Eigenmitteln unterlegen 33² bzw. innerhalb der Übergangsfrist entsprechendes Eigenkapital aufbauen mussten. 33³
Diese Änderung der ERV hatte zur Folge, dass die konsolidierten Kapitalkennzahlen von Finanzgruppen unverändert blieben, sich aber die in der Einzelinstitutsbetrachtung ausgewiesenen Kapitalkennzahlen verbesserten. Bei den RWA-Anforderungen wurde dieser Effekt durch die neue Risikogewichtung von Beteiligungen praktisch kompensiert. Die Erfüllungsquote der LR stieg hingegen bei den beiden Stammhäusern der CS-Gruppe und der UBS-Gruppe substanziell auf Stufe Einzelinstitut, nicht aber in der konsolidierten Betrachtung der Gruppen. Denn durch den Wegfall der bisherigen Eigenmittelabzüge stieg das anrechenbare Kapital. 3³4 Dieser Effekt trat in einem gewissen Ausmass also bereits ein, ohne dass die Banken zusätzliches Eigenkapital hätten halten müssen.
3²7 AS 2018 5241 , in Kraft getreten per 1. Januar 2019
3²8 Kapitalrückführungen ausländischer Tochtergesellschaften können der Zustimmung ausländischer Aufsichtsbehörden unterliegen. Erläuterungen des EFD vom 21.11.2018 zur Änderung der Eigenmittelverordnung (Gone-concern-Kapital, Beteiligungsabzug und weitere Anpassungen), S. 10.
3²9 Einige Jurisdiktionen operierten eher mit einer Risikogewichtung, andere mit Beteiligungsabzügen. Erläuterungen des EFD vom 21.11.2018 zur Änderung der Eigenmittelverordnung (Gone-concern-Kapital, Beteiligungsabzug und weitere Anpassungen), S. 5
33⁰ Erläuterungen des EFD vom 21.11.2018 zur Änderung der Eigenmittelverordnung (Gone-concern-Kapital, Beteiligungsabzug und weitere Anpassungen), S. 9 f.
33¹ TBTF-Verfügungen der FINMA auf Basis von Artikel 9 BankG, siehe dazu Erläuterungen des EFD vom 21.11.2018 zur Änderung der Eigenmittelverordnung (Gone-concern-Kapital, Beteiligungsabzug und weitere Anpassungen), S. 3; FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 61-63 und 88.
33² Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 S. 83)
33³ Wie die FINMA in ihrem Lessons-learned-Bericht festhielt, konnte das Stammhaus (Credit Suisse AG) der CS-Gruppe die für den unter dem angepassten Regime vorgesehenen Kapitalaufbau notwendigen Erträge ab 2021 nicht mehr erwirtschaften, siehe dazu FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 61.
3³4 Erläuterungen vom 21.11.2018 zur Änderung der Eigenmittelverordnung (Gone-concern-Kapital, Beteiligungsabzug und weitere Anpassungen), S. 13
5.2.4.2 Verbesserter Kapitalaufbau durch Neutralisierung von steuerlichen Auswirkungen bei der Herausgabe von TBTF-Instrumenten
Ausgangslage
Ursprünglich durften die Schweizer G-SIB zur Erfüllung ihrer Eigenmittelanforderungen unter der Schweizer TBTF-Gesetzgebung auch TBTF-Instrumente im Ausland verwenden. Ab 2017 akzeptierte die FINMA dieses Vorgehen in Umsetzung der internationalen TLAC-Standard für G-SIB nach Ablauf der Übergangsfrist nicht mehr, 3³5 was auch das Crisis Management College (CMC) befürwortete. 3³6 Die FINMA gab vor, dass spätestens ab dem 1. Januar 2020 ausschliesslich die Emission aus der schweizerischen Konzernobergesellschaft, d. h. den Stammhäusern («Parent Banks») Credit Suisse AG und UBS AG, zulässig ist.
Diese Anpassung hätte aus Sicht des Bundesrates allerdings nachteilige steuerliche Effekte bei den G-SIB zeitigen können. Konkret hätte die Steuerbelastung der G-SIB zunehmen können (gemäss damaligen Schätzungen der Bundesverwaltung potenziell langfristig um bis zu mehrere hundert Millionen Franken jährlich), was die Eigenmittel verringert hätte. Das wäre im Widerspruch zu den Zielen der TBTF-Gesetzgebung gestanden. 3³7
Inhalt des Bundesgesetzes über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei systemrelevanten Banken
In der Folge stiess der Bundesrat die Erarbeitung des Bundesgesetzes über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei systemrelevanten Banken an. Mit diesem Gesetz 3³8 wurde die Berechnung des Beteiligungsabzugs korrigiert, damit die Gewinnsteuerbelastung der Konzernobergesellschaft einer systemrelevanten Bank unverändert bleibt, wenn diese TBTF-Instrumente (z. B. Bail-in-Bonds, Write-off Bonds oder Contingent Convertibles) herausgibt. 3³9 Damit wurde den systemrelevanten Banken der Kapitalaufbau mittels Herausgabe von TBTF-Instrumenten erleichtert.
Positionen der Akteure im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes
Bei der Erarbeitung dieses Gesetzes zeigten sich erneut die verschiedenen Interessenlagen bei der Weiterentwicklung der Schweizer TBTF-Gesetzgebung. Die Grossbanken hatten die Thematik der Gewinnsteuer bei der Ausgabe von TBTF-Instrumenten bereits 2015 im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zur Revision des VStG vorgebracht, jedoch zunächst ohne Erfolg. Denn das Parlament war damals nicht bereit, die Reform der Verrechnungssteuer auf die Gewinnsteuerfrage auszudehnen. 34⁰ Trotz dieser ablehnenden Haltung des Gesetzgebers nahm das EFD das Anliegen wieder auf und unterbreitete dem Bundesrat am 30. September 2016 ein Aussprachepapier dazu. Der Bundesrat entschied, das EFD mit der Erarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage zu beauftragen.
In der Vernehmlassung im Jahr 2017 wurde jedoch von gewissen Wirtschaftskreisen vorgebracht, dass es zu einer Bevorteilung der Bankbranche und damit zu einer rechtsungleichen Behandlung der Bankbranche gegenüber anderen Branchen führen würde, wenn allen Banken Steuererleichterungen gewährt würden. Um dieser Kritik Rechnung zu tragen, beschränkte der Bundesrat seine Vorlage schliesslich auf die systemrelevanten Banken. 34¹
Trotz dieser Einschränkung zweifelte das BJ im Rahmen der Ämterkonsultation die Verfassungsmässigkeit der Neuerung an. Es konnte eine nicht gerechtfertigte rechtliche Ungleichbehandlung nicht ausschliessen und erklärte deshalb, die Verfassungskonformität der Vorlage nicht bestätigen zu können. 34²
Die FINMA, deren aufsichtsrechtliche Auflage an die G-SIB zur Emittierung von TBTF-Instrumenten Auslöser der Vorlage war, unterstützte die Vorlage. 34³ Aus Sicht der FINMA handelte es sich bei der Vorlage nicht um eine Privilegierung der Banken, sondern um eine Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse im Zusammenhang mit der Umsetzung der TBTF-Gesetzgebung. ³44
Im Mitberichtsverfahren zum Bundesratsantrag des EFD vom 25. Januar 2018 beantragte das EJPD eine Änderung der Vorlage im Sinne der Kritik, die das BJ bereits in der Ämterkonsultation geäussert hatte. ³45 In seiner Stellungnahme zum Mitbericht des EJPD hielt das EFD die unterschiedliche Behandlung von TBTF-Instrumenten gegenüber anderen Anleihen sowie von systemrelevanten Banken gegenüber anderen Unternehmen angesichts der aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Bankenbereich juristisch unverändert für vertretbar. ³46
Die eidgenössischen Räte verabschiedeten das Bundesgesetz am 14. Dezember 2018 ohne Anpassungen einstimmig und der Bundesrat setzte es per 1. Januar 2019 in Kraft.
3³5 FSB: Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution. Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, 9.11.2015; Aussprachepapier des EFD vom 19.9.2016 zur Anpassung des Beteiligungsabzugs im Zusammenhang mit der Ausweitung des TBTF-Regimes, S. 4.
3³6 Stellungnahmen der FINMA vom 15.8.2016 zur Ämterkonsultation vom 27.7.2016 zur Anpassung des Beteiligungsabzugs im Zusammenhang mit der Ausweitung des TBTF-Regimes, S. 2
3³7 Botschaft des Bundesrates vom 14.2.2018 zum Bundesgesetz über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei Too-big-to-fail-Instrumenten ( BBl 2018 1263 )
3³8 AS 2019 1207
3³9 Botschaft des Bundesrates vom 14.2.2018 zum Bundesgesetz über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei Too-big-to-fail-Instrumenten ( BBl 2018 1263 )
34⁰ Aussprachepapier des EFD vom 19.9.2016 zur Anpassung des Beteiligungsabzugs im Zusammenhang mit der Ausweitung des TBTF-Regimes, S. 4
34¹ Botschaft des Bundesrates vom 14.2.2018 zum Bundesgesetz über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei Too-big-to-fail-Instrumenten ( BBl 2018 1263 , hier 1275 f.)
34² Stellungnahme des BJ vom 8.12.2017 zur Ämterkonsultation vom 21.11.2017 zur Botschaft zum BG über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei Too-big-to-fail-Instrumenten
34³ Stellungnahme der FINMA vom 7.12.2017 zur Ämterkonsultation vom 21.11.2017 zur Botschaft zum BG über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei Too-big-to-fail-Instrumenten
³44 Stellungnahmen der FINMA vom 15.8.2016 zur Ämterkonsultation vom 27.7.2016 zur Anpassung des Beteiligungsabzugs im Zusammenhang mit der Ausweitung des TBTF-Regimes, S. 1
³45 Mitbericht des EJPD vom 13.2.2018 zum Antrag des EFD vom 25.1.2018 zur Botschaft zum Bundesgesetz über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei Too-big-to-fail-lnstrumenten; Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Entwurf der Vorlage, S. 1.
³46 Stellungnahme des EFD vom 13.2.2018 zum Mitbericht des EJPD vom 13.2.2018 zum Antrag des EFD vom 25.1.2018 zur Botschaft zum Bundesgesetz über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei Too-big-to-fail-lnstrumenten; Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens und Entwurf der Vorlage, S. 1.
5.2.4.3 Dritter Evaluationsbericht des Bundesrates zu systemrelevanten Banken von 2019
In seinem dritten Evaluationsbericht zu den systemrelevanten Banken vom 3. Juli 2019 ³47 hielt der Bundesrat fest, dass die verschiedenen Anpassungen der rechtlichen Vorgaben dazu geführt hätten, dass CS und UBS sowohl den Umfang als auch die Qualität des Eigenkapitals erhöhen mussten. Die verschiedenen internationalen Vorgaben zu den verlustabsorbierenden Mitteln würden von der Schweiz allesamt erfüllt. ³48 Auch in seinem dritten Bericht nahm der Bundesrat einen internationalen Vergleich vor und kam dabei wiederum zum Schluss, dass das Schweizer System grundsätzlich positiv zu beurteilen sei und sich eine Neuausrichtung nicht aufdränge. Er machte jedoch punktuellen Anpassungsbedarf aus, der im Folgenden erläutert wird.
Der Bundesrat nahm in seinem Bericht von 2019 keinen Bezug auf die in den vorangegangenen Berichten ausgesprochenen Empfehlungen oder vorgeschlagenen Massnahmen. Wie schon der Bericht von 2017 enthielt auch derjenige von 2019 kein explizites Monitoring des Umsetzungsstands der verschiedenen Massnahmen und der Entwicklungen in den einzelnen Handlungsfeldern. Das BJ bemängelte diesen Umstand in der Ämterkonsultation wie schon 2017 erneut. ³49
Eigenmittelanforderungen
Der Bundesrat führte hinsichtlich der Eigenmittelanforderungen aus, dass die angepassten Anforderungen für die beiden G-SIB zu einer deutlichen Erhöhung des Umfangs und der Qualität des Eigenkapitals geführt hätten. Dabei betonte er insbesondere die zusätzlichen verlustabsorbierenden Mittel (Gone-Concern-Mittel), welche die G-SIB seit der ERV-Teilrevision von 2016 halten mussten. Gleichzeitig stellte er fest, dass die Gone-Concern-Anforderungen in den USA über den Schweizer Anforderungen lagen und dass das UK beabsichtigte, im Vergleich zur Schweiz ebenfalls höhere Anforderungen einzuführen.
Bezüglich der Going-Concern-Anforderungen stellte der Bundesrat der Schweizer TBTF-Gesetzgebung wie bereits in seinem Evaluationsbericht von 2017 ein positives Zeugnis aus. Dabei wies er zum ersten Mal im Rahmen dieser Evaluationsberichte die überdurchschnittliche Grösse der Schweizer G-SIB im Vergleich zu ausländischen G-SIB transparent aus: Die Bilanzsumme der beiden Schweizer G-SIB betrug je zwischen 134 und 139 % des BIP der Schweiz, während beispielsweise die Bilanzsumme der grössten US-amerikanischen Grossbank nur gerade 17 % des BIP der USA betrug. 35⁰
Hinsichtlich der Eigenmittel eruierte der Bundesrat in mehreren Bereichen Handlungsbedarf:
-
Erstens wollte er, wie bereits am 21. November 2018 angekündigt, 35¹ die Frage klären, welche Einheiten innerhalb der Finanzgruppen der G-SIB die Anforderungen für systemrelevante Banken erfüllen müssen. 35² Hintergrund dieses Klärungsbedarfs war, dass CS und UBS zur Verbesserung ihrer Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit die für die Schweiz systemrelevanten Funktionen bis 2017 in neu geschaffene Schweizer Tochtergesellschaften überführt hatten. Die Abklärungen des Bundesrates mündeten schliesslich in die Änderung der ERV vom 27. November 2019 (siehe Kap. 5.2.5.1).
-
Zweitens bekräftigte der Bundesrat in seinem dritten Evaluationsbericht seine Auffassung, dass die sogenannten Rabatte (Art. 65 BankV, Art. 133 ERV) im Falle einer verbesserten Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit mittelfristig abgeschafft werden sollten. Grund für diese Haltung war, dass aus Sicht der Banken im damaligen System zu wenig Planungssicherheit bestand, da die Höhe der gewährten Rabatte - zumindest theoretisch - jedes Jahr von der FINMA angepasst werden konnte, 35³ und dass die Grossbanken die Komplexität des TBTF-Regimes kritisiert hatten. ³54
Liquiditätsanforderungen und PLB
Hinsichtlich der Liquiditätsanforderungen an die Banken hielt der Bundesrat in seinem Bericht von 2019 fest, dass alle Schweizer Banken ab dem 1. Januar die LCR gemäss den Basel-III-Anforderungen zu 100 % erfüllen müssen und dass die SIB zusätzlichen Liquiditätsanforderungen unterliegen. Denn das BankG (Art. 9 Abs. 2 Bst. b) und die LiqV (Art. 19) erfordern, dass die systemrelevanten Banken eine im Vergleich zu allen anderen Banken höhere Widerstandsfähigkeit gegen Liquiditätsschocks zu gewährleisten haben. Analysen der FINMA und der SNB hätten aber darauf hingedeutet, dass diese besonderen Anforderungen an die SIB nicht für alle SIB tatsächlich zu höheren Anforderungen als die LCR führten, was eigentlich gesetzlich gefordert sei (Art. 9 Abs. 2 Bst. b BankG). Entsprechend sah der Bundesrat Handlungsbedarf. ³55 Er begegnete diesem Problem schliesslich 2022 mit der Einführung eines neuen Liquiditätskonzepts für SIB (siehe Kap. 5.2.6.3).
Der Bundesrat nahm im Bericht zudem einen Vergleich mit den Liquiditätsanforderungen in den USA und im UK vor. Er gelangte dabei zum Ergebnis, dass die Liquiditätsanforderungen an G-SIB in beiden Rechtsordnungen tendenziell höher als in der Schweiz seien. Zudem wies er aus, dass im Unterschied zur Schweiz sowohl die Gesetzgebung der USA wie auch diejenige des UK neben den ausserordentlichen Liquiditätshilfen der Zentralbanken weitere staatliche Unterstützungsmechanismen wie z. B. einen PLB kennen, um die bei einer Sanierung oder Abwicklung einer SIB benötigte Liquidität zu garantieren. ³56
Es handelt sich um die erste Erwähnung des PLB in den Evaluationsberichten des Bundesrates. Allerdings thematisierte der Bericht von 2019 nicht, inwiefern die Einführung eines PLB auch für die Schweiz geprüft wurde. Es wurde auch nicht begründet, weshalb die Schweiz einer Empfehlung des FSB ³57 zur Einführung eines PLB aus dem Jahr 2016 bisher nicht nachgekommen war. Der Bundesrat signalisierte somit keinen direkten Handlungsbedarf. Die Behörden bereiteten einen PLB erst in den folgenden Jahren vor und führten ihn in der CS-Krise schliesslich per Notrecht ein (siehe Kap. 5.2.5.3).
Weitere TBTF-Instrumente
Auch in seinem dritten Evaluationsbericht erwähnte der Bundesrat den Aspekt der Einlagensicherung nicht. Auch die in der Zwischenzeit durch den IWF geäusserte Kritik am Schweizer System des Einlegerschutzes (siehe Kap. 5.2.3.2) war kein Thema. Das Instrument einer TPO behandelte der Bundesrat in seinem Bericht von 2019 ebenfalls nicht.
³47 Bericht des Bundesrates vom 3.7.2019 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2019 5385 )
³48 Basel III, zusätzliche Anforderungen des Financial Stability Boards und Mindeststandard für verlustabsorbierendes Kapital (TLAC)
³49 Stellungnahme des BJ vom 14.5.2019 in der Ämterkonsultation vom 16.4.2019 zum Bericht des Bundesrates zu den systemrelevanten Banken
35⁰ Bericht des Bundesrates vom 3.7.2019 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2019 5385 , hier 5386 ff.)
35¹ «Bundesrat erhöht die Kapitalanforderungen für inlandorientierte systemrelevante Banken», Medienmitteilung des Bundesrates vom 21.11.2018
35² Bericht des Bundesrates vom 3.7.2019 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2019 5385 , hier 5393 f.)
35³ Bericht des Bundesrates vom 3.7.2019 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2019 5385 , hier 5386 ff.)
³54 Antrag des EFD an den Bundesrat vom 19.11.2019 betreffend Änderung der Eigenmittelverordnung (Besonders liquide und gut kapitalisierte Institute, Hypotheken für Wohnrenditeliegenschaften, TBTF - Parent Banken), S. 6
³55 Bericht des Bundesrates vom 3.7.2019 zu den systemrelevanten ( BBl 2019 5385 , hier 5389 und 5395)
³56 Bericht des Bundesrates vom 3.7.2019 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2019 5385 , hier 5390)
³57 Financial Stability Board (2016): Guiding principles on the temporary funding needed to support the orderly resolution of a global systemically important bank («G-SIB»), 18.8.2016, S. 7: Hier wird die Einführung eines PLB empfohlen.
5.2.5 2019-2021: Einführung einer Net Stable Funding Ratio, Klärung der Rolle der FINMA und Einsetzung von Arbeitsgruppen zum Public Liquidity Backstop und zur Temporary Public Ownership
5.2.5.1 Klarstellung der Eigenmittelanforderungen an die Stammhäuser (Änderung der ERV vom 27. November 2019)
Ausgangslage
2016 waren mit der Teilrevision der ERV die Gone-Concern-Anforderungen für die beiden Schweizer G-SIB auf Gruppenstufe eingeführt worden (siehe Kap. 5.2.3.1). Es war jedoch unklar, für welche Einzelinstitute der beiden Bankgruppen die Gone-Concern-Anforderungen gelten sollten. Der Bundesrat klärte diese Frage mit der Änderung der ERV vom 27. November 2019 ³58 , die per 1. Januar 2020 in Kraft trat.
Inhalt der Revision der ERV
Diese Teilrevision der ERV regelte unter anderem die Ausgestaltung der Gone-Concern-Anforderungen für die 2015 geschaffenen und mit den systemrelevanten Funktionen betrauten neuen Schweizer Einheiten (Credit Suisse (Schweiz) AG und UBS Switzerland AG) und für die Stammhäuser (die sogenannten Parent-Banken Credit Suisse AG bzw. UBS AG) der beiden G-SIB (zur Konzernstruktur der CS siehe Kasten 4 in Kap. 5.1.2).
Die besonderen Eigenkapitalanforderungen für G-SIB galten sowohl auf Stufe der Finanzgruppe wie auch auf Stufe der Einzelinstitute, wenn die Einzelinstitute systemrelevante Funktionen der Finanzgruppe ausübten (Art. 124 ERV). Mit der Änderung der ERV vom 27. November 2019 sollte klargestellt werden, dass die Stammhäuser weiterhin den besonderen Anforderungen unterstellt sind, da bei einem Ausfall der Stammhäuser aufgrund ihrer Grösse und Stellung innerhalb der Finanzgruppe und aufgrund ihrer Vernetzung mit dem Finanzsystem ein erheblicher Schaden für die Schweizer Volkswirtschaft drohte.
Zusätzlich wurde in Artikel 132 ERV die Höhe der Gone-Concern-Anforderungen für die verschiedenen Einheiten innerhalb einer Bankengruppe präzisiert. Ferner wurden in Artikel 133 ERV die Maximalrabatte neu konkretisiert. Auf Wunsch der beiden G-SIB passte der Bundesrat die Konkretisierung des Maximalrabatts zeitlich dem TLAC-Standard an, wodurch sie erst im Jahr 2022 anwendbar wurde. ³59
Positionen der Akteure im Vorfeld der Verordnungsrevision
Die Anpassung der Gone-Concern-Anforderungen war bereits in der Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates zur Änderung der ERV vom 21. November 2018 enthalten. Damals zeigte sich ein ähnliches Bild wie bei anderen Vorlagen zur Weiterentwicklung der Schweizer TBTF-Regulierung: Die beiden Grossbanken und die ihnen nahestehenden Interessenvertreter lehnten diese Anpassung in der Vernehmlassung ab, 36⁰ und der Bundesrat folgte bei seinem Entscheid dieser Ablehnung, obwohl SNB und FINMA aufgrund der Wichtigkeit der Parent-Banken für die gesamte Bankengruppe der Ansicht waren, dass die Stammhäuser der CS- und der UBS-Gruppe so rasch wie möglich ebenfalls den Kapitalanforderungen an systemrelevante Banken unterstellt werden sollten. 36¹
Die anfängliche Berücksichtigung der Opposition der Grossbanken und der ihnen zugeneigten Interessengruppen durch den Bundesrat führte somit zu einer Verzögerung bei der Einführung der Gone-Concern-Anforderungen für die Stammhäuser der beiden Grossbankengruppen um ein Jahr (Inkrafttreten per 1. Januar 2020 anstatt per 1. Januar 2019).
³58 AS 2019 4623
³59 Artikel 148 m ERV; Antrag des EFD vom 19.11.2019 an den Bundesrat betreffend Änderung der Eigenmittelverordnung (Besonders liquide und gut kapitalisierte Institute, Hypotheken für Wohnrenditeliegenschaften, TBTF - Parent Banken), S. 6.
36⁰ Ergebnisbericht des EFD vom 21.11.2018 über die Vernehmlassung zur Änderung der Eigenmittelverordnung (Gone-concern-Kapital, Beteiligungsabzug und weitere Anpassungen), S. 3
36¹ Stellungnahme der SNB vom 28.9.2018 in der Ämterkonsultation vom 12.9.2018 zur Änderung der Eigenmittelverordnung (Gone-concern-Kapital, Beteiligungsabzug und weitere Anpassungen), S. 1-3; Stellungnahme der FINMA vom 28.9.2018 in der Ämterkonsultation vom 12.9.2018 zur Änderung der Eigenmittelverordnung (Gone-concern-Kapital, Beteiligungsabzug und weitere Anpassungen), S. 2.
5.2.5.2 Ausarbeitung und Erlass der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz als Antwort auf Kritik an der FINMA (2017-2019)
Ausgangslage
Die Rolle der FINMA war Gegenstand einer Reihe von Vorstössen, die vor allem von 2016 bis 2018 in der Bundesversammlung eingereicht wurden (zur Kritik an der FINMA siehe auch Kap. 5.6.2):
| Kasten 6 : Vorstösse 2016-2018 zur Rolle der FINMA - Parlamentarische Initiative Heer vom 29. September 2016 (16.466 «Die Finma muss wieder der Politik unterstellt werden»)- Interpellation Aeschi Thomas vom 2. März 2017 (17.3052 «Konsultation des Parlamentes bei der Positionierung und den Empfehlungen der SNB und Finma im Rahmen der BCBS-Reform»)- Motion Landolt vom 4. Mai 2017 (17.3317 «Klare Verantwortlichkeiten zwischen Finanzmarktpolitik und Finanzmarktaufsicht»)- Parlamentarische Initiative Pantani vom 15. Juni 2017 (17.454 «Änderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes»)- Postulat Vogler vom 16. Juni 2017 (17.3566 «Transparenz über Kostenfolgen der Finma-Rundschreiben»)- Postulat Germann vom 16. Juni 2017 (17.3620 «Transparenz über Regulierungskosten durch Finma-Rundschreiben»)- Interpellation Rutz Gregor vom 16. Juni 2017 (17.3579 «Entspricht die Aufgabenerfüllung der Finma noch dem Willen des Gesetzgebers?»)- Interpellation Aeschi Thomas vom 28. September 2017 (17.3799 «Überhastete Umsetzung durch die Finma der Empfehlung der Financial Action Task Force»)- Motion WAK-N vom 13. November 2017 (17.3976 «Gewaltentrennung in der Finanzmarktregulierung»)- Motion Bendahan vom 4. Dezember 2017 (17.4007 «Die Informationspflicht der Finma stärken»)- Interpellation Zanetti Claudio vom 6. Dezember 2017 (17.4022 «Verfassungswidrigkeit der internen Organisation der Finma gemäss Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes»)- Interpellation Keller Peter vom 13. Dezember 2017 (17.4082 «Verfassungswidrigkeit der internen Organisation der Finma gemäss Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes»)- Interpellation Marchand-Balet vom 13. Dezember 2017 (17.4120 «Tiefe Zinsen und Kreditgewährung»)- Interpellation Zanetti Claudio vom 15. März 2018 (18.3213 «Nachfassen wegen ungenügender Beantwortung der Interpellationen 17.4022 und 17.4082»)- Motion Ettlin Erich vom 15. Juni 2018 (18.3612 «Finanzmarktaufsicht soll sich auf ihren Kernauftrag fokussieren») |
Während verschiedene Vorstösse ergebnislos abgeschrieben wurden, nahmen die eidgenössischen Räte die Motion 17.3317 «Klare Verantwortlichkeiten zwischen Finanzmarktpolitik und Finanzmarktaufsicht» auf Empfehlung des Bundesrates an (NR: 13.12.2017; SR: 13.12.2018). Das EFD beabsichtigte, mit der Empfehlung zur Annahme dieser Motion auch, den politischen Druck auf die FINMA zu reduzieren. 36² In Umsetzung der Motion 17.3317 erliess der Bundesrat die Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 13. Dezember 2019 36³ , die am 1. Februar 2020 in Kraft trat (siehe unten).
Positionen der verschiedenen Akteure im Vorfeld des Erlasses der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz - Frage der Gesetzmässigkeit
In der Vernehmlassung stiess die Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz insbesondere in der Finanzbranche und bei bürgerlichen Parteien auf Zustimmung, wobei teilweise noch strengere Vorgaben zur Klärung der FINMA-Kompetenzen gefordert wurden. Ein kleinerer, den politisch linken Interessengruppen angehörender Teil der Vernehmlassungsteilnehmenden lehnte die Vorlage dagegen ab. Diese Vernehmlassungsteilnehmenden hatten Bedenken, dass die Vorlage die Unabhängigkeit der FINMA gefährden und den administrativen Aufwand vergrössern würde. ³64
Während der Bundesrat die Vorschläge für strengere bzw. bestimmtere Vorgaben nicht berücksichtigte, trug er den Anliegen der ablehnenden Stellungnahmen teilweise Rechnung. So strich er die Verknüpfung der FINMA-Regulierung mit der Finanzmarktpolitik und erleichterte die Berichterstattungspflichten der FINMA im Regulierungsprozess. ³65
Im Rahmen der Ämterkonsultation äusserte die FINMA Bedenken, dass die Vorlage zu einer Bürokratisierung ihrer Prozesse führen werde. Sie war auch skeptisch, ob überhaupt Regulierungsbedarf vorhanden sei. Mit Blick auf mögliche Reputationsrisiken für die Aufsichtsbehörde und den Finanzplatz Schweiz wünschte sie einen raschen Abschluss des Prozesses zur Verordnungsgebung und zur Abschreibung der Motion 17.3317. ³66
Das BJ vertrat in der Ämterkonsultation die Ansicht, dass auf den Erlass einer neuen Verordnung verzichtet werden sollte. Gemäss BJ hatte der Bundesrat keine genügende gesetzliche Grundlage für die vorgesehenen Vorgaben, da er keine umfassende Aufsichtskompetenz über die FINMA habe. ³67 Das BJ schlug der Departementsleitung des EJPD vor, einen entsprechenden Mitbericht im Bundesrat einzureichen, verzichtete aber aufgrund einer Rücksprache mit dem GS-EJPD auf die Ausarbeitung des Mitberichtsantrags. ³68 Der Bundesrat teilte die Auffassung des BJ nicht und verabschiedete die Verordnung wie vorgesehen. ³69
Inhalt der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz
Die Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz konkretisierte folgende Aspekte der Tätigkeit der FINMA:
-
Die Kompetenzen der FINMA in internationalen Aufgaben und in der Regulierung wurden präzisiert, und es wurde festgelegt, wie sich diese im Verhältnis zu den Kompetenzen des Bundesrates bzw. des EFD verhalten. Ziel war eine klarere Trennung zwischen den Verantwortlichkeiten des Bundesrates für die Finanzmarktpolitik und -strategie sowie die Regulierung einerseits und der Zuständigkeit der FINMA für die operative Aufsichtstätigkeit andererseits.
-
Die Voraussetzungen für Regulierungen der FINMA (Art. 7 FINMAG) wurden präzisiert, und es wurde festgehalten, wie die Aspekte der Verhältnismässigkeit und der Differenzierung sowie die internationalen Standards bei der Regulierungstätigkeit zu berücksichtigen sind. Weiter wurde festgelegt, dass die FINMA bestehende Regulierungen periodisch auf ihre Notwendigkeit, Angemessenheit und Wirksamkeit hin überprüft. In Bezug auf den Regulierungsprozess konkretisierte die Verordnung, wie die Betroffenen, die Öffentlichkeit und die mitinteressierten Verwaltungseinheiten einzubeziehen sind.
-
Die Verordnung legte, basierend auf den Leitsätzen zur Corporate Governance des Bundes, gewisse Anforderungen an die Formulierung der strategischen Ziele der FINMA und den Prozess zur Genehmigung derselben durch den Bundesrat fest. Zudem hielt die Verordnung die Grundzüge der Zusammenarbeit von FINMA und EFD sowie des gegenseitigen Informationsaustausches fest. Die Details sollten FINMA und EFD gemäss Verordnung bilateral vereinbaren.
Weitere Massnahmen des Bundesrates aufgrund von Vorstössen zur Rolle der FINMA zwischen 2016 und 2018
Zusätzlich zum Erlass der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz veröffentlichte der Bundesrat in Erfüllung der Postulate 17.3566 und 17.3620, die er beide zur Ablehnung beantragt hatte, am 20. März 2020 einen Bericht zu den Kostenfolgen von FINMA-Rundschreiben. 37⁰ Zusätzlich erstattete der Bundesrat ab 2021 jährlich Bericht über den Stand der Umsetzung der neuen Verordnung. Dies entsprach dem Wunsch der WAK-N und der WAK-S, den diese bei der Beratung der parlamentarischen Initiative 17.454 bzw. der Motion 17.3976 geäussert hatten.
Aufsichtseingabe bei den GPK
In diesen Zeitraum fiel auch eine an die GPK gerichtete Aufsichtseingabe des Gewerbeverbandes und diverser Inlandbanken zur Tätigkeit der FINMA. So nahm die GPK-S zwischen Juni 2017 und Juli 2018 Abklärungen zur Regulierungstätigkeit der FINMA vor. Im Zentrum stand der Vorwurf an die FINMA, sie verletze das Legalitätsprinzip. Die GPK-S fand keine Hinweise auf Mängel, die das ordnungsgemässe Funktionieren der FINMA infrage gestellt hätten. Insbesondere erhärtete sich der Vorwurf der systematischen Verletzung des Legalitätsprinzips durch die FINMA nicht. Deshalb entschied die GPK-S, keine weiteren Massnahmen, etwa die Eröffnung einer Inspektion, zu treffen. Sie verwies explizit auf die verschiedenen hängigen Vorstösse und hielt fest, dass durch den Gesetzgeber zu klären sein werde, wie weit die Regulierungstätigkeit der FINMA in Zukunft gehen soll. 37¹
36² Aussprachepapier des EFD vom 17.10.2018 an den Bundesrat, S. 2
36³ SR 956.11
³64 Ergebnisbericht des EFD vom 13.12.2019 zum Vernehmlassungsverfahren zur Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz, S. 4
³65 Antrag des EFD vom 5.12.2019 an den Bundesrat betreffend: Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz; Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, Verabschiedung und Inkraftsetzung, S. 2.
³66 Stellungnahme der FINMA vom 24.10.2019 in der Ämterkonsultation vom 9.10.2019 betreffend Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz; Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, Verabschiedung und Inkraftsetzung.
³67 Stellungnahmen des BJ vom 12.2.2019 und vom 26.2.2019 in der Ämterkonsultation vom 25.1.2019 betreffend: Neue Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz: Eröffnung des VNL-Verfahrens; Stellungnahme des BJ vom 24.10.2019 in der Ämterkonsultation vom 9.10.2019 betreffend: Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz: Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens. Verabschiedung und Inkraftsetzung.
³68 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 65 und 69; Stellungnahme vom 4.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
³69 Antrag des EFD vom 5.12.2019 an den Bundesrat betreffend Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz; Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, Verabschiedung und Inkraftsetzung, S. 5.
37⁰ Kostenfolgen von FINMA-Rundschreiben, Bericht des Bundesrates vom 20.3.2020 in Erfüllung der Postulate Vogler 17.3566 und Germann 17.3620
37¹ Jahresbericht 2018 der GPK und GPDel vom 28.1.2019 ( BBl 2019 2729 , hier 2753 f.)
5.2.5.3 Einsetzung einer Arbeitsgruppe zum Public Liquidity Backstop durch den Ausschuss Finanzkrisen
Gründe für die späte Einführung eines PLB in der Schweiz
Die Empfehlung des FSB aus dem Jahr 2016 zur Einführung eines expliziten PLB blieb in der Schweiz zunächst ohne Widerhall, obwohl alle grossen Finanzplätze - die USA (im Jahr 2010), 37² die EU (Grundsatzentscheid im Jahr 2013) 37³ und Grossbritannien (im Jahr 2017) ³74 - das Instrument eines PLB eingeführt hatten. ³75
Die ersten Diskussionen der schweizerischen Akteure, einen PLB einzuführen, datieren aus dem Jahr 2018. Dass die Schweiz mit der Einführung eines PLB zögerte, ist gemäss den Informationen, die der PUK vorliegen, darauf zurückzuführen, dass das EFD mit Blick auf die öffentliche Diskussion und die politische Umsetzbarkeit zunächst eine zurückhaltende Position vertrat. Das SIF brachte diese Haltung an einer Sitzung vom 1. April 2019 zum Ausdruck. ³76 Auch die Finanzverwaltung ortete ein Risiko bei einer öffentlichen Diskussion: Sollte das Parlament der Einführung eines PLB nicht zustimmen, würde dies ein sehr grosses Risiko für den Finanzplatz Schweiz bzw. die international tätigen Grossbanken darstellen. ³77 Die Einschätzung, dass die politische Akzeptanz eines PLB zu jenem Zeitpunkt gering gewesen sei, teilt der Präsident der SNB, welcher seit 2018 die Einführung eines PLB forderte. ³78 Auch die FINMA wies mehrmals - nachweislich erstmals am 30. Oktober 2018 im AF - ³79 auf die Notwendigkeit der Einführung eines PLB hin. 38⁰ Der damalige FINMA-Direktor ortete das Problem in erster Linie beim fehlenden politischen Willen und verwies darauf, dass er unter anderem beim damaligen Vorsteher des EFD interveniert habe. 38¹
Diskussionen zum PLB im AF und im EFD von 2018 bis 2020
Aktenkundig ist eine erste vertiefte Diskussion zu einer allfälligen Einführung eines PLB im Rahmen der AF-Sitzung vom 30. Oktober 2018, als der Ausschuss sich mit der Liquiditätsversorgung im Falle einer Sanierung und Abwicklung ( Funding in Resolution ) befasste. Dabei sprachen sich die FINMA und die SNB für die gesetzliche Verankerung eines PLB als weiteren Schritt in der Entwicklung der TBTF-Gesetzgebung der Schweiz aus. Die EFV und das SIF zeigten sich demgegenüber zurückhaltend. 38² Nachfolgend fanden im Februar 2019 verschiedene Seminare statt, bei denen FINMA und SNB das Instrument des PLB den Vertreterinnen und Vertretern von SIF und EFV erläuterten.
Ende 2019 gab der damalige Vorsteher des EFD seine Zustimmung, eine interne Analyse zum PLB vorzunehmen. Diese sollte jedoch in einem ergebnisoffenen Prozess erfolgen und nicht publik gemacht werden. Die Mitglieder des AF wurden über diesen Beschluss am 16. März 2020 informiert. 38³
In diesem Rahmen wurde eine Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern von SIF, EFV, FINMA und SNB unter der Leitung der EFV eingesetzt (Arbeitsgruppe PLB). Auftrag der Arbeitsgruppe war es, mögliche Formen eines PLB zu prüfen und dabei die Vor- und Nachteile eines expliziten PLB, der in einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage verankert und damit öffentlich bekannt ist, gegenüber einer im Krisenfall mittels Notrecht anzuwendenden Ad-hoc-Lösung (impliziter PLB) aufzuzeigen. ³84
Ergebnisse der Arbeitsgruppe
Die Arbeitsgruppe PLB erstellte im März 2021 einen Bericht zuhanden des AF mit möglichen Varianten eines PLB. ³85 Der Bericht ging davon aus, dass je nach Szenario für die CS und für die UBS je ein PLB in einer Höhe von bis zu über 200 Milliarden Franken notwendig werden könnte. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass es sich dabei um verwaltungsinterne Schätzungen handelte, die auf inzwischen überholten Angaben und Annahmen basierten. Die Arbeitsgruppe kam in ihrem Bericht zum Schluss, dass ein PLB idealerweise explizit ausgestaltet sein sollte. Dies könne vertrauensbildend wirken und im Idealfall dazu führen, dass der PLB im Krisenfall nicht benötigt wird. Hingegen seien Fehlanreize sowohl bei einem expliziten als auch bei einem impliziten PLB gegeben, da sich die systemrelevanten Banken bei beiden Varianten bewusst seien, dass sie in einer Krise unterstützt würden, was zu einem riskanteren Verhalten verleiten könnte. ³86
Konkret prüfte die Arbeitsgruppe drei verschiedene PLB-Varianten: A) Liquiditätshilfe durch die SNB mit Staatsgarantie, B) Liquiditätshilfe durch die SNB ohne Staatsgarantie, C) impliziter PLB. Sie nahm gleichzeitig eine Beurteilung anhand verschiedener Kriterien (Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit, internationale Akzeptanz, finanzielles Risiko, politische Akzeptanz, Governance, rasche Geldflüsse sowie rechtliche Umsetzbarkeit) der verschiedenen Varianten vor.
-
A) Liquiditätshilfe durch die SNB mit Staatsgarantie: Diese Variante hätte den gewünschten Präventiveffekt (Vertrauensbildung), wäre international akzeptiert und würde einen raschen Geldfluss mit sich bringen. Negativ wären das hohe Risiko für den Bund und die unsichere politische Akzeptanz. Das Konzept dieser Variante des PLB wurde im Laufe der Arbeiten mit einem Konkursprivileg ergänzt, um die Risiken für den Bund zu minimieren.
-
B) Liquiditätshilfe durch die SNB ohne Staatsgarantie: Eine solche Ausgestaltung eines PLB wäre international einmalig und könnte der Reputation der SNB erheblichen Schaden zufügen. Ein solcher PLB wurde als weniger glaubwürdig und wirksam als Variante A eingeschätzt, dafür erschien die politische Akzeptanz höher.
-
C) Impliziter PLB: Die Arbeitsgruppe kam zum Schluss, dass ein solcher PLB suboptimal wäre: Die Anforderungen des FSB würden nicht erfüllt, und er wäre nicht vertrauensbildend. Die politische Akzeptanz sei dabei nicht von Bedeutung, da sowohl die Öffentlichkeit wie auch das Parlament nicht informiert würden.
Abschliessend hielt die Arbeitsgruppe fest, dass es sich lediglich um ein Zwischenergebnis handle und weitere Abklärungen notwendig seien, um die noch bestehenden Fragen abschliessend klären zu können (zu den weiteren Arbeiten zur Einführung eines PLB siehe Kap. 5.2.6.2).
37² The Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, P.L. 111-203 (Jul. 21, 2010)
37³ European Central Bank, Occasional Paper Series: Liquidity in resolution: comparing frameworks for liquidity provision across jurisdictions Nr. 251 vom Dezember 2020, S. 16.
³74 Memorandum of Understanding on resolution planning and financial crisis management, HM Treasury, April 2017
³75 Mögliche Varianten eines Liquidity Public Backstop, Zwischenbericht der Arbeitsgruppe EFV-SIF-SNB-FINMA zu Handen des AF vom 3.3.2021, S. 13
³76 Protokoll des Policy Dialogs vom 1.4.2019
³77 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 10
³78 Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 15
³79 Protokollentwurf zur Sitzung des Ausschusses Finanzkrisen vom 30.10.2018 und Präsentation der FINMA zuhanden des Ausschusses Finanzkrisen vom 30.10.2018.
38⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 33
38¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 33
38² TBTF und Public Backstop: Stand der Situation, Notiz der EFV vom 28.2.2019, S. 1.
38³ Mögliche Varianten eines Liquidity Public Backstop, Zwischenbericht der Arbeitsgruppe EFV-SIF-SNB-FINMA zu Handen des AF vom 3.3.2021, S. 9
³84 Mögliche Varianten eines Liquidity Public Backstop, Zwischenbericht der Arbeitsgruppe EFV-SIF-SNB-FINMA zu Handen des AF vom 3.3.2021, S. 9
³85 Mögliche Varianten eines Liquidity Public Backstop, Zwischenbericht der Arbeitsgruppe EFV-SIF-SNB-FINMA zu Handen des AF vom 3.3.2021
³86 Mögliche Varianten eines Liquidity Public Backstop, Zwischenbericht der Arbeitsgruppe EFV-SIF-SNB-FINMA zu Handen des AF vom 3.3.2021, S. 21
5.2.5.4 Botschaft des Bundesrates zu Anpassungen bei der Einlagensicherung
Ausgangslage
Der Bundesrat hatte das EFD Anfang 2017 beauftragt, eine Vernehmlassungsvorlage mit Anpassungen bei der Einlagensicherung auszuarbeiten (siehe Kap. 5.2.3.2). Noch bevor der Bundesrat Mitte 2020 seine Botschaft vorlegte, erfolgte im Juni 2019 ein Finanzsektorexamen (FSAP) der Schweiz durch den IWF. Bei diesem Examen machte der IWF diverse Mängel der Schweizer Einlagensicherung gegenüber den internationalen Standards der Core Principles der International Association of Deposit Insurers (IADI) und der internationalen Best Practice aus (siehe dazu auch Kap. 5.2.6.5). ³87
Positionen der verschiedenen Akteure vor der Verabschiedung der Botschaft des Bundesrates
In der Vernehmlassung, die in der ersten Jahreshälfte 2019 stattfand, begrüssten einige Grossbanken, dass keine rein ex ante finanzierte Fondslösung gewählt wurde, da eine solche zu unverhältnismässigem Aufwand und unverhältnismässigen Kosten für die Banken führen würde. ³88 Viele Vernehmlassungsteilnehmende wiesen auf den notwendigen Ausgleich zwischen dem Einlagenschutz und der TBTF-Regulierung hin und wünschten Erleichterungen bei der Eigenmittelunterlegung und Liquiditätshaltung der Banken gemäss dem Grundsatz der Kostenneutralität. ³89 Zudem sprachen sich die Vernehmlassungsteilnehmenden aus der Bankbranche gegen eine Doppelbelastung systemrelevanter Banken durch die Einlagensicherung einerseits und die Pflicht zur Weiterführung systemrelevanter Funktionen andererseits aus und verlangten eine Ausnahme für SIB. 39⁰
In der Ämterkonsultation zur Vernehmlassungsvorlage plädierte die FINMA für eine echte Ex-ante-Finanzierung der Einlagensicherung. 39¹ Zudem brachte sie in der Ämterkonsultation zur Botschaft zur Änderung des BankG 39² wie auch in den späteren Ämterkonsultationen zur Änderung der BankV zum Ausdruck, dass sie die Ausnahmen bei den Vorbereitungshandlungen für SIB und für Kleinbanken in Artikel 42 h BankV nicht unterstützt. Denn die Erleichterungen für SIB wurden mit der Pflicht zur Erstellung eines Notfallplans gerechtfertigt. Die FINMA war jedoch der Ansicht, dass das Bestehen einer Pflicht zur Ausarbeitung eines Notfallplans nicht als Voraussetzung für Erleichterungen bei den Vorbereitungshandlungen genügt. Vielmehr müsse die FINMA den Notfallplan einer SIB zumindest einmal als umsetzbar beurteilt haben. 39³ Der Bundesrat passte daraufhin die Erläuterungen zur Verordnungsänderung sprachlich leicht an, nicht aber die Verordnungsbestimmung selbst. ³94
Botschaft des Bundesrates zur Revision des BankG
Das EFD beurteilte in seinem Bundesratsantrag zur Behandlung der Botschaft eine Ex-ante-Fondslösung weiterhin als politisch nicht mehrheitsfähig und schlug stattdessen die Stärkung des bestehenden Systems mittels einer Ex-ante-Komponente, der Hinterlegung von Wertschriften, vor. ³95
Als der Bundesrat am 19. Juni 2020 seine Botschaft vorlegte, identifizierte er Handlungsbedarf, da die Einlagensicherung in der Schweiz ex post finanziert wurde bzw. wird, während international ein klarer Trend hin zur Schaffung von Ex-ante-Fonds bestehe. ³96 Der Expertenbericht Hungerbühler quantifiziert diesen Trend unter Berufung auf den IADI-Bericht zu Global Trends von 2022: 84 % der Einlagesicherungssysteme beruhten auf einer Ex-ante-Finanzierung. ³97
Um dem identifizierten Handlungsbedarf zu begegnen, übernahm der Bundesrat in seiner Botschaft den Vorschlag des EFD. ³98 Die Behandlung dieser Revision des BankG durch die eidgenössischen Räte wird in Kapitel 5.2.6.1 dargelegt.
³87 FSAP Nr. 19/183 des IWF zur Schweiz von Juni 2019, S. 41.
³88 Ergebnisbericht des EFD vom 19.6.2020 des Vernehmlassungsverfahrens zur Änderung des Bankengesetzes (BankG) (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung), S. 12
³89 Ergebnisbericht des EFD vom 19.6.2020 des Vernehmlassungsverfahrens zur Änderung des Bankengesetzes (BankG) (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung), S. 12
39⁰ Ergebnisbericht des EFD vom 19.6.2020 des Vernehmlassungsverfahrens zur Änderung des Bankengesetzes (BankG) (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung), S. 14
39¹ Stellungnahme der FINMA vom 18.1.2019 zur Ämterkonsultation vom 5.3.2019 betreffend Änderung Bankengesetz (Einlagensicherung, Insolvenz) - Eröffnung Vernehmlassungsverfahren, S. 3
39² Stellungnahme der FINMA vom 10.3.2020 zur Ämterkonsultation vom 19.2.2020 betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen, S. 4
39³ Stellungnahme der FINMA vom 21.9.2022 zur Ämterkonsultation vom 31.8.2022 betreffend Änderung Bankengesetz (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung): Inkraftsetzung; Änderung Bankenverordnung (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung und Resolvability): Gutheissung und Inkraftsetzung; Stellungnahme der FINMA vom 28.2.2022 zur Ämterkonsultation vom 9.2.2022 betreffend Änderung der Bankenverordnung (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung und Resolvability): Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens.
³94 Man vergleiche den Text zu Art. 42 h Abs. 1 der Erläuterungen vom 23.11.2022 zur Änderung der Bankenverordnung (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung und Resolvability), S. 17, mit dem Text zu Art. 42 c Abs. 2 des Entwurfs der Erläuterungen, der am 9.2.2022 in die erste Ämterkonsultation vor der Vernehmlassung geschickt wurde.
³95 Antrag vom 9.6.2020 des EFD an den Bundesrat betreffend Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG): Verabschiedung der Botschaft und Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens), S. 2.
³96 Botschaft vom 19.6.2020 zur Änderung des Bankengesetzes (BankG) (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung) ( BBl 2020 6359 , hier 6373)
³97 Expertenbericht Hungebühler (2024), S. 17
³98 Botschaft vom 19.6.2020 zur Änderung des Bankengesetzes (BankG) (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung) ( BBl 2020 6359 , hier 6380 f.)
5.2.5.5 Einführung einer Net Stable Funding Ratio (NSFR, Änderung der LiqV vom 11. September 2020)
Zweimalige Verschiebung der Einführung einer NSFR
In Ergänzung zur LCR, welche die Stärkung der Resilienz der Banken bei kurzfristigen Liquiditätskrisen bezweckt, sahen die internationalen Standards des BCBS (Basel III) ab Oktober 2014 auch die Einführung der NSFR vor, mit der eine langfristig stabile Finanzierung erreicht werden sollte. Gemäss den ursprünglichen zeitlichen Vorgaben des BCBS hätten die nationalen Bestimmungen zur NSFR per 1. Januar 2018 in Kraft treten sollen. Nachdem es in der EU und den USA bei der Einführung der NSFR zu Verzögerungen gekommen war, entschied der Bundesrat am 22. November 2017, die NSFR erst später in die LiqV aufzunehmen.
Am 30. November 2018 verschob der Bundesrat die ursprünglich für den 1. Januar 2018 geplante Einführung einer NSFR noch einmal. ³99 Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hatte gegenüber dem EFD in einem Schreiben vom 16. August 2018 in Anbetracht der damals offenen Umsetzung in der EU und den USA ein weiteres Zuwarten bei der Einführung der NSFR in der Schweiz begrüsst. 40⁰ Dahingegen hatte die FINMA im Rahmen der Ämterkonsultation vor der Behandlung des Geschäfts im Bundesrat erklärt, dass sie die schnellstmögliche Einführung einer NSFR befürworte, auch wenn es in gewissen ausländischen Rechtsordnungen (EU, USA) zu Verzögerungen bei der Einführung einer NSFR gekommen war. 4⁰1 In Australien, Singapur, Hongkong, China oder Argentinien war die NSFR zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig eingeführt worden.
Einführung einer NSFR per Mitte 2021
Nachdem der Bundesrat die Einführung einer NSFR seit 2017 zweimal verschoben hatte, setzte er mit der Änderung der LiqV vom 11. September 2020 4⁰2 die Mindestanforderungen des BCBS an eine stabile Finanzierung der Banken (Finanzierungsquote) um. Der Bundesrat führte die Verordnungsanpassung in Abstimmung mit der Einführung der NSFR in der EU auf Mitte 2021 ein, obwohl die FINMA und die SNB sich für ein früheres Inkraftreten per 1. Januar 2021 ausgesprochen hatten. 4⁰3
³99 «Bundesrat verschiebt Einführung einer Finanzierungsquote», Medienmitteilung des Bundesrates vom 30.11.2018
40⁰ Antrag des EFD vom 11.11.2019 an den Bundesrat über das weitere Vorgehen zur NSFR, S. 2
4⁰1 Stellungnahme der FINMA vom 8.10.2018 zur Ämterkonsultation vom 21.9.2018 zum Antrag über das weitere Vorgehen zur NSFR
4⁰2 AS 2020 3921
4⁰3 Stellungnahme der FINMA vom 22.10.2019 zur Ämterkonsultation vom 10.10.2019 betreffend den Antrag an den Bundesrat über das weitere Vorgehen zur NSFR; Stellungnahme der SNB vom 24.10.2019 zur Ämterkonsultation vom 10.10.2019 betreffend den Antrag an den Bundesrat über das weitere Vorgehen zur NSFR.
5.2.5.6 Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Temporary Public Ownership durch den Ausschuss Finanzkrisen
Auslöser für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe TPO durch den AF
Wie den PLB hatte die Schweiz auch die TPO beim Ausbruch der CS-Krise nicht eingeführt. Die TPO wurde international seit 2011 diskutiert, und mehrere Länder hatten eine TPO bereits 2016 eingeführt. 4⁰4
Der AF beauftragte am 16. September 2020 eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern des SIF, der EFV und der FINMA, mit einer vertieften konzeptionellen Analyse einer TPO (Arbeitsgruppe TPO). 4⁰5 Dies geschah auf Anregung der FINMA, welche die Notwendigkeit der Einführung einer TPO als eine der Lehren aus dem Frühjahr 2020 ansah, als es aufgrund der Covid-19-Pandemie zu einer angespannten Situation an den Finanzmärkten gekommen war. 4⁰6 Die FINMA plädierte für die Einführung der TPO im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren als Ultima Ratio im Stabilisierungsinstrumentarium, wobei sie sich auf das Szenario eines Konkurses des Stammhauses und einer TPO der systemrelevanten Schweizer Tochtergesellschaft als Übergangslösung bis zur Loslösung der Schweizer Einheit fokussierte (Variante 2 im untenstehenden Kasten). 4⁰7
| Kasten 7 : Varianten einer TPO Die Schweizer Behörden diskutierten über die Jahre insgesamt drei Varianten einer TPO, 4⁰8 die unten in aufsteigender Reihenfolge des potenziellen Engagements der Eidgenossenschaft aufgelistet sind:1. Kapitalbeteiligung des Bundes mit einigen Milliarden Franken an der CS zwecks Vertrauensbildung an den Märkten (diskutiert v. a. im Herbst 2022, siehe Kap. 6.3.3.1). In diesem Fall wäre der Bund nur Minderheitsaktionär und nicht Mehrheitsaktionär gewesen. Insofern könnte sich die Frage stellen, ob «TPO» die richtige Bezeichnung für eine solche Massnahme ist.2. Eine TPO der Schweizer Einheit in einer Abwicklung nach Erreichen des PONV, z. B. im Falle des Konkurses der Stammhäuser oder der Gruppen (diskutiert in der Arbeitsgruppe TPO ab 2020 sowie im Januar und Februar 2023, siehe Kap. 6.4).3. Übernahme der ganzen Bankgruppe, bevor die Bank den PONV erreicht hat, mit dem Ziel, dass eine Abwicklung gar nicht nötig wird (diskutiert v. a. in der akuten Krise im März 2023, siehe Kap. 7.2.4 und 7.2.5). Eine solche TPO wäre möglicherweise weiter gegangen, als es die internationalen Grundsätze für eine TPO vorsehen. |
Ordentliche Einführung einer TPO oder Vorbereiten der Einführung mittels Notrecht?
Die Behörden waren sich einig, dass die TPO im Gegensatz zum PLB nicht zentral für die externe Vertrauensbildung war. 4⁰9 Hingegen waren die Behörden uneins in der Frage der Einführung einer TPO im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren. FINMA und SNB befürworteten eine rasche Einführung einer TPO auf dem Weg der ordentlichen Gesetzgebung; EFV und SIF waren in dieser Frage skeptisch. 41⁰
Die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen verwies in ihrer Anhörung vor der PUK darauf, dass eine TPO im Gegensatz zu einem PLB in der Öffentlichkeit kein zusätzliches Vertrauen für die Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit geschaffen hätte. Laut ihr war der Entscheid gegen einen ordentlichen Regulierungsprozess aber nebst den Bedenken gegenüber dem Instrument selbst auch der Priorisierung der Ressourcen geschuldet: Die Behörden hätten die Einführung eines PLB als vordringlich angesehen und hätten die Arbeiten zur TPO deshalb «depriorisiert». 41¹ Unterlagen von März 2021 weisen jedoch darauf hin, dass die Ausarbeitung von Varianten in den Dossiers TPO und PLB parallel liefen. 4¹2 Die Arbeitsgruppe zum TPO, die vom SIF geleitet wurde, stellte ihre Arbeiten zwar nicht offiziell ein, sie wurden aber ab der zweiten Hälfte 2021 nicht mehr prioritär verfolgt.
Die Direktorin der EFV fokussierte in ihrer Anhörung vor der PUK ihrerseits darauf, dass die Einführung einer TPO als ordentliches Kriseninstrument der Behörden Fehlanreize hätte schaffen können. Zudem hätten seitens der Behörden der zentralen Bundesverwaltung Bedenken bestanden, inwiefern eine TPO eine verhältnismässige und notwendige Lösung in einer Abwicklung sei. Weder die SNB noch die FINMA hätten das EFD bisher von den Vorteilen einer TPO überzeugen können. Das Risiko von Fehlanreizen sowie die Gefahr einer staatlichen Haftung und einer staatlichen Übernahme der unternehmerischen Risiken einer Bank seien sehr hoch. 4¹3
Im Ergebnis verzichtete der AF darauf, die Aufnahme einer TPO in das Kriseninstrumentarium der Behörden via ordentliches Gesetzgebungsverfahren anzustreben. Vielmehr sollte eine TPO - wenn überhaupt - ausschliesslich auf der Anwendung von Notrecht im Einzelfall basieren. 4¹4
Inhalt der Abklärungen der Arbeitsgruppe
Wie erwähnt, ging es bei den Varianten einer TPO, die in der Arbeitsgruppe seit September 2020 abgeklärt wurden, um eine TPO für die Schweizer Einheit in einer Abwicklung nach Erreichen des PONV (Variante 2 im Kasten oben). Es handelt sich um dieselbe Spielart einer TPO, die im Januar und Februar 2023 bei den diesbezüglichen Überlegungen der Behörden im Vordergrund stand, 4¹5 aber nicht um die Variante einer TPO der gesamten Bankengruppe vor Erreichen des PONV, wie sie am Krisenwochenende des 18./19. März diskutiert wurde (Variante 3 im Kasten oben).
Wie aus den Berichtsentwürfen der Arbeitsgruppe hervorgeht, befasste sich die Arbeitsgruppe in einer ersten Phase (bis Mitte 2021) mit folgenden Fragen:
-
Voraussetzungen für die Umsetzung einer TPO per Notrecht;
-
Fallkonstellationen, in denen eine TPO zur Anwendung kommen könnte;
-
potenzielle Risiken für die öffentliche Hand;
-
Einordnung der Gesetzgebung zur TPO in ausländischen Rechtsordnungen;
-
Ablauf einer Resolution und einer TPO.
In einer zweiten Phase des Projekts (bis März 2022) beabsichtigten die Behörden, im Rahmen der Arbeitsgruppe ihre verschiedenen Zuständigkeiten und Kompetenzen bei der Vorbereitung wie bei der Umsetzung einer TPO genauer auszuarbeiten und praktische Fragen der Umsetzung zu erörtern (zu den weiteren Arbeiten der Arbeitsgruppe TPO siehe Kap. 6.4 und 7.2.5).
4⁰4 Wobei sich, wie in Kapitel 5.2.2.1 dargelegt, die Ausgestaltungsformen einer TPO von Land zu Land unterschieden und kein einheitliches Verständnis der TPO existiert.
4⁰5 Bericht zur Auslegeordnung TPO der vom AF eingesetzten Arbeitsgruppe, Version des SIF mit Bemerkungen der EFV für den Versand vom 20.4.2021 an die FINMA und die EFV, S. 2; siehe auch Transkription der AF-Sitzung vom 12.9.2022, S. 17. Es war vorgesehen, dass die SNB bei Bedarf in der Arbeitsgruppe mitarbeiten würde. Stand März 2021 war sie jedoch aus Kapazitätsgründen in der Arbeitsgruppe nicht vertreten ( Speaking Points der Direktorin der EFV für die Besprechung der TBTF-Strategie mit der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen vom 3.3.2021).
4⁰6 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 51
4⁰7 Temporary Public Ownership (TPO), Präsentation der FINMA am Workshop vom 19.8.2020, S. 6-9 und 13
4⁰8 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 43
4⁰9 Bericht zur Auslegeordnung TPO der vom AF eingesetzten Arbeitsgruppe, Version des SIF mit Bemerkungen der EFV für den Versand vom 20.4.2021 an die FINMA und die EFV, S. 14
41⁰ Temporary Public Ownership (TPO), Präsentation der FINMA am Workshop vom 19.8.2020, S. 6-9 und 13; Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 34 f.
41¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 51
4¹2 Speaking Points der Direktorin der EFV für die Besprechung der TBTF-Strategie mit der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen vom 3.3.2021
4¹3 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 43 f.
4¹4 Bericht zur Auslegeordnung TPO der vom AF eingesetzten Arbeitsgruppe, Version des SIF mit Bemerkungen der EFV für den Versand vom 20.4.2021 an die FINMA und die EFV, S. 2
4¹5 Transkription der AF-Sitzung vom 6.1.2023; Protokoll der LG-Sitzung vom 11.1.2023.
5.2.5.7 Vierter Evaluationsbericht des Bundesrates zu systemrelevanten Banken von 2021
Der Bundesrat gelangte in seinem Bericht von 2021 zum Schluss, dass die Kalibrierung der TBTF-Anforderungen eine angemessene Widerstandskraft der Schweizer systemrelevanten Banken sicherstelle. Gleichzeitig betonte er jedoch auch die Wichtigkeit einer erhöhten Widerstandskraft dieser Banken. Er unterstrich, dass das System der Schweiz im Grundsatz angemessen sei - in den vorangehenden Berichten hatte er das System immer als positiv bezeichnet - und es keiner grundsätzlichen Neuausrichtung bedürfe.
Eigenkapitalanforderungen
Bezüglich Eigenmittelanforderungen bestätigte der Bundesrat in praktisch gleichlautendem Wortlaut wie in seinen vorherigen Evaluationsberichten zu systemrelevanten Banken die Feststellung, dass die Schweiz die internationalen Standards hinsichtlich Eigenmittelanforderungen erfülle. 4¹6 Der Vergleich mit den für die Schweiz relevanten Rechtsordnungen (EU, UK, USA) in Bezug auf die Eigenmittelanforderungen war ähnlich detailliert wie derjenige im Bericht von 2019, was eine Verbesserung gegenüber den früheren Berichten darstellt. Wie schon in den Evaluationsberichten von 2017 und 2019 wurde im Bericht von 2021 das Argument der im internationalen Vergleich überdurchschnittlichen Grösse der Schweizer G-SIB im Verhältnis zum BIP der Schweiz vorgebracht, um zu rechtfertigen, wieso die Schweizer G-SIB überhaupt so hohe Anforderungen erfüllen müssen. 4¹7
Der vierte Evaluationsbericht des Bundesrates nahm eine Beurteilung der Widerstandskraft der Schweizer SIB vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie vor. Der Bundesrat bewertete die in der Schweiz seit der Finanzkrise von 2007/08 erfolgten Anpassungen und Erhöhungen der Kapitalanforderungen an G-SIB vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie positiv. Dabei bezog er sich auch auf den Finanzstabilitätsbericht 2020 der SNB und den FINMA-Risikomonitor 2020. Die erhöhten Eigenmittelanforderungen hätten dazu geführt, dass die Schweizer G-SIB gewisse Kapitalpolster aufgebaut hätten, die bei der Bewältigung der Turbulenzen von Februar und März 2020 auf den Finanzmärkten aufgrund der Covid-19-Pandemie nützlich gewesen seien. 4¹8
Liquiditätsanforderungen und PLB
Hinsichtlich der Liquiditätsanforderungen in der Schweizer TBTF-Gesetzgebung erwähnte der Bundesrat in seinem Evaluationsbericht von 2021 drei zentrale Aspekte:
1.
Der Bundesrat zog in diesem Bereich die Lehren aus der Covid-19-Pandemie. Die Covid-19-Pandemie hatte auf den Finanzmärkten zu einem Liquiditätsstress geführt. Davon seien auch die Schweizer Insitute nicht verschont geblieben, obwohl sie aufgrund der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung der Vorjahre eine verbesserte Widerstandskraft aufwiesen. Der Bundesrat hielt fest, dass sich die Reformen im Zusammenhang mit der TBTF-Regulierung bewährt hätten. 4¹9
2.
Der Bundesrat ordnete die Resultate der Überprüfung des TBTF-Regimes der Schweiz durch den IWF im Jahr 2019 ein. 42⁰ Der IWF stellte insbesondere fest, dass die Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit der Banken noch verbessert werden müsse. Die Liquiditätsausstattung für den Fall einer Sanierung oder Liquidation sei prioritär anzugehen.
Der Bundesrat erklärte in diesem Zusammenhang, dass die in der LiqV seit 2013 verankerten besonderen Liquiditätsanforderungen für SIB unzureichend waren, um die gesetzlich geforderte Abstufung gegenüber Nicht-SIB (SIB sollten höheren Liquiditätsanforderungen als nicht systemrelevante Banken genügen) einzuhalten. Die vom BankG geforderte höhere Widerstandsfähigkeit der SIB gegen Liquiditätsschocks war folglich nicht gewährleistet, und der Liquiditätsbedarf von SIB im Sanierungs- oder Liquidationsfall war nicht angemessen gedeckt. Deshalb kündigte der Bundesrat eine Revision der LiqV an (siehe Kap. 5.2.6.3). 42¹
3.
Der Bundesrat erwähnte, wie bereits im Bericht von 2019, erneut den Umstand, dass andere Rechtsordnungen, neu auch die EU, bereits einen PLB implementiert hätten. 42² Der Bundesrat verzichtete weiterhin darauf, öffentlich Handlungsbedarf aufzuzeigen, auch wenn die verwaltungsinternen Abklärungen zur Einführung eines PLB bereits seit 2018 liefen (siehe dazu Kap. 5.2.5.3).
Weitere TBTF-Instrumente
Wie bereits in den vorangegangenen Berichten erwähnte der Bundesrat auch 2021 die Einlagensicherung oder das Instrument einer TPO nicht.
4¹6 Bericht des Bundesrates vom 4.6.2021 zu den systemrelevanten Banken (Evaluation gemäss Artikel 52 des Bankengesetzes, ( BBl 2021 1487 , S. 2 f.)
4¹7 Bericht des Bundesrates vom 4.6.2021 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2021 1487 S. 7)
4¹8 Bericht des Bundesrates vom 4.6.2021 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2021 1487 S. 12 f.)
4¹9 Bericht des Bundesrates vom 4.6.2021 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2021 1487 S. 12 f.)
42⁰ IWF: FSAP Nr. 19/183 des IWF zur Schweiz von Juni 2019.
42¹ Bericht des Bundesrates vom 4.6.2021 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2021 1487 S. 13 ff.)
42² Bericht des Bundesrates vom 4.6.2021 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2021 1487 S. 10)
5.2.6 2021 bis Ende 2022: Ersetzung Rabattsystem, Anpassungen an der Einlagensicherung, Eckwerte eines Public Liquidity Backstops und neues Liquiditätskonzept für systemrelevante Banken
5.2.6.1 Einlagensicherung: Die eidgenössischen Räte verabschieden die Revision des BankG
2017 hatte der Bundesrat das EFD mit der Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage zur Anpassung der Einlagensicherung beauftragt (siehe Kap. 5.2.3.2). Am Ende dieses Prozesses stand die Revision des BankG vom 17. Dezember 2021 4²3 , die verschiedene vom IWF festgestellte Mängel im Einlagensicherungssystem adressierte. Beispielsweise wurde eine Wertschriftenhinterlegung als Ex-ante-Komponente der Einlagensicherung eingeführt (Art. 37 h Abs. 3 Bst. c Ziff. 1 BankG), und für die Esisuisse wurde neu eine Auszahlungsfrist von sieben Tagen festgesetzt. Die maximale Dauer der Auszahlungsfrist beträgt jedoch 14 Tage. 4²4 Andere Kritikpunkte des FSAP des IWF von 2019 wurden hingegen nicht umgesetzt (siehe Kap. 5.2.6.5). 4²5
Der Gesetzgeber nahm den Wunsch der Vernehmlassungsteilnehmenden nach einem Ausgleich zwischen Einlagenschutz und TBTF-Regulierung auf, indem er 2021 Artikel 37 h Absatz 7 BankG verabschiedete, der die Kostenneutralität festschrieb.
Die geänderten Bestimmungen sollten per Anfang 2023 in Kraft treten (siehe Kap. 5.2.6.5).
4²3 AS 2022 732
4²4 Gemäss Art. 37 i Abs. 2 BankG muss die Esisuisse die nötigen Mittel innert sieben Tagen an die Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragten bzw. die Konkursliquidatoren überweisen, die gemäss Art. 37 j Abs. 3 BankG nochmals sieben Tage zur Verfügung haben, um die erhaltenen Mittel an die Einleger auszuzahlen.
4²5 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 16 f.
5.2.6.2 Bundesrat legt Eckwerte eines Public Liquidity Backstops fest
Aussprachepapier des EFD zu den Eckwerten eines PLB
Nachdem die Arbeitsgruppe PLB im März 2021 ihren Bericht mit möglichen Varianten eines PLB zuhanden des AF erstellt hatte (siehe Kap. 5.2.5.3), wies die FINMA an einem Treffen mit dem SIF vom 2. September 2021 darauf hin, dass weitere Fortschritte im Bereich der Einführung eines PLB notwendig bzw. wichtig seien. Anfang November 2021 erteilte der damalige Vorsteher des EFD schliesslich den Auftrag, ein Aussprachepapier an den Bundesrat zu erarbeiten. 4²6 Eine allfällige Vorlage ans Parlament müsse argumentativ sehr gut vorbereitet und begleitet werden, auch weil vorweg kein fixer Betrag genannt werden könne. 4²7 Sowohl das SIF als auch die FINMA betonten an ihrem Treffen vom 24. November 2021 die Wichtigkeit der Einführung eines PLB. 4²8
Das erwähnte Aussprachepapier an den Bundesrat datiert vom 9. März 2022. Es zeigt, dass von einem impliziten PLB Abstand genommen wurde und der PLB stattdessen in einem Gesetz verankert werden sollte. Die Gründe für die Abkehr von einem impliziten PLB waren das Fehlen einer klaren gesetzlichen Grundlage, das Fehlen einer präventiven, vertrauensbildenden Wirkung und gewichtige Wettbewerbsnachteile für die international tätigen Banken. Die schweizerischen Behörden (EFD, FINMA und SNB) und die international tätigen Grossbanken erachteten die Verfügbarkeit eines PLB als zentrales Element zur Sicherung einer genügenden Liquidität im Sanierungsfall. 4²9 Um den möglichen Fehlanreizen eines PLB entgegenzuwirken, war vorgesehen, einen PLB nicht ohne Abgeltung zu gewähren. Das Aussprachepapier hielt weiter die Voraussetzungen für einen PLB fest (SIB in Sanierungsverfahren, Rekapitalisierung, Solvenz, Subsidiarität, öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit und Unterstützung der Behörden).
Eckwerte eines PLB gemäss Richtungsentscheid des Bundesrates vom 11. März 2022
Auf der Grundlage des erwähnten Aussprachepapiers entschied der Bundesrat am 11. März 2022, das EFD mit der Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage zur Einführung eines PLB in der Schweiz bis Mitte 2023 zu beauftragen. 43⁰ Dabei sollten folgende Eckwerte beachtet werden:
-
Die Grundstrukturen des PLB werden im Gesetz verankert.
-
Der Bund gewährt der SNB eine Garantie im Umfang der zur Verfügung gestellten Liquidität.
-
Der PLB wird mit einem Konkursprivileg ausgestattet.
-
Er wird nur in Verbindung mit einem Abgeltungs- und Sanktionsmechanismus eingeführt und gewährt.
Die im Anschluss an diesen Entscheid erfolgten Entwicklungen bei der Einführung eines PLB sind im Kapitel 6.3.4.2 dargestellt, da sie in Phase 2 fallen.
4²6 Protokoll des Policy Dialogs vom 24.11.2021
4²7 Protokoll des Policy Dialogs vom 24.11.2021
4²8 Protokoll des Policy Dialogs vom 24.11.2021
4²9 Einführung eines Public Liquidity Backstops in der Schweiz, Aussprachepapier des EFD an den Bundesrat vom 9.3.2022, S. 1
43⁰ «Bundesrat will neues Instrument zur Stärkung der Stabilität des Finanzsektors einführen», Medienmitteilung des Bundesrates vom 11.3.2022
5.2.6.3 Neues Liquiditätskonzept für systemrelevante Banken (Änderung der LiqV vom 3. Juni 2022)
Ausgangslage
In seinem vierten Evaluationsbericht von 2021 anerkannte der Bundesrat, dass SIB, anders als vom BankG gefordert, keine höhere Widerstandsfähigkeit gegen Liquiditätsschocks als nicht systemrelevante Banken aufwiesen, und kündigte eine Anpassung der LiqV an (siehe Kap. 5.2.5.7). Mit der Änderung der LiqV vom 3. Juni 2022 43¹ , die per 1. Juli 2022 in Kraft trat, adressierte der Bundesrat den beschriebenen Handlungsbedarf, indem er ein neues Liquiditätskonzept für SIB einführte.
Inhalt des neuen Liquiditätskonzepts
Während die zuvor geltenden Liquiditätsanforderungen vorsahen, dass SIB in der Lage sein müssen, eine 30-tägige Liquiditätskrise zu überstehen, wurde diese Anforderung mit dem neuen Liquiditätsregime auf 90 Tage ausgedehnt. Derjenige Teil der Anforderungen, der über das ursprüngliche 30-tägige Stressszenario hinausgeht, besteht aus Grundanforderungen für alle SIB (Art. 21-24 LiqV) und aus institutsspezifischen Zusatzanforderungen, die die FINMA festlegen kann (Art. 25-25 a LiqV). Mit den Grundanforderungen sollten durch vorgegebene Mindestparameter Risiken abgedeckt werden, die nicht mit der LCR abgedeckt sind. Mit den institutsspezifischen Zuschlägen der FINMA sollte weiteren materiellen, durch die Grundanforderungen nicht abgedeckten Risiken angemessen begegnet werden können.
Für die revidierten Grundanforderungen galt eine Übergangsfrist bis Ende 2023, für die institutsspezifischen Zusatzanforderungen im Fall eines Liquiditätsaufbaubedarfs eine Übergangsfrist bis Ende 2024. SIB müssen ihre Liquiditätssituation monatlich ausweisen (Art. 28 LiqV). Wenn eine Bank die Anforderungen unterschreitet, kann die FINMA untermonatige Meldungen zur LCR mit einer zeitnahen Einreichungsfrist festlegen (Art. 17 b Abs. 5 LiqV). Die neuen Bestimmungen für SIB müssen bis Ende 2026 auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden (Artikel 31 c Absatz 3 LiqV).
Auswirkungen des Vernehmlassungsverfahrens auf die Revisionsvorlage
Die fünf betroffenen SIB und die ihnen zugeneigten Interessensgruppen kritisierten im Vernehmlassungsverfahren die fehlende Wettbewerbsneutralität der Vorlage im internationalen Vergleich und insbesondere die quantitativen Auswirkungen. 43² Die SIB äusserten diese Kritik, obwohl sie zum Zeitpunkt der Verordnungsrevision gemäss Einschätzung der Behörden aufgrund temporärer Anforderungen der FINMA, pandemiebedingter Sonderfaktoren sowie der freiwillig darüber hinaus gehaltenen Liquidität über eine vergleichsweise hohe Liquidität verfügten, sodass die vorgesehenen Änderungen kaum einen neuen Liquiditätsaufbau erfordert hätten. 43³
Dagegen betonte die EFV im Hinblick auf die Einführung des PLB, dass die SIB in einer Krise ihren Liquiditätsbedarf vorab durch ihren eigenen Bestand an liquiden Mitteln decken (erste Säule), erst danach von der SNB ausserordentliche Liquiditätshilfen erhalten (zweite Säule) und erst zuletzt zusätzliche Liquidität über einen PLB erhalten sollten (dritte Säule). Es gelte deshalb, mit der Teilrevision der LiqV gerade auch im Hinblick auf die Einführung eines PLB die erste Säule zu stärken. Soweit die für die besonderen Liquiditätsanforderungen anrechenbaren Vermögenswerte aber bei den SIB bereits vorhanden seien, handle es sich nicht um einen eigentlichen Ausbau der ersten Säule. 4³4
Die FINMA äusserte sich im Rahmen der Ämterkonsultation etwas zurückhaltender als die EFV, verfolgte aber die gleiche Stossrichtung. Man sei den Banken in der Version der Ämterkonsultation bereits weit entgegengekommen. Für weitere Abschwächungen sah die FINMA keinen Spielraum. 4³5
Der Bundesrat berücksichtigte die Kritik der betroffenen Banken in der Vorlage teilweise. Insbesondere gewährte er den SIB verlängerte Übergangsfristen, verzichtete auf eine Offenlegung der institutsspezifischen Zusatzanforderungen und erweiterte die zur Erfüllung der Liquiditätsanforderungen anrechenbaren Vermögenswerte. 4³6
Einordnung der Revision im internationalen Vergleich
Der von den Behörden vorgenommene Vergleich der Vorlage mit dem internationalen Umfeld zeigte, dass SIB auch in der EU, im UK und in den USA zusätzliche Liquidität für Risiken halten müssen, die durch die LCR nicht abgedeckt sind, die nationalen Anforderungen aber unterschiedlich sind. Der Bundesrat beurteilte das Schweizer Konzept mit Grundanforderungen über den 30. Tag eines Liquiditätsstress-Szenarios hinaus als im internationalen Vergleich streng. 4³7 Allerdings ist festzuhalten, dass zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Änderung der LiqV vom 3. Juni 2022 in der EU, im UK und in den USA, anders als in Schweiz, für den Fall, dass der Liquiditätsbedarf in einer Krise die vorhandene Liquidität der Banken übersteigt, zusätzlich ein PLB zur Verfügung stand. Diesen Umstand wies auch das EFD in seinem Antrag an den Bundesrat vom 22. Mai 2022 so aus. 4³8
Der Bericht Hungerbühler zeigt auf, dass der Schweizer Rechtsrahmen bei der Definition von HQLA über den Basel-III-Standard hinausgeht, zugleich aber in anderen Aspekten geringfügige Abweichungen vom internationalen Standard aufweist. 4³9 Bei der Überprüfung des Schweizer Rechtsrahmens hinsichtlich Compliance im Bereich NSFR hat das BCBS die Schweiz 2023 als largely compliant (zweithöchste Compliance-Stufe) eingeordnet. 44⁰
43¹ AS 2022 359
43² Ergebnisbericht des EFD vom 3.6.2022 zum Vernehmlassungsverfahren zur Änderung der Liquiditätsverordnung (Besondere Bestimmungen für systemrelevante Banken - «Too big to fail»), S. 4-5 und 7-8
43³ Antrag des EFD vom 25.5.2022 an den Bundesrat betreffend die Änderung der Liquiditätsverordnung (Besondere Bestimmungen für systemrelevante Banken - «Too big to fail»), S. 3
4³4 Stellungnahme der EFV vom 12.4.2022 in der Ämterkonsultation vom 24.3.2022 zur Änderung der Liquiditätsverordnung (besondere Bestimmungen für systemrelevante Banken - «Too big to fail»)
4³5 Stellungnahme der FINMA vom 8.4.2022 in der Ämterkonsultation vom 24.3.2022 zur Änderung der Liquiditätsverordnung (besondere Bestimmungen für systemrelevante Banken - «Too big to fail»)
4³6 Antrag des EFD vom 25.5.2022 an den Bundesrat betreffend die Änderung der Liquiditätsverordnung (Besondere Bestimmungen für systemrelevante Banken - «Too big to fail»), S. 3 f.; Erläuterungen vom 3.6.2022 zur Änderung der Liquiditätsverordnung (Besondere Bestimmungen für systemrelevante Banken - «Too big to fail»), S. 6 f.
4³7 Antrag des EFD vom 25.5.2022 an den Bundesrat betreffend die Änderung der Liquiditätsverordnung (Besondere Bestimmungen für systemrelevante Banken - «Too big to fail»), S. 2
4³8 Antrag des EFD vom 25.5.2022 an den Bundesrat betreffend die Änderung der Liquiditätsverordnung (Besondere Bestimmungen für systemrelevante Banken - «Too big to fail»), S. 2
4³9 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 13
44⁰ BCBS (2023): Assessment RCAP Switzerland NSFR.
5.2.6.4 Ersetzung des Rabattsystems durch ein neues Anreizsystem (Änderung BankV vom 23. November 2022)
Ausgangslage
2019 hatte der Bundesrat seine Absicht angekündigt, das Rabattsystem für die Verbesserung der Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit der G-SIB abzuschaffen (siehe Kap. 5.2.4.3). Die FINMA hatte sich von Anfang an wiederholt gegen die ersatzlose Abschaffung des Rabattsystems gewehrt. Sie war der Ansicht, dass dessen ersatzlose Streichung nicht zur Vereinfachung des TBTF-Regimes führen, sondern das Erreichen der Resolvability, die für eine erfolgreiche Sanierung der Grossbanken zentral sei, erschweren würde. Sie befürchtete, dass nach Abschaffung des Rabattsystems allfällige Rückschritte bei der Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit nicht mehr mit einer Reduktion des Rabatts sanktioniert werden könnten. Zudem bemängelte sie, dass sie künftig solche Rückschritte nachweisen müsste, während unter dem geltenden Recht die Banken ihren Anspruch auf Beibehaltung des Rabatts begründen und beweisen mussten. 44¹ Das SIF hingegen ist der Meinung, dass bei der Beibehaltung des geltenden Systems unklar geblieben wäre, wie es sich mit den Anreizen nach der Ausschöpfung des maximalen Rabattpotenzials durch die Grossbanken verhielte. 44² Die FINMA beantragte, dass der Bundesrat das bisherige Rabattsystem mit der Änderung der BankV (und der ERV) vom 23. November 2022 44³ , die am 1. Januar 2023 in Kraft trat, nicht ersatzlos abschafft. Der Bundesrat folgte dem Antrag und ersetzte das Rabattsystem durch ein neues Anreizsystem, da absehbar war, dass die Grossbanken das maximale Rabattpotenzial in naher Zukunft ausgeschöpft haben würden.
Inhalt der Revision: neues Anreizsystem
Vor der Revision berechneten sich die Gone-Concern-Anforderungen für G-SIB wie folgt: 100 % der Going-Concern-Anforderungen minus den individuellen Rabatt für die Verbesserung der Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit. Diese Regelung setzte den G-SIB Anreize zur Verbesserung ihrer globalen Abwicklungsfähigkeit ( Resolvability ) . Da die beiden G-SIB jedoch den maximal möglichen Rabatt erreicht hatten, hatte sich die Anreizwirkung des Rabattsystems erschöpft. Deshalb wurden die Gone-Concern-Anforderungen für G-SIB im neuen System fix auf 75 % der Going-Concern-Anforderungen festgelegt. 44⁴ Zugleich kann die FINMA im neuen System zusätzliche verlustabsorbierende Mittel (Gone-Concern-Mittel) auf Stufe Finanzgruppe und auf Stufe Stammhaus verlangen, wenn sie bei den Banken Hindernisse bei der Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit feststellt (Art. 65 b BankV). Mit einem Kriterienkatalog (Art. 65 a BankV) soll sichergestellt werden, dass sich die globale Abwicklungsfähigkeit der G-SIB auch nach Abschaffung der Anreize des alten Rabattsystems nicht verschlechtert.
Während zuvor die Banken ihren Anspruch auf Erteilung oder Beibehaltung des Rabatts und somit auf Unterschreitung der eigentlichen Anforderungen begründen mussten, ist es im neuen System so, dass die FINMA Zuschläge auf die Basisanforderungen verlangen kann, wenn sie Hindernisse bei der Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit der Banken feststellt.
Die G-SIB erhielten die Möglichkeit, die neuen Kriterien der Resolvability bis Ende Juni 2024 umzusetzen (Art. 69 a BankV). Mit der Vorlage wurde zudem eine explizite rechtliche Grundlage eingeführt, damit die FINMA die Öffentlichkeit künftig regelmässig über ihre Beurteilung der Stabilisierungsplanung und der Notfallplanung sowie über den Stand der Abwicklungsplanung bei allen systemrelevanten Banken informieren kann.
Auswirkungen des Vernehmlassungsverfahrens
UBS und SBVg übten in der Vernehmlassung grundlegende Kritik an der Ersetzung des Rabattsystems durch ein neues Anreizsystem. Sie stellten die Notwendigkeit und die Verhältnismässigkeit der vorgeschlagenen Regelungen in Frage, da die Zuschläge im Gegensatz zum alten System in ihrer Höhe nicht begrenzt und für die Zweckerreichung unnötig seien. Die Erweiterung der Bemessungsgrundlage für die zusätzlichen verlustabsorbierenden Mittel um die Anforderungen an zusätzliche Eigenmittel, welche nicht nur G-SIB, sondern alle SIB betrifft, wurde von allen Branchenmitgliedern, die an der Vernehmlassung teilnahmen, abgelehnt (CS, UBS, SBVg, ZKB, PostFinance und Economiesuisse). 4⁴5
Aufgrund der Stellungnahmen in der Vernehmlassung sah der Bundesrat von einer Veröffentlichung der Höhe der Gone-Concern-Zuschläge ab. Zudem legte er die Höhe der Gone-Concern-Zuschläge auf maximal 25 % der Going-Concern-Anforderungen fest (in der Vernehmlassungsvorlage war die Höhe der Zuschläge nicht begrenzt gewesen) und verzichtete auf die Erweiterung der Bemessungsgrundlage für die zusätzlichen verlustabsorbierenden Mittel um die zusätzlichen Eigenmittel nach Artikel 131 b ERV. 4⁴6
Der Ersatz des Rabattsystems vor dem Hintergrund der internationalen Standards
Die Bundesbehörden nahmen im Rahmen dieser Verordnungsänderungen eine eingehende rechtsvergleichende Analyse der relevantesten Rechtsordnungen (EU, UK, USA) vor. Dabei stellten sie fest, dass ausländische Behörden im Gegensatz zu den Schweizer Behörden unter bestimmten Umständen auch weitgehende Eingriffe in die Rechts- und Geschäftsstruktur der Banken vornehmen dürfen, wenn die Institute zu geringe Fortschritte bei der Resolvability machen. Der Schweizer Ansatz setzt hingegen auf Anreize über drohende Erhöhungen der Gone-Concern-Anforderungen und über die Veröffentlichung des Stands der Resolvability der Banken. 4⁴7
44¹ Stellungnahme der FINMA vom 14.5.2019 in der Ämterkonsultation zum Entwurf des Berichts des Bundesrates zu den systemrelevanten Banken 2019, S. 1; Stellungnahme der FINMA vom 11.10.2019 in der Ämterkonsultation zur Anpassung der Eigenmittelverordnung 2019, S. 1 f.
44² Stellungnahme des SIF vom 5.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
44³ AS 2022 804
44⁴ Art. 132 Abs. 2 Bst. a Ziff. 2 ERV
4⁴5 Ergebnisbericht des EFD vom 23.11.2022 zum Vernehmlassungsverfahren zur Änderung der Bankenverordnung (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung und Resolvability), Ziff. 3.1 und 3.2.4, S. 4 und 7-10; Erläuterungen des EFD vom 23.11.2022 zur Änderung der Bankenverordnung (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung und Resolvability), Ziff. 2.1, S. 5.
4⁴6 Erläuterungen des EFD vom 23.11.2022 zur Änderung der Bankenverordnung (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung und Resolvability), Ziff. 2.2, S. 5 f.
4⁴7 Erläuterungen des EFD vom 23.11.2022 zur Änderung der Bankenverordnung (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung und Resolvability), Ziff. 3.2, S. 7 f.
5.2.6.5 Einlagensicherung: Inkrafttreten des revidierten BankG und der revidierten BankV
Verordnungsanpassung aufgrund der Revision des BankG vom 17. Dezember 2021
Wie in Kapitel 5.2.6.1 beschrieben, passten die eidgenössischen Räte am 17. Dezember 2021 das Schweizer System der Einlagensicherung mit einer Revision des BankG an. Diese Änderung des BankG machte auch Anpassungen an der BankV notwendig (Änderung vom 23. November 2022) 4⁴8 . Der Bundesrat setzte beide Änderungen auf den 1. Januar 2023 in Kraft.
Bei der Revision der BankV sah der Bundesrat, wie von den Vernehmlassungsteilnehmenden gefordert, aber von der FINMA abgelehnt, eine Ausnahme der SIB von den Vorbereitungshandlungen zur Einlagensicherung vor. 4⁴9
Fortdauernde Abweichungen der Schweizer Einlagensicherung von den internationalen Standards
Laut dem Expertenbericht Hungerbühler war bzw. ist der Schweizer Rechtsrahmen weiterhin namentlich hinsichtlich der folgenden Aspekte mit den internationalen Standards nicht konform :
-
Fehlen einer Ex-ante-Finanzierung;
-
Fehlen einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Einlagensicherung;
-
fehlende Möglichkeit der Finanzierung von Sanierungs- und Abwicklungsmassnahmen;
-
unzureichende Gesamtsumme der Beitragsverpflichtungen;
-
übermässige Totaldauer der Auszahlungsfrist im Krisenfall;
-
fehlende Strategie zur Finanzierung der Einlagensicherung im Falle unzureichender Mittel. 45⁰
4⁴8 AS 2022 804
4⁴9 Stellungnahme der FINMA vom 28.2.2021 zur Ämterkonsultation vom 9.2.2022 betreffend Änderung der Bankenverordnung (Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung und Resolvability): Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens.
45⁰ Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 16 f.
5.2.7 Zusammenfassung Monitoring und Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung in der Schweiz 2015-2022
Kapitalvorschriften
Die wichtigsten Etappen bei der Weiterentwicklung der Schweizer TBTF-Gesetzgebung hinsichtlich Eigenmittelanforderungen von 2015 bis 2022 waren die Einführung des Konzepts der Going-Concern- und der Gone-Concern-Anforderungen (2016), die Erhöhung der Qualität der Eigenmittel (2016), der Wechsel vom System mit Beteiligungsabzügen und Erleichterungen nach Artikel 125 ERV zur Risikogewichtung (2017/2019) sowie der Ersatz der Rabatte nach Artikel 133 ERV mit einem neuen Anreizsystem (2023).
Über den betrachteten Zeitraum hinweg war es bei den Eigenmittelanforderungen oft so, dass FINMA und SNB strengere Anforderungen befürworteten, es ihnen aber angesichts der entgegengesetzten Interessen der Grossbanken und der ihnen zugeneigten Interessengruppen nicht gelang, den Bundesrat und die Politik von ihren Einschätzungen zu überzeugen. Zudem gewährten die FINMA und der Verordnungsgeber den Grossbanken gelegentlich Erleichterungen bei Regulierungs- und Gesetzesänderungen (z. B. lange Übergangsfristen, regulatorische Filter).
Liquiditätsanforderungen
Die wichtigsten Etappen bei der Weiterentwicklung der Schweizer TBTF-Gesetzgebung hinsichtlich Liquiditätsanforderungen von 2015 bis 2023 waren die Einführung einer NSFR (2021), die Herstellung von Konformität zur gesetzlichen Vorgabe der erhöhten Widerstandskraft von SIB im Vergleich zu nicht systemrelevanten Banken (2022) sowie die Entwicklungen hinsichtlich PLB.
Im betrachteten Zeitraum fällt auf, dass nach dem Erlass der LiqV im Jahr 2014 sechs (Einführung einer NSFR) bzw. acht Jahre (verschärftes Liquiditätskonzept für SIB) vergingen, bis erneut substanzielle Änderungen bzw. Verbesserungen an den Liquiditätsanforderungen in der Schweizer TBTF-Gesetzgebung vorgenommen wurden.
PLB
2016 empfahl das FSB, den Mechanismus eines PLB in die nationalen Gesetzgebungen einzuführen. Spätestens ab 2018 forderten SNB und FINMA in Gesprächen mit den Behörden ebenfalls die Einführung dieses Instruments. Die Klärung, ob ein PLB auch in der Schweiz zielführend ist, und die Analysen, wie ein solcher PLB in das Schweizer TBTF-Regelwerk eingebaut werden kann, benötigten Zeit, auch, weil innerhalb des EFD (EFV und SIF) mit Blick auf die öffentliche Diskussion und die politische Umsetzbarkeit Zurückhaltung herrschte. Es dauerte bis im März 2022, bis der Bundesrat die Eckwerte eines PLB beschloss und das EFD mit der Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage beauftragte.
Der Bericht Hungerbühler stellt hinsichtlich PLB eine signifikante Abweichung des schweizerischen Rechtsrahmens von den internationalen Standards fest. 45¹
TPO
In seinen Berichten zu systemrelevanten Banken vor der CS-Krise (vier Berichte von 2015-2021) setzte sich der Bundesrat nie mit der Möglichkeit einer TPO auseinander, obwohl die Thematik seit 2016 international diskutiert wurde. Dabei ist zu sagen, dass eine TPO kein klassisches TBTF-Instrument ist. Zudem widerspricht eine Verstaatlichung, auch wenn angestrebt wird, dass sie temporär ist, dem TBTF-Ziel, staatliche Beihilfen zu vermeiden, insbesondere in der mittleren bis längeren Frist.
Der AF setzte im September 2020 eine Arbeitsgruppe zum TPO ein. Deren Arbeiten wurden allerdings aufgrund der parallel laufenden Arbeiten zum PLB weniger dringlich vorangetrieben. Der AF entschied früh, keine explizite Einführung einer TPO-Norm in der Schweizer Gesetzgebung vorzusehen, sondern im Rahmen der Arbeitsgruppe zuerst kritische Grundsatzfragen und die Notwendigkeit des Instruments zu klären. Sollte es im Notfall trotz bestehender Bedenken einmal eine TPO benötigen, müsste sie per Notrecht geschaffen werden. Innerhalb der Behörden gab es Differenzen zu diesem Vorgehen: FINMA und SNB befürworteten die ordentliche Einführung einer TPO-Rechtsgrundlage, EFV und SIF bevorzugten die schlussendlich gewählte Vorgehensweise.
Die Abklärungen der Behörden konzentrierten sich grösstenteils auf die Variante einer TPO, bei der im Zuge der Abwicklung oder Sanierung der Bankengruppe nur die systemrelevante Schweizer Einheit verstaatlicht wird. Die Varianten einer kurzfristigen staatlichen Minderheitsbeteiligung oder gar einer TPO der gesamten Bankengruppe, bevor der PONV erreicht wird, sollten erst im Herbst 2022 und dann in der akuten Krise im März 2023 Thema werden.
Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz
In den Jahren 2016-2018 bestand eine gewisse politische Unzufriedenheit mit der Rolle der FINMA, deren Tätigkeit im Bereich der Bankenaufsicht und -regulierung sowie der internationalen Standardsetzung als teilweise zu expansiv erachtet wurde. Dies führte zu einer Vielzahl von politischen Vorstössen. In Umsetzung der Motion 17.3317 «Klare Verantwortlichkeiten zwischen Finanzmarktpolitik und Finanzmarktaufsicht» erliess der Bundesrat 2019 schliesslich die Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz, mit der er die Aufgaben der FINMA im internationalen Bereich und in der Regulierung, die Regulierungsgrundsätze sowie die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen der FINMA und dem EFD konkretisierte. Dabei versuchte er, die politischen Forderungen nach klareren Strukturen der FINMA-Tätigkeit mit der für die Finanzmarktaufsicht zentralen Unabhängigkeit der FINMA zu vereinbaren. Zudem erstattete der Bundesrat ab 2021 jährlich Bericht über den Stand der Umsetzung der neuen Verordnung.
Einlagensicherung
Seit 2014 wurde wiederholt internationale Kritik am Schweizer System des Einlegerschutzes geäussert. Zudem sprach die Expertengruppe zur Weiterentwicklung der Finanzmarktstrategie in ihrem Schlussbericht vom 1. Dezember 2014 klare Empfehlungen zur Verbesserung der Einlagensicherung aus. Dennoch behandelte der Bundesrat diese Thematik in seinen Evaluationsberichten zu den systemrelevanten Banken von 2015 bis 2021 nicht. Es dauerte bis Anfang 2023, bis Anpassungen am Einlegerschutzsystem erfolgten.
Gemäss Bericht Hungerbühler weicht die Einlagensicherung in der Schweiz zudem weiterhin in wesentlichen Aspekten von den internationalen Standards ab.
Evaluationsberichte des Bundesrates
Vor der CS-Krise veröffentlichte der Bundesrat vier Evaluationsberichte zu den systemrelevanten Banken, nämlich ab 2015 alle zwei Jahre. An diesen Berichten fällt nebst der praktisch immer gleichlautenden, positiven Bewertung der Schweizer TBTF-Gesetzgebung im internationalen Vergleich auf, dass kein Bezug auf die in den vorangegangenen Berichten ausgesprochenen Empfehlungen oder vorgeschlagenen Massnahmen genommen wird. Es fehlt ein explizites Monitoring des Umsetzungsstands der verschiedenen Massnahmen und der Entwicklungen in den einzelnen Handlungsfeldern. Das BJ kritisierte diesen Umstand mindestens zweimal, in den Ämterkonsultationen zu den Berichten 2017 und 2019 ausdrücklich. Der Bundesrat passte den Aufbau (und Inhalt) der Berichte jedoch nicht an.
Tendenzen der TBTF-Regulierung in der Schweiz von 2015-2022
Wie in Kapitel 4.1.1 und 5.1.3 beschrieben, erfolgte die Weiterentwicklung des internationalen TBTF-Rahmens nach der Finanzkrise von 2007/08 bis ungefähr 2017 laufend. Die Verabschiedung der finalen Basel-III-Standards 45² durch den BCBS erfolgte 2017. In der ersten Phase dieser Entwicklung, bis ungefähr 2015, gehörte die Schweiz zu den Ländern mit der insgesamt am weitesten fortgeschrittenen (bzw. am frühesten umgesetzten) und in diesem Sinne auch strengsten TBTF-Regulierung (siehe Kap. 4.2.2). 45³
Die Ausführungen in den Kapiteln 5.2.3 bis 5.2.6 haben gezeigt, dass sich das Bild nach 2015, nach der Umsetzung der ersten TBTF-Vorlage, etwas änderte. Die Behörden entwickelten die TBTF-Regulierung zwar in Umsetzung der internationalen Standards durchaus weiter. Gleichzeitig berücksichtigten die Behörden der zentralen Bundesverwaltung, also EFD und SIF, im Einklang mit den Signalen der Politik und des Gesetzgebers aber auch das Anliegen eines «Level playing Field» für die Schweizer Banken. Damit ist das Anliegen gemeint, dass zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Banken nicht signifikant höhere regulatorische Anforderungen als in den ausländischen Märkten erlassen werden sollen. 45⁴ In seiner Botschaft zur Legislaturplanung 2019-2023 hielt der Bundesrat beispielsweise fest, dass er aus demselben Grund ( « Level playing Field » ) keine schnellere Umsetzung der finalen Basel-III-Standards anstrebt, als sie in wichtigen Konkurrenzfinanzplätzen vorgenommen wird. ⁴55
Zu dieser Stossrichtung trug auch ein zweiter Trend bei: Ungefähr ab 2015 setzte international wie auch in der Schweiz eine gewisse Regulierungsmüdigkeit ein. Auch vor dem Hintergrund des Lobbyings der Banken und der Wirtschaft machte sich in der Politik und als Folge davon auch in der Verwaltung ein merklicher Pushback gegen eine strengere Bankenregulierung bzw. gegen eine weitere Verschärfung des bestehenden TBTF-Regimes breit. ⁴56
45¹ Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 18-22
45² BCBS Standard vom Dezember 2017: Basel III: Finalising post-crisis reforms.
45³ Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 2)
45⁴ Schriftliche Antworten an die PUK vom 18.3.2024, S. 2 vom 9.4.2024, S. 2, vom 15.4.2024, S. 2
⁴55 Botschaft vom 29.1.2020 zur Legislaturplanung 2019-2023 ( BBl 2020 1777 , hier 1840)
⁴56 Schriftliche Antworten an die PUK vom 18.3.2024, S. 4 f.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 24 und 39; Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 50.
5.2.8 Monitoring und Weiterentwicklung Revisionsaufsichtsrecht
Die PUK interessierte sich auch für die Weiterentwicklung des Revisionsrechts. Nachfolgend werden die Entwicklung des Revisionsrechts im Untersuchungszeitraum und die Geschäftsführung des EJPD in diesem Kontext dargestellt.
Gemäss Darlegung des GS-EJPD ⁴57 war die einzige namhafte Weiterentwicklung in den vergangenen zehn Jahren die sogenannte Bündelungsvorlage, die am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist. Seither bestand aus Sicht des zuständigen EJPD und der FINMA offensichtlich kein Bedarf, das Gesetz resp. die rechtlichen Grundlagen anzupassen. In seiner Rückmeldung an die PUK führte das EJPD aber auch aus, dass das RAG als Rahmengesetz konzipiert worden sei und auch deshalb kein gesetzlicher Handlungsbedarf bestand.
Im Auftrag der PUK hat gw&p financial services advisory AG analysiert, inwiefern die Regelung in der Schweiz den internationalen Standards und Gepflogenheiten entspricht. In ihrem Bericht kamen die zwei Experten, Alex Geissbühler und Milan Jovanovic, zum Schluss, dass der regulatorische Rahmen, der die grundsätzlichen Rechte und Pflichten sowie das Betätigungsfeld der RAB absteckt, sich eng an die Standards und Empfehlungen resp. Best Practises der für die Schweiz wesentlichen internationalen Institutionen anlehnt. ⁴58 Nur teilweise erfüllt ist der Grundsatz 14 des
International Forum of Independent Audit Regulators
(IFIAR), der besagt, dass die Regulierungsbehörden für die Abschlussprüfung befugt sein sollten, der Öffentlichkeit Disziplinarmassnahmen oder Sanktionen mitzuteilen, da die Kommunikation in der Schweiz hauptsächlich über Geschäftsberichte erfolgt und dabei die betroffenen Unternehmen oder Personen nicht namentlich genannt werden. ⁴59
Offen bleibt auch nach wie vor die Umsetzung einer IWF-Empfehlung zur Direktmandatierung, die im Juni 2019 ausgesprochen wurde. Empfehlung Nummer 6 lautete: «Ensure that FINMA - rather than banks - contracts and pays directly for supervisory audits». 46⁰ Diese Empfehlung, wonach die Revisionsgesellschaften, die aufsichtsrechtliche Audits durchführen, direkt von der FINMA (und nicht von den Banken) beauftragt und entlöhnt werden sollen, wurde von der IWF als Empfehlung mit hoher Priorität und einem mittleren Umsetzungshorizont von drei bis fünf Jahren eingestuft.
Auch innenpolitisch war diese Regelung ein Thema. Bereits am 6. Mai 2015 hatte Nationalrat Corrado Pardini (SP Bern) in einer Motion auf den für die Revisionsgesellschaften bestehenden Interessenkonflikt zwischen gesetzlichem Auftrag und effektiver Auftraggeberin hingewiesen. Er forderte deshalb, dass die FINMA die Revisionsgesellschaften jeweils direkt beauftragt und den Inhalt der Revision vorgibt. 46¹ Der Bundesrat antwortete damals unter anderem, dass der Interessenkonflikt mit der Bündelung der Aufsicht in die RAB entschärft worden sei und dass die FINMA neu die Kompetenz habe, in begründeten Fällen den Wechsel der Revisionsgesellschaft zu verlangen. Der Bundesrat ging aber nicht auf eine Kernaussage der Motion ein, wonach ein möglicher Interessenkonflikt zwischen dem gesetzlichen Auftrag (und nicht der Beaufsichtigung) und der effektiven Auftragserteilung bestehe. Zudem kündigte der Bundesrat in seiner Antwort an, dass die FINMA nach Abschluss der damaligen aufsichtsrechtlichen Berichtsperiode im Jahr 2016 allenfalls Handlungsoptionen vorschlagen werde, wozu auch die Direktmandatierung und Kostenauferlegung durch die FINMA gehören könne. 46²
Vorschlag zur Reform der Revisionsaufsicht
Im Januar 2016 lancierte die FINMA ein Projekt zur Optimierung der Aufsicht über die Revisionsgesellschaften und identifizierte einen grossen Bedarf zur Verbesserung der Aufsicht über die Finanzinstitute. In ihrer Analyse nannte sie verschiedene Schwachstellen des Systems, wie die mangelnde Unabhängigkeit der Prüfgesellschaften und die ungenügende Qualität der Prüfberichte. Das Hauptproblem lag gemäss der Analyse darin, dass die Unabhängigkeit der Revisionsgesellschaften durch die Kumulierung von Aufsichts-, Buchprüfungs- und Beratungsmandaten beim gleichen beaufsichtigten Unternehmen beeinträchtigt werde. Diese Kumulierung führe zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, die die Objektivität der Aufsicht beeinträchtigen könne. Darüber hinaus stellte die FINMA auch ein Reputationsrisiko fest und kritisierte die Kostenwirksamkeit. Den Prüfberichten mangle es oft an kritischer Strenge und Differenziertheit, was eine umfassende und proaktive Risikoerkennung behindere. 46³
Um diesen Missstand zu beheben, prüfte die FINMA ein Massnahmenpaket zur Stärkung der Unabhängigkeit der Prüfgesellschaften. Zentrales Element des Pakets war die direkte Vergabe von Mandaten an Prüfgesellschaften durch die FINMA selbst. Daneben enthielt es weitere Massnahmen zur strikten Trennung von Aufsichts- und Beratungsmandaten oder zur Öffnung des geschlossenen Marktes für Prüfgesellschaften. 46⁴
Die FINMA war sich jedoch bewusst, dass die direkte Mandatsvergabe bei den anderen Interessengruppen im Finanzsektor auf Widerstand stossen würde. Sie konsultierte mehrere Schlüsselgruppen und -vertreter, nämlich Vertreter der grössten Revisionsgesellschaften, Vertreter von Expertsuisse und eine Delegation der SBVg. Die Reaktionen auf die Vorschläge der FINMA waren mehrheitlich kritisch. Grund dafür waren insbesondere Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Marktdynamik und auf die etablierten Beziehungen zwischen den Finanzinstituten und den Revisionsgesellschaften. ⁴65
Obwohl die FINMA ein erhebliches Potenzial zur Verbesserung des Aufsichtssystems identifizierte, nahm sie zur Kenntnis, dass die politische Unterstützung für die vorgeschlagenen Massnahmen fehlte. Der Vorschlag einer direkten Mandatsvergabe durch die FINMA wurde daher fallengelassen. Die FINMA ergriff jedoch eine Reihe anderer Massnahmen zur Stärkung des Kontrollsystems, wie die Anpassung der Basisprüfung oder die Einbeziehung der Berufsverbände. Zudem wurden die im Gesetz festgehaltenen beruflichen Anforderungen an leitende Prüfer gelockert, um die Auswahl an Experten zu erweitern. ⁴66
Die FINMA revidierte ihr Rundschreiben letztmals im Jahr 2019 (Anhörung 2017, Inkrafttreten 2019). ⁴67 Im revidierten Rundschreiben fanden die 2016 geprüften Vorschläge keinen Eingang. Auch im Bericht zur Ex-post-Evaluation des revidierten Rundschreibens wurde weder die Direktmandatierung noch die fehlende Rotation thematisiert. ⁴68
⁴57 Brief vom GS-EJPD an die PUK vom 22.2.2024
⁴58 Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 9
⁴59 Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 40
46⁰ FSAP Country Report 19/184 Switzerland, Technical Note - Selected Issues on Banking Supervision vom Juni 2019
46¹ Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 34
46² Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 35
46³ FINMA (2016): Qualitätsverbesserung im Prüfwesen - Bestandsaufnahme und Analyse, 23. Februar 2016, S. 4.
46⁴ FINMA (2016): Qualitätsverbesserung im Prüfwesen - Bestandsaufnahme und Analyse, 23. Februar 2016, S. 4.
⁴65 FINMA (2016): Strategische Stossrichtung für das aufsichtsrechtliche Prüfwesen, 2.11.2016, S. 3.
⁴66 FINMA (2017): Projektantrag: Zukunft des Prüfwesens, 20. Januar 2017, S. 4.
⁴67 Siehe https://www.finma.ch/de/news/2017/11/20171130-mm-pruefwesen/ (Stand: 28.3.2024).
⁴68 Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 35
5.3 Mikroprudenzielle Aufsicht der FINMA über die CS
Das vorliegende Kapitel ist den Aufsichtsmassnahmen gewidmet, die die FINMA in der Phase vor der Krise (konkret zwischen 2015 und Sommer 2022) mit Bezug auf die CS ergriff.
In Kapitel 5.3.1 werden die Hauptwirkungsfelder der FINMA dargestellt. Für die CS als systemrelevante Bank galten besondere aufsichtsrechtliche Anforderungen. Diese Anforderungen betrafen insbesondere die Eigenmittel und die Liquidität, die Entwicklung von Notfall-, Stabilisierungs- und Abwicklungsplänen und das Risikomanagement und die Compliance der Bank. Als Hauptwirkungsfelder der FINMA werden nachfolgend die Einwirkung auf die Führung, die Strategie und die Kultur der CS (Kap. 5.3.1.1), die Einwirkung auf das Risikomanagement, das interne Kontrollsystem, die Corporate Governance und die Compliance (Kap. 5.3.1.2), die Einwirkung auf die Eigenmittel- und Liquiditätssituation (Kap. 5.3.1.3) und die Entwicklung der Stabilisierungs-, Notfall- und Abwicklungspläne (Kap. 5.3.1.4) erläutert. Die Zusammenarbeit der FINMA mit den ausländischen Behörden wird ebenfalls untersucht (Kap. 5.3.1.5).
In einem zweiten Teil werden die Enforcementverfahren der FINMA im Zeitraum von 2015 bis Sommer 2022 präsentiert (Kap. 5.3.2). Schliesslich wird in Kap. 5.3.3 der sogenannte regulatorische Filter präsentiert.
5.3.1 Generelle Aufsicht - die Hauptwirkungsfelder der FINMA auf die CS
5.3.1.1 Einwirkung auf Organe, Strategie und Kultur der CS
Nachfolgend werden die Massnahmen, mit welchen die FINMA zwischen 2015 und 2022 indirekt auf die Strategie, die Kultur und die Mitglieder der Organe der CS eingewirkt hat, chronologisch erläutert. Die Ausführungen beziehen sich auf die Besetzung des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung der CS, deren Vergütungen, auf die Ertragskraft und die strategische Ausrichtung der Bank, auf die Unternehmenskultur sowie auf die Kommunikation der CS mit der FINMA.
Zur Kontextualisierung der jeweiligen Beurteilungen der FINMA werden die Entwicklung der Organisation der Bank sowie Entwicklungen auf dem Markt, soweit angezeigt, mitberücksichtigt (siehe hierzu auch Kap. 5.1). ⁴69
Anschliessend wird auf die Enforcementverfahren gegen die CS Bezug genommen, da sich solche Verfahren auch auf die Leitung einer Bank auswirken können. Eine detaillierte Darstellung der Enforcementverfahren folgt in Kap. 5.3.2 unten.
Vorbemerkungen zu den gesetzlichen Kompetenzen der FINMA
Die FINMA hat im Rahmen der laufenden Aufsicht von Gesetzes wegen keine Kompetenz, direkt auf die Strategie einer von ihr beaufsichtigten Bank einzuwirken oder diese zu bewilligen. Sie kann zwar im Gespräch mit der beaufsichtigten Bank Fragen stellen, Empfehlungen abgeben oder auf freiwilliger Basis die Behebung von Mängeln unter Angabe einer Frist anregen. Doch über diese indirekte Einflussnahme auf die strategische Ausrichtung hinaus kann sie nicht unmittelbar oder direkt in die Entscheidbefugnisse des Oberleitungsorgans eingreifen. 47⁰ Die Festlegung der Strategie obliegt dem Oberleitungsorgan der Bank. 47¹ Die FINMA kann gestützt auf Artikel 25 in Verbindung mit Artikel 26 BankG nur bei einer Insolvenzgefahr Mitglieder der Organe einer Bank direkt ein- oder absetzen. 47² Sie kann jedoch über die Gewährsprüfung 47³ , das Berufsverbot und das Tätigkeitsverbot bewirken, dass eine Person aus dem Organ einer Bank ausscheiden muss. Sie kann auch nach Abschluss eines Enforcementverfahrens zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes anordnen, dass ein Organ um Personen mit spezifischen Kompetenzen erweitert wird. 47⁴
Die nachfolgenden Ausführungen gründen vorwiegend auf den jährlichen Assessment-Briefen der FINMA. In den Assessment-Briefen fasst die FINMA ihre Einschätzungen zu einem beaufsichtigten Institut, zu den von ihr identifizierten Handlungsfeldern, zur Erfüllung ihrer Erwartungen seit dem letzten Assessment-Brief sowie zu weiteren Anforderungen unter Angabe einer Frist zusammen. Die Assessment-Briefe werden jeweils im Frühjahr zugestellt und beziehen sich auf das Vorjahr. Sie sind nach dem Jahr benannt, auf das sie sich beziehen, auch wenn sie erst im Frühjahr des Folgejahres verfasst und zugestellt werden. Nachfolgend werden die Assessment-Briefe 2014-2021 behandelt. ⁴75
Einwirkung der FINMA auf die Organe, die Strategie und die Kultur der CS
In ihrem Assessment-Brief für das Jahr 2014 thematisierte die FINMA unter anderem die Verteilung der risikogewichteten Aktiven zwischen den Geschäftsbereichen Investment Banking einerseits und Private Banking & Wealth Management andererseits. Die FINMA forderte die CS auf, ihr aktualisierte Geschäftspläne für diese Geschäftsbereiche zu unterbreiten. Auch die bevorstehende Gründung und Bewilligung der neuen Schweizer Einheit, der Credit Suisse (Schweiz) AG, wurde thematisiert. Mit Bezug auf die Vergütungen zugunsten der Mitarbeitenden der CS wies die FINMA die Bank darauf hin, dass Fehlverhalten der Mitarbeitenden nicht toleriert werden dürfe und die Auswirkungen auf die Leistungsbewertung sowie Vergütung erheblich sein müssten. Insgesamt bewertete die FINMA den Austausch mit der CS als professionell und konstruktiv. Dennoch forderte sie die CS auf, proaktiver und regelmässiger Informationen zu wichtigen Entwicklungen mit ihr zu teilen. ⁴76
Im März 2015 löste Tidjane Thiam Brady Dougan als CEO der CS ab (siehe Kap. 5.1.2). Tidjane Thiam strebte eine neue Strategie an, welche unter anderem auf die Reduktion und Neuausrichtung der Investmentbank setzte. Die neue Strategie machte eine Restrukturierung der CS nötig. Diese wurde am 21. Oktober 2015 verkündet. ⁴77
Im Assessment-Brief 2015 kündigte die FINMA an, sie werde ihre Kontakte mit dem Verwaltungsrat der CS intensivieren, da dieser eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der neuen Strategie und der Förderung der richtigen Unternehmenskultur spiele. Auch die zahlreichen personellen Wechsel in der Geschäftsleitung und auf Kaderebene beschäftigten die FINMA: Sie befürchtete, dass das Ausscheiden einer beträchtlichen Anzahl von Geschäftsleitungsmitgliedern und leitenden Angestellten zu einem Verlust an Know-how innerhalb der Organisation führen könnte. Daher und angesichts des hohen Drucks durch laufende Grossprojekte und neue Wachstumsziele identifizierte die FINMA erhebliche operative Risiken. Die FINMA erwartete deshalb, dass die Führungskräfte der CS ihre jeweiligen Verantwortungsbereiche proaktiv überwachen und den Fokus auf die Einhaltung von aufsichtsrechtlichen Vorschriften sowie effizienten Kontrollfunktionen setzen, um die Widerstandsfähigkeit der Bank und der Gruppe zu stärken. ⁴78
Die FINMA begrüsste in ihrem Assessment-Brief 2016 das kürzlich lancierte «Conduct & Ethics»-Programm, das sechs Verhaltens- und Ethikstandards für die CS-Gruppe festlegte. Sie merkte jedoch an, dass die Initiativen der obersten Führungsebene noch nicht in ausreichendem Masse auf das mittlere Management übergegangen seien, insbesondere im Front Office. Die FINMA beurteilte zudem den aktualisierten Geschäftsplan positiv, den die CS am 7. Dezember 2016 veröffentlich hatte. ⁴79
Im Assessment-Brief 2017 hielt die FINMA fest, dass die Organisation der CS aufgrund einer schwachen Compliance Lücken aufweise. Dies habe dazu beigetragen, dass Mitarbeitende und Führungskräfte entweder an unangemessenen Geschäftspraktiken beteiligt gewesen seien oder solche Praktiken gefördert oder nicht gemeldet hätten. Der Tonfall der Vorgesetzten sei nicht glaubwürdig genug gewesen, um angemessenes Verhalten (« appropriate Behaviour ») bei der CS zu fördern. Die FINMA nahm überdies die Entscheidung der CS zur Kenntnis, vom geplanten Börsengang der Credit Suisse (Schweiz) AG abzusehen. 48⁰
Die FINMA anerkannte im Assessment-Brief 2018 , dass die CS im Vergleich zur vorjährigen Beurteilung Fortschritte erzielt hatte. Sie forderte dennoch einen Nachweis, dass die Strukturen und Governance-Regelungen der CS robust und effizient sind und die wirksame Beaufsichtigung sowie Abwicklung der Gruppe erleichtern. Der Umgang mit den Aufsichtsbehörden verlaufe insgesamt konstruktiv und professionell. Das Engagement der oberen Führungsebene der Bank habe sich zudem verbessert. 48¹ Dennoch habe es die CS in einigen Fällen versäumt, die FINMA rechtzeitig, vollständig und mit der nötigen Qualität über wichtige Entwicklungen zu informieren. Die FINMA verlangte, dass die CS die Kommunikation diesbezüglich verbessert.
Im Jahr 2019 schloss die FINMA ihr Enforcementverfahren im Fall US-Crossborder ab (siehe Kap. 5.3.2). Sie stellte eine Verletzung des Organisations- und Gewährserfordernisses im grenzüberschreitenden US-Kundengeschäft fest. 48² Im Assessment-Brief 2019 betonte die FINMA, dass die Interaktion mit den Aufsichtsbehörden verbessert werden muss. Sie stellte fest, dass die Geschäftsleitung die Organisation weitgehend dezentralisiert hatte, weshalb einzelnen Geschäftsabteilungen beachtliche Entscheidungsbefugnisse zukamen. Die FINMA forderte in diesem Zusammenhang, dass die CS die zentralisierte Überwachung und Berichterstattung stärkt. 48³
Die Kritik der FINMA verschärfte sich im Assessment-Brief 2020 . Die FINMA teilte ihr jährliches Assessment in zwei Schreiben auf.
Im ersten Brief hielt die FINMA gegenüber dem antretenden Verwaltungsratspräsidenten fest, dass es seit ihrem Bestehen bei keinem anderen grossen Finanzinstitut gleichzeitig so viele Probleme gab, die ein Enforcementverfahren und dringende aufsichtsrechtliche Massnahmen erforderten. Von allen grossen Finanzinstituten in der Schweiz weise die CS in aufsichtsrechtlicher Hinsicht bei Weitem die schlechteste Bilanz auf. Der gemeinsame Nenner bei den festgestellten Mängeln sei die Unternehmenskultur der CS. 48⁴
In ihrem zweiten Assessment-Brief begrüsste die FINMA die infolge des ersten Briefes ergriffenen Massnahmen, mit denen ihre dringendsten Aufforderungen an die Risikokultur und das Veränderungsmanagement der CS aufgenommen wurden. Sie verlangte, dass die Bank den Fokus auf Änderungen des Vergütungsrahmens sowie auf die Ermutigung der Mitarbeitenden setzt, Probleme proaktiver anzusprechen und zu eskalieren. Sie schrieb auch, dass die CS 2020 insgesamt respektable Finanzergebnisse erzielt und die operative Stabilität trotz der Covid-19-Pandemie sichergestellt habe. Diese positiven Entwicklungen seien aber nicht nur durch mehrere öffentlichkeitswirksame Vorfälle mit erheblichen finanziellen und reputationsmässigen Auswirkungen überschattet worden, sondern auch durch die mangelnden Fortschritte bei vielen Themen, die die FINMA in den letzten Jahren wiederholt angesprochen habe. ⁴85
Aufgrund der zahlreichen Schwächen in der Kontrollumgebung, der anhaltenden Probleme in der Governance, der Zunahme von Vorfällen mit Abklärungsbedarf und der Häufung von Enforcement-Fällen hob die FINMA die CS im Jahr 2020 im FINMA-Rating von der zweithöchsten - auf der die CS seit je war - auf die höchste von vier Stufen («intensive und permanente Überwachung») an. Dies hatte eine weitere Intensivierung der Aufsicht und des Einsatzes von anderen Aufsichtsinstrumenten zur Folge. ⁴86
Im Mai 2022 verfasste die FINMA den Assessment-Brief 2021 . Darin thematisierte sie die vertiefte Risikoanalyse, die die CS seit dem letzten Assessment-Brief vorgenommen hatte. Sie sprach auch die Neubesetzung der Funktion des Verwaltungsratspräsidenten und die damit verbundene Lücke bei den Kontrollfunktionen der CS an. Sie hob hervor, dass innert eines Jahres die Hälfte der Geschäftsleitung ausgewechselt wurde. Diese Wechsel deuteten gemäss FINMA darauf hin, dass sich die CS auf der Ebene der Risikokultur der Bank in die richtige Richtung entwickelt hatte. Die Wechsel müssten aber von einer klaren Haltung des Managements der CS begleitet werden.
Die FINMA kritisierte zudem, dass die Umsetzung der Strategie, die Entwicklungen im makroökonomischen Umfeld, bedeutende Rechtsfälle und die angeschlagene Reputation der CS deren Ertragskraft bedeutend reduziert hatten. Das Geschäftsergebnis im ersten Quartal 2022 zeige beunruhigend schwache Ergebnisse in den Kerngeschäften. Schliesslich sei auch die Kontrollumgebung der CS nach wie vor schwach. Dennoch schätzte die FINMA weiterhin den konstruktiven und professionellen Austausch mit dem Verwaltungsrat, dem Senior Management und der Aufsichtsabteilung der CS. ⁴87
Ab Juli 2022 begleitete die FINMA den Strategiewechsel der CS (siehe Kap. 6.2.1). ⁴88
⁴69 Für eine umfassendere Darstellung der Entwicklungen der Bank wird auf den Bericht «Lessons Learned» der FINMA vom 19. Dezember 2023 sowie auf den Bericht des Bundesrates vom 10. April 2024 zur Bankenstabilität einschliesslich Evaluation gemäss Artikel 52 des Bankengesetzes ( BBl 2024 1023 ) verwiesen.
47⁰ Die vorangehenden Informationen stützen sich auf eine Quelle bzw. Quellen, die der PUK vorliegen, aber nicht konkret genannt werden, weil überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
47¹ FINMA (2016): Rundschreiben 2017/1 Corporate Governance - Banken, Rz. 9 ff.
47² Art. 3 Abs. 2 BankG
47³ Namentlich die mit der Verwaltung und Geschäftsführung einer Bank beauftragten Personen sowie die qualifiziert daran beteiligten Personen müssen einen guten Ruf geniessen und dauernd «Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit» bieten.
47⁴ Dies hat sie namentlich bei der CS 2018 nach Abschluss des Enforcementverfahrens «Petrobras/FIFA/PDVSA» angeordnet (siehe Kap. 5.3.2).
⁴75 Neben den Assessment-Briefen verfügt die FINMA über weitere Aufsichtsinstrumente (einschliesslich der Vor-Ort-Kontrollen, dem Einsatz von Prüfbeauftragten und dem aufsichtsrechtlichen Dialog; siehe Kap. 3.2). Die FINMA führte pro Jahr rund 20 Vor-Ort-Kontrollen bei der CS durch. Dabei stellte sie einen hohen Korrekturbedarf aufseiten der CS fest. Beinahe die Hälfte der kritischen Feststellungen verband die FINMA mit dem Risiko «hoch» oder «kritisch». Ferner führte die FINMA im Einklang mit ihren internen Richtlinien grundsätzlich jährliche Aufsichtsgespräche mit dem Verwaltungsrat und den Vorsitzenden des Risiko- und Prüfausschusses durch, traf den Verwaltungsratspräsidenten der CS halbjährlich und führte vierteljährliche Aufsichtsgespräche mit dem CEO. Ab 2021 fanden monatliche Aufsichtsgespräche mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS statt, ab Mitte August 2022 wöchentlich (FINMA, Erläuterungen zur erweiterten Chronologie, S. 1 f.). Die Ergebnisse aus der Anwendung dieser Aufsichtsinstrumente fliessen in die jährliche Beurteilung in den Assessment-Briefen mit ein, weshalb sie nachfolgend nicht gesondert aufgeführt sind.
⁴76 Assessment-Brief 2014 der FINMA an die CS vom 3.2.2015, S. 1 f.
⁴77 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 26.
⁴78 Assessment-Brief 2015 der FINMA an die CS vom 28.1.2016, S. 1
⁴79 Assessment-Brief 2016 der FINMA an die CS vom 2.2.2017, S. 11
48⁰ FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 31; FINMA: FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 9; Assessment-Brief 2017 der FINMA an die CS vom 5.2.2018, S. 10.
48¹ Assessment-Brief 2018 der FINMA an die CS vom 24.4.2019, S. 2
48² FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 13.
48³ Assessment-Brief 2019 der FINMA an die CS vom 24.4.2020, S. 2 f.
48⁴ Assessment-Brief 2020 der FINMA an die CS vom 1.5.2021, S. 2 f.
⁴85 Assessment-Brief 2020 der FINMA an die CS vom 23.8.2020, S. 1 f.
⁴86 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 33. Die FINMA wendet die nachfolgende Beurteilungsskala an: «Subject to standard supervisory procedures» (Standardüberwachung), «subject to increased supervisory procedures» (erhöhte Überwachung), «subject to intensive supervisory procedures» (intensive Überwachung), «subject to intensive and continuous supervisory procedures» (intensive und permanente Überwachung).
⁴87 Assessment-Brief 2021 der FINMA an die CS vom 23.5.2022, S. 2
⁴88 FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 20.
5.3.1.2 Einwirkung auf das Risikomanagement, die Corporate Governance, das interne Kontrollsystem und die Compliance
Nachfolgend werden die Massnahmen der FINMA zum Risikomanagement, zur Corporate Governance, zum internen Kontrollsystem und zur Compliance der CS zwischen 2015 und Sommer 2022 dargestellt. ⁴89 Aufgrund der Tatsache, dass die Enforcementverfahren der FINMA gegen die CS vielfach Fragen zum Risikomanagement und zur Compliance der Bank aufwarfen, ist ergänzend auf Kapitel 5.3.2 zu verweisen.
Vorbemerkungen: Definitionen und Rundschreiben der FINMA 2017/1
Im Einklang mit der Praxis der FINMA war der Verwaltungsrat der CS als Oberleitungsorgan zuständig für die Geschäftsstrategie und die Risikopolitik, die angemessene Organisation der CS, die finanzielle Lage und Entwicklung, die angemessene Ausstattung mit personellen und weiteren Ressourcen (z. B. Infrastruktur, IT), die Personal- und Vergütungspolitik, die Überwachung und Kontrolle sowie die wesentlichen Änderungen der Struktur der CS.
Die CS musste gemäss dem Rundschreiben 2017/1 der FINMA auf Ebene des Verwaltungsrats verschiedene Ausschüsse einzusetzen: einen Prüf- und Risikoausschuss sowie einen Vergütungs- und Nominationsausschuss . Die Ausschüsse sollten für eine angemessene Berichterstattung an das gesamte Oberleitungsorgan sorgen. 49⁰ Die Geschäftsleitung der CS war gemäss der Aufsichtspraxis der FINMA für die operative Geschäftstätigkeit zuständig. Diese musste im Einklang mit der Geschäftsstrategie sowie den Vorgaben und Beschlüssen des Oberleitungsorgans stehen. 49¹
Das interne Kontrollsystem musste aus mindestens zwei Kontrollinstanzen bestehen: den ertragsorientierten Geschäftseinheiten und den von ihnen unabhängigen Kontrollinstanzen. Die unabhängigen Kontrollinstanzen mussten die Risiken sowie die Einhaltung gesetzlicher, regulatorischer und interner Vorschriften überwachen. 49²
Einwirkung auf das Risikomanagement, das interne Kontrollsystem, die Corporate Governance und die Compliance
Im Assessment-Brief 2014 thematisierte die FINMA den US-Steuervergleich und das Schuldeingeständnis im Jahr 2014 und äusserte Bedenken, unter anderem mit Bezug auf Verhaltens- und Compliance-Risiken. 49³
2015 mandatierte die FINMA KPMG, um Prüfungen im Bereich des Risikomanagements der CS und spezifisch zu Cyberrisiken und zum Kundendatenschutz durchzuführen. Insgesamt stellte die FINMA systemische Mängel im Risikomanagement der CS fest. 49⁴ Im Frühjahr 2016 rügte die FINMA erneut, dass die Compliancerisiken schlichtweg zu hoch seien und der Ertragskraft und dem Ruf der CS schaden könnten. Die FINMA drohte an, die Einschränkung gewisser Geschäftstätigkeiten und/oder Eigenmittelzuschläge in Betracht zu ziehen, sollte die Bank im Laufe des Jahres 2016 keine klaren Fortschritte bei der Geldwäschereibekämpfung erzielen. Sie betonte weiter, dass das Risikomanagement der CS mit ihren strategischen Zielen vereinbar sein müsse. Schlüsselrisiken müssten identifiziert werden, und Rechts- und Reputationsrisiken mit Bezug auf die internationale Klientel der CS müssten weiterhin eng beobachtet werden. Die FINMA stellte in Aussicht, weitere Massnahmen zu ergreifen, sollte ein wesentlicher Fortschritt in Richtung der Anforderungen des Standards 239 des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (nachfolgend: BCBS-239-Standard) zur Verwaltung und Berichterstattung über Risikodaten ausbleiben (siehe Kap. 4.1.1). ⁴95
Im Rahmen ihres Assessments von 2016 schätzte die FINMA die Risiken mit Bezug auf die Bekämpfung der Geldwäscherei als hoch ein. Diesen Umstand bezeichnete sie als inakzeptabel für eine Bank wie die CS. Das Dispositiv zur Bekämpfung der Geldwäscherei sei insbesondere unter Berücksichtigung der Vermögensverwaltungsaktivität der CS in Schwellenländern zu schwach. Im selben Assessment-Brief bemängelte die FINMA zudem die Corporate Governance und das interne Kontrollsystem der Credit Suisse AG (des Stammhauses), welche vermehrt Geschäfte ausübe, die nicht zu ihren Hauptaktivitäten gehörten. Dies hänge mit der Neuorganisation der CS-Gruppe zusammen. Das für das Risikomanagement zuständige Geschäftsleitungsmitglied der CS, der Chief Risk Officer, sei überdies nicht in der Lage gewesen, die Neuorganisation der Gruppe angemessen zu verfolgen. Dies gehe unter anderem aus den Aufsichtsprüfungen von KPMG hervor, die verschiedene Schwachstellen identifiziert hätten. Ferner müsse die CS die Berichtslinien klarer definieren. ⁴96
Die fristgerechte Umsetzung des BCBS-239-Standards wurde im Assessment 2016 ebenfalls thematisiert. Die FINMA hielt fest, keinerlei Verzögerungen bei der Umsetzung des Standards zu tolerieren und forderte den Chief Risk Officer der CS auf, diese zu priorisieren. Insbesondere sei die Berichterstattung über Kreditrisiken (einschliesslich der Single Client View, siehe hierzu auch Kap. 5.3.2) und Liquiditätsrisiken bis Ende 2017 sicherzustellen. ⁴97
Nach Einschätzung der FINMA verbesserte die CS die Wirksamkeit ihrer Risiko- und Compliance-Funktionen im Jahr 2017 . Die FINMA ermutigte die CS, den Schwerpunkt weiterhin auf die Beseitigung von Verhaltensweisen oder Geschäftspraktiken zu setzen, die illegal sind oder den erklärten Werten, Richtlinien und internen Prozessen der Bank zuwiderlaufen. In diesem Zusammenhang müsse die CS noch die konzernweite Wirksamkeit der ergriffenen Massnahmen in der Praxis nachweisen. ⁴98 Trotzdem stufte die FINMA das mit dem Geldwäschereidispositiv verbundene Risiko der CS weiterhin als hoch ein. Die FINMA kritisierte ferner, dass die CS den BCBS-239-Standard immer noch nicht umgesetzt hatte. Dies lag nach Einschätzung der FINMA vor allem an der fragmentierten Infrastruktur der CS, die oftmals eine manuelle Korrektur und komplexe Abstimmungsarbeiten erforderlich machte. Sowohl die internen als auch die externen Prüfungen hätten ergeben, dass die CS ihr Datenmanagement verbessern müsse. ⁴99 Die FINMA forderte in der Folge vierteljährlich Status-Updates über die Umsetzung des BCBS-239-Standards. Diese Updates müssten vom CEO der Gruppe unterzeichnet und von der Revisionsstelle, KPMG, bestätigt werden. Sollte die Umsetzung weitere Verzögerungen erfahren, müsse die CS diese begründen und Massnahmen zu deren Beseitigung ergreifen. 50⁰
Die FINMA beanstandete zudem den gemäss ihrer eigenen Einschätzung sowie derjenigen verschiedener ausländischer Aufsichtsbehörden bestehenden Mangel an ausdrücklicher und direkter Aufsicht über Tochtergesellschaften und Vertretungen.
2018 ergriff die CS Massnahmen zur Umsetzung des BCBS-239-Standards. Die FINMA stellte in Aussicht, die Vollständigkeit der Umsetzung des Standards im zweiten Semester 2019 auf der Grundlage des Berichtes eines unabhängigen Dritten zu prüfen und Eigenmittelzuschläge aufzuerlegen, sollte sich die Umsetzung als ungenügend erweisen. Die CS führte zudem einen konzernweiten Kontrollrahmen für operative Risiken ein. Die FINMA forderte die CS auf darzulegen, dass dieser Kontrollrahmen eine robuste Kontrolle ermöglicht. Im Zusammenhang mit der nahenden Einstellung des Libor ordnete die FINMA an, dass die CS eine Risikoeinschätzung einreichen muss. Die FINMA nahm auch auf die vielzähligen Enforcementverfahren Bezug, die sie 2018 abschloss. Sie bemängelte, dass mehrere Vorfälle, Prüfungsergebnisse und Rückmeldungen von Aufsichtsbehörden darauf hindeuteten, dass die CS frühere Mängel nicht durchwegs behoben hatte. Deshalb wies sie die Bank an, ein konzernweites System zu entwickeln, um wesentliche Audit- und Regulierungsfeststellungen zu analysieren. Fortan mussten der Chief Compliance Officer und der Chief Risk Officer der FINMA zweimal jährlich über die Umsetzung dieses Rahmens Bericht erstatten. 5⁰1
Die CS setzte die Forderungen der FINMA 2019 grösstenteils zu deren Zufriedenheit um. Insbesondere verbesserte die CS nach Einschätzung der FINMA die Prävention von Geldwäscherei laufend, indem sie angepasste Standards und Compliance-Massnahmen anwendete. Zudem optimierte die CS ihre Vermögensverwaltungsaktivität südlich der Sahara und in anderen Märkten mit höheren Geldwäschereirisiken. In ihrem Assessment-Brief 2019 forderte die FINMA weiter, dass die CS die Kontrollen gegenüber kleineren Gruppengesellschaften intensiviert. Auch beim Austausch mit den Aufsichtsbehörden ortete sie Verbesserungsbedarf. Des Weiteren nahm sie zur Kenntnis, dass die CS gemäss einer unabhängigen Prüfung den BCBS-239-Standard weitgehend umgesetzt hatte. Schliesslich bestand die FINMA weiterhin auf einer halbjährlichen Berichterstattung durch den Chief Compliance Officer und den Chief Risk Officer der CS. 5⁰2
In den beiden Assessment-Briefen 2020 (siehe Kap. 5.3.1.1) übte die FINMA unter anderem auch scharfe Kritik am Risikomanagement der CS. Die FINMA wies die Bank an, ihren Risikoappetit einer rigorosen und fundamentalen Prüfung zu unterziehen. Sie zweifelte daran, ob die CS überhaupt die Eigenmittel habe, um Geschäfte in der Grössenordnung und mit dem Risikoprofil zu führen, wie sie es bisher tat. Gemäss FINMA war es unerlässlich, dass die Bank ihre Risikokultur verbessert, das Unternehmen für seine Entscheidungen rechenschaftspflichtig gemacht wird und die Kontrollfunktionen wirksamer ausgestaltet werden. Verschiedene Aufsichtsbehörden hatten die FINMA bereits darauf hingewiesen, dass die zunehmende Anzahl von Managern, die für mehrere Bereiche verantwortlich waren, operationelle Risiken erhöhe und möglicherweise Interessenkonflikte verursachen würde. Die FINMA verlangte folglich von der CS, dass sie die unterschiedlichen Senioritäts- und Erfahrungslevels in ihren Risiko- und Compliance-Abteilungen in den vorhergehenden drei Jahren analysiert.
Im Assessment-Brief 2021 begrüsste die FINMA, dass die CS eine tiefgründige Risikoanalyse durchgeführt und ihren Risikoappetit geprüft hatte. Dies seien grundsätzlich Schritte in die richtige Richtung. Dennoch müsse die CS die begonnenen Bemühungen weiterführen, um die gesetzten Ziele zu erreichen. 5⁰3
⁴89 Wie in Kap. 5.3.1.1 gründet diese Darstellung vorwiegend auf den Assessment-Briefen der FINMA.
49⁰ FINMA (2016): Rundschreiben 2017/1 Corporate Governance - Banken, Rz. 31 ff.
49¹ FINMA (2016): Rundschreiben 2017/1 Corporate Governance - Banken, Rz. 47.
49² FINMA (2016): Rundschreiben 2017/1 Corporate Governance - Banken, Rz. 60.
49³ Assessment-Brief 2014 der FINMA an die CS vom 3.2.2015, S. 6 und 8
49⁴ Assessment-Brief 2015 der FINMA an die CS vom 28.1.2016, S. 9
⁴95 Der BCBS hat diesen Standard im Auftrag des FSB entwickelt und im Januar 2013 veröffentlicht. Der Standard richtet sich hauptsächlich an global und national systemrelevante Institute. Er ist von diesen direkt umzusetzen. Inhaltlich gliedern sich die Anforderungen in vier Hauptbereiche: Governance, Infrastruktur, Datenaggregation und Risikoberichtswesen. Der Standard stellt global koordinierte, konkrete Anforderungen der Aufsicht an die Architektur der Risiko-IT sowie das Datenmanagement der Institute auf, mit dem Ziel, die Finanzmärkte stabiler und dazu das Risikomanagement professioneller zu machen (Volk, Tobias / Lenhardt, Marco (2015): BCBS 239 - Stand der Umsetzung und Ausblick für kleinere Institute. In: CB 2015, S. 416).
⁴96 Assessment-Brief 2016 der FINMA an die CS vom 2.2.2017, S. 3 f., 6 f.
⁴97 Assessment-Brief 2016 der FINMA an die CS vom 2.2.2017, S. 8 f.
⁴98 Assessment-Brief 2017 der FINMA an die CS vom 5.2.2018, S. 1
⁴99 Assessment-Brief 2017 der FINMA an die CS vom 5.2.2018, S. 1 f.
50⁰ Assessment-Brief 2017 der FINMA an die CS vom 5.2.2018, S. 7
5⁰1 Assessment-Brief 2018 der FINMA an die CS vom 24.4.2019, S. 9
5⁰2 Assessment-Brief 2019 der FINMA an die CS vom 24.4.2020, S. 6
5⁰3 Assessment-Brief 2021 der FINMA an die CS vom 23.5.2022, S. 2
5.3.1.3 Einwirkung auf die Eigenmittel- und Liquiditätssituation der CS
Die Too-big-to-fail-Regulierung sieht, wie in Kap. 5.2.2.1 dargestellt, vor, dass systemrelevante Banken über qualitativ und quantitativ genügende Eigenmittel sowie über hinreichend Liquidität verfügen müssen. Nachfolgend werden die Massnahmen dargestellt, die die FINMA von 2015 bis Sommer 2022 ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die Eigenmittel- und Liquiditätssituation der CS den aufsichtsrechtlichen Anforderungen genügt. 5⁰4
Vorbemerkungen zur Entwicklung des regulatorischen Umfelds
Die regulatorischen Anforderungen an Eigenmittel und Liquidität der CS verschärften sich in der Schweiz zwischen 2015 und 2022 aufgrund der Einführung und Umsetzung der Basel-III-Vorschriften, der Änderung des Rechnungslegungsrechts und der Revision der Eigenmittelverordnung (siehe Kap. 4.2.2 und Kap. 5.2). Auch im Ausland stiegen die Anforderungen an die Tochtergesellschaften der Credit Suisse Gruppe an. Gleichzeitig fanden regulatorische Erleichterungen auf die Credit Suisse AG (das Stammhaus) Anwendung, welche teilweise gesetzlich zwingend vorgesehen waren und teilweise im Rahmen des Ermessensspielraums der FINMA zustande kamen (siehe Kap. 5.3.3).
Die Entwicklung der Märkte in der Schweiz und im Ausland hat die aufsichtsrechtlichen Massnahmen der FINMA gegenüber der CS ebenfalls beeinflusst. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Marktturbulenzen 2020 aufgrund des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie von Bedeutung (siehe Kap. 5.1).
Einwirkung der FINMA auf die Eigenmittel- und Liquiditätssituation
Die FINMA thematisierte die Eigenmittel- und Liquiditätssituation der CS in jedem Assessment-Brief von 2014 bis 2021.
Im Jahr 2015 schätzte die FINMA die Eigenmittelsituation der CS im Jahr 2014 als angespannt ein. Dies sei unter anderem auf die in diesem Jahr erzielte Einigung mit den US-Behörden zurückzuführen, welche vorsah, dass die CS eine Strafe von 2,5 Milliarden US-Dollar leisten muss. Die Eigenmittelvorschriften seien dennoch erfüllt. In der Erwägung, dass sich die Eigenmittelvorschriften unter Basel III weiter verschärfen würden, kündigte die FINMA verschiedene Aufsichtsmassnahmen mit Fokus auf die Kapitalisierung der Gruppe und der Credit Suisse AG (der Parent Bank) an. Die Liquidität bezeichnete die FINMA als « Area of major Concern » (also einen Bereich, der Anlass zu grosser Sorge gibt). Die Prüfgesellschaft KPMG habe in ihrer Liquiditätsprüfung erneut mehrere Beanstandungen gemacht. Zudem sei aufgrund von Fehlern in der Berichterstattung die Korrektur verschiedener Daten vonnöten gewesen. Die FINMA forderte die CS unter anderem auf, die Qualität ihrer Daten sowie die Zuverlässigkeit ihrer Liquiditätsberichterstattung zu verbessern. 5⁰5
2016 stellte die FINMA fest, dass das Stammhaus der CS 2015 seine Eigenmittelziele mit Mühe und nur dank einer Kapitalerhöhung sowie Zuschüssen der Muttergesellschaft erreicht hatte. Hinsichtlich der Liquiditätssituation betonte die FINMA, dass sie trotz der von ihr und anderen Aufsichtsbehörden wiederholt geäusserten Bedenken und ungeachtet der bereits ergriffenen spezifischen Massnahmen im Laufe des Jahres der CS zusätzliche aufsichtsrechtliche Massnahmen auferlegen musste, um enttäuschende nachhaltige Schwächen im Liquiditätsmanagement zu kompensieren. Die FINMA stellte in Aussicht, weiterhin eng mit der Aufsichtsprüfgesellschaft der CS, KPMG, zusammenzuarbeiten. Konkret forderte die FINMA, dass die CS weiterhin die Verbesserung der Eigenmittel- und Liquiditätssituation vorantreibt. Sie werde die Fortschritte vierteljährlich überprüfen. 5⁰6
Die Eigenmittelsituation der CS-Gruppe verbesserte sich im Jahr 2016 gemäss der Einschätzung der FINMA. Weitere Verbesserungen seien durch den geplanten Börsengang der Credit Suisse (Schweiz) AG zu erwarten. Darüber hinaus sei die CS aber bisher nicht in der Lage gewesen, ihre Eigenmittelsituation durch Gewinnrücklagen oder die Eigenmittelquoten durch die Reduzierung gewisser Geschäftseinheiten zu verbessern. Vielmehr sei durch bestehende Rechtsrisiken mit Einbussen bei der Eigenmittelsituation der CS zu rechnen. Die FINMA forderte die CS in diesem Zusammenhang auf, in der Eigenmittelplanung verschiedene negative Szenarien sowie mögliche Reaktionen darauf zu entwickeln. Dabei solle sie insbesondere auch die verschärften Eigenmittelvorschriften und die Basel-III-Vorschriften berücksichtigen. Die FINMA stellte sodann fest, dass sich die Liquiditätssituation der CS verbessert hatte. Namentlich habe die CS die Überwachung ihrer Liquidität und die Berichterstattung verstärkt, sodass sie nunmehr über zuverlässigere und aktuellere Daten zu ihrer Liquidität verfüge. 5⁰7
Im Zusammenhang mit der Eigenmittelsituation thematisierte die FINMA auch die wirtschaftliche Leistung der CS. Sie stellte 2017 fest, dass sich die Kosten der Restrukturierung der CS-Gruppe sowie die Kosten der Auflösung der Strategic Resolution Unit (einer Einheit der CS-Gruppe, in welcher unerwünschte Vermögenswerte gruppiert waren) weiterhin negativ auf die Ertragslage auswirkt. In diesem Zusammenhang kritisierte die FINMA, dass die CS Programme führte, um ihren Aktionärinnen und Aktionären Dividenden ausschütten zu können. Die FINMA forderte die CS auf, die Ausschüttungen an die Aktionärinnen und Aktionäre von einer steten Gewinnerzielung abhängig zu machen. Sie wies darauf hin, dass die CS zu diesem Zweck zutreffende Annahmen über das Umfeld und dessen Auswirkung auf die Gewinnerzielung treffen müsse. Sie erwarte daher, dass die CS sowohl bei der Dividendenpolitik als auch bei den variablen Vergütungen vorsichtig sei und so dazu beitrage, die kommunizierten Kapitalziele zu erreichen.
Im Assessment-Brief 2017 bestätigte die FINMA, dass die CS ihre Erwartungen hinsichtlich der Verbesserung ihrer Eigenmittelsituation sowohl auf der Ebene der Gruppe als auch auf der Ebene der Credit Suisse AG (der Parent Bank) erfüllt hatte. Die Umsetzung der revidierten TBTF-Verfügung der FINMA trage ebenfalls zur Verbesserung der Eigenmittelsituation der CS bei (siehe Kap. 5.3.3). 5⁰8
Dennoch forderte die FINMA die CS auf, ihren Risikoappetit zu reduzieren. Zudem stellte die FINMA fest, dass die Beteiligungen der Credit Suisse AG (also des Stammhauses) an den Tochtergesellschaften fortan ab einer gewissen Schwelle nicht mehr von den Eigenmitteln abgezogen werden, sondern bei der Risikogewichtung berücksichtigt werden müssen. Aus diesem Grund seien die Risiken stärker bei der Credit Suisse AG konzentriert. Die FINMA kündigte an, bei der CS die Risikogewichtung und die Leverage Ratio regelmässig zu überprüfen, und verlangte eine entsprechende Berichterstattung der Bank. Die FINMA verlangte ferner, dass die CS weiterhin ihre Fähigkeit ausbaut, zutreffende und regelmässige Daten zu ihrer Eigenmittelplanung zu generieren. Dies betreffe vor allem die Stresstests. Die FINMA zeigte sich sodann mit den Verbesserungen bei der Verwaltung von Liquiditätsrisiken zufrieden. Sie verlangte jedoch weiterhin Optimierungen in diesem Bereich. 5⁰9
Im darauffolgenden Assessment-Brief 2018 stellte die FINMA fest, dass die CS ihre Erwartungen erfüllt hatte. Sie habe die Resultate der Stresstests, die die FINMA 2017 durchgeführt hatte, in ihre Eigenmittelplanung integriert. Dennoch forderte die FINMA, dass die CS die Zuteilung der Eigenmittel zwischen den verschiedenen Gruppengesellschaften optimiert. Die Credit Suisse AG müsse ihre Eigenmittelsituation unter anderem durch Gewinnrückbehalte und durch Dividendenausschüttungen der Tochtergesellschaften stärken. Die FINMA kritisierte zudem, dass die Bank gemäss ihrer Eigenmittelplanung Dividendenausschüttungen an die Aktionärinnen und Aktionäre mittels Verschuldung der Credit Suisse Group AG finanziert. Hingegen lobte sie die wesentlichen Fortschritte, die die CS bei der Planung, Berichterstattung und Verwaltung ihrer Liquidität erzielt hatte. 51⁰
Im Assessment-Brief 2019 anerkannte die FINMA die Bemühungen der CS, die internen Prozesse zur Sicherstellung der angemessenen Eigenmittelausstattung auszubauen. Was die Liquidität betrifft, so führten die Marktturbulenzen aufgrund der Covid-19-Pandemie zu einem erheblichen Rückgang der Mindestliquiditätsquote (LCR) auf Konzern- und Gesellschaftsebene, was zu vorübergehenden Unterschreitungen der aufsichtsrechtlichen Grenzen in mehreren Gruppengesellschaften führte. Die FINMA forderte von der Geschäftsleitung der CS, dass sie die Finanzierungsstruktur der Gruppe, der Credit Suisse AG und anderer wesentlicher Gruppengesellschaften überprüft und sich mit dem Verwaltungsrat über die Bereitschaft zur Übernahme von bestimmten Risiken bei der Finanzierung austauscht. Die FINMA setzte der CS eine Frist bis zum 31. Dezember 2020, um aus den Marktturbulenzen im Zusammenhang mit der Pandemie Lehren zu ziehen und ihr Liquiditätsmanagement entsprechend anzupassen. 51¹
In den Assessment-Briefen 2020 bemerkte die FINMA, dass die ungenügende Umsetzung der Anweisungen der FINMA unter anderem zu einer massiven Liquiditätskrise im April 2020 geführt habe. Die Sachverhalte, die Gegenstand der noch laufenden Enforcementverfahren gegen die CS seien, würden Liquiditäts- und Solvenzprobleme aufwerfen und auf schwerwiegende Probleme im Bereich der Risikokultur, der Corporate Governance, der Bekämpfung von Geldwäscherei und Betrug sowie der Verwaltung von grenzüberschreitenden Risiken hindeuten. 5¹2
Im zweiten Assessment-Brief 2020 merkte die FINMA an, dass sich die Eigenmittelposition der CS nun verbessert habe, weil verschiedene Behörden aufgrund der mit der Covid-19-Pandemie verbundenen Ungewissheit von der CS einen vorsichtigen Ansatz bei der Kapitalausschüttung gefordert hätten. Der von der FINMA durchgeführte Stresstest hatte dennoch auf erhöhte Verwundbarkeiten in verschiedenen Portfolios hingewiesen, weshalb sie erhöhte Eigenmittelanforderungen an die CS stellte. So wurde ein Kapitalziel von 18,2 anstelle von 14,3 % festgelegt. Dieses Kapitalziel wurde im Jahr 2022 auf 20 % erhöht. Auch hinsichtlich der Liquiditätssituation hatte der erste Assessment-Brief 2020 laut FINMA Wirkung gezeigt. 5¹3 Zudem hatte die FINMA im Zusammenhang mit der Corona-Krise gegenüber der CS hohe zusätzliche Liquiditätspuffer verhängt. Gemäss Aussagen der FINMA waren diese Puffer für den Verlauf der Krise in den Jahren 2022 und 2023 entscheidend. Ohne diese Puffer hätte die CS schon den ersten Bankrun im Oktober 2022 nicht überleben können. 5¹4
Die FINMA stellte im Assessment-Brief 2021 fest, dass die CS ihre Eigenmittel durch die Reduktion der Dividendenausschüttung an ihre Aktionärinnen und Aktionäre, die Reduktion der risikogewichteten Aktiva sowie die Emission neuer Kapitalinstrumente erfolgreich erhöht hatte. Dennoch habe die CS nicht die Eigenmittelschwelle erreicht, die sie ihren Aktionärinnen und Aktionären kommuniziert hatte. Die FINMA ging auf Grundlage der Prognose des Verwaltungsrates der CS davon aus, dass die CS wohl nicht in der Lage ist, diese Schwelle 2022 noch zu erreichen. Wie bereits im vergangenen Jahr führte die FINMA einen Stresstest durch, der erneut verschiedene Schwächen aufzeigte. Sie empfahl der CS, höhere Eigenmittel anzustreben. Sie forderte weiter die Bank auf, Notfallpläne zu entwickeln, um auf weitere unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können, und eine angemessene Kapitalausstattung der Gruppe und aller ihrer Gruppengesellschaften sicherzustellen. Die CS habe betreffend Liquidität die Lehren aus den Marktturbulenzen 2020 gezogen und entsprechende Massnahmen umgesetzt. Die FINMA bemängelte jedoch, dass die CS ihr teilweise verspätet oder falsche Informationen zu ihrer Liquidität übermittelt hatte. Sie forderte sie auf, die Gründe dafür zu ermitteln und entsprechend zu handeln. 5¹5
Sowohl in einem Schreiben vom April 2022 wie auch im Assessment-Brief 2021 thematisierte die FINMA insbesondere die schwache Kapitalisierung und Profitabilität der Parent Bank der CS und verlangte vom Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung Massnahmen zur Stärkung der finanziellen Widerstandsfähigkeit der Bank. Im Assessment-Brief 2021 weitete sie ihre Bedenken auch auf die Gruppe aus und forderte die Bank auf, Massnahmen zu ergreifen, um sich auf unvorhersehbare Ereignisse vorzubereiten und eine angemessene Kapitalisierung der Gruppe und all ihrer Rechtseinheiten sicherzustellen. 5¹6
5⁰4 Auch diese Darstellung beruht vorwiegend auf den Assessment-Briefen der FINMA. Zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung der Credit Suisse in den Jahren vor der Notfusion siehe das von der PUK in Auftrag gegebene Gutachten der Professoren Harald Hau und Jean-Charles Rochet vom 28. Mai 2024.
5⁰5 Assessment-Brief 2014 der FINMA an die CS vom 3.2.2015, S. 3
5⁰6 Assessment-Brief 2015 der FINMA an die CS vom 28.1.2016, S. 5
5⁰7 Assessment-Brief 2016 der FINMA an die CS vom 2.2.2017, S. 5
5⁰8 Assessment-Brief 2017 der FINMA an die CS vom 5.2.2018, S. 5
5⁰9 Assessment-Brief 2017 der FINMA an die CS vom 5.2.2018, S. 5 f.
51⁰ Assessment-Brief 2018 der FINMA an die CS vom 24.4.2019, S. 5 f.
51¹ Assessment-Brief 2019 der FINMA an die CS vom 24.4.2020, S. 5 f.
5¹2 Assessment-Brief 2020 der FINMA an die CS vom 1.5.2021, S. 1 f.
5¹3 Assessment-Brief 2020 der FINMA an die CS vom 23.8.2021
5¹4 Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation, S. 3
5¹5 Assessment-Brief 2021 der FINMA an die CS vom 23.5.2022
5¹6 Schreiben der FINMA an die CS vom 11.4.2022
5.3.1.4 Entwicklung der Stabilisierungs-, Notfall- und Abwicklungspläne der CS
Vorbemerkungen
In Einklang mit international etablierten Standards des FSB für die Abwicklung von Finanzinstituten verfügt auch die Schweiz über Anforderungen in Bezug auf die Stabilisierungs-, Notfall- und Abwicklungsplanung (siehe Kap. 5.2). 5¹7
In der Stabilisierungsplanung (« recovery Plan ») legen die Banken dar, mit welchen Massnahmen sie sich im Krisenfall selber stabilisieren können. Diese Planung obliegt den Banken. Systemrelevante Banken haben der FINMA jährlich eine Stabilisierungsplanung einzureichen. 5¹8 Die FINMA prüft, ob der Plan die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Sie muss ihn genehmigen, wenn dies der Fall ist.
Wie in Kapitel 2.1 erwähnt, müssen die systemrelevanten Banken jährlich 5¹9 den Nachweis erbringen, dass sie ihre systemrelevanten Funktionen (inländisches Einlagen- und Kreditgeschäft sowie Zahlungsverkehr) in der Schweiz im Fall einer drohenden Insolvenz ohne Verzug weiterführen können (Notfallplan). 52⁰ Die FINMA beurteilt die Umsetzbarkeit des Plans anhand der in der Bankenverordnung aufgezählten Kriterien. 52¹
Der von der FINMA zu erstellende Abwicklungsplan (« resolution Plan ») zeigt, wie eine von ihr angeordnete Sanierung oder Liquidation einer systemrelevanten Bank im In- und Ausland durchgeführt werden kann. Die FINMA erstellt die Resolution-Planung auf Basis der ihr von der betreffenden Bank eingereichten Informationen. 52² Die Banken müssen die Voraussetzungen für ihre Abwicklungsfähigkeit schaffen. 5²3 Eine systemrelevante Bank gilt dann als abwickelbar, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, dass sie in einer Krise ohne Gefährdung der Finanzstabilität saniert oder liquidiert werden kann. Für die Verbesserung ihrer Sanierbarkeit und ihrer Abwicklungsfähigkeiten wurden den systemrelevanten Banken bis Ende 2022 im Gegenzug Erleichterungen auf ihre Eigenmittel gewährt (sogenannte Rabatte), die per Anfang 2023 durch ein neues Anreizsystem ersetzt wurden (siehe Kap. 5.2.3.1 und 5.2.6.4). 5²4
Die nachfolgenden Ausführungen betreffen die Entwicklung dieser Pläne hauptsächlich von 2015 bis Sommer 2022. Grundlegende Entwicklungen, die unmittelbar vor oder nach dieser Zeitspanne liegen, wurden ebenfalls aufgenommen.
Stabilisierungsplan («recovery Plan»)
Eine erste Fassung des Stabilisierungsplans der CS lag 2014 vor. 5²5 Per Ende 2019 galt der Stabilisierungsplan der CS als genehmigt. 5²6
2021 wurden die überarbeiteten Fassungen auf ihre Genehmigungsfähigkeit geprüft. Die FINMA genehmigte den revidierten Stabilisierungsplan der CS im Jahr 2022. 5²7 Aufgrund der strukturellen Verlustsituation bei der CS forderte die FINMA die Bank bereits zu Beginn des zweiten Quartals 2022 auf, ausgehend vom Stabilisierungsplan konkrete Massnahmen auszuarbeiten, um auf unvorhersehbare Ereignisse reagieren zu können. Über den Sommer 2022 folgten weitere mündliche und schriftliche Interaktionen sowie die Aufforderung an die Bank, sich auch auf ein adverses Szenario vorzubereiten, sollte die strategische Neuausrichtung vom Markt nicht als glaubwürdig angesehen werden, die Kapitalerhöhung scheitern oder ein weiterer wesentlicher Vorfall eintreten. Erst nach mehrmaliger Aufforderung der FINMA initiierte die CS schliesslich die Vorbereitung und Umsetzung einzelner Massnahmen aus ihrem Stabilisierungsplan (siehe Kap. 6.2.1). 5²8
Notfallplan
Die FINMA prüft jeweils, ob die im Notfallplan beschriebenen Massnahmen nach allgemeiner Erfahrung und aktuellem Wissensstand wirksam sind und ob die Bank diejenigen Massnahmen, die für die ununterbrochene Weiterführung der systemrelevanten Funktionen notwendig sind, vorbereitend umgesetzt hat. Der Notfallplan hat dabei nicht jedes potenzielle Risiko abzudecken, sondern muss sicherstellen, dass die Bank in angemessener Weise auf ein «strenges, aber realistisches Krisenszenario» vorbereitet ist. 5²9 Zu den in der Bankenverordnung verankerten einheitlichen Prüfkriterien für die Beurteilung der Notfallplanung durch die FINMA gehören unter anderem finanzielle, operationelle, rechtliche und personelle Aspekte. 53⁰
Gemäss der Bankenverordnung mussten die Notfallpläne bis Ende 2019 umsetzbar sein. 53¹ Die Vorbereitung für die Fortführung der systemrelevanten Funktionen in der Schweiz musste abgeschlossen und plausibel sein.
Im Zusammenhang mit der Gründung der Credit Suisse (Schweiz) AG, welche die systemrelevanten Funktionen in der Schweiz sicherstellen sollte, reichte die CS 2016 bei der FINMA einen revidierten Notfallplan ein. Nach Ansicht der FINMA genügte dieser jedoch den gesetzlichen Anforderungen nicht. Namentlich konnten mit diesem Plan Dienstleistungen im Bereich der systemrelevanten Funktionen der CS für den Fall einer Abwicklung nicht sichergestellt werden. Die FINMA verlangte, dass die CS ihre Bemühungen diesbezüglich intensivierte. 53²
Im darauffolgenden Jahr anerkannte die FINMA, dass die CS Fortschritte erzielt hatte; sie verlangte jedoch 2017 und erneut 2018 mit Blick auf die Frist bis Ende Dezember 2019, dass die CS ihre Notfallplanung weiter verbessert. 53³
2019 erfüllte die CS weitere Erwartungen der FINMA an ihre Notfallplanung. Diese betrafen namentlich die Stärkung der Dienstleistungsgesellschaft und die Modellierung von möglichen negativen Szenarien. Die CS erreichte 2019 zudem Meilensteine bei der Planung der Finanzierung im Falle einer Abwicklung. 5³4 Am 25. Februar 2020 teilte die FINMA mit, dass sie den Notfallplan der CS per Ende 2019 als umsetzbar erachtete. Trotzdem wies die FINMA die CS darauf hin, dass grundlegende Fortschritte unter anderem im Bereich der Verwaltung von Sicherheiten, der Gewährleistung der operativen Geschäfte im Abwicklungsfall und in der sogenannten Valuation-in-Resolution (siehe Kasten 12 in Kap. 6.3.4.2) notwendig seien. 5³5
2020 und 2021 erzielte die CS weitere Fortschritte in der Notfallplanung, sodass die FINMA den Notfallplan der CS weiterhin als umsetzbar qualifizierte. 5³6 Die FINMA wies die CS darauf hin, negative Signaleffekte, die zu systemischen Marktreaktionen führen könnten, gebührend zu berücksichtigen. 5³7
Abwicklungsplan
Nach der Finanzkrise von 2007/08 wurden im Oktober 2011 unter Federführung des FSB Schlüsselmerkmale für ein effektives Sanierungs- und Abwicklungsregime für Finanzinstitute erstellt und im Oktober 2011 publiziert (« FSB Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institution s»). Darauf basierend entwickelte die FINMA eine Abwicklungsstrategie für global systemrelevante Schweizer Banken. Ziel war es, günstige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Sanierung oder Abwicklung dieser Banken in einer Krise zu schaffen. Dabei sollen die systemrelevanten Funktionen aufrechterhalten werden, und die übrige Bank soll geordnet abgewickelt werden. Negative Auswirkungen für das globale und nationale Finanzsystem sowie die relevanten Volkswirtschaften sollen verhindert werden. 5³8
Die FINMA erklärte 2013, sie würde systemrelevante Banken gemäss dem Single Point of Entry mit Bail-in - Ansatz sanieren (vgl. unten). Konkret würde sie als Heimataufsichts- und Insolvenzbehörde über die Credit-Suisse- und die UBS-Gruppe deren Sanierung zentral leiten. Dabei würde sie auf der Stufe der obersten Konzerngesellschaft ansetzen. Damit soll erreicht werden, dass die Verluste von den Gläubigerinnen und Gläubigern der obersten Holdinggesellschaft getragen werden, während die operativ tätigen Gesellschaften des Konzerns ihre Geschäftstätigkeit fortsetzen können. 5³9
2014 lagen die Sanierungs- und Abwicklungspläne der CS in einer ersten Fassung vor. Teil dieser Pläne war die Errichtung einer separaten Rechtseinheit, die die systemrelevanten Funktionen übernommen hätte (also das Einlagengeschäft, die Vergabe von Darlehen und die Sicherung des Zahlungsverkehrs in der Schweiz). Diese separate Einheit wurde 2016 als Credit Suisse (Schweiz) AG gegründet und bewilligt. Damit war ein wichtiger Meilenstein bei der Umsetzung der Vorgaben für systemrelevante Banken aus der Too-big-to-fail-Regulierung und bei den Vorkehrungen für die Abwickelbarkeit der CS erreicht. 54⁰
Im Gründungsjahr der Credit Suisse (Schweiz) AG fand ein intensiver Dialog zwischen der FINMA und der CS statt. 54¹ Der Abwicklungsplan der CS sah als primäre Strategie die Rekapitalisierung der CS-Gruppe durch Wandlung von Fremd- in Eigenkapital («B ail in ») auf der Stufe der Konzernobergesellschaft Credit Suisse Group AG (« single Point of Entry ») mit anschliessender Restrukturierung der operativ tätigen Gruppeneinheiten vor. Zudem sah er eine Sekundärstrategie für den Fall vor, dass ein Bail-in nicht erfolgreich war oder nicht durchgeführt werden konnte. Diese Sekundärstrategie bestand aus der Aufteilung der CS und der geordneten Abwicklung der einzelnen Gruppengesellschaften unter gleichzeitiger Aktivierung des Notfallplans zum Schutz der für die Schweiz systemrelevanten Funktionen. 54²
Die FINMA entwickelte diese Pläne laufend weiter. Ab 2015 beurteilte die FINMA die Abwickelbarkeit der CS im nationalen und internationalen Kontext jährlich. 54³
Um sicherzustellen, dass die globale Resolution-Strategie erfolgreich durchgeführt werden kann, hatte die CS im Sinne einer Vorbereitung bestimmte Massnahmen umzusetzen. Die FINMA definierte vier für die erfolgreiche Durchführung des Abwicklungsplans relevante Themenbereiche: Die ersten drei Themenbereiche betrafen die Entflechtung der gruppeninternen Abhängigkeiten und die Reduktion von externen Abhängigkeiten, z. B. gegenüber Finanzmarktinfrastrukturen. Die Gruppe als Ganzes und die einzelnen Gruppeneinheiten sollten nämlich möglichst nicht aufgrund des Ausfalls einer einzelnen Gruppengesellschaft oder einer Drittpartei gefährdet werden. Der vierte Themenbereich fokussierte auf die Frage, welche operationellen Fähigkeiten die Banken besitzen müssen, damit der Resolution-Plan der FINMA hinreichend unterstützt wird. 54⁴
Die FINMA stellte 2019 fest, dass die CS ihre Resolvability aufgrund des weiteren Aufbaus ihrer externen Verlusttragungskapazität verbessert habe und die internationalen Anforderungen in diesem Bereich bereits vorzeitig erfülle. Die von der CS gegründete Dienstleistungsgesellschaft leiste wesentliche Dienstleistungen für die operativ tätigen Gruppeneinheiten. Damit werde sichergestellt, dass diese teilweise für die gesamte Gruppe notwendigen Dienstleistungen auch beim Ausfall einer operativ tätigen Gruppeneinheit weiterhin zur Verfügung stehen. Schliesslich seien im grenzüberschreitenden Verhältnis wesentliche Fortschritte erzielt worden, indem die CS die nationalen und die internationalen Vorgaben bezüglich vertraglicher Anerkennung eines Aufschubs von vorzeitigen Kündigungsrechten in Finanzkontrakten umgesetzt habe. 5⁴5
Im Februar 2020 stellte die FINMA fest, dass die CS 2019 wesentliche Vorbereitungsmassnahmen getroffen und damit grosse Fortschritte in ihrer globalen Abwickelbarkeit erzielt habe. Insbesondere sei sie strukturell genügend entflochten. Die FINMA beurteilte jedoch die Massnahmen zur Liquidität als noch nicht umgesetzt. So seien die Vorbereitungsmassnahmen der CS noch zu wenig fortgeschritten, um die Möglichkeit einer globalen Abwicklung als glaubwürdig beurteilen zu können. Die FINMA sah noch Handlungsbedarf bei der operativen und finanziellen Entflechtung sowie bei der Umsetzung und den Ressourcen. 5⁴6
2020 erzielte die CS gemäss FINMA weitere Fortschritte im Bereich ihrer globalen Abwickelbarkeit. Hinsichtlich ihrer operativen Entflechtungen habe sie die Sicherung des Zugangs zu Finanzmarktinfrastrukturen in der Krise verbessert. Sie habe ihre Fähigkeiten ausgebaut, um eine gruppenweite Rekapitalisierung durchführen, die notwendigen Bewertungen vornehmen und den Liquiditäts- und Kapitalbedarf in einer Krise fortlaufend berechnen und der FINMA mitteilen zu können. Dennoch beurteilte die FINMA die Vorbereitungsarbeiten der CS als noch nicht ausreichend. Sie sah insbesondere Verbesserungsbedarf in den Bereichen der finanziellen Entflechtung und der Post-Bail-in-Restrukturierung. 5⁴7
Die CS verbesserte ihre Abwicklungsplanung auch im Jahr 2021. Im Bereich der operativen Entflechtungen optimierte sie die Sicherung des Zugangs zu Finanzmarktinfrastrukturen in der Krise. Sie ergriff ferner weitere Massnahmen, um in einer Krise in der Lage zu sein, die FINMA fortlaufend zu ihrem Liquiditäts- und Kapitalbedarf orientieren zu können. Zudem entwickelte sie ihre Fähigkeiten für die Restrukturierung nach einem Bail-in weiter. Nach Einschätzung der FINMA konnte die CS die verbleibenden Arbeiten, insbesondere in den Bereichen der Bewertungen und der Restrukturierung, bestenfalls bis Ende 2022 abschliessen. Sie stellte in Aussicht, zukünftig die praktische und wirksame Anwendbarkeit der Abwicklungsmassnahmen gezielt zu testen und vertieft zu überprüfen. 5⁴8
Die Vorbereitungsarbeiten der CS wurden von der FINMA erstmals per Ende 2022 für ausreichend befunden. 5⁴9
5¹7 Bericht des Bundesrates vom 4.6.2012 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2021 1487 , Ziff. 2. 1.2 )
5¹8 FINMA (2020): Resolution-Bericht 2020, S. 13.
5¹9 Art. 60 Abs. 4 BankV
52⁰ Bericht des Bundesrates vom 4.6.2012 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2021 1487 , Ziff. 2. 1.2 .)
52¹ Art. 61 Abs. 1 Bst. a und b BankV
52² FINMA (2020): Resolution-Bericht 2020, S. 13.
5²3 Bericht des Bundesrates vom 28.6.2017 zu systemrelevanten Banken ( BBl 2017 4848 ); Bericht des Bundesrates vom 4.6.2021 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2021 1487 , Ziff. 2. 1.2 ).
5²4 FINMA (2014): Das Schweizer Too-big-to-fail-Regime, S. 2.
5²5 FINMA (2014): Das Schweizer Too-big-to-fail-Regime, S. 2.
5²6 FINMA (2020): Resolution-Bericht 2020, S. 2.
5²7 FINMA (2022): Resolution Bericht 2022, S. 1 ff.
5²8 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 83 ff.
5²9 FINMA (2020): Resolution-Bericht 2020, S. 30.
53⁰ FINMA (2020): Resolution-Bericht 2020, S. 30.
53¹ Art. 69 Abs. 3 BankV
53² Assessment-Brief 2016 der FINMA an die CS vom 2.2.2017, S. 10
53³ Assessment-Brief 2017 der FINMA an die CS vom 5.2.2018, S. 1; Assessment-Brief 2018 der FINMA an die CS vom 24.4.2019, S. 2.
5³4 Assessment-Brief 2019 der FINMA an die CS vom 24.4.2020, S. 10
5³5 Assessment-Brief 2019 der FINMA an die CS vom 24.4.2020, S. 10
5³6 Assessment-Brief 2020 der FINMA an die CS vom 23.8.2021, S. 11
5³7 Assessment-Brief 2020 der FINMA an die CS vom 23.8.2021, S. 11
5³8 FINMA (2013): Sanierung und Abwicklung global systemrelevanter Banken, Ziff. 1.
5³9 Fischer, Roland / Rötheli, Rebecca (2019): Bail-in heute und morgen. In: Jusletter 24.6.2019, Rz. 14.
54⁰ FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 31.
54¹ Assessment-Brief 2016 der FINMA an die CS vom 2.2.2017, S. 4
54² FINMA (2020): Resolution Bericht 2020, S. 30.
54³ FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023 2012-2023, S. 5.
54⁴ FINMA (2020): Resolution-Bericht 2020, S. 28.
5⁴5 FINMA (2020): Resolution-Bericht 2020, S. 26.
5⁴6 FINMA (2020): Resolution-Bericht 2020, S. 29.
5⁴7 FINMA (2021): Resolution-Bericht 2021.
5⁴8 FINMA Resolution Bericht 2021, https://www.finma.ch > Durchsetzung > Recovery und Resolution > Resolution Berichterstattung > Resolution Berichterstattung 2021.
5⁴9 FINMA Resolution-Berichterstattung 2023, https://www.finma.ch > Recovery und Resolution > Resolution Berichterstattung > Resolution Berichterstattung 2023.
5.3.1.5 Die Zusammenarbeit der FINMA mit ausländischen Regulatoren
Die CS verfügte über zahlreiche Gruppengesellschaften im Ausland. Diese wurden zusätzlich zur Aufsicht der FINMA auch von den jeweiligen ausländischen Aufsichtsbehörden überwacht. In diesem Zusammenhang arbeitete die FINMA eng mit zahlreichen ausländischen Aufsichtsbehörden zusammen. Die Zusammenarbeit erfolgte insbesondere im Rahmen des Core College of Supervisors, dem auch das US Federal Reserve Board, die Federal Reserve Bank of New York und die UK Prudential Regulation Authority (PRA) angehörten. Der Austausch fand von 2015 bis Sommer 2022 grundsätzlich monatlich statt. Das Core College traf sich zweimal jährlich. Gegenstand dieser Besprechungen waren die Koordination der gemeinsamen Aufsichtsaktivitäten sowie die Formulierung von Erwartungen gegenüber der Bank. 55⁰
Zusätzlich tagte zweimal jährlich die Crisis Management Group (CMG). 55¹ Innerhalb der FINMA waren die für Recovery und Resolution zuständigen Personen verantwortlich. In der CMG waren auch die relevanten US-amerikanischen und britischen Behörden (US Federal Reserve Board, US Federal Deposit Insurance Corporation, PRA und Bank of England) vertreten, die in der internationalen Abwicklung einer Schweizer Grossbank eine zentrale Rolle spielen würden. Die CMG ist im grenzüberschreitenden Bereich für die Krisenvorsorge und -bewältigung zuständig. 55²
Der Fokus der CMG lag auf der sich immer mehr akzentuierenden Ertrags- und Kapitalschwäche sowie auf dem Risikomanagement der CS. Nicht zuletzt aufgrund des «teilweile nonchalanten Auftretens» der CS erodierte gemäss der Einschätzung des damaligen Leiters der Abteilung Internationales und Policy der FINMA die Reputation der CS im Laufe der Zeit innerhalb der CMG. 55³
Im Sommer 2022 intensivierte sich der Austausch in der CMG, nicht zuletzt, weil sich die US-amerikanischen und britischen Behörden über die Situation der CS besorgt zeigten. Nicht nur die Liquiditätssituation der CS wurde besprochen, sondern auch die Eigenmittelsituation - und damit verbunden die Frage eines möglichen Ring Fencing (siehe Kasten 16 in Kap. 7.2.2.2). 55⁴ Schliesslich war auch die Einführung des PLB in der Schweiz eine wiederkehrende Diskussion im CMG. 55⁵
Die Teilnehmer des CMG trafen sich zwischen 2015 und dem Sommer 2022 jährlich mit den US-amerikanischen und britischen Behörden für sogenannte Crisis Management Colleges (CMC) unter der Leitung des Direktors der FINMA. Das Senior Management der CS nahm teilweise ebenfalls an den Sitzungen teil, die jeweils zwei oder drei Tage dauerten und mit wenigen Ausnahmen stets in der Schweiz oder als Videokonferenz durchgeführt wurden. Das Programm bestand in der Information der ausländischen Behörden über den Stand der Krisenvorbereitung und des Krisenmanagements der CS, einschliesslich praktischer Übungen (« Table top Exercises »).
Die Zusammenarbeit unter den Behörden wurde als intensiv, herausfordernd und konstruktiv beschrieben. Die zur Verfügung gestellten Ressourcen, namentlich für die Vorbereitung der CMC, seien bei allen involvierten Behörden und Banken beträchtlich gewesen. Die persönlichen Beziehungen, die im Krisenfall sehr wichtig sind, waren gemäss den Ausführungen des damaligen Leiters der Abteilung Internationales und Policy der FINMA geprägt von Vertrauen und auch Anerkennung für die Leistung der FINMA als Behörde. 5⁵6
Die FINMA leitete schliesslich jährlich das Asia-Pacific-College (APAC) mit den Aufsichtsbehörden von Hongkong, Singapur, Japan und China. Einer der Hauptzwecke des Asia-Pacific-Colleges war die Information der asiatischen Aufsichts- und Resolution-Behörden über wesentliche Entwicklungen in der Schweiz und in den anderen CMC. Angesichts der Bedeutung der asiatischen Märkte für die CS war es notwendig, die asiatischen Behörden im Bereich der Krisenvorbereitung und des Krisenmanagements zu involvieren. 5⁵7
In ihren Assessment-Briefen an die CS berücksichtigte die FINMA die Anforderungen und Bedenken ausländischer Aufsichtsbehörden und verlieh ihnen Nachdruck. 5⁵8 So erhielten die Fed und die PRA jeweils eine Kopie der Assessment-Briefe an die CS. Zusätzlich verfasste das Core College zweimal jährlich einen sogenannten Feedback-Brief. 5⁵9
55⁰ FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 11.
55¹ Die Crisis Management Group wurde vor 2012 im Einklang mit den Vorgaben des FSB eingeführt. FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 1.
55² FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 14, 28; FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 23.
55³ Schriftliche Antworten an die PUK vom 14.4.2024, S. 10
55⁴ Protokoll des Ausschusses Finanzkrisen vom 3.8.2022, S. 9
55⁵ Schriftliche Antworten an die PUK vom 14.4.2024, S. 2; interne Notiz der EFD vom 2.7.2012.
5⁵6 Schriftliche Antworten an die PUK vom 14.4.2024, S. 10
5⁵7 Schriftliche Antworten an die PUK vom 14.4.2024, S. 10
5⁵8 Assessment-Brief 2015 der FINMA an die CS vom 28.1.2016, S. 6
5⁵9 FINMA, Erläuterungen zur Chronologie 2012-2023, S. 2
5.3.2 Enforcementverfahren
Die PUK hat mit dem Ziel, die Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit der Enforcementverfahren gegen die CS zwischen 2012 und Ende 2022 zu untersuchen, einen Untersuchungsauftrag im Sinne von Artikel 166 Absatz 3 ParlG vergeben (siehe Kap. 1.4.3.2). Das vorliegende Kapitel stützt sich auf die Resultate der Untersuchungsbeauftragten der PUK, Albrecht Langhart und Matthias Hirschle, und stellt die aus Sicht der PUK wesentlichen Aspekte in Kurzform dar. Für einen Gesamtüberblick zu den Enforcementverfahren wird auf den Untersuchungsbericht verwiesen, der zeitgleich mit dem PUK-Bericht veröffentlicht wird. 56⁰
Im vorliegenden Kapitel werden eingangs die Enforcementverfahren sowie die informellen Vorabklärungen, die nicht zu einem Verfahren gegen die CS geführt haben, tabellarisch und chronologisch (nach Abschluss der Vorabklärung oder des Enforcementverfahrens) aufgeführt (Kap. 5.3.2.1). Die Darstellung der Eröffnung eines Enforcementverfahrens, einschliesslich der operativen Zuständigkeit bei der FINMA und der anwendbaren Kriterien, folgt in Kapitel 5.3.2.2. In Kapitel 5.3.2.3 werden sodann die Ergebnisse der Enforcementverfahren inklusive allfälliger Durchsetzungsmassnahmen beschrieben. Anschliessend wird die öffentliche Kommunikation der FINMA über die Enforcementverfahren gegen die CS dargestellt (in Kap. 5.3.2.4) sowie ein Vergleich mit den Enforcementverfahren gegen andere systemrelevante Banken unternommen (Kap. 5.3.2.5). Schliesslich folgt in Kapitel 5.3.2.6 die Darstellung von zwei Enforcementverfahren gegen die CS, welchen bei den Feststellungen der PUK eine besondere Bedeutung zukommt (siehe Kap. 11.1.1).
5.3.2.1 Überblick über die Enforcementverfahren der FINMA gegen die CS zwischen 2012 und 2022
Die untenstehende Tabelle bietet in Kurzform einen Überblick über die Enforcementverfahren, die die FINMA zwischen 2012 und 2022 gegen die CS führte. In Anhang 6 findet sich eine ausführliche Tabelle, welche jeweils auch den Sachverhalt des Enforcementverfahrens sowie die verfügten Aufsichtsinstrumente der FINMA und gegebenenfalls die ergriffenen Durchsetzungsmassnahmen enthält. Diese Tabelle stellt die Enforcementverfahren naturgemäss stark vereinfacht dar. Die PUK verweist für eine eingehendere Erläuterung insbesondere der anwendbaren Rechtsgrundlagen, der Überlegungen im Vorverfahren, der FINMA-internen Eskalationsverfahren und der verfügten Massnahmen auf den Bericht der Untersuchungsbeauftragten Langhart und Hirschle.
Die grau hervorgehobenen Zeilen entsprechen den Enforcementverfahren gegen die CS. Bei den nicht hervorgehobenen Zeilen handelt es sich um Vorabklärungsverfahren. Aus überwiegenden privaten (Wahrung des Bankgeheimnisses) oder öffentlichen Interessen (Wahrung des Amtsgeheimnisses) werden einige Enforcementverfahren anonymisiert. Sie werden im Bericht und auch in der Tabelle in Anhang 6 als «anonymisiertes Verfahren» aufgeführt.
Tabelle 6: Liste der Vorabklärungs- und Enforcementverfahren der FINMA gegen die CS zwischen 2012 und 2022
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| Kurztitel 56¹ | Eröffnung | Abschluss 56² | Verweis auf den Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle |
|---|---|---|---|
| Anonymisiertes Verfahren | 28.7.2010 | 23.1.2012 | Ziff. 81 |
| «FutureGeneration» | 7.9.2011 | 27.2.2012 | Ziff. 80 |
| «US-Finanzdienstleistungsgeschäft» | 26.10.2011 | 21.9.2012 | Ziff. 129 ff. |
| Anonymisiertes Verfahren | 4.10.2012 | 7.3.2013 | Ziff. 82 |
| «Arab Spring / anonymisiertes Verfahren» | 30.9.2011 | 24.5.2013 | Ziff. 148 ff. |
| «GPF» | 27.5.2013 | 14.8.2013 | Ziff. 84 |
| Anonymisiertes Verfahren | 7.5.2013 | 22.8.2013 | Ziff. 85 |
| «Usbekistan» | 10.3.2013 | 23.10.2013 | Ziff. 83 |
| Anonymisiertes Verfahren | 27.2.2012 | 12.5.2014 | Ziff. 86 |
| Anonymisiertes Verfahren | 6.5.2013 | 3.11.2014 | Ziff. 87 |
| «Devisenhandel» | 6.6.2014 | 11.11.2014 | Ziff. 88 ff. |
| Anonymisiertes Verfahren | 8.5.2015 | 28.8.2015 | Ziff. 91 |
| Anonymisiertes Verfahren | 22.1.2015 | 21.12.2015 | Ziff. 92 |
| «Grenzüberschreitendes Finanzdienstleistungsgeschäft in Italien» | 21.7.2015 | 29.4.2016 | Ziff. 93 ff. |
| «1MDB» | 5.6.2016 | 17.2.2017 | Ziff. 97 ff. |
| «Datenvorfälle Italien» | 19.5.2016 | 12.12.2017 | Ziff. 99 |
| «Insiderverdacht, anonymisiertes Verfahren» | unbekannt | 13.8.2018 | Ziff. 101 |
| «Petrobras/FIFA/PDVSA» | 25.9.2018 | 3.9.2018 | Ziff. 168 ff. |
| Anonymisiertes Verfahren | 6.4.2018 | 6.9.2018 | Ziff. 100 |
| «Dino» | 5.2.2016 | 3.9.2018 | Ziff. 219 ff. |
| «Distressed Debt» | unbekannt | 2.11.2018 | Ziff. 102 |
| Anonymisiertes Verfahren | 5.2.2016 | 23.11.2018 | Ziff. 243 ff. |
| Anonymisiertes Verfahren | unbekannt | 23.11.2018 | Ziff. 103 ff. |
| Anonymisiertes Verfahren | unbekannt | 8.4.2019 | Ziff. 109 |
| «SSA Bonds» | unbekannt | 25.4.2019 | Ziff. 110 |
| Anonymisiertes Verfahren | 17.3.2017 | 27.9.2019 | Ziff. 260 ff. |
| Anonymisiertes Verfahren | unbekannt | 11.11.2019 | Ziff. 111 |
| «Libor-Ablösung» | unbekannt | 25.6.2021 | Ziff. 112 |
| «Vatikan» | unbekannt | 3.9.2021 | Ziff. 113 f. |
| «Mosambik» | 25.9.2020 | 17.9.2021 | Ziff. 278 ff. |
| «Observationsfälle» | 21.8.2020 | 1.10.2021 | Ziff. 300 ff. |
| «António Horta-Osório» | unbekannt | 28.1.2022 | Ziff. 115 |
| «Transaktionsmeldepflicht» | 23.3.2021 | 17.3.2022 | Ziff. 116 |
| «Vollstreckung Single Client View» | 4.6.2021 | 1.4.2022 | Ziff. 326 ff. |
| «Greensill» | 5.3.2021 | 9.12.2022 | Ziff. 381 ff. |
| «Archegos» | 16.4.2021 | 14.7.2023 | Ziff. 397 ff. |
| Total durchgeführte Vorabklärungen zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 31. Dezember 2022: 42 56³ | |||
| Total durchgeführte Enforcementverfahren gegen die CS: 11 56⁴ | |||
56¹ Die gewählten Kurztitel dienen der Übersichtlichkeit über die in Betracht gezogenen Enforcementverfahren gegen die CS. Sie beziehen sich auf den untersuchten Sachverhalt und entspringen soweit ersichtlich keiner offiziellen Bezeichnung der FINMA.
56² Mit «Abschluss» ist hier wie auch nachfolgend das Datum der Endverfügung gemeint. Bei den Vorabklärungsverfahren sind die Eröffnungs- und Abschlussdaten nicht immer klar festzulegen. In solchen Fällen sind die im betroffenen Vorabklärungsverfahren letzten Verfahrenshandlungen gemäss Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024) aufgeführt.
56³ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024). Von den 42 Vorabklärungsverfahren untersuchten die Untersuchungsbeauftragten 38, da der Entscheid über die Eröffnung oder Nichteröffnung eines Enforcementverfahrens in den vier letzten Fällen ausserhalb des Untersuchungszeitraums lag. Von den 38 untersuchten Vorabklärungsverfahren mündeten 11 in Enforcementverfahren (in der Tabelle grau markiert), während in den 25 weiteren Vorabklärungsverfahren (in der Tabelle nicht markiert) kein Enforcementverfahren eröffnet wurde.
56⁴ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 78. Im vom Untersuchungsmandat betroffenen Zeitraum (1.1.2012 bis 31.12.2022) entschied
der Enforcement-Ausschuss (ENA)
in acht Fällen, kein Enforcementverfahren gegen die CS einzuleiten. In den übrigen 25 Fällen entschied dies der Geschäftsbereich Enforcement der FINMA ohne Eskalation an den ENA.
5.3.2.2 Kriterien für die Einleitung und Ablauf der Enforcementverfahren
Die FINMA führte zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 31. Dezember 2022 in 42 Fällen Vorabklärungen betreffend die CS durch. In 13 Fällen mündeten die Vorabklärungen in der Eröffnung eines Enforcementverfahrens, wobei infolge der Koordination dreier Verfahren schliesslich elf Abschlussverfügungen erlassen wurden (siehe Tabelle 6 oben). 56⁵
Einleitende Sachverhaltsabklärungen im Rahmen der Vorabklärungsverfahren
Vor der Eröffnung eines Enforcementverfahrens klärte die FINMA Hinweise auf mögliche Aufsichtsrechtsverletzungen durch die CS im Rahmen von informellen Vorabklärungsverfahren ab. Solche Hinweise ergaben sich teils auf Grundlage der Erkenntnisse, die die FINMA während der laufenden Aufsicht über die CS gewann, teils auf Grundlage von Hinweisen anderer Behörden und teils aus Medienberichten. ⁵66
Kompetenz für die Einleitung eines Enforcementverfahrens
Die Enforcementverfahren lagen im Kompetenzbereich der Geschäftsleitung und damit auf der operativen Stufe der FINMA. ⁵67 Über die Eröffnung und Beendigung der Enforcementverfahren gegen die CS sowie deren Organe und Mitarbeitende entschied der Enforcement-Ausschuss (ENA). ⁵68 Ständige Mitglieder des ENA waren/sind die Direktorin oder der Direktor der FINMA, die oder der den Vorsitz des ENA innehat, sowie die Leitungen der Geschäftsbereiche Supervisory Policy und Legal Expertise sowie Enforcement. Jeweils fallweise ENA-Mitglieder mit Stimmberechtigung waren/sind die Leiterinnen oder Leiter der durch das das entsprechende Geschäft betroffenen Geschäftsbereiche.
Die Geschäftsleitung wurde jeweils über die Beschlüsse des ENA informiert und orientierte ihrerseits den Verwaltungsrat über die Enforcementverfahren. Gemäss den Informationen der PUK waren diese Informationen summarisch. Der Verwaltungsrat stellte der Geschäftsleitung aber verschiedentlich Fragen, und die Enforcement-Berichterstattung bot auch Anlass zu Diskussionen grundsätzlicher Natur. So besprach der Verwaltungsrat der FINMA anlässlich einer Information über den Fall «Archegos» die Risikokultur der CS sowie die Notwendigkeit der Einführung eines Senior-Management-Regimes. ⁵69
Kriterien für die Eröffnung eines Enforcementverfahrens
Der ENA entschied anhand der beiden nachfolgenden Kriterien über die Eröffnung eines Enforcementverfahrens: 57⁰
−
Schwere des (mutmasslichen) Verstosses gegen das geltende Aufsichtsrecht: Bewusstsein der Bank über den erfolgten Gesetzesverstoss; Systematik des Verstosses; Gefährdung von Gläubigerinnen und Gläubigern oder Anlegerinnen und Anlegern; involvierte Hierarchiestufe bei der Bank; Dauer des Verstosses;
−
Enforcement-Interesse: Wirkung im Sinne der Generalprävention sowie der Spezialprävention; Bestehen einer Gefahr für den Finanzplatz; Bedeutung für die Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands.
In Anwendung dieser Kriterien sah die FINMA insbesondere dann von der Eröffnung eines Enforcementverfahrens ab, wenn im gleichen Kontext bereits ein oder mehrere Verfahren am Laufen waren bzw. erst kürzlich abgeschlossen worden waren. 57¹
Die FINMA hat als Hilfsinstrument zur Auswertung bzw. Dokumentation der oben aufgeführten Kriterien eine sogenannte Enforcement-Matrix entwickelt, welche der ENA erstmals im Kontext des Falls «Petrobras/FIFA/PDVSA» (siehe Kap. 5.3.2.6) anwandte. 57²
Gemäss Würdigung der Untersuchungsbeauftragten Langhart und Hirschle traf die FINMA den Entscheid über die Eröffnung bzw. Nichteröffnung von Enforcementverfahren gegen die CS 57³ anhand von angemessenen Kriterien. Deren Anwendung sowie die darauf basierenden Vorprüfungen seien mit einer Einschränkung in allen untersuchten Fällen in zweckmässiger Weise erfolgt. Einzige Ausnahme bilde der Fall «Durchsetzung Petrobras/FIFA/PDVSA - Vollstreckung Single Client View», in welchem die Verhältnismässigkeit einer Verfahrenseröffnung gegen natürliche Personen von der FINMA verneint wurde (siehe Kap. 5.3.2.6 unten). 57⁴
Sodann hat die FINMA nach Einschätzung der Untersuchungsbeauftragten ihre Massnahmenkompetenz vor der Eröffnung aller Enforcementverfahren ausgeschöpft. Eine Ausnahme bildet das Enforcementverfahren «Observationsfälle»: Nach Ansicht der Untersuchungsbeauftragten Langhart/Hirschle wäre es in diesem Fall angezeigt gewesen, früher ein Enforcementverfahren einzuleiten. 57⁵ Die FINMA ist mit der Einschätzung der Untersuchungsbeauftragten nicht einverstanden. ⁵76
Besondere Kriterien bei Enforcementverfahren gegen natürliche Personen
| Kasten 8 : Enforcementverfahren gegen natürliche Personen Adressaten von Enforcement-Massnahmen sind in erster Linie die beaufsichtigten Institute. ⁵77 Die FINMA verfügt aber auch über Massnahmen, die sich gegen Individuen richten. Dazu zählen unter anderem das Verbot einer Tätigkeit als Organ wegen fehlender Gewähr gemäss Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c BankG und das Berufsverbot gemäss Artikel 33 FINMAG.Die Gewährsträgerinnen und -träger (Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder, Trägerinnen und Träger zentraler Funktionen und gewisse Aktionärinnen und Aktionäre) müssen moralische Voraussetzungen erfüllen (« Propriety ») sowie über die notwendigen fachlichen Qualifikationen (« Fitness ») verfügen. Die Gewähr ist eine Bewilligungsvoraussetzung, die dauernd einzuhalten ist. Stellt die FINMA fest, dass eine Gewährsträgerin oder ein Gewährsträger eines überwachten Instituts keine Gewähr mehr bietet, weist sie das Institut mittels Verfügung und gestützt auf Artikel 31 FINMAG in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c BankG an, diese Person von ihrer Gewährsfunktion zu entfernen. Oft verlassen Funktionstragende, die einen schweren Missstand zu verantworten haben, das Institut von sich aus oder auf dessen Druck hin schon während des Verfahrens oder gar noch früher. Da die FINMA die Gewähr mit Bezug auf eine konkrete Position prüft, werden Enforcementverfahren gegen ausgeschiedene Gewährsträgerinnen und -träger als gegenstandslos abgeschrieben. ⁵78 Die FINMA kann sodann gestützt auf Artikel 33 FINMAG Personen, die für eine schwere Verletzung des Aufsichtsrechts verantwortlich sind, die Tätigkeit in leitender Stellung untersagen. Ein Berufsverbot kann auch dann verhängt werden, wenn die betroffene Person nicht mehr im Finanzbereich tätig ist oder tätig sein will. Gemäss der Botschaft zum FINMAG kann die FINMA darauf verzichten, ein Berufsverbot auszusprechen, wenn die betroffene Person nie mehr im Finanzsektor tätig sein wird. ⁵79 Der FINMA kommt damit bei der Anwendung der Bestimmung ein Ermessensspielraum zu. 58⁰ Seit 2014 sieht die FINMA in ihren Leitlinien zum Enforcement vor, dass sie gezielt gegen natürliche Personen (also Individuen) vorgeht, die die Verantwortung für schwere Verletzungen aufsichtsrechtlicher Bestimmungen tragen. 58¹ |
Die FINMA hat im Zusammenhang mit den Verfahren gegen die CS acht Verfahren gegen Individuen eröffnet. Drei davon sind nach aktuellem Stand abgeschlossen. 58²
Tabelle 7 gibt eine Übersicht über die Vorabklärungs- und Enforcementverfahren gegen Individuen. Aus überwiegenden privaten (Wahrung des Bankgeheimnisses) oder öffentlichen Interessen (Wahrung des Amtsgeheimnisses) werden einige Enforcementverfahren anonymisiert. Sie werden im Bericht und auch in der Tabelle im Anhang als «anonymisiertes Verfahren» aufgeführt.
Tabelle 7: Liste der Vorabklärungs- und Enforcementverfahren der FINMA gegen Individuen bei der CS zwischen 2012 und 2022
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| Kurztitel | Anzahl Personen, gegen die eine Verfahrenseröffnung geprüft wurde | Anzahl geführter Enforcementverfahren gegen Individuen | Begründung für Nicht- Eröffnung des Verfahrens bzw. Verfahrensausgang |
|---|---|---|---|
| «US-Finanzdienstleistungsgeschäft» | 1 | - | n/a |
| «Arab Spring / Anonymisiertes Verfahren» | - | - | n/a |
| «Petrobras/FIFA/PDVSA» | 19 58³ | - | n/a |
| «Anonymisiertes Verfahren» | 5 | - | n/a |
| «Anonymisiertes Verfahren» | 20 | - | n/a |
| «Mosambik» | 5 58⁴ | - | n/a |
| «Observationsfälle» | 9 | 3 58⁵ | Abschreibung der Verfahren als gegenstandslos |
| «Vollstreckung Single Client View» | - | - | n/a |
| «Greensill» | 11 ⁵86 | 4 | (Verfahren andauernd) |
| «Archegos» | 3 ⁵87 | 1 | (Verfahren andauernd) |
| TOTAL | 73 | 8 | |
| Total Berufsverbote/Gewährsentzüge: 0 | |||
Aus dieser Darstellung geht hervor, dass die FINMA in den meisten Fällen darauf verzichtete, ein Enforcementverfahren gegen Individuen bei der CS zu führen. Die Begründungen des ENA lassen sich wie folgt kategorisieren, je nachdem, ob es sich um ein Berufsverbot oder ein Gewährsverfahren handelte: ⁵88
Tabelle 8: Kategorisierung der Gründe des ENA, kein Enforcementverfahren gegen untersuchte Individuen einzuleiten
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| Berufsverbot | Nicht genügend Verdachtsmomente |
| Zu hohe Rechts- oder Reputationsrisiken | |
| Spezialpräventiver Zweck bereits ohne Enforcementverfahren erfüllt (z. B. bei strafrechtlicher Verurteilung oder Verlassen der Schweiz) | |
| Berufsverbot auf die betroffene Person nicht anwendbar | |
| Betreffende Person wurde bereits entlassen oder hat ihre Stelle bereits aufgegeben | |
| Nicht relevante oder untergeordnete Verstösse | |
| Gewähr | Betreffende Person hatte keine Gewährsstellung (mehr) inne |
| Ungenügende Beweislage | |
| Vorläufiger Verzicht auf Verfahrenseröffnung aufgrund andauernder Sachverhaltsabklärungen in anderem Fall | |
| Ungenügende Verdachtsmomente ⁵89 |
Gemäss den Untersuchungsbeauftragten Langhart/Hirschle hätte die FINMA in einem Enforcementverfahren (Verfahren anonymisiert) nach Erhalt des Berichtes ihres Untersuchungsbeauftragten lenkend auf ihn Einfluss nehmen müssen, um die Verantwortlichkeiten der in diesen Fall involvierten Personen in belastbarer Weise zu klären. 59⁰ Ferner habe die FINMA ihre Massnahmenkompetenz im Fall «Petrobras/FIFA/PDVSA» nicht ausgeschöpft. Sie hätte ein zusätzliches Enforcementverfahren mit Einsetzung einer oder eines Untersuchungsbeauftragten zur Abklärung der Verantwortlichkeit für die Nichtumsetzung ihrer Verfügung 2018 und zur Prüfung der Frage der Gewähr der verantwortlichen Organe einleiten sollen, was sie unterliess (siehe Kap. 5.3.2.6). 59¹
56⁵ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 78 und128
⁵66 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 47
⁵67 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 46. In einigen Fällen entschied der Geschäftsbereich Enforcement in Absprache mit der Aufsicht über die Einstellung eines Vorabklärungsverfahrens ohne Beschlussfassung des ENA (vgl. Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle [2024], Ziff. 80, 82 ff., 91 f., 99).
⁵68 Art. 10 Abs. 4 Geschäftsreglement FINMA vom 6.12.2023; Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 45.
⁵69 Interne Zusammenstellung der FINMA vom 28.6.2024; Ausschnitte aus den Verwaltungsratsprotokollen der FINMA gemäss der Notiz der FINMA vom 28.6.2024.
57⁰ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 73 ff. Der Gesetzgeber macht keine Ausführungen dazu, wann und in welchen Fällen Verfahren zu führen sind. Praktisch alle Enforcement-Massnahmen, die der FINMA zur Verfügung stehen, sind als Kann-Bestimmungen ausgestaltet, somit als Befugnisse (Eymann, Patric [2022]: Enforcementverfahren der FINMA. In: Zulauf, Urs /Wyss, David [Hrsg.]: Finanzmarktenforcement. 3. Aufl. Bern: Stämpfli, S. 105).
57¹ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 117
57² Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 75 f.
57³ Die Untersuchungsbeauftragten untersuchten die Enforcementverfahren gegen das Institut und nicht gegen die Organe und Mitarbeitenden der CS.
57⁴ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 121 f.; Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation, S. 7.
57⁵ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 316
⁵76 Die FINMA führt diesbezüglich aus, dass anstelle einer Verfahrenseröffnung umgehend eine Prüfbeauftragte eingesetzt und die Öffentlichkeit informiert wurde. Das gewählte Vorgehen sei in den faktischen Auswirkungen - in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht sowie bezüglich der Eingriffsintensität - gleichwertig zum Einsatz einer oder eines Untersuchungsbeauftragten gewesen (Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation, S. 7 f.; siehe Kap. 11.1.1.2 zur Einschätzung der PUK).
⁵77 Kuhn, Christoph (2022): Massnahmen der FINMA. in: Zulauf, Urs / Wyss, David (Hrsg.): Finanzmarktenforcement. 3. Aufl. Bern. Stämpfli Verlag. S. 352.
⁵78 Kuhn, Christoph (2022): Massnahmen der FINMA. in: Zulauf, Urs / Wyss, David (Hrsg.): Finanzmarktenforcement. 3. Aufl. Bern. Stämpfli Verlag. S. 365 ff.
⁵79 Botschaft vom 1.2.2006 über die eidgenössische Finanzmarktaufsicht ( BBl 2006 2882 )
58⁰ Kuhn, Christoph (2022): Massnahmen der FINMA. in: Zulauf, Urs / Wyss, David (Hrsg.): Finanzmarktenforcement. 3. Aufl. Bern. Stämpfli Verlag. S. 370 ff.
58¹ FINMA, Leitlinien zum Enforcement vom 25.9.2014, S. 2
58² Internes Dokument der FINMA zuhanden der PUK vom 8.8.2023; FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 6.
58³ 17 Personen wurden im Rahmen eines anonymisierten Verfahrens geprüft, welches dann mit dem Verfahren «Petrobras/FIFA/PDVSA» vereint wurde.
58⁴ Gemäss Angaben der FINMA ist die Prüfung eines weiteren Verfahrens derzeit noch hängig (interne Tabelle der FINMA vom 8.8.2023, aufdatiert am 30.7.2024).
58⁵ Es handelt sich um ein Verfahren zur Prüfung der Gewähr der betroffenen Person und um zwei Verfahren zu einem möglichen Berufsverbot. Das Gewährsverfahren wurde eingestellt, als die betroffene Person ihre Gewährsfunktion aufgab. Die Berufsverbotsverfahren wurden eingestellt, als die betroffenen Personen eine Verzichtserklärung unterzeichneten. Gemäss dieser Erklärung verzichteten sie auf jegliche künftige Leitungs- oder Gewährsposition auf dem Schweizer Finanzmarkt.
⁵86 Gemäss Angaben der FINMA ist die Prüfung vier weiterer Verfahren derzeit noch hängig (interne Tabelle der FINMA vom 8.8.2023, aufdatiert am 30.7.2024).
⁵87 Gemäss Angaben der FINMA ist die Prüfung eines weiteren Verfahrens derzeit noch hängig (interne Tabelle der FINMA vom 8.8.2023, aufdatiert am 30.7.2024).
⁵88 In einigen Fällen spielten mehrere Gründe zusammen, sodass der ENA wegen einer Mischung aus Opportunitäts-, Verhältnismässigkeits- und Rechtsgründen auf eine Verfahrenseröffnung verzichtete. Diese Aufstellung lässt Entwicklungen in der Rechtsprechung zur Präzisierung der anwendbaren Rechtsgrundlagen ausser Acht. Hingegen sei darauf hingewiesen, dass die FINMA 2014 (nach Abschluss des Falls «Arab Spring») ihre interne Policy mit Bezug auf Enforcementverfahren gegen Individuen änderte: Zuvor übte sie bei Individuen Zurückhaltung aus; danach beschloss sie, «gezielt» gegen Individuen vorzugehen.
⁵89 Bei diesem Argument fällt auf, dass die FINMA immer wieder mit demselben Problem konfrontiert war: Es lagen keine Nachweise vor, dass eine Person auf höherer Führungsebene oder eine mit Kontrollfunktionen betraute Person von einer konkreten Aufsichtsrechtsverletzung wusste oder hätte wissen müssen. Entweder liess sich nicht nachvollziehen, welche Informationen an die betreffende Person weitergeleitet worden waren, oder die Zuständigkeiten innerhalb der CS waren diffus (organisatorische Defizite). In dieser letzten Konstellation fallen die Hinweise auf, dass die Risikokultur in den Verantwortlichkeitsbereich der obersten Organe falle und ein Gewährsproblem auf institutioneller Stufe grundsätzlich zu Abklärungen auch auf individueller Stufe führen sollte.
59⁰ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 275
59¹ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 16
5.3.2.3 Durchführung, Abschluss und Umsetzung der Enforcementverfahren
Die FINMA führte im Untersuchungszeitraum zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 31. Dezember 2022 insgesamt elf Enforcementverfahren gegen die CS. 59²
Abgeschlossen wurden die Enforcementverfahren jeweils mit einer Verfügung der FINMA. In diesen Verfügungen wandte sie ihre unterschiedlichen Instrumente an: In allen untersuchten Enforcementverfahren stellte die FINMA zunächst die Verletzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen fest. 59³ Gemäss diesen Feststellungen verletzte die CS insbesondere die Pflicht, über eine angemessene Verwaltungsorganisation zu verfügen, welche mitunter ein angemessenes Risikomanagement voraussetzt. Sodann schränkte die FINMA in zwei Fällen die Geschäftstätigkeit der CS ein. 59⁴ In einem weiteren Fall drohte die FINMA eine solche Einschränkung an. 59⁵
Sie verpflichtete die Bank zudem in drei Fällen, einen Massnahmenplan zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands unter Einhaltung einer bestimmten Frist einzureichen und umzusetzen. ⁵96 Schliesslich zog sie in einem Fall den Gewinn der CS ein, den diese in schwerer Verletzung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen erzielt hatte. ⁵97
Die FINMA liess die Erkenntnisse aus den Vorabklärungs- und Enforcementverfahren auch in ihre laufende Aufsicht einfliessen. In mehreren Assessment-Briefen sprach sie beispielsweise die (Nicht-)Umsetzung gewisser Massnahmen an und schrieb Rügebriefe. ⁵98 Nach eigenen Angaben reichte sie auch 16 Strafanzeigen ein. ⁵99
Von den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten hat die FINMA erstens die Veröffentlichung der Verfügung und zweitens den Bewilligungsentzug nie angewandt. 60⁰ Ein Bewilligungsentzug wurde der CS im Untersuchungszeitraum auch nie angedroht. 6⁰1 In Bezug auf beide Massnahmen kamen die Untersuchungsbeauftragten zum Schluss, dass das Vorgehen der FINMA nicht zu beanstanden sei. Schliesslich entzog sie niemandem die Gewähr (siehe Kap. 5.3.2.2). Eine Person zog sich während des Gewährverfahrens aus der Organstellung zurück, und weitere Verfahren gegen ehemalige Gewährsträger laufen noch.
Die rechtskräftigen Verfügungen der FINMA waren von der Bank umzusetzen. In einigen Fällen setzte die FINMA eine Prüfbeauftragte oder einen Prüfbeauftragten ein, um die vollständige und fristgerechte Umsetzung der angeordneten Massnahmen durch die CS zu prüfen. 6⁰2
Die Untersuchungsbeauftragten Langhart und Hirschle gelangten zur Ansicht, dass die FINMA ihre Kompetenz zum Erlass von Massnahmen zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands in den Fällen «Petrobras/FIFA/PDVSA», «DINO» und einem weiteren, anonymisierten Fall nicht ausgeschöpft hat. Sie setzte die Verstärkung des Verwaltungsrates der CS nicht durch und sah von der Androhung von konkreten Geschäftseinschränkungen für den Fall einer nicht fristgemässen Umsetzung der Gesamtkundensicht (Single Client View) ab. Zudem hätte sie im Fall «Observationsfälle» eine Untersuchungsbeauftragte oder einen Untersuchungsbeauftragten einsetzen sollen. 6⁰3
Die FINMA ist der Meinung, dass sie ihre Massnahmenkompetenz auch in diesem Fall ausgeschöpft hat. Aus Sicht der FINMA ist die monierte Wiedererwägung ebenfalls nicht zu beanstanden, da sie dadurch eine äquivalente bzw. sogar stärkere Massnahme beschloss und ein stärkeres Signal (neuer, eigener Ausschuss des Verwaltungsrates zum Thema der einwandfreien Compliance, der Compliance-Kultur und -Organisation) anstelle eines schwächeren (Ersatz- oder Neumitglied des Verwaltungsrates mit spezifischen Kenntnissen i. S. Compliance) setzte.
59² Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 128
59³ Vgl. Anhang 6
59⁴ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 137, 290
59⁵ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 337
⁵96 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 193, 236, 255
⁵97 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 269
⁵98 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 157, 253, 458, 469
⁵99 FINMA (2023): Lessons Learned zur CS-Krise, S. 14; Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 92, 109, 111, 229, 281.
60⁰ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 2.2
6⁰1 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 412
6⁰2 Vgl. z.B. Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 15
6⁰3 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 415
5.3.2.4 Öffentliche Kommunikation
Die FINMA verfolgte bei der öffentlichen Kommunikation über die Einleitung, die Durchführung, den Abschluss und die Umsetzung der Enforcementverfahren gegen die CS die 2014 eingeführten Leitlinien des Verwaltungsrates. 6⁰4 Diese Leitlinien stützen sich unter anderem auf Artikel 22 Absatz 1 FINMAG, welcher vorsieht, dass die FINMA mindestens jährlich über ihre Aufsichtstätigkeit und Aufsichtspraxis sowie nur ausnahmsweise zu einzelnen Verfahren kommuniziert. 6⁰5
Bis am 31. Dezember 2017 publizierte die FINMA gestützt auf die genannten Grundlagen keine Medienmitteilungen über die bis dahin erfolgten Eröffnungen und Abschlüsse von Enforcementverfahren gegen die CS. 6⁰6 Ab dem 1. Januar 2018 veröffentlichte sie drei Medienmitteilungen über die Eröffnung eines Enforcementverfahrens gegen die CS. Über den Abschluss eines Enforcementverfahrens informierte sie die Öffentlichkeit in fünf Fällen. 6⁰7 Eine Medienmitteilung publizierte die FINMA erstmals über die Fälle «Petrobras/FIFA/PDVSA» und «DINO». Dabei wurde jedoch die verfügte Erweiterung auf Stufe Verwaltungsrat nicht erwähnt.
Der Entscheid über die Veröffentlichung einer Medienmitteilung wurde jeweils im ENA getroffen. Die Anträge an den ENA (auf Veröffentlichung oder Nichtveröffentlichung einer Medienmitteilung) waren jeweils unterschiedlich dicht begründet. 6⁰8 Die Begründungen für den Verzicht auf eine Medienmitteilung reichten im Zeitraum zwischen 2012 und 2022 von politischer Brisanz des untersuchten Sachverhalts bis hin zu mündlichen Zusicherungen an eine Bank, dass nicht öffentlich kommuniziert würde. 6⁰9
Nach Ansicht der Untersuchungsbeauftragten der PUK war die öffentliche Kommunikation der FINMA mit folgenden Ausnahmen rechtmässig, zweckmässig und wirksam: Erstens wäre es zweckmässig gewesen, die in den Fällen «Petrobras / FIFA / PDVSA» und «DINO» angeordnete Verstärkung des Verwaltungsrates der CS öffentlich zu kommunizieren. Zweitens hätte die FINMA nach Einschätzung der Untersuchungsbeauftragten Anfang 2020 die Öffentlichkeit über die nicht vollständige Umsetzung der rechtskräftigen Verfügung im Fall «Petrobras/FIFA/PDVSA» innert der gesetzten Frist informieren sollen. Dies wäre angezeigt gewesen, da sie über den Abschluss des betreffenden Verfahrens eine Medienmitteilung veröffentlicht hatte.
6⁰4 Art. 9 Abs. 1 Bst. i FINMAG; https://www.finma.ch > Tätigkeiten > Leitlinien.
6⁰5 Gemäss Art. 22 Abs. 2 FINMAG müssen drei alternative Kriterien erfüllt sein, damit die FINMA über einzelne Verfahren kommunizieren kann: Die Information ist zum Schutz der Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer oder der Beaufsichtigten nötig, sie ist zur Berichtigung falscher oder irreführender Informationen nötig, oder sie ist zur Wahrung des Ansehens des Finanzplatzes Schweiz nötig. In den Leitlinien der FINMA wird - in Anlehnung an die Botschaft - festgehalten, dass der Gesetzgeber der FINMA in der Kommunikation zu einzelnen Aufsichtshandlungen und Verfahren Zurückhaltung auferlegt habe. Informiert die FINMA über ein Verfahren, so informiert sie auch unverzüglich über dessen Einstellung gemäss Art. 22 Abs. 3 FINMAG.
6⁰6 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 3.1
6⁰7 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 421
6⁰8 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 420
6⁰9 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 422
5.3.2.5 Vergleich mit den Enforcementverfahren gegen andere systemrelevante Banken
Vom 1. Januar 2012 bis am 31. Dezember 2022 führte die FINMA insgesamt elf Enforcementverfahren gegen die CS, wobei die meisten davon zwischen 2018 und 2022 beendet wurden. Dies war erheblich mehr als gegen andere Banken.
Gemäss den Untersuchungsbeauftragten musste die FINMA bei der CS über Jahre hinweg schwere systematische und vor allem organisatorische Mängel untersuchen und deren Behebung durchsetzen, während die Enforcementverfahren, die bei den anderen systemrelevanten Banken geführt wurden, zum Teil weniger gravierende Einzelfälle betrafen - auch wenn einige dieser Verfahren sehr aufwendig waren. 61⁰
Besonders hervorzuheben ist weiter, dass die FINMA beim Versagen des Verwaltungsrates einer systemrelevanten Bank sofort Anordnungen zur Zusammensetzung des Verwaltungsrates traf, während sie in Bezug auf die CS hiervon letzten Endes absah. 61¹ Ein solches Verhalten konnte im Untersuchungszeitraum bei keiner anderen systemrelevanten Bank beobachtet werden. Entsprechend unterscheidet sich die Enforcement-Tätigkeit gegenüber der CS von derjenigen gegenüber anderen systemrelevanten Banken insbesondere dadurch, dass die FINMA keine Anordnungen in Bezug auf die Zusammensetzung des Verwaltungsrates der CS durchsetzte.
61⁰ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 526
61¹ Nach Ansicht der FINMA ist der Vergleich mit dieser systemrelevanten Bank aus aufsichtsrechtlicher Perspektive nicht nachvollziehbar und falsch. Sie bringt vor, dass den Fällen unterschiedliche Themen und Feststellungen zugrunde liegen würden. Im Fall dieser systemrelevanten Bank habe der Verwaltungsrat selbst seine Überwachungspflichten verletzt, was konsequenterweise auch personenbezogene Massnahmen nach sich gezogen habe.
5.3.2.6 Gesonderte Hinweise zu den Fällen «Petrobras/FIFA/PDVSA» sowie «Durchsetzung Petrobras/FIFA/PDVSA (Vollstreckung Single Client View)»
Im Fall «Petrobras/FIFA/PDVSA» ging es um die Frage, ob die CS im Zusammenhang mit drei grossen Betrugs- bzw. Korruptionsfällen gegen die Bestimmungen des GwG sowie die Anforderungen an eine angemessene Verwaltungsorganisation und ein angemessenes Risikomanagement verstossen hatte. 6¹2
Die FINMA wies die CS am Ende des Enforcementverfahrens in einer Verfügung vom 3. September 2018 unter anderem an, den Verwaltungsrat so zusammenzustellen, dass mindestens ein Mitglied mehrjährige Erfahrung auf dem Finanzmarkt und hinreichende Kenntnisse sowie Erfahrung mit regulatorischen Anforderungen und Compliance im Privatkundengeschäft bei vergleichbaren Finanzinstituten aufweise. Weiter sollte die CS eine Gesamtsicht über die geführten Kundendossiers einführen (sogenannte Single Client View). Zu diesem Zweck hatte sie der FINMA bis am 30. November 2018 einen zu genehmigenden Massnahmen- und Zeitplan für die Umsetzung der Single Client View vorzulegen. 6¹3
In ihrem Antwortschreiben vom 22. November 2018 teilte die CS der FINMA mit, sie erachte die im Fall «Petrobras/FIFA/PDVSA» am 3. September 2018 verfügte personelle Aufwertung ihres Verwaltungsrates durch eine Person mit zusätzlichem Know-how im Bereich von regulatorischen Fragen und Compliance nicht für notwendig. Die CS verwies insbesondere darauf, dass verschiedene Mitglieder des Verwaltungsrates die verlangten Kenntnisse und Erfahrungen bereits aufweisen würden. Sie stellte die Schaffung eines neuen Ausschusses auf Stufe des Verwaltungsrates in Aussicht, welcher seine Tätigkeit per 1. Januar 2019 aufnehmen sollte. 6¹4
Die FINMA wertete diesen Brief als Gesuch um Wiedererwägung und verzichtete in der Folge auf die ursprüngliche Massnahme. Sie verlangte in ihrer Wiedererwägung vom 25. Januar 2019, dass den Anforderungen an eine einwandfreie Geschäftstätigkeit sowie der Förderung einer adäquaten Compliance-Kultur und -Organisation auf Stufe Verwaltungsrat die nötige Beachtung zukommt, indem diese Thematik dauerhaft einem unabhängigen Ausschuss des Verwaltungsrates übertragen wird. 6¹5
Die CS geriet anschliessend bei der Umsetzung der Single Client View in Verzug. Die FINMA adressierte diesen Umstand mehrfach in ihren Assessment-Briefen, ergriff darüber hinaus aber zunächst keine Durchsetzungsmassnahmen. Die FINMA zeigte der CS schliesslich am 18. Juni 2021 die Eröffnung eines weiteren Enforcementverfahrens an, in dessen Rahmen die Umsetzung der angeordneten Massnahmen gemäss der Verfügung von 2018 sowie gegebenenfalls mögliche vollstreckungsrechtliche Massnahmen geprüft würden. Am 1. April 2022, mehr als zwei Jahre nach Ablauf der Frist zur Implementierung der Single Client View gemäss der Verfügung von 2018, ermahnte die FINMA die CS unter letzter Fristansetzung, die Gesamtkundensicht bis spätestens am 31. Dezember 2024 vollständig zu implementieren. 6¹6
Die FINMA hält in ihrer Stellungnahme im Rahmen der Verwaltungskonsultation fest, dass sie das Vorgehen im Fall «Durchsetzung Petrobras/FIFA/PDVSA (Vollstreckung Single Client View)» für zweckmässig, rechtmässig und wirksam hält. 6¹7
6¹2 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 169 ff.
6¹3 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 192
6¹4 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 196
6¹5 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 197 ff.
6¹6 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 326 ff.
6¹7 Die FINMA betont in ihrer Stellungnahme, dass sie nach der entsprechenden Verfügung auf der Umsetzung der Single Client View beharrt und die laufende Aufsicht nach Auftreten der Umsetzungsprobleme kontinuierlich intensiviert habe. Sie verweist des Weiteren auf ihre Stellungnahme im Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), S. 152 ff. Rz. 370 ff.
56⁰ Langhart, Albrecht / Hirschle, Matthias (2024): Enforcementverfahren der FINMA gegen die Credit Suisse in der Zeit zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 31. Dezember 2022. Untersuchungsbericht vom 24.5.2024 im Auftrag der PUK.
5.3.3 Ursprünge und Entwicklung des regulatorischen Filters
Ein regulatorischer Filter ist eine Regel, mit der die Vorgaben der Rechnungslegungsstandards zum Zweck der regulatorischen Eigenmittelberechnung nach unten oder oben korrigiert werden. Dies bedeutet, dass die Eigenmittel aus regulatorischer Sicht anders beurteilt werden als in der Finanzbuchhaltung. 6¹8 Regulatorische Filter werden in verschiedenen Anwendungsfällen eingesetzt. Ein solcher Filter wurde auch für die Credit Suisse angewendet. Dadurch durften gewisse Niederbewertungen, die aus der Umstellung von der Sammelbewertung zur Einzelbewertung resultierten, für regulatorische Zwecke wieder dem harten Kernkapital (CET1) zugerechnet werden. 6¹9 Dies führte dazu, dass die in den Jahresberichten ausgewiesenen regulatorischen Eigenmittel der CS AG im Umfang des regulatorischen Filters erhöht wurden.
Nachfolgend werden die Ursprünge des regulatorischen Filters, die mit der Eigenmittelverordnung 2013 neu eingeführten Anforderungen (siehe Kap. 5.3.3.1) sowie die Änderung dieses Dispositivs und die Einführung des regulatorischen Filters (siehe Kap. 5.3.3.2) beschrieben. In Kapitel 5.3.3.3 werden die Auswirkungen dieses Filters auf die Zahlen der Credit Suisse dargelegt.
5.3.3.1 Erleichterungen aufgrund der Eigenmittelverordnung und Abzug der Beteiligungen
Neue Anforderungen in der Eigenmittelverordnung
Die im Rahmen des TBTF-Rechts revidierte Eigenmittelverordnung (ERV) trat am 1. Januar 2013 in Kraft (siehe Kap. 4.2.2.3). Auf der einen Seite verlangte der neue Artikel 32 ERV von allen Banken, auf Einzelinstitutsebene Beteiligungen an Unternehmen im Finanzbereich, die auf Gruppenstufe zu konsolidieren sind, vom harten Kernkapital abzuziehen. Die Umsetzung dieser Regel stellte für die Credit Suisse und die UBS eine grosse Herausforderung dar, da sie mit 75 bzw. 45 Milliarden Franken über sehr hohe Beteiligungswerte verfügten. 62⁰
Auf der anderen Seite verpflichtete Artikel 125 ERV die FINMA ab 2013, den beiden Grossbanken neu Erleichterungen bei den Eigenmittelanforderungen insbesondere für die Parent Bank (Credit Suisse AG und UBS AG) zu gewähren, falls sich als Folge der Anforderungen auf Stufe Einzelinstitut die Anforderungen auf Stufe Finanzgruppe (d. h. Credit Suisse Group AG bzw. UBS Group AG) erhöhen. 62¹
Laut den Erläuterungen der FINMA wurde Artikel 125 ERV auf Wunsch des Bankensektors in die Verordnung aufgenommen, da dieser befürchtet hatte, dass die Festlegung zu hoher Anforderungen an Einzelinstitute zu unverhältnismässig hohen Kapitalanforderungen an die gesamte Gruppe führen würde. 62² Im Kommentar zur Totalrevision der ERV wird dieser vom Bankensektor unerwünschte Effekt beschrieben. 6²3
Darüber hinaus sah Artikel 125 ERV keine quantitativen Vorgaben zu den Erleichterungen vor, die dem Einzelinstitut zu gewähren waren. Wie oben dargestellt, war jedoch das Ziel von Artikel 125 ERV, überschiessende Eigenmittelanforderungen auf Gruppenstufe zu korrigieren.
In der Verordnung wurde eine obere Grenze für die Erleichterungen festgelegt, die den Einzelinstituten gewährt wurden: Nach der Reduzierung der Eigenmittelanforderungen mussten bei den Eigenmitteln über alle Erleichterungskombinationen hinweg noch mindestens die international geltenden Basler Mindeststandards erfüllt sein. 6²4
Zusammenfassend lässt sich das Regime von 2013 wie folgt beschreiben: Beteiligungen der Parent Bank an Tochtergesellschaften sind vom harten Kernkapital abzuziehen, wobei Erleichterungen nach Artikel 125 ERV zu gewähren sind, solange die Kumulation der Anforderungen auf Stufe Einzelinstitut faktisch zu einer Überschreitung der regulatorischen Anforderungen auf Gruppenebene führt.
Verfügung der FINMA von 2013
Die Erleichterungen nach Artikel 125 ERV wurden für die Credit Suisse im Jahr 2013 in einer Verfügung der FINMA («TBTF-Verfügung») konkretisiert. Mit dieser wurden die Eigenkapitalanforderungen auf Stufe der Credit Suisse AG auf das regulatorische Minimum von 14 % gesenkt. 6²5 Da diese Massnahme jedoch nicht ausreichte, um zu verhindern, dass die Bank in einer konsolidierten Sicht, d. h. auf Stufe Credit Suisse Group AG, deutlich über der Zielgrösse für das Gesamterfordernis zu liegen kommt, musste die FINMA der Bank in dieser Verfügung weitere Erleichterungen im Bereich der Behandlung von Beteiligungen an Tochtergesellschaften im Finanzbereich gewähren (gemäss damaligem Art. 125 Abs. 4 Bst. b ERV). Diese Erleichterungen betrafen direkt gehaltene Beteiligungen der Einzelinstitute: Während diese Beteiligungen bis zu jenem Zeitpunkt gemäss Artikel 32 ERV vollumfänglich von den Eigenmitteln abzuziehen waren, konnten sie neu bis zu einem bestimmten Schwellenwert mit einer Risikogewichtung von 200 % erfasst werden. Über diesem Schwellenwert mussten die Beteiligungen hälftig vom harten Kernkapital und hälftig vom Gesamtkapital abgezogen werden. 6²6
Gleichzeitig erliess die FINMA auch eine TBTF-Verfügung gegenüber der UBS. Die individuellen Anforderungen auf Gruppenebene waren unterschiedlich, da sie entsprechend der Grösse und dem nationalen Marktanteil festgelegt wurden. 6²7
Die FINMA erläuterte gegenüber der PUK, dass die Verfügungen von 2013 zum Ziel hatten, die Auswirkungen von Artikel 125 ERV durch die Festlegung von Schwellenwerten zu korrigieren. Denn diese Erleichterungen hätten eine inakzeptable Kapitalerleichterung für die Grossbanken dargestellt. 6²8
62⁰ Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 80)
62¹ In der Praxis hat dies eine Verbindung zu den Eigenmittelanforderungen ausländischer Regulierungsbehörden geschaffen. Die ausländische Tochtergesellschaft muss ihre Geschäftstätigkeit mit Eigenmitteln unterlegen; dafür massgebend sind die regulatorischen Eigenmittelanforderungen des Landes der Tochtergesellschaft. Wenn diese Behörde ihre Eigenmittelanforderungen erhöht, muss gemäss Art. 125 ERV sichergestellt werden, dass die Anforderungen auf Stufe Finanzgruppe immer noch angemessen sind. Sind die Anforderungen zu hoch, ist die FINMA gezwungen, auf Stufe Einzelinstitut Erleichterungen zu gewähren. Dies kann faktisch nur noch beim Stammhaus stattfinden. Siehe Sitzungsprotokoll der PUK vom 13.11.2024, S. 4; Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S.89).
62² FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 62; Schreiben der FINMA an die PUK vom 14.6.2024. Siehe auch: 26 statt 19 Prozent? In: NZZ, 12.5.2011 und Nationalräte wollen Verordnung sehen. In: NZZ, 6.7.2011.
6²3 «Aufgrund der individuellen Gruppenstruktur und des gewählten internen Verschuldungsgrades ( Leverage ) kann es sein, dass die Aggregation der Einzelanforderungen de facto zu einem Übertreffen der regulatorischen Anforderungen auf Gruppenstufe führt. Auf Einzelinstitutsebene erhöht die Unterlegung der gruppeninternen Risikopositionen (Darlehen, Garantien) die erforderlichen Eigenmittel, während dem [sic] sich wegen des Abzuges von Beteiligungen die anrechenbaren Eigenmittel reduzieren.» Kommentar des EFD vom 20.6.2012 zur Totalrevision der Eigenmittelverordnung (ERV), S. 60 f.
6²4 Eigenmittel von mindestens 14 % der risikogewichteten Aktiven (RWA), eine CET1-Quote von mindestens 4,5 %, eine Tier-1-Quote von 6 % und eine Gesamtkapitalquote in Höhe von 8,0 % der risikogewichteten Positionen (RWA). Kommentar des EFD vom 20.6.2012 zur Totalrevision der Eigenmittelverordnung (ERV), S. 16
6²5 Verfügung der FINMA vom 20.12.2013 in Sachen Credit Suisse Group AG, Zürich, und Credit Suisse AG, Zürich, Paradeplatz 8, Postfach, 8070 Zürich betreffend besondere Anforderungen an das systemrelevante Einzelinstitut und die Finanzgruppe ( nachfolgend : TBTF-Verfügung der FINMA vom 20.12.2013 in Sachen Credit Suisse), Dispositivziffer 9a. Siehe auch: «FINMA informiert über TBTF-Verfügungen», Medienmitteilung der FINMA vom 7.5.2014.
6²6 TBTF-Verfügung der FINMA vom 20.12.2013 in Sachen Credit Suisse, Dispositivziffer 9k: «Für das Jahr 2014 sind die Beteiligungen an im Finanzbereich tätigen zu konsolidierenden Unternehmen der Credit Suisse AG, die einen Schwellenwert von 130 % des Gesamtkapitals auf Stufe Einzelinstitut vor Abzügen für Beteiligungen überschreiten, hälftig vom harten Kernkapital und hälftig vom Gesamtkapital abzuziehen.» Siehe auch: «FINMA informiert über TBTF-Verfügungen», Medienmitteilung der FINMA vom 7.5.2014. Der Schwellenwert wurde so festgelegt, dass von den geschätzten 93 Mrd. Fr. Beteiligungen (direkte und indirekte) mehr als neun Zehntel (ca. 85,8 Mrd. Fr.) als risikogewichtete Position erfasst wurde. Es handelte sich also für die CS um ein «pauschales Risikogewichtungsregime». Siehe Zellweger-Gutknecht, Corinne (2024): Rechtmässigkeit der TBTF-Verfügung 2017. Rechtsgutachten vom 19.11.2024 im Auftrag der PUK, S. 17. Dass diese Erleichterungen bei der Credit Suisse faktisch für sämtliche Beteiligungen galten, ist ein Effekt von Art. 125 ERV, siehe Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 88).
6²7 Hochgerechnet auf das Jahr 2019 hätte sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verfügung per 1.1.2014 für die UBS ein Erfordernis von 19,2 % der risikogewichteten Aktiven (RWA) respektive von 16,7 % für die Credit Suisse ergeben. Die ungewichtete Eigenkapitalanforderung (Leverage Ratio), das zweite Kapitalerfordernis, betrug 4,6 % (UBS) bzw. 4,0 % (Credit Suisse). Siehe «FINMA informiert über TBTF-Verfügungen», Medienmitteilung der FINMA vom 7.5.2014.
6²8 Schreiben der FINMA an die PUK vom 14.6.2024
5.3.3.2 Regimewechsel in Sachen Beteiligungen und Einführung des regulatorischen Filters
Identifizierter Anpassungsbedarf
Nach dem 2015 veröffentlichten Bericht des Bundesrates zur Bankenstabilität 6²9 und der neuen Revision der Eigenmittelverordnung, die am 1. Juli 2016 in Kraft trat (siehe Kap. 5.2.3.1), sahen mehrere Akteure Handlungsbedarf. In einem Brief an das SIF vertrat die FINMA die Auffassung, dass die Weiterführung des aktuellen Erleichterungsregimes weder die tatsächliche Kapitalsituation der Banken noch das Risiko aus den Investitionen in die verschiedenen Beteiligungen adäquat abbilde und dass das Regime aufgrund seiner Komplexität kaum vermittelbar sei. 63⁰ In seiner Antwort gab das SIF an, dass es auch von den grossen Banken zu diesem Thema kontaktiert worden sei. 63¹
Verfügung der FINMA von 2017
Die FINMA drängte auf eine Ablösung der bestehenden Regelung. Gemäss ihren Aussagen musste sie sich aber mit den betroffenen Instituten UBS und CS auf eine alternative Lösung zur Eigenmittelunterlegung von Beteiligungen einigen, bevor der Bundesrat bereit war, diese Regelung in der ERV nachzuvollziehen und den Artikel 125 ERV abzuschaffen. 63² Diese Aussage konnte die FINMA nicht weiter belegen, auch nicht mit Dokumenten zur Revision der ERV.
Die gefundene Lösung zwischen FINMA und CS wurde durch die revidierte TBTF-Verfügung der FINMA 2017 63³ umgesetzt, die die Verfügung aus dem Jahr 2013 ergänzte bzw. ersetzte. Diese Verfügung, die von der FINMA als regulatorisches Gesamtpaket beschrieben wird, beinhaltete zwei Aspekte: A) eine Risikogewichtung der Beteiligungen und B) einen regulatorischen Filter.
A) Regimewechsel: Risikogewichtung der Beteiligungen statt Abzug
Die revidierte TBTF-Verfügung sah ein neues Kapitalregime für die Behandlung von Beteiligungen an Tochtergesellschaften für Zwecke der Eigenkapitalunterlegung vor: Anstatt diese Beteiligungen vom harten Kernkapital abzuziehen, wurden sie neu auf der Grundlage einer Risikogewichtung verbucht.
Diese Verfügung der FINMA von 2017 bewirkte unter anderem, dass die Credit Suisse AG (die Parent Bank) innert einer zehnjährigen Übergangsperiode zu diesem neuen Regime mit einer Risikogewichtung der Beteiligungen wechseln musste. Am Schluss der Übergangsperiode hätten die Risikogewichte 250 % für inländische Beteiligungen bzw. 400 % für ausländische Beteiligungen betragen müssen. 6³4
Dieser Regimewechsel hätte aber einen substanziellen Kapitalaufbau nötig gemacht, um eine gleichbleibende Kapitalisierung ausweisen zu können, 6³5 weshalb im Vorfeld Diskussionen zwischen den Banken und der FINMA stattfanden. In einem Schreiben der CS an die Aufsichtsbehörde - bevor eine Einigung bzgl. Verordnung erzielt wurde - betonte die Bank, dass sie zwar die Notwendigkeit eines Regimewechsels anerkenne. Sie könne jedoch, solange die konzeptionellen Mängel der Gesetzgebung bestehen bleiben, keinen Vorschlag akzeptieren, der Artikel 125 ERV abschaffen würde. Zudem sei sie der Ansicht, dass jeder derartige Ansatz ausserhalb des 2012 erreichten politischen und legislativen Konsenses liegen würde. 6³6
Aus Sicht der FINMA musste daher ein weiteres Element in die Verfügung von 2017 aufgenommen werden, um bei der CS Akzeptanz für die Abschaffung von Artikel 125 ERV und den Regimewechsel zu erreichen. Die PUK konnte auf Grundlage der ihr vorliegenden Informationen und Dokumente nicht klären, inwiefern die FINMA im damaligen politischen Umfeld gehalten war, der CS in dieser Frage entgegenzukommen. Regulatorische Entscheide (auf Stufe Parlament, Bundesrat oder FINMA) erfordern keine Zustimmung der betroffenen Institute. Gemäss dem SIF kann aber die Stellungnahme der betroffenen Banken, namentlich von Grossbanken, in Konsultationen einen Einfluss auf regulatorische Entscheide von Parlament und Behörden haben. 6³7
B) Regulatorischer Filter: Einzelbewertung mit Sonderregel für die CS
Die Schweizer Rechnungslegungsvorschriften wurden mit Wirkung ab dem Rechnungsjahr 2019 dahingehend geändert, dass Tochterbeteiligungen nicht mehr nach einem Portfolioansatz (Sammelbewertung), sondern individuell bewertet werden mussten. 6³8 Der Hauptgrund für die Revision der Rechnungslegungsvorschriften lag in dem am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen neuen Rechnungslegungsrecht im Obligationenrecht. 6³9 Die Revision orientierte
sich gemäss der FINMA teilweise an den in
ternational anerkannten Standards (IFRS, US GAAP).
64⁰
Während die Einführung der Einzelbewertung im Zuge der OR-Revision kontrovers diskutiert wurde,
64¹
wird heute in der Literatur zu den Rechnungslegungsvorschriften die Meinung vertreten, die Sammelbewertung entspreche dem im Rechnungslegungsrecht herrschenden Vorsichtsprinzip weniger als die Einzelbewertung.
64²
Diese Änderung der Rechnungslegungsvorschriften hätte im spezifischen Fall der CS AG zu einem Rückgang des Eigenkapitals geführt, ohne dass sich aus ökonomischer Sicht die Vermögenssituation der Bank geändert hatte. 64³
Aus diesem Grund machte die CS gemäss der FINMA ihre Akzeptanz 64⁴ des Regimewechsels (höhere Risikogewichtung der Beteiligungen statt Abzug oberhalb des Schwellenwertes, siehe oben) und damit der Abschaffung von Artikel 125 ERV davon abhängig, dass die Auswirkungen der Rechnungslegungsänderung (Umstellung von Sammelbewertung auf Einzelbewertung) mittels eines regulatorischen Filters neutralisiert werden. 6⁴5 Damit verknüpfte die CS zwei Fragestellungen - einerseits den Regimewechsel nach Artikel 32 und Artikel 125 ERV und anderseits die Änderung der Rechnungslegungsvorschriften im OR -, um den Filter zu erhalten: Obwohl beide Änderungen die gleiche Zielgrösse betrafen, nämlich das Kapital des Stammhauses, hingen sie nicht miteinander zusammen. Die UBS nutzte bereits die Einzelbewertung. Da sie somit keinen Bedarf für einen regulatorischen Filter hatte, stellte sie keinen entsprechenden Antrag. 6⁴6
Die revidierte TBTF-Verfügung 2017 beinhaltete folglich als weiteres Element die Einführung eines regulatorischen Filters. Damit durfte die CS AG gewisse Niederbewertungen, die aus der Umstellung von der Sammelbewertung zur Einzelbewertung resultierten, für regulatorische Zwecke wieder dem harten Kernkapital (CET1) zurechnen 6⁴7 (zur Funktionsweise des Filters siehe Kap. 5.3.3.3). Eine solche Ausnahme basierte nach Darlegung der FINMA auf Artikel 4 Absatz 3 BankG, wonach die FINMA in besonderen Fällen Erleichterungen von den Mindestanforderungen zulassen oder Verschärfungen anordnen kann. 6⁴8 Im Endeffekt gestattete dies der Parent Bank, Abschreibungen auf Beteiligungen aufzuschieben, soweit der Marktwert anderer Beteiligungen über deren Buchwerten lag. 6⁴9 Laut der FINMA wurde dadurch nicht nur der besonderen Rechtsstruktur der CS Rechnung getragen (deutlich höhere Beteiligungswerte als die UBS), sondern auch die damals laufende Umstrukturierung der Investmentbank unterstützt. 65⁰
Die Gewährung des regulatorischen Filters wurde von der FINMA an die Bedingung geknüpft, dass eine Drittpartei die relevanten Bewertungen der Beteiligungen an Tochtergesellschaften regelmässig überprüft. 65¹ Diese Überprüfung verschaffte der FINMA gemäss Darlegung des damaligen Direktors erstmals einen vereinfachten Zugang zur Frage der Bewertung der Bank. Diesbezüglich wurde aus Sicht der FINMA also ein bedeutender Fortschritt erzielt. Die Prüfung durch die Drittpartei führte schliesslich dazu, dass die Bewertung der Beteiligungen nach unten korrigiert wurde (siehe Kap. 5.3.3.3). 65² Die Bank war zudem verpflichtet, den Umfang des regulatorischen Filters quartalsweise zu veröffentlichen. Dieser war somit den Anlegerinnen und Anlegern bekannt (zur Art, wie die CS den Filter auswies, siehe Kap. 5.3.3.3). 65³
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verfügung der FINMA von 2017 den Übergang zum neuen Kapitalregime konkretisierte: Dieses war ein System mit Risikogewichtung der Beteiligungen, das, anders als das bisherige System, nicht mehr zwingend bedeutende Erleichterungen beinhaltete. 65⁴ Für die CS bestand aber weiterhin eine Art Erleichterung durch den regulatorischen Filter.
Regimewechsel für alle Banken und Aufhebung von Artikel 125 ERV im Jahr 2018
In der Medienmitteilung der FINMA zur TBTF-Verfügung von 2017 hiess es, dass die Risikogewichtung voraussichtlich ab dem 1. Januar 2019 auch für die anderen Banken gelte und die dafür notwendige Änderung der ERV initiiert worden sei. 65⁵
In der Tat hatte auch der Bundesrat bei der Behandlung von Beteiligungen (Risikogewichtung anstatt Eigenkapitalabzug) Anpassungsbedarf identifiziert (siehe oben). Diese Kritik am Regime des Eigenkapitalabzugs äusserte er erneut im TBTF-Bericht von 2017. Dort wurde das gemischte System aus Beteiligungsabzug und Risikogewichtung als komplex und undurchsichtig bezeichnet. Auch wurde kritisiert, dass das aktuelle System im internationalen Kontext schwer vergleichbar sei (siehe Kap. 5.2.3.3). 6⁵6
Der Regimewechsel wurde in der Revision der Eigenmittelverordnung von 2018 verankert, die am 1. Januar 2019 in Kraft trat (siehe Kap. 5.2.4.1). 6⁵7 Im Rahmen dieser Revision wurde auch Artikel 125 ERV aufgehoben, welcher die FINMA verpflichtet hatte, systemrelevanten Banken Erleichterungen zu gewähren. Die FINMA und das SIF bezeichneten diese Änderung der ERV, die für alle Banken galt, als eine Verschärfung des Regimes: Es wurde von einem strengen Regime mit grossen und intransparenten Erleichterungen auf ein transparenteres, weniger strenges, dafür keine zwingenden Erleichterungen aufweisendes Regime gewechselt. 6⁵8
Mit dieser Revision der ERV wurde der Regimewechsel verankert, den die FINMA für die CS und die UBS bereits 2017 per Verfügung umgesetzt hatte. Beim SIF sorgte dies für ein gewisses Unverständnis: In einer internen Notiz vom November 2017 wurde festgehalten, dass die «FINMA den Regimewechsel mit den erlassenen Verfügungen verbindlich eingeführt [hat]. Damit hat sie für die ERV-Anpassung Fakten und Zeitdruck geschaffen.» 6⁵9
In den Erläuterungen zur Änderung der ERV wurde betont, dass die beiden Grossbanken bei der Beurteilung der weiteren Notwendigkeit von Artikel 125 mit einbezogen wurden und diese die Auffassung des EFD teilten, dass mit dem Systemwechsel das Problem des Überschiessens der Anforderungen auf Gruppenebene entschärft worden sei und daher der betreffende Artikel aufgehoben werden könne. 66⁰
Der FINMA-Entscheid von 2017 und die Revision der ERV von 2018 hingen daher - mit Ausnahme des Filters - inhaltlich eng zusammen, obwohl sie zeitlich versetzt erfolgten. 66¹
Konsultation der SNB und anderer Akteure
Wichtig zu erwähnen ist auch, dass das SIF und die SNB zu den Änderungen in der neuen Verfügung der FINMA und zur Lösungssuche im Zusammenhang mit der Aufhebung von Artikel 125 ERV konsultiert wurden. So wurde das EFD respektive das SIF frühzeitig, d. h. im März 2017, über die gefundene Lösung sowie über die Verhandlungen mit den Banken orientiert. Im selben Zeitraum diskutierte die FINMA mit dem SIF über die Aufnahme von Erläuterungen zum Wechsel auf Risikogewichte und zur Abschaffung von Artikel 125 ERV im nächsten TBTF-Bericht. 66² Die PUK verfügt über keine detaillierten Informationen zu den Stellungnahmen der einzelnen Akteure.
Auch die SNB wurde vorgängig zum Entwurf der FINMA-Verfügung von 2017 konsultiert. Bei dieser Gelegenheit kritisierte sie in einem Schreiben vom 10. Oktober 2017 an die FINMA die Erleichterungen: Für die SNB sei «nicht ersichtlich, aus welchen Gründen diese ‹Erleichterung› gewährt [wurde], insbesondere da die quantitativen Auswirkungen substantiell sind. […] Damit läuft der Effekt des ‹regulatorischen Filters› dem Ziel einer besseren Kapitalisierung des Stammhauses entgegen.» 66³ Die FINMA ging auf diese kritische Stellungnahme der SNB nicht weiter ein, und die SNB hinterfragte die Erleichterungen auch nicht weiter: Sobald die FINMA verfügt hat, ist es gemäss Vertretern der SNB nicht ihre Rolle, dies zu hinterfragen. 66⁴ Laut der FINMA wäre es unter den herrschenden Rahmenbedingungen nicht möglich gewesen, die zusätzlichen Anforderungen der SNB umzusetzen. Eine weitere Verschärfung der Kapitalanforderungen für die Parent Bank hätte dazu geführt, dass die Verhandlungen über die Aufhebung von Artikel 125 ERV gescheitert wären, da der regulatorische Filter eine Bedingung der CS für deren Einverständnis gewesen sei. 66⁵
6²9 «Damit eine angemessene Kapitalisierung derjenigen Einheiten, welche systemrelevante Funktionen umfassen, jederzeit gewährleistet ist, sollten die Erleichterungen nach Artikel 125 der Eigenmittelverordnung angepasst werden», Bericht des Bundesrates vom 18.2.2015 über TBTF ( BBl 2015 1927 , hier 1939).
63⁰ Brief der FINMA an das SIF vom 16.2.2017, Anhang «Ergänzung Art. 52-Bericht; Kapitalisierung der Stammhäuser der Grossbanken». Der relevante Basel-III-Standard findet ausschliesslich auf konsolidierter Stufe Anwendung. Der Regimewechsel betraf nur die Stufe Einzelinstitut (EFD, Erläuterungen vom 21.11.2018 zur Änderung der Eigenmittelverordnung, S. 16). Insofern stand der Regimewechsel nicht im Zusammenhang mit den internationalen Vorgaben in diesem Gebiet.
63¹ Brief des SIF an die FINMA vom 16.2.2017
63² Schreiben der FINMA an die PUK vom 9.9.2024; Schreiben der FINMA an die PUK vom 20.9.2024.
63³ Verfügung der FINMA vom 20.10.2017 in Sachen Credit Suisse AG, Paradeplatz 8, 8001 Zürich betreffend Eigenmittelanforderungen der Credit Suisse AG (Einzelinstitut) ( nachfolgend : revidierte TBTF-Verfügung der FINMA vom 20.10.2017 in Sachen Credit Suisse).
6³4 Revidierte TBTF-Verfügung der FINMA vom 20.10.2017 in Sachen Credit Suisse, Dispositivziffer 6-7. Damit wurde eigentlich die Schwelle der Verfügung von 2013 aufgehoben (siehe Kap. 5.3.3.1) und mithin das faktisch längst dominierende Risikogewichtungsregime noch konsequenter angewandt. Der Regimewechsel fand gemäss Rechtsgutachten faktisch bereits mit der Einführung der TBTF-Verfügung 2013 statt, da mit den gewährten Erleichterungen nur noch ein Zehntel der Beteiligungen dem Abzugsregime unterlag. Mit der TBTF-Verfügung 2017 wurde das bereits geltende Regime lediglich angepasst. Nun fiel auch für diesen Zehntel der Beteiligungsabzug weg (Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 16 ff.).
6³5 Durch die erhöhte Risikogewichtung stieg der Bedarf der CS AG nach Kernkapital um 16,8 Mrd. Fr auf rund 46,8 Mrd. Fr. (Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 21).
6³6 Brief der CS an die FINMA vom 6.12.2016
6³7 Schreiben des SIF an die PUK vom 19.9.2024
6³8 Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, S. 71; FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 64. Bei der Sammelbewertung müssen die Bewertungsverluste bestimmter Beteiligungen mit entsprechenden Mehrwerten auf artgleichen Vermögensgegenständen verrechnet werden. Sie müssen daher nicht erfolgswirksam verbucht werden. Nach dem Einzelbewertungsprinzip müssen alle Beteiligungen getrennt voneinander betrachtet werden. Das Niederstwertprinzip schreibt vor, Vermögen zum niedrigeren Wert von Anschaffungswert und Marktwert in der Bilanz anzusetzen, sodass der Buchwert höchstens dem aktuellen Marktwert entspricht. Aufgrund des Niederstwertprinzips müssen bei Einzelbewertung einzelne Beteiligungen, die eine Wertminderung erfahren haben, wertberichtigt werden, ohne dass Wertsteigerungen anderer Beteiligungen diesen Verlust wieder ausgleichen würden. Dies bedeutet, dass die Gewinn- und Verlustrechnung bei einer Einzelbewertung grundsätzlich niedriger als bei einer Sammelbewertung ist, weil bei der Einzelbewertung Marktwerte, die höher als Anschaffungswerte sind, nicht verlustreduzierend wirken. Siehe auch Expertenbericht Birchler (2024), S. 5 ff.
6³9 FINMA (2013): Erläuterungsbericht Revision Rechnungslegung Banken, S. 7.
64⁰ «Rechnungslegung Banken: Anhörung zu neuen Vorschriften», Medienmitteilung der FINMA vom 29.10.2013.
Die IFRS und auch die Schweizer Rechnungslegungsstandards (Swiss GAAP FER) gehen vom Grundsatz einer Einzelbewertung aus (
Haag, Stefan / Neuhaus, Markus R. (2024): Kommentar zu Art. 960 OR. In: Watter, Rolf / Vogt, Hans-Ueli (Hrsg.): Basler Kommentar Obligationenrecht II, 6. Aufl. Basel: Helbing & Lichtenhahn, Rz. 30 f.). Art. 960 OR relativiert den Grundsatz der Einzelbewertung dahingehend, dass dieser nur dann gilt, wenn die Vermögensgegenstände oder Verbindlichkeiten wesentlich sind und nicht aufgrund ihrer Gleichartigkeit üblicherweise für die Bewertung als Gruppe zusammengefasst werden. Mit der abgeschwächten Formulierung sollen die Unternehmen einen gewissen Handlungsspielraum haben, beispielweise bei der Beurteilung der Frage, ob Holdinggesellschaften ihre Beteiligungen einzeln bewerten müssen (Koch, Bernadette (2022): §63 Grundlagen. In: Theus Simoni, Fabiana / Hauser, Isabel / Bärtschi, Harald (Hrsg.): Handbuch Schweizer Aktienrecht, 2. Aufl. Basel: Helbing & Lichtenhahn, Rz. 63.15).
64¹ EJPD (2007): Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse zum Vorentwurf zur Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts im Obligationenrecht, S. 31; Meyer, Dieter / Nagel-Jungo, Gabriela (2014): Die neuen Rechnungslegungsvorschriften für Banken - eine kritische Würdigung. In: Der Schweizer Treuhänder 8/14, S. 607.
64² So zum Beispiel Meyer / Nagel-Jungo (2014), S. 607: «Zudem ist zu bemerken, dass eine Sammelbewertung eindeutig dem Vorsichtsprinzip widerspricht […]. Einerseits werden bei der Sammelbewertung wertgeminderte Positionen nicht berichtigt, und andererseits wird für die Positionen, auf welchen unrealisierte Gewinne bestehen, das Anschaffungswertprinzip durchbrochen. Im Sinne einer verständlichen und transparenten Rechnungslegung spricht es für die Finma, dass sie hier standhaft geblieben ist und die strikte Einzelbewertung durchgesetzt hat.» So auch Nobel, Peter (2019): Schweizerisches Finanzmarktrecht, 4. Aufl. Bern: Stämpfli, Rz. 685.
64³ Schreiben der FINMA an die PUK vom 14.6.2024. Bei Erlass der Verfügung 2017 ging die FINMA aufgrund der von der CS erhaltenen Zahlen davon aus, dass sich die buchhalterisch ausgewiesenen Eigenmittel der CS AG mit der Umstellung auf die Einzelbewertung um 8 Mrd. Fr. vermindern würden. Nach Schätzung der SNB hätte die CS in der Folge neues regulatorisches hartes Kernkapital in der Höhe von 3,5 Mrd. Fr. beschaffen müssen (weil mit dem Wert der Beteiligungen auch die RWA des Stammhauses sanken, wurde zu deren Unterlegung weniger CET1 benötigt, was den teilweise ausgleichenden Effekt erklärt). Siehe Expertenbericht Birchler (2024), S.5-6; Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 36.
64⁴ Die FINMA spricht explizit von der «Zustimmung» der CS zur Abschaffung von Art. 125 ERV, obwohl die Banken bei Verordnungsänderungen lediglich konsultiert werden.
6⁴5 Schreiben der FINMA an die PUK vom 14.6.2024; schriftliche Antworten an die PUK vom 5.4.2024.
6⁴6 Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, S. 71; Schreiben der FINMA an die PUK vom 10.1.2024.
6⁴7 Revidierte TBTF-Verfügung der FINMA vom 20.10.2017 in Sachen Credit Suisse, Dispositivziffer 46a. Siehe auch Erwägung 15: «Die Credit Suisse AG ist berechtigt, ab dem Zeitpunkt der Umstellung auf die Einzelbewertung (Art. 27 Abs. 2 BankV) für die Bestimmung der regulatorischen Eigenmittelanrechnung des Einzelinstituts die aus der Differenz von Sammelbewertung und Einzelbewertung resultierenden buchhalterischen Verluste im Kapital für regulatorische Zwecke dem harten Kernkapital wieder zuzurechnen (regulatorischer Filter).» Siehe auch: Expertenbericht Birchler (2024), S. 6 ff.
6⁴8 Schreiben der FINMA an die PUK vom 9.9.2024
6⁴9 FINMA (2023): Lessons-learned aus der CS-Krise, S. 64.
65⁰ FINMA (2023): Lessons-learned aus der CS-Krise, S. 64; schriftliche Antworten vom 5.4.2024 an die PUK. Durch die Umstrukturierung sollten insbesondere Risiken (risikogewichtete Aktiven) im UK reduziert werden und damit Kapital-Repatriierungen aus UK-Töchtern in die Parent Bank in die Schweiz zwecks Stärkung des Schweizer Stammhauses ermöglicht werden. Weiter wurde durch den Filter ermöglicht, dass der (im Vergleich zum Buchwert) hohe Marktwert der neu vom Stammhaus separierten Tochtergesellschaft Credit Suisse Schweiz AG (gemäss Vorgaben der Schweizer TBTF-Regulierung) weiterhin ökonomisch berücksichtigt werden konnte. Ansonsten wäre die Bank faktisch kapitalmässig für die Verbesserung ihrer Gruppenstruktur zur Umsetzung des Schweizer Notfallplans bestraft worden (Stellungnahme vom 24.7.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation).
65¹ Revidierte TBTF-Verfügung der FINMA vom 20.10.2017 in Sachen Credit Suisse, Dispositivziffer 17: «Ein von der FINMA eingesetzter Prüfbeauftragter prüft auf Kosten der Credit Suisse AG die Plausibilität der dem regulatorischen Filter zugrundeliegenden Bewertungen der Beteiligungen im Zeitpunkt der Umstellung auf die Einzelbewertung. Die FINMA kann danach jederzeit eine erneute Prüfung durch einen Prüfbeauftragten auf Kosten der Credit Suisse AG anordnen».
65² Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 32f.; Schreiben der FINMA an die PUK vom 10.1.2024.
65³ Schreiben der FINMA an die PUK vom 10.1.2024; revidierte TBTF-Verfügung der FINMA vom 20.10.2017 in Sachen Credit Suisse, Dispositivziffer 18/19.
65⁴ «Grossbanken: Neues Kapitalregime für die Behandlung von Beteiligungen und Stand der Notfallplanung», Medienmitteilung der FINMA vom 27.10.2017.
65⁵ «Grossbanken: Neues Kapitalregime für die Behandlung von Beteiligungen und Stand der Notfallplanung», Medienmitteilung der FINMA vom 27.10.2017.
6⁵6 Bericht des Bundesrates vom 28.6.2017 zu den systemrelevanten Banken ( BBl 2017 4847 , hier 4862)
6⁵7 Gemäss den Übergangsbestimmungen in Art. 148 i ERV gehen die von der FINMA vor Inkrafttreten der Änderung vom 21. November 2018 im Einzelfall verfügten Übergangsregelungen zur Behandlung von Beteiligungen den Bestimmungen von Artikel 32 Buchstabe j und des Anhangs 4 vor.
6⁵8 Schreiben der FINMA an die PUK vom 9.9.2024; Schreiben des SIF an die PUK vom 19.9.2024. Dass der CS ein regulatorischer Filter gewährt wurde, ist aber eine institutsspezifische Erleichterung.
6⁵9 Bankenregulierung - Beteiligungsabzug gemäss Art. 125 ERV, interne Notiz des SIF vom 27.11.2017.
66⁰ Erläuterungen des EFD vom 21.11.2018 zur Änderung der Eigenmittelverordnung, S. 10
66¹ Für weitere Informationen siehe auch Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 ), insb. Kap. 7.3.2.2.
66² Brief der FINMA an das SIF vom 16.2.2017; Brief der FINMA an das SIF vom 15.3.2017; Schreiben der FINMA an die PUK vom 14.6.2024.
66³ Schreiben der SNB an die FINMA vom 10.10.2017, S. 3
66⁴ Sitzungsprotokoll der PUK vom 13.11.2024, S.36-37. Die Kapitalsituation der CS blieb aber weiterhin Thema der Diskussionen zwischen der FINMA und der SNB, siehe Kap. 5.5.2.
66⁵ Schreiben der FINMA an die PUK vom 14.6.2024
5.3.3.3 Folgen des regulatorischen Filters für die Credit Suisse
Funktionsweise des regulatorischen Filters
Eine Beteiligung kann verschieden ausgewiesen werden: historisch nach Buchwerten oder aktuell nach Marktwerten ( Fair Value ). 66⁶ Buchwerte sind grundsätzlich statisch und werden selten angepasst; Marktwerte sind eher aktuell, aber auch volatil. 6⁶7 Wenn der Marktwert einer Beteiligung höher ist als ihr Buchwert, ist eine Beteiligung (ökonomisch gesehen) unterbewertet. Wenn der Marktwert tiefer ist als der Buchwert, ist sie überbewertet. Wie oben beschrieben, wären beim Übergang zur Einzelbewertung nach dem geltenden Niederstwertprinzip 6⁶8 die unterbewerteten Beteiligungen weiterhin zum bisherigen Buchwert bewertet worden. Die bis anhin überbewerteten Beteiligungen hätten aber neu zu den unter den bisherigen Buchwerten liegenden Marktwerten bewertet werden müssen. Dies hätte für die CS AG (Parent Bank) den ausgewiesenen Wert der Beteiligungen - und damit die regulatorischen Eigenmittel - um mehrere Milliarden Franken vermindert. 6⁶9 Die Folge wäre gewesen, dass die CS sich innert kurzer Frist Kapital in dieser Höhe hätte beschaffen müssen, um eine gleichbleibende Kapitalisierung ausweisen zu können. 67⁰ Dies wäre in einer Zeit erforderlich geworden, in der die CS bereits für ihre generelle Restrukturierung und Neuausrichtung substanzielle Kapitalerhöhungen durchgeführt hatte (2015: 4,7 Mrd. Fr., 2017: 4,0 Mrd. Fr.). Die FINMA führte im Jahr 2017 den sogenannten regulatorischen Filter ein, um einen Rückgang der ausgewiesenen Eigenmittel der CS beim Übergang zur Einzelbewertung zu vermeiden (zu den Hintergründen hierzu siehe Kap. 5.3.3.1 und 5.3.3.2). Der Filter wurde von der FINMA 2017 gewährt, 67¹ aber die CS nutzte ihn effektiv erst ab dem vierten Quartal 2019, als sie ihre Rechnungslegung zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2019 auf die Einzelbewertung umstellte. 67² Vorher brauchte sie den Filter also faktisch nicht. 67³
Aus Sicht der PUK ist vor allem die Wirkung des Filters von Interesse. In der Krise war die Verwundbarkeit der Gruppe unter anderem auch auf die geringe Eigenkapitalausstattung der Credit Suisse AG, der Parent Bank, zurückzuführen, da der Wert ihrer Beteiligungen an den Tochtergesellschaften durch deren schlechten Geschäftsgang stark gesunken war. 67⁴ Dank dem regulatorischen Filter änderte die Umstellung auf Einzelbewertungen weder die geforderten noch die ausgewiesenen Eigenmittel der Parent Bank Credit Suisse AG. Der Filter wirkte sich hingegen auf die regulatorische Eigenkapitalquote aus, da die automatische Verringerung des anrechenbaren Eigenkapitals aufgrund der geänderten Rechnungslegungsvorschriften durch diesen teilweise neutralisiert wurde. Laut FINMA war der regulatorische Filter wirtschaftlich gerechtfertigt, da durch die Einzelbewertung im Rahmen der Rechnungslegung keine Vermögenswerte vernichtet wurden und somit auch die ökonomische Substanz des Eigenkapitalwerts gewahrt blieb. 67⁵
Die PUK hat einen Experten beauftragt, um die Auswirkungen des regulatorischen Filters auf die Credit Suisse AG zu analysieren und zu beziffern. Die Ergebnisse sind im Expertenbericht ausgewiesen. 67⁶ Nachfolgend werden die Haupterkenntnisse aus Sicht der PUK wiedergegeben.
Mit dem 2017 verfügten regulatorischen Filter wurde vermieden, dass der Übergang zur Einzelbewertung die Eigenmittelanforderungen verschärfte. ⁶77 Er wirkte sich nur auf der regulatorischen Ebene aus und griff nicht in die Rechnungslegung ein. ⁶78 Der Filter erlaubte es, die Differenz zwischen den Buchwerten und den (tieferen) Marktwerten ( Fair Value ) der überbewerteten Beteiligungen an Finanztochtergesellschaften bei der Ermittlung der CET1-Quote weiterhin als regulatorische Eigenmittel auszuweisen (siehe Abbildung 5). Somit wurde statt dem Niederstwert der höhere der beiden Werte gezählt. Der regulatorische Filter erlaubte dies aber nur, sofern gleichzeitig andere Beteiligungen um mindestens denselben Betrag unterbewertet waren. Er schirmte somit die ausgewiesenen Eigenmittel gegenüber Marktwertverlusten ab. ⁶79
Abbildung 5: Der regulatorische Filter
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Quelle: angepasste Abbildung aus dem Expertenbericht Birchler (2024), S. 5.
Bei seiner Konzeption im Jahre 2017 wurde der Effekt des Filters von der FINMA auf ca. 8 Milliarden Franken geschätzt. Bei der erstmaligen Anwendung per Ende 2019 wies die CS AG den Effekt des Filters aber mit 15,3 Milliarden Franken aus. 68⁰
Die erstmalige Anwendung des Filters im vierten Quartal 2019 zeigt keinen namhaften Unterschied zwischen den vorher und nachher ausgewiesenen Eigenmitteln (CET1) oder der vorher und nachher ausgewiesenen Capital Ratio der CS AG (siehe Tabelle 9). Die Capital Ratio stieg vom dritten zum vierten Quartal 2019 leicht an, von 12,4 auf 13,5 %. Der Anstieg ist jedoch auf die ordentliche Geschäftstätigkeit der Bank zurückzuführen und steht in keinem Zusammenhang mit dem regulatorischen Filter. 68¹ Der Experte kommt diesbezüglich zum Schluss, dass der Filter zum Zeitpunkt seiner Einführung (2019) das Ziel der Neutralisierung der neuen Rechnungslegung erreichte: Der Übergang von der Sammel- zur Einzelbewertung der Beteiligungen änderte dank dem regulatorischen Filter die ausgewiesene Eigenmittelquote der CS AG kaum.
Tabelle 9: Niveaueffekt der Einführung des regulatorischen Filters
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Quelle: CS subsidiaries, Regulatory Disclosures: CS AG (parent), Key prudential metrics; CS Pillar III Disclosures. Tabelle aus dem Expertenbericht Birchler (2024), S. 11.
Wirkung des Filters auf die Eigenmittel der CS AG
Die CS publizierte jedes Quartal Zahlen zum Impact des regulatorischen Filters in ihren «Regulatory Disclosures»-Berichten. Die genannten Zahlen wurden nicht zusammen mit den anderen wichtigen Zahlenangaben in der Tabelle «Schweizer Kapitalanforderungen und -kennzahlen» präsentiert, sondern in Textform formuliert. 68² Zum Beispiel ist dem «Regulatory Disclosure»-Bericht für das vierte Quartal 2022 der CS zu entnehmen, dass der CET1-Kapital-Impact 14,5 Milliarden Franken betrug. Dabei handelte es sich um den Betrag, welcher aufgrund des Filters dem CET1-Kapital der CS AG angerechnet werden konnte. Diese Zahl zeigt jedoch nur einen Teil der Auswirkungen des regulatorischen Filters. Der regulatorische Filter führte auch zu höheren risikogewichteten Aktiven. Um den Umfang des regulatorischen Filters zu beurteilen, müssen beide Effekte in Betracht gezogen werden: Durch den Filter entstanden sowohl höhere risikogewichtete Aktiven (+35,7 Mrd. Fr. per 31.12.2022) wie auch ein höheres CET1 (+14,5 Mrd. Fr. per 31.12.2022). 68³
Gemäss dem Experten blieb der regulatorische Filter in der Periode 2019 bis 2022 im Endeffekt ziemlich stabil (siehe Tabelle 10). Die ausgewiesenen Eigenmittel der CS AG in Form von hartem Kernkapital (CET1) hingegen gingen, ohne Filter gerechnet, aufgrund des schlechten Geschäftsgangs ab dem dritten Quartal 2021 deutlich zurück. 68⁴ Der Filter konnte diesen Rückgang dank den noch bestehenden Wertreserven zum Teil auffangen; die Capital Ratio (CET1/RWA) mit Filter blieb über 10 % und damit noch über den Gesamtanforderungen gemäss ERV. Ohne den Filter wäre die Capital Ratio bis Herbst 2022 auf knapp 5 % und damit klar unter die Gesamtanforderungen gemäss ERV gefallen. 68⁵ Dank dem Filter konnte die CS aber bis zum Schluss genügende Eigenmittel ausweisen. 68⁶
Weiter bewirkte der Rückgang des harten Kernkapitals einen zunehmenden Anteil des Filters an den gesamten Eigenmitteln. Im dritten Quartal 2022 betrug dieser Anteil sogar über 50 %. ⁶87
Tabelle 10: Eigenmittelentwicklung bei der CS AG mit und ohne regulatorischen Filter
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Quelle: CS subsidiaries, Regulatory Disclosures: CS AG (parent), Key prudential metrics; CS Pillar III Disclosures. Tabelle aus dem Expertenbericht Birchler (2024), S. 12.
Der Experte kommt zum Schluss, dass die CS AG ohne den Filter ab 2021 leicht und ab 2022 klar unterkapitalisiert gewesen wäre. Gemäss dem Lessons-learned-Bericht der FINMA wurden die Vorgaben der Eigenmittelverordnung aufgrund der Erleichterungen und des Übergangsregimes immer eingehalten. ⁶88 Dabei weist die FINMA nicht aus, dass die CS AG ab 2021 ohne Filter unter den Mindestanforderungen gelegen wäre. ⁶89
Prüfung durch eine Drittfirma und Reaktion der FINMA
Wie unter Kap. 5.3.3.2 dargelegt, machte die FINMA die Anwendung des Filters bei seiner Einführung abhängig vom Einholen einer Zweitmeinung zum Wert der Beteiligungen des Stammhauses der CS. Sie beauftragte deshalb zweimal die Prüfgesellschaft BDO - per Ende 2019 und per Mitte 2021 -, die Bewertung der Beteiligungen durch die CS zu überprüfen. Die Prüfgesellschaft fand in beiden Fällen eine substanzielle Überschätzung der Marktwerte durch die CS AG. Die FINMA stützte die Bewertung durch die Prüfgesellschaft und limitierte jeweils die maximalen Fair Values, welche die CS AG für das gesamte Beteiligungsportfolio bei der Herleitung des Filters anrechnen durfte. Aufgrund der ersten Prüfung von BDO bezifferte die FINMA gegenüber der CS den zulässigen Filter auf 6,1 Milliarden Franken. Diese Summe war 9,2 Milliarden Franken tiefer als der von der CS per Ende 2019 geltend gemachte Betrag von 15,3 Milliarden Franken. Die FINMA limitierte dementsprechend die per zweitem Quartal 2020 anrechenbaren Fair Values auf 70,4 Milliarden Franken (statt 79,6 Milliarden). Da die CS AG im ersten Halbjahr 2020 parallel bereits Anpassungen bei den Fair Values und den Buchwerten vorgenommen hatte, die einen Einfluss auf den Wert des Filters hatten, lag der Effekt des regulatorischen Filters schliesslich per zweitem Quartal 2020 bei 12,9 Milliarden Franken. 69⁰ Durch den gleichen Mechanismus (zeitliche Verzögerung zwischen dem Stichtag für die Prüfbasis und der Berichterstattung der BDO, bereits vorgenommene Wertkorrekturen durch die Bank) lassen sich gemäss der FINMA auch die Auswirkungen auf die Höhe des Filters nach dem zweiten BDO-Bericht per Mitte 2021 erklären. 69¹
Information des Verwaltungsrates der FINMA
Gemäss der Stellungnahme des ehemaligen FINMA-Direktors im Rahmen der Verwaltungskonsultation wurde der Verwaltungsrat quartalsweise und in vertiefter Form über Entwicklungen bei beiden Grossbanken anhand von regelmässigen Treffen mit der Führungsebene der Banken informiert. Die Kapitalisierung des Stammhauses der CS war regelmässig Gegenstand bei diesen Berichterstattungen. Der Verwaltungsratspräsident bzw. die Verwaltungsratspräsidentin hatte vollen Zugang zu den Geschäften der Geschäftsleitung. 69² Jedoch wurde der Verwaltungsrat der FINMA laut dessen Präsidentin nicht ausreichend über die Existenz und die Folgen des regulatorischen Filters informiert. 69³ Dem Verwaltungsrat wurden zum regulatorischen Filter keine Geschäfte zur Kenntnisnahme oder zur Entscheidung vorgelegt. Erstmals wurden die Quantifizierung und die Auswirkungen des Filters dem Verwaltungsrat von der Geschäftsleitung 2022 im Rahmen der 2021 vom Verwaltungsrat eingeführten Fokusthemen präsentiert. 69⁴ Der Filter sei zwar nicht die Ursache des Problems gewesen. Aber wenn eine Bank mit einem solchen Filter in Schwierigkeiten sei, werde die Problemlösung erschwert, weil durch eine Restrukturierung die Delle noch akzentuierter ausfallen würde. 69⁵ Mit anderen Worten: Eine grosse Restrukturierung würde aufgrund der anfallenden Kosten eine allfällige Kapitalknappheit verschärfen. Auch betonte die FINMA gegenüber der Kommission, dass die Gewährung des regulatorischen Filters in keinem Zusammenhang mit der später erforderlichen Notfusion der CS mit der UBS stehe. 69⁶
66⁶ Unter «Buchwert» verstehen wir in Anlehnung an den Expertenbericht Birchler den Wert, der in der Bilanz steht (häufig entspricht er dem Anschaffungswert, siehe Glossar im Expertenbericht). Der Begriff «Fair Value» schliesst die beste Schätzung bei jenen Vermögenswerten ein, für die es keinen Markt gibt. Aus Gründen des Verständnisses und der Lesbarkeit wird der Begriff «Marktwert» in diesem Bericht als Synonym für «Fair Value» verwendet.
6⁶7 Expertenbericht Birchler (2024), S. 3 f.
6⁶8 Das Niederstwertprinzip verlangt aus Gründen der Vorsicht die Bewertung zum minderen der beiden Werte.
6⁶9 2017 wurde der Effekt auf 8 Mrd. Fr. eingeschätzt. Bei der effektiven Anwendung des Filters (2019) betrug der Effekt 15 Mrd. Fr.
67⁰ Regulatorische Anforderungen sind eine Minimalgrösse. Die CS AG wies per Ende 2019 eine CET1-Capital-Ratio von 13,5 % aus, bei einem regulatorischen Erfordernis von 10,1 %. Sie verfügte also über einen Puffer von rund 13 Mrd. Fr. über den regulatorischen Gesamtanforderungen, die den Kapitalmehrbedarf eingeschränkt hätten (Stellungnahme der FINMA vom 25.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation).
67¹ Revidierte TBTF-Verfügung der FINMA vom 20.10.2017 in Sachen Credit Suisse
67² Brief der FINMA an die CS vom 27.7.2020, S. 2
67³ Die Eigenmittelanforderungen und die Risikogewichte galten gemäss revidierter TBTF-Verfügung schon vor dem dritten Quartal 2019. Siehe Regulatory Disclosures Berichte der CS.
67⁴ FINMA (2023): Lessons-learned aus der CS-Krise, S. 7 und 64 ff.
67⁵ Schreiben der FINMA an die PUK vom 10.1.2024
67⁶ Expertenbericht Birchler (2024)
⁶77 Dies wurde erreicht, indem der Filter bei seiner Einführung die prudenzielle Bewertung der Eigenmittel der CS von ihrer buchhalterischen Bewertung abtrennte. Siehe Expertenbericht Birchler (2024), S. 8.
⁶78 Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 34
⁶79 Für eine detaillierte Erklärung der Funktionsweise des Filters siehe Expertenbericht Birchler (2024), S. 8 ff.
68⁰ Brief der FINMA an die CS vom 27.7.2020; Expertenbericht Birchler (2024), S. 11.
68¹ Stellungnahme der FINMA vom 25.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
68² Diese « Regulatory Disclosures »-Berichte finden sich unter https://www.ubs.com/global/ en.html > About us > Investor relations > Complementary financial information > Holding company and significant regulated subsidiaries and sub-groups > Archive (Credit Suisse Group) (Stand: 10.12.2024). Konkret wurden die Zahlen zum regulatorischen Filter im Kapitel «Swiss Capital Metrics - Bank parent company» unter «FINMA decrees» veröffentlicht.
68³ Schreiben der FINMA an die PUK vom 1.7.2024
68⁴ Die sprunghafte Verbesserung im vierten Quartal 2022 ist Folge einer Kapitalerhöhung von 4 Mrd. Fr. Siehe FINMA (2023): Lessons-learned aus der CS-Krise, S. 58.
68⁵ Expertenbericht Birchler (2024), S. 11-13. Gemäss Art. 130 Abs. 3 ERV kann der Eigenmittelpuffer bei Verlusten der Bank vorübergehend unterschritten werden. Die FINMA hat im Rahmen der Verwaltungskonsultation folgende Formulierung eingebracht: «Ohne den Filter wäre die Capital Ratio bis Herbst 2022 knapp auf 5 % und damit klar in den Eigenmittelpuffer gefallen».
68⁶ Expertenbericht Birchler (2024), S. 13
⁶87 Expertenbericht Birchler (2024), S. 12. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Credit Suisse bereits die Kapitalerhöhung über 4 Mrd. Fr. geplant (und zusammen mit der Veröffentlichung der Resultate des dritten Quartals 2022 kommuniziert). Stellungnahme der FINMA vom 25.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
⁶88 FINMA (2023): Lessons-learned aus der CS-Krise, S. 61.
⁶89 Die FINMA betonte gegenüber der PUK, dass der regulatorische Filter einem werthaltigen Aktivum entsprochen habe und deshalb im Eigenkapital berücksichtigt werden konnte. Deshalb habe keine Unterkapitalisierung vorgelegen (Stellungnahme der FINMA vom 25.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation).
69⁰ Schreiben der FINMA an die PUK vom 15.11.2024. Gemäss dem Expertenbericht Birchler (2024), S. 16-19, waren die Massnahmen der FINMA nicht ausreichend. Die CS habe die entsprechenden Berichtigungen kaum vorgenommen. Die FINMA widerspricht diesbezüglich dem Experten (Stellungnahme der FINMA vom 25.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation): «Es gab sowohl im 2020 sowie auch im 2022 wesentliche Eingriffe der FINMA, welche nicht korrekt erfasst und abgebildet wurden. Die Haltung der FINMA betreffend Werthaltigkeit des Filters war deutlich strenger und eingreifender, als es das Gutachten darstellt: a) Bereits mit Schreiben vom 27. Juli 2020 verlangte die FINMA, dass die anrechenbaren Fair Values, welche die CS AG im Rahmen des Filters für das Beteiligungsportfolio anrechnen durfte, auf max. CHF 70.4 Mrd. limitiert werden. Die CS AG wies in ihrem Säule 3 Offenlegungsbericht im 2. Quartal 2020 Carrying Values von CHF 80.2 Mrd. aus. Diese Limitierung war ab dem 2. Quartal 2020 anwendbar. b) Mit Schreiben vom 13. Januar 2022 verlangte die FINMA, dass die anrechenbaren Fair Values, welche die CS AG im Rahmen des Filters für das Beteiligungsportfolio anrechnen durfte, auf max. CHF 55.5 Mrd. limitiert werden. Die CS AG wies in ihrem Säule 3 Offenlegungsbericht im 4. Quartal 2021 Carrying Values von CHF 62.4 Mrd. aus. Diese Limitierung war ab dem 4. Quartal 2021 anwendbar. Beide Massnahmen hatten somit einen signifikanten Einfluss auf die Eigenmittelsituation der CS AG im Umfang von mehreren Milliarden Schweizer Franken. Dieser Mechanismus wurde im Expertenbericht nicht, respektive zum Teil falsch dargestellt. Es ist somit nicht korrekt, dass die FINMA nach dem ersten Bericht keine Massnahmen ergriffen hätte».
69¹ Die PUK erkundigte sich bei der FINMA, ob sie die Erkenntnisse der BDO an die von der CS mandatierte Prüfgesellschaft (PwC) für die jährlichen Prüfungen weitergeleitet habe. Die FINMA bestätigte dies mit Brief vom 18.11.2024. Die FINMA hielt fest, dass sie die Prüfgesellschaft über die erste Prüfung (Prüfbericht vom 4.6.2020) informiert habe. Den zweiten Prüfbericht vom 3.11.2021 habe sie der Prüfgesellschaft zur Verfügung gestellt.
69² Stellungnahme vom 25.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
69³ Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 39
69⁴ Heute würde dem Verwaltungsrat ein solcher Sachverhalt zeitnah von der Geschäftsleitung im Rahmen der Fokusthemen, welche 2021 eingeführt wurden, zur Kenntnis gebracht. Unter diesem Titel informiert die Geschäftsleitung an jeder Verwaltungsratssitzung prospektiv über potenziell für den Verwaltungsrat relevante Themen (Schreiben der FINMA an die PUK vom 14.6.2024).
69⁵ Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 39
69⁶ Schreiben der FINMA an die PUK vom 14.6.2024
6¹8 Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, S. 68.
6¹9 Verfügung der FINMA vom 20.10.2017 in Sachen Credit Suisse AG, Paradeplatz 8, 8001 Zürich betreffend Eigenmittelanforderungen der Credit Suisse AG (Einzelinstitut), Dispositivziffer 46a ( im Folgenden : revidierte TBTF-Verfügung der FINMA vom 20.10.2017 in Sachen Credit Suisse). Siehe auch Birchler, Urs (2024): Auswirkungen des regulatorischen Filters auf die Credit Suisse. Bericht vom 12.11.2024 im Auftrag der PUK, S. 6.
5.3.4 Analyse der Strukturen, Ressourcen und Kompetenzen der FINMA im internationalen Vergleich
Im Zusammenhang mit der Einordnung der mikroprudenziellen Aufsicht der FINMA hat die PUK ein externes Gutachten zum Vergleich der Strukturen, Ressourcen und Kompetenzen der schweizerischen und ausländischen Aufsichtsbehörden vergeben. Das Gutachten von Lea Hungerbühler basiert auf öffentlich zugänglichen Berichten unter anderem des IWF, des BCBS und des FSB (siehe Kap. 4.1.1). Die Ergebnisse dieses Gutachtens lassen sich wie folgt zusammenfassen:
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Prinzipiell wird die FINMA in den analysierten Quellen als Behörde beschrieben, welche mit kompetenten Mitarbeitenden und operationeller Autonomie ein stabiles und kompetitives Finanzsystem fördert. ⁶97
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Die personellen Ressourcen der FINMA ⁶98 werden generell als ausreichend eingestuft. In zwei Bereichen (G-SIB und Recovery Planning) sind die personellen Ressourcen gemäss den analysierten Quellen zu gering. ⁶99
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Der Rückgriff auf Prüfgesellschaften, die von den Banken beauftragt und vergütet werden, wird in den analysierten Quellen kritisch gewürdigt (siehe Kap. 5.4). In diesem Zusammenhang werden verschiedene Stossrichtungen für Verbesserungen erwähnt: einerseits die Mandatierung der Prüfgesellschaften durch die FINMA und andererseits die Durchführung vermehrter Vor-Ort-Kontrollen. 70⁰
Die Gutachterin identifiziert hinsichtlich der Kompetenzen der FINMA Divergenzen im Vergleich zu internationalen Standards, internationalen Best Practices und ausländischen Regelungen:
-
Der Schweizer Rechtsrahmen für Entschädigungssysteme gilt aktuell als vereinbar mit internationalen Vorgaben. Dennoch sind gewisse Defizite zu verorten. 7⁰1
-
Der IWF empfiehlt, dass der FINMA zusätzliche Kompetenzen hinsichtlich der Mitglieder von Leitungsorganen und des Managements von Banken zukommen sollten, zum Beispiel durch Einführung eines Senior Management Regimes (d. h. eines unternehmensweiten Verantwortlichkeitsdokuments). 7⁰2
-
Weiter fehlt es im geltenden Recht gemäss den analysierten Quellen an Klarheit über die Frühinterventionsmöglichkeiten der FINMA. Dies betrifft beispielsweise die Kompetenz, Dividendenausschüttungen einzuschränken. Durch die Einführung konkreter Trigger für spezifische Interventionen der FINMA könnte der Ermessensspielraum der FINMA spezifiziert werden. 7⁰3
-
Im Gegensatz zu den Behörden in den anderen analysierten Jurisdiktionen verfügt die FINMA nicht über die Kompetenz, gegenüber Instituten oder Einzelpersonen Bussen auszusprechen. 7⁰4
Über diese Gutachtensergebnisse hinaus hat sich die PUK anlässlich der Anhörung der Vertretungen der CS und der UBS nach der Aussenwirkung der FINMA im Vergleich zu ausländischen Aufsichtsbehörden erkundigt. Die Antworten deuteten darauf hin, dass die FINMA im Vergleich zu ausländischen Behörden gegenüber Banken weniger stark auftritt. 7⁰5 Zudem sei die Akzeptanz der SNB auf internationaler Ebene höher als diejenige der FINMA. 7⁰6 Schliesslich gebe es auf der Ebene des Personalkörpers der FINMA Verbesserungsbedarf: Erstens sei die FINMA kompetent, aber unterbesetzt, 7⁰7 und zweitens fehle es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der FINMA teilweise an Erfahrung. 7⁰8 Dies sei nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Anstellungsbedingungen bei der FINMA wesentlich weniger attraktiv ausgestaltet seien als etwa bei der SNB. 7⁰9 Es wurde aber auch gesagt, dass die FINMA Regeln nicht schematisch auferlege. 71⁰
⁶97 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 23. Gemäss Bericht werfen die analysierten Quellen auch Grundsatzfragen auf zum Umfang des Mandats der FINMA (Stärkung des Ansehens, der Wettbewerbsfähigkeit und der Zukunftsfähigkeit des Finanzplatzes als Zweck der Aufsichtsbehörde) sowie zur Kompetenz der FINMA, Verfügungen, Wegleitungen und Rundschreiben zu erlassen bzw. zu veröffentlichen.
⁶98 Diese bestehen aus einem Aufsichtsteam pro Grossbank (mit je sechs Vollzeitstellen), einem Team für Vor-Ort-Kontrollen (fünf Vollzeitstellen), rund vierzig Vollzeitstellen aus dem Geschäftsbereich Banken, sieben Vollzeitäquivalenten aus dem Geschäftsbereich Recovery and Resolution und rund acht Vollzeitäquivalenten aus dem Geschäftsbereich Enforcement (Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 24).
⁶99 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 24 f., 30
70⁰ Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 25
7⁰1 Aktuell sind die Vorschriften betreffend die Corporate Governance im Gesellschaftsrecht, in der Selbstregulierung und in FINMA-Rundschreiben zu finden. Dadurch seien die Interventionsmöglichkeiten der FINMA bei den variablen Vergütungen für Bankmitarbeitende sowie beim Whistleblowing im Vergleich mit anderen Ländern beschränkt. Im Bereich der variablen Vergütungen würden im internationalen Vergleich insbesondere Rechtsgrundlagen fehlen, die einen « claw back » (Rückforderung bereits bezahlter Vergütungen) erlauben würden (Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 26 f.).
7⁰2 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 27
7⁰3 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 28
7⁰4 Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 29
7⁰5 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 10; Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 42. In diesem Zusammenhang wurde auch erwähnt, dass es der FINMA an Aufsichtsinstrumenten fehle (Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 43).
7⁰6 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 10
7⁰7 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 42; Schriftliche Antworten an die PUK vom 11.4.2023.
7⁰8 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 82. Ein leitender Bankenmitarbeiter wies darauf hin, dass eine Schwierigkeit für die FINMA darin bestehe, dass sie einen kleineren Finanzplatz überwache und entsprechend die Beaufsichtigten weniger gut miteinander vergleichen könne (Schriftliche Antworten an die PUK vom 11.4.2023).
7⁰9 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 82
71⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 10.4.2024, S. 6 f.
5.4 Aufsichtstätigkeit der RAB und der FINMA über die Revisionsgesellschaften
Die RAB und die FINMA spielen bei der Aufsicht über den Finanzsektor in der Schweiz unterschiedliche, aber sich ergänzende Rollen. Die RAB beaufsichtigt Prüfgesellschaften (3.5.3), die FINMA Banken (3.5.2).
Eine Besonderheit des dualen Aufsichtssystems in der Schweiz ist, dass die zu prüfenden Institute die sie prüfende Revisionsgesellschaft selbst auswählen und diese dann auch entschädigen. Dieses System hat Vorteile hinsichtlich Effizienz und Zugang zu spezialisiertem Fachwissen, birgt aber auch die Gefahr von Interessenkonflikten. Revisionsgesellschaften können theoretisch einen Anreiz haben, die von ihnen geprüften Institute zu schonen, um ihr Prüfmandat zu behalten - dies insbesondere auch deshalb, weil die Schweiz im Gegensatz zur EU keine Rotationspflicht der Revisionsgesellschaften kennt (Kap. 5.2.8). 71¹
Dieses Kapitel beschreibt die Prüftätigkeit der RAB und der FINMA gegenüber den Revisionsunternehmen und Revisionsgesellschaften der CS zwischen 2015 und 2022. Es wird ausgeführt, wie die RAB die Qualität der Prüfleistungen der Revisionsgesellschaften sicherstellte und wie die FINMA die Prüfstrategie festlegte. Das Kapitel ist in drei Unterkapitel unterteilt: Aufsicht durch die RAB (Kap. 5.4.1), Definition der Prüfstrategie durch die FINMA (Kap. 5.4.2) und Interaktion zwischen der RAB und der FINMA (Kap. 5.4.3).
Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich grossmehrheitlich auf zwei von der PUK extern vergebene Aufträge: den Expertenbericht «Internationaler Rechtsvergleich zur Regulierung der Revisionsaufsicht» vom 24. Mai 2024 und den Untersuchungsbericht «Aufsicht der RAB über die Revisionsstelle der Credit Suisse» vom 18. Juli 2024. Das Kapitel enthält eine Zusammenfassung der wichtigsten Schlussfolgerungen der beiden Berichte. Für die detaillierten Ergebnisse wird auf die beiden Berichte selber verwiesen, die zeitgleich mit dem PUK-Bericht veröffentlicht wurden.
5.4.1 Aufsicht durch die RAB
Die Revision ist von zentraler Bedeutung, um die Transparenz der Banken und die Einhaltung der Finanzmarktregeln zu gewährleisten. Die RAB ist laut ihrem Auftrag (Art. 1 RAG) für die Zulassung und Beaufsichtigung von Personen zuständig, die Revisionsdienstleistungen erbringen. Sie trägt so zum Anlegerschutz und zur Zuverlässigkeit der Finanzberichterstattung bei. 7¹2
Die RAB hat insbesondere dafür zu sorgen, dass bei der Revision die anwendbaren Standards zur Prüfung und Qualitätssicherung, die Vorgaben der FINMA und die Finanzmarktgesetze eingehalten werden. Sie hat den Auftrag sicherzustellen, dass die Revisionen von hoher Qualität, unabhängig und professionell sind, und so das Vertrauen in das Finanzsystem zu fördern (siehe Kap. 3.4). 7¹3 Im Folgenden wird erläutert, wie die RAB ihre Aufsichtsfunktion zwischen 2015 und 2022 ausgeübt hat.
Die Überprüfung der Revisionsunternehmen ist das Hauptinstrument, das der RAB zur Beaufsichtigung dieser Gesellschaften zur Verfügung steht. Mindestens alle drei Jahre unterzieht die RAB die staatlich beaufsichtigten Revisionsgesellschaften einer eingehenden Prüfung. Bei dieser werden die Richtigkeit der Angaben in den Zulassungsunterlagen, die Einhaltung der rechtlichen Pflichten, der von ihr anerkannten Standards zur Prüfung und Qualitätssicherung, der Berufsgrundsätze, Standesregeln und gegebenenfalls des Kotierungsreglements, die Qualität der Revisionsdienstleistungen, die durch Stichproben ermittelt wird, sowie die Umsetzung der von der RAB erteilten Anweisungen überprüft. Bei Verdacht auf Verstösse gegen die rechtlichen Pflichten behält sich die RAB das Recht vor, unabhängig vom vorgesehenen Überprüfungszyklus zusätzliche Inspektionen durchzuführen. Sie erstellt zuhanden des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans der Revisionsgesellschaft einen schriftlichen Bericht über das Ergebnis der Inspektion (Art. 16 RAG). 7¹4
Die RAB spielt bei der Aufsicht über die Revisionsgesellschaften eine zentrale Rolle. Sie ist für die Ausarbeitung der internen Verfahren bei der Aufsicht zuständig und legt insbesondere die Prüfungsfrequenz fest. Bei den Prüfungen kann zwischen Rechnungsprüfungen (Financial Audits, FA) und Aufsichtsprüfungen (Regulatory Audits, RA) abgewechselt werden. 7¹5
Intern festgelegte Verfahren
Den Rahmen für die Prüfungstätigkeit der RAB bilden zwei unterschiedliche Aufsichtskonzepte: das RA vom 1. Januar 2015 und das FA vom 1. Januar 2020. Das RA konzentriert sich auf Aufsichtsprüfungen nach den Finanzmarktgesetzen, das FA auf die Rechnungsprüfung. Dabei wird jeweils zwischen zwei Prüfebenen unterschieden: der Firm Review und der File Review. 7¹6
Bei der Firm Review wird die Erfüllung der Zulassungsbedingungen sowie das Vorhandensein eines funktionierenden Systems zur Qualitätssicherung auf der Ebene der Revisionsgesellschaft geprüft. Bei der File Review wird auf der Ebene der einzelnen Mandate - wie z. B. des Mandats der CS - anhand von Stichproben geprüft, ob die anwendbaren Berufsstandards sowie die geltenden Vorschriften zur Qualitätssicherung eingehalten werden. Die RAB kann aufgrund von Risikoüberlegungen und -bewertungen entscheiden, welche Revisions- und Prüfmandate (Files) sie für die Inspektion auswählt. 7¹7
Die RAB arbeitet in Übereinstimmung mit ihren gesetzlichen und regulatorischen Kompetenzen interne Rundschreiben aus und veröffentlicht diese, um den Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit abzustecken. Neben den Rundschreiben liegen das Aufsichtskonzept Regulatory Audit und das Aufsichtskonzept Financial Audit vor, die präzisieren, dass der Umfang und die Schwerpunkte der Inspektionen von Faktoren wie der Grösse der Revisionsgesellschaft, der Grösse der geprüften Gesellschaften sowie von allfälligen Erfahrungswerten der RAB mit den einzelnen Revisionsgesellschaften abhängen. 7¹8
Der Entscheid, ob eine umfassende Inspektion oder eine alternierende Inspektion durchgeführt wird, also nur der Bereich FA oder RA geprüft wird, liegt grundsätzlich in der Kompetenz der Leitenden der beiden zuständigen Abteilungen. 7¹9
Ferner bezieht die RAB Standards in ihre Aufsichtstätigkeit ein. Zu den einschlägigen Standards für das FA und das RA zählen namentlich diejenigen der FINMA, des IAASB sowie die Empfehlungen des Committee of European Auditing Oversight Bodies (CEAOB) (siehe Kap. 4.1.2). Die RAB weist in ihren strategischen Zielen 2020-2023 zudem darauf hin, dass die internationalen Standards in der Schweiz laufend und unmittelbar umzusetzen sind. So wird laut dem von der PUK in Auftrag gegebenen Expertenbericht sichergestellt, dass sich die Schweiz im Bereich der Prüfungsaufsicht an die weltweit geltenden Best Practices hält. 72⁰
Kompetenzverteilung und Dokumentation der Inspektionen in der RAB
Gemäss einer RAB-Richtlinie 72¹ waren die CS-Prüfmandate jährlich zu inspizieren. Wie oben ausgeführt, liegt der Entscheid, ob eine umfassende oder eine alternierende Inspektion durchzuführen ist, in der Kompetenz der beiden für die FA und RA zuständigen Abteilungsleitenden der RAB. Die Untersuchungsbeauftragten der PUK stellten fest, dass dieser Entscheid nicht immer formell dokumentiert wurde. Obwohl die CS-Prüfmandate jährlich geprüft wurden, wird im von der PUK in Auftrag gegebenen Untersuchungsbericht die Stringenz des Entscheidprozesses infrage gestellt, da der Entscheid weder dokumentiert noch begründet werden muss. Mit anderen Worten: Zwar hat die RAB die interne organisatorische Flexibilität, um über den Umfang und die Modalitäten der Inspektionen zu entscheiden, doch bestehen aufgrund der fehlenden formellen Dokumentation der Entscheide Bedenken in Bezug auf die Transparenz und die Stringenz des Prozesses. 72²
Häufigkeit und Umfang der Inspektionen der Revisionsgesellschaften
Zwischen 2015 und 2022 inspizierte die RAB die CS-Prüfmandate jährlich. 7²3 Die Inspektion erfolgte in der Regel in einem Verfahren, in dem pro Jahr nur eine der Inspektionsarten FA oder RA durchgeführt wurde. Nur zweimal - in den Jahren 2015 und 2016 - fand eine umfassende Inspektion (FA und RA gleichzeitig) statt. Die Inspektionen der darauffolgenden Jahre waren alternierend: In den Jahren 2017, 2020 sowie 2021 wurde jeweils ein FA und in den Jahren 2018, 2019 sowie 2022 jeweils ein RA durchgeführt. 2023 fand dann wieder sowohl eine FA- als auch eine RA-Überprüfung des CS-Mandats statt. 7²4 Die Frequenz der Prüfungen und die Auswahl bei den File Reviews änderten sich angesichts der besonderen Situation der CS und der Feststellungen von KPMG und PwC nicht.
Qualität der Revisionen und Inspektionsprozesse der RAB
Die RAB überprüfte die Qualität der Revisionsdienstleistungen von KPMG und PwC im Beobachtungszeitraum 2015-2023 auf zwei Ebenen: der Unternehmensebene und der Ebene der spezifischen CS-Mandate. 7²5 Sie verfügte bei KPMG und PwC seit 2012 insgesamt 61 spezifische Massnahmen zur Verbesserung der Prüfqualität. Von diesen Massnahmen bezogen sich 38 generell auf die Prüfung von Banken, was die Prüfqualität des CS-Mandats indirekt beeinflusste, und 23 Massnahmen betrafen direkt das CS-Mandat. Darüber hinaus verfügte die US-Aufsichtsbehörde Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB) zusätzlich 15 Massnahmen. Im Laufe der Jahre nahm die Anzahl der Feststellungen und Massnahmen kontinuierlich ab, was gemäss der RAB auf eine verbesserte Einhaltung der Prüfqualität hinweist. 7²6
Auf Unternehmensebene stand bei den Inspektionen - im Einklang mit den internationalen Standards - jeweils das interne Qualitätssicherungssystem im Fokus. Bei den FA-Inspektionen der Jahre 2015, 2016 und 2017 wurden jährlich auf Stichprobenbasis die Themenblöcke gemäss dem International Standard on Quality Control 1 (ISQC 1) überprüft. Es sind dies die Führungsverantwortung für die Qualität der Praxis, relevante berufliche Verhaltensanforderungen, Annahme und Fortführung von Mandantenbeziehungen und bestimmten Aufträgen, Personalwesen, Auftragsdurchführung und Nachschau 7²7 . Die RA-Inspektionen der Jahre 2015, 2016 und 2019 basierten auf den Erkenntnissen der FA-Überprüfungen und hatten ebenfalls Qualitätssicherungsgrundsätze nach den Finanzmarktgesetzen und deren Einhaltung auf Unternehmensebene zum Gegenstand. 7²8
Die Prüfungen der CS-Mandate umfassten jährliche File Reviews , bei denen die Unabhängigkeit, die Planung von Abschlussprüfungen und die Konformität von Arbeitsunterlagen geprüft wurden. Im Bereich RA orientieren sich die Prüfstrategien an den Vorgaben der FINMA, während die RAB im Bereich der FA bei der Definition der Prüfstrategie über einen grösseren Ermessensspielraum verfügt. 7²9
Ergebnisse der Prüfungen: Feststellungen zur CS
Zwischen 2015 und 2022 führte die RAB zehn Überprüfungen der CS-Mandate von KPMG und PwC durch. Davon führten fünf Prüfungen zu Feststellungen, die Korrekturmassnahmen erforderten. Die Massnahmen fokussierten dabei primär auf die Schulung und Information der Revisionsteams. 73⁰ Die Hauptkritikpunkte waren:
-
2015 (RA): KPMG schätzte das Risiko im Zusammenhang mit 30 000 nicht abgeschlossenen Abklärungen im Rahmen der Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB) bei der CS nicht korrekt ein. Massnahme: Identifizierung und Evaluierung des Problems bei KPMG.
-
2018 (RA): Verstösse der Fondsleitung und Bewertungsfehler wurden von KPMG nicht ausreichend kritisiert. Massnahmen: Präzise interne Überprüfung der Mandate und Schulung der von KPMG eingesetzten Immobilienfachleute.
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2019 (RA): Unzureichende Stichproben bei der Bekämpfung von Verstössen gegen das GwG. Massnahme: Anpassung der Methoden von KPMG.
-
2022 (RA): Unangemessene Überwachung der GwG-Risiken auf Gruppenstufe bei PwC. Massnahme: Bessere Definition der Prüfverfahren und GwG-spezifische Schulung für die aufsichtsrechtliche Prüfung bei der CS.
Die Korrekturmassnahmen der RAB gegenüber KPMG und PwC fokussierten auf die kritische Grundhaltung der jeweiligen Revisionsgesellschaft, die notwendig ist, um Verstösse zu erkennen.
Wie oben ausgeführt, kam die RAB zum Schluss, die Prüfleistung lasse nicht den Schluss zu, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden, was unter Umständen striktere Massnahmen gerechtfertigt hätte. Die RAB verzichtete in der Folge auf weitere Massnahmen, weil aus ihrer Sicht die Vorgaben der FINMA nicht klar waren. Dieser Entscheid ist nachvollziehbar. Es stellt sich aber die Frage, weshalb diese Schlussfolgerung nicht zumindest zu einer Diskussion in der Geschäftsleitung geführt hat, um weitergehende Massnahmen zu prüfen. 73¹
In ihren jeweiligen Stellungnahmen zu den Feststellungen in den Inspektionsberichten erklärten sich sowohl KPMG als auch PwC mit den Schlussfolgerungen und den Massnahmen der RAB einverstanden. Allerdings enthielten die Stellungnahmen am Schluss einen Standardvorbehalt, wonach die Prüfgesellschaften angesichts der gemachten Feststellungen und Massnahmen der RAB keinen Anlass sahen, an ihrem Vorgehen und der Qualität ihrer Arbeit zu zweifeln. Die RAB teilte bei den Befragungen mit, diesen Standardvorbehalt nicht als Relativierung der Prüfgesellschaften, sondern als juristischen Haftungsausschluss zum Schutze vor zivilrechtlichen Klagen werten. Diese Antwort überzeugte die Untersuchungsbeauftragten der PUK nicht gänzlich, zumal solche Vorbehalte in den Stellungnahmen von KPMG und PwC zu den Inspektionsberichten der US-Aufsichtsbehörde PCAOB nicht vorkommen.
Überprüfung der Umsetzung der Korrekturmassnahmen und Nachkontrollen
Ein wesentlicher Aspekt einer wirkungsvollen Prüfung ist auch die konsequente Überprüfung, ob die empfohlenen Korrekturmassnahmen umgesetzt wurden. Die RAB stützte sich bei der Überprüfung der Umsetzung der Korrekturmassnahmen auf die «Richtlinie 1 - Dokumentation». Laut dieser Richtlinie erfolgt die Auswahl der zu überprüfenden Massnahmen nach Ermessen der oder des Teamleitenden und der oder des Leitenden der Abteilung FA bzw. RA. Die RAB nutzte für die Planung, Durchführung und Dokumentation ihrer Inspektionen eine Software mit dem Namen VISION. Diese umfasst den Bereich Implementation of Measures , in welchem Einschätzungen zur Massnahmenumsetzungen und Kommentare zu den einzelnen Massnahmen abgelegt sind.
Die Durchsicht dieses Bereichs der VISION-Software zeigte, dass für die RA eine weitaus deckende Prüfung der Massnahmenumsetzungen stattfand, während es für die FA keine Hinweise darauf gab, dass die Umsetzungen - wie von der RAB gegenüber den Untersuchungsbeauftragten dargelegt - stichprobenweise überprüft wurden. Diese Überprüfungen wurden also nicht immer konsequent durchgeführt. Auch wenn nicht alle Massnahmen den gleichen Stellenwert haben, wäre es zweckdienlicher, systematisch die Umsetzung aller Massnahmen zu überprüfen. Sollte die Überprüfung der Umsetzung einiger Massnahmen dennoch stichprobenartig erfolgen, so müsste dies gemäss den Untersuchungsbeauftragten der PUK begründet werden. 73²
Darüber hinaus würde die RAB auch über das Instrument der Nachkontrollen verfügen. Im Untersuchungszeitraum hat die RAB jedoch gegenüber den Prüfgesellschaften der CS keine Nachkontrollen durchgeführt. 73³
Keine Ad-hoc-Überprüfung bis 2023
Die RAB stützt sich bei ihren Ad-hoc-Überprüfungen auf die «Richtlinie 9 - Ad-hoc- Überprüfungen». Ob eine Ad-hoc-Überprüfung einzuleiten ist, entscheiden die Leitenden der Abteilungen FA und RA. In den Jahren 2015 bis 2022 wurde in Bezug auf die CS keine Ad-hoc-Überprüfung von KPMG bzw. PwC veranlasst. Die genannte Richtlinie sieht vor, dass Hinweisen zu mangelhafter Prüfleistung, wenn immer möglich, während der routinemässigen Inspektion nachgegangen werden soll. 7³4 Die RAB war aufgrund der Interaktionen mit der FINMA - und da kein Verdacht auf schwere Verletzungen vorlag - der Auffassung, dass es keine Hinweise gab, die eine Ad-hoc-Überprüfung gerechtfertigt hätten. 7³5 Obwohl die FINMA in den Jahren 2015, 2016 und 2019 die Prüfqualität von KPMG kritisierte, hielt die RAB ihr Vorgehen für korrekt - dies ungeachtet der zunehmend kritischen Situation, in der sich die CS befand. 7³6
Erst nach der Fusion der CS mit der UBS wurde eine Ad-hoc-Überprüfung für PwC eingeleitet. 7³7 Diese Überprüfung, die nach 18 Monaten mit einem zehnseitigen Bericht abgeschlossen wurde, 7³8 ergab keine Hinweise darauf, dass die Prüfungsergebnisse von PwC infrage zu stellen wären. Sie deutete auch nicht auf ein Versagen der Prüfung oder Revision im Zusammenhang mit dem Untergang der CS hin. 7³9 Allerdings stellte die RAB zwei Abweichungen vom standardkonformen Vorgehen fest.
1.
Prüfung der konsolidierten Geldflussrechnung (Geschäftsjahr 2020): Die Prüfung von PwC zeigte Lücken bei der Berücksichtigung bestimmter Transaktionen, insbesondere aktienbasierter Vergütungen und der Umrechnung von Fremdwährungen. Diese Transaktionen, die im operativen Geschäft der CS üblich sind, wurden in den verwendeten Bilanzierungsrichtlinien für die Prüfung der Geldflussrechnung nicht korrekt behandelt. Als Reaktion darauf hat sich PwC verpflichtet, spezifische Schulungen für die Teams im Finanzdienstleistungssektor zu organisieren, die sich auf die Besonderheiten der Geldflussrechnung unter Berücksichtigung internationaler Rechnungslegungsstandards konzentrieren. 74⁰
2.
Mehrjährige Prüfstrategie (2020-2022): PwC legte der FINMA eine Prüfstrategie für die CS vor, die jedoch keine klaren Begründungen dafür enthielt, warum bestimmte Prüfungsfelder ausgewählt wurden oder warum eine bestimmte Prüftiefe angewandt wurde. Die Risikobewertung und die Wahl der Prüfungsfelder basierten auf subjektiven Einschätzungen, die nicht ausreichend dokumentiert wurden, was eine kritische Überprüfung durch die FINMA erschwerte. PwC hat sich daher bereit erklärt, spezifische Vorgaben für Banken der Aufsichtskategorien 1 und 2 festzulegen, um sicherzustellen, dass die notwendige Dokumentation für die mehrjährige Prüfstrategie und das Verhältnis zwischen Nettorisiko und Prüftiefe vollständig vorhanden ist. 74¹
Die RAB hielt abschliessend fest, dass die Abweichungen aus ihrer Sicht begrenzt waren und die Gesamtergebnisse der von PwC durchgeführten Prüfungen nicht beeinträchtigt haben. Gemäss RAB werden die nun getroffenen Massnahmen dazu beitragen, die Qualität und Sorgfalt zukünftiger aufsichtsrechtlicher Prüfungen im Bankensektor zu verbessern. 74²
Keine Enforcementverfahren bis 2023
Das Enforcement ist ein Verfahren, das der RAB zur Verfügung steht, um die Einhaltung des geltenden Rechts durchzusetzen. Dieses Verfahren kann zu Massnahmen führen, die von einem Verweis bis zum Zulassungsentzug reichen. Die RAB stützt sich bei Enforcementverfahren auf die «Richtlinie - Grundsätze des Enforcements» (Fassungen von 2016 und 2024), die je nach Schwere des Verstosses andere Sanktionen vorsieht.
Zwischen 2015 und 2023 wurde im Zusammenhang mit dem CS-Mandat weder gegen KPMG noch gegen PwC ein Enforcementverfahren eröffnet. Die entsprechenden File Reviews erhielten immer ein Rating von 1 oder 2. Für die Einleitung eines Enforcementverfahrens wäre ein Rating von 3 erforderlich gewesen.
Die RAB führte im Untersuchungszeitraum gegen KPMG und PwC insgesamt 19 Enforcementverfahren im Zusammenhang mit anderen Mandaten als demjenigen der CS durch. Das Verfahren und die Kriterien der RAB für die Einleitung eines Enforcementverfahrens scheinen gemäss den Untersuchungsbeauftragten der PUK schlüssig und strukturiert, auch wenn sich über die Angemessenheit der Risikobewertungen diskutieren lasse. 74³
Zusammenarbeit mit ausländischen Aufsichtsbehörden bei CS-Mandaten in den Jahren 2016 und 2019
Im Jahr 2016 führte das PCAOB in Zusammenarbeit mit der RAB eine Inspektion von KPMG Schweiz durch. Das durch den Sarbanes-Oxley Act von 2002 geschaffene PCAOB beaufsichtigt Revisionsgesellschaften öffentlicher Unternehmen in den USA. Es führt regelmässige Inspektionen durch, um Verstösse gegen geltende Standards und Vorschriften aufzudecken. Bei der genannten Inspektion identifizierte das PCAOB eine Unzulänglichkeit, die es als « serious matter » einstufte. Es ging darum, dass der Revisor anhand einer Stichprobe eine Meinung abgegeben hatte, ohne angemessene Sicherheit darüber zu haben, dass die Finanzberichte frei von wesentlichen Fehlaussagen sind. Diese Kritik förderte ein Defizit in den Prüfverfahren von KPMG zutage und zeigte, wie wichtig es ist, dass die Prüfpflichten strikt eingehalten werden.
Im Jahr 2019 nahm das PCAOB in Zusammenarbeit mit der RAB erneut eine Inspektion von KPMG Schweiz vor. Der entsprechende Inspektionsbericht enthielt keine « findings » mehr. Dies deutet darauf hin, dass die Korrekturmassnahmen von KPMG wirksam waren. Weiter inspizierte die PCAOB im Jahr 2023 bei PwC das CS-Mandat. Auch bei dieser Inspektion machte das PCAOB keine Feststellungen. 74⁴
Zusätzlich führte das PCAOB Inspektionen zur Rechnungsprüfung der CS in den Jahren 2013, 2019 und 2023 durch, die keine wesentlichen Beanstandungen ergaben. Diese internationalen Inspektionen unterstreichen die Bedeutung der externen Überwachung und Unterstützung der Prüfqualität bei grenzüberschreitenden Mandaten. 7⁴5 Die Zusammenarbeit zwischen dem PCAOB und der RAB zeigt, dass sich die beiden Aufsichtsbehörden eng absprachen und für den Erhalt hoher Prüfungsstandards einsetzten. Die RAB begrüsste die Ergebnisse der PCAOB-Inspektionen und anerkannte die Bemühungen und Verbesserungen, die KPMG zur Behebung der zuvor festgestellten Probleme unternommen hatte. 7⁴6
Die von der PUK eingesetzten Untersuchungsbeauftragten sind aufgrund ihrer Abklärungen zum Schluss gekommen, dass die Aufsichtstätigkeit der RAB über KPMG und PwC bezüglich CS-Mandat unter den gegebenen gesetzlichen Umständen im Grundsatz als zweckdienlich und angemessen zu beurteilen ist. 7⁴7
7¹2 RAB: Die RAB in Kürze, https://www.rab-asr.ch > Die RAB > Über die RAB > Die RAB in Kürze (Stand: 19.11.2024).
7¹3 RAB: Die RAB in Kürze, https://www.rab-asr.ch > Die RAB > Über die RAB > Die RAB in Kürze (Stand: 19.11.2024).
7¹4 Geissbühler, Alex / Jovanovic, Milan (2024): Aufsicht der RAB über die Revisionsstelle der Credit Suisse. Untersuchungsbericht vom 18.7.2024 im Auftrag der PUK, S. 6.
7¹5 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 6 ff.
7¹6 Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 21
7¹7 Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 20; Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 9.
7¹8 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 9
7¹9 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 10
72⁰ Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 34 ff.
72¹ RAB-Richtlinie 3, Ziff. 3.1
72² Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 10
7²3 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 10
7²4 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 10
7²5 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 19
7²6 Stellungnahme der RAB vom 27.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
7²7 Stellungnahme der RAB vom 27.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
7²8 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 19
7²9 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 19
73⁰ Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 11
73¹ Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 3. Die FINMA hat die Vorgaben anschliessend revidiert und somit geklärt. Stellungnahme der RAB vom 31. Juli 2024 zum Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 6
73² Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 14
73³ Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 16 f
7³4 In ihrer Stellungnahme vom 25.11.2024 führte die RAB aus, dass im Rahmen der regulären File Reviews die RAB jeweils auch Hinweise der FINMA sammelte, diese im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf die Prüfungsquualität bewertete und gegebenenfalls die betroffenen Prüfbereiche abdeckte. Die Ergebnisse zeigten jedoch keine gravierenden Mängel in der Prüfungsqualität.
7³5 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 17. In ihrer Stellungnahme vom 25.11.2024 hielt die RAB fest, dass siche die Prüftiefe einer Ad-hoc-Überprüfung nicht von derjenigen der jährlichen routinemässigen File Reviews unterscheidet.
7³6 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 28 f.
7³7 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), Kap. III. 1.3.6, S. 17
7³8 Die PUK hat die Ad-hoc-Überprüfung am 11.10.2024 erhalten
7³9 Ad-hoc-Überprüfung, S. 3
74⁰ Ad-hoc-Überprüfung, S. 8
74¹ Ad-hoc-Überprüfung, S. 9
74² Ad-hoc-Überprüfung, S. 7
74³ Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), Kap. III. 1.3.7, S. 18
74⁴ Stellungnahme der RAB vom 27.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
7⁴5 Stellungnahme der RAB vom 27.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
7⁴6 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), Kap. III. 3.2.1, S. 27
7⁴7 Stellungnahme der RAB vom 27.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
5.4.2 Definition der Prüfstrategie durch die FINMA im Dialog mit den Revisionsgesellschaften
Die Aufsicht der FINMA über die Banken beruht auf einer Prüfstrategie, die bei komplexen Unternehmen wie der CS im Dialog mit den Revisionsgesellschaften erarbeitet wird. 7⁴8 Den Revisionsgesellschaften kommt bei der Aufsichtstätigkeit der FINMA eine zentrale Rolle zu. Im Folgenden wird aufgezeigt, wie die FINMA ihre Prüfstrategie für die Banken festlegt und umsetzt.
Entwicklung der Prüfstrategien für G-SIB
Das Assessment der G-SIB ist für die Bankenaufsicht zentral, da so anhand einer Reihe von Indikatoren, welche die Banken den nationalen Behörden einreichen müssen, beurteilt werden kann, wie stabil die Institute sind und ob sie die Finanzstandards einhalten. 7⁴9 Die Revisionsgesellschaften liefern mit ihren unabhängigen Prüfungen wesentliche Informationen für die Beurteilung der Risiken und der Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vorschriften und verbessern so die Effizienz der Bankenaufsicht. 75⁰
Die FINMA legt die Prüfstrategie anhand der ermittelten Risiken fest. Die Strategie wird regelmässig an die Entwicklungen im Finanzsektor und mögliche neue Bedrohungen angepasst. Die FINMA verfolgt mehrere Hauptziele: Erkennung und Minderung von Risiken; Gewährleistung der Stabilität des Finanzsystems; Kunden- und Anlegerschutz; Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und der Integrität des Schweizer Finanzplatzes. 75¹ Im Zusammenhang mit der CS intensivierten sich ab 2020 die Kontakte zwischen der FINMA, dem CS-Verwaltungsrat und der CS-Geschäftsführung. Es fanden regelmässig Treffen auf höchster Ebene statt, an denen auch die Revisionsgesellschaft teilnahm (siehe Kap. 3.4). 75² Zwischen der FINMA und der Revisionsgesellschaft fand zudem ein regelmässiger Austausch statt. Es gab monatliche Treffen mit dem Prüfungsverantwortlichen und einen vierteljährlichen Austausch mit dem internen Aufsichtsteam der CS. Diese Kontakte sollten eine effiziente Koordination sicherstellen und dafür sorgen, dass die Ergebnisse der Aufsicht und der Enforcementverfahren bei den Prüfungen berücksichtigt wurden. 75³
Prüfstrategie für die CS
Die FINMA erstellte die Prüfstrategie für das Stammhaus (Credit Suisse AG) zusammen mit der Konzernobergesellschaft (Credit Suisse Group AG). Ab 2017 erstellte die FINMA eine separate Prüfstrategie für die Credit Suisse (Schweiz) AG. Bei den folgenden Ausführungen stützt sich die PUK auf die jährlichen Prüfstrategien ab, die die FINMA der PUK für die Jahre 2015 bis 2022 zur Verfügung gestellt hat.
Die Prüfstrategien deckten eine breite Palette von Prüfthemen 75⁴ ab: Die Prüfung der Eigenmittel und der Solvenz bezog sich beispielsweise auf die Eigenmittelanforderungen, die Eigenmittelpuffer, die Eigenmittelplanung und die Deckung der privilegierten Einlagen; diejenige der Liquidität auf qualitative und quantitative Liquiditätsanforderungen. Risiken im Zusammenhang mit verschiedenen Bankgeschäften (Hypothekargeschäften, kommerziellen Kreditgeschäften, Lombardkreditgeschäften) wurden im Rahmen der Prüfung der Geschäftsrisiken geprüft. Weiter bezog sich die Prüfstrategie beispielsweise auf Rechts- und Prozessrisiken, die Einhaltung regulatorischer Verhaltensregeln, Risikokonzentrationen sowie auch auf die Einhaltung der Geldwäschereivorschriften. Die Prüfung bezog sich sowohl auf das Einzelinstitut als auch auf die gesamte Gruppe.
Soweit für die PUK ersichtlich, deckten sich die Prüfthemen für das Stammhaus der CS weitgehend mit den Themenfeldern der Standardprüfstrategie der FINMA. 75⁵ Die jährlichen Prüfstrategien für die CS wichen jedoch bei zahlreichen oder sogar den meisten Prüfthemen hinsichtlich der Prüffrequenz und der Prüftiefe von der Standardprüfstrategie ab. 7⁵6
Aus den Prüfstrategien für das Stammhaus der CS geht hervor, dass über die Jahre hinweg eine Vielzahl der Risiken 7⁵7 als «hoch» oder «sehr hoch» bezeichnet wurden. 7⁵8 Hohe oder sehr hohe Risiken wurden unter anderem bei den Eigenmittelanforderungen des Stammhauses, 7⁵9 gewissen Kreditrisiken im Rahmen der Geschäftsrisiken und des Risikomanagements, 76⁰ den qualitativen 76¹ und den quantitativen Liquiditätsanforderungen 76² und der Einhaltung der Geldwäschereivorschriften 76³ identifiziert. Hinzu kamen die Prüfthemen im Rahmen der Aufsicht über die gesamte Gruppe, wozu die konzernweiten Massnahmen zur Geldwäschereibekämpfung, 76⁴ zur Einhaltung der qualitativen Liquiditätsvorschriften 76⁵ und zur Einhaltung der Eigenmittel- und Risikoverteilungsvorschriften 76⁶ zählten.
Die Prüftiefe 7⁶7 und die Prüffrequenz wurden auf der Grundlage der Risikoeinschätzung definiert. 7⁶8
Aus den Prüfstrategien für die CS sind die Gründe für die Risikoeinschätzung nicht ersichtlich. Sodann wird darin auch nicht beschrieben, wie die Prüfung konkret vorgenommen werden sollte oder wie die FINMA und die Prüfgesellschaften bei der Erstellung der Prüfstrategie miteinander interagierten.
Neben der jährlichen Basisprüfung, welche auf jedes bewilligte Institut Anwendung findet und die aufsichtsrechtlichen Grundanforderungen abdeckt, kann die FINMA Zusatzprüfungen anordnen. 7⁶9 Zwischen 2015 und 2022 wurden in fünf Prüfstrategien (2015-2018, 2022) Zusatzprüfungen zu verschiedenen Themen vorgesehen. 77⁰
Auswirkungen der bei der CS zwischen 2015 und 2022 erkannten Risiken
Die FINMA verfolgt laut eigenen Angaben eine risikoorientierte Herangehensweise, d. h., sie intensiviert ihre Tätigkeit in denjenigen Bereichen, in denen die Risiken als erhöht eingestuft werden, insbesondere bei der CS. Die FINMA bestätigte, dass sie den Einsatz ihrer Aufsichtsinstrumente bei der CS aufgrund des erhöhten Risikoprofils der Bank intensivierte und insbesondere Kontrollen vor Ort vornahm, externe Prüfbeauftragte einsetzte und Enforcementverfahren durchführte. 77¹
Im Rahmen dieser Herangehensweise wurde die Prüfstrategie für die CS in enger Zusammenarbeit mit den Revisionsgesellschaften (zunächst KPMG und ab 2020 PwC) festgelegt. Diese Strategie fusste auf einer jährlichen Risikoanalyse unter Berücksichtigung der von der FINMA erkannten Risiken und der Schlussfolgerungen aus den Enforcementverfahren. Die Bereiche mit erhöhtem Risiko wurden verstärkt überwacht. Das Risiko im Zusammenhang mit der Geldwäscherei wurde zum Beispiel als hoch eingeschätzt, weshalb ab 2015 jährliche Kontrollmassnahmen als gerechtfertigt erachtet wurden. 77²
Festlegung der Prüfbereiche und der Aufsichtsstrategie
Laut den Dokumenten, welche die PUK erhalten hat, führt die FINMA in Zusammenarbeit mit den Revisionsgesellschaften eine Risikoanalyse durch, um die spezifischen Prüfbereiche zu ermitteln. Diese Analyse berücksichtigt die erkannten Risiken und die Schlussfolgerungen der Enforcementverfahren. In den Prüfbereich fallen verschiedene Themengebiete, hauptsächlich jedoch die Hochrisikothemen wie der Umgang mit der Geldwäschereiproblematik. 77³
Im Untersuchungszeitraum der PUK wurden die Prüfstrategien gemäss den erhaltenen Informationen regelmässig angepasst, um auch neu auftretende Risiken abzudecken. Diese Anpassungen erfolgten nach mehreren Gesprächen zwischen den Revisionsgesellschaften und den Risikomanagementfachleuten der FINMA, um die Kohärenz zwischen den Risikoanalysen und den ausgewählten Prüfbereichen sicherzustellen. 77⁴
Einsatz externer Prüfbeauftragter und anderer Aufsichtsinstrumente
Die FINMA kann Prüfbeauftragte mit fallbezogenen Prüfungen betrauen, wenn der gezielte Einsatz von Spezialisten erforderlich wird oder ein aussergewöhnliches Ereignis bei einem Bewilligungsträger abzuklären oder zu überwachen ist. 77⁵
Die FINMA griff bei der CS auf verschiedene Aufsichtsinstrumente zurück, unter anderem auch auf externe Prüfbeauftragte. Zwischen 2013 und 2022 wurden mehr als 160 Kontrollen vor Ort durchgeführt. Zwischen 2012 und 2022 wurden 16 Mal externe Prüfbeauftragte eingesetzt, um die Bereiche Konformität und Risikomanagement zu untersuchen. Dank dieser Massnahmen, die zusätzlich zu den Prüfungen der Revisionsgesellschaften ergriffen wurden, konnten laut FINMA alle Risikobereiche abgedeckt werden, ohne dass die Bezeichnung zusätzlicher externer Auditorinnen und Auditoren notwendig wurde. 77⁶
In einigen Fällen standen diese fallbezogenen Prüfungen im Zusammenhang mit Sachverhalten, die Gegenstand eines Enforcementverfahrens gegen die CS waren. In weiteren Fällen wurden fallbezogene Prüfungen angeordnet, um beispielsweise die Umsetzung des BCBS-Standards 239 (siehe Kap. 5.3.1.) oder die Bewertung der Beteiligungen im Rahmen des regulatorischen Filters (siehe Kap. 5.3.3) zu prüfen.
7⁴8 FINMA-Rundschreiben 2013/3 Prüfwesen, Rz 87
7⁴9 BIS (2023): Global systemically important banks: assessment methodology and the additional loss absorbency requirement, 27.11.2023, https://www.bis.org > Committees & associations > Basel Committee on Banking Supervision > CCyB and G-SIB buffer (Stand: 30.7.2024).
75⁰ FINMA: Überwachung als Kernaufgabe der FINMA, https://www.finma.ch > Überwachung > Alles zur Überwachung (Stand: 30.7.2024).
75¹ FINMA: Eine professionelle Aufsicht für einen starken Finanzplatz, https://www.finma.ch > FINMA > Ziele (Stand: 30.7.2024).
75² Auskünfte der FINMA vom 9.9.2024 zum Auskunftsbegehren der PUK vom 2.9.2024, Frage 1, S. 8
75³ Auskünfte der FINMA vom 9.9.2024 zum Auskunftsbegehren der PUK vom 2.9.2024, Frage 3, S. 10
75⁴ Die Prüfthemen bilden alle wesentlichen aufsichtsrechtlich relevanten Bereiche pro Bewilligungsträger ab (Frigo, Patrick / Pajer, Daniel (2021): Kommentar zu Art. 63. In: Sethe, Rolf / Bösch, René / Favre, Olivier / Schott, Ansgar (Hrsg.): Kommentar zum Finanzinstitutsgesetz FINIG. Zürich: Schulthess Verlag, Rz. 46).
75⁵ In der Standardprüfstrategie definiert die FINMA die Prüfgebiete sowie minimale Prüftiefen und Prüfperiodizitäten für Banken und Wertpapierhäuser bzw. Fondsleitungen und Verwalter von Kollektivvermögen. Die Standardprüfstrategie ist im Anhang des FINMA- RS 2013 /3 enthalten. Sie findet auf systemrelevante Banken keine Anwendung.
7⁵6 Beispielsweise sieht die Standardprüfstrategie für Banken vor, dass die Einhaltung der Eigenmittelvorschriften alle sechs Jahre mit Prüftiefe «Prüfung» geprüft wird, wenn das Risiko als mittel eingeschätzt wird. Bei einem hohen Risiko erfolgt die Prüfung alle drei Jahre, bei einem sehr hohen jährlich (Anhang 2 zu FINMA- RS 2013 /3). Beim Stammhaus der CS erfolgte die Prüfung mit Prüftiefe «Prüfung» 2015, 2017, 2019, 2020 und 2022. 2016 und 2018 wurde die Prüfung auf der Prüftiefe «kritische Beurteilung» geführt. Das Nettorisiko wurde dabei entweder als «sehr hoch» oder «hoch» eingeschätzt.
7⁵7 2020 wurden von 62 Prüfthemen 6 mit dem Risiko «sehr hoch» und 19 mit dem Risiko «hoch» bewertet. 2021 waren es bei 64 Prüfthemen 9 «sehr hohe» und 23 «hohe» Risiken.
7⁵8 Ausschlaggebend für die Bestimmung der Prüftiefe und der Prüffrequenz ist das «Nettorisiko». Das Nettorisiko ist das Produkt des «inhärenten Risikos» und des «Kontrollrisikos» gemäss der Tabelle im Rundschreiben der FINMA 2013/3. Das inhärente Risiko entspricht der Verknüpfung zwischen dem Umfang eines Risikos und dessen Eintrittswahrscheinlichkeit. Das Kontrollrisiko berücksichtigt die Angemessenheit und Wirksamkeit der internen Kontrollen (Frigo, Patrick / Pajer, Daniel (2021): Kommentar zu Art. 63. In: Sethe, Rolf / Bösch, René / Favre, Olivier / Schott, Ansgar (Hrsg.): Kommentar zum Finanzinstitutsgesetz FINIG. Zürich: Schulthess Verlag, Rz. 46). Gemäss Rundschreiben der FINMA 2013/3 ist das Nettorisiko hoch, wenn das inhärente Risiko hoch und das Kontrollrisiko hoch oder das inhärente Risiko sehr hoch und das Kontrollrisiko tief sind (FINMA- RS 2013 /3, Ziff. 85).
7⁵9 Zwischen 2015 und 2022 fiel die Risikoeinschätzung in vier Jahren «sehr hoch» und in vier Jahren «hoch» aus.
76⁰ Zwischen 2015 und 2022 fiel die Risikoeinschätzung in den zwei ersten Jahren «mittel», danach durchwegs «sehr hoch» aus.
76¹ Gemeint sind wohl die Anforderungen an das Liquiditätsmanagement. Zwischen 2015 und 2022 fiel die Risikoeinschätzung durchwegs «sehr hoch» aus.
76² Gemeint sind wohl die LCR und die NSFR. Zwischen 2015 und 2022 fiel die Risikoeinschätzung zwei Mal «sehr hoch», vier Mal «hoch» und ein Mal «mittel» aus.
76³ Zwischen 2015 und 2022 fiel die Risikoeinschätzung durchwegs «sehr hoch» aus.
76⁴ Zwischen 2016 und 2022 fiel die Risikoeinschätzung durchwegs «sehr hoch» aus.
76⁵ Zwischen 2016 und 2022 fiel die Risikoeinschätzung mit zwei Ausnahmen («sehr hoch») «hoch» aus.
76⁶ Zwischen 2016 und 2022 fiel die Risikoeinschätzung mit einer Ausnahme («hoch») durchwegs «sehr hoch» aus.
7⁶7 Es sind zwei Prüftiefen vorgesehen: die «Prüfung» und die «kritische Beurteilung». Bei einer Prüfung muss sich die Prüfgesellschaft ein vertieftes Bild über den zu prüfenden Sachverhalt verschaffen. Es ist ein eindeutiges Prüfurteil über die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen abzugeben («positive assurance»). Bei einer kritischen Beurteilung muss sich die Prüfgesellschaft einen angemessenen Überblick über den zu prüfenden Sachverhalt verschaffen. Der Prüfer nimmt Stellung dazu, ob sich im Rahmen der vorgenommenen Prüfungshandlungen (Durchsicht von Dokumenten, Befragungen usw.) Sachverhalte ergeben haben, aus denen zu schliessen wäre, dass die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen nicht eingehalten werden («negative assurance») (FINMA- RS 2013 /3, Ziff. 32 ff.).
7⁶8 Vgl. Fussnote 765: Beim Stammhaus der CS erfolgte die Prüfung der Eigenmittelanforderungen 2015, 2017, 2019, 2020 und 2022 mit Prüftiefe «Prüfung». 2016 und 2018 wurde die Prüfung auf Prüftiefe «kritische Beurteilung» geführt.
7⁶9 Dies tut sie beispielsweise aufgrund einer speziellen Risikosituation beim fraglichen Institut oder aufgrund der Tätigkeit in einem spezifischen Geschäftsbereich (Art. 4 Finanzmarktprüfverordnung vom 5.11.2024 [FINMA-PV; RS 956.161 ]). Ordnet die FINMA eine solche Zusatzprüfung an, prüft die Prüfgesellschaft zusätzliche Prüfgebiete (Art. 4 FINMA-PV). Die Prüfgesellschaft hat der FINMA auf Basis ihrer Risikoanalyse Zusatzprüfungen vorzuschlagen, wenn Risiken existieren, die von der Basisprüfung nicht abgedeckt sind (Frigo, Patrick / Pajer, Daniel (2021): Kommentar zu Art. 63. In: Sethe, Rolf / Bösch, René / Favre, Olivier / Schott, Ansgar (Hrsg.): Kommentar Finanzinstitutsgesetz FINIG. Zürich: Schulthess Verlag, Rz. 65).
77⁰ Zum Beispiel zu Cyberrisiken, zum Devisenhandel, zur Strategic Resolution Unit, zum Finanzdienstleistungsgesetz, zu Lombardkrediten sowie zur Plausibilisierung der Marktwerte der Beteiligung des Stammhauses (siehe Kap. 5.3.3.1)
77¹ Auskünfte der FINMA vom 9.9.2024 zum Auskunftsbegehren der PUK vom 2.9.2024, Frage 1, S. 8
77² Auskünfte der FINMA vom 9.9.2024 zum Auskunftsbegehren der PUK vom 2.9.2024, Frage 2, S. 8
77³ Auskünfte der FINMA vom 9.9.2024 zum Auskunftsbegehren der PUK vom 2.9.2024, Frage 2, S. 8
77⁴ Auskünfte der FINMA vom 9.9.2024 zum Auskunftsbegehren der PUK vom 2.9.2024, Frage 2, S. 8
77⁵ Frigo, Patrick / Pajer, Daniel (2021): Kommentar zu Art. 63. In: Sethe, Rolf / Bösch, René / Favre, Olivier / Schott, Ansgar (Hrsg.): Kommentar Finanzinstitutsgesetz FINIG. Zürich: Schulthess Verlag, Rz. 66.
77⁶ Auskünfte der FINMA vom 9.9.2024 zum Auskunftsbegehren der PUK vom 2.9.2024, Frage 4, S. 11
5.4.3 Interaktion zwischen der RAB und der FINMA: Zusammenarbeit und Informationsaustausch
Aufgabenteilung und Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit zwischen der RAB und der FINMA ist in den Artikeln 22 RAG und 28 FINMAG geregelt. Diese Bestimmungen sehen vor, dass die beiden Behörden einander alle Auskünfte erteilen und alle Unterlagen übermitteln müssen, die sie für die Durchsetzung der jeweiligen Gesetzgebung benötigen. Dabei haben sie ihre Aufsichtstätigkeiten zu koordinieren, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Seit dem 1. Januar 2015 ist die RAB für die Zulassung und die Beaufsichtigung der Revisionsgesellschaften in den Bereichen Rechnungs- und Aufsichtsprüfung zuständig, während die FINMA für die Inhalte und Grundsätze der Aufsichtsprüfung verantwortlich ist. In ihrem Exchange of Letters vom 30. Januar/20. Februar 2015 konkretisierten die FINMA und RAB ihre gegenseitigen Erwartungen in Sachen Zusammenarbeit, namentlich hinsichtlich der Zulassung von Revisionsgesellschaften, Überprüfungen der RAB, Vorabklärungen, Enforcement und Sanktionierung sowie der Prüfbeauftragten. 77⁷
Wenige Interaktionen auf den einzelnen Ebenen
Auf strategischer Ebene tauschten sich die RAB und die FINMA zwischen 2015 und 2023 verschiedentlich aus, namentlich im Rahmen von Ämterkonsultationen oder zu Regulierungsprojekten, die die RAB betrafen. Es gibt jedoch keine Unterlagen oder Informationen, die darauf hindeuten, dass auf dieser Ebene ein spezifischer Austausch zur Lage der CS stattgefunden hätte. 7⁷8
Auf operativer Ebene ist zwischen zwei Arten von Prüfungen, den RA und den FA, zu unterscheiden.
Bereich RA : Gemäss Angaben der RAB hatte der Leiter RA der RAB einen monatlichen Austausch mit dem für das Prüfwesen verantwortlichen FINMA-Vertreter. Diese Sitzungen wurden von der RAB dokumentiert. Es wurden jedoch keine gegenseitig unterzeichneten Protokolle erstellt.
Zudem kam es im Vorfeld der jährlichen Prüfungen bei den Revisionsgesellschaften zu regelmässigen Interaktionen zwischen der FINMA und der RAB, um sicherzustellen, dass die Rückmeldungen der FINMA zur Arbeitsqualität der Revisionsgesellschaften in die jeweilige Überprüfung einfliessen. Die FINMA leitete die aus ihrer Sicht wichtigen Hinweise zur CS und den Prüfgesellschaften weiter und stellte der RAB verschiedene Unterlagen wie die Berichte von Prüfbeauftragten 7⁷9 zur Verfügung, zum Beispiel hinsichtlich der unabhängigen Bewertung der Tochtergesellschaften der CS AG. 78⁰ So wies die FINMA 2015 auf das Risiko hin, dass die KPMG Verstösse gegen aufsichtsrechtliche Pflichten nicht beanstande, sondern nur als Empfehlungen kommuniziere. 2018 übermittelte die FINMA der RAB einen guten Eindruck zur Arbeit der KPMG. Im folgenden Jahr teilte sie jedoch mit, dass die kritische Grundhaltung der KPMG zu prüfen sei. 2022 übermittelte sie unter anderem den Hinweis, dass bei der CS weiterhin grosse Schwachstellen im Bereich des GwG bestünden. Die RAB integrierte die aus ihrer Sicht relevanten Hinweise der FINMA in ihre Inspektionsgebiete und -themen. Im Anschluss an die RA-Inspektionen wurden der FINMA die entsprechenden Inspektionsberichte zugestellt. Bei dieser Gelegenheit wurden die Berichte oft auch mit der FINMA besprochen. 78¹
Bereich FA : Die Untersuchungsbeauftragten stellten fest, dass in den Prüfstrategien der RAB jeweils auf Hinweise der FINMA Bezug genommen wurde. So teilte die FINMA der RAB 2016 mit, dass die finanzielle Lage der CS kritisch sei, man aber auf die Clean-up-Strategie vertraue. Weiter wies die FINMA 2017 darauf hin, dass die Rückstellungen der CS im Hinblick auf die Klagen in den USA möglicherweise zu tief seien. Nach 2017 enthalten die Prüfstrategien keine Bezugnahmen mehr auf Hinweise der FINMA. Das rührt gemäss der RAB daher, dass die FINMA der RAB keine weiteren Hinweise mitgeteilt habe, welche FA betroffen hätten. 78²
Gemäss Informationen, die die RAB den Untersuchungsbeauftragten der PUK gegeben hat, nahm der Leiter RA an den Sitzungen des FA-Teams teil und konnte daher relevante Informationen der FINMA an die Abteilung FA weitergeben. 78³
77⁷ Expertenbericht Hungerbühler (2024), S. 46
7⁷8 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 41
7⁷9 Teilweise erfolgte dies aber auch erst auf das Amtshilfegesuch der RAB an die FINMA vom 28. September 2023 hin.
78⁰ Auskünfte der FINMA vom 9.9.2024 zum Auskunftsbegehren der PUK vom 2.9.2024, Frage 3, S. 10
78¹ Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 41
78² Stellungnahme der RAB vom 27.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
78³ Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), Kap. 10, S. 41
71¹ Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 12
5.5 Makroprudenzielle Aufgaben der SNB bezüglich Stabilität des Finanzsystems
Die makroprudenziellen Aufgaben der SNB beziehen sich auf die Systemebene (siehe Kap. 3.3). Die SNB trägt auf verschiedene Weise zur Stabilität des Finanzsystems bei. Im folgenden Kapitel werden die Massnahmen beschrieben, die sie in diesem Rahmen bis 2022 ergriffen hat, namentlich im Zusammenhang mit der CS. In Kapitel 5.5.1 werden die Kompetenzen der SNB bei der Bestimmung systemrelevanter Finanzgruppen vorgestellt, Kapitel 5.5.2 befasst sich mit den Berichten der SNB zur Finanzstabilität, in Kapitel 5.5.3 werden die Entwicklungen im Zusammenhang mit der ELA aufgezeigt und in Kapitel 5.5.4 werden die verschiedenen konjunkturbedingten Massnahmen der SNB präsentiert.
5.5.1 Definition der systemrelevanten Finanzgruppen
Seit der Revision des BankG im Rahmen des TBTF-Rechts (siehe Kap. 4.2.2.1 und Kap. 5.2.3) gelten bestimmte Banken als systemrelevant ( systemically important bank, SIB ). Damit sind Institute gemeint, die für die Schweizer Wirtschaft unverzichtbare Funktionen wahrnehmen und deren Ausfall die Schweizer Volkswirtschaft und das schweizerische Finanzsystem erheblich schädigen würde (siehe Kap. 2.1). 78⁴
In der Schweiz obliegt es der SNB zu bestimmen, welche Banken systemrelevant sind (siehe Kap. 2.2). 78⁵ Die SNB stützt sich dabei auf folgende Kriterien: den Marktanteil an den systemrelevanten Funktionen, den Betrag der gesicherten Einlagen, welcher den gesetzlichen Maximalbetrag überschreitet, 78⁶ das Verhältnis zwischen der Bilanzsumme der Bank und dem jährlichen BIP der Schweiz sowie das Risikoprofil der Bank, welches durch das Geschäftsmodell, die Bilanzstruktur, die Qualität der Aktiven, die Liquidität und den Verschuldungsgrad bestimmt wird. 78⁷
Am 16. November 2012 verfügte die SNB, dass die CS systemrelevant ist. ⁷88 Eine systemrelevante Bank muss im Rahmen des TBTF-Rechts besondere Anforderungen erfüllen, die über die Anforderungen von Basel III hinausgehen (siehe Kap. 4.2.2.1 und Kap. 5.2.3). Für den Vollzug dieser Massnahmen ist in erster Linie die betroffene Bank und subsidiär die FINMA zuständig.
78⁴ Art. 7 Abs. 1 BankG
78⁵ Art. 8 Abs. 3 BankG; Art. 25 Abs. 2 FinfraG.
78⁶ Art. 37 h Abs. 3 Bst. b BankG
78⁷ Art. 8 Abs. 2 BankG
⁷88 «Verfügungen der Schweizerischen Nationalbank betreffend Systemrelevanz», Medienmitteilung der SNB vom 20.12.2012, https://www.snb.ch/de/publications/ communication/press-releases/2012/pre_20121220 (Stand: 9.4.2024).
5.5.2 Kontinuierliches Monitoring durch die SNB im Rahmen des jährlichen Berichtes zur Finanzstabilität
Die SNB analysiert laufend die Entwicklungen an den Finanzmärkten und die Entwicklungen, welche den Schweizer Bankensektor und die Finanzmarktinfrastrukturen besonders betreffen. Sie fasst diese Analysen in einem Bericht zur Finanzstabilität zusammen, der jedes Jahr im Sommer veröffentlicht wird. ⁷89 Der Bericht dient in erster Linie dazu, auf Stress oder Verwundbarkeiten hinzuweisen, die kurz- oder längerfristig ein Risiko für die Stabilität des Schweizer Bankensystems darstellen könnten. Diese Berichte liefern eine Übersicht über die Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds und der Finanzmärkte im vergangenen Jahr, und sie enthalten umfassende Analysen zur Situation der Schweizer Grossbanken und der inlandorientierten Banken.
Entwicklung der SNB-Einschätzung zwischen 2015 und 2022
Ab 2015, dem Beginn des Untersuchungszeitraums, bis 2020 beschrieben die Finanzstabilitätsberichte ein makroökonomisches Umfeld, das sich zwischen Verbesserungen der Rentabilität der Finanzinstitute und Druck auf deren Rentabilität bewegte. Zudem zeigten die Berichte die Massnahmen auf, welche die Grossbanken im Zusammenhang mit der TBTF-Regulierung ergriffen hatten.
Der Bericht 2015 hob hervor, dass das Wirtschafts- und Finanzumfeld in der Schweiz aufgrund der starken Aufwertung des Frankens schwieriger wurde. Die Grossbanken dürften deshalb in ihren Bemühungen zur Stärkung der Widerstandskraft nicht nachlassen. Dies gelte insbesondere für die Leverage Ratio . Im Bericht wurde indes darauf hingewiesen, dass die Grossbanken die vollständig implementierten Anforderungen der Schweizer TBTF-Regulierung und der internationalen Rahmenvereinbarung Basel III, die beide 2019 in Kraft traten, bereits weitgehend erfüllten. 79⁰
Im Bericht zur Finanzstabilität 2016 wurden die wichtigsten Änderungen infolge der TBTF-Regulierung und der Reform der Mindestanforderungen von Basel III präsentiert. Laut Bericht würden die beiden Schweizer Grossbanken, CS und UBS, zusätzliche Vorkehrungen treffen müssen, um die ab Anfang 2020 geltenden neuen Anforderungen, namentlich in Sachen Leverage Ratio und Gone Concern , zu erfüllen. 79¹ Gestützt auf die Analyse der Credit-Default-Swap-Prämien zeigte der Bericht auf, dass die Widerstandsfähigkeit der CS im Vergleich zur UBS und zum Median global tätiger Grossbanken am Markt als tiefer eingeschätzt wurde. 79²
Der Bericht 2017 hob hervor, dass die beiden Banken bei der Erfüllung der Anforderungen der revidierten TBTF-Regulierung, d. h. nach Ablauf der Übergangsbestimmungen, auf Kurs seien. Jedoch müssten bei der Ausarbeitung robuster Sanierungs- und Abwicklungspläne weitere Fortschritte erzielt werden. 79³
Diese Schlussfolgerung wurde im Bericht zur Finanzstabilität 2018 wiederholt. Darin hiess es, dass die Grossbanken gegenüber der FINMA bis 2019 den Nachweis zu erbringen hätten, dass sie über glaubwürdige und umsetzbare Notfallpläne verfügen. 79⁴ Auch laut diesem Bericht schätzte der Markt die Widerstandsfähigkeit der CS im Vergleich zur UBS und zum Median global tätiger Grossbanken als tiefer ein. 79⁵
Im Jahr 2019 gab es keine wesentlichen Veränderungen: Laut Bericht der SNB wurden in den Bereichen Widerstandsfähigkeit sowie Sanierung und geordnete Abwicklung, den Pfeilern der revidierten TBTF-Regulierung, Fortschritte erzielt. Das Verlustpotenzial bleibe allerdings substanziell. Die Einschätzung der Widerstandsfähigkeit der beiden Banken durch den Markt blieb weitgehend unverändert. 79⁶
Obwohl das Wirtschafts- und Finanzumfeld einige Schwierigkeiten bot, war die Einschätzung der SNB bis 2019 insgesamt positiv. Das Jahr 2020 stellte mit der Covid-19-Krise und den daraus für die Banken resultierenden Schwierigkeiten einen Wendepunkt dar. Gleichwohl hiess es im Bericht: «Dank ihrer soliden Eigenkapitalausstattung sind sie [Anm.: CS und UBS] jedoch gut gerüstet, um diese Herausforderungen zu bewältigen.» Diese gute Ausgangslage sei auf den Abbau von Risiken und insbesondere den Aufbau von Kapitalpuffern in den letzten Jahren - im Einklang mit der TBTF-Regulierung - zurückzuführen. 79⁷
Im Bericht zur Finanzstabilität 2021 wurde darauf hingewiesen, dass die CS im ersten Quartal 2021 aufgrund des Archegos-Skandals grosse Verluste erlitten hatte, die guten Ergebnisse in anderen Tätigkeitsbereichen der Bank allerdings halfen, diese Verluste zu absorbieren. ⁷98
Bis zu jenem Zeitpunkt wurde die Lage der beiden Grossbanken in den Berichten der SNB sehr ähnlich eingeschätzt. Dies änderte sich mit dem Bericht zur Finanzstabilität 2022 : Darin nahm die SNB bei der Bewertung der beiden Schweizer Grossbanken, deren Profitabilität sich «unterschiedlich entwickelt» habe, eine klare Differenzierung vor. Während der Gewinn der UBS stark angestiegen sei, sei der Return on Assets der CS negativ gewesen. Der Markt habe «die positivere Bewertung der UBS relativ zur CS dann beibehalten». ⁷99 Der Bericht betonte auch die im internationalen Vergleich hohen operationellen Risiken und illustrierte dies insbesondere am Beispiel der CS. Auch die hohe Relevanz der Geschäftsrisiken für die beiden Grossbanken wurde hervorgehoben. 80⁰ Im Bericht 2022 wurde zudem zum ersten Mal der PLB erwähnt. Es hiess, der Bundesrat habe die Absicht, einen Mechanismus einzuführen, der es der SNB ermöglichen würde, einer systemrelevanten Bank Liquidität in Form eines Darlehens bereitzustellen, das durch eine Bundesgarantie gedeckt wäre. 8⁰1
Laut einigen von der PUK angehörten Personen ist der Bericht zur Finanzstabilität aufgrund seiner makroökonomischen Ausrichtung nicht geeignet, konkreten Problemen einer Bank - wie jenen, die zur Credit-Suisse-Krise führten - vorzubeugen. 8⁰2 Gleichwohl zeigt er die wesentlichen Entwicklungen auf und bietet damit eine Grundlage für die Beurteilung der Finanzstabilität und den Entscheid, ob weitere Massnahmen notwendig sein könnten.
Diskussion der Berichte zur Finanzstabilität zwischen der SNB und der FINMA
Die Berichte zur Finanzstabilität gehören zu den Themen, die an den regelmässigen Sitzungen zwischen der FINMA und der SNB im Zusammenhang mit der Finanzstabilität besprochen werden (siehe Kap. 3.6.2). Mit Blick auf die Ereignisse, die zur Credit-Suisse-Krise führten, ist erwähnenswert, dass der Bericht 2022, in dem erstmals explizit auf die heikle Situation der CS hingewiesen wurde, sowohl an der Sitzung vom 29. Juni 2022 zwischen dem Verwaltungsrat der FINMA und dem Direktorium der SNB als auch an der Sitzung des Leitungsausschusses SNB-FINMA vom 31. Mai 2022 thematisiert wurde. Aus den Unterlagen zur Sitzung im Mai geht hervor, dass unter anderem der Vertrauensverlust angesprochen wurde, mit dem sich die Bank konfrontiert sah. Die SNB verwies auf das Vertrauensdefizit, auf die schwache Kapitalsituation im CS Stammhaus, auf das grössere Verlustpotenzial und auf die Verschlechterung der Gesamtprofitabilität. Bezüglich CS Stammhaus sah die SNB Handlungsbedarf, dessen Kapital zu verstärken, unter anderem durch Kapitalrückführungen aus den Töchtergesellschaften. 8⁰3 Die Sitzungsteilnehmenden gingen auf den von der CS angekündigten Strategiewechsel ein und hielten fest, dass der Kapitalpuffer der Bank tief sei und der nächste Zwischenfall kritisch sein könne. 8⁰4 Bereits an dieser Sitzung erkundigte sich der SNB-Präsident, wie die Negativspirale unterbrochen werden könne. Allerdings wurden zu jenem Zeitpunkt keine konkreten Massnahmen ergriffen. 8⁰5
⁷89 Diese Berichte sind abrufbar unter www.snb.ch > News und Publikationen > Ökonomische Publikationen > Bericht zur Finanzstabilität (Stand: 29.4.2024). Sie werden jedes Jahr im Juni zuerst auf Englisch veröffentlicht.
79⁰ SNB (2015): Bericht zur Finanzstabilität 2015, S. 4.
79¹ SNB (2016): Bericht zur Finanzstabilität 2016, S. 4/5.
79² SNB (2016): Bericht zur Finanzstabilität 2016, S. 15.
79³ SNB (2017): Bericht zur Finanzstabilität 2017, S. 4/5, S. 18-20.
79⁴ SNB (2018): Bericht zur Finanzstabilität 2018, S. 5-7.
79⁵ SNB (2018): Bericht zur Finanzstabilität 2018, S. 18.
79⁶ SNB (2019): Bericht zur Finanzstabilität 2019, S. 5/6.
79⁷ SNB (2020): Bericht zur Finanzstabilität 2020, S. 6.
⁷98 SNB (2021): Bericht zur Finanzstabilität 2021, S. 6.
⁷99 SNB (2022): Bericht zur Finanzstabilität 2022, S. 6.
80⁰ SNB (2022): Bericht zur Finanzstabilität 2022, S. 27.
8⁰1 SNB (2022): Bericht zur Finanzstabilität 2022, S. 32.
8⁰2 Verschiedene schriftliche Antworten vom 18.3.2024, 26.3.2024, 8.4.2024 an die PUK
8⁰3 Lage im Bankensektor, Powerpoint-Präsentation der SNB an der Sitzung des Leitungsausschusses SNB-FINMA vom 31.5.2022, S. 9
8⁰4 «Die [Kapital]puffer sind aber tief, so dass der nächste Zwischenfall kritisch werden kann», Protokoll der Sitzung des Leitungsausschusses SNB-FINMA vom 31.5.2022
8⁰5 Protokoll der Sitzung des Leitungsausschusses SNB-FINMA vom 31.5.2022
5.5.3 Ausserordentliche Liquiditätshilfe (ELA)
Die SNB kann als Lender of Last Resort (siehe Kap. 2.2) einer Bank bei finanzieller Instabilität eine ausserordentliche Liquiditätshilfe ( Emergency Liquidity Assistance , ELA ) gewähren. Dieses Instrument wird zwar nur in Krisensituationen eingesetzt (siehe Kap. 7.2.2.5), doch hat die SNB in den vergangenen Jahren Überlegungen dazu angestellt, die nachfolgend ausgeführt werden.
Die SNB hat die Möglichkeit, einer Bank, die sich nicht mehr am Markt refinanzieren kann, Liquidität in Form von ELA zur Verfügung zu stellen. Wie weiter oben ausgeführt (siehe Kap. 2.2), wird in den internen Richtlinien der SNB präzisiert, unter welchen Bedingungen eine solche Hilfe gewährt werden kann: Die kreditersuchende Bank muss eine SIB sein, sie muss solvent sein, und die ausserordentliche Liquiditätshilfe muss jederzeit vollständig durch ausreichende Sicherheiten gedeckt sein. 8⁰6 Die SNB bestimmt selbst, welche Sicherheiten ausreichend sind, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, und berücksichtigt bei der Beurteilung der Solvenz einer Bank die Stellungnahme der FINMA. 8⁰7
Die Vorgabe, dass die Liquiditätshilfe abgesichert sein muss, 8⁰8 beruht auf rechtlichen Überlegungen. Die Botschaft über die Revision des Nationalbankgesetzes ist diesbezüglich klar: «Bereits der Gesetzeswortlaut schliesst jedoch die Gewährung von Darlehen ohne jede Sicherheiten (Blankokredit) oder gegen Sicherheiten, welche die auftretenden Risiken (v. a. Markt- und Kreditrisiken) nicht vollständig abdecken, aus.» 8⁰9 Die SNB verfügt zwar über einen gewissen Handlungsspielraum bei der Definition, welche Sicherheiten «ausreichend» sind. 81⁰ Die Gewährung von nicht abgesicherten Darlehen und damit der Entscheid darüber, ob eine privatrechtlich aufgestellte Bank mit dem Einsatz von öffentlichen Geldern und einem entsprechenden Verlustrisiko für die öffentliche Hand unterstützt wird, fällt jedoch nicht in den Kompetenzbereich der SNB. 81¹
Der Begriff «ausreichende Sicherheiten» bezieht sich auf die Quantität, die Qualität und die Modalitäten der Sicherheit. 8¹2 Wenn es sich um eine ausserordentliche Liquiditätshilfe handelt, werden diese Anforderungen im Vergleich zu gewöhnlichen geldpolitischen Operationen nach unten korrigiert. 8¹3 Die SNB akzeptiert eine breite Palette an Sicherheiten, die im Einvernehmen mit den Banken definiert wird, diesen somit bekannt ist, und die in Absprache mit den Banken weiterentwickelt wird. 8¹4 Was «ausreichende Sicherheiten» bedeutet, wird für jede Bank einzeln und unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten festgelegt. Zudem werden die Liquiditätshilfen mit jeder systemrelevanten Bank jährlich überprüft. 8¹5
Bei der SNB ist für diese Analysen die Organisationseinheit Risikomanagement des II. Departements zuständig. 8¹6 Mit den Sicherheiten soll die SNB bei einem allfälligen Konkurs der Bank ihre Forderungen decken können. Die Sicherheiten müssen somit rasch an die SNB übertragbar sein. 8¹7 Zudem muss ein rechtsgültiges Sicherungsrecht an den infrage kommenden Vermögenswerten begründet werden können, und sie müssen bei Nichtrückzahlung auch tatsächlich zugunsten der SNB verwertbar sein. Ausserdem dürfen Vermögenswerte nicht bereits als Sicherheiten für andere Gläubiger eingesetzt sein, und die Verrechnungsrechte von Gläubigern sind zu berücksichtigen. Operationell muss die Bank schliesslich in der Lage sein, die entsprechenden Prozesse in ihren Systemen abzubilden. 8¹8 Die Bank muss daher quartalsweise in einem Formular eine Übersicht über die verfügbaren Sicherheiten liefern. 8¹9
Im Laufe der Jahre erweiterte die SNB die Palette der anrechenbaren Sicherheiten. In der nachstehenden Tabelle werden die wichtigsten Anpassungen aufgeführt, die seit 2015 vorgenommen wurden.
Tabelle 11: Chronologie der wichtigsten Anpassungen zum Kreis der Sicherheiten für ELA
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| Datum | Anpassung |
|---|---|
| Vor 2015 | Vor 2015 umfasste der Kreis der Sicherheiten für ELA Hypotheken auf Wohnimmobilien mit zugehörigen Schuldbriefen sowie SNB-repofähige Wertschriften 82⁰ . |
| September 2015 | Bildung der Wertschriftenfazilität (WeFa) als neue Fazilität. Die WeFa enthielt zwei wichtige Neuerungen: 1) Das Volumen der Liquiditätshilfe war nicht mehr durch eine Limite begrenzt, sondern durch das Volumen der anrechenbaren Sicherheiten. 2) Banken konnten Liquidität neu auch in US-Dollar und Euro statt nur in Franken beantragen. |
| Juni 2016 | Einbindung ausländischer Triparty Agents (TPA). Seit Juni 2016 können systemrelevante Banken Sicherheiten für die WeFa auch über TPA im Ausland einliefern. TPA sind spezialisierte Dienstleister im Bereich der Abwicklung und Bewirtschaftung von Wertschriften. Davor mussten Banken die Wertschriften für die Wertschriftenfazilität zwingend über die Verwahrungsstelle der SIX an die SNB übertragen. Diese Neuerung brachte eine Vereinfachung für im Ausland gehaltene Wertschriften. |
| März 2020 | Schaffung Covid-19-Refinanzierungsfazilität (CRF). Die CRF erlaubte es den Banken, die vom Bund garantierten Covid-19-Kredite bei der Nationalbank als Sicherheit zu hinterlegen, um dafür Liquidität zu beziehen (siehe auch Kap. 5.5.4). |
| März 2020 | Erweiterung CRF auf weitere Sicherheiten. Die SNB ermöglichte es den systemrelevanten Banken, innerhalb der CRF Liquidität auch gegen schweizerische Hypotheken und Wertschriften zu beziehen. Damit konnten systemrelevante Banken die CRF nutzen, um einen Refinanzierungsbedarf jenseits der Covid-19-Kredite zu decken. |
| April 2020 | Erweiterung ELA auf Hypotheken, die mit Gewerbeliegenschaften besichert sind. Im Frühling 2020 forderte die SNB beide Grossbanken auf, ihr Vorschläge für eine Erhöhung des ELA-Volumens zu unterbreiten. Daraufhin erweiterte die SNB die Palette an anrechenbaren Sicherheiten um Hypotheken, die mit Gewerbeliegenschaften besichert sind. Bei der Wertschriftenfazilität zeigte sich kein nennenswertes Potenzial für Erweiterungen. |
| November 2021 | Senkung der Abschläge auf Hypotheken und Wertschriften. Wie andere Zentralbanken wendet die SNB bei Sicherheiten, die bei ihr für den Bezug von Liquidität hinterlegt werden, Risikoabschläge an - sogenannte Haircuts. Damit berücksichtigen Zentralbanken, dass eine Verwertung nicht unbedingt den gesamten ursprünglichen Wert der hinterlegen Sicherheiten einbringt. Ende 2021 senkte die SNB die Risikoabschläge auf Hypotheken und Wertschriften. |
| 2019-2024 | Erweiterung auf den ganzen Bankensektor: Liquidität gegen hypothekarische Sicherheiten (LGHS). Mit der bereits 2019 gestarteten LGHS-Initiative kann die SNB allen Banken in der Schweiz (nicht nur systemrelevanten Banken) bei Bedarf Liquidität gegen hypothekarische Sicherheiten gewähren. Bedingung für den Bezug ist, dass eine Bank ihre Hypotheken entsprechend vorbereitet hat. |
Quelle: Anhang 1 «Chronologie der wichtigsten Anpassungen zum Kreis der Sicherheiten für ELA (ab 2015)», SNB, 17.6.2024.
Damit die Finanzinstitute die erweiterte Palette nutzen können, müssen sie allerdings die erforderlichen Vorkehrungen treffen. Wenn die SNB die Palette an Sicherheiten erweitert, wird der Betrag, den eine Bank im Falle einer Inanspruchnahme der ELA erhält, somit nicht automatisch erhöht. Mehreren von der PUK angehörten Personen zufolge hatte sich die CS nicht ausreichend vorbereitet, weshalb sie das Potenzial der ELA zu gegebener Zeit nicht ausschöpfen konnte (siehe Kap. 7.2.2). 82¹ Ausserdem ist darauf hinzuweisen, dass die SNB eine Bank nicht dazu verpflichten kann, ihre Sicherheiten zu erhöhen. 82²
Die CS stellte bis zum März 2023 keinen ELA-Antrag, auch wenn diese Möglichkeit bestanden hätte (siehe Kap. 5.1.2).
8⁰6 Art. 6 der Richtlinien der SNB vom 25. März 2004 über das geldpolitische Instrumentarium, www.snb.ch > Die SNB > Umsetzung der Geldpolitik > Richtlinien über das geldpolitische Instrumentarium (Stand: 9.4.2024).
8⁰7 Art. 6 der Richtlinien der SNB
8⁰8 Art. 9 Abs. 1 Lit. e NBG
8⁰9 Botschaft vom 26.6.2002 über die Revision des Nationalbankgesetzes ( BBl 2002 6097 , hier 6199)
81⁰ Plenio, Martin und Senn, Myriam (Hrsg.) (2021): Nationalbankgesetz. Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel. Kommentar. Zürich/St. Gallen: Dike Verlag AG, S. 225.
81¹ SNB: Warum muss die Liquiditätshilfe besichert werden?, www.snb.ch > Medien > Themen-Dossiers > Weitere Themen > Die Rolle der SNB als Kreditgeberin in letzter Instanz (Stand: 26.4.2024).
8¹2 Plenio, Martin und Senn, Myriam (Hrsg.) (2021): Nationalbankgesetz. Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel. Zürich/St. Gallen: Dike Verlag AG, S. 225.
8¹3 Schreiben der SNB vom 17.6.2024 an die PUK; Plenio, Martin und Senn, Myriam (Hrsg.) (2021): Nationalbankgesetz. Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel. Kommentar. Zürich/St. Gallen: Dike Verlag AG, S. 238.
8¹4 Schriftliche Antworten an die PUK vom 8.4.2024
8¹5 Schriftliche Antworten an die PUK vom 26.3.2024, schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024
8¹6 Schriftliche Antworten an die PUK vom 18.3.2024
8¹7 SNB: Wie bestimmt die SNB die Sicherheiten für eine ausserordentliche Liquiditätshilfe?, www.snb.ch > Die SNB > Umsetzung der Geldpolitik > Richtlinien über das geldpolitische Instrumentarium (Stand:26.4.2024).
8¹8 Brief der SNB an die PUK vom 17.6.2024
8¹9 Ausserordentliche Liquiditätshilfe gegen hypothekarische Sicherheiten. Memorandum of Understanding (MoU) zwischen der SNB und der CS ( nachfolgend : ELA MoU), undatiert, Ziff. 3.1 und 3.2 ( Bemerkung : Der Name der Bank ist geschwärzt, aber es ist davon auszugehen, dass der MoU mit der CS geschlossen wurde); Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024.
82⁰ Repofähige Sicherheiten sind Wertschriften, die bezüglich Bonität und Liquidität hohe Anforderungen erfüllen.
82¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024, schriftliche Antworten an die PUK vom 26.3.2024; schriftliche Antworten an die PUK vom 8.3.2024; Protokoll der AF-Sitzung vom 24.1.2023.
82² Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023; schriftliche Antworten an die PUK vom 8.4.2024.
5.5.4 Konjunkturbedingte Massnahmen der SNB
Im Berichtszeitraum setzte die SNB unter Beteiligung der anderen zuständigen Akteure Instrumente ein oder schuf diese, um auf bestimmte konjunkturelle Entwicklungen zu reagieren. Diese Massnahmen werden im Folgenden beschrieben.
Antizyklischer Kapitalpuffer
Seit Juli 2012 und im Rahmen der Umsetzung der TBTF-Bestimmungen verfügt die Schweiz über einen antizyklischen Kapitalpuffer (siehe Kap. 2.2). Seit Bestehen dieses Instruments hat es der Bundesrat auf Antrag der SNB viermal in jeweils unterschiedlichen Situationen eingesetzt. Im Februar 2013 wurde der antizyklische Kapitalpuffer für Hypothekarkredite zur Finanzierung von Wohnliegenschaften in der Schweiz aktiviert. Die Nationalbank begründete ihren Antrag damit, dass das starke Wachstum der Kredite und der Immobilienpreise zu Ungleichgewichten am Hypothekar- und am Wohnliegenschaftsmarkt geführt habe. Der Puffer wurde auf 1 % der entsprechenden risikogewichteten Positionen festgelegt. 8²3 Im Januar 2014 wurde dieser Satz auf 2 % erhöht, da sich die Ungleichgewichte nach Einschätzung der SNB weiter verschärft hatten. 8²4 Im März 2020, im Zuge der Covid-19-Krise, beantragte die SNB die Deaktivierung des Kapitalpuffers, um den Banken grösstmöglichen Spielraum bei der Kreditvergabe zu gewähren. 8²5 Im Januar 2022 schliesslich reaktivierte der Bundesrat den sektoriellen antizyklischen Kapitalpuffer auf Antrag der SNB, die argumentierte, dass die pandemiebedingten Unsicherheiten in Bezug auf den Kreditzugang von Unternehmen deutlich abgenommen, während sich die Verwundbarkeiten am Hypothekar- und am Wohnliegenschaftsmarkt deutlich erhöht hätten. 8²6 Der Satz wurde auf 2,5 % erhöht und lag somit höher als vor seiner Deaktivierung 2020.
Covid-19-Refinanzierungsfazilitäten
Aufgrund der Covid-19-Krise im Jahr 2020 ging die Wirtschaftstätigkeit stark zurück, wodurch sich die globale Wirtschafts- und Finanzlage verschlechterte. Weltweit ergriffen die Behörden Massnahmen, um in ihren jeweiligen Ländern die Wirtschaft zu unterstützen und das Bankensystem mit Liquidität zu versorgen. Als Ergänzung zum Bürgschaftsprogramm des Bundes, das den Unternehmen den Zugang zu Krediten erleichterte, führte die SNB in der Schweiz die SNB-Covid-19-Refinanzierungsfazilität ein, um es den Banken zu ermöglichen, den verbürgten Teil dieser Unternehmenskredite zum SNB-Leitzins zu refinanzieren. Die Fazilität stellte eine stabile Refinanzierungsbasis für Bankkredite dar. Die Banken konnten so höhere Kredite vergeben, ohne ihre aufsichtsrechtlichen Liquiditätsquoten wie etwa die Liquidity Coverage Ratio (LCR) zu beeinträchtigen. 8²7 Dank diesen Massnahmen vergaben die Banken 137 870 Covid-19-Kredite in der Höhe von insgesamt rund 17 Milliarden Franken an 23 % der Unternehmen in der Schweiz. 8²8
Zu Beginn der Krise bereitete den Behörden die Situation der CS aufgrund der geringen Liquidität der Bank Sorgen (Kap. 5.1.2). Aus Sicht der SNB gab es bei der CS Anzeichen dafür, dass die Liquidität nicht nur zur Refinanzierung, sondern «auch für andere Zwecke» notwendig sein könnte. 8²9 Die SNB gestaltete die Covid-19-Refinanzierungsfazilität vor dem Hintergrund der Probleme der CS so aus, dass sie im Ernstfall auch für systemrelevante Banken, und damit für die CS, einsetzbar gewesen wäre. Die SNB war somit bereit, der CS gegen Sicherheiten Liquidität ausserhalb des normalen ELA-Prozesses zu gewähren. Grund für diese Flexibilität war, dass die SNB eine Stigmatisierung einer systemrelevanten Bank durch einen allfälligen Liquiditätsbezug vermeiden wollte. 83⁰ Die Regelung galt nicht nur für die CS, sondern für alle systemrelevanten Banken in den Schweiz und wurde ihnen mittels Briefen mitgeteilt. 83¹
Ende März 2020 schienen die SNB-Fazilitäten «für die CS die einzige dauerhafte Lösung». Eine Woche später stabilisierte sich aber die Liquiditätssituation der Bank ohne staatliches Eingreifen. 83²
8²3 «Antizyklischer Kapitalpuffer: Antrag der Schweizerischen Nationalbank und Entscheid des Bundesrates», Medienmitteilung der SNB vom 13.2.2013.
8²4 «Antrag der Schweizerischen Nationalbank auf Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers», Medienmitteilung der SNB vom 23.1.2014
8²5 «Nationalbank schafft SNB-COVID-19-Refinanzierungsfazilität und stellt Antrag auf Deaktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers», Medienmitteilung der SNB vom 25.3.2020
8²6 «Antrag der Schweizerischen Nationalbank auf Reaktivierung des sektoriellen antizyklischen Kapitalpuffers auf 2,5 %», Medienmitteilung der SNB vom 26.1.2022
8²7 SNB (2020): Bericht zur Finanzstabilität 2020.
8²8 Covid-19-Solidarbürgschaftskredite, Zwischenbericht des Bundesrates vom 29.11.2023
8²9 Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 6
83⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 6; Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024; schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024.
83¹ Brief der SNB an die CS vom 26.3.2020; Brief der SNB an die UBS vom 26.3.2020; Brief der SNB an die PostFinance vom 7.4.2020; Brief der SNB an die Raiffeisen vom 7.4.2020; Brief der SNB an die Zürcher Kantonalbank vom 7.4.2020.
83² Auszug aus den Protokollen des AF 23.3.2020 und 30.3.2020
5.6 Konkrete Wahrnehmung der Aufsicht der Bundesbehörden über die FINMA, die SNB und die RAB in der ersten Phase
Obwohl die FINMA wie auch die RAB als rechtlich verselbstständigte Einheiten gelten, unterliegen sie einer gewissen Aufsicht des Bundesrates und sind administrativ dem EFD respektive dem EJPD zugeordnet (siehe Kap. 3.5.2 und Kap. 3.5.3). 83³ Auch bei der SNB kommen dem Bundesrat in verschiedenen Bereichen Aufsichtsaufgaben zu. Diese sind allerdings eng gefasst (siehe Kap. 3.5.1). Wie der Bundesrat, das EJPD und das EFD die Geschäftsführung dieser drei Einheiten in der Zeit zwischen 2015 und 2022 beaufsichtigten, wird in den nachfolgenden Kapiteln näher beleuchtet.
5.6.1 Aufsicht über die SNB
Aufsichtsgefässe der Bundesbehörden
Im Hinblick auf die Geschäftsführung der SNB liegen der PUK keine konkreten Interaktionen zwischen dem Bund und der SNB mit Bezug auf systemrelevante Banken und deren Auswirkungen auf die Finanzstabilität vor. Im Rahmen der Ernennungs- und Genehmigungsbefugnisse des Bundesrates sind im Untersuchungszeitraum keine relevanten Ereignisse zu nennen. Die erwähnten Gespräche des SNB-Präsidenten mit dem Bundesrat werden zudem nicht protokolliert. Eine Ausnahme bildete das Gespräch des Bundesrates mit Thomas Jordan zur Einführung des PLB am 2. November 2022 (siehe Kap. 6.3.4.1).
Aufsichtsgefässe der Bundesversammlung
Im Rahmen ihrer Rechenschaftspflicht gegenüber der Bundesversammlung präsentiert die SNB jährlich ihren Rechenschaftsbericht vor den Geschäftsprüfungskommissionen. Die CS wurde dabei in der Regel gemeinsam mit der UBS im Rahmen der Umsetzung verschiedener TBTF-Anforderungen genannt und bis 2021 nicht negativ hervorgehoben. 2021 erwähnte die SNB, dass sich die CS der Bedeutung der Eigenmittelausstattung nach den Skandalen um Archegos und Greensill bewusst geworden sei und verschiedene Massnahmen getroffen habe, um Kapital zu sparen. Die SNB führte aus, dass sie die Entwicklungen trotz der erfolgten Kapitalerhöhung weiterhin eng beobachten werde. 8³4 Ein Jahr später teilte die SNB bei der Präsentation des Rechenschaftsberichtes 2021 mit, dass sowohl die CS wie auch die UBS über gute Kapitalpuffer verfügten, die Entwicklung der beiden Banken aber unterschiedlich sei. Während die UBS ihre Kapitalpuffer mit Gewinnen erhöhen konnte, musste die CS nach dem Einbruch des Aktienkurses infolge des Archegos-Verlusts neues Kapital aufnehmen und Risiken reduzieren. 8³5 Darüber hinaus wurde das Geschäftsverhalten der CS oder ihre Kapital- und Liquiditätssituation nicht explizit thematisiert.
8³4 Protokoll der GPK-Subkommissionen EFD-WBF NS zum Rechenschaftsbericht 2020 der SNB vom 26.4.2021
8³5 Protokoll der GPK-Subkommissionen EFD-WBF NS zum Rechenschaftsbericht 2021 der SNB vom 25.4.2022
5.6.2 Aufsicht über die FINMA durch den Bundesrat und das EFD zwischen 2015 und 2022
Die nachfolgende Tabelle bietet eine Übersicht über die verschiedenen Formate, in deren Rahmen sich der Bundesrat oder das EFD mit der FINMA austauschen. Diese Gefässe werden nachfolgend im Detail dargestellt und erläutert.
Tabelle 12: Übersicht über die Aufsichts- und Austauschgefässe zwischen BR, EFD und FINMA
8³6
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| Bezeichnung | Teilnehmende | Inhalte | Frequenz |
|---|---|---|---|
| Institutionalisierte Gespräche zw. Bundesrat und FINMA | Gesamtbundesrat, VR-Präsident/-in FINMA, Direktor/-in FINMA | Strategische Ziele und Tätigkeiten, Probleme im Rahmen der Aufsichtstätigkeit, generelle Fragen zur Finanzplatzpolitik | Einmal pro Jahr, häufiger bei Bedarf |
| Eignergespräch | Vorsteher/-in EFD, GS-EFD, VR-Präsident/-in FINMA, Sekretär/-in VR FINMA | Zusammenarbeit und Gouvernanz EFD-FINMA, regulatorische Neuerungen, Umsetzung FINMAG-Verordnung, Schwerpunktthemen aus dem strategischen Dialog, Budgetfragen, Personelles | Ein- bis zweimal pro Jahr |
| Strategischer Dialog | Vorsteher/-in EFD, Staatssekretär/-in für internationale Finanzfragen, VR-Präsident/-in und Direktor/-in FINMA | Aktuelle Lage Finanzmärkte, Geschäftsbericht und Zielerreichung FINMA, betriebliche Entwicklung, Personelles | Halbjährlich |
| Policy Dialog | Staatssekretär/-in für internationale Finanzfragen, Direktor/-in FINMA | Themen der Regulierung (laufende Projekte, regulatorischer Handlungsbedarf), internationale Tätigkeiten von SIF und FINMA | Vierteljährlich |
Aufsichtsgefässe des Bundesrates über die FINMA
Wie in Kap. 3.5.2 ausgeführt, handelt sich bei der FINMA um eine organisatorisch verselbstständigte Verwaltungseinheit. Die Aufsicht über die FINMA ist dementsprechend begrenzt. Im Untersuchungszeitraum fand die Zusammenarbeit zwischen dem EFD und der FINMA resp. die Aufsicht über dieselbe sowohl im Rahmen der in Kapitel 3.5.2 beschriebenen institutionalisierten Gespräche mit dem Bundesrat wie auch der Eignergespräche 8³7 statt.
In den Eignergesprächen, die jeweils im Anschluss an den strategischen Dialog (siehe unten) stattfinden, 8³8 wurden im Untersuchungszeitraum allgemeine Themen angesprochen, wie die Erreichung der strategischen Ziele der FINMA, das Budget der Institution, die personellen Ressourcen, Kryptowährungen, mobiles Arbeiten oder die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. Auch die Zusammenarbeit zwischen dem EFD respektive dem SIF und der FINMA war ein ständiges Traktandum. So wurde unter diesem Traktandum der Entwurf der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz 8³9 besprochen und hervorgehoben, dass das EFD und die FINMA sich in einigen kritischen Punkten einvernehmlich geeinigt hatten. 84⁰ Die Situation der CS im Speziellen respektive das Risiko einer Insolvenz oder Illiquidität wurde in den Eignergesprächen bis 2023 jedoch nicht thematisiert, da für solche Themen das LG und der AF vorgesehen sind. Im März 2023 wurden - mit Verweis auf die Diskussion im LG und AF - die möglichen Auswirkungen einer Sanierung der CS auf die Ressourcen der FINMA im Falle besprochen. 84¹
Entwicklung der Zusammenarbeit mit dem EFD unter der EFD-Vorsteherin 2010-2015
Zu Beginn der Amtszeit der von 2010 bis 2015 amtenden Vorsteherin des EFD war die Bereitschaft, nachhaltige Regulierungen zu implementieren und umzusetzen, hoch. Dies äusserte sich in der Entwicklung der TBTF-Regulierung und der Revision des BankG, mit welcher spezifische Bestimmungen zur Regulierung systemrelevanter Banken eingeführt wurden (siehe Kap. 5.2.1). Diese Bereitschaft nahm nach Einschätzung der Verantwortlichen im EFD und in der FINMA mit wachsendem Einfluss des Finanzsektors nach kurzer Zeit wieder ab. 84² Der Austausch zwischen EFD und FINMA und die Auseinandersetzung mit der TBTF-Problematik in dieser Phase wurden von den Beteiligten als intensiv beschrieben. 84³ Gemäss der damaligen Vorsteherin des EFD war die Situation der systemrelevanten Banken, deren Geschäftstätigkeit und insbesondere auch deren Beaufsichtigung bei den Besprechungen mit dem Präsidium und dem Direktor der FIN.MA während ihrer gesamten Amtszeit im EFD ein zentrales Thema. 84⁴ Der frühere FINMA-Direktor beschrieb die damalige EFD-Vorsteherin als interessiert, engagiert und präsent in diesen Themenbereichen. Die Zusammenarbeit mit dem EFD sei in dieser Zeit sehr gut gewesen. Zudem herrschte in der FINMA der Eindruck vor, dass die damalige EFD-Vorsteherin die Aufsichtsbehörde gegen den Lobbydruck des Bankensektors stützte und die Aufsichtsarbeit der FINMA positiv wertete. 8⁴5
Entwicklung der Zusammenarbeit mit dem EFD unter dem EFD-Vorsteher 2016-2022
Nach der Amtsübernahme durch den EFD-Vorsteher 2016 bis 2022 veränderte sich nach Aussage verschiedener FINMA-Verantwortlicher der politische und regulatorische Kontext, in dem die FINMA operierte: Die Regulierungstätigkeit der FINMA wurde zunehmend kritisiert, und verschiedene politische Vorstösse zielten darauf ab, die Unabhängigkeit der Behörde zu schwächen. 8⁴6 Diese Entwicklung ging nach Einschätzung verschiedener FINMA-Verantwortlicher Hand in Hand mit einer erstarkten Lobbytätigkeit der Banken gegen eine starke TBTF-Regulierung einher. In der Wahrnehmung der FINMA wurden die Argumente der Banken vermehrt auch vom EFD aufgenommen. Durch die politischen Diskussionen wurden Regulierungsschritte teilweise verzögert. 8⁴7
Die Beurteilung der Zusammenarbeit zwischen FINMA und EFD in dieser Phase fiel innerhalb der FINMA in der Tendenz negativer als zuvor aus. Auf der einen Seite wurde der damalige Vorsteher des EFD im Vergleich zu seiner Vorgängerin als weniger interessiert an Aufsichts- und Regulierungsthemen wahrgenommen. Das machte sich unter anderem in der sinkenden Frequenz der Kontakte zwischen dem damaligen EFD-Vorsteher und der FINMA bemerkbar. 8⁴8 Grundsätzlich habe der EFD-Vorsteher eine Grundskepsis gegenüber der Regulierungstätigkeit der FINMA gehegt. 8⁴9 Dieses Misstrauen machte sich in der Wahrnehmung der FINMA auch im direkten Kontakt mit EFD-Mitarbeitenden bemerkbar. 85⁰ Innerhalb der FINMA bestand Einigkeit, dass sich der politische Druck auf die FINMA in dieser Zeit merklich erhöhte und sie stärker für ihre eigene Unabhängigkeit kämpfen musste, was interne Ressourcen band. 85¹ Die Zunahme der politischen Vorstösse zur Tätigkeit der FINMA wurde gemäss Aussagen des früheren Direktors und des früheren Verwaltungsratspräsidenten der FINMA auch von ausländischen Aufsichtsbehörden mit Besorgnis beobachtet. 85² Der damalige Vorsteher des EFD äusserte sich in den WAK im Rahmen von Beratungen parlamentarischer Geschäfte zur FINMA unterschiedlich. In der Beratung der Motion 17.3317 («Klare Verantwortlichkeiten zwischen Finanzmarktpolitik und Finanzmarktaufsicht») wies er im Namen des Bundesrates ausdrücklich auf die Bedeutung der Unabhängigkeit der FINMA und deren Aufrechterhaltung hin. Gleichzeitig setzte er sich dezidiert für die Erarbeitung der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz (siehe unten) ein. 85³ Einige Jahre später zeigte er sich in der gleichen Kommission kritisch gegenüber der Regulierungstätigkeit der FINMA und forderte die Parlamentsmitglieder auf, der FINMA die Grenzen ihrer Unabhängigkeit aufzuzeigen. 85⁴
Aus Sicht des damaligen Vorstehers des EFD verbesserte sich die Zusammenarbeit mit der FINMA im Laufe der Zeit. Spätestens ab 2020 herrschte seiner Einschätzung nach eine intensive Zusammenarbeit und ein offener Dialog zwischen EFD und FINMA. Auf operativer Ebene habe eine enge Kooperation bestanden, die von wöchentlichen Kontakten geprägt gewesen sei. 85⁵ Für die Zeit während der Covid-Pandemie und für die Anfangsphase der Sanktionen gegen Russland bestätigten die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin und die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen diesen positiven Eindruck in ihren einleitenden Einschätzungen zur Behördenzusammenarbeit anlässlich einer Sitzung der Geschäftsprüfungskommissionen im April 2022. Positiv wurden von der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen in diesem Zusammenhang die neuen Austauschprozesse mit der FINMA erwähnt, die 2020 im Rahmen der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz 8⁵6 eingeführt worden waren. 8⁵7 Die Effekte dieser Verordnung wurden jedoch nicht durchgehend positiv bewertet. Vielmehr wurde die Verordnung von verschiedenen FINMA-Vertreterinnen und -Vertretern als Auslöser für viel FINMA-internen Aufwand 8⁵8 und als eine der Ursachen für eine generelle Verschlechterung der Beziehungen mit dem EFD identifiziert. 8⁵9
Wechsel im Verwaltungsratspräsidium 2021
Wie in Kapitel 3.5.2 beschrieben, ist der Bundesrat für die Wahl der Verwaltungsratsmitglieder der FINMA verantwortlich. Am 1. Januar 2021 kam es zu einem Wechsel im Verwaltungsratspräsidium: die auch während der CS-Krise 2022/2023 amtierende Verwaltungsratspräsident löste ihren Vorgänger ab. Aus Sicht des ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten fehlte es an einem guten Vertrauensverhältnis mit dem EFD-Vorsteher, was für ihn ein Grund gewesen sei, sein Mandat nicht über sein Pensionierungsalter auszuüben. 86⁰ Der FINMA-Verwaltungsrat habe diese Situation für nicht optimal befunden, da die FINMA dadurch Schwierigkeiten gehabt habe, ihre Anliegen zielführend beim Bundesrat vorzubringen. 86¹ Der damalige Vorsteher des EFD empfand den früheren FINMA-Verwaltungsratspräsidenten als wenig präsent, zu wenig durchsetzungsstark gegenüber dem damaligen FINMA-Direktor, im Verwaltungsrat generell nicht unumstritten und nach Ende der ersten Amtszeit auch für zu alt für ein weiteres Mandat. 86²
Die Notwendigkeit eines stärkeren Verwaltungsrates, der ein Gegengewicht zum starken Direktor der FINMA bilden sollte, erwähnte der frühere EFD-Vorsteher bereits 2018 im Rahmen der Beratung der Motion 17.3317 in der WAK-S. 86³ Gemäss einer von der PUK angehörten Person fand die Kommunikation zwischen dem damaligen EFD-Vorsteher und dem damaligen FINMA-Verwaltungsratspräsidenten nach einer gewissen Zeit nur noch schriftlich statt. Mehrere Personen sagten gegenüber der PUK aus, dass der EFD-Vorsteher aufgrund des gestörten Verhältnisses beschlossen habe, den damaligen Verwaltungspräsidenten der FINMA zum Rücktritt aufzufordern beziehungsweise diesen nicht mehr wiederzuwählen. 86⁴ Die gegenwärtige Verwaltungsratspräsidentin der FINMA sei als damalige Vizepräsidentin des Verwaltungsrates eine naheliegende Kandidatin für die Nachfolge gewesen. 86⁵ Es habe der Praxis des EFD entsprochen, in solchen Situationen jeweils alle Mitglieder des Verwaltungsrates für eine Übernahme des Präsidiums in Betracht zu ziehen. 86⁶
Der ehemalige FINMA-Verwaltungsratspräsident kündigte acht Monate nach seiner Wiederwahl im März 2020 seinen Rücktritt per 31. Dezember 2020 an. 8⁶7 Der Rücktritt sei in Absprache mit dem damaligen EFD-Vorsteher erfolgt und bereits im Voraus geplant gewesen. 8⁶8 Für den damaligen FINMA-Direktor kam der Zeitpunkt des Rücktritts im März 2020 aber unerwartet früh. Er sagte aus, man habe FINMA-intern erst für den Herbst 2020 mit der Ankündigung gerechnet. 8⁶9 Nach erfolgter Wiederwahl hatte der damalige Verwaltungsratspräsident der FINMA Anfang Juli 2019 ein Bestätigungsschreiben des damaligen Bundespräsidenten und EFD-Vorstehers erhalten, in dem er darauf aufmerksam gemacht wurde, dass er, wie besprochen, auf Ende des kommenden Jahres von seiner Funktion zurücktreten und der Bundesrat die Suche nach einer Nachfolge rechtzeitig initiieren werde. 87⁰ Nach eigener Aussage deutete der damalige FINMA-Verwaltungsratspräsident das Schreiben dahingehend, dass er nur bis Ende 2020 gewählt worden sei und demzufolge kein formelles Rücktrittsschreiben einreichen müsse. Ein solches sei von ihm auch nicht verlangt worden. 87¹
Aufsichtsgefässe des EFD - Kompetenzveränderung zugunsten des EFD infolge des Erlasses der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz
Die Umsetzung der Motion 17.3317 87² durch die bereits erwähnte Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz 87³ (siehe Kap. 5.2.5.2) präzisierte die Kompetenzen der FINMA im internationalen Bereich sowie in der Regulierung und klärte deren Verhältnis zu den Kompetenzen des Bundesrates bzw. des EFD. 87⁴ Die Verordnung stellte sicher, dass sich die FINMA bei ihrer eigenen Regulierung an die Stufengerechtigkeit hält und Regulierungsvorhaben, die in der Zuständigkeit des EFD liegen, nicht von sich aus aufgleist oder ankündigt. Bei Regulierungsvorhaben, die Änderungen auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe mit sich bringen, benötigte die FINMA fortan die vorgängige explizite Zustimmung des EFD. 87⁵
Das EFD wurde durch die genannte Verordnung zudem stärker in das internationale Standardsetting mit einbezogen. Unter anderem wurde die Möglichkeit vorgesehen, eine Einsitznahme des EFD oder der FINMA in internationalen Organisationen und Gremien durch eine Teilnahme der jeweils anderen Behörde zu ergänzen, sofern dies gemäss den entsprechenden Gremien möglich ist. Zuvor hatte sich der Informationsaustausch zwischen SIF und FINMA in Bezug auf internationale Institutionen aus Sicht des ehemaligen Staatssekretärs für internationale Finanzfragen schwierig gestaltet, was die Arbeit des SIF erschwert habe. 87⁶ Die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs bei den internationalen Tätigkeiten von EFD und FINMA ist seit 2020 zusätzlich durch eine nicht veröffentlichte bilaterale Vereinbarung geregelt. 87⁷
Austauschgefässe EFD-FINMA
Analog zu den Aussprachen zwischen Bundesrat und FINMA führt das EFD unterjährige Gespräche mit den Organen der FINMA, beispielsweise zu aktuellen Fragen und Herausforderungen in der Regulierung und im internationalen Umfeld. 8⁷8 Dazu gehörten die halbjährlichen strategischen Dialoge zwischen dem EFD und der FINMA (seit 2019), aber auch ein vierteljährlicher Policy Dialog zwischen SIF und FINMA. Letzterer existiert zwar bereits seit 2018, wurde jedoch erst im Februar 2020 durch ein bilaterales Memorandum of Understanding institutionalisiert. 8⁷9
Mit der Inkraftsetzung der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz 88⁰ wurden im erwähnten MoU auch die strategischen Dialoge zwischen EFD und FINMA etabliert, die seither mindestens zweimal jährlich auf Einladung des EFD stattfinden. 88¹ An diesen Dialogen nahmen nebst dem EFD-Vorsteher respektive der EFD-Vorsteherin auch der FINMA-Verwaltungsratspräsident bzw. die Verwaltungsratspräsidentin, der FINMA-Direktor und die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen teil. Gemeinsame Protokolle werden seit der Einführung dieser Gespräche keine erstellt. Die FINMA erstellt jedoch jeweils eine interne Notiz. 88² Die strategischen Dialoge wurden im Untersuchungszeitraum für den Austausch über eine Vielzahl von Themen genutzt, so zur Digitalstrategie der FINMA oder zur Cyber Security in der Bankenaufsicht. Die FINMA nahm jeweils zu Beginn des Austauschs eine Einschätzung der aktuellen Lage an den Finanzmärkten vor. 88³ In der Phase 1 (2015 bis Sommer 2022) war die Situation der CS kein Thema im strategischen Dialog. 88⁴
Die Policy Dialoge fanden seit ihrer Einführung jeweils auf Einladung des SIF statt. Zu den wiederkehrenden Kernthemen dieses Austauschgefässes gehören Fragen der Regulierung sowie der Aktivitäten von SIF und FINMA in multilateralen Gremien oder internationalen Verhandlungsprozessen. Die Aufsicht der FINMA über systemrelevante Banken war und ist bis heute kein fix vorgesehener Bestandteil dieser Austausche und wurde/wird stattdessen bei Bedarf im AF besprochen. 88⁵ Dennoch gab es regelmässige Diskussionen zwischen den Behörden in Bezug auf die Ausarbeitung der TBTF-Regulierung (siehe Kap. 5.2) und die damit in Verbindung stehenden Forderungen der beiden Grossbanken UBS und CS. Vor allem die Revision der Eigenmittelverordnung, aber auch die Frage, ob die Liquiditätsanforderungen für systemrelevante Banken erhöht werden müssen, wurden mehrfach angesprochen.
In einigen Treffen traten auch unterschiedliche Ansichten in Bezug auf die Geschäftsführung der FINMA oder Spannungen in der Zusammenarbeit der beiden Behörden zutage. So zeigte sich das SIF anlässlich des Policy Dialogs vom 1. April 2019 beispielsweise beunruhigt über «das seit Jahren anhaltend hohe Tempo in den Anpassungen der finanzmarktrechtlichen Rahmenbedingungen» und verlangte von der FINMA einen Ausblick über die noch anstehenden regulatorischen Projekte. Die FINMA erwartete Differenzen mit den betroffenen Grossbanken im Bereich der TBTF-Regulierung und erklärte, dass die hohe Frequenz der Revisionen die Umsetzung für die FINMA und die Betroffenen vereinfachen solle und nicht Teil einer grösseren Strategie («Salamitaktik») sei. 88⁶ Die FINMA machte deutlich, dass sie eine hohe Liquiditätshaltung und eine genügende Notfallplanung in einem Krisenfall für zentral erachte. In diesem Kontext wurde auch auf ein im März 2019 stattfindendes Seminar von FINMA und SNB zum Thema Liquidität und Public Liquidity Backstop verwiesen (siehe Kap. 5.2.5.3). Das SIF lehnte 2019 eine öffentliche Diskussion über einen expliziten PLB ab. Zuvor seien die Anforderungen an die erste Verteidigungslinie im Bereich der Liquidität, nämlich die Liquiditätsausstattung der Bank selber, erneut gesetzlich zu verschärfen. 88⁷ Da diese Arbeiten an die Hand genommen wurden, teilte das SIF bereits im Januar 2020 mit, dass Bundesrat Maurer der Bildung einer Arbeitsgruppe zu möglichen Formen eines PLB zugestimmt habe (siehe Kap. 5.2.5.3). 88⁸
Im November 2021 informierte das SIF, dass es als Risikoeigner dem Bundesrat eine Risikoeinschätzung im Bereich TBTF vorlegen müsse. Da die von der FINMA öffentlich publizierten Informationen dafür nicht ausreichten, ersuchte das SIF die FINMA um einen vertieften Austausch über die verwendeten Daten. Die FINMA lehnte einen solchen bilateralen Austausch jedoch ab und verwies auf den AF, da ihrer Meinung nach auch die SNB an derartigen Gesprächen teilnehmen sollte. Sie wies zudem darauf hin, dass
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vertiefte Diskussionen über bestehende Lücken bei der Abwickelbarkeit und bei Notfallplänen rasch technisch werden können,
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die Bezifferung von Eintrittswahrscheinlichkeiten und der Schadenhöhe immer von den spezifischen Szenarien abhängt und insofern die Realität nur begrenzt wiedergibt und
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die Weitergabe von Informationen auf Institutsebene nur in passendem Kreis erfolgen kann.
Die FINMA und das SIF einigten sich in der Folge darauf, dass das SIF konkrete Fragen vorbereiten könne, die im Rahmen des AF oder auf technischer Ebene beantwortet würden. 8⁸9 Die konkreten Unterlagen seien dem SIF jedoch nicht zur Verfügung gestellt worden. 89⁰
Thematisierung der CS in den Policy Dialogen
In den Policy Dialogen wurde die Geschäftslage der CS zwischen 2018 und 2023 kaum als eigenständiges Traktandum besprochen. Eine Ausnahme bildet die Diskussion zur Aufarbeitung der Archegos- und Greensill-Vorfälle. Im September 2021 wurde in diesem Kontext die Frage thematisiert, ob die FINMA einen Bedarf sieht, ihren Aufsichtsansatz nach Analyse der Geschehnisse anzupassen. Die FINMA hielt diesbezüglich fest, dass hauptsächlich die Kultur der Bank für diese Vorfälle verantwortlich gewesen sei und die Entscheidungsverantwortlichkeiten, Anreizsysteme und die Gouvernanz durch die CS selber überprüft und gegebenenfalls angepasst werden müssten. 89¹ Die FINMA hatte mit Blick auf diese zwei Fälle ihre eigenen Aufsichtsprozesse analysiert, jedoch keinen grundsätzlichen Verbesserungsbedarf festgestellt. 89² Ab September 2022 bis im Sommer 2023 wurden sämtliche Traktanden, welche die CS oder die TBTF-Regulierung betrafen, auf die Sitzungen des AF verschoben.
Austausch zwischen FINMA und der parlamentarischen Oberaufsicht betreffend die CS zwischen 2015 und 2022
Wie in Kap. 3.5.2 erwähnt, behandeln die zuständigen Subkommissionen EFD/WBF der Geschäftsprüfungskommissionen jährlich sowohl den Bericht des Bundesrates über die Erreichung der strategischen Ziele wie auch den Strategieumsetzungsbericht und den Jahresbericht der FINMA. Die CS wurde zwischen 2018 und 2022 mehrfach erwähnt, oft jedoch nicht im Kontext ihrer Geschäftstätigkeit, sondern mit Bezug auf die Auswirkungen der TBTF-Gesetzgebung auf die beiden Schweizer G-SIB.
In der Beratung der genannten Berichte im April 2021 erwähnte der damalige FINMA-Direktor das gefährliche Marktumfeld für Grossbanken und verwies auf die Enforcementverfahren der FINMA nach den grossen Verlusten der CS in den Fällen Archegos und Greensill. Die beiden Fälle bezeichnete er als Versagen im Risikomanagement, sah darin aber auch ein Beispiel für die Grenzen der Aufsicht, da die Kontrollstellen wie die Verwaltungsräte und die Prüfgesellschaften diese Positionen nicht als gefährlich identifiziert hatten. Er hob die hohen TBTF-Kapitalpuffer der Banken positiv hervor und teilte mit, dass die FINMA von der CS verlangt habe, ihren Risikoappetit in der Investmentbank grundlegend zu überprüfen. 89³
Sein Nachfolger informierte die Subkommissionen ein Jahr später ebenfalls über diese beiden Enforcementverfahren und machte sie darauf aufmerksam, dass kein anderes Finanzinstitut so viel Aufmerksamkeit und Ressourcen der FINMA in Anspruch nehme wie die CS, gegen die man in vier Jahren acht Enforcementverfahren eröffnet habe. 89⁴
Auch die Subkommissionen 1 der beiden Finanzkommissionen, welche für das EFD zuständig sind, befassen sich seit dem Jahr 2017 mit dem jährlichen Bericht des Bundesrates. Die Lage der CS wurde nie explizit besprochen. Diskutiert wurde hingegen der Stand der Umsetzung der TBTF-Regulierung. 89⁵ Diskussionen zur spezifischen Lage oder zur Geschäftstätigkeit eines einzelnen FINMA-Beaufsichtigten sind aber grundsätzlich auch nicht Aufgabe der parlamentarischen Oberaufsicht.
8³6 Es werden hier vorliegend die Dialoggefässe zwischen der FINMA und der zentralen Bundesverwaltung beschrieben. Der Austausch im Rahmen des tripartiten Memorandums (LG und AF) wird in Kap. 3.6.1 beschrieben.
8³7 Protokolle der Eignergespräche EFD-FINMA vom 15.10.2019, 9.3.2020, 22.10.2020, 15.3.2021, 31.10.2022, 6.3.2023, 22.1.2023
8³8 Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.6.2024, S. 14
8³9 Verordnung vom 13. Dezember 2019 zum Finanzmarktaufsichtsgesetz
84⁰ Protokoll des Eignergesprächs EFD-FINMA vom 15.10.2019
84¹ Traktanden bzw. Protokolle Eignergespräche EFD-FINMA vom 15.10.2019, 9.3.2020, 22.10.2020, 15.3.2021, 14.3.2022, 31.10.2022, 6.3.2023, 2.11.2023. Einige Aspekte der CS wurden erst 2023 besprochen, dies jedoch nicht im Hinblick auf die unmittelbare Krisenbewältigung.
84² Schriftliche Antworten an die PUK vom 16.4.2024; Schriftliche Antworten an die PUK vom 15.4.2024.
84³ Schriftliche Antworten an die PUK vom 16.4.2024
84⁴ Schriftliche Antworten an die PUK vom 16.4.2024
8⁴5 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024; schriftliche Antworten an die PUK vom 25.3.2024.
8⁴6 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024; schriftliche Antworten an die PUK vom 9.4.2024 und vom 5.4.2024.
8⁴7 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024; schriftliche Antworten an die PUK vom 18.3.2024 und vom 5.4.2024.
8⁴8 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024
8⁴9 Sitzungsprotokoll der PUK vom 20.3.2024
85⁰ Schriftliche Antworten an die PUK vom 15.4.2024
85¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024; Schriftliche Antworten an die PUK vom 5.4.2024; Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.6.2024, S. 1.
85² Protokoll der GPK-Subkommissionen EFD-WBF NS vom 16.4.2018; Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024.
85³ Protokoll der WAK-S vom 1. und 2.11.2018, S. 8, 26
85⁴ Protokoll der WAK-S vom 18. und 19.1.2021, S. 3
85⁵ Protokoll der GPK-Subkommissionen EFD-WBF NS vom 27.4.2021
8⁵6 Verordnung vom 13. Dezember 2019 zum Finanzmarktaufsichtsgesetz
8⁵7 Protokoll der GPK-Subkommissionen EFD-WBF NS vom 27.4.2021; Protokoll der GPK-Subkommissionen EFD-WBF NS vom 26.4.2022.
8⁵8 Schriftliche Antworten an die PUK vom 9.4.2024
8⁵9 Schriftliche Antworten an die PUK vom 5.4.2024; Schriftliche Antworten an die PUK vom 15.4.2024; Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.6.2024, S. 1.
86⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 20.3.2024, S. 9
86¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 26
86² Sitzungsprotokoll der PUK vom 22.5.2024, S. 18
86³ Protokoll der WAK-S vom 1. und 2.11.2018, S. 25 f.
86⁴ Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024; Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024
86⁵ Schriftliche Antworten an die PUK vom 1.5.2024.
86⁶ Brief des damaligen Vorstehers des EFD an den FINMA-Verwaltungsrat vom 6.11.2019
8⁶7 «Bundesrat ernennt Marlene Amstad zur künftigen Verwaltungsratspräsidentin», Medienmitteilung des Bundesrats vom 13.3.2020
8⁶8 Sitzungsprotokoll der PUK vom 20.3.2024, S. 19
8⁶9 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024
87⁰ Brief des damaligen Bundespräsidenten an den damaligen Verwaltungsratspräsidenten der FINMA vom 3. Juli 2019
87¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.6.2024, S. 11
87² Mo. Landolt «Klare Verantwortlichkeiten zwischen Finanzmarktpolitik und Finanzmarktaufsicht» vom 4.5.2017 (17.3317). Die Motion verlangte eine klare Trennung zwischen den Verantwortlichkeiten des Bundesrates und den Zuständigkeiten der FINMA sowie eine effektivere Gewährleistung der politischen Steuerung und Kontrolle der FINMA unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit in der konkreten Aufsicht.
87³ Verordnung vom 13. Dezember 2019 zum Finanzmarktaufsichtsgesetz
87⁴ «Bundesrat verabschiedet neue Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz», Medienmitteilung des Bundesrates vom 13.12.2019
87⁵ Erläuterungen des EFD zur Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 13.12.2019, S. 23
87⁶ Schriftliche Antworten an die PUK vom 15.4.2024
87⁷ Anhörungsprotokoll der GPK Subkommissionen EFD-WBF NS vom 20.4.2023
8⁷8 Erläuterungen des EFD zur Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 13.12.2019, S. 24
8⁷9 Schreiben des SIF an die PUK «Auszüge Policy-Dialoge 2018-2024» vom 10.5.2024; Anhörungsprotokoll der FK-SN1 vom 28.4.2021; Anhörungsprotokoll der GPK Subkommissionen EFD-WBF NS vom 20.4.2023; Vereinbarung über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch bei den internationalen Tätigkeiten und in der Regulierung, Vereinbarung zwischen dem EFD und der FIMA vom 1.2.2020.
88⁰ Verordnung vom 13. Dezember 2019 zum Finanzmarktaufsichtsgesetz
88¹ Schreiben der FINMA «Erläuterungen zu ihrer Chronologie 2012-2023» an die PUK vom 26.9.2023
88² Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
88³ Kurzberichte zu den strategischen Dialogen EFD-FINMA vom 14.3.2022, 31.10.2022; Anhörungsprotokoll der FK-SN1 vom 28.4.2021.
88⁴ Der AF ist gemäss Krisenorganisation das Format, in dem eine akute Krise wie bei der CS diskutiert wird. Der strategische Dialog war gemäss FINMA-Verwaltungsratspräsidentin nicht das richtige Format zur Besprechung der CS-Krise, da kein Parallelformat zum AF geschaffen werden sollte. Quelle: Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.6.2024, S. 13.
88⁵ Schreiben des SIF an die PUK «Auszüge Policy-Dialoge 2018-2024» vom 10.5.2024
88⁶ Protokoll des Policy Dialogs vom 1.4.2019
88⁷ Protokoll des Policy Dialogs vom 1.4.2019
88⁸ Protokoll des Policy Dialogs vom 15.1.2020
8⁸9 Protokoll des Policy Dialogs vom 24.11.2021
89⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024
89¹ Protokoll des Policy Dialogs vom 2.9.2021
89² Protokoll des Policy Dialogs vom 8.6.2022
89³ Protokoll der GPK-Subkommissionen EFD-WBF N/S zum Bericht des Bundesrates über die Erreichung der strategischen Ziele im Jahr 2020, dem Strategieumsetzungsbericht 2020 der FINMA und dem Jahresbericht 2020 der FINMA vom 27.4.2021
89⁴ Protokoll der GPK-Subkommissionen EFD-WBF N/S zum Bericht des Bundesrates über die Erreichung der strategischen Ziele im Jahr 2021, dem Strategieumsetzungsbericht 2021 der FINMA und dem Jahresbericht 2021 der FINMA vom 26.4.2022
89⁵ Protokolle der FK-Subkommissionen 1 B+G/EFD zur Berichterstattung über die Erreichung der strategischen Ziele der FINMA vom 28.10.2020 sowie vom 28.4.2021.
5.6.3 Aufsicht über die RAB
Die nachfolgende Tabelle bietet eine Übersicht über die verschiedenen Formate, in deren Rahmen sich das EJPD mit der RAB austauscht. Diese Formate werden nachfolgend im Detail dargestellt und erläutert.
Tabelle 13: Übersicht über die Aufsichts- und Austauschgefässe zwischen EJPD und RAB
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| Bezeichnung | Teilnehmende | Inhalte | Frequenz |
|---|---|---|---|
| Eignergespräch mit dem EJPD | Vorsteher/-in EJPD, Generalsekretär/-in EJPD, VR-Präsident/-in RAB, Direktor/-in RAB | Strategische Ziele und Erfüllung der Aufgaben der RAB | Ein- bis zweimal jährlich |
| Direktionsgespräche | Direktor/-in RAB, Fachverantwortliche für Risikomanagement, Informationssicherheit, Datenschutz der RAB und des GS-EJPD | Risikomanagement, IT-Sicherheit, Datenschutz | Periodisch (drei Gespräche seit 2015) |
Die RAB ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit und übt die Aufsicht über die Revisionsunternehmen fachlich unabhängig aus. 89⁶ Wie die FINMA und andere Anstalten des öffentlichen Rechts unterliegt auch sie, wie in Kap. 3.5.3 erläutert, einer administrativen Aufsicht durch den Bundesrat, 89⁷ der vorliegend durch das EJPD handelt.
Aufsicht im Rahmen der Eignergespräche
Die Protokolle der in diesem Rahmen zwischen 2017 bis Dezember 2023 durchgeführten Eignergespräche sind summarisch gehalten. Im Vorfeld der Gespräche erstellte die RAB jeweils umfangreiche vorbereitende Informationsnotizen. Aus den Protokollen der Eignergespräche wird ersichtlich, dass die Thematik der CS erst im Mai 2023, also nach der erfolgten Notfusion, zur Sprache kam. Auch wurde bei Eignergesprächen bis Mai 2023 kein Bezug auf andere Fälle bei systemrelevanten Banken genommen. Einzig im August 2021 und Dezember 2022 wurde das EJPD von der RAB über den Wirecard-Fall in Deutschland informiert. 89⁸ Im Rahmen des jährlichen Eignergesprächs macht die RAB aus Sicht des Risikomanagements zudem jeweils eine Aussage dazu, ob ein grösserer Revisionsskandal besteht, der politische Bedeutung hat oder bekommen könnte. Bisher wurde vonseiten der RAB auf keinen möglichen Skandal hingewiesen, da es objektiv gesehen dafür keinen Anlass gab. ⁸99
Überprüfung der Erreichung der strategischen Ziele
Zusätzlich zu den Eignergesprächen überprüft der Bundesrat jährlich die Erreichung der strategischen Ziele der RAB in Form eines öffentlich publizierten Kurzberichtes. Gemäss den Kurzberichten des Bundesrates verlief die Umsetzung der strategischen Ziele im Untersuchungszeitraum jeweils nach Plan. Aus dem Kurzbericht des Bundesrates von 2022 geht zudem hervor, dass die RAB langfristige Trends wie die Digitalisierung der Branche zufriedenstellend berücksichtigt und auf kurzfristige Aufsichtsthemen wie den Ukraine-Krieg, die mögliche Aufspaltung von Ernst&Young oder die Prüfung von Berichten zur Nachhaltigkeit oder von Krypto-Unternehmen reagiert hat. 90⁰ Aus den naturgemäss generisch gehaltenen strategischen Zielen 2024-2027 ist keine explizitere Bezugnahme auf den Fall CS zu erkennen.
Austausch im Rahmen der Direktionsgespräche
An den drei Direktionsgesprächen zwischen dem GS-EJPD und der RAB, die zwischen 2015 und 2023 stattfanden, wurden weder die CS noch generell Bedenken zu einzelnen Revisionsunternehmen thematisiert. 9⁰1 Gemäss RAB und EJPD wurde dem EJPD mitgeteilt, wie der Überprüfungsrhythmus und der risikobasierte Überprüfungsansatz der RAB funktionieren und dass die RAB das Revisionsmandat der CS seit 2012 jährlich überprüft hat. 9⁰2
Aufsichtsgefässe der Bundesversammlung
Der Bundesrat erstattet dem Parlament jährlich Bericht über die Zielerreichung der verselbstständigten Einheiten (siehe Kap. 3.5.2). Sämtliche Berichte des Bundesrates zur Erreichung der strategischen Ziele werden den Geschäftsprüfungskommissionen zugestellt. Einige Berichte werden standardmässig jährlich im dafür zuständigen Organ behandelt, andere nur auf Antrag eines Mitglieds einer Kommission. 9⁰3 Die Erreichung der strategischen Ziele durch die RAB wurde in den Geschäftsprüfungskommissionen im Untersuchungszeitraum nicht traktandiert. 9⁰4
89⁶ Art. 28 Abs. 2 RAG
89⁷ Art. 38 Abs. 2 RAG
89⁸ Protokolle der Eignergespräche EJPD-RAB vom 16.2.2017, 30.1.2018, 28.10.2019, 30.8.2021, 16.12.2022, 10.5.2023, 1.12.2023
⁸99 Brief der RAB an die PUK vom 6.12.2023, S. 18
90⁰ Eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde: Kurzbericht des Bundesrates über die Erreichung der strategischen Ziele im Jahr 2022, 5.4.2023, https://www.rab-asr.ch > Die RAB > Strategische Ziele > Periode Ziele 2020-2023 > Kurzbericht des Bundesrates über die Erreichung der strategischen Ziele im Jahr 2022 (Stand: 19.8.2024).
9⁰1 Protokoll der Direktionsgespräche RAB und GS-EJPD vom 12.11.2015, 10.1.2019, 30.8.2021
9⁰2 Brief der RAB an die PUK vom 25.4.2024, S. 5; Brief des GS-EJPD an die PUK vom 22.2.2024, S. 3.
9⁰3 Diese Informationen werden jeweils im Jahresprogramm der GPK publiziert.
9⁰4 Auch die für das EJPD zuständigen Subkommissionen 4 der Finanzkommissionen befassen sich jedes Jahr mit der Erreichung der strategischen Ziele der RAB. In den Jahren 2023 und 2024 wurden auch Fragen zur Revision bei der CS diskutiert. In den Plenarkommissionen findet jeweils eine Berichterstattung über die wesentlichen Erkenntnisse statt. Quelle: Protokolle der Subkommissionen 4 (EJPD/VBS) der Finanzkommissionen vom 28.4.2021; 27.4.2022; 18.4.2023 und 24.4.2024.
83³ Ziff. III 2.2.3 und Ziff. V.2.2.1 Anhang 1 RVOV
5.7 Risikomanagement und Strukturen zur Krisenfrüherkennung
Das Krisenmanagement und die Krisenfrüherkennung des Bundes bilden wichtige Bestandteile des Risikomanagements. Das Risikomanagement soll der Identifizierung, Analyse und Überwachung von Risiken dienen, weshalb sich eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen Risikomanagement und Krisenfrüherkennung ergibt.
Im vorliegenden thematischen Kontext stellen sich gerade auch mit Blick auf das Risikomanagement und die Krisenfrüherkennung wichtige Fragen.
5.7.1 Das Risiko der Insolvenz eines Finanzinstituts im Risikomanagement des Bundes
5.7.1.1 Das Risikomanagement des Bundes in seinen Grundzügen
Das heute geltende Risikomanagement wurde in den Jahren 2002 bis 2009 etabliert und weiterentwickelt. Das Risikomanagement stellt ein Führungsinstrument auf den Stufen Bundesrat, Departement und Verwaltungseinheiten zur Erkennung und Bewirtschaftung von Risiken dar. Gemäss Handbuch der Eidgenössischen Finanzverwaltung, die dafür federführend ist, sind die Erkenntnisse des Risikomanagements in die Geschäfts- und Führungsprozesse zu integrieren. 9⁰5 Insbesondere soll es das Risikomanagement den Behörden ermöglichen, rechtzeitig Massnahmen zur Verminderung oder Vermeidung von Risiken zu ergreifen.
Das Risikomanagement Bund ist dezentral organisiert. Sämtliche Verwaltungseinheiten erfassen ihre eigenen Risiken. Neben den verschiedenen Verwaltungseinheiten kommen in erster Linie einerseits der Koordinationsstelle Risikomanagement, welche bei der EFV angesiedelt ist, und andererseits der Generalsekretärenkonferenz wichtige, zentrale Aufgaben zu. Während die Koordinationsstelle eine homogene Umsetzung des Risikomanagements in der Bundesverwaltung sicherstellt - ohne Weisungskompetenz -, konsolidiert und priorisiert die GSK die Risiken auf Stufe Bundesrat. Der Bundesrat nimmt das Risikoreporting einmal jährlich, jeweils im Frühjahr, zur Kenntnis. Die wichtigsten Risiken werden dem Bundesrat ein zweites Mal im Rahmen eines Updates zur Kenntnis gebracht, jeweils im Herbst. Die parlamentarische Oberaufsicht wird durch die Arbeitsgruppe Risikomanagement der GPK wahrgenommen, welche sich jährlich mit dem Risikoreporting an den Bundesrat befasst. 9⁰6
Damit das Risikomanagement optimal ausgestaltet ist bzw. die von ihm erwartete Wirkung entfalten kann, braucht es ein Zusammenwirken der Führungsverantwortlichen und jener Personen, die in einer Verwaltungseinheit mit dem Risikomanagement betraut sind. Daher ist ein regelmässiger Austausch von grosser Bedeutung, gerade auch im vertikalen Verhältnis zwischen den verschiedenen Führungsebenen.
Die Risiken des Bundes richten sich nach den gesetzlich und durch die Verfassung vorgegebenen Zielen und Aufgaben des Bundes. 9⁰7 Die wichtigsten Risiken der Bundesverwaltung werden dem Bundesrat gemeldet und als Bundesratsrisiken bezeichnet. Massgebend dabei ist die Einstufung eines Risikos nach seinen Auswirkungen 9⁰8 und seiner Eintrittswahrscheinlichkeit 9⁰9 . Liegt ein Risiko über einem vordefinierten Schwellenwert, handelt es sich automatisch um ein Bundesratsrisiko.
9⁰5 EFV: Handbuch zum Risikomanagement Bund, S. 8 und 13.
9⁰6 In diesem Zusammenhang hat die PUK die GPK um Einsicht in die das Risiko «Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts» betreffenden Protokollauszüge der Sitzungen der Arbeitsgruppe im Zeitraum 2014-2023 gebeten. Die GPK kamen diesem Anliegen nach und stellten der PUK die relevanten Protokollauszüge zur Verfügung.
9⁰7 Risiko: «Ereignisse und Entwicklungen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten und wesentliche negative finanzielle und nichtfinanzielle Auswirkungen auf die Erreichung der Ziele und die Erfüllung der Aufgaben der Bundesverwaltung haben». In: EFV: Handbuch zum Risikomanagement Bund, S. 64.
9⁰8 Das Risikoreporting kennt folgende Stufen der Auswirkungen: 0-1 Mio. Fr. (sehr gering, 1-10 Mio. Fr. (gering), 10-100 Mio. Fr. (moderat), 100-500 Mio. Fr. (wesentlich), 500-1000 Mio. Fr. (hoch), grösser als 1000 Mio. Fr. (sehr hoch).
9⁰9 Das Risikoreporting kennt folgende Stufen der Eintrittswahrscheinlichkeit; 0-1 % (sehr unwahrscheinlich), 1-2 % (unwahrscheinlich), 2-10 % (selten), 10-33 % (möglich), 33-50 % (wahrscheinlich), 50-100 % (sehr wahrscheinlich).
5.7.1.2 Insolvenz von systemrelevanten Finanzinstituten als Risiko
Nach der Finanzkrise von 2007/08 und der staatlichen Rettung der UBS wurde ein neues Risiko ins Risikoreporting des Bundes aufgenommen: «Drohende Insolvenz von systemrelevanten Finanzinstituten». Dieses ist seit jeher auf der Stufe der Bundesratsrisiken eingeordnet. Seine Bezeichnung wurde über die Jahre hinweg verschiedentlich leicht angepasst.
Nachfolgend werden die Entwicklungen bei diesem Risiko während der Jahre 2014-2023 dargestellt. In dieser Zeitspanne befasste sich die GSK einmal explizit mit diesem Risiko, konkret im Jahr 2016 (siehe hierzu unten).
Das Risiko ist seit Beginn beim SIF angesiedelt. Dennoch wurde bis und mit der Berichterstattung zum Risiko-Update 2019 die jeweilige Departementsvorsteherin bzw. der jeweilige Departementsvorsteher als Risikoeignerin bzw. Risikoeigner aufgeführt, was bei anderen Risiken nicht zwingend der Fall war. Seit dem Risikoreporting 2019 fungiert die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen als Risikoeignerin. Es ist die Aufgabe des SIF, die Stabilität des schweizerischen Finanzsektors zu fördern (Art. 7 Abs. 1 Lit. b OV-EFD).
Risikoreporting 2014 - die Ausgangslage
Im Risikoreporting 2014 wurde im Risikobeschrieb festgehalten, dass die Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts weitreichende Konsequenzen für die gesamte Volkswirtschaft hätte (Einflüsse auf private Haushalte, Unternehmen und Pensionskassen). Um diese drastischen Folgen abzuwenden, müsste der Bund die betroffene Bank mit öffentlichen Geldern stützen. Als Credible worst Case wurden einerseits das Beispiel der staatlichen Unterstützung der UBS mit 60 Milliarden Franken im Jahr 2008 und andererseits massive Steuerausfälle angegeben. Als Hauptursache wurden neben einer internationalen Finanz- bzw. Bankenkrise auch straf- und aufsichtsrechtlich relevantes Fehlverhalten von Schweizer Finanzinstituten oder riskantes Geschäftsgebaren genannt. Weiter waren sowohl risikosenkende als auch risikoerhöhende Faktoren aufgelistet.
Zu den risikosenkenden Massnahmen zählten namentlich die Stärkung der Eigenkapitalbasis, die Erhöhung der Anforderungen der inländischen und internationalen Finanzmarktregulierung in Bezug auf die Krisenfestigkeit, organisatorische Anpassungen zu einer Ex-ante-Separierung des systemrelevanten inländischen Geschäfts im Rahmen der Notfallplanung, internationale Quellensteuerabkommen, die Übernahme des automatischen Informationsaustausches, die Einigung mit den USA im Steuerstreit sowie die Einigung der CS mit der US-Justiz.
Risikoerhöhende Faktoren waren damals der Steuerstreit mit EU-Staaten, Verfahren gegen einzelne Schweizer Institute im Ausland und eine Verschärfung der Schuldenkrise in der EU. Insgesamt war das Risiko gemäss Reporting in der Berichtsperiode etwas gesunken, insbesondere, weil Altlasten der Grossbanken mit den US-Behörden bereinigt werden konnten. Als systemrelevante Banken galten zum damaligen Zeitpunkt die UBS, die CS, die Zürcher Kantonalbank und die Raiffeisen-Gruppe.
Im Risikoreporting 2014 finden sich zahlreiche Massnahmen zur Minderung oder Vermeidung des Eintritts des Risikos, welche teilweise bereits in den Jahren zuvor aufgenommen worden waren. Die Massnahmen betrafen in erster Linie die Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung (Übernahme Basel III, Memorandum of Understanding zwischen EFD, FINMA und SNB, Verschärfung von regulatorischen Massnahmen, Anpassung BankG und der entsprechenden Verordnungsbestimmungen). Als neue Massnahme wurde die Anpassung der TBTF-Regulierung aufgrund des Berichtes des Bundesrates im Sinne von Artikel 52 BankG aufgenommen. Die TBTF-Regulierung stellt letztlich eine zentrale Massnahme zur Vermeidung des Eintritts des Risikos bzw. zur Minderung seiner Folgen dar.
Unveränderte Einstufung im Risikoreporting 2015
Im Jahr 2015 blieben die Einstufung und die Beschreibung des Risikos sowie die diesbezüglichen Massnahmen im Wesentlichen unverändert. Einzige nennenswerte Änderung war die Bezeichnung der PostFinance als systemrelevant durch die SNB. In der Zwischenzeit war der Prüfbericht des Bundesrates zur TBTF-Regulierung erschienen, und der darin festgehaltene Handlungsbedarf wurde als neue Massnahme im Risikoreporting 2015 integriert. Weiter wurden der automatische Informationsaustausch und mehrere Abkommen zur Vergangenheitsregularisierung ins Massnahmenset aufgenommen.
Im Rahmen der Vorbereitung des Risikoreportings zuhanden des Bundesrates durch die GSK wurde die Frage aufgeworfen, weshalb die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos trotz der zahlreichen Massnahmen nicht abgenommen hatte. Der damalige Direktor der EFV machte geltend, dass noch nicht alle Massnahmen umgesetzt worden seien und die Weltwirtschaftslage unsicher sei. Ansonsten hätte das SIF das Risiko herunterstufen können. 91⁰
Konstante Einschätzung im Risikoreporting 2016
Auch im darauffolgenden Jahr 2016 blieben sowohl die Einstufung als auch die Beschreibung des Risikos unverändert. Es wurden keine neuen Massnahmen formuliert. Allerdings verwies das Risikoreporting auf die kürzlich erfolgten Anpassungen der TBTF-Regulierung. Diese betrafen die Eigenmittelverordnung und die Bankenverordnung und wurden im Mai 2016 verabschiedet (vgl. Kap. 5.2.3).
Anlässlich der Aussprache der Arbeitsgruppe Risikomanagement Bund der GPK mit der damaligen Generalsekretärin des EFD stellte diese in Aussicht, dass die Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte und die griffigen Massnahmen im Rahmen der TBTF-Regulierung dazu führen könnten, dass das Risiko künftig zurückgestuft werden könne. 91¹
Rückstufung des Risikos im Risikoreporting 2017
Mit dem Risikoreporting 2017 stufte der Bundesrat die Eintrittswahrscheinlichkeit auf Antrag des EFD effektiv um eine Stufe von «möglich» (alle 3 bis 10 Jahre einmal) auf «selten» (alle 10 bis 50 Jahre einmal) zurück. Die Einstufung der Auswirkungen blieb unverändert bei «sehr hoch». Das EFD begründete die Rückstufung damit, dass die eingeleiteten und beschlossenen Massnahmen von den betroffenen Institutionen teilweise umgesetzt worden seien bzw. deren Umsetzung weit fortgeschritten sei. Weiter hatte sich gemäss Reporting sowohl das politische als auch das wirtschaftliche Umfeld stabilisiert. Der Risikobeschrieb wurde nicht weiter angepasst und enthielt die gleichen Elemente wie in den Jahren zuvor. Als neue Massnahme wurde die Einführung von Notfallplänen sowohl für die international als auch für die national systemrelevanten Institute aufgeführt. Die Notfallpläne für die international systemrelevanten Institute mussten bis am 21. Dezember 2019 vorliegen.
Neue Massnahmen im Risikoreporting 2018 und 2019
Im Jahr 2018 wurden die Einstufung und der Risikobeschrieb aus dem Vorjahr übernommen. Hingegen leitete das EFD neue Massnahmen ein. Aufgrund der Finalisierung des Basel-III-Pakets gab es auch für die Schweiz Anpassungsbedarf (siehe hierzu Kap. 5.2). Zudem wurden auf der Grundlage des zweiten Prüfberichtes des Bundesrates weitere Massnahmen im Bereich der TBTF-Regulierung ergriffen (neue Kapitalanforderungen), was insbesondere eine Revision der Eigenmittelverordnung notwendig machte. Gleichzeitig führte der damalige Vorsteher des EFD gegenüber den GPK aus, dass die TBTF-Regelungen nun abgeschlossen und entsprechend zu implementieren seien. Es gehe darum, die Liquidität sicherzustellen, damit im Krisenfall Einlagen ausbezahlt werden können. Insgesamt sei die Schweiz «gut unterwegs», da die Schweizer Banken im internationalen Vergleich zu den am besten kapitalisierten gehörten. 9¹2
Auch beim Risikoreporting 2019 sind weder bei der Einstufung noch beim Risikobeschrieb nennenswerten Anpassungen zu verzeichnen. Im Vergleich zum Vorjahr findet sich eine neue Massnahme in der Berichterstattung, bei welcher erneut eine Anpassung der TBTF-Regulierung ausgewiesen wurde. Mit einer Revision der ERV sollte sichergestellt werden, dass in der Schweiz ausreichend Kapital für den Krisenfall zur Verfügung steht. Weiter sollten die Rabatte auf Gone-Concern-Anforderungen, welche die FINMA einer Bank bei einer Verbesserung der Abwicklungsfähigkeit gewähren konnte, bis im Jahr 2022 abgeschafft werden (siehe hierzu Kap. 5.2).
Die damalige Generalsekretärin des EFD gab im Rahmen der jährlichen Aussprache mit der Arbeitsgruppe Risikomanagement Bund zu Protokoll, dass mit der Umsetzung der Basel-III-Standards das Risiko in den kommenden Jahren weiter heruntergestuft bzw. ganz aus den Kernrisiken gestrichen werden könne. 9¹3
Weder Streichung noch Herabstufung des Risikos im Risikoreporting 2020
Das EFD hielt das Risiko aber auch in den Folgejahren aufrecht: In der Risikoberichterstattung 2020 erfolgte weder eine Streichung noch eine Herabstufung. Es wurden einzig kleinere Anpassungen bei der Beschreibung des Risikoszenarios vorgenommen. So wurde neu etwa zwischen Banken und anderen Finanzmarktinfrastrukturen unterschieden. 9¹4
In den Erläuterungen der Auswirkungen und der Eintrittswahrscheinlichkeit hielt das EFD neu fest, dass keine Anhaltspunkte bestehen würden, wonach die Covid-19-Krise die Stabilität der systemrelevanten Banken oder der systemisch bedeutsamen Finanzmarktinfrastruktur in der Schweiz gefährdet hätte. Für Schweizer TBTF-Institute im internationalen Kontext sei die Lage jedoch schwieriger abschätzbar. Trotzdem verzichtete das EFD darauf, eine Anpassung der Einstufung vorzunehmen.
Gleichzeitig wurde die Einleitung von drei neuen Massnahmen abgebildet. In Bezug auf die Notfallpläne hielt das SIF fest, dass sowohl jener der CS als auch jener der UBS von der FINMA als umsetzbar eingeschätzt wurde. Bei der UBS brachte das EFD jedoch einen Vorbehalt an, da diese die finanziellen Verflechtungen innerhalb der Gruppe noch weiter abbauen musste. Die zweite Massnahme betraf die Überprüfung der Finanzmarktinfrastruktur-Regulierung sowie die Aufsicht über die Finanzmarktinfrastruktur und deren Überwachung. Das EFD erhoffte sich eine kritische Auseinandersetzung mit den geltenden Regeln. Schliesslich ging es um eine Revision der Liquiditätsverordnung. Damit sollte die Widerstandsfähigkeit einer systemrelevanten Bank während der Sanierung und Abwicklung gestärkt werden.
Bestätigung der Einschätzung im Risikoreporting 2021
Das Reporting 2021 bestätigte die Einschätzung, dass die Covid-19-Krise die Stabilität der systemrelevanten Banken und der systemisch bedeutsamen Finanzmarktinfrastruktur in der Schweiz nicht gefährdet hatte. Die Berichterstattung enthielt keine wesentlichen Neuerungen. Erwähnenswert sind jedoch die Ausführungen zu den eingeleiteten Massnahmen: Zur bereits skizzierten Revision der Liquiditätsverordnung hielt der entsprechende Massnahmenbeschrieb fest, dass die Schweiz nicht über einen Public Liquidity Backstop verfüge. Die Revision der Verordnung solle sicherstellen, dass systemrelevante Banken über die erforderliche Liquidität verfügen, um sogenannte Liquiditätsschocks besser absorbieren und die Zahlungsverpflichtungen auch in diesen Situationen erfüllen zu können.
Der damalige Generalsekretär des EFD gab bei der jährlichen Aussprache mit der Arbeitsgruppe der GPK an, dass das EFD zu jenem Zeitpunkt kein besonderes Potenzial für das Eintreten des Risikos sah. 9¹5
Erhöhung der Eintrittswahrscheinlichkeit im Risikoreporting 2022
Im Risikoreporting 2022, welches am 15. Februar 2023 von der EFV erstellt und so dem Bundesrat vorgelegt wurde, fand eine neue Beurteilung bzw. Einstufung des Risikos statt. Das SIF erhöhte die Eintrittswahrscheinlichkeit von «selten» auf «möglich», in erster Linie wegen der Liquiditätskrise der CS. Bei der Bewertungsänderung hielt das SIF fest, dass die Gefährdung eines Finanzinstituts aufgrund von riskantem Geschäftsgebaren oder Fehlverhalten im In- und Ausland nicht zu unterschätzen sei. Erstmals wurde dabei der massive Verlust an Vertrauen in die CS explizit erwähnt. Dieser dauerte zum damaligen Zeitpunkt bereits mehrere Monate an. Bei den Ursachen des Risikos wurde festgehalten, dass durch riskantes Geschäftsgebaren ein Vertrauensverlust der Marktteilnehmer eintreten könnte, was zu hohen Liquiditätsabflüssen führen könnte. Die Folgen eines Vertrauensverlusts könnten präventiv durch die Einführung eines PLB gemildert werden.
Die Massnahmen wurden im Risikoreporting 2022 ebenfalls einer Beurteilung unterzogen. Daraus wurde ersichtlich, ob die Umsetzung einer Massnahme nach Ansicht der Risikoeignerin planmässig verlief und wie die Wirksamkeit einer Massnahme eingeschätzt wurde. So wurde etwa die Wirksamkeit der Prüfberichte zur TBTF-Regulierung auf einer Skala von 1 bis 4, wobei 1 die beste Bewertung darstellt, nur mit 3 bewertet. Die Umsetzung und Wirksamkeit des ganzen Massnahmensets wurden dagegen mit 2 bewertet. Die FINMA kam weiterhin zum Schluss, dass die Notfallpläne von CS und UBS umsetzbar seien. Beide Banken hätten weitere Fortschritte erzielt. Nachdem im Jahr zuvor betont worden war, dass die Schweiz nicht über einen PLB verfüge, wurde nun eine entsprechende Massnahme explizit ins Reporting aufgenommen. Dadurch sollte eine Ausfallgarantie des Bundes für Liquiditätsdarlehen der SNB gewährleistet werden. Damit ging die Hoffnung einher, damit einen allfälligen Vertrauensverlust verhindern zu können. Die dafür nötige Revision des Bankengesetzes sollte im Jahr 2023 von den parlamentarischen Gremien diskutiert werden.
Die jährliche Aussprache mit der Arbeitsgruppe der GPK fand im April 2023, also nach der Notfusion der CS mit der UBS, statt. Die Generalsekretärin des EFD führte aus, dass dank den Massnahmen des Bundesrates, der Finanzdelegation, der FINMA und der SNB das Eintreten des Credible-worst-Case-Szenarios habe verhindert werden können. Bei einem derartigen Vertrauensverlust wäre auch mehr Liquidität nicht zielführend gewesen. Deshalb habe die TBTF-Gesetzgebung nicht angewendet werden können. 9¹6 Der damalige Bundespräsident sagte aus, es habe bereits im Jahr 2022 Anzeichen von Problemen gegeben. Es sei damals aber nicht der Moment gewesen, das Risikoreporting anzupassen, da sich das Risiko bereits zu realisieren begonnen habe. 9¹7
91⁰ Protokoll der GSK 26.2.2016.
91¹ Protokoll der ArG Risikomanagement Bund der GPK vom 28.4.2017, S. 22 f.
9¹2 Protokoll der ArG Risikomanagement Bund der GPK vom 2.5.2019, S. 30
9¹3 Protokollauszug der ArG Risikomanagement Bund der GPK vom 30.4.2020, S. 1
9¹4 Auch das «Credible-worst-Case-Szenario» wurde sprachlich überarbeitet, was allerdings auf den inhaltlichen Gehalt keine Auswirkungen hatte.
9¹5 Protokollauszug der ArG Risikomanagement Bund der GPK vom 12.4.2022, S. 3
9¹6 Protokollauszug der ArG Risikomanagement Bund der GPK vom 20.4.2023, S. 2 ff.
9¹7 Protokollauszug der ArG Risikomanagement Bund der GPK vom 20.4.2023, S. 8.
5.7.1.3 Optimierungsbedarf aus Sicht der GPK zum Risikomanagement des Bundes (GPK-Bericht 2018)
Die GPK befassen sich seit 2009 mit dem Risikoreporting an den Bundesrat. Am 30. Januar 2018 veröffentlichten sie einen Bericht zum Risikomanagement des Bundes. 9¹8 Die GPK formulierten darin insgesamt sieben Empfehlungen an den Bundesrat. Die Empfehlungen betrafen nicht unmittelbar das Risiko «Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts», sondern den damals festgestellten Handlungsbedarf aus Sicht der Oberaufsicht und damit folgende Bereiche: Aktualisierungen der Risiken, Indikatoren der Eintrittswahrscheinlichkeiten und Kriterien zur Eskalation an den Bundesrat. Die wichtigste Feststellung im Bericht der GPK war, dass der Top-down-Ansatz im Risikomanagement, wonach der Bundesrat das Risikomanagement und -reporting aktiv als Steuerungsinstrument verwendet, teilweise fehlte.
Der Bundesrat nahm zu den Empfehlungen der GPK am 21. März 2018 Stellung. 9¹9 Der Feststellung, dass der Top-down-Ansatz auf Stufe Bundesrat teilweise fehlt, entgegnete der Bundesrat mit Verweis auf die dezentrale Organisation des Risikomanagements, das Kollegial- und Departementalprinzip und die Bedeutung der Koordinationsstelle in der EFV.
Zur Empfehlung, Kriterien zur Eskalation an den Bundesrat einzuführen, hielt dieser fest, dass bereits geeignete Eskalationskriterien bestünden. Die Departemente müssen bei einer ausserordentlichen Risikosituation den Bundesrat umgehend informieren. 92⁰ Der Bundesrat war der Ansicht, die Begriffe «ausserordentlich» und «umgehend», die sich in erster Linie auf die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkungen beziehen, seien klar genug.
9¹8 Risikoreporting zuhanden des Bundesrates - eine Bestandsaufnahme, Bericht der GPK-N/S vom 30.1.2018 ( BBl 2018 1457 )
9¹9 Risikoreporting zuhanden des Bundesrates - eine Bestandsaufnahme, Stellungnahme des Bundesrates vom 21.3.2018 zum Bericht der GPK vom 30.1.2018 ( BBl 2018 2381 )
92⁰ Weisungen des Bundesrates vom 24.9.2010 über die Risikopolitik des Bundes ( BBl 2010 6549 , Ziff. 5 Abs. 4 Lit. d.)
5.7.2 Krisenfrüherkennung
Die Krisenfrüherkennung auf Stufe Bundesrat ist bei der Bundeskanzlei angesiedelt und strategischer Natur. Gemäss Artikel 32 Litera g RVOG berät und unterstützt der Bundeskanzler den Bundesrat bei der rechtzeitigen Erkennung und bei der Bewältigung von Krisen. Zudem sorgt er für eine langfristige und kontinuierliche Lage- und Umfeldanalyse (Art. 32 Lit. cter RVOG), welche der Krisenfrüherkennung vorgelagert ist. Diese Aufgaben werden innerhalb der Bundeskanzlei von der Sektion Strategische Führungsunterstützung wahrgenommen. Diese liefert zur Vervollständigung des Risikomanagements eine Aussensicht und ein Lagebild des Krisenpotenzials ausserhalb der Bundesverwaltung.
5.7.2.1 Rolle der BK
Die Krisenfrüherkennung durch die BK weist einen Betrachtungshorizont von einem bis anderthalb Jahren auf. Die Aufgabe der Krisenfrüherkennung ist es, Risiken zu identifizieren, zu analysieren und zu überwachen, die potenziell eine bundesratsrelevante Krise herbeiführen könnten. Um Krisen erkennen und bewältigen zu können, kommen dem Bundeskanzler departementsübergreifende Koordinationsaufgaben (Art. 33 Abs. 1bis RVOG) zu. Neue Erkenntnisse oder abweichende Einschätzungen im Rahmen der Krisenfrüherkennung meldet die BK dem zuständigen Departement über die Koordinationsstelle Risikomanagement Bund.
5.7.2.2 Funktionsweise der Krisenfrüherkennung
Anlässlich einer Anhörung des zuständigen Vizekanzlers durch die Arbeitsgruppe Risikomanagement Bund der GPK im Jahr 2017 hielt dieser fest, dass die Krisenfrüherkennung unter anderem darin bestehe, sämtliche Risiken des Risikoreportings erneut anzuschauen. Das Ziel dabei sei es zu analysieren, ob alle Risiken erfasst seien. Es gehe in erster Linie um eine Aussensicht. Die Analyse der BK stütze sich auf verwaltungsexterne Quellen. Die Krisenfrüherkennung werde in erster Linie anhand der Auswertung verschiedener Medien oder von Publikationen von Thinktanks und Universitäten erstellt. Gerade diesen Aspekt sah der damalige Vizekanzler als Mehrwert im Zusammenhang mit dem Risikomanagement an. Anschliessend würden die zuständigen Verwaltungseinheiten mit den gewonnenen Erkenntnissen konfrontiert. Durch diesen Prozess seien verschiedene Risiken ergänzt worden. Das geschilderte Vorgehen sei Teil des Risikoreporting-Prozesses.
92¹
92¹ Protokoll der ArG Risikomanagement Bund der GPK vom 9.11.2017, S. 5 f.
5.7.2.3
Zusammenarbeit zwischen BK und EFD beim Risiko
«
Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts
»
Die PUK hat abgeklärt, wie das Risiko der Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts in die Krisenfrüherkennung eingeflossen ist bzw. welche Auswirkungen die Krisenfrüherkennung auf das Risikomanagement hatte. Dabei wurden die verschiedenen Akteure bei der Bewirtschaftung des Risikos einerseits und der damals zuständige Vizekanzler andererseits um eine Einschätzung gebeten.
Gemäss den Aussagen der Direktorin der EFV arbeitet die EFV als Koordinationsstelle bezüglich Risikomanagement eng mit der BK zusammen. Die BK erstellt einen Bericht zuhanden der EFV, der auch Empfehlungen beinhalten kann. Nach einem Austausch mit der betroffenen Verwaltungseinheit gibt die EFV der BK eine Rückmeldung, ob ein neues Risiko aufgenommen wird.
92²
Der Vizekanzler, welcher damals für die Krisenfrüherkennung verantwortlich war, gab erneut - wie schon gegenüber der Arbeitsgruppe der GPK im Jahr 2017 - an, dass die Krisenfrüherkennung komplementär zum Risikomanagement durchgeführt wird. Da das Risiko «Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts» bereits erkannt worden sei, sei der BK in Bezug auf die Krisenfrüherkennung keine weitere Rolle zugekommen.
9²3
Das Risiko sowie die ergriffenen Massnahmen wurden gemäss seinen Angaben vom EFD überwacht und verfolgt. Sobald sich das Risiko zu realisieren begann, befanden sich die BK und der Bundesrat - gemäss den Angaben des damaligen Vizekanzlers - ohnehin nicht mehr im Stadium der Früherkennung, sondern im Krisenmanagement.
9²4
Unterlagen zur Krisenfrüherkennung wurden der PUK keine abgegeben
.
92² Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 38 f.
9²3 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.4.2024, S. 2 f.
9²4 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.4.2024, S. 2 f.
6 Phase 2: Beginn der Krise, Herbst 2022 bis März 2023
Ab Sommer 2022 spitzte sich die Situation der CS zunehmend zu. In diesem Kapitel wird einleitend beschrieben, wie sich die Finanzmärkte im Allgemeinen und die CS im Besonderen entwickelten (siehe Kap. 6.1). In den nachfolgenden Unterkapiteln (Kap. 6.2 bis 6.4) folgt die Darstellung der Geschäftsführung der Behörden im Kontext der sich zuerst langsam (ab Sommer) und dann merklich (ab Oktober) akzentuierenden Schieflage.
Dabei werden drei Unterphasen unterschieden: 1. die Zeitspanne zwischen Sommer und September (erste Anzeichen in Richtung Krise, Kap. 6.2), 2. die Zeitspanne von Oktober bis Dezember (Liquiditätsabflüsse im Oktober, intensivierte Krisenvorbereitung sowie Vorbereitung Departementswechsel, Kap. 6.3) und 3. die Phase von Januar bis Anfang März 2023 (fortgesetzte Vorbereitung auf eine allfällige Akutkrise unter neuer Departementsleitung, Kap. 6.4).
In den drei genannten Unterkapiteln wird jeweils zu Beginn die laufende mikroprudenzielle Aufsichtstätigkeit der FINMA gegenüber der CS beschrieben (Kap. 6.2.1, 6.3.1, 6.4.1), weil es sich dabei um den direktesten Berührungspunkt zwischen den Bundesbehörden und der CS handelt: Im Rahmen ihrer laufenden Aufsicht war die FINMA die erste Behörde, die über die sich verändernde Situation der CS informiert wurde. Es war zudem an der FINMA, im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe entsprechende Massnahmen zu treffen. Auch die SNB hat in diesem Zeitraum im Rahmen ihrer makroprudenziellen Aufgaben verschiedene Massnahmen ergriffen (Kap. 6.2.2, 6.3.2). Somit bildet der Beschrieb dieser Aufsichtstätigkeiten einen geeigneten Ausgangspunkt für die jeweils nachfolgenden Erläuterungen zum eigentlichen Krisenmanagement durch den Bundesrat, das EFD sowie die Koordinationsorgane LG und AF (jeweils ab Kap. 6.2.3., 6.3.3, 6.4.2). Zur Illustration findet sich in der Einleitung zu den Kapiteln 6.2, 6.3 und 6.4 jeweils eine Abbildung zur Mindestliquiditätsquote der CS.
6.1 Relevanter Kontext
Dieses Kapitel legt zuerst dar, welche Ereignisse die globale Wirtschaft und die Finanzmärkte zwischen Beginn 2022 und Frühjahr 2023 beeinflussten. Danach werden die wichtigsten Entwicklungen bei der CS ab der zweiten Jahreshälfte 2022 bis Anfang März 2023 dargelegt. Die Entwicklungen bei der CS ab Mitte März 2023 stehen in engem Zusammenhang mit der Akutkrise im März 2023 und werden deshalb in Kapitel 7.1 ausgeführt.
6.1.1 Entwicklung der Finanzmärkte, 2022 bis März 2023
Im Jahr 2022 erholte sich die Wirtschaft infolge der weitgehenden Aufhebung der Pandemierestriktionen. Die damit verbundene erhöhte Nachfrage führte zu einem Anstieg der Preise. Nach dem Auftreten neuer Ansteckungswellen in verschiedenen Regionen, insbesondere in China und den grossen Ländern der Eurozone, wurden wieder Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen, die die globalen Lieferketten beeinträchtigten. Diese Lieferkettenstörungen wurden durch den russischen Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar 2022 erheblich verschärft, sodass sich die Preise erneut sowie stärker und nachhaltiger als erwartet erhöhten. 9²5 Um der unerwartet hohen Inflation entgegenzuwirken, hoben die Zentralbanken die Leitzinsen rasch an. So erhöhte die SNB zwischen Juni und Dezember 2022 den Leitzins dreimal, von minus 0,75 % auf plus 1 %. 9²6 Damit stiegen auch die Nominalzinsen für Kredite, wodurch die Nachfrage nach Krediten sank. 9²7 Die genannten Entwicklungen verlangsamten einerseits das globale Wirtschaftswachstum im Jahr 2022. 9²8 Andererseits führten sie zu einem generellen Kurseinbruch der Bankaktien, wovon die Banken der Eurozone am stärksten betroffen waren. 9²9
Die hohe Inflation nahm Anfang 2023 zwar langsam ab. Das dennoch überdurchschnittlich hohe Niveau schwächte die Kaufkraft aber weiter und verschärfte die Bedingungen an den Finanzmärkten. 93⁰ Auch die Ratings von Unternehmenskrediten verschlechterten sich teilweise und die Risikoprämien auf Unternehmenskrediten blieben in der Tendenz hoch. 93¹
9²5 SNB (2022): Bericht zur Finanzstabilität 2022, S. 8. Zur Illustration: In der Schweiz erhöhten sich 2022 die Konsumentenpreise um 2,8 % im Vergleich zum Vorjahr. In den vier Jahren zuvor belief sich die Veränderung zum Vorjahr auf weniger als 1 %. Quelle: BFS: Preise, https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home.html > Statistiken > Preise > Konsumentenpreise > Indexierung (Stand: 20.6.2024).
9²6 SNB: Offizielle Zinssätze, 21.5.2024, https://data.snb.ch/de/topics/snb/cube/ snboffzisa?fromDate=2020-01&dimSel=D0(LZ,UG0,OG0)&toDate=2023-04 (Stand: 20.6.2024).
9²7 EZB (2022): Economic Bulletin Issue 8, S. 2.
9²8 SNB (2023): Bericht zur Finanzstabilität 2023, S. 11.
9²9 SNB (2022): Bericht zur Finanzstabilität 2022, S. 11. Zur Illustration: Ende 2021 lag der Aktienindex der Eurozone, bei einem Basiswert von 100 am 31.12.2019, bei rund 120. Im Verlauf des Jahres 2022 kam es zu starken Schwankungen, und Ende des Jahres lag der Index noch bei knapp 100. Quelle: SNB (2024): Bericht zur Finanzstabilität 2024, S. 14.
93⁰ SNB (2023): Bericht zur Finanzstabilität 2023, S. 11.
93¹ SNB (2023): Bericht zur Finanzstabilität 2023, S. 12.
6.1.2 CS: Entwicklungen ab Sommer 2022
Nachdem die CS im Juli 2022 eine umfassende Strategieüberprüfung bis Ende Oktober 2022 angekündigt hatte (siehe Kap. 5.1.2), wurde es für wenige Monate ruhiger um die Bank. Dies änderte sich, als am 1. Oktober 2022 ein australischer Journalist auf Twitter (heute «X») schrieb, er hätte von einer glaubwürdigen Quelle erfahren, dass eine internationale Investmentbank kurz vor dem Aus stünde. Die bereits bestehenden Unsicherheiten rund um die CS und die noch ausstehende Konkretisierung ihrer Strategieüberprüfung führten zu Spekulationen, dass sich der Tweet auf die CS beziehen könnte. 93² Am darauffolgenden Montag, dem 3. Oktober 2022, fiel der Aktienkurs der CS um 11 %. Kurz darauf zogen Kundinnen und Kunden Einlagen im Wert von über 100 Milliarden Franken ab. 93³ Es handelte sich um einen Bankrun von historischem Ausmass. Trotz der riesigen Geldabflüsse erfüllte die CS gemäss der Einschätzung der FINMA weiterhin die regulatorischen Anforderungen an die Liquidität. 9³4
Am 27. Oktober 2022 stellte die CS, wie sie es im Sommer 2022 geplant und kommuniziert hatte (siehe Kap. 5.1.2), ihre neue Strategie vor. Diese sah vor, in den kommenden drei Jahren die Kosten beschleunigt zu reduzieren und insbesondere die Investmentbank umzustrukturieren. 9³5 Die Restrukturierung wurde mittels einer Kapitalerhöhung von 4 Milliarden Franken finanziert, indem neue Aktien an «qualifizierte» Anleger ausgegeben wurden. 9³6 Zu diesen Anlegern gehörte die Saudi National Bank, die mit einem Anteil von 9,9 % die grösste Aktionärin der CS wurde. 9³7 Zudem teilte die CS in ihrer Medienmitteilung mit, dass beim Teilverkauf der Securitized Products Group an Apollo Global Management Fortschritte erzielt worden waren (siehe Kasten 9 in Kap. 6.3.1.1).
Die Märkte reagierten verhalten auf die Sanierungsstrategie der CS. Es zeigte sich Unsicherheit über deren Umsetzung und die zukünftige Rentabilität der CS. Deshalb senkten die Ratingagenturen S&P 9³8 und Moody’s 9³9 im November 2022, nur wenige Monate nach der letzten Herabstufung (siehe Kap. 5.1.2), die Ratings der CS Group erneut. Diese Herabstufungen erhöhten die Finanzierungskosten der CS weiter und schränkten ihren Zugang zu kurzfristigen Finanzierungsmärkten und damit auch die Möglichkeit, Geschäftsbeziehungen zu tätigen und den Kundenstamm zu halten, stark ein. 94⁰
Anfang Januar 2023 konnte die CS gleichwohl langfristige Anleihen von über 4 Milliarden Franken am Markt platzieren und so ihre Liquiditätsposition stabilisieren. 94¹ Das Ausmass der im Jahr 2022 verzeichneten Verluste wurde öffentlich, als die CS am 9. Februar 2023 ihre Resultate für das vierte Quartal 2022 publizierte. Allein bei den verwalteten Vermögen war es zu einem Rückgang um 107 Milliarden Franken gekommen. Die Netto-Mittelabflüsse der CS-Gruppe beliefen sich im vierten Quartal 2022 auf 110,5 Milliarden Franken. Zum Vergleich: Im vierten Quartal 2021 hatte sie Netto-Neugelder von 1,6 Milliarden Franken verzeichnet. 94² Gemäss Analyse der FINMA kam es aufgrund dieser Veröffentlichung vorerst zu keinen nennenswerten negativen Kundenreaktionen. 94³ Dies änderte sich, als die CS am 9. März 2023 bekannt geben musste, dass sie die Publikation ihres Geschäftsberichtes aufgrund einer Intervention der Securities and Exchange Commission (SEC) verschieben musste (siehe Kap. 7.1.2).
Abbildung 6 stellt die Entwicklung der CET1 Capital Ratio dar. An dieser Kennzahl lässt sich abschätzen, wie gut eine Bank Verluste absorbieren und damit ihre Verpflichtungen aufrechterhalten kann. 94⁴ Von der CS verlangte die FINMA seit 2015 stets eine Quote von mindestens 10 %. 2021 waren es zeitweise fast 11 %. 9⁴5 Die CS Group AG hielt diese Anforderung zwischen Juli 2022 und März 2023 stets ein. 9⁴6
Abbildung 6: Monatliche CET1 Capital Ratio der drei wichtigsten CS-Einheiten, Juli 2022 bis März 2023
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Quelle : Die vorliegende Grafik basiert auf den Zahlen, die die CS der FINMA zur Verfügung stellte. 9⁴7 Die CS teilte der FINMA die abgebildeten Werte monatlich mit.
93² FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 34.
93³ Expertenbericht Hau/Rochet (2024), S. 24 f.
9³4 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 34. Siehe Kap. 6.2, 6.3, 6.4 und 7.1.1 für Grafiken zu den Mindestliquiditätsquoten der CS Group, des CS Stammhauses und der CS (Schweiz) AG zwischen Juli 2022 und März 2023.
9³5 «Credit Suisse unveils new strategy and transformation plan», Medienmitteilung der CS vom 27.10.2022, https://www.ubs.com/global/en.html > About us > Media > Credit Suisse, Part of UBS group (Stand: 14.11.2024).
9³6 «Credit Suisse unveils new strategy and transformation plan», Medienmitteilung der CS vom 27.10.2022, S. 1, https://www.ubs.com/global/en.html > About us > Media > Credit Suisse, Part of UBS group (Stand: 14.11.2024).
9³7 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 35.
9³8 «Credit Suisse AG Downgraded To ‹A-/A-2› On Execution And Franchise Risks Under Restructuring Plan; Outlook Stable», Mitteilung von S&P Global vom 1.11.2022, https://disclosure.spglobal.com/ratings/en/regulatory/article/-/view/type/HTML/id/2910979 (Stand 14.11.2024).
9³9 «Moody’s affirms Credit Suisse Group’s AG senior unsecured debt at Baa2 and downgrades Credit Suisse AG’s senior unsecured debt to A3 and deposits to A3/Prime-2; outlook negative», Mitteilung von Moody’s Investors service vom 1.11.2022, https://www.credit-suisse.com/media/assets/about-us/docs/investor-relations/debt-investors/ratings-credit-reports/csg-moodys-rating-action-011122.pdf .
94⁰ SNB (2023): Bericht zur Finanzstabilität 2023, S. 26.
94¹ Expertenbericht Hau/Rochet (2024), S. 25
94² «Credit Suisse veröffentlicht Finanzergebnisse für das vierte Quartal 2022», Medienmitteilung der Credit Suisse vom 9.2.2023, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien > Credit Suisse, Teil des UBS-Konzerns (Stand: 22.11.2024).
94³ FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S.36.
94⁴ BIS: Definition of capital in Basel III - Executive Summary, https://www.bis.org/fsi/fsisummaries/defcap_b3.pdf (Stand: 4.7.2024).
9⁴5 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 59.
9⁴6 Die CET1 Capital Ratio stieg im März 2023 stark an, was hauptsächlich auf die Abschreibung von AT1-Kapital zurückzuführen ist. Quelle: CS; «Credit Suisse Group announces first quarter 2023 financial results», Medienmitteilung der CS vom 24.4.2023, https://www.ubs.com/global/en.html > About us > Media > Credit Suisse, Part of UBS group > Credit Suisse Group announces first quarter 2023 financial results S. 2 (Stand: 22.11.2024).
9⁴7 Die Zahlen beinhalten also für die CS AG den regulatorischen Filter, siehe Kap. 5.3.3.
6.2 Geschäftsführung der Behörden vor dem Hintergrund der schlechter werdenden Situation der CS (Juli bis September 2022)
Die Bundesbehörden verfolgten die Geschäftstätigkeit der CS bis zum Entscheid des AF und der FINMA vom 5. Oktober 2022, in den Krisenmodus zu wechseln, primär im Rahmen der bestehenden Regelstrukturen. Daher tagten auch die Koordinationsgremien wie der AF noch nicht mit erhöhter Frequenz. Zwischen Juli und September 2022 blieb die Liquiditätsquote der CS noch weitgehend stabil, wie aus der Abbildung 7 ersichtlich wird.
Da die massiven Liquiditätsabflüsse Auslöser für die Phase Rot der unterschiedlichen Gremien waren und diese «erst» im Oktober 2022 erfolgten, ist das vorliegende Kapitel primär gemäss den Zuständigkeiten der Organe gegliedert. Nach der Darstellung der mikroprudenziellen Aufsicht der FINMA (Kap. 6.2.1) folgt ein Beschrieb der von der SNB getroffenen makroprudenziellen Massnahmen (noch ohne explizite Koordination mit den anderen Organen, Kap. 6.2.2), und abschliessend wird aufgezeigt, wie sich der AF und das LG mit der sich zunehmend verschärfenden Krisensituation der CS befassten (Kap. 6.2.3).
Abbildung 7: Mindestliquiditätsquote der drei wichtigsten CS-Einheiten, Juli-September 2022 (LCR in %)
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Quelle : Die vorliegende Grafik basiert auf den Zahlen, die die CS der FINMA zur Verfügung stellte. Die CS lieferte der FINMA jeden Freitag Zahlen mit Werten von Donnerstag bis Mittwoch. Die rot dargestellte Liquiditätsanforderung von 100 %, die die CS einzuhalten hatte, stammt aus der öffentlichen Kommunikation der FINMA und galt für alle Bankinstitute in der Schweiz. 9⁴8
6.2.1 FINMA: Aufsichtsmassnahmen im Rahmen ihrer mikroprudenziellen Aufsicht über die CS im Kontext der sich akzentuierenden Krise
Die FINMA verfolgte die Kapitalsituation und die Contingency-Massnahmen der CS in dieser Phase zum einen im Rahmen ihrer permanenten Aufsichtstätigkeit. Zum anderen startete sie am 5. Juli 2022 ein Projekt zur Begleitung des Strategiewechsels. Sie setzte sich somit intensiv mit den Restrukturierungsplänen der Bank (Codename «Project Africa») auseinander.
Aufsicht der FINMA über die Kapitalsituation und die Contingency-Massnahmen
Angesichts der «strukturellen Verlustsituation» der Bank wandte sich die FINMA am 14. Juli mit einem Schreiben mit zwei Forderungen an die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat der CS. Darin bemängelte sie erstens die bis anhin eingereichten Contingency-Massnahmen der Bank, die das Ziel hatten, im Falle ungeplanter Ereignisse die regulatorischen Anforderungen zu den Kapitalquoten einzuhalten. Die FINMA verlangte bis zum Monatsende erneut die Einreichung eines konkreten Plans mit Handlungsoptionen, die unmittelbar umsetzbar und kurzfristig wirksam sein sollten. Zweitens kündigte sie an, die Umsetzung der geplanten Kapital- und Finanzierungsinstrumente eng zu verfolgen. Auch hierzu forderte sie bis Ende des Monats Resultate. Die Bank sollte aufzeigen, wie sie den Aufbau oder den Ersatz der AT1-Instrumente zeitlich plant, um die Säule-2-Anforderungen an die Kernkapitalquote (Tier 1) einzuhalten. Weiter äusserte die FINMA gegenüber der CS ihre Erwartungen zur Emission von Bail-in-Bonds, um ihre globale Abwickelbarkeit sicherzustellen. Zudem verlangte sie eine erhöhte Liquiditätshaltung mit ausreichendem Puffer zu den bereits bestehenden erhöhten Liquiditätsanforderungen der FINMA an die CS und begründete diese mit dem schwierigen Marktumfeld und der strukturellen Verlustsituation der Bank. 9⁴9
In ihrer Antwort vom 25. Juli 2022 führte die CS verschiedene Kapitalszenarien für die CS Group und die CS AG aus und legte zudem vier Optionen dar, wie die Kapitalposition beider Einheiten gestärkt werden könnte. Sie ging auch auf die von der FINMA geforderte Übersicht über die geplante Ausgabe von AT1-Anleihen ein und teilte mit, dass sie angesichts der angespannten makroökonomischen Situation und der spezifischen Bedenken in Bezug auf die derzeitige Rentabilität der Bank verschiedene Massnahmen getroffen habe, um ihre Liquiditätsposition zu schützen. 95⁰
Im August 2022 formulierte die FINMA erneut ihre Erwartungen an die CS in Bezug auf die anstehenden Arbeiten und intensivierte die Begleitung der Vorbereitungsprozesse. So verlangte sie am 5. August 2022 wöchentliche Status-Updates mit dem CEO und dem Verwaltungsratspräsidenten der Bank zu den Fortschritten bei den verschiedenen Massnahmenpaketen. Die Gründe für das engmaschigere Monitoring waren unter anderem die knappe Zeit bis zur Ankündigung der neuen Strategie, die Erwartungen der FINMA an eine Kapitalerhöhung zur Finanzierung der Strategie sowie die klar geäusserte Erwartung der FINMA, dass die CS sich auf ein adverses Szenario einstellt und dafür Massnahmen vorbereitet bzw. deren Umsetzungsfrist verkürzt. 95¹
Die Kapitalerhöhung wurde von der FINMA auch deshalb für notwendig befunden, weil sie aufgrund der ersten Finanzzahlen zum Geschäftsverlauf im dritten Quartal 2022 davon ausging, dass die strukturelle Verlustsituation der Bank andauern werde und die Finanzpläne nicht erfüllt werden könnten. Die FINMA verlangte daher im gleichen Schreiben bis zum 9. August 2022 eine Zeitplanung für die Ausarbeitung eines robusten und belastbaren Finanzplans sowie eine überarbeitete Kapitalplanung für die CS-Gruppe und die CS AG bis zum 9. September 2022. 95²
Hinsichtlich der Contingency-Massnahmen der Bank, welche diese am 25. Juli nachgereicht hatte, forderte die FINMA ebenfalls Anfang August die konkrete Vorbereitung einzelner Massnahmen, wie zum Beispiel des Abbaus risikogewichteter Aktiven und der Prüfung einer Ausweitung der Massnahmen. Die CS sollte sich auf Anweisung der FINMA ausserdem auf ein Szenario vorbereiten, in welchem die strategische Neuausrichtung Ende Oktober vom Markt für nicht glaubwürdig befunden würde, die geplante Kapitalerhöhung scheitern oder ein weiterer wesentlicher Vorfall eintreten würde. Als mögliche Vorbereitungsarbeiten schlug sie Massnahmen vor, welche eine Sanierung beziehungsweise eine Recovery in eigener Verantwortung der Bank erlaubt hätten, beispielsweise einen teilweisen Börsengang (Initial Public Offering, IPO) der CS Schweiz AG. Die FINMA teilte der CS mit, dass sie bis zum 30. September 2022 eine Berichterstattung erwarte. 95³
Auch die von der CS initiierten Liquiditätshaltungsmassnahmen waren nach Einschätzung der FINMA bis zum 5. August 2022 noch nicht vollständig umgesetzt worden. Aus diesem Grund erwartete die FINMA einen erhöhten Liquiditätspuffer der CS, die Umsetzung der initiierten Massnahmen und eine ausgeweitete Information über Liquiditätstransfers und die Liquiditätssituation der Bank. Die von der CS geplante AT1-Kapitalaufnahme bezeichnete die FINMA indes als «äusserst ambitioniert» und hielt fest, dass die CS ein erhöhtes Risiko aufweise, die Säule-2-Kapitalvorgaben nicht zu erfüllen. Daher verlangte sie weitere Anstrengungen vonseiten der CS, um die Kapitalvorgaben einzuhalten, und behielt sich ihrerseits die Anordnung von Massnahmen vor. 95⁴
Gemäss den Sitzungsunterlagen des LG vom 23. August 2022 informierte die FINMA den Vorsteher des EFD, den Präsidenten der SNB sowie Vertreter des EFD (inkl. SIF) über die kritische Situation der CS. Sie berichtete über erste Anzeichen für einen erschwerten Marktzugang im Liquiditätsbereich und für das Risiko einer Unterschreitung der Kapitalanforderungen auf Stufe der Credit Suisse AG. In diesem Zusammenhang kündigte die FINMA überdies an, die Vorbereitungszeit für Sanierungs- und Recovery-Massnahmen der Bank zu verkürzen. 95⁵
Arbeiten der FINMA zum «Project Africa»
Das eingangs erwähnte Projekt zur Begleitung des Strategiewechsels der CS konkretisierte sich am 16. Juli 2022, als die FINMA der CS erste Überlegungen zur geplanten Restrukturierung der Bank namens «Project Africa» zukommen liess. Zwar begrüsste die FINMA die geplante Umstrukturierung, die eine Reduktion der Grösse der Investmentbank vorsah, ortete aber in verschiedenen Punkten Klärungsbedarf hinsichtlich der operationellen Umsetzbarkeit und der Finanzierung der Pläne. 9⁵6
Darüber hinaus zeigte sich die FINMA sehr skeptisch gegenüber einem Antrag der Bank auf einen Wechsel der Bewertungsmethode zur Festlegung des regulatorischen Filters. Der von der CS vorgeschlagene Net-Asset-Value -Ansatz 9⁵7 für die Bewertung der Beteiligungen hätte gemäss Einschätzung der FINMA zu vertieftem Abklärungsbedarf geführt, unter anderem weil er den Wert des zugrundeliegenden Portfolios von Beteiligungen erhöht hätte. 9⁵8
Am 29. August teilte die FINMA der CS in einem Brief an den Verwaltungspräsidenten und den CEO ihre Position hinsichtlich des Bedarfs von regulatorischen Erleichterungen bei der Kapitalsituation mit. Sie hielt fest, dass die neue Strategie der CS auch ohne regulatorische Massnahmen der FINMA umsetzbar sein müsse. Da der CS AG zu jenem Zeitpunkt bereits weitgehende Erleichterungen in Bezug auf die Behandlung in der Beteiligung der regulatorischen Sicht gewährt worden waren, erachtete die FINMA ihren Handlungsspielraum als stark eingeschränkt (siehe Kap. 5.3.3.3). Weiter erklärte die FINMA, dass zusätzliche regulatorische Erleichterungen auf Stufe der Parent Bank auch nur dann in Betracht gezogen werden könnten, wenn es der CS gelänge, im Oktober 2022 eine ausreichende Kapitalerhöhung vorzunehmen. Zudem wären diese Erleichterungen an weitere Bedingungen geknüpft. Wie bereits zuvor äusserte sich die FINMA kritisch zu einer Änderung der Bewertungsmethodik hin zu einem Net-Asset-Value-Ansatz und bezeichnete die generelle Zeitplanung der CS als ambitioniert, nicht zuletzt weil zu wenig Zeit für die Interaktion mit der FINMA vorgesehen sei. 9⁵9
Ihren definitiv abschlägigen Entscheid zum Antrag der CS auf eine angepasste Bewertungsmethodik teilte die FINMA der Bank am 15. September mit. Sie war zum Schluss gekommen, dass der Net-Asset-Value-Ansatz eine ungeeignete Methode für die Bewertung der Beteiligungen darstellen würde. Unter anderem befürchtete sie, dass der ökonomische Wert der Beteiligungen nicht korrekt widergespiegelt würde. 96⁰
Exkurs: Befassung des FINMA-Verwaltungsrates mit der sich abzeichnenden Krise
Der Verwaltungsrat der FINMA beschäftigte sich ab Juni 2022 in jeder Sitzung mit der CS als Fokusthema. 96¹ So nahm er an seiner Sitzung vom 17. und 18. August 2022 Kenntnis vom Quartalsergebnis der Bank sowie vom CEO-Wechsel. Der FINMA-Direktor betonte in dieser Sitzung, dass das künftige Profil der Investmentbank sowie die Kapitalisierung der CS prioritär seien und eine Kapitalerhöhung unumgänglich sei. 96²
Der Verwaltungsrat diskutierte daraufhin verschiedene Möglichkeiten, wie eine derartige Kapitalerhöhung gestaltet und im Markt platziert werden könnte. Eine temporäre Unterschreitung der Kapitalvorgaben war aus Sicht des FINMA-Verwaltungsrates denkbar, wenn die CS klar ausweisen könnte, wie das Kapital wiederaufgebaut würde. In Bezug auf die Risk weighted Assets oder die Bewertungen durch die FINMA wollte der FINMA-Verwaltungsrat der CS jedoch nicht entgegenkommen. Die Zusammenarbeit mit der Fed und der PRA im Rahmen des Credit Suisse Colleges wurde abschliessend als «sehr gut» bezeichnet. 96³
An einer weiteren Sitzung am 21. und 22. September 2022 befasste sich der Verwaltungsrat mit dem Fokusthema «Strategie und finanzielle Situation Credit Suisse». Der FINMA-Direktor informierte den Verwaltungsrat, dass die CS noch im Oktober 2022 aufzeigen müsse, wie die Situation verbessert werden könne. Auch führte er aus, dass die Bank damit beschäftigt sei, den Umfang der reduzierten Investmentbank sowie den (Teil-)Verkauf des Bereichs Securitized Products genauer zu definieren. Der FINMA-Direktor versicherte zudem, dass die FINMA darauf vorbereitet sei, die Solvenz der CS gegenüber der SNB im Hinblick auf einen ELA-Antrag zu bestätigen. 96⁴
9⁴9 Brief der FINMA an die CS vom 14.7.2022
95⁰ Brief der CS an die FINMA vom 25.7.2022
95¹ Brief der FINMA an die CS vom 5.8.2022, S. 2 f.
95² Brief der FINMA an die CS vom 5.8.2022, S. 2 f.
95³ Brief der FINMA an die CS vom 5.8.2022, S. 4
95⁴ Brief der FINMA an die CS vom 5.8.2022, S. 4 f.
95⁵ Sitzungsunterlagen des Lenkungsgremiums für die Sitzung vom 23. August 2022
9⁵6 E-Mail der FINMA an die CS vom 16.7.2022, 13.05 Uhr
9⁵7 Eine Methode für die Bewertung von Unternehmensteilen. Der Wechsel zu dieser Methode hätte zu deutlich höheren Werten bei den regulatorischen Eigenmitteln geführt, ohne dass sich an der ökonomischen Substanz etwas geändert hätte; Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 73.
9⁵8 E-Mail der FINMA an die CS vom 16.7.2022, 13.05 Uhr
9⁵9 Brief der FINMA an die CS vom 29.8.2022
96⁰ Brief der FINMA an die CS vom 15.9.2022
96¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023
96² Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 17. und 18.8.2022
96³ Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 17. und 18.8.2022
96⁴ Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 21. und 22.9.2022
6.2.2 SNB: erste Tätigkeiten im Rahmen ihrer makroprudenziellen Aufgaben
Angesichts der Verschlechterung der Lage der CS ergriff die SNB im Zeitraum zwischen Juli und September 2022 verschiedene makroprudenzielle Massnahmen, auch wenn die für Oktober 2022 angekündigte neue Strategie der Bank Anlass zur Annahme gab, die Situation werde sich entspannen.
So verstärkte die SNB insbesondere die Vorbereitungen für eine ausserordentliche Liquiditätshilfe (ELA), indem sie von der CS verlangte, weitere Aktiven zu ermitteln, die der SNB im Falle der Inanspruchnahme einer ELA als Sicherheiten dienen könnten. 96⁵ Im Herbst 2022 unterbreitete die CS der SNB den Vorschlag, die Lombardkredite als Sicherheiten in einer Covered-Bond-Struktur (einer gedeckten Schuldverschreibung) einzusetzen. 96⁶ Diese Kredite erfüllten jedoch die von der SNB geforderten Kriterien nicht, da es ihnen an rechtlicher Robustheit mangelte, die Qualität der unterliegenden Sicherheiten unklar war und das Rating fehlte. Die CS konnte somit keine weiteren nennenswerten Positionen ausmachen, die als Sicherheiten hätten dienen können. 9⁶7 Hauptgrund dafür war, dass die Bank bei ihren Lombardkrediten keine Übertragungsklauseln eingefügt hatte - entgegen der Anforderung der SNB, die diese der CS vor der Krise kommuniziert hatte. Ohne rechtsgültige Sicherungsübereignung oder Verpfändung würden diese Aktiven in die Konkursmasse der Bank fallen, könnten also von der SNB nicht als Sicherheiten verwertet werden. 9⁶8
Darüber hinaus gab es zwischen der SNB und der CS intensivierte operative Kontakte, namentlich ein tägliches Liquiditätsmonitoring ab Juni 2022. 9⁶9 Ferner führte der SNB-Präsident am 26. September ein Telefongespräch mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS. Am 29. September fand ein Treffen des Präsidenten und des Vizepräsidenten der SNB mit dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO der CS statt. Es handelte sich in erster Linie um Informationssitzungen: Die Verantwortlichen der CS präsentierten die aktuelle Lage der Bank und legten die Erfolgsaussichten der angekündigten neuen Strategie dar. Die Vertreter der SNB wurden von der Bank ausserdem über die mit der FINMA besprochenen kurz- und mittelfristigen Optionen informiert. 97⁰
96⁵ Schriftliche Antworten an die PUK vom 19.2.2024; schriftliche Antworten an die PUK vom 8.3.2024.
96⁶ Brief der SNB an die PUK vom 17.6.2024, Anhang 2 «Austausch mit Credit Suisse (CS) - Collateral Prüfungen»
9⁶7 Schriftliche Antworten an die PUK vom 19.2.2024 und vom 8.3.2024; Brief der SNB vom 17.6.2024 an die PUK, Anhang 2 «Austausch mit Credit Suisse (CS) - Collateral Prüfungen». Siehe auch Kap. 5.5.3 zu den für eine ELA benötigten Sicherheiten.
9⁶8 Schriftliche Antwort an die PUK vom 19.2.2024, S. 4; Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 5.
9⁶9 Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024
97⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024; Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024.
6.2.3 Erste Diskussionen in den Gremien und Information des Bundesrates (zwischen Juli und September)
Auf Einladung der FINMA und auf Wunsch des EFD 97¹ fand am 3. August 2022 eine Ad-hoc-Sitzung des AF statt, an der alle AF-Mitglieder zum ersten Mal in diesem Rahmen über die Entwicklungen bei der CS informiert wurden. Während sich die FINMA mit der SNB bereits im Mai 2022 über die Lage der CS ausgetauscht hatte (siehe Kap. 5.5.2), hatten sich das SIF und die EFV vor dieser Sitzung noch nicht aktiv mit der Situation der Bank beschäftigt. Die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen war im Juli 2022 einzig durch den CS-Verwaltungsratspräsidenten kurz vor der Veröffentlichung der Medieninformation über die personelle Rotation in der Geschäftsleitung sowie die für Ende Oktober vorgesehenen Restrukturierungspläne informiert worden. 97²
An besagter AF-Sitzung unterstrich die FINMA die besorgniserregende Situation der Bank. Angesichts der strukturellen Verluste und der Feststellung, dass die Bank ohne grössere Anpassungen nicht aus dieser Situation herauskommen könne, stellte die EFV die Frage, ob die Behörden vorbereitende Massnahmen im Bereich Notrecht oder anderweitiger Natur treffen sollten. Aufgrund des Umstandes, dass die FINMA mit der SNB bereits auf Working Level im Austausch stand, die CS-Gruppe eine respektable CET1-Kapitalisierung von 13,5 % aufwies und Instrumente wie beispielsweise ELA zur Verfügung standen, wurde vorerst auf Vorbereitungen einer staatlichen Intervention verzichtet. 97³
Da das LG gemäss Memorandum of Understanding nur nach Bedarf tagt und der AF die Krisenphase noch nicht ausrief, fand bis Ende September nur eine Sitzung des LG statt. Das LG tagte am 23. August 2022 erstmals zur Situation der CS. Ziel der Sitzung war es, die LG-Mitglieder über die Lage der CS zu informieren. Dabei wurde mitgeteilt, dass gemäss Einschätzung des AF nach wie vor die Phase «Grün» gelte. Die FINMA erläuterte, dass sie ihren Fokus bei der CS in den Bereichen Kapital (CS-Gruppe und Parent Bank) und Liquidität sowie bei der geplanten Restrukturierung der Bank (siehe Kap. 6.2.1) setze. Das LG beschloss, den Entscheid über die nächsten Schritte, insbesondere über den weiteren Tagungsrhythmus sowie über einen allfälligen Wechsel in die Phase Rot, dem AF zu überlassen. 97⁴
An der tags darauf stattfindenden Bundesratssitzung setzte der EFD-Vorsteher den Gesamtbundesrat erstmals mündlich über die Lage der Bank in Kenntnis. Den Unterlagen, die der PUK vorliegen, ist nicht zu entnehmen, welche Informationen der EFD-Vorsteher konkret vermittelte. Die Information sei am Ende der Sitzung unter «Umfragen» 97⁵ erfolgt und sehr knapp ausgefallen. 97⁶ Da die Liquidität zum damaligen Zeitpunkt jedoch als gesichert galt, wurde die Situation im Bundesrat gemäss summarischem Protokolleintrag für stabil befunden, und es wurden keine Massnahmen beschlossen. 97⁷ Laut mehreren Mitgliedern des Bundesrates waren die vermittelten Informationen allgemein gehalten und lösten keine Diskussion innerhalb des Gremiums aus. 9⁷8
Am 12. September traf sich der AF zu einer ordentlichen Sitzung, um sich von der FINMA über die Kapitalisierung der CS aufdatieren zu lassen. Die FINMA informierte unter anderem über die geplante Neuausrichtung der Investmentbank und über die für den 27. Oktober vorgesehene öffentliche Kommunikation zu den weiteren strategischen Plänen und den Kapitalerhöhungen der Bank. Auch die Liquiditätssituation der CS wurde thematisiert, da gemäss Prognosen der CS bis Ende 2022 wesentliche Liquiditätsabflüsse zu erwarten waren. Das SIF hielt hierzu fest, dass die Arbeiten für die gesetzliche Einführung eines PLB, die mit der Verabschiedung der Eckwerte durch den Bundesrat im März 2022 gestartet worden waren (siehe Kap. 5.2.6.2), noch nicht abgeschlossen seien und das laufende TPO-Projekt (siehe Kap. 5.2.5.6) verschoben worden sei.
Der AF fasste schliesslich den Entschluss, gewisse Vorbereitungen hinsichtlich der internen Kommunikationskanäle vorzunehmen. Zudem erhielt das SIF den Auftrag, einen Fahrplan und einen Verordnungsentwurf für die Einführung eines PLB ausserhalb des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens zu erstellen. Die SNB und die FINMA sollten ausserdem die Prozesse für die ELA-Vergabe testen. 9⁷9
Es war dies gemäss Kenntnisstand der PUK das erste Mal, dass die Behörden vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der CS die vorgezogene Einführung eines PLB als mögliche Massnahme in Erwägung zogen.
97¹ E-Mail der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen an die FINMA vom 27. Juli 2022, 7.43 Uhr
97² Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 13
97³ Transkription der AF-Sitzung vom 3.8.2022, S. 2 ff., 8 f.
97⁴ Protokoll der LG-Sitzung vom 23.8.2022
97⁵ Eine Art Varia-Traktandum am Sitzungsende zur Diskussion von Detailfragen.
97⁶ Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S. 20, 28; Protokoll der GPK-NS vom 15.5.2023, S. 2.
97⁷ Protokoll der Bundesratssitzung vom 24.8.2022
9⁷8 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 56 f.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 53 f.
9⁷9 Transkription der AF-Sitzung vom 12.9.2022, S. 16 ff., 23 ff.
9⁴8 Für die Details der Regulierung vgl. FINMA, Welche Anforderungen an Eigenmittel und Liquidität müssen die Institute erfüllen?, 17.6.2022, https://www.finma.ch/de/~/ media/finma/dokumente/dokumentencenter/myfinma/4dokumentation/key-metrics-chartpack-2021.pdf?sc_lang=de&hash=B165AAA8F2364D7633AF34F0A2AC79A9 (Stand: 8.7.2024).
6.3 Start der Vorbereitungen für eine allfällige Akutkrise infolge der Verschärfung der Probleme der CS ab Oktober 2022
Aufgrund der sich deutlich verschlechternden Situation der CS ab Herbst 2022 wurden die Behörden über ihre Regelstrukturen hinaus aktiv. Hauptgrund hierfür waren die massiven Liquiditätsabflüsse ab Anfang Oktober 2022, die in untenstehender Abbildung 8 illustriert sind (zu den Hintergründen siehe Kap. 6.1). In Kapitel 6.3.1 wird die intensivierte Aufsicht der FINMA gegenüber der CS nach Beginn der Kapitalabflüsse ab Anfang Oktober 2022 dargelegt. Die makroprudenziellen Massnahmen der SNB werden in Kapitel 6.3.2 dargestellt. Anschliessend folgt die Schilderung der Krisenvorbereitung durch die einzelnen Behörden, Koordinationsgremien und den Bundesrat. Konkret werden der Wechsel in den Krisenmodus im Oktober 2022 (Kap. 6.3.3), die intensivierte Krisenvorbereitung ab November (Kap. 6.3.4) sowie die Vorbereitungen für den Departements- sowie den Jahreswechsel (Kap. 6.3.5) beschrieben. Die öffentliche Kommunikation der verschiedenen Akteure während dieser Phase wird in Kapitel 6.4.4 behandelt, das den gesamten Zeitraum von Oktober 2022 bis Februar 2023 abdeckt.
Abbildung 8: Mindestliquiditätsquote der drei wichtigsten CS-Einheiten, Oktober-Dezember 2022 (LCR in %)
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
Quelle : Die vorliegende Grafik basiert auf den Zahlen, die die CS der FINMA zur Verfügung stellte. Die CS lieferte der FINMA jeden Freitag Zahlen mit Werten von Donnerstag bis Mittwoch. Die rot dargestellte Liquiditätsanforderung von 100 %, die die CS einzuhalten hatte, stammt aus der öffentlichen Kommunikation der FINMA und galt für alle Bankinstitute in der Schweiz. 98⁰
6.3.1 Verstärkte Beaufsichtigung der CS durch die FINMA auf operativer und strategischer Ebene im Zuge der Liquiditätsabflüsse ab Oktober
Aufgrund der massiven Liquiditätsabflüsse verstärkte die FINMA ab Anfang Oktober den Kontakt mit der CS auf technischer wie auch auf strategischer Ebene. Zwischen der operativen Leitungsebene der FINMA und der strategischen Ebene der CS fanden fortan wöchentliche Sitzungen statt, während die Treffen auf operativer Ebene, beispielsweise die Gespräche der FINMA mit der Treasury-Funktion der CS, phasenweise täglich durchgeführt wurden. 98¹
Nachfolgend werden einerseits die wichtigsten Massnahmen der FINMA zur Liquiditäts- und Kapitalsituation der CS beschrieben. Andererseits gibt das Kapitel eine Übersicht über weitere wichtige Gesprächsthemen in den High-Level-Meetings der beiden Parteien (Kap. 6.3.1.1). Schliesslich wird aufgezeigt, inwiefern der Verwaltungsrat der FINMA über die Situation der Bank ins Bild gesetzt wurde (Kap. 6.3.1.2) und wie die FINMA mit den US-amerikanischen und britischen Behörden in Kontakt stand (Kap. 6.3.1.3).
6.3.1.1 Operative und strategische Aufsicht über die Liquiditäts- und die Kapitalsituation sowie die Contingency-Massnahmen der CS ab Oktober 2022
Die FINMA führte bis Anfang September zuerst monatlich, dann wöchentlich High-Level-Meetings mit der Führungsebene der CS durch, um gemeinsam die strategische und operative Entwicklung der Bank zu besprechen. An diesen Meetings nahmen anfänglich nur ausgewählte Mitglieder der FINMA-Geschäftsleitung sowie der Verwaltungsratspräsident, der CEO und weitere Senior Manager 98² der CS teil. Da die CS ungenügend auf die mehrmaligen Aufforderungen der FINMA reagierte, weitere Contingency-Massnahmen vorzubereiten, wurden die regelmässigen Interaktionen vonseiten der FINMA ab November 2022 um zusätzliche Sitzungen mit weiteren Vertretern des Verwaltungsrates ergänzt. Unter anderem wurden nun auch Sitzungen mit dem Vizepräsidenten des Verwaltungsrates der CS, dem Leiter des Risikoausschusses des Verwaltungsrates und dem Leiter des Prüfausschusses des Verwaltungsrates durchgeführt. Die Situation der CS sowie deren Contingency-Massnahmen wurden zudem direkt mit weiteren Verwaltungsratsmitgliedern der CS thematisiert. Auch traf die FINMA das gesamte Audit Committee und Risk Committee der Bank, um die kritische Situation der Bank zu besprechen. 98³
Wiederkehrende Themen an diesen Sitzungen waren die Liquiditätssituation und die Kapitalausstattung der Bank im Rahmen ihrer Strategieumsetzung sowie der geplante Verkauf des Securitized-Products-Geschäftsbereichs (siehe Kasten 9 unten). In regelmässigen Abständen brachte die FINMA auch Kritik und Forderungen hinsichtlich der Liquiditäts- und Contingency-Massnahmen vor, die sie nach den High-Level-Meetings in Schreiben an den Verwaltungsratspräsidenten und den CEO der Bank nachträglich formalisierte.
Anfang Oktober drängte die FINMA die CS im Rahmen der High-Level-Meetings dazu, sich auf den Bezug von ELA vorzubereiten. Die Bank lief in der Einschätzung der FINMA Gefahr, in unmittelbarer Zukunft einen Liquiditäts-PONV zu erreichen. Die Bankvertreter zeigten sich einsichtig und sagten zu, die für den ELA-Bezug nötigen Vorbereitungen einzuleiten. 98⁴ Sie wollten diese Massnahme aber als letzte Option nutzen, da sie dem Markt vor der Ankündigung der neuen Strategie am 27. Oktober keine negativen Signale vermitteln wollten. Die CS-Führung befürchtete, bei einem ELA-Bezug vor dem 27. Oktober in einen Bankrun zu geraten. Die FINMA erklärte der Bank hingegen, dass ELA die Situation stabilisieren würde, bis die Bank wieder einen verbesserten Zugang zu den Kapitalmärkten habe. 98⁵
Obwohl der CS-Verwaltungsrat Mitte Oktober den ELA-Bezug vorbereiten liess 98⁶ und sich die Behörden im Rahmen des LG mit einem möglichen Antrag der Bank befassen mussten (siehe Kap. 6.3.3.1), verzichtete die CS schliesslich auf einen Antrag, da sie einen solchen zu diesem Zeitpunkt als nicht notwendig erachtete.
Reaktion der FINMA auf die Unterschreitung von gewissen Liquiditätspuffern
Am 12. Oktober 2022 stellte die FINMA fest, dass gewisse Säule-2-Liquiditätspuffer der CS AG am 7. Oktober den Schwellenwert von 30 Milliarden Franken unterschritten hatten. Gemäss Vorgaben der FINMA hätte dies eine Benachrichtigung der Aufsichtsbehörde nötig gemacht. Bis zum 10. Oktober hatten diese Puffer sogar die Marke von 25 Milliarden Franken unterschritten, was eine sofortige Information der FINMA inklusive eines Aktionsplans zur Aufstockung der Puffer innerhalb von fünf Tagen hätte auslösen müssen. Die FINMA kritisierte die CS scharf für die unterlassene Meldung und forderte nebst der Einhaltung der Informationspflichten fortan auch die Teilnahme des Senior Managements an den täglichen Telefonaten zur Liquiditäts- und Refinanzierungslage. 98⁷
Die CS erläuterte am 14. Oktober 2022 in einem Schreiben an die FINMA verschiedene Massnahmen, um die Liquiditätspuffer wiederherzustellen. Die Bank zeigte sich im Allgemeinen optimistisch, nach der Präsentation der neuen Strategie am 27. Oktober 2022 wieder verbesserte Refinanzierungsmöglichkeiten am Markt vorzufinden. Sie bat aber dennoch um Benutzung der Säule-2-Liquiditätspuffer, bis die vorgeschlagenen Massnahmen ihre Wirkung entfalten würden. 98⁸ In der Folge gewährte die FINMA der CS im Oktober vor der Ankündigung der neuen Strategie mehrfach den temporären Gebrauch von Liquiditätspuffern auf die Liquiditätsanforderungen, damit die Bank ausreichend Liquidität in den Gruppengesellschaften sicherstellen konnte. Gleichzeitig forderte die FINMA aber weitere Massnahmen zur Erhöhung der Liquidität. 9⁸9
Gemäss den Informationen der PUK begann die FINMA Mitte Oktober 2022 mit der Ausarbeitung der Sanierungsverfügung und des Sanierungsplans für die CS. 99⁰ Erste Entwürfe dieser beiden Dokumente lagen Anfang November 2022 vor. Der Leiter des Geschäftsbereichs Recovery und Resolution der FINMA schätzte damals, dass die FINMA etwa zehn Tage für die Vorbereitung der Abwicklung («runway period») benötigen werde (siehe Kasten 12 in Kap. 6.3.4.2). 99¹
Am 31. Oktober 2022 schloss die FINMA einen Vertrag mit einer Schweizer Wirtschaftskanzlei als Beauftragte in einem allfälligen Sanierungs- oder Konkursverfahren ab. Im Laufe der CS-Krise bis am 19. März 2023 wurden der Sanierungsplan und die Sanierungsverfügung sukzessiv aktualisiert und überarbeitet. 99²
Gewährte Toleranz bei der Unterschreitung regulatorischer Liquiditätsanforderungen
In der Woche vor der Strategieankündigung am 27. Oktober 2022 verschlechterte sich die Liquiditätssituation weiter. Die CS informierte die FINMA am 20. Oktober 2022 über diesen negativen Trend. Die Bank bat um weitere temporäre Erleichterungen bei den Säule-2-Anforderungen und der Net stable Funding Ratio sowie um die provisorische Erlaubnis, sogar teilweise auf die Säule-1-Puffer zurückgreifen zu dürfen. Trotz dieser drastischen Verschlechterung der Lage durch die anhaltenden Liquiditätsabflüsse zeigten sich die CS-Verantwortlichen überzeugt, die Säule-2-Liquiditätspuffer mithilfe einer positiven Marktreaktion auf die neue Strategie bis Ende 2022 wieder über die regulatorischen Anforderungen hinaus auffüllen zu können. 99³
Aus Sicht der FINMA war es notwendig, die erbetenen Erleichterungen zu gewähren. Diese stellten sicher, dass die CS jederzeit genügend Spielraum hatte, um Liquidität in den verschiedenen rechtlichen Einheiten bereitzustellen und jederzeit ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Die gewählte Vorgehensweise entspricht den Vorgaben in der LiqV: Die Puffer werden in normalen Zeiten aufgebaut, damit sie bei Engpässen gebraucht werden können. Durch die Übertragung der verfügbaren Liquidität zwischen Gruppeneinheiten sollten allfällige Unterschreitungen der Säule-2-Anforderungen proportional absorbiert werden. Am 24. Oktober 2022 senkte die FINMA die Toleranzschwelle ein weiteres Mal. Die FINMA bemängelte jedoch zugleich, dass die bis dahin von der Bank eingeleiteten Massnahmen, um den Liquiditätsabflüssen entgegenzuwirken, unzureichend waren und weit unter den Erwartungen der FINMA lagen. So hätte die Gesamtheit der von der CS im Contingency Funding Plan zusammengestellten Massnahmen theoretisch eine Verbesserung von rund 100 Milliarden Franken herbeiführen können. Es zeigte sich jedoch rasch, dass die vorgesehenen Massnahmen der CS in der Krise nicht umsetzbar waren, entweder aus zeitlichen Gründen oder aufgrund der erwarteten Stigmatisierung. Die FINMA gab ihrem Erstaunen Ausdruck, dass sich die CS bis zu diesem Zeitpunkt nur zur Umsetzung von Massnahmen im Umfang von rund 18,1 Milliarden Franken entschlossen hatte. 99⁴
Da die CS anlässlich ihrer Quartalspräsentation am 27. Oktober 2022 voraussichtlich auch über die Kundenabflüsse würde sprechen müssen, warnte die FINMA vor einem weiteren Vertrauensverlust und daraus resultierenden Abflüssen. Zum wiederholten Mal forderte die FINMA den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung der CS daher dazu auf, mit ihr vor dem 27. Oktober 2022 einen klaren und umsetzbaren Plan zur Sicherstellung der Zahlungsbereitschaft und zur selbstständigen Stabilisierung der Liquiditätssituation zu besprechen. Weiter hielt die FINMA ihre Erwartungen fest, dass die CS sie unverzüglich informiert, wenn es zu Unterschreitungen der neuen Toleranzlevel kommen sollte oder solche absehbar sein sollten. 99⁵
Nur zwei Tage später, am 26. Oktober 2022, benachrichtigte die CS die FINMA, dass sie Gefahr lief, die von der FINMA bereits herabgesetzten Toleranzschwellen bei den Liquiditätspuffern vor Ende der Woche zu unterschreiten, bei weiteren Abflüssen nach dem 27. Oktober möglicherweise die Säule-1-Anforderungen zu verletzen und bis Ende Oktober die Net stable Funding Ratio nicht mehr zu erfüllen. Sie legte der FINMA gegenüber offen, welche Liquiditätsmassnahmen sie bereits getroffen hatte, welche mittelfristigen Massnahmen bis Ende Jahr vorgesehen waren und welche Massnahmen in der aktuellen Lage nicht umsetzbar waren. Die CS setzte dabei weiterhin grosse Hoffnung auf die positive Wirkung der Präsentation der neuen Geschäftsstrategie am 27. Oktober, die es der Bank ermöglichen sollte, ihre Liquiditätspuffer aufzufüllen. Es kam in der Folge zu keiner Verletzung der Säule-1-Anforderungen bei der Liquidity Coverage Ratio oder der Net stable Funding Ratio . 99⁶
Diskussion über die Ratingherabstufungen nach der Strategieankündigung
Nach der Ankündigung der neuen Strategie der CS am 27. Oktober 2022 informierte die Ratingagentur Moody’s die CS über eine geplante Ratingherabstufung der Bank in allen Kategorien. Grund dafür waren Unsicherheiten in Bezug auf den Erfolg der Strategieumsetzung und die zukünftige Rentabilität der Bank sowie die weiterhin anhaltenden Abflüsse. 99⁷
Die CS gab gegenüber der FINMA am 30. Oktober 2022 zu bedenken, dass Moody’s bei der Entscheidfindung nicht alle von der Bank gelieferten Informationen berücksichtigt habe. Ausserdem sei die Inanspruchnahme der Liquiditätspuffer falsch interpretiert worden. Die CS fragte die FINMA daher, ob sie bereit wäre, das Gespräch mit Moody’s zu suchen, um Missverständnisse auszuräumen. Die CS erwartete infolge der aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Ratingherabstufung weitere Abflüsse. Die FINMA signalisierte, dass sie bei Bedarf Moody’s in allgemeiner Form ihre regulatorischen Auflagen und deren Wirkung erläutern könne. Die CS kam jedoch nicht mit einer konkreten Anfrage auf dieses Angebot zurück. Am gleichen Treffen teilte die CS der Aufsichtsbehörde mit, dass sie in der nächsten Woche möglicherweise ELA beziehen müsse, falls sich ähnliche Liquiditätsabflüsse wie zu Beginn des Oktobers einstellen sollten.
Am 31. Oktober 2022 setzte sich die Diskussion über die bevorstehenden Ratingdowngrades fort, und die FINMA verlangte von der CS weitere Informationen zu den erwarteten Liquiditätsabflüssen bei einer Herabstufung. 99⁸ Die negativen Reaktionen auf die Ratinganpassungen fielen schliesslich deutlich schwächer aus, als ursprünglich befürchtet worden war, was die CS auf ihre Bemühungen bei den Ratingagenturen - die CS liess Moody’s beispielsweise weitere Informationen zur neuen Strategie zukommen - zurückführte. 99⁹
In der gleichen Sitzung vom 31. Oktober 2022 präsentierte der CS-Verwaltungsratspräsident der FINMA zudem erstmals eine Analyse der Kompatibilität potenzieller Gegenparteien für den Fall, dass ein Verkauf der Bank notwendig werden sollte. Die UBS brachte nach Einschätzung der CS die besten Voraussetzungen mit. Die CS bevorzugte grundsätzlich eine Schweizer Lösung, wollte jedoch alle Optionen prüfen und befand auch BNP, Morgan Stanley und HSBC für geeignet. 100⁰
Operative Aufsicht über die Eigenmittelsituation der CS
Im Rahmen ihrer strategischen Neuausrichtung hatte die CS bei der FINMA einen Antrag auf regulatorische Kapitalerleichterungen eingereicht. Die FINMA teilte der CS Ende Oktober 2022 mit, dass sie ihr während der Phase der Restrukturierung verschiedene befristete Eigenmittelerleichterungen gewähren würde und auch eine vorübergehende, verhältnismässige Unterschreitung der CET1-Eigenmittelpuffer 10⁰1 auf Stufe der CS AG in Kauf nehme. Sie machte diese Zusicherungen jedoch von einer Reihe von Bedingungen und Einschränkungen abhängig, die unter anderem eine substanzielle Risikoreduktion durch den Verkauf des Geschäftsbereichs Securitized Products, eine Umsetzung des angekündigten Kostensparprogramms inklusive der Kürzung der variablen Vergütungen, eine Aktienkapitalerhöhung im Umfang von mindestens 3 Milliarden Franken und die Einhaltung bestehender Kapitalziele der Gruppe umfassten. 10⁰2
In diesem Rahmen erlaubte die FINMA der Parent Bank CS AG, einen gewissen Anteil des regulatorischen Filters künftig mit dem Risikogewichtungssatz für Beteiligungen an Unternehmen mit Sitz in der Schweiz anstatt mit dem Satz für ausländische Beteiligungen zu gewichten. 10⁰3 Die Risikogewichte für inländische Beteiligungen sind gemäss der TBTF-Verfügung der FINMA bzw. der Eigenmittelverordnung des Bundesrates kleiner als für ausländische Beteiligungen. 10⁰4 Die CS buchte in der Folge per drittem Quartal 2022 einen Teil des Filters im Betrag von 7,9 Milliarden Franken vom Ausland zum Inland um. Diese Massnahme erhöhte die Eigenmittel der Bank nicht, reduzierte aber ihre RWA und erhöhte dadurch ihre Capital Ratio um 0,19 Prozentpunkte. 10⁰5 Diese Massnahme wurde von der FINMA nur unter der Bedingung gewährt, dass die CS die geplante Kapitalerhöhung in der Höhe von 4 Milliarden Franken durchführte. 10⁰6 Zudem forderte die FINMA die CS auf, die Plausibilität der Bewertungen der betroffenen Beteiligungen durch eine Drittfirma überprüfen zu lassen. 10⁰7 Die von der CS vorgenommenen Anpassungen an den Marktwerten der Beteiligungen wurden von PwC testiert. Sie unterlagen keiner Überprüfung oder Bewilligung durch die FINMA. 10⁰8
Kritik der FINMA an der Informationsbereitstellung durch die CS
Nach Einschätzung des Leiters der Abteilung Aufsicht CS-Gruppe der FINMA hatte die CS bei der Überwachung der Liquiditätssituation Anfang Herbst 2022 Probleme, die Effektivität ihrer Massnahmen zu monitoren sowie verlässliche Szenarioanalysen und Vorhersagen zu den Liquiditätsabgängen zu erstellen. 10⁰9 Diese Kritik eskalierte die FINMA, als sie sich am 5. November angesichts der nach wie vor kritischen Liquiditätssituation mit einer Ermahnung an den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung der CS wandte. Die FINMA wies auf eklatante Mängel bei der Bereitstellung von Informationen und Dokumentationen hin. Diese würden vonseiten der CS «öfters nur schleppend, unvollständig, nur nach mehrmaligem Nachfassen oder teilweise gar nicht zur Verfügung» gestellt. 101⁰
Nach Darlegung der FINMA erschwerte dieser Umstand die Arbeit der schweizerischen und ausländischen Aufsichtsbehörden, da die Bank unter anderem keine Prognosen für die Liquiditätskennzahlen der verschiedenen CS-Einheiten erstellen konnte. Auch die am 24. Oktober formulierten Erwartungen an die Massnahmen zur Wiederherstellung der Liquiditätspuffer waren aus Sicht der FINMA nicht erfüllt worden, was die Angemessenheit des Krisen- und Risikomanagements der Bank infrage stellte. Aus diesen Gründen forderte die FINMA die CS mit Nachdruck dazu auf, in Zukunft für eine zeitnahe Beschlussfassung und die Rapportierung und Darstellung der beschlossenen Massnahmen an die Aufsichtsbehörden zu sorgen. 1⁰11
Der Verwaltungsratspräsident und der CEO der CS zeigten sich am 16. November 2022 in ihrer Antwort auf diese Kritik einsichtig und versprachen künftig eine zeitnahe Beantwortung der Informationsanfragen der FINMA sowie eine bessere Datenqualität. Die Bank verwies aber auch auf die zahlreichen Austauschgefässe mit der FINMA auf unterschiedlichen Ebenen und die regelmässigen Treffen des Managements und des Verwaltungsratsvorsitzenden mit der Aufsichtsbehörde. 1⁰12
Die Probleme der Bank hielten weiterhin an. Die CS kommunizierte der FINMA am 10. November 2022 erneut die Unterschreitung von Liquiditätsanforderungen. 1⁰13 Daraufhin stellte die FINMA am 16. November 2022 die Fähigkeit der Bank, ihre Säule-2-Liquiditätsanforderung bis Ende 2022 zu erfüllen, infrage. Die FINMA wies die Bank ein weiteres Mal darauf hin, dass alle bislang ergriffenen Massnahmen zur Vermeidung einer Unterschreitung der Säule-1-Anforderungen ungenügend waren. Dementsprechend wies sie die Bank an, unverzüglich «alle zur Verfügung stehenden Massnahmen zur nachhaltigen Stabilisierung der Liquiditäts- und Cash-Situation zu ergreifen». 1⁰14
Priorisierung der Vorbereitungen für ein potenzielles Verkaufsszenario
Im Verlauf des Novembers insistierte die FINMA an den High-Level-Meetings, dass die CS das Verkaufsszenario vorantreiben solle, und erkundigte sich bei der CS nach Kaufinteressenten. 1⁰15 Die CS konnte keine Interessenten identifizieren, verwies aber auf das positive Feedback der Branche auf die neue Strategie. Die Branche glaube an die erfolgreiche Umsetzung der Strategie. Ein Verkaufsszenario als Plan B sei somit nicht nötig. Eine Fusion mit der UBS erachtete die CS in einem Notfallszenario (also bei einem Liquiditäts-PONV) für möglich. Eine Fusion wäre einer Resolution wahrscheinlich vorzuziehen. Für ein mittelfristiges Szenario, welches auch Teilverkäufe umfassen könnte, schlug die CS zudem ausländische Gegenparteien vor, da eine vollständige Übernahme durch ein ausländisches Institut aus ihrer Sicht einfacher schien. Mit Blick auf eine Fusion mit der UBS äusserte die CS Bedenken zur problematischen Kapitalsituation, die entstehen würde, sowie zu möglichen wettbewerbsrechtlichen und sozialpolitischen Risiken.
Die FINMA zeigte sich hinsichtlich der rechtlichen Hürden und der Kapitalsituation bei einer Übernahme durch ein ausländisches Institut skeptisch. Bezüglich der rechtlichen Risiken im Falle einer Fusion mit der UBS verwies sie hingegen auf ihre Sonderkompetenzen in wettbewerbsrechtlichen Fragen in einem Stress-Szenario bzw. bei einer Notfusion. Sie verlangte von der CS deutliche Fortschritte bei der Erarbeitung des Notfallszenarios und eine Verkürzung der Vorbereitungszeit, da ELA in einem solchen Fall nicht lange ausreichen würde. 1⁰16
Verschärfung der Kritik an der CS Anfang Dezember 2022
Nach Einschätzung der FINMA hatte die CS ihr Krisenmanagement jedoch auch Anfang Dezember 2022 nicht verbessert. Die FINMA machte das Management und den Verwaltungsratspräsidenten der CS am 6. Dezember 2022 mit einem neuerlichen Schreiben auf diese Einschätzung aufmerksam. Die Liquiditätsabflüsse hatten sich weiter fortgesetzt, weshalb es der CS aus Sicht der FINMA selbst bei einer vollständigen Umsetzung aller bis Ende 2022 geplanten Massnahmen nicht mehr möglich sein würde, die Säule-1-Überschüsse zu erhöhen oder gar die Säule-2-Puffer wiederherzustellen. Die FINMA schätzte die Liquiditätssituation der CS weiterhin als «sehr fragil» ein und drückte ihre Zweifel an der Umsetzung der noch geplanten Massnahmen der CS aus. Aus ihrer Sicht bemühte sich die CS nicht ausreichend um den Verkauf von Geschäftssparten oder Finanzbeteiligungen. 1⁰17
Die FINMA drohte der Bank deshalb in einem Brief vom 6. Dezember 2022 mit Konsequenzen, sofern der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung ihrer Pflicht, Beschlüsse zur effektiven und nachhaltigen Verbesserung der Liquiditäts- und Cash-Situation zu treffen und umsetzen zu lassen, nicht nachkommen sollten. Für die Erarbeitung eines revidierten Massnahmenkatalogs und eines Zeitplans für dessen Umsetzung setzte die Aufsichtsbehörde der Bank eine Frist bis am 13. Dezember 2022. 1⁰18 Am Tag darauf nahm die FINMA Kenntnis von den aktualisierten Contingency-Plänen der Bank, die bei einer raschen Verschlechterung der Situation einen Zusammenschluss mit einem anderen global tätigen Finanzinstitut vorsahen. Die FINMA forderte die CS auf, die Vorbereitungen für einen Zusammenschluss sowohl mit einem kurzfristigen wie mit einem mittelfristigen Zeithorizont fortzuführen. Im Rahmen der mittelfristigen Stabilisierungsmassnahmen sollten zudem Teilverkäufe weiterer Geschäftssparten, das partielle IPO der CS Schweiz AG, strategische Partnerschaften und die Umsetzung weiterer Kapitalmassnahmen ins Auge gefasst werden. 1⁰19
Der oben genannte kritische Brief der FINMA vom 6. Dezember 2022 sorgte aufseiten der CS-Führungsebene für Irritation. Sie kritisierte daraufhin am 12. Dezember den Umgangston und die Kritik der FINMA, die sie als hart und ungerechtfertigt empfand, und wies alle Anschuldigungen von sich. 102⁰ Gleichzeitig versicherten der CEO und der Verwaltungsratspräsident der CS der Aufsichtsbehörde, alles der Bewältigung der Liquiditätskrise unterzuordnen. Sie betonten die seit Oktober ergriffenen Massnahmen und die gute Liquiditätssituation der Bank vor den Abflüssen im Oktober, welche es der Bank überhaupt erst ermöglicht habe, die massiven Abflüsse zu überstehen. Im gleichen Schreiben legten sie dar, aus welchen Überlegungen heraus gewisse Massnahmen umgesetzt oder verworfen wurden und weshalb sich bei der Liquiditätssituation mehrfach Unterschiede zwischen den Prognosen und den tatsächlich ausgewiesenen Daten ergeben hatten. Zudem lieferten sie eine Übersicht über die anstehenden Massnahmen und Pläne zur Liquiditätssituation der Bank. Zur Besprechung der von der FINMA angedrohten Konsequenzen verlangte die CS eine Aussprache auf höchster Ebene. 1⁰21
Das verlangte High-Level-Meeting fand am 13. Dezember 2022 statt. Auch die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin nahm daran teil. Die FINMA konfrontierte die CS mit drei konkreten Forderungen und Fristen zur Umsetzung der verlangten Massnahmen. Die CS sollte bis Ende 2022 einen Plan für den Wiederaufbau der Säule-2-Liquiditätsanforderungen erarbeiten. Ausserdem erwartete die FINMA hinsichtlich der Contingency-Massnahmen die Vorbereitung eines kurzfristigen Plans B bis zum 23. Dezember 2022 und eines Recovery-Plans mit einem Zeithorizont von drei bis sechs Monaten bis zum 6. Januar 2023. Die FINMA-Delegation rief den CS-Vertretern in Erinnerung, dass der Verwaltungsratspräsident und der CEO in der Pflicht standen, Alternativen zur Sanierung zu prüfen. Die FINMA versicherte, selbst alle Vorkehrungen für die Sanierung oder den Konkurs der Bank im Falle eines PONV zu treffen. 1⁰22
Mitte Dezember teilte die CS der FINMA mit, dass sie einen Verkauf innerhalb von zwei bis drei Wochen vornehmen könne, vorausgesetzt die Engpassfinanzierungsfazilität oder ELA würden der Bank die benötigte Zeit verschaffen. Sie musste jedoch eingestehen, den von der FINMA verlangten Datenraum noch nicht vorbereitet zu haben, weshalb sie von der FINMA aufgefordert wurde, diese Arbeiten abzuschliessen. 1⁰23
Die Mitglieder des Audit Committee der CS versicherten der Aufsichtsbehörde in einem Meeting am 21. Dezember 2022 zudem, dass die Vorbereitung des Verkaufs der Bank für sie eine hohe Priorität habe. Zwar gewichtete der Verwaltungsratspräsident diese Option laut den Mitgliedern des Audit Committee nicht sehr hoch (ein Mitglied sagte aus, der Verwaltungsratspräsident betrachte den Verkauf als «Plan Z»). Er habe daher mit dem Verwaltungsrat auch keine formelle Diskussion darüber geführt. Der Verwaltungsrat übe aber diesbezüglich Druck auf ihn aus. Die FINMA teilte dem Audit Committee mit, dass sie, wenn die Bank keinen eigenen Plan vorlege, bei einer weiteren Verschlechterung der Situation gegebenenfalls den PONV nach Artikel 25 BankG werde feststellen müssen. Der Verwaltungsrat stehe gegenüber den Aktionären und auch den Haltern von Bail-in-Bonds in der Pflicht. Die FINMA kommunizierte den Anwesenden, dass sie lange Zeit nicht das Gefühl gehabt habe, dass der Verwaltungsrat die Besorgnis der FINMA teile. 1⁰24
Kurz vor Jahresende, am 28. Dezember 2022, richtete die FINMA in Zusammenhang mit der zunehmend kritischen Liquiditätssituation weitere Forderungen hinsichtlich der Contingency-Massnahmen an die CS (siehe Kap. 6.3.5.4).
| Kasten 9 : Verkauf des Securitized-Products- Geschäftsbereichs (Verbriefungsgeschäft) Das Securitized-Products-Geschäft (SP-Geschäft, Verbriefungsgeschäft) umfasst den Verkauf von verbrieften - zu Portfolios zusammengefassten - finanziellen Aktiven, beispielsweise Krediten, in Form von Wertschriften an Investoren. 1⁰25 Die CS teilte bereits im Oktober 2021 und dann erneut am 27. Juli 2022, im Rahmen ihrer Strategieüberprüfungs- und Restrukturierungsankündigung, mit, verschiedene strategische Optionen zum Securitized-Products-Geschäft zu prüfen. Dazu gehörte die Beschaffung von Eigenkapital von Dritten (« third party capital »), um das Wachstum der Sparte zu fördern. 1⁰26 In den Diskussionen zwischen der FINMA und der CS über die Liquiditätssituation und die Strategieanpassung der Bank wurde der Verkauf des SP-Geschäfts unter dem Codenamen «Project Egypt» verschiedentlich thematisiert.Gemäss Kenntnisstand der PUK wurden CS-intern verschiedene Varianten diskutiert, u. a. ein Verkauf von 49 % der Aktien oder ein Verkauf des gesamten Geschäfts. 1⁰27 Am 6. Oktober 2022 teilte die CS der FINMA mit, dass sie einen vollständigen Verkauf des SP-Geschäfts bevorzugen würde. 1⁰28 Die FINMA habe diese Transaktion nicht per se bewilligen müssen, musste aber sicherstellen, dass die CS durch den Verkauf nicht die Eigenmittelvorschriften der FINMA verletzte. 1⁰29 Während sich die Kapitalsituation der CS-Gruppe durch den Verkauf verbessert hätte, hätte der Verkauf einen gegenläufigen Effekt auf die Kapitalquote der Parent Bank (CS AG) gehabt. 103⁰ Die CS habe von der FINMA auch in diesem Kontext die Anwendung der Net-Asset-Value-Bewertung gefordert. Diese hätte zu einer Erhöhung der Eigenmittel geführt, wodurch der nachfolgende Verlust aufgefangen worden wäre. 1⁰31 Als Alternative signalisierte die FINMA der CS bereits in den diversen High-Level-Meetings im September 2022 im Kontext der Restrukturierungspläne, dass ein Absinken der CET1-Quote auf Stufe der Parent Bank unter 10 % (das regulatorische Minimum lag per Ende des zweiten Quartals bei 10,3 % CET1, inklusive des Säule-2-Zuschlags für Greensill) gemäss ERV akzeptabel sei, solange die CS aufzeigen könne, wie sie die Unterschreitung wieder beheben könne. 1⁰32 Die CS habe die Möglichkeit einer temporären Unterschreitung aber nicht annehmen wollen, da sie dem Markt mit dem Absinken der CET1-Quote kein negatives Signal habe liefern wollen. 1⁰33 Die CS bat stattdessen um weitere Erleichterungen, insbesondere um den Wechsel zum Net-Asset-Value-Ansatz bei der Bewertung der Beteiligungen. Dieser hätte die Eigenmittel der CS AG aber ohne jegliche Änderung der ökonomischen Substanz anschwellen lassen, was für die FINMA nicht infrage kam. 1⁰34 In der Folge ermöglichte die FINMA der CS, ihre strategische Handlungsfähigkeit bei der Restrukturierung zu vergrössern. Erstens reduzierte sie das regulatorische Minimum durch die etwas vorgezogene Anpassung der progressiven Komponente beim Gesamtengagement um ca. 0,3 %. Zweitens erlaubte sie der CS eine temporäre Unterschreitung der Säule-2-Anforderung auf der Stufe der Parent Bank, was der CS weitere 0,7 % Handlungsspielraum verschaffte. Das regulatorische Minimum lag damit per Ende des dritten Quartals 2022 neu bei 9,3 %. 1⁰35 Durch einen vollständigen Verkauf des Securitized-Products-Geschäfts wäre die CET1-Ratio der Parent Bank unter diese Schwelle gefallen. Die FINMA signalisierte, dass sie auch ein weiteres temporäres Unterschreiten (im Einklang mit der ERV) auf 9 % tolerieren würde. 1⁰36 Am 17. Oktober 2022 machte die FINMA der CS klar, dass sie ihr bereits einen grossen Spielraum eingeräumt habe. Die Erwartung an die CET1-Quote der Parent Bank sank durch die oben erwähnten Massnahmen der FINMA von 10,3 auf 9 %, was 2,7 Milliarden Franken per Ende des dritten Quartals 2022 entsprach. Die FINMA betonte, dass es nun an der CS liege zu handeln, statt um weitere Erleichterungen zu bitten. 1⁰37 Die Toleranzschwelle von 9 % war auch dadurch begründet, dass die ausländischen Aufsichtsbehörden im Crisis Management College negativ auf die mögliche CET1-Unterschreitung reagiert hätten und die FINMA ein Ring Fencing befürchtete. 1⁰38 Die CS erläuterte im Rahmen des Austauschs vom 17. Oktober 2022 die laufenden Arbeiten am SP-Verkauf. Unter anderem stand neben dem Voll- und Teilverkauf auch eine dritte Option zur Auswahl, bei der die SP-Assets unter Einhaltung der CET1-Grenze von 9 % reduziert worden wären. 1⁰39 Mit Schreiben vom 18. Oktober 2022 hielt die FINMA gegenüber der CS schriftlich fest, welche Voraussetzungen eingehalten werden müssen, damit die Erleichterungen gelten. 104⁰ Ein vollständiger Verkauf wurde am 24. Oktober 2022 ein weiteres Mal mit der FINMA diskutiert, erschien jedoch aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit einer Unterschreitung der CET1-Ratio von 9 % als unrealistisch. Die CS fokussierte sich daher auf die Erarbeitung der Rahmenvereinbarung für den Teilverkauf bis Mittwoch, 26. Oktober 2022. 1⁰41 Anlässlich der am 27. Oktober präsentierten Strategieanpassung (siehe Kap. 6.1.2) gab die CS auch den Teilverkauf des SP-Geschäfts an eine Investorengruppe unter der Führung von Apollo Global Management bekannt. Die CS teilte mit, dass sie bereits eine Exklusivitätsvereinbarung mit einer von der Apollo Management Group geführten Investorengruppe unterzeichnet habe. 1⁰42 Am 9. November 2022 sprach die FINMA mit der CS erneut über den Verkaufsprozess. Die CS rechnete mit einem Abschluss des Geschäfts im ersten Quartal 2023. Dadurch sollte im vierten Quartal 2022 Liquidität von 2 Milliarden Franken und im ersten Quartal 2023 von rund 10 Milliarden Franken freigesetzt werden. 1⁰43 Mitte November teilte die CS öffentlich mit, dass nun die definitiven Transaktionsvereinbarungen über den Verkauf eines Grossteils 1⁰44 des SP-Geschäfts an Apollo vorlagen und der Abschluss im ersten Halbjahr 2023 erwartet wurde. 1⁰45 Die Reaktion der Märkte auf diese Ankündigung fiel weniger positiv aus, als sich die CS das erhofft hatte. Die CS stellte ein allgemeines Misstrauen gegenüber der CS Group fest, dem sie durch die konkrete Umsetzung ihrer Strategie in den kommenden Monaten entgegenwirken wollte. 1⁰46 Am 9. Februar 2023 informierte die CS über die Durchführung des ersten Closings der Veräusserungen an Apollo Global Management am Tag zuvor. 1⁰47 Das zweite Closing erfolgte wenige Wochen später am 23. Februar. Der Verkauf sollte in der ersten Jahreshälfte 2023 abgeschlossen werden. Durch die ergriffenen Massnahmen wurde eine Verbesserung der Liquiditätsquoten und der CET1-Quote erwartet. 1⁰48 Nach der Fusion mit der UBS verhandelte diese den Verkauf neu und schloss ihn Anfang 2024 ab. 1⁰49 Beurteilung des Verkaufs durch die FINMADie FINMA-Geschäftsleitung informierte den Verwaltungsrat im Herbst 2022 regelmässig über die Fortschritte der CS beim Verkauf ihres SP-Geschäfts. Dabei wurde der Verkauf positiv hervorgehoben, da er zu einem De-Risking der Bank führen würde. 105⁰ Der Verkauf wurde auch deshalb für wichtig befunden, weil die CS der Öffentlichkeit damit zeigen konnte, dass sie ihre angekündigte Strategie effektiv umsetzte. Eine grundlegende Verbesserung der Liquiditätssituation der CS durch den Verkauf wurde jedoch nicht erwartet, auch wenn die CS nach Auffassung der FINMA im Hinblick auf die geforderte Wiederauffüllung der Säule-2-Puffer viel Hoffnung in diese Transaktion setzte. 1⁰51 Ein Totalverkauf des Verbriefungsgeschäfts wäre auch aus Perspektive der FINMA einem Teilverkauf vorzuziehen gewesen. Ein solcher wurde schliesslich aus regulatorischen Gründen nicht durchgeführt. 1⁰52 |
Finalisierung der Stabilisierungs-, Notfall- und Abwicklungspläne der CS Ende 2022
In Ergänzung zu den Diskussionen über die Eigenmittel- und Liquiditätssituation der CS sowie zur konkreten Vorbereitung der FINMA auf eine Resolution liefen die Arbeiten an der regulären Stabilisierungs-, Notfall- und Abwicklungsplanung sowie der Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit der CS weiter. Die Beurteilungen, welche die FINMA der CS Ende 2022 zukommen liess, berücksichtigten die Eingaben der CS, welche per Stichdatum Ende 2021 gemacht worden waren. An diesem Stichdatum war die Lage im Vergleich mit der Situation ein Jahr zuvor, Ende 2020, unverändert: Die CS war abwickelbar, und die Planung der Bank erfüllte die gesetzlichen Anforderungen. Entsprechend beurteilte die FINMA die eingereichten Pläne wie ein Jahr zuvor, da zwischen diesen Beurteilungsperioden weder eine gesetzliche Änderung vorgenommen noch eine Praxisänderung aufgegleist worden war. 1⁰53
98² Unter anderem der CFO und der Head of Strategic Regulatory Communication
98³ Schriftliche Antworten an die PUK vom 9.4.2024, S. 7 f.
98⁴ Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA mit der CS vom 6.10.2022, S. 1 f.
98⁵ Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA mit der CS vom 12.10.2022, S. 1 ff.
98⁶ Protokolle der High-Level-Meetings der FINMA mit der CS vom 14.10.2022, S. 1, und vom 18.10.2022, S. 1
98⁷ E-Mail der FINMA an die CS vom 12.10.2022, 14.37 Uhr
98⁸ Brief der CS an die FINMA vom 14.10.2022
9⁸9 E-Mail der FINMA an die CS vom 14.10.2022, 13.00 Uhr; E-Mail der FINMA an die CS vom 19.10.2022, 18.27 Uhr.
99⁰ Transkription der AF-Sitzung vom 15.10.2022, S. 16
99¹ Transkription der AF-Sitzung vom 4.11.2022, S. 9
99² Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 1.11.2022, S. 3; Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
99³ Brief der CS an die FINMA vom 20.10.2022
99⁴ Brief der FINMA an die CS vom 24.10.2022
99⁵ Brief der FINMA an die CS vom 24.10.2022
99⁶ Brief der CS an die FINMA vom 26.10.2022
99⁷ Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA mit der CS vom 30.10.2022, S. 1 f.; FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 35.
99⁸ Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA mit der CS vom 31.10.2022
99⁹ Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA mit der CS vom 2.11.2022, S. 1
100⁰ Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA mit der CS vom 30.10.2022, S. 3
10⁰1 Nach Art. 130 Abs. 3 ERV
10⁰2 Brief der FINMA an die CS vom 18.10.2022; Brief der FINMA an die CS vom 26.10.2022.
10⁰3 Brief der FINMA an die CS vom 26.10.2022. Zum regulatorischen Filter siehe Kap. 5.3.3.3
10⁰4 Revidierte TBTF-Verfügung der FINMA vom 20.10.2017 in Sachen Credit Suisse, Dispositivziffer 12
10⁰5 Expertenbericht Birchler (2024), S. 12 f.
10⁰6 Schreiben der FINMA an die PUK vom 9.9.2024; Brief der FINMA an die CS vom 26.10.2022.
10⁰7 Schreiben der FINMA an die CS vom 26.10.2022
10⁰8 Schreiben der FINMA an die PUK vom 9.9.2024
10⁰9 Schriftliche Antworten an die PUK vom 9.4.2024, S. 6 f.
101⁰ Brief der FINMA an die CS vom 5.11.2022
1⁰11 Brief der FINMA an die CS vom 5.11.2022
1⁰12 Brief der CS an die FINMA vom 16.11.2022
1⁰13 Brief der CS an die FINMA vom 10.11.2022
1⁰14 Brief der FINMA an die CS vom 16.11.2022
1⁰15 Protokolle der High-Level-Meetings der FINMA mit der CS vom 11.11.2022 und 21.11.2022
1⁰16 Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA mit der CS vom 11.11.2022, S. 1 f.
1⁰17 Brief der FINMA an die CS vom 6.12.2022
1⁰18 Brief der FINMA an die CS vom 6.12.2022
1⁰19 Brief der FINMA an die CS vom 7.12.2022
102⁰ «harsh and unjustified»; Brief der CS an die FINMA vom 12.12.2022, S. 1.
1⁰21 Brief der CS an die FINMA vom 12.12.2022, S. 2 ff.
1⁰22 E-Mail des Leiters Geschäftsbereich Banken der FINMA an die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA und den damaligen Direktor der FINMA vom 16.12.2022, 16.01 Uhr
1⁰23 Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA mit der CS vom 12.12.2022, S. 1 f.
1⁰24 Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA mit dem Audit Committee der CS vom 21.12.2022, S. 2 ff.
1⁰25 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 84.
1⁰26 «Credit Suisse ernennt Ulrich Körner zum neuen Group Chief Executive Officer und kündigt eine umfassende Strategieüberprüfung an», Medienmitteilung der CS vom 27.7.2022, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien > Credit Suisse, Teil des UBS-Konzerns (Stand: 22.11.2024).
1⁰27 Sitzungsprotokoll der PUK vom 20.3.2024, S. 47
1⁰28 Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA und der CS vom 6.10.2022, S. 1
1⁰29 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 73
103⁰ Präsentation der FINMA zuhanden des LG «Update Lage Credit Suisse» vom 17.10.2022
1⁰31 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 73
1⁰32 Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA und der CS vom 12.10.2022; Transkription der AF-Sitzung vom 15.10.2022, S. 5.
1⁰33 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 73
1⁰34 Protokoll des High-Level-Meetings vom 4.10.2022; Protokoll des High-Level-Meetings vom 26.10.2022.
1⁰35 Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
1⁰36 Protokoll des High-Level-Meetings vom 17.10.2022
1⁰37 Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA und der CS vom 17.10.2022
1⁰38 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 21.10.2022, S. 2
1⁰39 Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA und der CS vom 17.10.2022
104⁰ Brief der FINMA an die CS vom 18.10.2022, S. 3 f.
1⁰41 Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA und der CS vom 24.10.2022
1⁰42 Im Rahmen dieser Vereinbarung sollte eine Mehrheit der SP-Vermögenswerte von der Credit Suisse an die Käufer übergehen. Zudem sollten diese auch die verbliebenen Vermögenswerte im Namen der CS verwalten und gewisse laufende Dienstleistungen der CS übernehmen, um die Betreuung der Kunden zu gewährleisten, siehe «Credit Suisse unveils new strategy and transformation plan», Medienmitteilung der CS vom 27.10.2022, https://www.ubs.com/global/de.html > Globale Themen > Medien > Credit Suisse, Teil des UBS-Konzerns, S.2 (Stand: 22.11.2024).
1⁰43 Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA und der CS vom 9.11.2022
1⁰44 Die CS schrieb von einer Reduktion der Vermögenswerte von 75 Milliarden US-Dollar auf rund 20 Milliarden US-Dollar.
1⁰45 «Credit Suisse accelerates radical restructuring of Investment Bank; Enters into definitive transaction agreements to sell a significant part of its Securitized Products Group to Apollo», Medienmitteilung der CS vom 15.11.2022, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien > Credit Suisse, Teil des UBS-Konzerns (Stand: 22.11.2024, nur auf Englisch verfügbar).
1⁰46 Protokoll des High-Level-Meetings der FINMA und der CS vom 15.11.2022
1⁰47 «Credit Suisse veröffentlicht Finanzergebnisse für das vierte Quartal 2022», Medienmitteilung der CS vom 9.2.2023, www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien > Credit Suisse, Teil des UBS-Konzerns (Stand: 22.11.2024).
1⁰48 CS (2023): Geschäftsbericht 2022. Zürich, S. 6; «Credit Suisse veröffentlicht Finanzergebnisse für das vierte Quartal 2022», Medienmitteilung der CS vom 9.2.2023, www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien > Credit Suisse, Teil des UBS-Konzerns (Stand: 22.11.2024).
1⁰49 «UBS Group AG (UBS) and Apollo conclude investment management and transition services agreement as final step in carve-out of former Credit Suisse Securitized Products business, Atlas SP», Medienmitteilung der UBS vom 27.3.2024, www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien > UBS Group AG (UBS) and Apollo conclude investment management and transition services agreement as final step in carve-out of former Credit Suisse Securitized Products business, Atlas SP (Stand: 25.6.2024, nur auf Englisch verfügbar).
105⁰ Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 21.10.2022, S. 2
1⁰51 Transkription der AF-Sitzung vom 10.11.2022, S. 6; Transkription der AF-Sitzung vom 22.2.2023, S. 6; Transkription der AF-Sitzung vom 28.2.2023, S. 2.
1⁰52 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 73
1⁰53 Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation; FINMA Resolution Bericht 2023, aufrufbar unter www.finma.ch > Durchsetzung > Recovery und Resolution > Resolution Berichterstattung > Resolution Berichterstattung 2023 (Stand:27.11.2024).
6.3.1.2 Exkurs: Einbezug des FINMA-Verwaltungsrates
Der Verwaltungsrat der FINMA wurde während der Phase der intensiven Austausche mit der CS zwischen Oktober und Dezember regelmässig durch die Geschäftsleitung der FINMA über die Entwicklungen bei der Bank und die operativen Arbeiten der FINMA informiert. Die Geschäftsleitung habe den Verwaltungsrat an diversen ausserordentlichen Verwaltungsratssitzungen auf Geschäfte von grosser Tragweite gemäss FINMAG vorbereitet. 1⁰54 Über derartige Geschäfte entscheidet gemäss FINMAG der Verwaltungsrat. 1⁰55 Als Geschäft von grosser Tragweite gelten gemäss Organisationsreglement der FINMA Einzelfallgeschäfte mit potenziell weitreichenden Folgen für die Gesamtheit der Gläubigerinnen und Gläubiger, der Anlegerinnen und Anleger und der Versicherten oder Geschäfte, welche die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte in erheblichem Masse betreffen. Dazu gehören fünf Geschäftsarten bei systemrelevanten Instituten, so Schutzmassnahmen, Sanierungen und (Konkurs-)Liquidationen, der Bewilligungsentzug, die erstmalige Genehmigung von gesetzlich vorgesehenen Notfallplänen oder Eigenmittel- und Liquiditätszuschläge oder -beschränkungen nach sich ziehen. Der Verwaltungsrat kann zudem jederzeit ein Geschäft als Geschäft von grosser Tragweite bezeichnen und an sich ziehen. 1⁰56 Laut FINMA kam dies bisher nie zur Anwendung. Die Definition der Geschäfte von grosser Tragweite im Organisationsreglement war ausserdem 2019 nach einem Bundesgerichtsurteil 1⁰57 durch den Verwaltungsrat der FINMA geschärft und massgeblich eingeschränkt worden. 1⁰58
Am 10. Oktober sprach der Verwaltungsrat über einen möglichen ELA-Antrag der CS und liess sich über seine Rolle in diesem Prozess informieren. Er beschloss, im Falle eines Antrags nur bei Zeitknappheit via Präsidialentscheid - wie im Organisationsreglement vorgesehen - zu entscheiden, den Beschluss über die Solvenzbestätigung andernfalls jedoch per Mehrheitsentscheid zu fassen. Sollte ein ELA-Antrag gestellt werden, so würde die SNB der FINMA eine Tabelle («capital spreadsheet») mit Angaben zur Solvenz der Bank übermitteln. Der Krisenstab der FINMA würde die Plausibilität der Daten überprüfen und dem Verwaltungsrat einen Antrag auf Ausstellung (oder Nichtausstellung) einer Solvenzbestätigung unterbreiten. Im Verwaltungsrat wurde darauf hingewiesen, dass über die Gewährung einer ELA allein die SNB entscheide und die FINMA nur beratend Stellung nehme. 1⁰59
Zwei Tage später diskutierte der Verwaltungsrat an einer ausserordentlichen Sitzung über die Dokumente und Prozesse, die im Falle eines ELA-Antrags für die Solvenzbestätigung notwendig wären. Basierend auf den zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Unterlagen stimmten die Mitglieder einer positiven Solvenzbestätigung zu. Im Anschluss diskutierten sie die Geheimhaltung der ELA und das Risiko eines Informationslecks. Die Präsidentin machte den Verwaltungsrat darauf aufmerksam, dass ständige Bereitschaft für einen Antrag weiterhin angemessen war. Abschliessend sprach der Verwaltungsrat mit dem Direktor über die Kapitalsituation der Bank und den geplanten Verkauf der Securitized-Products-Sparte. 106⁰
In den folgenden Wochen informierte die Geschäftsleitung an mehreren ordentlichen und ausserordentlichen Verwaltungsratssitzungen regelmässig über die Kapitalmassnahmen der CS, die sich fortwährend verschlechternde Liquiditätssituation der Bank und die im AF diskutierten Szenarien der Krisenentwicklung. Die Geschäftsleitung beantragte jedoch nur Geschäfte zur Kenntnisnahme und stellte keinen Antrag auf Beschluss. 1⁰61 Am 24. Oktober thematisierte der Verwaltungsrat auch die Rolle der FINMA bei einem PLB. Dabei kam er zum Schluss, dass vor allem die SNB im Vordergrund stehen würde, da es sich um ein Liquiditätsinstrument handelt. Der Leiter des Geschäftsbereichs Recovery und Resolution erklärte, dass ein Einsatz des PLB die Abschreibung der AT1-Anleihen zur Folge haben könnte. Dies sei in der Regulierung vom Gesetzgeber im Sinne der TBTF-Regulierung so vorgesehen. Der Verwaltungsrat diskutierte in der Folge auch über die Schwierigkeit, die AT1-Investoren zu identifizieren, sowie über die Auswirkungen der AT1-Abschreibung auf die Kapitalisierung der Parent Bank der CS. 1⁰62 Anfang November befasste sich der Verwaltungsrat ausgiebig mit dem Vorgehen und den Voraussetzungen einer Sanierung, sowie die vorgesehenen Tests zum Ablauf eines Resolution-Wochenendes. 1⁰63
Die Verwaltungsratspräsidentin orientierte das Gremium am 3. November über die Diskussionen zwischen dem EFD-Vorsteher, dem SNB-Präsidenten und dem Gesamtbundesrat über die Einführung des PLB und dessen Wirkungsmechanismus. Der Geschäftsbereichsleiter Banken wies auch darauf hin, dass die FINMA unzufrieden mit den durch die CS gelieferten Daten sei. Die wöchentlichen Darstellung der wichtigsten Kennzahlen der Bank sei «nicht komplett, teilweise veraltet und nicht genügend aufgeschlüsselt, um potenzielle Entscheide seitens FINMA auf solider Datenbasis fällen zu können». 1⁰64 Er führte auch in die konkrete Planung zu einer Resolution der CS ein und erläuterte verschiedene Aspekte, unter anderem wie die FINMA die Bestimmung des Liquiditäts-PONV und die Beurteilung der Aussicht auf Sanierungserfolg vornimmt. 1⁰65
Am 7. November setzte sich der Verwaltungsrat mit der vom SIF erarbeiteten PLB-Verordnung auseinander und diskutierte verschiedene Änderungsvorschläge, die dem EFD zur Kenntnis gebracht wurden (siehe Kap. 6.3.4.2). 1⁰66 An den restlichen Sitzungen im November erhielt der Verwaltungsrat regelmässige Updates zur Liquiditäts- und Kapitalsituation der CS, zu den weiterhin laufenden Vorbereitungen für einen potenziellen ELA-Bezug und zu den Arbeiten an der PLB-Verordnung. Zudem vertiefte er seine Diskussionen zur Durchführung einer Sanierung, in deren Rahmen er sich Gedanken zu den Kapital- und Liquiditätsanforderungen, der Governance-Struktur und den negativen ökonomischen Folgen einer Sanierung oder eines Konkurses machte. 1⁰67
Nachdem Verwaltungsrat wurde ab dem 10. Oktober 2022 durch die Geschäftsleitung auf einen ELA-Antrag respektive auf eine Solvenzbestätigung vorbereitet. Die Behandlung eines solchen Antrags wurde anhand effektiver CS-Daten am 12. Oktober 2022 sowie nochmals - mit aktualisierten Daten - am 14. November 2022 geübt. Zudem wurde eine Konsultativabstimmung durchgeführt. Danach wurde die Geschäftsleitung beauftragt, sofort zu informieren, falls bei der Sachlage grundsätzliche Änderungen absehbar würden. 1⁰68
Anfang Dezember wurde der Verwaltungsrat darüber informiert, dass die Contingency-Pläne der CS nicht zufriedenstellend seien und ein ELA-Bezug über die Festtage möglich sei. Er beschloss, an einer der folgenden Sitzungen den Entscheid zwischen Sanierung oder Konkurs bestmöglich vorzubereiten. Dazu gab er die Erarbeitung von Unterlagen und Datengrundlagen zur Entscheidung der Aussicht auf Sanierungserfolg, sowie eine Aufstellung über die Rollenverteilung der verschiedenen involvierten Einheiten bei einer Sanierung in Auftrag. 1⁰69 Obwohl sich die Situation der CS über die Feiertage verschlechterte und ein ELA-Bezug im Raum stand (siehe Kap. 6.3.6), war daher keine weitere Sitzung notwendig. Der Verwaltungsrat blieb aber - wie bereits seit Oktober 2022 - weiter in ständiger Bereitschaft.
1⁰54 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 54
1⁰55 Art. 9 Abs. 1 Bst. b FINMAG
1⁰56 Art. 2bis Reglement über die Organisation der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA vom 18.12.2008 (Organisationsreglement der FINMA) (Stand: 15.5.2024).
1⁰57 Urteil des Bundesgerichts 2C_387/2018 vom 18. Dezember 2018
1⁰58 Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
1⁰59 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 10.10.2022, S. 2 f.
106⁰ Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 12.10.2022, S. 2 f.
1⁰61 Protokolle der FINMA-Verwaltungsratssitzungen vom 14.10.2022, 21.10.2022 und 26.10.2022
1⁰62 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 24.10.2022, S. 2 f.
1⁰63 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 1.11.2022, S. 3 f.
1⁰64 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 3.11.2022, S. 2 f.
1⁰65 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 3.11.2022, S. 3
1⁰66 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 7.11.2022, S. 2 f.
1⁰67 Protokolle der FINMA-Verwaltungsratssitzungen vom 10.11.2022, 14.11.2022 und 30.11.2022
1⁰68 Protokolle der FINMA-Verwaltungsratssitzungen vom 10.10.2022, 12.10.2022 und 14.11.2022
1⁰69 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 7. und 8.12.2022
6.3.1.3 Austausch der FINMA mit ausländischen Behörden
Die FINMA arbeitet bei der globalen Aufsicht über international tätige Grossbanken in sogenannten Colleges 107⁰ mit ausländischen Aufsichtsbehörden zusammen. 1⁰71 Dazu gehören das General College, das grundsätzlich alle internationalen Aufsichtsbehörden, die für die CS relevant waren, umfasst, und das APAC-College mit verschiedenen Behörden aus dem asiatischen und pazifischen Raum. 1⁰72 Die Zusammenarbeit erfolgte aber insbesondere im Rahmen des « Core College of Supervisors », dem die Fed, die Federal Reserve Bank of New York und die PRA angehören. In Nichtkrisenzeiten fand diese Art des Austauschs mindestens monatlich statt. In der Krisenphase ab Oktober 2022 erhöhte sich die Sitzungsfrequenz, und die Mitglieder des Core College of Supervisors standen beinahe täglich in Kontakt miteinander. 1⁰73
Daneben gab es die Crisis Management Group (CMG), welche die für die betroffenen Banken wesentlichen Aufsichts- und Insolvenzbehörden - im Fall der CS auch die SNB 1⁰74 umfasste. Diese setzte sich mit der Beurteilung der Abwicklungsfähigkeit der Bank, der Entwicklung der Abwicklungsplanung der G-SIB und der Planung für eine Krise bzw. eine Resolution auseinander. 1⁰75 Schliesslich wurden seit 2011 jährlich sogenannte Crisis Management Colleges (CMC) für die beiden Schweizer Grossbanken durchgeführt. Diese fanden jährlich statt, dauerten zwei bis drei Tage und dienten der Information der ausländischen Behörden über den Stand bei der Krisenvorbereitung und beim Krisenmanagement der Banken. 1⁰76
Ab Anfang Oktober verstärkte die FINMA ihren Austausch mit den US-amerikanischen und britischen Resolution-Behörden im Rahmen des Core College of Supervisors . Nach Angaben der FINMA fanden ab diesem Zeitpunkt tägliche Interaktionen zwischen ihr, den Partnerbehörden, der SNB und den für die Liquidität zuständigen Stellen der CS statt. So hielten die Behörden die CS unter anderem dazu an, das Liquidity Crisis Template zu ergänzen, damit sie ein vertieftes Aufsichtsmonitoring der täglichen Liquiditätssituation der Bank durchführen konnten. 1⁰77 Zudem wurde Anfang Oktober - etwa zeitgleich zur Feststellung der Phase Rot durch den AF - das sogenannte Crisis Management College 1⁰78 formell einberufen. 1⁰79 Gemäss den Angaben der FINMA gab es zwischen Oktober 2022 und Februar 2023 diverse High-Level-Telefonate mit den ausländischen Behörden im Rahmen der CMG und der CMC sowie auf bilateraler Ebene. 108⁰ Dabei ging es vor allem um die gegenseitige Information der Behörden zur Situation der CS, den Austausch der Standpunkte zu regulatorischen Fragen sowie um die Beantwortung technischer Aspekte. Es gab gemäss Angaben der FINMA weitere Austausche zwischen den Behörden zur Vermittlung von Status-Updates über die Situation der CS, zu denen keine Gesprächsnotizen oder Protokolle erstellt wurden. 1⁰81
Im Rahmen des CMC informierte die FINMA die ausländischen Behörden am 11. Oktober 2022 über die intensivierte Aufsicht über die Liquiditätssituation der Bank, die temporären Erleichterungen, die der CS gewährt werden sollten, und die Vorbereitungen für den Fall einer weiteren Verschlechterung der Situation. 1⁰82 Im Kontext der Nutzung der Säule-2-Puffer und der im Raum stehenden Verletzung der Säule-1-Anforderungen diskutierte die FINMA am 20. Oktober mit der PRA und am 23. Oktober 2022 mit der Fed über die Upstreaming-Möglichkeiten der CS im In- und Ausland. Auch der von der CS weiterhin vorgesehene (Teil-)Verkauf des Securitized-Products-Geschäftsbereichs (siehe Kasten 9 in Kap. 6.3.1.1) und die Vorbereitungsarbeiten der Schweizer Behörden im Resolutionsszenario (inklusive PLB) wurden thematisiert. Ein Vollverkauf war angesichts der mangelnden Finanzierungsfähigkeit der CS schwierig, weshalb ein Teilverkauf wahrscheinlicher schien. Vonseiten der Fed bestand zu jener Zeit wenig Bereitschaft, der CS die Nutzung ihrer Säule-1-Puffer zu erlauben. 1⁰83 Am 24. Oktober 2022 drehte sich der trilaterale Austausch der Behörden um die schwindenden Säule-1-Puffer der CS, die von allen Behörden bestätigt wurden. Die FINMA informierte anlässlich dieses Gesprächs auch über das Abwägen der CS zwischen einem ELA-Bezug und einer Unterschreitung der Säule-1-Anforderungen. 1⁰84
Ab Ende Oktober und im Verlauf des Novembers orientierte die FINMA die britischen und US-amerikanischen Behörden sowohl im CMC wie auch bilateral regelmässig über die Entwicklung der Liquiditätssituation der CS, deren Contingency-Massnahmen, den Verkauf der Securitized Products-Geschäftsbereichs, die Arbeiten der FINMA im Hinblick auf eine Resolution sowie über die laufenden Vorbereitungen zum PLB. 1⁰85 Am 16. November tauschte sich die FINMA zudem mit dem Chairman sowie weiterem hochrangigem Personal der SEC darüber aus, welche Konsequenzen eine Abschreibung der Bail-in-Instrumente der CS in den USA aus ihrer Sicht hätte. 1⁰86
Am 16. Dezember teilte die FINMA der Fed und der PRA in einem CMG-Telefonat mit, dass die Kapitalerhöhung der CS erfolgreich verlaufen sei und angesichts der CET1-Quote von über 13 % kein imminentes Kapitalproblem bestehe. Die Liquiditätssituation bezeichnete sie als stabil, aber fragil. Der Abschluss des Verkaufs des Securitized-Products-Geschäftsbereichs sollte sich im Verlauf der kommenden Monate positiv auswirken. Sie sei der Meinung, nicht in einer Runway Period zu sein und aktuell keinen Gebrauch von Resolution-Massnahmen machen zu müssen. Die FINMA stellte fest, dass eine operative Bereitschaft von sieben bis zehn Tagen zentral bleibe. Sie würdigte zudem den konstruktiven Austausch zur Resolution-Planung mit den anderen Behörden positiv. 1⁰87 Auch am 19. Dezember standen die niedrigen Liquiditätspuffer der CS und mögliche Unterschreitungen von Liquiditätsvorschriften in den USA im Mittelpunkt des bilateralen Austausch mit der Fed. Die von der Fed festgelegte untere Limite des Bargeldbestands von 18 Milliarden US-Dollar, bei deren Erreichen die Fed eine Notifikation der CS erwartete (siehe Kasten 16 in Kap. 7.2.2.2), stand nach Angaben der US-amerikanischen Behörden zu jener Zeit unter Druck. 1⁰88
Anfang Februar fanden zwei weitere Austausche mit der Fed statt. Danach kam es nach den der PUK vorliegenden Informationen erst in den Tagen der Akutkrise im März 2023 wieder zu High-Level-Telefonaten mit den US-amerikanischen und britischen Behörden (siehe Kap. 7.2).
107⁰ Die Colleges stellen ständige Plattformen für die Zusammenarbeit der internationalen Behörden in Bezug auf eine Finanzgruppe oder ein Finanzkonglomerat dar. Sie dienen zum Austausch von Informationen und Erfahrungen und sollen die Kooperation der Behörden intensivieren sowie die Aufsicht über international tätige Gruppen verbessern. Die FINMA führt für verschiedene in der Schweiz ansässige Gruppen Supervisory oder Crisis Management Colleges .
1⁰71 FINMA: Colleges, https://www.finma.ch/de > FINMA > Internationale Zusammenarbeit > Aufsichtskooperation > Colleges (Stand: 21.6.2024).
1⁰72 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 11 f., 82.
1⁰73 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 11.
1⁰74 Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024, S.11
1⁰75 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 82.
1⁰76 Schriftliche Antworten an die PUK vom 15.4.2024
1⁰77 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 70.
1⁰78 Anfänglich nahmen nur die FINMA, die Fed (USA) und die PRA (UK), ab November auch, basierend auf temporären Cooperation Agreements, die SEC (USA) und das New York State Department of Financial Services daran teil. Quelle: Protokolle der High-Level CMG-Telefonate vom 1.11.2022 und 2.11.2022.
1⁰79 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 34.
108⁰ Chronologie der FINMA vom 19.9.2023. Zu verschiedenen dieser Gespräche hat die FINMA Gesprächsnotizen (keine eigentlichen Protokolle) erstellt, welche die Grundlage für den nachfolgenden Überblick bilden.
1⁰81 FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023; Schreiben der FINMA an die PUK vom 22.3.2024.
1⁰82 Protokoll des High-Level-CMC-Telefonats vom 11.10.2022
1⁰83 Protokoll des High-Level-Telefonats mit der PRA vom 20.10.2022; Protokoll des High-Level-Telefonats mit der Fed vom 23.10.2022.
1⁰84 Protokoll des High-Level-Telefonats FINMA, Fed und PRA vom 24.10.2022
1⁰85 Protokoll des High-Level-CMC-Telefonats vom 31.10.2022; Protokoll des High-Level-Telefonats mit der Fed vom 2.11.2022; Protokoll des High-Level-CMC-Telefonats vom 8.11.2022; Protokoll des High-Level-Telefonats mit der Fed vom 10.11.2022.
1⁰86 Schriftliche Antworten an die PUK vom 15.4.2024, S. 4 f.
1⁰87 Protokoll des High-Level-CMC-Telefonats vom 16.12.2022
1⁰88 Protokoll des High-Level-Telefonats mit der Fed vom 19.12.2022
98¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 9.4.2024, S. 4 f.
6.3.2 Massnahmen der SNB ab Oktober 2022
Ab Oktober 2022 war die SNB in erster Linie in den verschiedenen Krisenorganen aktiv (siehe Kap. 6.3.3 und folgende). Die Massnahmen, welche die SNB im Rahmen ihrer üblichen makroprudenziellen Aufgaben gegenüber der CS und im Einklang mit ihrem geldpolitischen Instrumentarium ergriff, werden nachfolgend ausgeführt.
Konkret führte die SNB im Oktober 2022 eine Diskussion mit der CS über eine Reduktion der dieser zustehenden Limite für die Engpassfinanzierungs-Fazilität (EFF) (siehe Kap. 3.3). Durch eine Reduktion dieser Limite hätte die CS bis zu 10 Milliarden Franken Liquidität generieren können, ohne im Rahmen der Publikation ihrer Resultate im dritten Quartal 2022 einen EFF-Bezug erwähnen zu müssen. Die SNB unterstützte das Vorhaben der CS, da ein Bezug der EFF im damaligen Umfeld (Ankündigung der strategischen Neuausrichtung am 27. Oktober 2022) zur Verunsicherung der Marktteilnehmer hätte führen können. Die CS zog ihren Antrag auf eine Reduktion der Limite Ende Oktober jedoch aus eigenem Antrieb wieder zurück. 1⁰89
Im Oktober 2022 und nochmals Ende Dezember 2022 evaluierte die SNB mit der CS Möglichkeiten, wie sie der CS unter Vermeidung der Bezeichnungen «ELA» respektive «Ausserordentliche Liquiditätshilfe» Liquidität gewähren könnte, um so die mit einer Offenlegung eines ELA-Bezugs verbundene Stigmatisierung zu verhindern. Dieser Ansatz wurde aber nicht weiterverfolgt, da die formelle Bezeichnung des Liquiditätsbezugs bei der SNB keinen Einfluss auf die Offenlegungspflichten der CS in der Schweiz und den USA gehabt hätte. 109⁰
| Kasten 10 : Die unterschiedlichen Liquiditätsfazilitäten der SNB Im Rahmen der CS-Krise standen mehrere Liquiditätsfazilitäten der SNB im Fokus: EFF, ELA, ELA+ und PLB. Diese Instrumente standen nicht alle parallel zur Verfügung, und sie wurden auch nicht alle gleichzeitig eingesetzt. In diesem Kasten werden die Besonderheiten der Liquiditätsfazilitäten erläutert, und es wird angegeben, wann sie bezogen wurden.Engpassfinanzierungs-FazilitätMit der EFF kann die SNB ihren Geschäftspartnern Liquidität zur Verfügung stellen, damit diese kurzfristig einen unerwarteten Liquiditätsengpass überbrücken können (siehe Kap. 3.3). Die Credit Suisse bezog am 16. März 2023 unter EFF 10 Milliarden Franken (siehe Kap. 7.2.2.5).Emergency Liquidity AssistanceDie SNB kann als Lender of L ast Resort einer Bank, die sich nicht mehr am Markt finanzieren kann, ausserordentliche Liquiditätshilfe ( ELA ) gewähren. Dies kann gemäss Gesetz nur geschehen, wenn für die Darlehen ausreichende Sicherheiten geleistet werden. 1⁰91 Wieviel ELA eine Bank beziehen kann (ELA-Potenzial), hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem, ob eine Bank die notwendigen Vorbereitungsarbeiten bezüglich Sicherheiten getroffen hat und ob die Sicherheiten nicht bereits für andere Zwecke gebraucht wurden (siehe Kap. 5.5.3).Die CS bezog am 16. März 2023 unter ELA rund 38 Milliarden Franken (siehe Kap. 7.2.2.5).Emergency Liquidity Assistance plusBei ELA+ gewährt die SNB Liquiditätshilfe, ohne dass diese direkt durch Sicherheiten der Bank oder eine Garantie des Bundes (wofür eine Zustimmung der FinDel notwendig ist) besichert ist. Diese Möglichkeit wurde vom Bundesrat mit einer Notverordnung am 16. März 2023 geschaffen, welche die Rechtsgrundlage für diese neue Art der Liquiditätshilfe durch die SNB bildete. Gemäss Notverordnung wurde der SNB im Gegenzug für die Vergabe von ELA+ ein Konkursprivileg eingeräumt. Aufgrund einer Einschätzung der Behörden zur Werthaltigkeit dieses Konkursprivilegs im damaligen Zeitpunkt wurde der maximal unter diesem Titel auszubezahlende Betrag vom Bundesrat nach Konsultation der SNB am 16. März per Bundesbeschluss zunächst auf 50 Milliarden Franken (nur für die CS) festgelegt. Am 19. März wurde dieser Maximalbetrag auf 100 Milliarden Franken (jeweils 50 Milliarden Franken für die CS und für die UBS) erhöht. Zeitlich erfolgte die Gewährung eines ersten Darlehens unter ELA+ durch die SNB an die CS kurz nach Verabschiedung der Notverordnung vom 16. März, konkret am 17. März und damit vor Gewährung der PLB-Darlehen. Zu diesem Zeitpunkt war das ELA-Potenzial bereits ausgeschöpft. Ein zweites Darlehen erfolgte am 19. März 2023. Insgesamt gewährte die SNB den beiden Schweizer CS-Gesellschaften (Credit Suisse AG und Credit Suisse (Schweiz) AG) unter ELA+ auf Nachfrage 50 Milliarden Franken Liquidität (siehe Kap. 7.2.3.5 und 7.2.5.5). Public Liquidity BackstopSofern eine Bank selbst nicht mehr über Aktiven verfügt, die als Sicherheiten für ELA dienen können, kann auch eine Drittgarantie - namentlich eine Garantie des Bundes - als Sicherheit dienen. Die gesetzliche Grundlage für den Bund, eine solche Garantie zu sprechen, war im März 2023 nicht vorhanden. Ein entsprechendes Gesetz war erst geplant (siehe Kap. 6.3.4.2). Der Bundesrat schuf die Grundlage für eine solche Garantie und damit für PLB-Darlehen mittels Notverordnung vom 16. März 2023. Die FinDel hiess einen dafür notwendigen dringlichen Verpflichtungskredit im Umfang von 100 Milliarden Franken anschliessend gut (siehe Kap. 7.2.5.5).Gestützt auf diese Grundlage konnte die SNB der Credit Suisse ab 19. März Liquidität in Form von PLB-Darlehen in der Höhe von maximal 100 Milliarden Franken gewähren. Insgesamt gewährte die SNB der Bank auf Nachfrage unter diesem Titel 70 Milliarden Liquidität. |
1⁰89 Brief der SNB an die PUK vom 17.6.2024, Anhang 2 «Austausch mit Credit Suisse (CS) - Collateral Prüfungen»
109⁰ Brief der SNB an die PUK vom 17.6.2024, Anhang 2 «Austausch mit Credit Suisse (CS) - Collateral Prüfungen»
1⁰91 Art. 9 Abs. 1 Lit. e NBG
6.3.3 Engere Verfolgung der Situation durch die Behörden ab Oktober 2022
Wie bereits weiter oben erwähnt (siehe Kap. 6.1.2), sah sich die CS Anfang Oktober 2022 mit massiven Liquiditätsabflüssen konfrontiert. Dies führte zu einer engeren Begleitung durch die Behörden.
6.3.3.1 Wechsel in den Krisenmodus und erste Diskussionen über die Szenarien in den Koordinationsgremien
Aktivierung des Krisenmodus
An der Sitzung des AF vom 5. Oktober präsentierte der Leiter des Geschäftsbereichs Banken der FINMA die Zahlen zur Liquidität der CS und unterrichtete die Mitglieder des AF darüber, dass die FINMA entsprechend ihren internen Weisungen an diesem Tag in den Krisenmodus gewechselt hatte. 1⁰92 Der Krisenmodus wirkte sich auf die Projektstruktur bei der FINMA aus, und zwar in erster Linie dadurch, dass ein Ausschuss der Geschäftsleitung 1⁰93 geschaffen wurde, der direkt an den Verwaltungsrat gelangen konnte, ohne dass die gesamte Direktion einbezogen werden musste.
Im AF wurde diskutiert, ob auch er in Anwendung seines Organisationsreglements in den Krisenmodus, in die Phase Rot, wechseln müsse. Gemäss dem Organisationsreglement des AF ist der Krisenmodus dann auszulösen, wenn durch die Situation an den Finanzmärkten oder einzelner Schweizer Institute unmittelbare Gefahr für die Schweizer Volkswirtschaft oder das Funktionieren des schweizerischen oder internationalen Finanzsystems besteht. 1⁰94 Angesichts der Situation und um die Glaubwürdigkeit allfälliger Massnahmen sicherzustellen, beschlossen der SNB-Vizepräsident, die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, die Direktorin der EFV und der Direktor der FINMA, die Phase Rot zu aktivieren und - wie im Reglement vorgesehen - die Mitglieder des LG darüber zu informieren. 1⁰95 Dies hatte zur Folge, dass die Frequenz der Sitzungen des AF zunahm. Neu fanden nicht mehr - wie in normalen Zeiten üblich - ein bis zwei Sitzungen pro Jahr statt, sondern mehrere pro Monat oder gar pro Woche. Auch das LG, welches nach Bedarf und insbesondere auf Ersuchen des AF einberufen wird, erhöhte angesichts der Aktivierung der Phase Rot die Frequenz seiner Sitzungen. 1⁰96 Zudem definierten die Mitglieder des AF - wie in dessen Organisationsreglement vorgesehen 1⁰97 - ein kurzes Krisenkommunikationskonzept mit Schwerpunkt auf den folgenden zwei Elementen: Die CS ist dabei, ihre Strategie zu überprüfen, und wird in dieser Phase eng von der FINMA begleitet. 1⁰98 Die Kommunikation bleibt passiv und erfolgt nur bei Medienanfragen an die Behörden.
Erste Gespräche über die verschiedenen Szenarien für die Krisenbewältigung
An der AF-Sitzung vom 5. Oktober wurde schliesslich eine Arbeitsgruppe eingesetzt, in der die SNB, die FINMA, die EFV und das SIF vertreten waren. Ihre Aufgabe bestand darin, die verschiedenen Optionen der Behörden sowie deren Vor- und Nachteile zu vertiefen. Die Arbeitsgruppe wurde vom Leiter des Geschäftsbereichs Recovery und Resolution der FINMA geleitet. 1⁰99 Die ersten Analysen dieser Arbeitsgruppe wurden am 11. Oktober im AF diskutiert. Die Behörden sprachen damals von verschiedenen Schritten: 110⁰ Als erster Schritt wurden Massnahmen genannt, mit denen der mangelnden Liquidität der CS namentlich mittels einer ELA - einer bereits verfügbaren Massnahme - begegnet werden konnte. 11⁰1 Als zweiter Schritt wurde für den Fall, dass eine ELA nicht die gewünschte Wirkung zeigte, eine Sanierung und der Einsatz des PLB ins Auge gefasst. Es wurde festgehalten, dass die dafür erforderlichen Vorarbeiten noch nicht erfolgt waren. Als dritter Schritt wurde die Liquidation mit Auslösung eines Notfallplans für die Schweizer Einheit (« break-up ») 11⁰2 genannt. Der Leiter der Arbeitsgruppe hielt es indes für verfrüht, diese Möglichkeit zu diskutieren, da diese sekundär zur präferierten Strategie einer Sanierung mittels Single Point of Entry Bail-in und PLB wäre (sogenanntes Fallback-Szenario). 11⁰3 Die Mitglieder des AF waren sich einig, dass die Situation eng verfolgt werden musste und man sich nicht nur auf die Einschätzungen der Bank verlassen durfte. 11⁰4 An der genannten Sitzung wurde gemäss den Informationen, die der PUK vorliegen, auch erstmals im AF die Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen thematisiert. 11⁰5
| Kasten 11 : Ausarbeitung der Szenarien für den Ausstieg aus der Krise Ab dem Herbst 2022 analysierten die Behörden verschiedene (hypothetische) Szenarien für den Ausstieg aus der Krise. Dieser Kasten liefert eine Übersicht über die diskutierten Szenarien und verweist auf die entsprechenden Kapitel, damit nachvollzogen werden kann, wie sich die Diskussionen zwischen den Behörden entwickelten.Bewältigung der Krise durch die CS aus eigener KraftDieses Szenario sah vor, dass die CS die Krise aus eigener Kraft zu bewältigen vermag. Die Bank hätte dabei die Möglichkeit gehabt, ihr zur Verfügung stehende Unterstützung wie die ELA (Standardinstrument, das in der Gesetzgebung bereits vorgesehen ist, siehe Kap. 5.5.3) oder allenfalls die ELA+ 11⁰6 (Möglichkeit, die mittels Notrecht hätte eingeführt werden müssen) in Anspruch zu nehmen. 11⁰7 Dieses Szenario wurde von den Behörden lange Zeit favorisiert, denn sie hatten Bedenken, zu schnell einzugreifen. Erst am 15. März 2023 gelangten sie zum Schluss, dass diese Lösung definitiv nicht mehr realistisch war.Die Rolle der einzelnen Akteure in diesem Szenario wäre diejenige gewesen, die ihnen normalerweise zukommt: Die FINMA hätte die Aufsicht wahrgenommen und die bankeigenen Massnahmen begleitet. Sie hätte unter Umständen temporäre regulatorische Erleichterungen gewährt. Die SNB als Lender of Last Resort hätte die ELA und gegebenenfalls die ELA+ zur Verfügung gestellt. Das EFD und der Bundesrat wären für die übergeordnete politische Begleitung zuständig gewesen. Übernahme der Credit Suisse durch eine andere BankDieses Szenario sah die folgenden zwei Varianten vor: die Übernahme der CS durch eine Schweizer oder durch eine ausländische Bank. 11⁰8 Diese Option wurde von den Behörden ab Ende Oktober 2022 in Erwägung gezogen. Dabei wurden Massnahmen wie ELA (bereits zur Verfügung stehendes Instrument), ELA+ oder PLB erwogen. Dies setzte die Anwendung von Notrecht (bei den letzteren zwei Optionen) und die Abschreibung der AT1-Anleihen voraus. Die Übernahme durch eine ausländische Bank wurde zwar diskutiert. Eine solche Transaktion wäre aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters aber von sehr hoher Komplexität gewesen und hätte sowohl beim Vorlauf wie auch bei der Umsetzung höchstwahrscheinlich mehr Zeit benötigt.Die Behörden entschieden sich im Krisenwochenende dafür, eine Variante dieses Szenarios (Fusion mit der UBS) weiterzuverfolgen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Verlustgarantie an die UBS und die notrechtliche Einschränkung der Aktionärsrechte nicht Teil der Vorbereitungen waren und erst im Zeitraum vom 17. bis zum 19. März 2023 diskutiert wurden (siehe Kap. 7.2.3-7.2.5).Sanierung der Bank und KapitalmassnahmenDieses Szenario sah vor, dass die CS gemäss dem Sanierungsplan der FINMA abgewickelt wird. Dieses Instrument ist in der TBTF-Gesetzgebung vorgesehen (siehe Kap. 5.2.2.1). 11⁰9 Die Aktien und das AT1-Kapital wären abgeschrieben worden (Totalverlust), und es wäre ein Bail-in von Fremdkapital zur Rekapitalisierung erfolgt. Die Rolle der FINMA in diesem Szenario hätte darin bestanden, den Sanierungsplan und den Bail-in umzusetzen, während die SNB für die Umsetzung der ELA und allenfalls der ELA+ sowie des PLB zuständig gewesen wäre. Da die Einführung der ELA+ und der PLB Notrecht voraussetzten, wäre die SNB diesbezüglich vom EFD und vom Bundesrat begleitet worden. Diese Massnahme wurde bereits zu Beginn der Überlegungen eingebracht und erörtert.Konkurs der Bank und Auslösung des NotfallplansDieses Szenario sah vor, dass der Konkurs über die CS (Credit Suisse Group und Credit Suisse AG) eröffnet wird und dank der Auslösung des Notfallplans, wie er in der Gesetzgebung vorgesehen ist (siehe Kap. 5.2.2.1), die systemrelevanten Funktionen in der Schweiz weiter betrieben werden. 111⁰ Dieses Szenario wurde erst ab November 2022 diskutiert. Als Variante wurde eine TPO - also eine vorübergehende Verstaatlichung, bis eine private Lösung gefunden ist - für die Schweizer Einheit der Bank genannt. Obwohl dies kein klassisches Instrument der TBTF-Gesetzgebung darstellt, hatten die Behörden bereits 2020 erste Überlegungen dazu vorgenommen (siehe Kap. 5.2.2.1 und Kap. 5.2.5.6). Diese Variante ist nicht zu verwechseln mit der Verstaatlichung der gesamten Credit Suisse Group (siehe folgendes Szenario). (Vorübergehende) Verstaatlichung der CSDieses Szenario sah vor, dass der Bund im Rahmen einer TPO die gesamte Credit Suisse Group vorübergehend übernimmt. 111¹ Bei diesem Szenario, das erst ab März 2023 diskutiert wurde, wäre für mehrere Aspekte die Anwendung von Notrecht notwendig gewesen: ELA+, PLB, Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Übernahme durch den Bund und die Enteignung der Aktionäre. Dieses Szenario hätte auch eine Abschreibung der AT1-Anleihen zur Folge gehabt. Weitere diskutierte, aber nicht vertiefte MassnahmenStärkung der Eigenmittel durch den Bund (Kapitalbeteiligung): Der Bund hätte sich zwecks Kapitalerhöhung und Stabilisierung mit einer Kapitaleinlage an der CS beteiligt. Dies hätte eine Abschreibung der AT1-Anleihen zur Folge gehabt. Diese Massnahme kann als eine Art TPO betrachtet werden (siehe Kap. 5.2.5.6). Sie wurde am 15. Oktober 2022 im AF diskutiert, aber nach der ersten Analyse verworfen, und erst im März 2023 wieder kurz in Erwägung gezogen. 11¹2 PLB als reine Liquiditätsmassnahme: Der Bundesrat hätte den PLB per Notrecht und ausserhalb einer Sanierung oder Fusion eingeführt, um die Liquidität der CS sicherzustellen. Dieses Instrument fällt in den Rahmen der TBTF-Massnahmen und wurde in anderen Ländern bereits eingeführt. In der Schweiz war es noch nicht verfügbar (siehe Kap. 5.2.6.2). An der Bundesratssitzung vom 4. November 2022 hätte die Möglichkeit diskutiert werden sollen, per Notrecht die blosse Rechtsgrundlage für einen PLB (aber ohne Aktivierung des PLB) zu verabschieden. Diese Sitzung wurde jedoch aufgrund der Einschätzungen zur Liquiditätslage der CS und zur Wirkung des Instruments kurzfristig abgesagt (siehe Kap. 6.3.4.1).Chronologie der Diskussionen der Szenarien zwischen den Behörden- Oktober bis Dezember 2022: Diskussion der verschiedenen Massnahmenschritte im LG und im AF (Kap. 6.3.3, 6.3.4, 6.3.5)- Januar 2023: Formalisierung der vier Szenarien im LG und im AF (Kap. 6.4.2)- Februar 2023: Diskussion der Szenarien im Bundesrat (Kap. 6.4.3.1)- Februar bis Mitte März 2023: Ausarbeitung der Szenarien im LG und im AF (Kap. 6.4.3.2) |
Die möglichen Massnahmen wurden an der Sitzung des AF vom 15. Oktober erneut diskutiert. An der genannten Sitzung intensivierte sich auf Stufe des AF im Zusammenhang mit verschiedenen Kapital- oder Unterstützungsmassnahmen des Bundes (z. B. einer möglichen Beteiligung des Bundes oder einem PLB) die Diskussion um die Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen. Eine solche Anordnung würde in einer Sanierung erfolgen oder wenn ein sogenannter Viability Event vorliegt, welcher die Anordnung der Abschreibung auslöst. 11¹3
Am Sonntagabend, 16. Oktober, fand gemäss den der PUK vorliegenden Angaben das erste sogenannte Non-Meeting zwischen den Behörden und der CS statt (siehe Kap. 6.3.3.2). Anlässlich dieses Treffens habe der CS-Präsident eine Auslegeordnung über die von der CS geplanten Massnahmen im Hinblick auf die Präsentation der neuen Unternehmensstrategie Ende Oktober gemacht. Die CS habe mit positiven Reaktionen der Märkte gerechnet und sich dadurch neue Finanzierungsmöglichkeiten erhofft. 11¹4 Das Treffen vom 16. Oktober beschränkte sich wie das vom 23. Oktober auf den Austausch von Informationen, die gemäss der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA bereits via LG und AF verfügbar waren. 11¹5
An der darauffolgenden Sitzung des LG - am 17. Oktober 2022 - versicherten sowohl die FINMA als auch die SNB, bereit zu sein, um im Rahmen ihres jeweiligen gesetzlichen Auftrags (Sanierung bzw. ELA) zu intervenieren. Sie hielten aber eine Abwägung der politischen Interessen im Zusammenhang mit einem allfälligen Eingreifen des Staates für notwendig. 11¹6 Die Mitglieder des LG diskutierten zudem die vom AF vorbereiteten Szenarien, die von einer nachhaltigen Stabilisierung der Bank nach dem 27. Oktober 2022 bis hin zu einer anhaltenden Vertrauenskrise mit entsprechenden möglichen Massnahmen seitens der Bank und der Behörden reichten. 11¹7 An dieser Sitzung soll gemäss den Informationen der PUK im Zusammenhang mit einer möglichen Beteiligung des Bundes an der CS die Abschreibung der AT1-Anleihen als Kapitalmassnahme besprochen worden sein. 11¹8 Nach Angaben des EFD wurde diese mögliche Beteiligung danach vom EFD selber verworfen. 11¹9 Letztlich wurde für die darauffolgende Woche eine weitere Sitzung anberaumt, um sich über die Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten.
Im AF wurde die Vorbereitung der technischen Aspekte der Szenarien fortgesetzt: An der Sitzung vom 19. Oktober wurde eine Sanierung eingehend diskutiert. Die Mitglieder des AF wurden zudem von der SNB informiert, dass der CEO der CS am späten Nachmittag des Vortags (d. h. am 18. Oktober) den SNB-Präsidenten angerufen hatte, um ihm mitzuteilen, dass die Bank einen ELA-Antrag einzureichen beabsichtige, obwohl die Behörden es für risikoreich hielten, die ELA zu gewähren, bevor die für den 27. Oktober angekündigte neue Strategie der CS bekannt gegeben wurde. 112⁰ Die Bank verzichtete letztlich mit Blick auf die öffentliche Reaktion auf diesen Antrag (siehe Kap. 6.3.4.1). Der AF erwog zudem, ab welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen die AT1-Anleihen abgeschrieben werden könnten. Unter anderem wurde die Frage erörtert, ob auch ohne Bail-in eine Abschreibung angeordnet werden könnte und ob der PLB einen sogenannten Viability Event darstellen würde, welcher die Anordnung der Abschreibung auslöst. 112¹
Bereits am darauffolgenden Tag, 20. Oktober, trat der AF erneut zusammen und erörterte vier Optionen: 1¹22 nur PLB; PLB mit Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen und Schutzmassnahmen bezüglich Strategie und Management der Bank; PLB und Teil-Bail-in; Bail-in ohne PLB. 1¹23
Erstmalige Erwähnung eines Verkaufs der CS im LG (Oktober 2022)
Die vier genannten Optionen wurden auch an der Sitzung des LG vom 21. Oktober 2022 diskutiert. Zudem wurden noch weitere Optionen thematisiert, die bisher nicht zur Diskussion gestanden waren, darunter auch das Szenario eines Verkaufs, das damals zum ersten Mal im LG kurz angesprochen wurde. 1¹24 Laut dem SNB-Präsidenten wurde dieses Szenario aufgrund der Diskussionen aufgegriffen, die vorgängig unter anderem mit dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS an der Jahrestagung des IWF vom 10. bis zum 16. Oktober 2022 geführt worden waren.
An derselben Sitzung stellte die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA überdies fest, dass das Risiko einer Liquiditätskrise weiterhin bestehe, insbesondere auch durch Ring-Fencing-Massnahmen von ausländischen Behörden (siehe Kasten 16 in Kap. 7.2.2.2). 1¹25
Der damalige EFD-Vorsteher und der Präsident der SNB sollen in Washington mögliche Optionen für den Fall, dass die Situation der CS eskalieren sollte, diskutiert haben. 1¹26 Gemäss dem Präsidenten der SNB besprachen sie im Rahmen dieses Austauschs auch die Idee einer Fusion zwischen UBS und CS, da die Banken bereits einige Jahre zuvor Vorgespräche dazu geführt hatten. 1¹27 Nach diesem Austausch habe der Präsident der SNB ein erstes Mal das Gespräch mit dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS gesucht. Dieser habe ihm gegenüber die Bereitschaft der UBS zu einer allfälligen Fusion mit der CS signalisiert, wenn diese für die Finanzstabilität und den Schweizer Finanzplatz nötig werde. 1¹28 Der Verwaltungsratspräsident der UBS sagte gegenüber der PUK hingegen aus, dass erst am 23. Oktober 2022 anlässlich des zweiten informellen High-Level-Meetings mit dem SNB-Präsidenten in Anwesenheit des damaligen EFD-Vorstehers eine Fusion erörtert worden sei (siehe Kap. 6.3.3.2). Tatsächlich fand nach Angaben der Beteiligten am 23. Oktober ein Treffen mit dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS statt, jedoch ohne Beteiligung der FINMA. 1¹29 Dabei sei über die Option einer Fusion oder eines Kaufs als Fallback-Lösung für den Fall gesprochen worden, dass es die CS nicht aus eigener Kraft schaffen sollte. Der Verwaltungsratspräsident der UBS habe die Bereitschaft der UBS bestätigt, sich bei Bedarf an einer Lösungsfindung zu beteiligen. Details seien jedoch nicht besprochen worden, auch da sowohl die Behörden wie auch die UBS eine Lösung bevorzugten, die das Weiterbestehen von zwei Schweizer Grossbanken gewährleistete. 113⁰ Laut dem damaligen Vorsteher des EFD entstand der Eindruck, dass sich der Verwaltungsrat der UBS ausführlicher als die CS selbst mit der Übernahme der CS auseinandergesetzt hatte. 113¹
Die Kontaktaufnahme mit dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS scheint somit stattgefunden zu haben, ohne dass das LG darüber informiert war oder einen entsprechenden Auftrag erteilt hatte. 1¹32 Die Mitglieder des LG beschlossen am Ende ihrer Sitzung vom 21. Oktober jedenfalls, die neue Strategie der CS, die einige Tage später angekündigt werden sollte, abzuwarten, um zu sehen, wie sich die Situation weiterentwickelt. 1¹33
Am 26. Oktober, dem Vortag der Bekanntgabe der neuen Strategie der CS, kam der AF zu einer weiteren Sitzung zusammen, an der die Mitglieder die aktuelle Lage besprachen. Sie stellten fest, dass sich die Abflüsse verlangsamt hatten und dass es der erste Tag mit einem netto positiven Liquiditätsergebnis war. Gleichwohl betonten die Anwesenden, dass es keine Entwarnung gäbe. Der AF sprach zudem über die bei einer Inanspruchnahme der ELA zur Verfügung stehenden Beträge. 1¹34
Reaktionen auf die Bekanntgabe der neuen Strategie der CS
Im Mittelpunkt der Beratungen an der Sitzung des LG vom 28. Oktober stand die Bekanntgabe der neuen Strategie der CS. Der Vorsteher des EFD fasste die Situation wie folgt zusammen: Die Reaktion der Märkte auf die Ankündigung der CS sei von eher abwartend bis negativ zu werten, und die Behörden würden an den Szenarien für den Krisenausstieg mit unverändertem Druck weiterarbeiten. 1¹35 Die weiteren Arbeiten der Behörden in den einzelnen Gremien werden in Kapitel 6.3.4 beschrieben. Zudem besprach das LG erneut ein mögliches Ring Fencing im Ausland (siehe Kasten 16 in Kap. 7.2.2.2). Die Verwaltungsratspräsidentin und der Direktor der FINMA berichteten, dass die FINMA von ausländischen Behörden deutliche Signale Richtung Ring Fencing erhalten habe. 1¹36
1⁰92 Transkription der AF-Sitzung vom 5.10.2022
1⁰93 Dieser setzte sich aus dem Direktor, dem Leiter des Geschäftsbereichs Recovery und Resolution, dem Leiter des Geschäftsbereichs Banken und dem Leiter des Geschäftsbereichs Enforcement der FINMA zusammen.
1⁰94 Art. 3.2.1 Organisationsreglement des Ausschuss Finanzkrisen vom 6.1.2015
1⁰95 Art. 3.2.5 Organisationsreglement des Ausschuss Finanzkrisen vom 6.1.2015
1⁰96 Die Liste der Sitzungen, welche das LG und der AF ab Sommer 2022 abhielten, findet sich in der Chronologie im Anhang dieses Berichtes.
1⁰97 Art. 3.2.4 Organisationsreglement des Ausschuss Finanzkrisen vom 6.1.2015
1⁰98 Transkription der AF-Sitzung vom 5.10.2022
1⁰99 Transkription der AF-Sitzung vom 5.10.2022
110⁰ Später sprachen die Behörden vor allem von «Szenarien».
11⁰1 In diesem Kontext bezifferte die FINMA das ELA-Potenzial mit rund 30 Mrd. Franken und qualifizierte diesen Betrag als «sehr gross». Sie gab auch an, dass ein grosser Betrag «up-streamed werden könne». Transkription der AF-Sitzung vom 5.10.2022, S. 9 und 13.
11⁰2 Transkription der AF-Sitzung vom 11.10.2022; PowerPoint-Präsentation «Auslegeordnung für ein Szenario Vertrauenskrise», AF-Sitzung vom 11.10.2022.
11⁰3 Transkription der AF-Sitzung vom 11.10.2022, S. 14/15; Powerpoint-Präsentation für den LG vom 23.10.2022.
11⁰4 Transkription der AF-Sitzung vom 11.10.2022, S. 17
11⁰5 Transkription der AF-Sitzung vom 5.10.2022, S. 10
11⁰6 ELA+ wurde als Begriff erst später verwendet.
11⁰7 Weitere Bezeichnungen für dieses Szenario: Option A oder A+, Szenario 1. Siehe die auf Ersuchen der PUK erstellte Chronologie der Szenarien des EFD vom 22.11.2023.
11⁰8 Weitere Bezeichnungen für dieses Szenario: Option B, Szenario 2, Projekt Como, Projekt Africa. Siehe die auf Ersuchen der PUK erstellte Chronologie der Szenarien des EFD vom 22.11.2023.
11⁰9 Weitere Bezeichnungen für dieses Szenario: Option C, Szenario 3. In einzelnen französischen Dokumenten wird der Begriff «liquidation» verwendet. Siehe die auf Ersuchen der PUK erstellte Chronologie der Szenarien des EFD vom 22.11.2023.
111⁰ Weitere Bezeichnungen für dieses Szenario: Option D, Szenario 4. In einzelnen deutschen Dokumenten wird der Begriff «Liquidation» verwendet. Siehe die auf Ersuchen der PUK erstellte Chronologie der Szenarien des EFD vom 22.11.2023.
111¹ Weitere Bezeichnungen für dieses Szenario: Plan B. Siehe die auf Ersuchen der PUK erstellte Chronologie der Szenarien des EFD vom 22.11.2023.
11¹2 Transkription der AF-Sitzung vom 15.10.2022; Chronologie der vom EFD am 22.11.2023 erarbeiteten Szenarien.
11¹3 Transkription der AF-Sitzung vom 15.10.2022, S. 25
11¹4 Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024, S. 5
11¹5 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 38 f.
11¹6 Protokoll der LG-Sitzung vom 17.10.2022
11¹7 Protokoll der LG-Sitzung vom 17.10.2022
11¹8 Protokollentwurf zur Sitzung des LG vom 17.10.2022, Traktandum 2: Massnahmen zur Stärkung der Eigenmittelausstattung.
11¹9 EFD-Chronologie-Alternativszenarien vom 22.11.2023. Die juristischen Aspekte wurden ab dem 7. März 2023 geprüft.
112⁰ Transkription der AF-Sitzung vom 19.10.2022, S. 1-3
112¹ Transkription der AF-Sitzung vom 19.10.2022, S. 17 ff., 22
1¹22 Diese Optionen entsprachen noch nicht den oben beschriebenen Szenarien.
1¹23 Transkription der AF-Sitzung vom 20.10.2022; Powerpoint-Präsentation «Mögliche Entwicklung und Optionen nach dem 27.10.2022», LG vom 21.10.2022.
1¹24 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023; Protokoll der LG-Sitzung vom 21.10.2022.
1¹25 Protokoll der LG-Sitzung vom 21.10.2022, S. 2
1¹26 Die FINMA habe von diesen Treffen erst 2024, im Rahmen der Untersuchung der PUK, erfahren. Quelle: Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
1¹27 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 7
1¹28 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 7
1¹29 Die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA habe an diesem Treffen nicht teilgenommen, da sie als Vertreterin der FINMA nicht mit der UBS über ein anderes beaufsichtigtes Bankinstitut sprechen konnte, schon gar nicht über eines in schwersten Problemen und ohne dessen Teilnahme. Ausserdem habe sie befürchtet, dass die UBS - wenn der Anschein entstehen sollte, die Behörden hätten sie um eine Fusion mit der CS gebeten, und wenn es später tatsächlich zu einer Fusion kommen sollte - Druck auf die FINMA ausüben könnte, um erleichterte regulatorische Bedingungen zu erhalten. Die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA habe dem Präsidenten der SNB im Vorfeld aus diesen Gründen von einem Treffen abgeraten. Zudem hatte die UBS eine grosse Exposure gegenüber der CS. Die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA habe die Gespräche mit der UBS als problematisch und «am falschen Ende des Tisches verhandelt» bezeichnet. Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 39; Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 31; Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.6.2024; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 7.
113⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 24; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 7; Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 32 f.; Schriftliche Antworten an die PUK vom 19.2.2024.
113¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 31
1¹32 Nach Angaben der SNB im Rahmen der Verwaltungskonsultation sei die Kontaktaufnahme jedoch in Absprache mit den drei LG-Mitgliedern beschlossen worden (Stellungnahme der SNB vom 31.7.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation). Das Protokoll der LG-Sitzung vom 21.10.2022 enthält hierzu keine Angaben.
1¹33 Protokoll der LG-Sitzung vom 21.10.2022
1¹34 Transkription der AF-Sitzung vom 26.10.2022
1¹35 Protokoll der LG-Sitzung vom 18.10.2022
1¹36 Protokoll der LG-Sitzung vom 28.10.2022, S. 2
6.3.3.2 Beginn des intensivierten informellen Austausches zwischen den Behörden und den Banken ab Oktober
Ab Oktober 2022 kam es im Zuge der sich akzentuierenden Schwierigkeiten der CS zu verschiedenen Treffen zwischen Behörden- und Bankenvertretern, die nicht im Rahmen von Regelstrukturen oder institutionalisierten Austauschgefässen stattfanden, sondern informeller Natur waren und somit auch nicht protokolliert wurden.
Die ersten informellen Gespräche zwischen Behörden und Bankvertretern fanden gemäss den der PUK vorliegenden Angaben am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank zwischen dem 10. und 16. Oktober 2022 in Washington statt (siehe Kap. 6.3.3.1). In diese Zeit fiel auch ein telefonischer Austausch zwischen dem SNB-Präsidenten und dem CS-Verwaltungsratspräsidenten, der versprach, für den Ernstfall zuhanden der Behörden ein Dokument über einen möglichen Verkauf oder eine Fusion der CS vorzubereiten. 1¹37 Dieses Konzeptpapier lag Anfang November vor. 1¹38
Non-Meetings zwischen EFD, SNB, FINMA und den Banken
Im weiteren Verlauf des Oktobers 2022 erkannten der SNB-Präsident und der damalige EFD-Vorsteher aus ihrer Sicht einen Bedarf an regelmässigen informellen Treffen mit dem CS-Verwaltungsratspräsidenten. Gemäss dem SNB-Präsidenten war das Ziel dieser Gespräche, einen Dialog auf höchster Ebene mit der CS zu führen und sich vom CS-Verwaltungsratspräsidenten regelmässig über den Stand der Dinge aufdatieren zu lassen. Ausserdem wollten die Behörden den nötigen Druck aufsetzen können, damit die Vorbereitungen für den Krisenfall getroffen wurden. 1¹39 Zu drei dieser Treffen war auch die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin eingeladen, die nach eigenen Angaben Mitte Oktober durch den SNB-Präsidenten darüber informiert wurde, dass er und der EFD-Vorsteher sogenannte Non-Meetings mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS initiieren wollten. 114⁰ Ihr seien diese als Meetings beschrieben worden, die in keiner Agenda stünden, von denen nur die LG-Mitglieder wüssten, die nicht protokolliert würden und die nie stattgefunden hätten. 114¹ Die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin habe das Format der Treffen kritisch gesehen. Sie habe daher auf die geregelten Austauschgefässe der Behörden verwiesen und insbesondere die fehlende Schriftlichkeit als problematisch erachtet. Da man sich auf Vorschlag der FINMA-Verwaltungsratspräsidentin auf die Information jeweils einer weiteren Person pro Institution 1¹42 einigen konnte und sie dem Informationsbedürfnis der anderen Behörden wenn immer möglich nachkommen wollte, nahm die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin dennoch an drei 1¹43 der Non-Meetings mit der CS teil. 1¹44 Die Absenz der FINMA an den restlichen Treffen erklärte der ehemalige EFD-Vorsteher damit, dass man sich einen besseren Zugang zum Verwaltungsratspräsidenten der CS erhofft habe. Die Beziehung zwischen der CS und der FINMA habe aufgrund der Aufsichtstätigkeit vorbelastet gewirkt, und die CS habe nicht empfänglich für die Anliegen der FINMA geschienen. 1¹45 Dagegen erklärte die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin, dass die mangelnde Verbindlichkeit der Non-Meetings vom 16. und 23. Oktober aus ihrer Sicht dazu führte, dass sich der Verwaltungsratspräsident der CS in seiner unrealistischen Einschätzung eher bestätigt fühlte. Reine Informationstreffen seien dagegen im normalen Rahmen des LG oder des AF abzuhalten. 1¹46
Der Rhythmus dieser Treffen konnte nicht abschliessend geklärt werden, da die Aussagen diesbezüglich kein einheitliches Bild ergeben und aufgrund des informellen Charakters kaum schriftliche Angaben vorliegen. 1¹47 Gemäss den der PUK vorliegenden Informationen trafen der damalige Vorsteher des EFD und der SNB-Präsident den CS-Verwaltungsratspräsidenten in einem Rhythmus von mehreren Wochen. Nachfolgend werden die der PUK bekannten Treffen und deren Inhalte, soweit nachvollziehbar, übersichtsartig dargestellt. Die detaillierten Ausführungen zu den einzelnen Treffen finden sich in den untenstehend angegebenen Kapiteln zur Geschäftsführung der Behörden, die chronologisch aufgebaut sind. 1¹48
Tabelle 14: Liste der Non-Meetings gemäss Informationen der PUK
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| Datum | Teilnehmende | Thema | Weiterführende Details |
|---|---|---|---|
| 16.10.2022 | EFD-Vorsteher, SNB-Präsident, FINMA-Verwaltungsratspräsidentin, CS-Verwaltungsratspräsident | Auslegeordnung der geplanten Massnahmen der CS | Kap. 6.3.3.1 |
| 23.10.2022 | EFD-Vorsteher, SNB-Präsident, FINMA-Verwaltungsratspräsidentin, CS-Verwaltungsratspräsident | Zielbild der CS, Kapitalerhöhung, Restrukturierung der Bank | Kap. 6.3.3.1 |
| 23.10.2022 | EFD-Vorsteher, SNB-Präsident, UBS-Verwaltungsratspräsident | Bereitschaft der UBS für Fusion mit CS als Fallback-Lösung | Kap. 6.3.3.1 |
| 13.11.2022 | EFD-Vorsteher, SNB-Präsident, CS-Verwaltungsratspräsident | Zukunft der CS und geplante Einführung des PLB im Dezember 2022 | Kap. 6.3.4.2 |
| 4.12.2022 | EFD-Vorsteher, SNB-Präsident, CS-Verwaltungsratspräsident | Herausforderungen bei der Arbeit mit der FINMA, Rolle der Behörden, Kommunikation zur CS | Kap. 6.3.5.1 |
| 29.12.2022 | EFD-Vorsteher, SNB-Präsident, FINMA-Verwaltungsratspräsidentin, CS-Verwaltungsratspräsident | Unerwartete Verschlechterung der Liquiditätssituation der CS: Forderungen der FINMA an die CS für Vorbereitung des Datenraums und Verkaufs | Kap. 6.3.5.4 |
Informationsweitergabe in den beteiligten Behörden
Die Art und Weise, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Informationen aus den Treffen in ihren jeweiligen Behörden weiterleiteten, unterschied sich massgeblich. Zwar gab es scheinbar die Bestrebung, jeweils eine weitere Person pro Institution über die Sitzungen zu informieren, 1¹49 doch wurde dies unterschiedlich gehandhabt. So kam es innerhalb der SNB und der FINMA 115⁰ zu mündlichen Debriefings und einer Information der zuständigen Einheiten, 115¹ während derartige Nachbesprechungen im EFD nur in rudimentärer Form oder gar nicht stattfanden. 1¹52 Das Treffen vom 29. Dezember wurde FINMA-intern zudem ausführlich vor- und nachbereitet. 1¹53
Die Positionen, welche die anwesenden Behörden gegenüber der CS vertraten, wurden gemäss dem SNB-Präsidenten und dem damaligen Vorsteher des EFD jeweils im LG und in anderen Sitzungen definiert und mit der FINMA-Verwaltungsratspräsidentin abgesprochen. 1¹54 Diese Informationsweitergabe im LG habe jedoch nicht in einem institutionalisierten Format stattgefunden und sei in der Regel kurzgehalten worden. 1¹55 Die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin hielt dagegen fest, dass die Treffen vom 16. und 23. Oktober 2022 reine Informationssitzungen gewesen seien und es vor dem 29. Dezember 2022 keine ihr vorher bekannte gemeinsame Position der Behörden im Sinne von Forderungen und Massnahmen gegenüber der CS gegeben habe. 1¹56 In den Protokollen des LG finden sich erst ab Ende November Verweise auf Treffen zwischen dem damaligen EFD-Vorsteher, dem SNB-Präsidenten und dem CS-Verwaltungsratspräsidenten. 1¹57 Konkrete Informationen zu den Inhalten eines Gesprächs mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS wurden nur im Rahmen der LG-Sitzung vom 9. Dezember geteilt. 1¹58 Die FINMA habe nach eigener Aussage keine Kenntnisse davon gehabt, dass dabei auch Herausforderungen in der Zusammenarbeit zwischen ihr und der CS thematisiert wurden. 1¹59 Die Mitglieder des AF und andere Anwesende im LG hatten somit - unabhängig von der Information durch das jeweilige LG-Mitglied zu den Non-Meetings - Kenntnis von zwei Treffen, nicht aber über deren konkrete Motivation sowie das Format dieser Non-Meetings. 116⁰
In Bezug auf die Treffen, an denen die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin nicht teilnahm, gaben der SNB-Präsident und der ehemalige EFD-Vorsteher an, sie zu den Gesprächsinhalten informiert zu haben. 116¹ Die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin sagte vor der PUK hingegen aus, dass sie nur vom Treffen mit dem UBS-Verwaltungsratspräsidenten und von einem weiteren Treffen, welches im Protokoll des LG 1¹62 vermerkt wurde, Kenntnis gehabt habe. 1¹63 Nach Kenntnisstand der PUK wurde sie demnach nur über das Treffen vom 13. November 2022 nicht informiert.
Bewertung der Non-Meetings durch die beteiligten Behörden
Generell wurde die Haltung des CS-Verwaltungsratspräsidenten anlässlich dieser Treffen von allen Sitzungsteilnehmenden als optimistisch, teilweise auch zu optimistisch, bezeichnet. Bei der Beantwortung von Fragen vonseiten der Behörden seien vor allem positive Aspekte hervorgehoben worden. 1¹64 Es sei klar geworden, dass der Verwaltungsratspräsident der CS die Situation unterschätzt und beschönigt habe, unter anderem auch, um Sicherheit gegen aussen auszustrahlen. 1¹65
Unterschiedlicher wurde der Nutzen der Non-Meetings beurteilt. Die Verantwortlichen der FINMA sahen in den Non-Meetings mit der CS - bis auf das Meeting vom 29. Dezember 2022 - aufgrund der fehlenden Verbindlichkeit wenig Nutzen. So seien der FINMA nach eigener Aussage aus den anderen Non-Meetings keine Forderungen und Fristen an die CS oder eine «Lösung» mit ihr bekannt. Die FINMA habe aus den Non-Meetings auch keine verwertbaren neuen Informationen und Ergebnisse erhalten. Non-Meetings der Behörden mit der UBS wurden aus verschiedenen Gründen als sehr heikel angesehen. 1¹66 Der FINMA-Direktor kritisierte, dass die Positionen des CS-Verwaltungsratspräsidenten nach derartigen Treffen teilweise zu viel Raum eingenommen hätten. 1¹67 Er äusserte sich im Dezember 2022 jedoch auch positiv zu diesen Treffen, da das EFD und die SNB den Anliegen der FINMA in Bezug auf die Contingency-Massnahmen der Bank in diesen Gesprächen Nachdruck verleihen konnten (siehe Kap. 6.3.5.1). 1¹68
Nach dem ersten Treffen mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS am 16. Oktober 2022 kritisierte die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin nach eigenen Angaben die Form des Austauschs. Die Inhalte der Unterhaltung seien in keinem Verhältnis zum Rang der teilnehmenden Personen gestanden. Aus diesem Grund machte sie ihre weitere Teilnahme davon abhängig, dass der CS im Rahmen dieser Treffen konkrete Forderungen mit verbindlichen Fristen gestellt wurden. 1¹69 Am letzten Non-Meeting Ende Dezember 2022 setzte die FINMA dies um und formulierte konkrete Forderungen gegenüber dem CS-Verwaltungsratspräsidenten (siehe Kap. 6.3.5.4).
Besonders positiv wurde der Nutzen der Non-Meetings durch den SNB-Präsidenten eingeschätzt. Gemäss seinen Aussagen gegenüber der PUK trugen sie massgeblich dazu bei, dass die Behörden mit der CS eine Lösung finden konnten. Aus seiner Sicht konnte dank dem Treffen mit der UBS die grundsätzliche Bereitschaft der UBS zu einer Übernahme der CS im Krisenfall geklärt und eine Übernahme als realistische Option weiterverfolgt werden. 117⁰ Nach seinem Verständnis habe die FINMA im Herbst 2022 die CS nicht zu bestimmten Aktionen auffordern können, da diese die notwendigen Liquiditäts- und Kapitalanforderungen noch erfüllte. Die Behörden hätten die Non-Meetings deswegen dahingehend genutzt, die Bank dennoch dazu zu bewegen, gewisse - für den weiteren Verlauf der Krisenbewältigung seiner Meinung nach entscheidende - Vorbereitungen hinsichtlich eines Verkaufs zu treffen, die man der Bank auf offiziellem Weg erst zu einem späteren Zeitpunkt hätte auferlegen können. 117¹ Auch der damalige EFD-Vorsteher empfand die Treffen als Chance, um abseits des angespannten Verhältnisses zwischen FINMA und CS Druck auf die Bank auszuüben. 1¹72
Ähnlich positiv wertete auch der CS-Verwaltungsratspräsident den Effekt der informellen Treffen. Er empfand die Treffen als hilfreiche, adäquate Ergänzung zu den formalisierten Treffen, die mit der FINMA stattfanden. Die Non-Meetings seien ein Rahmen gewesen, in dem sich beide Seiten offener und transparenter über die zu treffenden Massnahmen austauschen konnten, als das ansonsten möglich gewesen wäre. 1¹73
Nach dem Amtsantritt von Bundesrätin Karin Keller-Sutter im EFD fanden keine weiteren Non-Meetings statt. 1¹74 Zwar gab es im Januar 2023 Bestrebungen des damaligen SNB-Präsidenten, diese Art der informellen Treffen weiterzuführen 1¹75 , die neue EFD-Vorsteherin verzichtete in Berücksichtigung der im Memorandum of Understanding vorgesehenen Regelstrukturen jedoch darauf. 1¹76
1¹37 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 7
1¹38 Schriftliche Antworten an die PUK vom 19.2.2024, S. 2; «M&A Considerations», Arbeitspapier der CS vom November 2022.
1¹39 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 38; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 7.
114⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 38
114¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2022, S. 37 f.; Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.6.2024, S. 11 f.
1¹42 Dabei handelte es sich gemäss der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA und dem damaligen Präsidenten der SNB um den damaligen Direktor der FINMA, den damaligen Vizepräsidenten der SNB und die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen.
1¹43 Am 16. und 23. Oktober sowie am 30. Dezember 2022
1¹44 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023; Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.6.2024, S. 11 f.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 7.
1¹45 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 31 f., S. 39
1¹46 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 37 f.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 29 ff.
1¹47 Laut dem ehemaligen EFD-Vorsteher fanden sie wöchentlich, jeweils am Sonntagabend am Sitz der SNB in Zürich statt. Andere Involvierte sprachen hingegen von einem lockereren Rhythmus.
1¹48 Da keine offizielle Protokollierung erfolgte und die Sitzungsteilnehmerinnen und - teilnehmer keine Notizen angefertigt hatten oder nicht mehr über ihre eigenen Notizen verfügten, beruhen diese Informationen auf Handnotizen aus Debriefings und Aussagen, welche die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegenüber der PUK gemacht haben.
1¹49 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 37
115⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 43
115¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024
1¹52 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 19; Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 81.
1¹53 Die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin bezog mehrere ihrer Mitarbeiter in die Planung und Nachbesprechung des Treffens ein. So veranlasste sie die schriftliche Zustellung der FINMA-Forderungen an die CS am Vorabend des Treffens und führte im Anschluss an das Treffen ein mündliches Debriefing durch. Quellen: E-Mail der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA an den damaligen Direktor der FINMA und den Leiter Geschäftsbereich Banken der FINMA vom 28.12.2022, 12.30 Uhr; E-Mail der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA an den damaligen Direktor der FINMA und den Leiter Geschäftsbereich Banken der FINMA vom 28.12.2022, 16.49 Uhr; Mail der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA an den damaligen Direktor der FINMA und den Leiter Geschäftsbereich Banken der FINMA vom 29.12.2022, 20.02 Uhr.
1¹54 Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2023, S. 11, Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 39
1¹55 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.1.2024, S. 4
1¹56 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 38 ff.
1¹57 Protokoll der LG-Sitzung vom 25.11.2022, S. 2; Protokoll der LG-Sitzung vom 9.12.2022, S. 2.
1¹58 Protokoll der LG-Sitzung vom 9.12.2022, S. 2
1¹59 Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
116⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 49; Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
116¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 10
1¹62 Protokoll der LG-Sitzung vom 9.12.2022, S. 2
1¹63 Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 30 f.
1¹64 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 37 f.
1¹65 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 16; Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 37; Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 24.
1¹66 Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.6.2024, S. 9 ff.; Im Rahmen der Verwaltungskonsultation bezeichnete die FINMA die Treffen mit der UBS als «hoch problematisch». Quelle: Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
1¹67 Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 63 f.
1¹68 Transkription der AF-Sitzung vom 5.12.2022, S. 4 f., S. 12
1¹69 Schriftliche Antworten an die PUK vom 4.2.2024, S. 6
117⁰ Schriftliche Antworten an die PUK vom 19.2.2024, S. 3
117¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 17
1¹72 Sitzungsprotokoll der PUK vom 22.5.2024, S. 26
1¹73 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 21 ff.
1¹74 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 18 f.
1¹75 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 19
1¹76 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 80; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 8; Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 16.
6.3.4 Krisenvorbereitung im Bundesrat und in den verschiedenen Koordinationsgremien infolge der Akzentuierung der Schwierigkeiten der CS ab Ende Oktober 2022
Am 26. Oktober 2022, einen Tag bevor die CS ihre neue Strategie präsentierte, informierte der Vorsteher des EFD den Bundesrat ein zweites Mal mündlich über die Lage der CS. Er verwies auf die bevorstehende Restrukturierung und führte aus, dass die Bank in der Lage sein sollte, ihre Probleme alleine zu lösen. 1¹77
Die Lage der CS war auch Thema des strategischen Dialogs zwischen dem EFD und der FINMA vom 31. Oktober 2022. Das damalige makroökonomische Umfeld wurde von der FINMA als schwierig eingeschätzt. Dies wirke sich negativ auf die Risiken am Finanzmarkt aus. 1¹78 Da die FINMA aufgrund der erwarteten Downgradings der CS durch Moody’s und S&P einen weiteren massiven Liquiditätsabfluss für möglich hielt, entschied der damalige Vorsteher des EFD, den Gesamtbundesrat am Mittwoch, 2. November, anlässlich des jährlich stattfindenden Gesprächs zwischen dem Bundesrat und der SNB zu informieren. 1¹79
Treffen von EFD, SNB, FINMA und AF
Am Morgen des 1. Novembers 2022 fand eine Sitzung des Lenkungsgremiums statt. 118⁰ Thema war das bevorstehende Downgrading der CS. 118¹ Die Vertretung der FINMA meldete eine bedrohliche Liquiditätssituation der CS, einen Liquiditätsengpass und einen möglichen Zahlungsstopp, ein Ring Fencing in den USA und einen bevorstehenden Antrag der CS auf ELA bei der SNB. 1¹82 An diesem Treffen bestand offenbar zum ersten Mal Klarheit darüber, dass der PLB per Notrecht eingeführt werden soll. Zu diesem Zeitpunkt hatte das SIF die notwendigen Papiere für einen Bundesratsantrag zur Einführung per Notrecht grösstenteils vorbereitet. 1¹83
Im Anschluss an dieses Treffen telefonierten der damalige Vorsteher des EFD und der Präsident der SNB mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS und forderten diesen auf, sich sofort auf einen Verkauf oder eine Fusion, insbesondere mit der UBS, vorzubereiten. Der Verwaltungsratspräsident der CS habe zugesagt, die Arbeiten rasch an die Hand zu nehmen. 1¹84
Am Nachmittag desselben Tages fand eine Sitzung des AF statt, an welcher sich die Mitglieder im Hinblick auf die Vorbereitung der Unterlagen zum PLB austauschten. Es wurde auch das Szenario eines Verkaufs der CS erörtert. In diesem Zusammenhang gaben Vertreter der FINMA zu verstehen, dass die Fed negative Signale zur Möglichkeit der Übernahme der CS durch eine US-amerikanische Bank gesendet habe. 1¹85 Die Anwesenden wiesen ausserdem auf den zeitlichen Horizont hin: Kurzfristig bestanden nicht viele Lösungsoptionen. Stünde mehr Zeit zur Verfügung, könnten weitere - auch ausländische - Optionen geprüft werden. Die Teilnehmenden diskutierten über eine allfällige Übernahme der CS durch die UBS. Ein Vertreter der SNB äusserte sich dahingehend, dass nur die UBS als Käuferin infrage komme. In diesem Zusammenhang wurde auch eingebracht, dass gegebenenfalls regulatorische Bedingungen oder Ausnahmen zu schaffen seien, damit die UBS diese Übernahme in den kommenden Monaten und Jahren tragen könne. Es war von einer «Lex UBS» die Rede. Diesbezüglich lag die Hauptzuständigkeit beim SIF. Aus dem Sitzungsprotokoll geht hervor, dass der Verwaltung noch kein entsprechender Auftrag erteilt wurde.
Zudem informierte die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen die Ausschussmitglieder darüber, dass der Vorsteher des EFD eine noch nicht öffentlich angekündigte Reise nach Singapur abgesagt und gleichentags ein Gespräch mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS geführt habe. Dieser habe sich erleichtert über die Ankündigung gezeigt, dass im Hintergrund für den Notfall ein PLB vorbereitet werde. Die CS habe laut der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen den Auftrag erhalten, sich mit dem Verkaufsszenario auseinanderzusetzen, damit man sich bei einem weiteren Treffen des Vorstehers des EFD und des Präsidenten der SNB mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS am 4. November darüber unterhalten könne. Der FINMA wurde in Aussicht gestellt, dass sie bei diesem Treffen auch involviert würde, was dann jedoch nicht der Fall war. 1¹86
An dieser Sitzung besprach der AF auch, ob die WEKO beigezogen werden sollte. Der AF entschied sich dagegen, da eine noch zu grosse Unsicherheit über die Auswirkungen der verschiedenen Szenarien auf den Schweizer Markt bestand. 1¹87
Anfang November 2022 fand eine Valuation-in-Resolution -Übung statt (siehe Kasten 12 in Kap. 6.3.4.2)
6.3.4.1 Erste vertiefte Diskussion des Bundesrates zur CS-Krise Anfang November 2022
Am jährlichen Austausch zwischen dem Bundesrat und der Nationalbank am 2. November 2022 1¹88 orientierten der damalige Vorsteher des EFD und der Präsident der SNB mündlich über die Situation der CS. Sie führten aus, dass sich die Situation der CS rasch verschlechtert habe. Als mögliche Massnahme schlugen sie die Einführung des PLB per Notrecht in den kommenden zwei Tagen vor. Der SNB-Präsident und der EFD-Vorsteher wiesen auf die Risiken einer PLB-Einführung für die Schweiz und den internationalen Finanzmarkt hin: Ein solcher Entscheid könnte dahingehend gedeutet werden, dass sich die CS in einer sehr kritischen Situation befinde, und er könnte in den USA einen Zahlungsstopp auslösen, wodurch sich das Konkursrisiko der CS weiter erhöhen könnte. 1¹89
An der ordentlichen Bundesratssitzung, die auf den jährlichen Austausch zwischen dem Bundesrat und der SNB folgte, zeigten sich die Bundesratsmitglieder überrascht über die vorgängig erhaltenen Informationen über die ausserordentlich kritische Lage der CS. Diese wichen nämlich deutlich von der bisherigen Orientierung durch den damaligen EFD-Vorsteher ab. 119⁰ In der Folge fand im Bundesrat eine vertiefte Diskussion über die mögliche Einführung eines Notfallmechanismus zur Liquiditätssicherung statt. Das Szenario «Übernahme durch eine andere Bank», konkret durch die UBS, wurde an diesem 2. November 2022 im Bundesrat thematisiert. 119¹
Gemäss dem damaligen Bundeskanzler wurde die CS-Krise am 2. November 2022 seitens EFD, SNB und FINMA in einer aussergewöhnlichen und für den Bundesrat seines Erachtens überraschenden Deutlichkeit als Problem des Bundes, insbesondere des Bundesrates, thematisiert. Von diesem Zeitpunkt an wurden gemäss seinen Aussagen von den anderen Bundesratsmitgliedern kritische Fragen an die Adresse des EFD, der SNB und der FINMA gestellt. Es sei im Bundesrat auf die Notwendigkeit von Sitzungen des bundesrätlichen Finanzausschusses aufmerksam gemacht worden, und das EFD sei aufgefordert worden, den Bundesrat laufend zu dokumentieren. 1¹92 Laut eigener Aussage habe ein Mitglied des Bundesrates eine Aufstellung zu den Kompetenzen der SNB und der FINMA, zu den Interventionsmechanismen in der Krise und Informationen zur realen Situation der CS mit einer Einschätzung der FINMA verlangt. 1¹93 Entsprechende Unterlagen wurden gemäss Kenntnisstand der PUK vom EFD weder in Auftrag gegeben noch geliefert.
In Reaktion auf die Ausführungen des SNB-Präsidenten und des damaligen EFD-Vorstehers erteilte der Gesamtbundesrat dem EFD den Auftrag, bis am Abend des 2. Novembers 2022 einen Antrag und die notwendigen schriftlichen Unterlagen für eine ausserordentliche Sitzung am 4. November 2022 zu erstellen. 1¹94 Der Antrag sollte Informationen zur Lage der CS, die Handlungsoptionen sowie die für die Einführung eines PLB erforderlichen Verordnungsentwürfe und Erläuterungen dazu umfassen. Die Bundeskanzlei wurde zudem damit beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem EFD ein Kommunikationskonzept zu erarbeiten (siehe Kap. 6.4.4). 1¹95
Der Entscheid des Bundesrates vom 2. November 2022 sorgte für Überraschung bei der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen. Ziel des LG und des SIF sei es gewesen, den Gesamtbundesrat gemäss dem Memorandum of Understanding zur tripartiten Zusammenarbeit zu informieren, dass «ausserordentliche Massnahmen der Behörden wahrscheinlich» geworden seien, und ihm zur Kenntnis zu bringen, dass die Inkraftsetzung eines PLB wahrscheinlich in naher Zukunft nötig sein könne. Eine unmittelbare Einführung in der gleichen Woche sei im LG am 1. November 2022 nicht diskutiert worden und angesichts der damaligen Lage der CS nicht vorgesehen gewesen. 1¹96
Im Anschluss an die Bundesratssitzung vom 2. November 2022 nahm der für die Bundesratsgeschäfte zuständige Vizekanzler mit dem Generalsekretär des EFD Kontakt auf, um die schriftlichen Unterlagen für das Mitberichtsverfahren im Hinblick auf die geplante Sitzung vom 4. November einzuverlangen. Nach eigener Aussage realisierte der damalige Vizekanzler dabei, dass der EFD-Generalsekretär zu diesem Zeitpunkt über den Inhalt des CS-Dossiers nicht orientiert war. 1¹97 An seiner Anhörung sagte der ehemalige Generalsekretär des EFD aus, dass das CS-Dossier effektiv in der Federführung des SIF gelegen habe und er demnach nur am Rande involviert gewesen sei. 1¹98
Rücksprache des SIF mit der CS nach der Bundesratssitzung und der Lenkungsgremiumssitzung vom 2. November 2022
Im Anschluss an die Sitzung des Bundesrates vom 2. November fand am Nachmittag eine Telefonkonferenz des LG statt. Der Vorsteher des EFD berichtete aus der Bundesratssitzung. Die FINMA informierte, dass die CS aufgrund der geringen Liquidität am Vortag einen ELA-Antrag angekündigt, diesen dann aber nicht gestellt habe. 1¹99 Grund dafür war, dass die CS die Öffentlichkeit über den Bezug von ELA hätte informieren müssen, was ein Risiko dargestellt hätte. Die Bank wollte immer das Signal geben, sie sei solide. 120⁰ Die Mitglieder des Gremiums besprachen das weitere Vorgehen und den Entscheidungsprozess zur Einführung eines PLB. Im Hinblick auf die Vorbereitung des Bundesratsantrages wurden in dieser Telefonkonferenz verschiedene Varianten und deren Vor- und Nachteile diskutiert. 12⁰1
Die anwesenden Mitglieder des LG gelangten zum Schluss, dass ein Entscheid zur Schaffung des PLB ohne Aktivierung , also ohne Kreditvergabe an die CS, durch den Bundesrat am 4. November im Prinzip möglich wäre. 12⁰2 Gleichzeitig bestand in diesem Gremium auch die Einschätzung, dass eine notrechtliche Bereitstellung des PLB, also eine Risikogarantie des Bundes an die SNB über einen bestimmten Betrag, zu riskant wäre. Eine Aktivierung des PLB in diesem Sinne sollte erst nach einem ELA-Bezug durch die CS erfolgen. Nach dem ELA-Bezug werde man fünf bis sieben Tage Zeit haben, um eine notrechtliche Einführung des PLB umzusetzen. 12⁰3 Es wurde beschlossen, dass das EFD das diesbezügliche Vorgehen nochmals analysieren und das LG über die Ergebnisse dieser Analyse informieren soll. Für den 3. November 2022 wurde eine Telefonkonferenz vereinbart. 12⁰4 Das EFD bereitete einen Bundesratsantrag zur Schaffung der gesetzlichen Grundlage für einen PLB ohne Aktivierung vor. Es war bereits mit den Übersetzungen und der Eröffnung des Mitberichtsverfahrens beschäftigt, als die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen vom Departementsvorsteher damit beauftragt wurde, mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS Kontakt aufzunehmen. Dieser habe sich gegen einen Grundsatzentscheid des Bundesrates in der geplanten ausserordentlichen Sitzung ausgesprochen, da er befürchtete, dass ein Entscheid des Bundesrates direkt mit der Situation der CS in Verbindung gebracht worden wäre. Die Staatssekretärin habe diese Information ihrem Vorgesetzten weitergegeben. 12⁰5
Absage der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 4. November 2022
Die für den 4. November 2022 geplante ausserordentliche Bundesratssitzung wurde schliesslich am Abend des 2. Novembers aufgrund eines entsprechenden Entscheids des federführenden EFD-Vorstehers abgesagt. In einem E-Mail vom 2. November um 18.41 Uhr informierte die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen die involvierten Vertreter der SNB und der FINMA 12⁰6 hierüber. Als Begründung führte sie an, der CS-Verwaltungsratspräsident habe «ausdrücklich einen vorsorglichen Grundsatzentscheid des Bundesrates zu einem PLB am Freitag als kontraproduktiv und verfrüht bezeichnet». Die Entscheidung sei getroffen worden, nachdem die Staatsekretärin des SIF die Frage mit dem Departementsvorsteher, der Direktorin der EFV und dem Direktor der FINMA besprochen habe. 12⁰7
Nach Angaben des damaligen Bundespräsidenten habe er mit dem Bundeskanzler am 2. November ein Telefongespräch geführt, in welchem der Kanzler ihm mitgeteilt habe, dass die verlangten schriftlichen Unterlagen für die Sitzung vom 4. November nicht bereitgestellt werden könnten. Das EFD wolle die Unterlagen aufgrund des Risikos eines Lecks nicht verteilen. Gegen 21.30 Uhr habe der Bundespräsident dann mit dem EFD-Vorsteher telefoniert. Dieser habe dem Bundespräsidenten mitgeteilt, dass eine Sitzung nicht mehr notwendig sei, da sich die Situation bei der CS ein wenig beruhigt habe und man nun jegliche Unruhe vermeiden müsse. 12⁰8 Der Vorsteher des EFD stellte in Aussicht, an der ordentlichen Sitzung vom 9. November umfassend zu informieren. Daraufhin habe der Bundespräsident den Bundeskanzler informiert, der anschliessend die Absage der Sitzung vom 4. November an die Bundesratsmitglieder kommunizieren liess. 12⁰9
Der Gesamtbundesrat wurde über die Absage der Sitzung vom 4. November am Abend des 2. Novembers um 21.51 Uhr über eine Threema-Nachricht des damals zuständigen Vizekanzlers informiert. Begründet wurde die Absage mit dem Umstand, dass sich die Situation beruhigt habe. 121⁰ Gemäss der Aussage von Bundesrat Maurer liess er die Sitzung vom 4. November jedoch absagen, da das LG keinen PLB-Antrag stellen wollte und sich insbesondere die CS gegen einen Entscheid des Bundesrates zum PLB ausgesprochen hatte. Somit habe sich die Sitzung vom 4. November erübrigt. 121¹
Trotz der Absage der Sitzung vom 4. November beschloss die Bundeskanzlei, die bereits begonnenen Vorarbeiten für eine Krisenkommunikation betreffend die PLB-Einführung fortzusetzen, um im Falle einer erneuten Verschlechterung der Lage vorbereitet zu sein. Bereits am 3. November um 9 Uhr fand eine Koordinationssitzung statt, an der neben der Bundeskanzlei die Kommunikationsverantwortlichen der FINMA, der SNB, des SIF und des EFD teilnahmen. 12¹2
1¹88 Das Protokoll der Bundesratssitzung vom 2. November 2022 enthält eine Zusammenfassung des Gesprächs, das der Gesamtbundesrat mit dem Präsidenten der SNB vor der eigentlichen Bundesratssitzung führte. Diese Vorgehensweise war ungewöhnlich, da diese Austausche nicht Bestandteil der Bundesratssitzungen sind und einen informellen Charakter aufweisen. Aufgrund der Wichtigkeit des Austauschs am 2. November 2022 wurde dieser protokolliert. Im März 2023 sei dann ebenso vorgegangen worden. Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024; Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024; Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024.
1¹89 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 7 und Protokoll der Bundesratssitzung vom 2. November 2022
119⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024
119¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 62
1¹92 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2. 2024, S. 65
1¹93 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024
1¹94 Protokoll der Bundesratssitzung vom 2.11.2022, Bundesratsbeschluss vom 2.11.2022.
1¹95 Protokoll der Bundesratssitzung vom 2.11.2022, Bundesratsbeschluss vom 2.11.2022.
1¹96 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024; Sprechnotiz des SIF für den damaligen EFD-Vorsteher vom 2.11.2022.
1¹97 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S.17
1¹98 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 33
1¹99 Protokoll der LG-Sitzung vom 2.11.2022
120⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 23
12⁰1 Protokoll der LG-Sitzung vom 2.11.2022
12⁰2 Protokoll der LG-Sitzung vom 2.11.2022
12⁰3 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024
12⁰4 Protokoll der LG-Sitzung vom 2.11.2022
12⁰5 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2023, S. 26, und vom 24.4.2024, S. 57-58
12⁰6 Der damalige Präsident der SNB, der damalige Vizepräsident der SNB, die Direktorin der EFV, die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA und der damalige Direktor der FINMA (der damalige EFD-Vorsteher erhielt die Nachricht in Kopie)
12⁰7 Email der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen an die Mitglieder des LG vom 2.11.2022
12⁰8 Schriftliche Antworten an die PUK vom 7.5.2024
12⁰9 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 80
121⁰ Threema-Chat des Bundesrates vom 2.11.2022
121¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 26
12¹2 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S. 43
6.3.4.2 Weitere Beratungen im Bundesrat und in den verschiedenen Koordinationsgremien im November
Nach der ersten ausführlicheren Information des Bundesrates tagten v. a. die Verantwortlichen des EFD, der FINMA und der SNB wiederholt in den institutionalisierten Gremien (insbesondere LG, AF und bundesrätlicher Ausschuss Finanzfragen), um sich über die Lage der CS auszutauschen sowie mögliche Massnahmen zu diskutieren und vorzubereiten. Die Situation der CS wurde als auf tiefem Niveau stabil und angespannt beurteilt. Es wurde auch infrage gestellt, ob die CS den Turnaround nach dem angekündigten Strategiewechsel schaffen würde. 12¹3
Weiterführung der Vorbereitungsarbeiten für den PLB
Nach der Absage der für den 4. November geplanten Bundesratssitzung fand die Sitzung des LG am 3. November wie geplant statt. An dieser Telefonkonferenz des LG erklärte der Vorsteher des EFD, dass eine Präferenz bestehe, im Falle der Gefahr einer Destabilisierung der CS dem Bundesrat den PLB in Kombination mit der Aktivierung durch die CS vorzulegen. Dazu brauche es neben dem Bundesratsbeschluss auch einen Entscheid der FinDel. Da sich noch Unklarheiten in Bezug auf die Rollen und Verantwortlichkeiten der einzelnen Behörden zeigten, wurde vereinbart, diese Fragen rasch im AF zu klären und alles vorzubereiten (Dokumente, Drehbuch und Kommunikationskonzept). 12¹4
Am 4. November 2022 wurde im AF erneut über die aktuelle Lage der CS gesprochen. Die Sitzungsteilnehmenden bemängelten, dass die Bank die erforderlichen Zahlen nicht geliefert hatte. Die FINMA kündigte ein Rügeschreiben an die Bank an. Hauptgegenstand der Sitzung war aber die Vorbereitung der Sitzung des LG vom 7. November. In diesem Zusammenhang wurden vor allem die noch offenen Punkte in Bezug auf die Rollen und Zuständigkeiten bei der Vorbereitung eines PLB festgelegt. 12¹5
Am 7. November 2022 gelangte das LG angesichts der weiterhin angespannten, aber nicht verschlechterten Situation zur Ansicht, dass es nicht angezeigt sei, dem Bundesrat die Einführung und gleichzeitige Aktivierung des notrechtlichen PLB vorzuschlagen. Nach der damaligen Einschätzung bestand zu diesem Zeitpunkt keine ausreichende Notrechtslage. Somit waren die Voraussetzungen für eine notrechtliche Einführung des PLB nicht gegeben. Die Teilnehmenden diskutierten auch die Rollen und die Verantwortung der einzelnen Behörden. Die diesbezüglich noch bestehenden Fragen wurden an den AF delegiert. 12¹6
Information des Gesamtbundesrates und des Ausschusses Finanzfragen am 9. November 2022
An der Bundesratssitzung vom 9. November 2022 informierte der Vorsteher des EFD den Bundesrat erneut mündlich über die Lage der CS. Der Gesamtbundesrat wurde darüber orientiert, dass die notrechtliche Einführung des PLB nur dann erfolgen sollte, wenn die Bank tatsächlich sehr rasch Liquidität benötigt, da die Auswirkungen andernfalls kontraproduktiv sein könnten. Die entsprechenden Unterlagen seien vorbereitet. 12¹7 Gemäss dem damaligen Vorsteher des EFD wurde die Meinung betreffend Einführung des PLB vom Kollegium geteilt. 12¹8
Die Bundesratsmitglieder kritisierten an der genannten Sitzung, dass zu diesem Thema zum zweiten Mal eine Diskussion ohne schriftliche Unterlagen geführt wurde und forderten diese ein (siehe Ende dieses Kapitels). Konkret seien schriftliche Informationen zu den Zuständigkeiten der Akteure, zum Vorgehen bei einer Intervention im Krisenfall und eine Einschätzung der Lage der CS notwendig. Das EFD erhielt den Auftrag, das Vorgehen im Fall einer dringlichen Intervention des Bundes zu prüfen. 12¹9
Der Bundesratsausschuss Finanzfragen führte unmittelbar nach der genannten Bundesratssitzung vor dem Hintergrund der Herabstufung der CS durch Ratingagenturen eine Diskussion mit dem Präsidenten der SNB sowie mit der Verwaltungsratspräsidentin und dem Direktor der FINMA. Diese informierten die Ausschussmitglieder über die aktuelle Entwicklung, erläuterten die gesetzlichen Grundlagen für Handlungsoptionen der Behörden sowie die Beziehung zu ausländischen Aufsichtsbehörden und Zentralbanken und deren Rolle und Haltung in diesem Kontext. Auch die Funktionsweise des LG und des AF wurde erläutert. 122⁰
Der Ausschuss führte zusätzlich eine Diskussion über eine mögliche Einführung des PLB. Ein Dokument zur Einführung des PLB innert drei Tagen wurde verteilt («Ablaufschema PLB, solange keine gesetzliche Grundlage besteht»). Dieses Schema skizzierte die Bereitstellung von Entscheidgrundlagen, die Zuständigkeiten für die anstehenden Arbeiten sowie den Einbezug und die Entscheidkompetenzen der betroffenen Behörden (EFD, FINMA, SNB, BK, FinDel) im Falle einer notrechtlichen Einführung des PLB. 122¹
Vor dem Hintergrund, dass Notrecht nur in einer Notsituation angewendet werden soll, wurde die Frage thematisiert, ob der PLB per Notrecht eingeführt werden kann, obwohl der Bundesrat bereits seit November 2022 wusste, dass der PLB eingeführt werden müsste, falls sich die Lage der CS weiter verschlimmern würde. Die Ausschussmitglieder stellten Fragen zu den verschiedenen Szenarien. Ein Ausschussmitglied betonte an dieser Sitzung erneut das Bedürfnis des Gesamtbundesrates nach fundierter Information mittels schriftlicher Unterlagen. Der damalige Vorsteher des EFD sah ein grosses Risiko, dass es zu Indiskretionen über die Lage der CS kommen würde. Ausserdem war offenbar seitens CS eine starke Zurückhaltung bei der Offenlegung von Unterlagen gegenüber dem Bundesrat spürbar. ¹222 An dieser Ausschusssitzung durften weder die Mitarbeitenden der Vorsteherin des UVEK noch jene des Vorstehers des WBF teilnehmen; FINMA, SNB und EFD waren durch mehrere Mitarbeitende vertreten. ¹223 Der Vorsteher des EFD wies an dieser Ausschusssitzung darauf hin, dass es wichtig sei, den Sitzungsinhalt absolut geheim zu halten.
Gemäss Protokolleintrag beschlossen die Mitglieder des Ausschusses, dass der Bundesrat an der nächsten Sitzung vom 16. November 2022 von der Verwaltungsratspräsidentin und dem Direktor der FINMA über den PLB informiert werden soll und dass für den Moment keine zusätzliche schriftliche Information an den Bundesrat erfolgen soll (mit Ausnahme des erwähnten Ablaufschemas zur PLB-Einführung). ¹224 Die für den 16. November anberaumte Ausschusssitzung fand erst am 22. November statt.
Alle Bundesratsmitglieder erhielten das Protokoll der Ausschusssitzung und das oben erwähnte Ablaufschema zur Einführung des PLB.
Weitere Sitzungen im November 2022
Die Teilnehmenden der LG-Sitzung äusserten sich an der Sitzung vom 11. November 2022 positiv zur Sitzung mit dem Bundesratsausschuss Finanzfragen vom vorangegangenen Mittwoch. Die Sitzung sei dem gemeinsamen Verständnis der Situation und des möglichen Vorgehens dienlich gewesen. Zur Situation der CS informierte die FINMA, dass die Lage auf tiefem Niveau stabil sei, aber angespannt bleibe. ¹225
Kurz danach, am 13. November 2022, sprachen der EFD-Vorsteher und der SNB-Präsident im Rahmen eines Non-Meetings mit dem CS-Verwaltungsratspräsidenten über bestehende Zweifel an der Profitabilität der Bank, die geplante Einführung eines PLB im Dezember 2022 und einen möglichen Verkauf der CS an eine andere Bank. ¹226 Aus den der PUK vorliegenden Informationen konnten der konkrete Inhalt und die genauen Positionen der Teilnehmer der Diskussion nicht rekonstruiert werden.
Da sich der Bundespräsident Fragen zur Zusammenarbeit und zum Handeln der SNB und der FINMA stellte, traf er am 14. November 2022 die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA. ¹227 Diese erklärte dem Bundespräsidenten die Einschätzung der FINMA, dass es sich nicht um eine klassische TBTF-Krise handelte, sondern um eine Vertrauenskrise, bei der die Liquidität im Vordergrund stand. Sie ging auf die zur Verfügung stehenden Mechanismen und die Instrumente der FINMA sowie die Ursachen der Vertrauenskrise der CS ein. Dabei identifizierte sie das schlechte Management der Bank als Hauptgrund. In der Folge habe sich der Bundespräsident auch mit dem Präsidenten der SNB getroffen, der ihm die Instrumente und die finanziellen Beträge, die auf dem Spiel standen, erläuterte. Beide hätten dem Bundespräsidenten gesagt, dass eine Prognose zu einem möglichen Zusammenbruch der Bank schwierig zu stellen sei. ¹228
Am 16. November 2022 traf sich die FINMA zum jährlichen Austausch mit dem Bundesrat. Vonseiten FINMA nahmen die Verwaltungsratspräsidentin und der Direktor teil. Dabei waren die Situation der CS und das Vorgehen im Bedarfsfall Gegenstand einer vertieften Diskussion. Auch dieser Austausch wurde (wie bereits der Austausch mit der SNB) im Protokoll des Bundesrates zur nachfolgenden Sitzung festgehalten. ¹229
An der nachfolgenden Bundesratssitzung orientierte der EFD-Vorsteher erneut mündlich über die Situation der CS. Der Austausch mit der FINMA habe gezeigt, dass die Anwendung des PLB per Notrecht nicht ausgeschlossen werden könne. Es wurde darauf hingewiesen, wie delikat die Kommunikation sei und dass diese sorgfältig vorbereitet werden müsse. An dieser Sitzung besprach und verabschiedete der Bundesrat den Bundesratsbeschluss, der vom damaligen Vizekanzler nach der abgesagten Sitzung vom 4. November 2022 verfasst worden war. Darin wurde formell festgehalten, dass der Bundesrat von der Absage Kenntnis genommen hat. Das EFD wurde zudem beauftragt, im Falle einer Verschärfung der Krise rechtzeitig schriftliche Unterlagen zuhanden des Bundesrates zu erarbeiten. Der Bundesratsausschuss Finanzfragen sei in die Arbeiten einzubeziehen. Zudem wurde die BK beauftragt, zusammen mit dem EFD dem Bundesrat ein Kommunikationskonzept zu unterbreiten. 123⁰
Am Abend desselben Tages fand eine Telefonkonferenz des LG statt. Die Teilnehmenden vonseiten EFD und FINMA äusserten sich positiv zur Sitzung mit dem Bundesrat. Ihrer Meinung nach konnten die offenen Fragen beantwortet werden und ein gemeinsames Verständnis «geschärft» werden. Zur aktuellen Lage der CS informierte der Direktor der FINMA die Sitzungsteilnehmenden, dass diese angespannt, aber einigermassen stabil sei. Die FINMA habe die CS in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass die bisherigen Massnahmen der Bank als ungenügend erachtet werden. Die Teilnehmenden des LG diskutierten den Stand der Vorbereitung des PLB und insbesondere die Frage nach der Möglichkeit einer Beschleunigung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens. Über letztere Möglichkeit äusserten sie sich kritisch, insbesondere auch aus der Befürchtung, dass so falsche Signale ausgesendet würden. 123¹
Gemäss einem Mailaustausch vom 17. November 2022 zwischen einem Mitarbeiter des SIF und dem Direktor des Bundesamtes für Justiz liefen parallel zwei «Workstreams»: zum einen die Vorbereitung der Unterlagen für eine PLB-Einführung gemäss ordentlichem Verfahren (nur Schaffung des gesetzlichen Rahmens, keine Aktivierung des PLB) mit Vernehmlassung zwischen März und Mai 2023; zum anderen die Vorbereitung eines «Notrechtpakets» mit der Schaffung des PLB-Instruments und dessen sofortiger Aktivierung zugunsten der CS (innert weniger Tage, sofern Bedarf besteht). ¹232
Als nächstes tagte der Bundesratsausschuss Finanzfragen am 22. November 2022 in Anwesenheit des Direktors des BJ (und der Bundeskanzlei) (siehe Kap. 6.3.4.3). Auf ausdrücklichen Wunsch des Vorstehers des EFD wurde an diesem Treffen nur kurz über die Situation der CS informiert. ¹233 Im Zentrum der Sitzung stand die Erörterung der Frage, ob der Bundesrat einen PLB per Notrecht einführen könnte. Der Direktor des BJ gab dazu an der Sitzung Auskunft und erstellte im Anschluss an die Sitzung auch eine geheim klassifizierte Notiz zuhanden des Protokolls.
Das LG hatte am 25. November eine planmässige Telefonkonferenz, an der erneut über die aktuelle Lage der CS informiert wurde: Die Liquidität der Bank sei unverändert kritisch, aber auf tiefem Niveau stabil, und die Lage der CS bleibe äusserst angespannt. Vonseiten der SNB wurden Zweifel geäussert, ob es der Bank gelingen werde, die angekündigte Strategie umzusetzen und den Turnaround zu schaffen. Die FINMA teilte diese Bedenken. Es wurde vereinbart, dass neben der FINMA, die diesbezüglich bereits mit der Bank im Austausch stand, auch die SNB und das EFD mit der CS über mögliche Alternativen sprechen sollten. Dabei wurde seitens FINMA festgehalten, dass der Druck auf die CS hochgehalten werden müsse und sie nicht aus der Verantwortung zur Erarbeitung von Contingency-Massnahmen entlassen werden dürfe. Der Departementsvorsteher informierte aus der Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen, dass die Anwendung von Notrecht zur Einführung des PLB im Prinzip möglich sei und die Vernehmlassung zur Einführung des PLB im ordentlichen Gesetzgebungsprozess in diesem Jahr nicht mehr eröffnet werde. ¹234 Für Anfang Dezember wurde eine weitere Ausschusssitzung anberaumt, die allerdings nicht stattfand. ¹235
Kritik an mangelnder Schriftlichkeit
Die Mitglieder des Bundesrates bemängelten spätestens seit der Sitzung vom 2. November 2022 wiederholt, dass der EFD-Vorsteher keine schriftlichen Unterlagen zu den verschiedenen, ausgesprochen komplexen Fragestellungen vorlegte. ¹236 An der Sitzung vom 9. November insistierten die anderen Bundesratsmitglieder, dass der Bundesrat Unterlagen benötige, um ein so wichtiges Thema zu behandeln. Es seien Informationen zu den Zuständigkeiten der Akteure, zum Vorgehen bei einer Intervention im Krisenfall und eine schriftliche Einschätzung der Lage der CS notwendig. ¹237 Der Bundeskanzler sowie der Bundespräsident hoben gemäss ihren Aussagen gegenüber dem EFD-Vorsteher ab Ende November 2022 die Bedeutung der Schriftlichkeit der Informationen an den Bundesrat ebenfalls hervor. ¹238 Der damalige Bundeskanzler erläuterte laut eigener Aussage dem ehemaligen Vorsteher des EFD im November 2022 auch mündlich, dass das Risiko eines Leaks gemäss Würdigung der GPK kein Grund sei, den Bundesrat nicht zu informieren. ¹239
| Kasten 12 : Valuation-in-Resolution-Übung im November 2022 Die FINMA ist zuständig dafür, regelmässige Treffen der Crisis Management Group zu organisieren, um zusammen mit den anderen Krisenbehörden die Recovery- und Resolution-Planung einer global systemrelevanten Bank und ihre dafür nötigen technischen Fähigkeiten zu beurteilen. Im Hinblick auf den regulären November-Workshop der jeweiligen CMG der CS und der UBS wurden im Mai 2022 Übungen zur Valuation - in - Resolution (ViR) für beide Grossbanken geplant. 124⁰ Anfang November 2022 stuften die Ratingagenturen die Ratings der CS herab (siehe Kap. 6.1.2). Diese erneute Herabstufung barg das Risiko von zusätzlichen Liquiditätsabflüssen. Um sicherzustellen, dass die benötigten Finanzdaten rechtzeitig verfügbar waren, falls sich dieses Risiko materialisieren sollte, beschloss die FINMA, eine ViR-Übung mit Echtzeitdaten durchzuführen. Die für die CS geplante ViR-Übung wurde entsprechend angepasst: Es handelte sich nicht mehr um eine Übung, wie sie regelmässig stattfand, sondern um eine Simulation mit realen Zahlen. Ziel dieser Übung war es, den für die Sanierung zuständigen Behörden konkrete und aktuelle Zahlen zu den Auswirkungen eines Sanierungsplans auf die Bilanz und die Erfolgsrechnung der Bank zu liefern. Diese Zahlen sollten eine Beurteilung erlauben, ob und inwiefern eine Sanierung der Gruppe möglich ist und ob die Rekapitalisierung mittels Bail-in genügend Kapazität mitbringt, um auch künftige Verluste zu absorbieren. 124¹ Ablauf einer Valuation-in-Resolution-ÜbungLaut dem Leiter des Geschäftsbereichs Banken der FINMA wurden die Vor- und Nachteile einer solchen Übung abgewogen, da die grosse Gefahr einer Indiskretion bestand. Eine solche hätte zu einer weiteren Destabilisierung der Bank an den Märkten führen können. Die Behörden kamen jedoch zum Schluss, dass eine ViR-Übung unbedingt notwendig war, um eine allfällige Umsetzung des Sanierungsplans vorzubereiten und sicherzustellen, dass ihnen die erforderlichen Daten innert nützlicher Frist zur Verfügung stehen. ¹242 Diese Echtzeitübung, die erste dieser Art für eine G-SIB, ¹243 fand Anfang November 2022 statt. Sie brachte zahlreiche Behörden in der CMG zusammen, namentlich die FINMA, die SNB, die Bank of England (BoE), die PRA, die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), die Fed sowie die temporären CMG-Mitglieder SEC und New York State Department of Financial Services . ¹244 Insgesamt waren mehr als 70 Personen beteiligt. ¹245 Auch die CS wirkte mit. Sie erstellte insbesondere eine Ad-hoc-Bilanz für die Gruppe und die wichtigsten Gruppengesellschaften und simulierte eine Sanierung. ¹246 In der Tat musste die Credit Suisse Gruppe in einer Krise die notwendigen Bewertungen vornehmen sowie den Liquiditäts- und Kapitalbedarf fortlaufend berechnen und der FINMA mitteilen können. Damit der Entscheid über eine allfällige Insolvenzgefahr und das konkret geplante Vorgehen in Bezug auf eine (Teil-)Liquidation gefällt und die Kosten einer (Teil-)Liquidation ermittelt werden können, muss die betroffene Bank innert kurzer Frist eine Zwischenbilanz erstellen und eine Bewertung vornehmen. ¹247 Die Ergebnisse der Übung wurden an einem Workshop diskutiert, der am Wochenende vom 5. November 2022 stattfand und an welchem die Bank und die Behörden teilnahmen. Die Übung wurde eine Woche später, am 11. November 2022, wiederholt. ¹248 Die Geschäftsleitung der CS habe es gemäss den der PUK vorliegenden Informationen nicht gerne gesehen, dass die FINMA diese Übung durchführte. Der Präsident des Verwaltungsrates habe sich am Non-Meeting vom 4. Dezember 2022 beklagt, die ViR-Übung habe für Verwirrung bei den ausländischen Behörden gesorgt. ¹249 Bei der UBS wurde, wie geplant, eine ordentliche ViR-Übung durchgeführt. Der ViR-Workshop mit den CMG-Mitgliedern und die Präsentation der Resultate (ohne Echtzeitdaten) seitens der UBS fanden am 29. November 2022 statt.Ergebnisse der Valuation-in-Resolution-ÜbungDie ViR-Übung gab Aufschluss über die Bail-in-Kapazität der CS und zeigte, dass die CS die Anforderungen der FINMA zur ViR erfüllte 125⁰ und dass die Bank die notwendigen Zahlen rechtzeitig und ohne grosse Qualitätsprobleme liefern konnte. 125¹ Die Resultate dieser Übung wurden anschliessend an den Sitzungen des AF vom 14. und 21. November 2022 diskutiert. Besprochen wurden insbesondere die Fristen für die Umsetzung des Szenarios, das eine Sanierung der Bank vorsah. ¹252 Der Leiter des Geschäftsbereichs Recovery und Resolution der FINMA orientierte den AF, dass die finale Erstellung der Bereitschaft zur Einleitung einer Sanierung sieben bis zehn Tage benötige. Diese Zeit - «Runway Period» genannt - ist für die konkrete und situationsspezifische Vorbereitung der Abwicklung nötig. Die Runway Period wird dann initiiert, wenn die Behörden zum Schluss kommen, dass der PONV mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mehr abwendbar ist. Sie beinhaltet die Vorbereitungsarbeiten, die nur sehr kurz vor einer Intervention am PONV (z. B. Abwicklung bzw. Resolution) erfolgen können. ¹253 Laut FINMA war die ViR-Übung ein Schlüsselfaktor bei den internationalen Anerkennungsverfahren ¹254 und zeigte, dass die Koordination zwischen den einzelnen Behörden gut funktionierte. ¹255 Die Übung wurde auch im Verwaltungsrat der FINMA thematisiert. Nach einer relativ kurzen Orientierung am 10. November 2022 ¹256 wurde am 12. und 18. Januar 2023 ausführlicher informiert. Ziel war es, einen potenziellen Beschluss grosser Tragweite vorzubereiten, d. h. eine Sanierungsverfügung für die CS oder, falls eine Sanierung keine Aussicht auf Erfolg hätte, die Verfügung des Konkurses (siehe Kap. 6.4.1). ¹257 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Durchführung der ViR-Übung im November 2022 laut mehreren von der PUK angehörten Personen ein notwendiger Schritt bei den Vorbereitungsarbeiten für das Szenario der Sanierung der Bank war. ¹258 |
12¹3 Protokoll der LG-Sitzung vom 11.11.2022; Transkription der AF-Sitzung vom 25.11.2022.
12¹4 Protokoll der LG-Sitzung vom 3.11.2022
12¹5 Transkription der AF-Sitzung vom 4.11.2022
12¹6 Protokoll der LG-Sitzung vom 7.11.2022
12¹7 Protokoll der Bundesratssitzung vom 9.11.2022
12¹8 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023
12¹9 Protokoll der Bundesratssitzung vom 9.11.2022
122⁰ Protokoll des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 9.11.2022
122¹ Protokoll des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 9.11.2022
¹222 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024
¹223 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024
¹224 Protokoll des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 9.11.2022
¹225 Protokoll der LG-Sitzung vom 11.11.2022
¹226 Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024, S. 6
¹227 Schriftliche Antworten an die PUK vom 7.5.2023; Chronologie der FINMA vom 19.9.2023.
¹228 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024
¹229 Protokoll der Bundesratssitzung vom 16.11.2022
123⁰ Protokoll der Bundesratssitzung vom 16.11.2022; Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024.
123¹ Protokoll der LG-Sitzung vom 16.11.2022
¹232 E-Mail des SIF an den Direktor des BJ vom 17.11.2022
¹233 Die Information beinhaltete eine summarische Darstellung der Liquiditätssituation und der Entwicklung der Restrukturierung der Bank seitens SIF (Situation auf niedrigem Niveau (Liq) stabil); E-Mail der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen an den damaligen Vizepräsidenten der SNB und die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA vom 22.11.2022, 8.10 Uhr.
¹234 Protokoll der LG-Sitzung vom 25.11.2022
¹235 Protokoll des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 22.11.2022
¹236 Protokoll der Bundesratssitzung vom 2.11.2022; Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 54.
¹237 Protokoll der Bundesratssitzung vom 9.11.2022
¹238 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 54, 56 und 58 f.
¹239 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024
124⁰ Schreiben der FINMA vom 14.6.2024 an die PUK
124¹ Schreiben der FINMA vom 14.6.2024 an die PUK; FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 35, 77 und 85.
¹242 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 74
¹243 Schreiben der FINMA vom 14.6.2024 an die PUK; Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 9.
¹244 Schreiben der FINMA vom 14.6.2024 an die PUK; Notizen der CMG-Sitzung «Technical Workshop ViR» vom 5.11.2022.
¹245 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 35 und 77; Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 58/59; Notizen der CMG-Sitzung «Technical Workshop ViR» vom 5.11.2022. Der Verwaltungsrat der FINMA spricht von über 150 involvierten Personen aufseiten der Bank und 100 Personen von ausländischen Regulierungsbehörden; siehe Protokoll des Verwaltungsrates der FINMA vom 10.11.2022.
¹246 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 77; Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 74.
¹247 Entwurf der Sanierungsverfügung der FINMA vom 9.12.2022
¹248 Transkription der AF-Sitzung vom 14.11.2022, S. 3; Notizen der CMG-Sitzung vom 1.11.2022; Notizen der CMG-Sitzung «Technical Workshop ViR» vom 5.11.2022; Entwurf der Sanierungsverfügung der FINMA vom 9.12.2022.
¹249 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 9; Schriftliche Antworten vom 22.1.2024 an die PUK.
125⁰ Schreiben der FINMA vom 14.6.2024 an die PUK
125¹ Notizen der CMG-Sitzung «Technical Workshop ViR» vom 5.11.2022. Siehe auch schriftliche Antworten vom 9.4.2024 an die PUK; FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 77.
¹252 Die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen sagte indes vor der PUK aus, keine Kenntnis von dieser Übung gehabt zu haben (Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 76/77).
¹253 Transkription der AF-Sitzung vom 14.11.2022, S. 3-6; Transkription der AF-Sitzung vom 21.11.2022, S. 4-6. Zu diesen Vorbereitungsarbeiten gehören insbesondere eine ressourcenintensive und daher nicht kontinuierlich stattfindende ViR mit einem Zeithorizont von T+5. Diese dient der bestmöglichen Bewertung der Bilanz der Bank nach den Behördenmassnahmen. Ausserdem müssen die Governance-Massnahmen (z. B. die Rekrutierung des Verwaltungsratspräsidenten) und die internationale Koordination finalisiert werden. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Runway Period ca. 14 Tage dauern muss. Diese Annahme wurde von der FINMA ab Oktober 2022 verworfen, da sich in einer Liquiditätskrise die Ereignisse schnell entwickeln. Sie hat im Zeitraum zwischen Oktober 2022 und März 2023 mehrmals auf konkrete Stichdaten hin die Sanierungsdokumente erarbeitet. Somit konnte sie am Schluss die effektive Runway Period auf 4 Tage verkürzen (Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation).
¹254 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 77.
¹255 Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 24
¹256 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 10.11.2022
¹257 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 12.1.2023 und 18.1.2023
¹258 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 9; Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 24, S. 30 und S. 77.
6.3.4.3 Exkurs: Abklärungen zur Einführung eines PLB mittels Notrecht unter Einbezug des Bundesamtes für Justiz
Ausgangslage
Der Bundesrat hatte - wie in Kapitel 5.2.6.2 ausgeführt - am 11. März 2022 Eckwerte eines PLB beschlossen und das EFD bis Mitte 2023 mit der Erarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage beauftragt. Zweck des PLB, wie ihn der Bundesrat im Frühling 2022 umzusetzen gedachte, war die rasche und subsidiäre Versorgung einer in der Schweiz domizilierten SIB im Sanierungsfall.
Aufgrund der kritischen Situation der CS ab Herbst 2022 waren die Behörden jedoch gezwungen, über die kurzfristige notrechtliche Einführung eines PLB (bzw. der Rechtsgrundlage für einen PLB) zu beraten. Dabei standen zwei Optionen zur Diskussion (siehe Kap. 6.3.3.1): die notrechtliche Einführung einer Rechtsgrundlage für einen PLB ohne sofortige Kreditvergabe an die CS oder, falls es die Situation erfordern sollte, der Erlass einer Notrechtsgrundlage für einen PLB mit gleichzeitiger Zurverfügungstellung der Liquidität. Im Folgenden werden die unter Einbezug des BJ im November 2022 getätigten Abklärungen der Behörden zur notrechtlichen Einführung eines PLB dargestellt.
Arbeiten zum PLB im Anschluss an den Bundesratsbeschluss zu den Eckwerten im Frühjahr 2022
Das BJ war auf technischer Ebene (Fachbereich Rechtsetzungsbegleitung II) seit dem 10. Oktober 2022 in die Arbeiten an einem Entwurf einer Notrechtsverordnung zur Einführung eines PLB involviert. Dabei bearbeitete das BJ insbesondere die Frage der Zulässigkeit des Konkursprivilegs der SNB im Falle von ELA+, ¹259 die Frage der Zulässigkeit einer Strafbestimmung für allfällige Verletzungen von Pflichten aus der Notverordnung und die Frage des Ausschlusses des im Öffentlichkeitsgesetz vorgesehenen Zugangs zu Informationen. 126⁰
Die hauptverantwortlichen Behörden EFD (EFV und SIF), SNB und FINMA führten ihre Arbeiten zur notrechtlichen Einführung eines PLB im Herbst 2022 weiter (siehe Kap. 6.3.3 und 6.3.4.1). Die SNB erarbeitete in Zusammenarbeit mit der EFV die nötigen Verträge zur Ausschüttung der PLB-Liquidität, 126¹ und das EFD bereitete in Zusammenarbeit mit den anderen Behörden (FINMA, SNB) ein Drehbuch zur Aktivierung eines PLB sowie Frage- und Antwortkataloge im Hinblick auf die öffentliche Kommunikation vor. ¹262 Der Bundesrat diskutierte mit Verweis auf eine entsprechende Empfehlung der GPK in deren Bericht vom 30. Mai 2010 zur Rettung der UBS ¹263 mehrmals die Notwendigkeit bzw. den Zeitpunkt des Einbezugs der FinDel bezüglich der Einführung eines PLB noch im Herbst 2022. ¹264
Ab Anfang November waren im EFD die rechtlichen Grundlagen und Dokumente für die Einführung eines PLB per Notrecht im Bedarfsfall weitgehend bereit und rasch umsetzbar (siehe Kap. 6.3.3 und 6.3.4.1). Ein PLB per Notrecht war somit vorbereitet. ¹265
Einbezug des Direktors des BJ zur Frage der Anwendung von Notrecht
Der Direktor des BJ wurde an die ausserordentliche Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 22. November 2022 eingeladen, um dem Ausschuss die Voraussetzungen für die Anwendung von Notrecht darzulegen und eine Einschätzung dazu abzugeben, ob diese Voraussetzungen erfüllt waren.
| Kasten 13 : Notrechtsvoraussetzungen Damit der Bundesrat eine sogenannte Notrechtsverordnung nach Artikel 184 Absatz 3 oder nach Artikel 185 Absatz 3 BV erlassen kann, müssen vier kumulative Voraussetzungen erfüllt sein: 1. die Gefährdung eines relevanten Schutzgutes (öffentliche Ordnung, innere oder äussere Sicherheit oder die Interessen des Landes), 2. eine sachliche Dringlichkeit (das zu schützende Schutzgut ist unmittelbar und auf schwerwiegende Weise bedroht oder wird bereits schwer beeinträchtigt), 3. eine zeitliche Dringlichkeit (der Bundesrat darf nur dann eine Notrechtsverordnung erlassen, wenn weder eine formell-gesetzliche Grundlage besteht noch die Zeit reicht, eine solche Grundlage im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zu schaffen) ¹266 und 4. die Subsidiarität (es ist nicht möglich, geeignetere Massnahmen zu ergreifen). Wenn durch das Notverordnungsrecht des Bundesrates Grundrechte eingeschränkt werden, sind die Voraussetzungen von Artikel 36 Absätze 2-4 BV einzuhalten. Eine solche Massnahme muss also insbesondere durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein. |
Der Direktor des BJ stellte bei der Vorbereitung auf diese Sitzung fest, dass sich das mit der Einführung eines PLB verfolgte Ziel seit dem Entscheid des Bundesrates vom 11. März 2022, eine Vernehmlassungsvorlage zur Schaffung eines PLB erarbeiten zu lassen, ausgeweitet hatte. Während die vom Bundesrat am 11. März 2022 beschlossenen Eckwerte die Einführung eines PLB im Falle einer Sanierung vorsahen, ging es im Herbst 2022 um die Einführung eines PLB zum Zweck der Weiterführung der Geschäftstätigkeit einer systemrelevanten Bank ganz allgemein. ¹267 Gemäss der Auffassung des BJ hätte ein solche Ausweitung des Zwecks des PLB angesichts der geltenden TBTF-Regulierung, die eine faktische, implizite Staatsgarantie zugunsten systemrelevanter Banken möglichst zu beseitigen suchte (vgl. Art. 7 Abs. 2 BankG), möglicherweise die Fokussierung der durch den PLB gewährten Unterstützung auf den systemrelevanten oder den schweizerischen Geschäftsbereich der betroffenen Bank erfordert. Der Direktor des BJ brachte diese Überlegungen bereits im Vorfeld der Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 22. November 2022 gegenüber dem SIF zum Ausdruck. ¹268 Der Direktor BJ regte gegenüber dem SIF an, dass der Bundesratsantrag zur Einführung eines PLB mittels Notrecht unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zumindest eine grobe Kosten-Nutzen-Abschätzung enthalten sollte. ¹269 Insbesondere sei darzulegen, dass die voraussichtlichen volkswirtschaftlichen Kosten des Nichtstuns im Krisenfall die voraussichtlichen volkswirtschaftlichen Kosten des PLB übersteigen, wobei es den Fachämtern obliege, die Vergleichsgrösse einer solchen Abschätzung sinnvoll zu definieren (ungeordneter Konkurs oder Abwicklung nach TBTF). 127⁰
Beratungen zur notrechtlichen Einführung eines PLB an der Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 22. November 2022
An der Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 22. November präsentierte das SIF kurz die Lage der CS und die Entwicklungen seit der öffentlichen Ankündigung der Restrukturierung vom 27. Oktober 2022. Der Direktor des BJ erörterte sodann die Frage, ob das einschlägige Recht dem Bundesrat die notrechtliche Einführung eines PLB erlaubt. Im Anschluss an die Sitzung vom 22. November 2022 erteilte der Vorsteher des EFD dem Direktor des BJ den Auftrag, seine Ausführungen unter Berücksichtigung der an der Sitzung gestellten Fragen der drei Mitglieder des Bundesratsausschusses in einer Notiz zuhanden des Bundesrates zu verschriftlichen. Diese Notiz vom 28. November 2022 wurde dem Bundesrat als Anhang zum Protokoll der Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 22. November 2022 zur Verfügung gestellt (siehe Kap. 6.3.4.2).
Die Mitglieder des Bundesratsausschusses verlangten vom BJ insbesondere die Klärung der Frage, ob die Vorhersehbarkeit der Gefährdung nicht dazu führt, dass die Voraussetzung (für die Anwendung von Notrecht) der zeitlichen Dringlichkeit nicht mehr gegeben ist, sodass der Bundesrat nicht notrechtlich agieren könnte, und ob er stattdessen eine Botschaft zur Verabschiedung eines dringlichen Bundesgesetzes beschliessen sollte. 127¹ Das BJ verneinte diese Frage an der Sitzung vom 22. November 2022 und in seiner Notiz, indem es erklärte, dass eine zeitliche Dringlichkeit dann besteht, wenn die drohende Gefahr nicht auf dem Weg der ordentlichen Gesetzgebung bekämpft werden kann. Weiter stellte das BJ klar, dass sich das Erfordernis der zeitlichen Dringlichkeit nicht auf die Unmittelbarkeit der Gefahr bezieht, sondern auf die Notwendigkeit von Abwehrmassnahmen aufgrund der zeitlichen Nähe zum Eintritt des schädigenden Ereignisses. Schliesslich sei die Voraussehbarkeit der Gefahr nicht ein eigenständiges Kriterium für die Anwendung von Notrecht. Das Kriterium der Voraussehbarkeit der Gefahr komme allenfalls in der Interessenabwägung zum Tragen und solle vor einer übermässig handlungsfreudigen Exekutive schützen. Das BJ verneinte angesichts der besonderen Situation zudem eine Pflicht des Bundesrates, dem Parlament umgehend eine Botschaft für die dringliche Einführung des PLB zu unterbreiten, weil nach Einschätzung von Finanzmarktfachleuten konkret zu befürchten war, dass dies den Vertrauensverlust an den Finanzmärkten beschleunigen und damit gerade den Schaden anrichten könnte, den ein PLB auffangen möchte. ¹272 Für die Behörden war aufgrund der Erläuterungen des BJ klar, dass die notrechtlichen Instrumente nicht auf Vorrat geschaffen werden können, sondern erst dann, wenn effektiv eine Notwendigkeit besteht. ¹273
Der Direktor des BJ legte den Fokus in seinen Ausführungen vor dem Bundesratsausschuss sowie in der Notiz vom 28. November 2022 auf das Erfordernis der Subsidiarität bei der geplanten Einführung eines PLB mittels Notrecht im Herbst 2022. Denn die vom Direktor des BJ bereits im Vorfeld der Sitzung vom 22. November 2022 festgestellte Ausweitung des Anwendungsbereichs eines notrechtlich eingeführten PLB rückte dieses Kriterium in den Vordergrund. Entsprechend erklärte das BJ in der Notiz vom 28. November 2022, es sei aufzuzeigen, dass in der geltenden Rechtsordnung keine mildere alternative Massnahme zur Verfügung stehe, um die Lage zu bewältigen. ¹274 Der Direktor des BJ wies darauf hin, dass die Subsidiarität der notrechtlichen Einführung eines PLB im Herbst 2022 gerade angesichts der langjährigen Bemühungen des Gesetzgebers um eine TBTF-Regulierung, die im Falle des Konkurses gewichtiger Marktteilnehmer Massnahmen vorsieht, fraglich sei. ¹275 In der Notiz verlangte das BJ daher eine Prüfung folgender Einschränkungen der notrechtlichen Einführung eines PLB:
-
Beschränkung auf die konkret betroffene Bank (anstatt generell-abstrakte Einführung des PLB),
-
Beschränkung auf eine systemrelevante Bank in Sanierung,
-
Beschränkung auf die systemrelevanten Teile oder auf die schweizerische Geschäftstätigkeit der systemrelevanten Bank. ¹276
Das BJ erhielt nachfolgend keine Rückmeldung dazu, ob der Bundesrat von den zuständigen Fachämtern zu den vom BJ aufgeworfenen Themen vertieft informiert wurde. Es wurde auch nicht orientiert, ob die Fachämter aus Anlass der BJ-Notiz weiterführende Arbeiten an die Hand nahmen. Das BJ wurde vom federführenden EFD erst wieder am 15. März 2023 in die Arbeiten zum CS-Dossier und zur Frage der Anwendung von Notrecht involviert (siehe Kap. 6.4.3.2). ¹277
Vertiefte Abklärungen zum PLB im Anschluss an die Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 22. November 2022
Die zuständigen Behörden vertieften ihre Überlegungen zur Einführung eines PLB in den zuständigen Gremien (LG, AF und Arbeitsgruppe PLB) noch im Herbst bzw. Winter 2022 und dann ab Januar 2023 (siehe Kap. 6.3.4 und 6.4). Das Szenario eines PLB als reine Liquiditätsmassnahme ohne weitere Massnahmen wurde bereits kurz nach der Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 22. November 2022 skeptisch beurteilt und schliesslich verworfen. ¹278 Jedoch liefen die Abklärungen der Behörden zum PLB als Teil anderer Szenarien wie auch im Rahmen der Vorbereitung der ordentlichen Einführung eines PLB weiter. Dabei konnte auf den im Herbst 2022 geleisteten Vorarbeiten aufgebaut werden. Im Dezember 2022 fanden Diskussionen zwischen dem EFD und der FINMA zur Rolle und zu den Kompetenzen der verschiedenen Behörden im Falle einer notrechtlichen und einer ordentlichen Einführung eines PLB statt. Die FINMA machte darauf aufmerksam, dass die Kompetenzen der involvierten Behörden deren gesetzliche Aufträge widerspiegeln müssten. So könne die FINMA z. B. keine Stellungnahmen oder Bestätigungen zur Angemessenheit und Verfügbarkeit der Instrumente anderer Behörden abgeben, wie dies die Notverordnung in Bezug auf die Ausschöpfung der ELA durch die SNB sowie den PLB vorsah. Zudem sei es angesichts ihres gesetzlichen Auftrags Aufgabe der FINMA, dem Bund eine Wahlmöglichkeit für oder gegen einen PLB zu eröffnen. Hingegen sei es nicht an ihr, die Verhältnismässigkeit oder Erforderlichkeit der Massnahmen des Bundes zu beurteilen. ¹279 Diese Rückmeldungen wurden vom EFD in den ab Januar 2023 redigierten Fassungen der Notverordnung wie auch in den Bestimmungen der Vernehmlassungsvorlage für die ordentliche Einführung eines PLB integriert. 128⁰
Die Punkte, die das BJ an der Sitzung vom 22. November 2022 und in seiner Notiz vom 28. November 2022 aufgeworfen hatte, fanden Eingang in die weiteren Überlegungen der Behörden zum Instrument eines PLB, sei es im Rahmen der Vorbereitung der Vernehmlassungsvorlage für die ordentliche Einführung eines PLB ab Anfang 2023 (siehe Kap. 6.4.2) oder sei es als Teil der Krisenmassnahmen angesichts der Lage der CS (siehe Kap. 6.4 und 7.2).
Keine notrechtliche Einführung eines PLB im Herbst 2022
In der Abwägung zwischen der notrechtlichen Einführung einer Rechtsgrundlage für einen PLB ohne sofortige Kreditvergabe an die CS einerseits und dem Erlass einer Notrechtsgrundlage für einen PLB mit gleichzeitiger Zurverfügungstellung der Liquidität andererseits bevorzugten die Behörden im Laufe des Novembers 2022 die zweite Variante (siehe Kap. 6.3.4.1 und 6.3.4.2). Grund war, dass die Behörden befürchteten, die notrechtliche Einführung eines PLB ohne sofortige Aktivierung könnte ein negatives Signal zur Lage der CS aussenden und die Liquiditätsabflüsse der CS nur verstärken.
Die Behörden diskutierten im Herbst 2022 aber auch darüber, die ordentliche Einführung des PLB vorzuziehen und die ordentliche Vernehmlassung anstatt, wie am 11. März 2022 angekündigt, Mitte 2023 zu starten, bereits am 16. Dezember 2022 beginnen zu lassen. Tatsächlich informierte der Vorsteher des EFD den Gesamtbundesrat noch an der Bundesratssitzung vom 9. November 2022 dahingehend, dass er die Vernehmlassungsvorlage dem Bundesrat noch im Dezember 2022 vorlegen werde. 128¹ Schliesslich sahen die Behörden im Herbst bzw. Winter 2022 mangels Notwendigkeit und aufgrund der dargelegten Befürchtungen sowohl von der beschleunigten ordentlichen Einführung eines PLB wie auch von der notrechtlichen Einführung mit gleichzeitiger Aktivierung eines PLB ab. ¹282
¹259 Die Gewährung von ELA durch die SNB stützt sich auf Art. 5 Abs. 2 Bst. e i. V. m. Art. 9 Abs. 1 Bst. e NBG. Diese Liquiditätshilfen darf die SNB nur gegen ausreichende Sicherheiten leisten. Im Zuge der CS-Krise überlegten die Behörden, ob vor der Gewährung eines PLB nicht noch eine Stufe vorzuschalten sei: ELA+, die Gewährung zusätzlicher ausserordentlicher Liquiditätshilfen durch die SNB ohne Bundesgarantie. Dabei stellte sich die grundsätzliche Frage, ob die Anforderung der ausreichenden Sicherheiten, über welche die SNB für die Leistung von Liquidität verfügen muss, in Form eines Konkursprivilegs für die SNB erfüllt werden könnte. Mit beiden Formen der Liquiditätsvergabe sind Risiken verbunden, welche der Bund oder die SNB zu tragen haben. Das Konkursprivileg bedeutet, dass im Falle eines Konkurses der CS die Forderungen der SNB gegenüber der CS aus den Liquiditätshilfe-Darlehen (ELA+) bevorzugt befriedigt würden, d. h. in der Reihenfolge der Konkursforderungen nach den konkursrechtlich privilegierten Forderungen (z. B. Löhne von Arbeitnehmenden, Sozialversicherungsbeiträge oder privilegierte Einlagen), aber vor den anderen Forderungen eingereiht würden.
126⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 65
126¹ Entwurf Rahmenkreditvereinbarung vom 8.11.2022
¹262 Fragen / Antworten zur staatlichen Liquiditätssicherung (Public Liquidity Backstop) im Fall der Credit Suisse, Arbeitspapier des EFD vom 7.11.2022; Drehbuch Aktivierung PLB vom 11.11.2022; Fragen / Antworten zur staatlichen Liquiditätssicherung (Public Liquidity Backstop) im Fall der Credit Suisse vom 7.11.2022.
¹263 GPK-N/S: Bericht zur Finanzkrise 2008 ( BBl 2011 3099 , hier 3237).
¹264 Protokoll der Bundesratssitzung vom 2.11.2022, S. 2; Protokoll der Bundesratssitzung vom 9.11.2022, S. 2.
¹265 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024; S. 24; Information zur Bank, Notiz des EFD, SIF, Banken (B) zuhanden des Vorstehers des EFD vom 1.11.2022; Information zur Bank, Notiz des EFD, SIF, Banken (B) zuhanden des Vorstehers des EFD vom 8.11.2022; Information zur Bank, Notiz des EFD, SIF, Banken (B) zuhanden des Vorstehers des EFD vom 15.11.2022; Entwürfe der Verordnung PLB und der Erläuterungen vom 2.11.2022.
¹266 Künzli, Jörg (2015): Kommentar Art. 184 BV. In: Waldmann, Bernhard / Belser, Eva Maria / Epiney, Astrid (Hrsg.): Basler Kommentar Bundesverfassung. 1 Aufl. Basel: Helbing & Lichtenhahn, Rz. 31.
¹267 E-Mail des Direktors des BJ an die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen vom 22.11.2022, 15.46 Uhr
¹268 E-Mail des Direktors des BJ an die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen vom 22.11.2022, 15.46 Uhr; Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 73; E-Mail-Austausch zwischen Mitarbeitenden des SIF vom 22.11.2022, 17.16 Uhr.
¹269 E-Mail des Direktors des BJ an die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen vom 22.11.2022, 15.46 Uhr
127⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 72
127¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 65
¹272 Notiz BJ vom 28.11.2022, Ziff. 2.3, S. 5
¹273 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 52; Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 8.
¹274 Notiz des BJ vom 28.11.2022, Ziff. 2.4, S. 5
¹275 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 65 f.
¹276 Notiz des BJ vom 28.11.2022, Ziff. 2.4, S. 6
¹277 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 71-73
¹278 Protokoll der LG-Sitzung vom 25.11.2022; Protokoll der LG-Sitzung vom 11.1.2023.
¹279 Schreiben der FINMA an den Vorsteher des EFD vom 15.12.2022
128⁰ Entwurf der Notverordnung Stand 18.1.2023; Vernehmlassungsvorlage BankG vom 25.5.2023.
128¹ Protokoll der Bundesratssitzung vom 9.11.2022, S. 2
¹282 Protokoll der Bundesratssitzung vom 16.11.2022, S. 1 f.; Timing PLB-Gesetzgebung, E-Mail-Austausch FINMA und SIF vom 14.11.2022.
1¹77 Protokoll der Bundesratssitzung vom 26.10.2022
1¹78 Kurzbericht des EFD zum strategischen Dialog mit der FINMA vom 31.10.2022
1¹79 E-Mail der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen an die FINMA vom 24.11.2022, 19.34 Uhr.
118⁰ Stellungnahme des SIF vom 5.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
118¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 43 und Chronologie EFD vom 26.6.2023
1¹82 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 7
1¹83 Transkription der AF-Sitzung vom 1.11.2022
1¹84 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 7. Nach Aussagen der FINMA sei auch nach dieser Aufforderung kein Effekt auf den Verlauf, den Umfang und die Qualität der Vorbereitungsmassnahmen seitens CS zu erkennen gewesen. Quelle: Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
1¹85 Ein hochrangiger Vertreter der Fed habe allgemein gesagt, dass «er eine Übernahme einer G-SIB in Schwierigkeiten durch eine andere G-SIB, v. a. durch eine aus den USA […], als keine gute Idee erachtete; dies letzten Endes auch aufgrund der Ansteckungsrisiken für die übernehmende Bank». Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024. Vertreter der FINMA: der damalige Direktor und der Leiter des Geschäftsbereichs Banken.
1¹86 Transkription der AF-Sitzung vom 1.11.2022, S. 19; Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
1¹87 Transkription der AF-Sitzung vom 1.11.2022, S. 21
6.3.5 Weiterführung der Arbeiten im Dezember und Vorbereitung des Wechsels der Leitung des EFD sowie der Wechsel im Bundesrat mit Beginn des neuen Jahres
Die zuständigen Behörden und Gremien setzten ihr Monitoring der Lage der CS und ihre Diskussionen zu möglichen Handlungsoptionen im Dezember 2022 fort. Während eines Grossteils des Monats präsentierte sich die Lage der CS als weiterhin kritisch, aber vergleichsweise stabil. Ende Dezember 2022 kam es allerdings erneut zu einer ausgesprochen kritischen Situation. Dieser Zeitraum wird im vorliegenden Kapitel abgebildet.
Die Arbeiten der Behörden in den vergleichsweise ruhigeren Phasen des Dezembers 2022 waren geprägt von den fortgesetzten Diskussionen zu möglichen Szenarien. Zudem standen im Bundesrat der Wechsel von Bundesrätin Keller-Sutter vom EJPD ins EFD sowie der Arbeitsantritt zweier neuer Mitglieder, Bundesrätin Baume-Schneider und Bundesrat Rösti, bevor. Letztere waren nach den Rücktrittsankündigungen von Bundesrätin Sommaruga und von Bundesrat Maurer am 7. Dezember 2022 bei den Ersatzwahlen von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt worden. Der Departementswechsel von Bundesrätin Keller-Sutter wurde nach der Departementsverteilung im Bundesrat am 8. Dezember 2022 bekannt. ¹283
6.3.5.1 Lageverfolgung durch die Behörden im Dezember 2022
Arbeiten der Behörden Anfang Dezember 2022
Der Bundesrat erhielt an seiner Sitzung vom 2. Dezember 2022 das Protokoll der Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 22. November 2022 inklusive der Notiz des BJ vom 28. November 2022. Der Vorsteher des EFD informierte mündlich über die Lage der CS. Er erklärte, dass der Aktienkurs tief sei, die Kapitalabflüsse sich aber nicht verschlimmert hätten. Die Situation bleibe volatil. Der Bundesrat erörterte die Frage, wie viel Zeit ihm ab dem Moment, in welchem die CS bei der SNB ELA beziehen würde, für eine Reaktion zur Verfügung stünde. Der Vorsteher des EFD ging von mehr als einer Woche aus.
Der Bundesrat diskutierte auch andere Szenarien wie z. B. eine Übernahme der CS durch ein anderes Finanzinstitut. Zudem vereinbarten die Bundesratsmitglieder, ihre verschlüsselten Telefone über die Feiertage mit sich zu tragen, um ihre Erreichbarkeit zu gewährleisten. Weiter erhielt die Bundeskanzlei den Auftrag, einen Test der verschlüsselten Telefone aller Bundesratsmitglieder durchzuführen, um deren Funktionieren sicherzustellen. ¹284
Non-Meeting vom 4. Dezember: Unzufriedenheit der CS und Diskussionen zur öffentlichen Kommunikation der Behörden
An einem weiteren Non-Meeting des damaligen EFD-Vorstehers und des Präsidenten der SNB mit der CS am 4. Dezember 2022 soll sich der Verwaltungsratspräsident der CS gemäss Debriefing-Notizen der SNB über die FINMA beklagt haben. Die Valuation-in-Resolution-Übung von Anfang November 2022 (siehe Kasten 12 in Kap. 6.3.4.2) habe aus Sicht der CS bei den ausländischen Behörden für Verwirrung gesorgt. ¹285 Zudem sei der Verkauf des Securitized-Products-Geschäfts (siehe Kasten 9 in Kap. 6.3.1.1) durch die Anforderungen der FINMA erschwert worden und habe daher nicht wie geplant durchgeführt werden können.
Erneut sprachen der EFD-Vorsteher und der SNB-Präsident den Verwaltungsratspräsidenten der CS auf die Möglichkeit eines Verkaufs der CS an. Dieser habe jedoch auf die Gefahr eines Informationslecks hingewiesen, welche die Vorbereitungsarbeiten für die CS limitierten. Generell habe sich der Verwaltungsratspräsident der CS gemäss dem Präsidenten der SNB sehr optimistisch gezeigt und auf die Prüfung anderer Contingency-Massnahmen - z. B. von Teilverkäufen oder weiteren Risikoreduktionen - als Alternativen zu einem Verkauf verwiesen. ¹286 Die Sitzungsteilnehmenden machten sich auch Gedanken zu einer möglichen stabilisierenden Wirkung durch positive Signale vonseiten der Behörden. Der damalige EFD-Vorsteher habe angekündigt, etwas zur Lage der Bank zu sagen. ¹287
Tatsächlich äusserten sich sowohl der EFD-Vorsteher wie auch der SNB-Präsident im Dezember 2022 öffentlich zur CS (siehe Kap. 6.4.4). Der scheidende EFD-Vorsteher würdigte vor seinem Amtsende in verschiedenen Medien die neue Strategie der CS positiv und zeigte sich optimistisch im Hinblick auf die Zukunft der Bank. ¹288 Auch der SNB-Präsident äusserte sich öffentlich positiv zur Strategie und der daraus folgenden Risikoreduktion. ¹289
Sitzungen der Behörden vom 5./6. Dezember: Informationen zu anhaltenden Liquiditätsabflüssen und Diskussionen zu möglichen Handlungsszenarien
Am 5. Dezember 2022 teilte die FINMA dem AF mit, dass die Liquiditätsabflüsse bei der CS weiter anhielten und bis Ende Jahr selbst mit limitierenden Massnahmen keine massive Verbesserung der Liquidität zu erwarten sei. 129⁰ In der Folge wurden verschiedene Handlungsszenarien diskutiert, die zur Stabilisierung respektive Rettung der CS infrage kamen. Dazu gehörten der Bezug von ELA, ein Verkauf der Bank, die Einführung eines PLB zur Liquiditätsstützung ohne Sanierung, die Einführung eines PLB im Rahmen einer Sanierung oder der Konkurs der Bank. Eine Sanierung wurde von der FINMA als umsetzbare Lösung bezeichnet. Jedoch sei eine Alternative, die die Ziele des Gläubigerschutzes ebenfalls erreichen würde, vorzuziehen. Ein glaubwürdiges Verkaufsszenario hätte diese Anforderung nach Auffassung der FINMA erfüllt. 129¹
Die Mitglieder des AF waren sich einig, dass die CS das Verkaufsszenario vorantreiben musste und die FINMA diese Option ihr gegenüber forcieren sollte, auch weil die Bank einen Verkauf bis anhin als unliebsamen Plan B sah. ¹292 Die UBS wurde als mögliche Käuferin genannt. Die FINMA informierte den AF aufgrund ihrer bilateralen Gespräche mit der CS, dass die CS weiterhin keine Kontakte zu potenziellen Käufern hatte. Gleichzeitig wies sie daraufhin, dass sie aufgrund ihrer institutionellen Rolle nicht auf Bankinstitute zugehen könne, um eine Übernahme der CS anzustossen. Die in diesem Gremium anwesenden Behörden wussten daher nicht, ob aufseiten der UBS überhaupt ein Kaufinteresse bestand. Eine Kontaktaufnahme mit einer anderen Bank und damit die Auswahl einer Käuferin war nach Einschätzung der FINMA problematisch und nicht Aufgabe der Behörden. Das richtige Vorgehen sei vielmehr, die CS zu veranlassen, einen Verkauf als mögliche Contingency-Massnahme konkret vorzubereiten. ¹293 Auch der PLB wurde weiterhin als Instrument diskutiert. Jedoch vertraten das SIF und die EFV nach den kritischen Diskussionen im Bundesratsausschuss Finanzfragen und der Einschätzung des BJ zum PLB (siehe Kap. 6.3.4) die Ansicht, dass ein solcher nur noch im Kontext einer Sanierung vorgesehen werden sollte.
Eine staatliche Liquiditätsfazilität vor einer allfälligen Sanierung wurde als Alternative gesehen, die per Notrecht eingeführt werden könnte. Deren Funktionsweise hätte dem PLB vor einer Sanierung entsprochen, indem die SNB die Liquidität gestellt und der Bund das Ausfallrisiko übernommen hätte. Die bestehenden Notverordnungen zum PLB hätten daher als Grundlage verwendet werden können. In diesem Zusammenhang versuchte das EFD seit Herbst 2022, das Risiko abzuschätzen, das der Bund eingehen würde, wenn er das Darlehen der SNB garantieren würde. Auf eine entsprechende Bitte des EFD erstellte die FINMA zu diesem Zweck eine vereinfachte statische Analyse und gab zusätzlich beim Beratungsunternehmen Oliver Wyman ein Gutachten in Auftrag, mit dem die Schätzungen der FINMA plausibilisiert werden sollten. Oliver Wyman reichten ihre Analyse am 16. November 2022 ein. ¹294 Die Behörden beschlossen sodann, zusätzliche Fragen durch Oliver Wyman abklären zu lassen. An der AF-Sitzung vom 5. Dezember sorgte die Frage der Betreuung und Finanzierung dieser Folgearbeiten zu den Risiken eines PLB für den Bund für Diskussionen. Die FINMA sah sich nicht als Hauptverantwortliche im Bereich des PLB. Die SNB verwies auf ihre alternativen Schätzungen und erläuterte die entsprechenden Ergebnisse. Für eine weitere Verfeinerung der Analyse seien aber zusätzliche Angaben der FINMA erforderlich, z. B. zum Ring Fencing ausländischer Aufsichtsbehörden. Schliesslich einigten sich die Behörden darauf, dass das SIF den Lead übernehmen soll, die FINMA und SNB mit ihrer Expertise an den Arbeiten mitwirken sollen und die CS die Kosten tragen soll. ¹295
Am darauffolgenden Tag, am 6. Dezember, diskutierte der Leitungsausschuss SNB-FINMA, ob die schlechte Lage der CS angesichts des bestehenden Vertrauensproblems durch die Bereitstellung zusätzlicher Liquidität oder aber durch andere Massnahmen verbessert werden könnte. Die FINMA vertrat die Auffassung, dass eine ausreichende Liquiditätsversorgung die Märkte beruhigen würde, was die SNB bezweifelte. Aus Sicht der SNB waren ELA und PLB zwar bei einem plötzlichen Vertrauensverlust sinnvolle Instrumente. Die CS habe aber ein chronisches Vertrauensdefizit. Daher müssten auch die Ursachen des Vertrauensverlustes adressiert werden. Die CS sei aufgrund knapper Kapitalisierung, fehlenden Marktvertrauens und negativer Profitabilität in einen Teufelskreis geraten. ¹296 Die SNB schrieb in den Unterlagen für diese Sitzung mit der FINMA am 6. Dezember 2022: «Parent Bank knappe Kapitalisierung verhindert De-Risking». Aus Sicht der PUK ist diese Aussage umso bemerkenswerter, als die Parent Bank per Ende 2022 vom regulatorischen Filter in der Höhe von 14,5 Milliarden Franken profitierte. Diese Summe stellte fast die Hälfte der regulatorisch ausgewiesenen Eigenmittel der CS AG dar. Ein weiterer Diskussionspunkt war die Frage, ob der Umfang der ELA (50 Milliarden Franken) ausreichend war. Hinsichtlich der Option einer Übernahme der CS durch eine andere Bank bzw. einer Fusion informierte die FINMA die SNB, dass die CS auf Ersuchen der FINMA und nach langem Widerstand eine Liste mit in- und ausländischen Banken erstellt hatte, die als Käuferinnen oder Fusionspartnerinnen infrage kämen. Die Sitzungsteilnehmenden kamen zum Schluss, dass von den fünf genannten Banken nur die UBS eine glaubwürdige Option war. Die FINMA und die SNB beschlossen, die verschiedenen Optionen (CS schafft es aus eigener Kraft, Sanierung mit allfälliger Liquiditätshilfe, schnelleres De-Risking, Übernahme durch ein anderes Finanzinstitut) weiter vorzubereiten. ¹297
LG-Sitzung vom 9. Dezember: keine Beruhigung der Kapital- oder Liquiditätsproblematik der CS in Aussicht
In der Sitzung des LG vom 9. Dezember 2022 äusserten die FINMA und auch die SNB die Befürchtung, dass das Quartalsergebnis der CS trotz der Kapitalaufnahme Ende November schlechter als erwartet ausfallen könnte, da die Profitabilität der Bank weiterhin schlecht sei. Als dringendstes Problem wurde jedoch weiterhin die kritische Liquiditätssituation der Bank betrachtet. Die FINMA hatte deshalb weitere Contingency-Massnahmen der Bank gefordert (siehe Kap. 6.3.1.1). Nach Aussage des FINMA-Direktors war nicht mit einer nachhaltigen Beruhigung und schon gar nicht mit einem Turnaround der Situation zu rechnen. Die FINMA werde deshalb weiterhin den Druck aufrechterhalten und die CS anhalten, Alternativen zur Sanierung zu prüfen und vorzubereiten. In diesem Kontext appellierte die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin an die anderen Behörden, die CS in Gesprächen ebenfalls zur Vorbereitung von Massnahmen aufzufordern. ¹298
Information des Gesamtbundesrates im Dezember 2022
Der damalige Vorsteher des EFD teilte dem Bundesrat an dessen Sitzungen vom 9. und 16. Dezember 2022 mündlich mit, dass die Lage der CS auf niedrigem Niveau stabil sei. ¹299 Gemäss den der PUK vorliegenden Bundesratssitzungsprotokollen wurde der PLB nicht besprochen. Verschiedene Mitglieder des Bundesrates bemängelten die spärlichen und nur mündlichen Informationen des Vorstehers des EFD auch in dieser Phase. Die geteilten Informationen und die fehlende Schriftlichkeit seien nicht ausreichend dafür gewesen, dass das BR-Gremium das Ausmass der Schwierigkeiten der CS hätte konkret abschätzen können. 130⁰ Der ehemalige EFD-Vorsteher sagte gegenüber der PUK aus, dass er insbesondere im Umfeld der Bundesrätinnen und Bundesräte eine grosse Leak-Gefahr befürchtet habe. Diese Befürchtung sei auch durch die negativen Erfahrungen während der Corona-Pandemie gespiesen worden. Auch die schwerwiegenden Folgen einer Indiskretion für die Börsen seien in seine Überlegungen mit eingeflossen. 13⁰1
Erhöhte Sensitivität der Behörden vor den Feiertagen: Standortbestimmung in der AF-Sitzung vom 22. Dezember
Am 22. Dezember tagte der AF ein weiteres Mal, um kurz vor den Weihnachtsfeiertagen eine Lageeinschätzung vorzunehmen und weitere Handlungsschritte zu definieren. Die Kennzahlen der FINMA zeigten, dass zu diesem Zeitpunkt seit Anfang Oktober rund 130 Milliarden Franken an Depositen abgeflossen waren und die Situation der CS weiterhin so kritisch war, dass ein erneuter grösserer Abfluss sofort zu Liquiditätsproblemen führen würde. Die FINMA teilte mit, dass aus diesem Grund sichergestellt worden sei, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der EFF- und ELA-Kapazität durch die CS erfüllt waren.
Grundsätzlich machte sich im AF eine gewisse Skepsis gegenüber den von der CS in der Vergangenheit gemachten Angaben und Prognosen zu gewissen Kennzahlen bemerkbar. Die SNB zeigte sich insbesondere besorgt wegen der Liquiditätssituation der CS Anfang 2023, da die CS nach Einschätzung der SNB bei der bisherigen Liquiditätsprognose per Ende Jahr fehlerhafte Annahmen getroffen hatte. Die Prognosen der CS zur Liquidität im ersten Quartal 2023 seien ebenfalls zu optimistisch und könnten den Behörden daher nicht als Base-Line dienen. 13⁰2 Die Kritik der SNB an den Liquiditätsprognosen der CS teilte auch die FINMA, die sich im November und Dezember mehrfach aufgrund der nach wie vor bedenklichen Liquiditätssituation an die Bank gewandt hatte. 13⁰3 Zwar hatte sie von der CS die Antwort erhalten, dass die Liquiditätssituation bis zum Ende des 1. Quartals 2023 herausfordernd bleiben werde 13⁰4 , doch basierte diese Prognose laut FINMA vornehmlich auf der Hoffnung der CS, das Securitized-Products-Geschäft erfolgreich verkaufen zu können. 13⁰5
In einem Brief hatte die FINMA den Verwaltungsratspräsidenten und den CEO der CS am 19. Dezember 2022 zwar darauf hingewiesen, dass die bislang getroffenen Massnahmen nicht ausreichend gewesen seien, um die Liquiditätspuffer der Bank wieder aufzubauen, und die CS nun intern verbindliche Vorgaben für die Erfüllung der Liquiditätsziele setzen müsse. 13⁰6 Trotz dieser Bedenken lag gemäss FINMA am 22. Dezember 2022 weder auf Solvenzebene (in punkto Kapital), noch auf Liquiditätsebene ein Point of non-viability vor, mit dem die Einleitung einer Sanierung hätte begründet werden können. 13⁰7
Erhöhte Sensitivität der Behörden vor den Feiertagen: Überlegungen zum Verkaufsszenario im AF
Der AF war sich am 22. Dezember 2022 bewusst, dass sich die Chancen der CS, sich aus eigener Kraft zu retten, verschlechtert hatten und andere Szenarien gut vorbereitet werden mussten, wobei ein Verkauf oder ein Notverkauf in einem Krisenszenario mit kurzer Frist als naheliegende Lösung erschien. Ein Verkauf wurde auch in Anbetracht der Risikominimierung für die Steuerzahlenden und aus Sicht der Finanzstabilität eher positiv bewertet. 13⁰8 Gemäss Angaben der FINMA im Rahmen der genannten AF-Sitzung hatte die CS bis anhin eine Longlist 13⁰9 möglicher - mehrheitlich internationaler - Käuferinnen erstellt. Diese Liste beruhte jedoch auf der Annahme, dass ein Verkauf mittelfristig erfolge und mehrere Monate für die Kontaktaufnahme verblieben. Die FINMA, die die CS im Dezember 2022 mehrmals dazu gedrängt hatte, einen möglichen Verkauf vorzubereiten und die benötigte Umsetzungszeit zu verkürzen, 131⁰ gelangte zur Ansicht, dass sich im Falle eines Notverkaufs bis anhin nur eine einzige inländische Lösung präsentierte und zwar ein Verkauf an die UBS. 131¹ Die FINMA beauftragte daher die CS am 19. Dezember 2022, bis Anfang Januar Lösungen für das kurz- und das mittelfristige Szenario zu erarbeiten und diese Szenarien soweit wie möglich vorzubereiten. Zu den geforderten Vorbereitungsarbeiten gehörte auch die Erstellung eines Datenraums. 13¹2 Erste Unterlagen der SNB zu den volkswirtschaftlichen Folgen eines ungeordneten Ausfalls der CS lagen an dieser Sitzung zwar vor, 13¹3 wurden jedoch aus Zeitgründen nicht besprochen.
Die Mitglieder des AF verständigten sich schliesslich auf verschiedene Folgearbeiten zu den möglichen Szenarien bis zur nächsten Sitzung in der ersten Januarwoche. Diese umfassten nebst der Weiterentwicklung des Verkaufsszenarios mit der CS auch die weitere Vorbereitung von ELA sowie eine Kontaktaufnahme auf technischer Stufe zwischen der FINMA und dem EFD bezüglich einer TPO für die Schweizer Einheit im Falle des Break-up-Szenarios. Die seit November 2022 vorliegende Analyse von Oliver Wyman zu den Risiken eines PLB für den Bund wurde vom AF für nicht ausreichend befunden, um als Entscheidungsgrundlage für den Bundesrat und die FinDel zu dienen. Daher wurden auch diesbezüglich weitere Folgearbeiten angekündigt. Auf eine Kontaktaufnahme der Behörden mit der UBS wurde vorerst verzichtet, da eine derartige Intervention angesichts der Umstände für zu gefährlich gehalten wurde. 13¹4
Erhöhte Sensitivität der Behörden vor den Feiertagen: Massnahmen des LG zur Vorbereitung auf eine unerwartete Krisensituation
Das erhöhte Problembewusstsein für die Situation der CS machte sich auch in der Sitzung des LG am Abend des gleichen Tages (22. Dezember 2022) deutlich bemerkbar. Das Gremium gelangte nach einem Briefing zu den wichtigsten Diskussionspunkten der AF-Sitzung zur Einschätzung, dass es unwahrscheinlich geworden sei, dass sich die Bank selber aus ihrer schwierigen Lage befreien kann. Aus diesem Grund wurde beschlossen, die Option eines Verkaufs der CS noch intensiver zu prüfen und, soweit möglich und sinnvoll, auch vorzubereiten. Die FINMA wurde damit beauftragt, die CS zu kontaktieren und abzuklären, wie weit die Vorbereitungen der Bank für Notfallmassnahmen - insbesondere im Zusammenhang mit einer kurzfristigen Übernahme - fortgeschritten waren, und die Vorbereitungen umgehend zu analysieren. Die SNB wiederum sollte Überlegungen dazu anstellen, wie sich eine Übernahme durch eine schweizerische von derjenigen durch eine ausländische Bank unterschied. Trotz der Fokussierung auf ein Verkaufsszenario sollte im Falle eines gescheiterten Verkaufs auf die bereits weitgehend vorbereitete Variante des PLB per Notrecht (siehe Kap. 6.3.4.2) zurückgegriffen werden. Für weitere Analysen zum PLB sollte das EFD die CS auffordern, Oliver Wyman für die Folgearbeiten Zugriff auf die Daten der Bank zu geben. Das LG sprach auch über eine mögliche Ausweitung der ELA (im Sinne von ELA+), ohne diesbezüglich einen Entscheid zu treffen. 13¹5
¹284 Protokoll der Bundesratssitzung vom 2.12.2022
¹285 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 7 f.; Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024, S. 6 f.
¹286 Protokoll der LG-Sitzung vom 9.12.2022, S. 2
¹287 Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024, S. 6 f.
¹288 Bundesrat Maurer, was hätten Sie im Nachhinein anders gemacht? In: SRF, 13.12.2022, https://www.srf.ch/news/schweiz/bilanz-als-finanzminister-bundesrat-maurer-was- haetten-sie-im-nachhinein-anders-gemacht (Stand: 16.5.2024); Zwischendurch muss man es halt mal krachen lassen. In: NZZ,31.12.2022, https://www.nzz.ch/schweiz/ueli-maurer-zwischendurch-muss-man-es-halt-mal-krachen-lassen-ld.1717343 (Stand: 16.5.2024).
¹289 «Swiss National Bank Chairman welcomes new Credit Suisse strategy», Reuters vom 15.12.2022, https://www.reuters.com/business/finance/swiss-national-bank-chairman-welcomes-new-credit-suisse-strategy-2022-12-15/ (Stand: 20.11.2024).
129⁰ Transkription der AF-Sitzung vom 5.12.2022, S. 2 f.
129¹ Transkription der AF-Sitzung vom 5.12.2022, S. 12
¹292 Transkription der AF-Sitzung vom 5.12.2022, S. 4
¹293 Transkription der AF-Sitzung vom 5.12.2022, S. 8 ff.
¹294 Begleitbrief der FINMA ans EFD vom 21.11.2022 zur Analyse von Oliver Wyman vom 16.11.2022
¹295 Transkription der AF-Sitzung vom 5.12.2022, S. 18 ff. An der Sitzung des LG vom 22.12.2022 wurde entgegen dieser Absichten beschlossen, dass das EFD die Kosten der anfallenden Folgearbeiten übernimmt; Protokoll der LG-Sitzung vom 22.12.2022, S. 3. Letztlich wurden die Kosten jedoch der CS bzw. der übernehmenden UBS belastet und durch diese bezahlt, nachdem im März 2023 die rechtliche Grundlage dafür geschaffen worden war.
¹296 Protokoll des Leitungsausschusses SNB-FINMA vom 6.12.2022, S. 6; Folienset der SNB zur gleichen Sitzung, S. 3 und 5.
¹297 Protokoll des Leitungsausschusses SNB-FINMA vom 6.12.2022
¹298 Protokoll der LG-Sitzung vom 9.12.2022, S. 1 f.
¹299 Protokolle der Bundesratssitzungen vom 9.12.2022 und 16.12.2022
130⁰ Protokollauszug der ArG Risikomanagement Bund der GPK vom 20.4.2023, S. 2 f.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 53, 57; Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.2.2024, S. 80 ff.
13⁰1 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 30 ff.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 22.5.2024, S. 24.
13⁰2 Transkription der AF-Sitzung vom 22.12.2022, S. 3 f.
13⁰3 Schreiben der FINMA an die CS vom 16.11.2022, 6.12.2022, 19.12.2022
13⁰4 Schreiben der CS an die FINMA vom 12.12.2022
13⁰5 Transkription der AF-Sitzung vom 22.12.2022, S. 4
13⁰6 Schreiben der FINMA an die CS vom 19.12.2022
13⁰7 Protokoll der Sitzung des AF vom 22.12.2022, S. 10 f.
13⁰8 Transkription der AF-Sitzung vom 22.12.2022, S. 6 f., S. 10, S. 20
13⁰9 Am 23.12.2022 schickte die CS der FINMA eine Kurzanalyse verschiedener möglicher Käuferinnen, darunter JP Morgan, Bank of America, Morgan Stanley, Goldman Sachs, BNP Paribas, Barclays, Deutsche Bank, Standard Chartered, Saudi National Bank und die UBS; E-Mail der CS an die FINMA vom 23.12.2022, 22.09 Uhr.
131⁰ Schreiben der FINMA an die CS vom 19.12.2022
131¹ Transkription der AF-Sitzung vom 22.12.2022, S. 7 f.
13¹2 Schreiben der FINMA an die CS vom 19.12.2022; Protokoll der LG-Sitzung vom 22.12.2022, S. 2.
13¹3 Conséquences économiques d’une défaillance désordonnée de Credit Suisse, Arbeitspapier der SNB vom 20.12.2022
13¹4 Transkription der AF-Sitzung vom 22.12.2022, S. 21, S. 25
13¹5 Protokoll der LG-Sitzung vom 22.12.2022, S. 2
6.3.5.2 Vorbereitung des Jahreswechsels im Bundesrat
Der damalige Bundeskanzler informierte die beiden neuen Bundesratsmitglieder, Elisabeth Baume-Schneider, die neue EJPD-Vorsteherin ab dem 1. Januar 2023, und Albert Rösti, den neuen UVEK-Vorsteher ab dem 1. Januar 2023, in den Tagen nach deren Wahl in den Bundesrat über den Stand der Beratungen des Bundesrates zur Situation der CS. 13¹6 Der Bundeskanzler gab den beiden neuen Mitgliedern des Kollegiums verschiedene Unterlagen zur CS-Krise ab, darunter Bundesratsbeschlüsse und Protokolle der Sitzungen des Bundesrates von November und Dezember 2022. Auch wies er sie auf die Möglichkeit ausserordentlicher Sitzungen zu Jahresbeginn 2023 hin, sollte sich die Situation der Bank verschlechtern. 13¹7 Gemäss Aussage des Direktors des BJ waren die bei der Übergabe des EJPD involvierten Schlüsselpersonen, d. h. die bisherige Generalsekretärin sowie der neue Generalsekretär, beide im Besitz der Notiz des BJ vom 28. November 2022. 13¹8
Per 1. Januar trat zudem Bundesrat Berset in Nachfolge von Bundesrat Cassis das Amt des Bundespräsidenten an. Die beiden führten zu diesem Zweck am 31. Dezember 2022 ein kurzes Telefongespräch, ohne dabei auf die CS zu sprechen zu kommen. 13¹9 Der scheidende und der zukünftige Bundespräsident waren, wie die übrigen Mitglieder des Bundesrates - mit Ausnahme von Bundesrätin Keller-Sutter (siehe hierzu Kap. 6.3.5.3) -, vom Vorsteher des EFD nicht über die Verschärfung der Lage der CS in den letzten Dezembertagen 2022 informiert worden (siehe Kap. 6.3.5.4).
13¹6 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 55 und 60; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 15.
13¹7 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 16. Schliesslich kam es zu keiner ausserordentlichen Sitzung, sodass die beiden neuen Mitglieder des Kollegiums erstmals an der Bundesratssitzung vom 11. Januar 2023 unmittelbare Informationen durch die neue Vorsteherin des EFD erhielten, siehe dazu Kap. 6.4.2.
13¹8 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 75
13¹9 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 55; Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 81.
6.3.5.3 EFD: Übergabe durch den abtretenden Vorsteher an die zukünftige Vorsteherin
Mit dem Rücktritt des bisherigen EFD-Vorstehers per Ende 2022 kam es zu einem Wechsel an der Spitze des EFD. Der Bundesrat entschied, wie erwähnt, am 8. Dezember 2022 über die Departementszuteilung. Ab diesem Tag war klar, dass Bundesrätin Keller-Sutter, die bisherige Vorsteherin des EJPD, ab dem 1. Januar 2023 die Leitung des EFD übernehmen wird. Der vorliegende Abschnitt hat diesen Wechsel und die damit einhergehenden Vorbereitungen zum Gegenstand.
Kontakte zwischen Bundesrat Maurer und Bundesrätin Keller-Sutter
Das einzige Treffen zwischen dem damaligen Vorsteher des EFD und Bundesrätin Keller-Sutter zur Vorbereitung der Departementsübergabe fand am 19. Dezember 2022 im Beisein der Generalsekretärin des EJPD und des Generalsekretärs des EFD statt. 132⁰ An diesem Tag übergab der damalige Departementsvorsteher Bundesrätin Keller-Sutter die Dossiers. Laut Aussagen von Bundesrätin Keller-Sutter und ihrer Generalsekretärin gegenüber der PUK erhielten sie keine schriftlichen Unterlagen zur CS. Der damalige Vorsteher des EFD habe die Lage der CS als stabil bezeichnet. 132¹
Zusätzlich telefonierten der damalige Vorsteher des EFD und Bundesrätin Keller-Sutter insgesamt zweimal. Das erste Telefonat wurde am 23. Dezember 2022 geführt. Darin ging es schwerpunktmässig um die Information von Bundesrätin Keller-Sutter über ein Treffen des damaligen Vorstehers des EFD in Grossbritannien. Gemäss Bundesrätin Keller-Sutter bekräftigte der damalige Vorsteher des EFD im Rahmen dieses Telefongesprächs erneut, dass die CS stabil sei. ¹322 Das zweite Telefongespräch fand am 29. Dezember 2022 statt. Bundesrätin Keller-Sutter wurde bei dieser Gelegenheit vom damaligen Vorsteher des EFD darüber in Kenntnis gesetzt, dass die CS über die Festtage Schwierigkeiten bekundet habe, die Lage jedoch stabil sei (siehe Kap. 6.3.5.4) und er in den vergangenen Tagen noch einen Austausch mit der SNB und der FINMA gehabt habe. ¹323
Austausch zwischen verschiedenen Verwaltungseinheiten und Bundesrätin Keller-Sutter
FINMA
Gemäss den Aussagen von Bundesrätin Keller-Sutter wandte sich die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA direkt nach der Departementsverteilung vom 8. Dezember 2022 mit der Bitte um ein Treffen an sie. Laut der Aussage von Bundesrätin Keller-Sutter lehnte Bundesrat Maurer ein Treffen zwischen ihr und der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA jedoch ab. Das erste Treffen fand demzufolge erst am 10. Januar 2023 statt. Die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA begründete ihre Kontaktaufnahme damit, dass ihr der Informationsfluss sehr wichtig gewesen sei. Allerdings sei ihre Kontaktnahme mit Bundesrätin Keller-Sutter beim damaligen Vorsteher des EFD schlecht angekommen. ¹324
Der ehemalige EFD-Vorsteher gab hingegen zu Protokoll, er sei von der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA gebeten worden, zu intervenieren, damit Bundesrätin Keller-Sutter wenn möglich noch im alten Jahr mit ihr in Kontakt trete. Seiner Meinung nach habe Bundesrätin Keller-Sutter die Situation aber langsamer angehen wollen. ¹325
EFV und SIF
Die Direktorin der EFV und die künftige EFD-Vorsteherin trafen sich im Dezember zweimal (am 14. und 20. Dezember 2022). Dabei stand die Budgetplanung für das folgende Jahr im Vordergrund. Am 20. Dezember 2022 informierte die Direktorin der EFV Bundesrätin Keller-Sutter während einer halben Stunde mündlich über die Situation der CS. ¹326 An diesen Besprechungen nahmen auch die beiden persönlichen Mitarbeitenden von Bundesrätin Keller-Sutter - am 20. Dezember 2022 nur die persönliche Mitarbeiterin -, die damalige Generalsekretärin des EJPD und weitere Mitarbeitende der EFV teil. ¹327
Eine von der EFV erstellte Informationsnotiz zum Thema der allfälligen Einführung eines PLB vom 21. Dezember 2022 hat Bundesrätin Keller-Sutter nach eigenen Aussagen nicht erhalten. ¹328 Gemäss den Aussagen der Direktorin der EFV hatte der damalige Departementsvorsteher die EFV gebeten, keine schriftlichen Dokumente direkt weiterzugeben, weil das schriftliche Dossier zur CS in der Verantwortung des SIF liege und von diesem konsolidiert werden sollte. ¹329
Darüber hinaus erwähnte der damalige Vorsteher des EFD in seiner Anhörung, dass das EFD bereits im Dezember den Einbezug und die Information von Bundesrätin Keller-Sutter durch die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen und die Direktorin der EFV angeboten habe. Es habe dann ein einziger Kontakt zwischen diesen Personen stattgefunden. Seiner Meinung nach habe diese Einführung durch die Fachleute «nicht optimal geklappt», wobei das nicht nur am EFD gelegen habe. 133⁰
Zwischen Bundesrätin Keller-Sutter und der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen fand im Jahr 2022 keine Besprechung statt. Gemäss Mailunterlagen des EFD nahm die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen bereits am 14. Dezember 2022 mit dem damaligen Generalsekretär des EFD Kontakt auf, da sie es als «dringend» erachtete, gemeinsam mit dem damaligen Vorsteher des EFD ein Briefing für Bundesrätin Keller-Sutter über die «geheime Thematik der Bank» durchzuführen. In der Folge schlug die persönliche Mitarbeiterin von Bundesrätin Keller-Sutter in Absprache mit dieser dem damaligen Generalsekretär des EFD einen konkreten Termin vor. 133¹ Ein solches Treffen wurde vom damaligen Vorsteher des EFD aber nicht für zwingend notwendig befunden. ¹332
Nachdem keine Besprechung zustande gekommen war, wollte die Staatssekretärin die künftige EFD-Vorsteherin am Rande einer Dienstreise nach Grossbritannien auf das Thema ansprechen. Bundesrätin Keller-Sutter nahm jedoch nicht an dieser Reise teil. ¹333 Nachdem sich die Situation der CS über die Feiertage verschlechtert hatte, verlangte und erhielt die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen gemäss eigenen Angaben vom damaligen Vorsteher des EFD die Telefonnummer von Bundesrätin Keller-Sutter, kontaktierte sie jedoch nicht. ¹334
Der damalige Vorsteher des EFD gab gegenüber der PUK zu Protokoll, dass Bundesrätin Keller-Sutter noch Ferien bezogen habe und daher erst in der zweiten Januarwoche für ein Treffen bereit gewesen sei. ¹335 Gemäss den Aussagen von Bundesrätin Keller-Sutter sei sie durchaus für Treffen zur Verfügung gestanden, was die beiden Treffen mit der Direktorin der EFV belegen würden (vgl. hierzu oben). Weiter habe sie keine Ferien bezogen, sondern gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden die Diskussionen zum Budget vorbereitet und die ihr abgegebenen Akten zu den Geschäften des EFD studiert. ¹336
Ein erster Kontakt zwischen der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen und Bundesrätin Keller-Sutter kam schliesslich erst am 5. Januar 2023 - also in der ersten Januarwoche - zustande (siehe Kap. 6.4.2).
Austausch auf der Stufe der Generalsekretärin und des Generalsekretärs
Die damalige Generalsekretärin des EJPD und heutige Generalsekretärin des EFD hatte im Dezember 2022 mehrmals Kontakt mit dem damaligen Generalssekretär des EFD. Der damalige Generalsekretär des EFD war jedoch nicht in die Arbeiten am CS-Dossier involviert. ¹337 Demzufolge erhielt die künftige Generalsekretärin des EFD von ihrem Vorgänger auch keine Informationen zu diesem Dossier. ¹338
132⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 58; Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S. 47; Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 33.
132¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 58 und vom 17.1.2024, S. 47
¹322 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 59
¹323 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 59
¹324 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 42 und 51
¹325 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 40
¹326 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S. 50
¹327 Schriftliche Antworten an die PUK vom 19.12.2023; Notiz EFV für Sitzung vom 20.12.2023.
¹328 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 75
¹329 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 48
133⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 39
133¹ E-Mail der persönlichen Mitarbeiterin von Bundesrätin Keller-Sutter an den GS-EFD vom 15.12.2022: Konkret wurde seitens der damaligen Vorsteherin des EJPD ein Treffen am Mittwoch, 21.12.2022, von 7.00-8.30 Uhr vorgeschlagen.
¹332 E-Mail der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen an den GS-EFD vom 14.12.2022; E-Mail der persönlichen Mitarbeiterin von Bundesrätin Keller-Sutter an die GS-EJPD vom 15.12.2022.
¹333 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 29
¹334 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 29
¹335 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 36 und vom 22.5.2024, S. 27
¹336 Stellungnahme der Vorsteherin des EFD vom 5.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation, S. 14
¹337 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 28 f. und vom 17.1.2024, S. 50
¹338 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S. 55
6.3.5.4 Geschäftsführung der Behörden infolge einer Verschärfung der Lage Ende Dezember 2022
Verschlechterung der Situation zwischen Weihnachten 2022 und Neujahr 2023
Am 28. Dezember 2022 wurde die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA vom Leiter des FINMA-Krisenstabs alarmiert, da sich die CS in einem kritischen Zustand befand: Die Cash-Positionen der Bank lagen im einstelligen Milliardenbereich, weshalb ein Zahlungsausfall einen Domino-Effekt hätte auslösen können. ¹339 Die Verwaltungsratspräsidentin wurde, obwohl sie nicht Mitglied des FINMA-Krisenstabs war, informiert, weil der damalige FINMA-Direktor unfallbedingt nicht zur Verfügung stand. Auch das SIF und die SNB hatten Kenntnis davon, dass die CS sehr kurz vor dem ELA-Bezug stand und die FINMA ihr eine Unterschreitung der Säule-1-Anforderungen gewährte. 134⁰
Die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA kontaktierte daraufhin den SNB-Präsidenten und den damaligen EFD-Vorsteher, um auf ein Treffen der Behörden mit dem CS-Verwaltungsratspräsidenten noch vor Jahreswechsel hinzuwirken. Am darauffolgenden Tag fand ein hochrangiger Austausch zwischen den Behörden und der CS statt, an dem der damalige EFD-Vorsteher, der SNB-Präsident und die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA sowie der CS-Verwaltungsratspräsident teilnahmen. Es handelte sich um ein weiteres Non-Meeting (siehe Kap. 6.3.3.2), das dementsprechend nicht protokolliert wurde. 134¹ An diesem Non-Meeting unterbreitete die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA der CS Forderungen und kündete Massnahmen an. Um soweit möglich Schriftlichkeit sicherzustellen, veranlasste die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA, dass diese Forderungen der CS sowie dem EFD und der SNB am Vorabend des Meetings zugestellt wurden. ¹342
Am genannten Treffen forderte die FINMA die CS auf, folgende Massnahmen zu treffen:
-
den Behörden bis zum 4. Januar 2023 fünf Namen möglicher Käufer zu nennen, die in plausibler Weise für eine Übernahme der CS infrage kamen;
-
einen Datenraum einzurichten, der es einem möglichen Käufer ermöglichen sollte, sich schnell einen Überblick über die Situation der CS zu verschaffen, um eine mögliche Übernahme zu beschleunigen;
-
die Übernahme durch die UBS vorzubereiten, sodass eine Pressekonferenz am 27. Januar 2023 möglich wäre.
Da trotz der bisherigen Vorbereitungen für einen Datenraum noch immer eine vierwöchige Due Diligence für potenzielle Käufer erforderlich gewesen wäre, verknüpfte die FINMA die Erfüllung der zweiten Bedingung mit der Androhung einer Sanierung nach Artikel 25 BankG als unvermeidliche Konsequenz bei einer Destabilisierung. ¹343
Das Gespräch mit dem CS-Verwaltungsratspräsidenten war von Spannungen geprägt. In der Sache waren sich die Behörden einig, auch wenn die FINMA gemäss Kenntnisstand der PUK verlangte, dass gegenüber der CS mit grösserer Geschlossenheit und Klarheit aufzutreten sei. ¹344 Jedenfalls widersprach keine der anwesenden Behörden der Forderung der FINMA, die CS solle die Ausarbeitung des Verkaufsszenarios beschleunigen, damit eine Kontaktaufnahme mit der UBS bald möglich werde. Der CS-Verwaltungsratspräsident habe erwidert, dass er die UBS erst nach einem ELA-Bezug kontaktieren werde. Der Verwaltungsrat des CS sei bis zu diesem Zeitpunkt vom Verwaltungsratspräsidenten noch nicht in die Überlegungen zu einem Verkauf der CS an die UBS einbezogen worden. Aufseiten der CS sei diesbezüglich eine Sitzung mit einem Ausschuss des Verwaltungsrates Anfang Januar und anschliessend die Information des Gesamtverwaltungsrates Anfang Februar vorgesehen. ¹345
Nach der Unterredung vom 29. Dezember habe der EFD-Vorsteher seine Nachfolgerin am Rande eines Telefongesprächs zu seinem Treffen mit dem chinesischen Vizeministerpräsidenten summarisch über die kritische Phase orientiert (siehe Kap. 6.3.5.3). ¹346 Auf eine Information an den Gesamtbundesrat, dass die CS in der Altjahreswoche 2022 erneut grosse Liquiditätsabflüsse erlitten hatte, verzichtete der EFD-Vorsteher jedoch. ¹347 Der Gesamtbundesrat wie auch der Bundeskanzler erfuhren erst in der Phase der Akutkrise im März 2023 von den kritischen Ereignissen Ende 2022. Gleiches gilt auch für die EFV, die nicht über diese Sitzungen informiert wurde und erst im Januar davon Kenntnis erhielt. ¹348
Die von der FINMA verlangte Einrichtung eines Datenraums, mit dem die Vorbereitungszeit einer Übernahme verkürzt werden sollte, wurde nach Aussage des Verwaltungsratspräsidenten der CS auf dessen internes Einwirken hin im Verlauf des Januars nach den Vorgaben der FINMA vorgenommen. ¹349 Nach Angaben der CS vom 12. Januar 2023 war der Datenraum soweit vorbereitet, dass die notwendigen Daten vorlagen und er innerhalb von 48 Stunden hätte operativ sein können (siehe Kap. 6.4.1). 135⁰
¹339 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 40
134⁰ Handnotiz der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen zu einem Telefonat mit dem Leiter Geschäftsbereich Banken der FINMA vom 28.12.2022; Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 40.
134¹ E-Mail eines Mitarbeiters der FINMA an den damaligen Direktor der FINMA und den Leiter Geschäftsbereich Banken der FINMA vom 28.12.2022, 18.18 Uhr; Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 40.
¹342 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 40 f.; Stellungnahme der FINMA vom 7.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation, S. 52.
¹343 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 40 f.; E-Mail der FINMA an die CS vom 28.12.2022, 18.36 Uhr.
¹344 E-Mail der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA an den damaligen Direktor der FINMA und den Leiter Geschäftsbereich Banken der FINMA vom 29.12.2022, 20.02 Uhr
¹345 E-Mail der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA an den damaligen Direktor der FINMA und den Leiter Geschäftsbereich Banken der FINMA vom 29.12.2022, 20.02 Uhr
¹346 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 59
¹347 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 54, 76
¹348 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 41
¹349 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 14
135⁰ Schreiben der CS an die FINMA vom 12.1.2023
¹283 «Bundesrat hat Departementsverteilung vorgenommen», Medienmitteilung des Bundesrates vom 8.12.2022
98⁰ Für die Details der Regulierung vgl. FINMA (2022): Welche Anforderungen an Eigenmittel und Liquidität müssen die Institute erfüllen?, 17.6.2022, https://www.finma.ch/ de/~/media/finma/dokumente/dokumentencenter/myfinma/4dokumentation/key-metrics-chartpack-2021.pdf?sc_lang=de&hash=B165AAA8F2364D7633AF34F0A2AC79A9 (Stand: 8.7.2024).
6.4 Fortführung der Krisenvorbereitung und Weiterentwicklung der Szenarien unter der neuen Departementsleitung (Januar bis Februar 2023)
Mit der Departementsübernahme von Bundesrätin Karin Keller-Sutter Anfang Januar 2023 nahm diese als neue EFD-Vorsteherin fortan Einsitz im LG. Die Lage der Bank schien sich etwas zu stabilisieren, was sich beispielsweise an höheren Liquiditätsquoten festmachen liess (siehe Abbildung 9). Dennoch blieb die Situation angespannt.
In Kapitel 6.4.1 wird die Aufsichtstätigkeit der FINMA im Kontext der Krisenvorbereitung in diesem Zeitraum thematisiert. In Kapitel 6.4.2 werden die ersten Treffen und Sitzungen unter der Leitung der neuen Vorsteherin des EFD behandelt. Kapitel 6.4.3 beschreibt die Entwicklung der Szenarien nach den ersten schriftlichen Informationen an den Bundesrat, und Kapitel 6.4.4 schliesslich befasst sich mit der öffentlichen Kommunikation der Behörden seit Herbst 2022.
Abbildung 9: Mindestliquiditätsquote der drei wichtigsten CS-Einheiten, Januar-Februar 2023 (LCR in %)
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Quelle : Die vorliegende Grafik basiert auf den Zahlen, die die CS der FINMA zur Verfügung stellte. Die CS lieferte der FINMA jeden Freitag Zahlen mit Werten von Donnerstag bis Mittwoch. Die rot dargestellte Liquiditätsanforderung von 100 %, die die CS einzuhalten hatte, stammt aus der öffentlichen Kommunikation der FINMA und galt für alle Bankinstitute in der Schweiz. 135¹
6.4.1 Fortgesetzte Aufsicht der FINMA gegenüber der CS im Kontext der Krisenvorbereitung
Unterschreitung der Liquiditätsanforderungen im Rahmen der Puffer am 3. Januar
Wie von der FINMA bereits im Dezember befürchtet (siehe Kap. 6.3.1.1), stellte sie am 3. Januar 2023 fest, dass die CS die Liquiditätsanforderungen bis Ende Januar temporär unterschreiten wird. Deshalb forderte die FINMA bis zum 12. Januar 2023 eine schriftliche Begründung für die Unterschreitung sowie einen Massnahmenplan (Funding Plan). ¹352 Die CS reichte diesen Funding Plan in der Folge ein. ¹353
Weitere Vorbereitungsarbeiten der Lösungsszenarien vom 4. bis 10. Januar
Parallel dazu wurden im Januar die Vorbereitungen für die Lösungsszenarien fortgesetzt. In einem Brief vom 4. Januar zum Stand der Lösungsvorbereitung stellte die CS eine mögliche Transaktionsstruktur als Teil des Lösungsszenarios Verkauf (siehe Kasten 9 in Kap. 6.3.1.1 oben) dar. Zu diesem Zeitpunkt erwog die CS ein öffentliches Kaufangebot im Einklang mit dem Übernahmerecht, eine Fusion im Sinne des Fusionsgesetzes oder einen Asset Deal, bei dem die CS-Gruppe ihre Tochtergesellschaften verkaufen und dann selber liquidiert würde. ¹354 Gleichzeitig teilte die CS eine Shortlist mit vier Kandidatinnen - UBS, eine US-amerikanische Bank, eine Bank aus dem EU-Raum und einen bisherigen Shareholder der CS-Gruppe - mit der FINMA.
Im selben Brief listete die CS, wie von der FINMA im Mail vom 28. Dezember 2022 aufgefordert, die Schlüsselrisiken und Herausforderungen einer solchen Transaktion auf. Es bestehe die Gefahr von Leaks. Zudem sei es sowohl schwierig, eine Vertragspartei zu finden, die willens und fähig sei, eine solche Transaktion durchzuführen, als auch die Zustimmung der ausländischen Regulationsbehörden, der Investorinnen und Investoren sowie der Kundinnen und Kunden zu sichern. Zudem müssten die regulatorischen Anforderungen an eine solche Transaktion spezifiziert werden. Weiter würden sich die CS und die andere Vertragspartei zwischen der Ankündigung der Transaktion und dem Closing erheblichen Risiken aussetzen. ¹355 Die CS zählte auch spezifische Risiken mit Bezug zur UBS auf: Viele Kundinnen und Kunden der CS und der UBS seien daran interessiert, eine Kundenbeziehung zu zwei Grossbanken zu haben, und würden im Falle einer Transaktion zu einer Drittbank wechseln. Weiter sei mit der Reduktion von Arbeitsplätzen zu rechnen. Sodann würde die Transaktion ein Risiko für die Schweizer Wirtschaft und den Schweizer Finanzplatz darstellen.
Die CS hatte zu diesem Zeitpunkt gemäss eigenen Angaben noch keinen Kontakt mit der UBS hergestellt. Sie verwies aber auf die 2020 erfolgten Gespräche (siehe Abbildung 2 in Kap. 5.1.2). Die genannten Herausforderungen würden die Kontaktaufnahme mit möglichen Vertragsparteien und die Konkretisierung der Transaktion erheblich erschweren. ¹356
In einem Telefongespräch vom 5. Januar 2023 teilte die CS dem Geschäftsbereich Banken der FINMA zudem mit, dass sie weiterhin den Bezug von ELA vermeiden möchte. Im Anschluss an dieses Telefonat führten Vertreter der FINMA und der SNB mit Vertretern der CS einen Workshop durch. Dabei thematisierten die Behörden den oben erwähnten Brief der CS vom 4. Januar und die aktuelle Situation der CS. Zudem erörterten sie die verschiedenen möglichen Lösungsszenarien sowie mögliche Risiken bei einer Fusion mit der UBS. Die CS identifizierte unter anderem kulturelle Unterschiede zwischen den Banken, die Erhaltung der Kundenbasis der CS sowie fehlende Synergien im Bereich des Wealth Managements als mögliche Risiken. Dennoch würde die UBS die meisten Synergien mit der CS aufweisen. Die CS bestätigte, dass der Datenraum benutzt werden könnte. Die FINMA teilte diese Ansicht jedoch nicht. Gemäss ihrer Einschätzung würden rund vier weitere Wochen Vorbereitungsarbeiten benötigt, um den Datenraum tauglich zu machen. Die FINMA und die SNB forderten die CS gemeinsam auf, die Vorbereitungen der Lösungsszenarien weiter voranzutreiben. ¹357
Am 10. Januar 2023 traf sich die FINMA mit den Vorsitzenden des Audit Committees und des Risk Committees der CS. Sie besprachen die sich leicht verbessernde Liquiditätssituation der CS sowie die Vorbereitungsarbeiten für die verschiedenen Lösungsszenarien. Die FINMA und die CS waren sich einig, dass zu diesem Zeitpunkt nur drei Lösungsszenarien infrage kamen: die CS kann die Krise alleine lösen, die CS schliesst sich mit einem anderen Finanzinstitut zusammen oder sie wird saniert. Die FINMA drückte ihre Enttäuschung über die Vorbereitungsarbeiten der CS aus. Die CS erwiderte, die Forderungen der FINMA seien, unter anderem wegen der Annahme, dass die CS auf mögliche Fusionspartner zugehen könne, etwas naiv. ¹358 Am gleichen Tag besprachen die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA und die Vorsteherin des EFD gemäss Aussage der Ersteren erstmals zusammen die Situation der CS (siehe Kap. 6.4.2). ¹359
Am darauffolgenden Tag fand erneut ein Treffen zwischen der FINMA und der CS statt. Thema der Besprechung waren das wöchentliche Update zur Situation der CS sowie die bevorstehende Medienmitteilung der FINMA zum Abschluss des Greensill-Enforcementverfahrens. 136⁰
Bestätigung der CS zum virtuellen Datenraum ab Mitte Januar 2023
Die Arbeiten betreffend die Bereitstellung des Datenraums wurden im Januar und Februar gemäss den Informationen der PUK intensiviert. 136¹ Zu Beginn des Jahres habe die FINMA die Vorbereitungsarbeiten der CS bemängelt und verlangt, dass diese den Datenraum schneller bereitstelle und aktualisierte Daten hochlade. ¹362
In einem Brief vom 12. Januar bestätigte die CS der FINMA, dass der Grossteil der für den Datenraum notwendigen Daten nun aufbereitet worden sei und der Datenraum innert 48 Stunden operabel wäre. Die CS gab zudem eine Übersicht über die Dokumente, welche bereits im Datenraum enthalten waren. ¹363 Die FINMA nahm dies in ihrem Brief vom 23. Januar 2023 zur Kenntnis und wies die Bank an, den Datenraum um weitere zentrale Dokumente - wie zum Beispiel die damals ausstehenden Kapital- und Finanzplanungsdokumente - zu ergänzen. ¹364
Die FINMA hielt zudem klar fest, dass der Verwaltungsrat der Bank verantwortlich dafür ist, die aktuelle Lage und die verbleibenden Optionen der CS regelmässig zu überprüfen, Massnahmen ausreichend früh einzuleiten und dadurch die Interessen der Investorinnen und Investoren und Kundinnen und Kunden zu wahren. ¹365
Ausserordentliche Tagungen des Verwaltungsrates der FINMA zur CS-Krise am 12. und 18. Januar
Nachdem sich der Verwaltungsrat ab Oktober 2022 über verschiedene Entscheide grosser Tragweite hat informieren lassen (siehe Kap. 6.3.1.2), tagte er am 12. und 18. Januar 2023 erneut ausserordentlich, um mögliche Entscheide noch weiter zu vertiefen. Dabei fokussierte er auf Kriterien für eine allfällige Entscheidung zwischen Sanierung und Konkurs. ¹366 Am 12. Januar informierten die Verwaltungsratspräsidentin, der Direktor und die Geschäftsbereichsleiter der FINMA den Verwaltungsrat über die Eigenmittel- und Liquiditätssituation der CS. Über die Festtage sei die Liquiditätssituation der CS sehr knapp gewesen, sie habe sich mittlerweile aber leicht verbessert. Zudem wurde der Verwaltungsrat über die Valuation-in-Resolution-Übung informiert (siehe Kasten 12 in Kap. 6.3.4.2). ¹367
Der Verwaltungsrat der FINMA diskutierte am 18. Januar die kritischen Werte, die die Valuation-in-Resolution-Übung ergeben hatte und die eine allfällige Sanierung der CS gefährden könnten. Dabei stellte er fest, dass bei der damaligen Zahlenbasis das Kapital kaum ein Problem darstelle. Die kritischen Werte lägen vor allem im Bereich Liquidität. Die FINMA selbst verfüge über keine Instrumente zur Schaffung von zusätzlicher Liquidität, sondern nur über Instrumente zur Solvenz (AT1-Anleihen, Bail-in -Bonds ). Deshalb sei der Zugang zu Liquidität über die Liquiditätsfazilitäten der SNB oder über einen PLB des Bundes als Entscheidungsgrundlage bei einer Sanierung oder einem Konkurs äusserst wichtig. Der Verwaltungsrat der FINMA erörterte in diesem Zusammenhang, ob eine entsprechende Liquiditätsbestätigung der SNB an die FINMA analog zur Solvenzbestätigung der FINMA an die SNB prüfenswert wäre. ¹368
Weitere Arbeiten an den Stabilisierungs-, Notfall- und Abwicklungsplänen der CS
Nachdem die FINMA am 13. Dezember 2022 von der CS gefordert hatte, dass diese weitere, konkrete Massnahmen zur Stabilisierung der Bank erarbeitet (siehe Kap. 6.3.1.1), reichte die CS am 6. Januar 2023 eine Liste der umgesetzten und geplanten Massnahmen ein. ¹369 Mit Schreiben vom 23. Januar 2023 stellte die FINMA gegenüber der CS fest, dass nur noch wenige Massnahmen zur Stabilisierung der Bank in Vorbereitung und diese bereits Teil des ordentlichen Finanz- und Kapitalplanes seien. In diesem Zusammenhang forderte die FINMA die CS auf, weitere Contingency-Massnahmen darzulegen, welche die Bank bei einer weiteren Verschlechterung der Situation treffen könnte. 137⁰
Weiterer Austausch zwischen der FINMA und der CS zur Vorbereitung des Verkaufsszenarios von Ende Januar bis Ende Februar 2023
Am 24. Januar 2023 fand ein weiteres wöchentliches Gespräch zur Situation der CS statt. Neben dem Direktor der FINMA und dem Leiter der Aufsicht über die CS-Gruppe war aufseiten der FINMA ausnahmsweise auch die Verwaltungsratspräsidentin anwesend. Aufseiten der CS nahmen der Verwaltungsratspräsident, der CEO und der Head of Regulatory Affairs teil. Thema waren unter anderem die Eigenmittel- und Liquiditätssituation der CS sowie die geplante Medienmitteilung betreffend Greensill. Anlässlich dieses Gesprächs kritisierte die FINMA die Darstellung der CS mit Bezug auf die aufsichtsrechtlichen Auflagen. Die FINMA habe die Möglichkeiten des Aufsichtsrechts ausgelotet und der CS seit der Strategieänderung zahlreiche Erleichterungen gewährt, welche nun an Grenzen stossen würden. Insbesondere sei der regulatorische Filter sehr grosszügig gewesen. Ausländische Aufsichtsbehörden hätten ebenfalls Erleichterungen gewährt. Die CS erwiderte, dass die Bewertung der Beteiligungen der Parent Bank mittels Marktwertmodellen prozyklisch wirke und damit problematisch sei. 137¹
Die FINMA und die CS sprachen am nachfolgenden wöchentlichen Gespräch vom 30. Januar zwischen dem Direktor der FINMA, dem Leiter der Aufsicht über die CS, dem Verwaltungsratspräsidenten der CS und weiteren Geschäftsleitungsmitgliedern die AT1-Anleihen der CS an. Dabei ging es nicht um eine allfällige Abschreibung, sondern um einen von der CS gewünschten Rückkauf der ältesten AT1-Anleihensserie per Juli 2023 ohne Ersatzemission. ¹372
Das Thema des Rückkaufs der AT1-Anleihen wurde erneut am wöchentlichen Gespräch vom 6. Februar 2023 aufgegriffen. Der Direktor der FINMA und der Leiter des Geschäftsbereichs Banken teilten dem CEO und CFO sowie dem Verwaltungsratspräsidenten der CS mit, die FINMA könne die von der CS gewünschte Ankündigung eines Rückkaufs einer AT1-Anleihensserie für Juli 2023 ohne Emission einer neuen Serie derzeit noch nicht erlauben: Die CS habe die nötigen Analysen zur Durchführung der Loss Potential Analyse (LPA) der FINMA nicht geliefert und ihre Profitabilität sei noch zu gering. Die Vertreter der CS antworteten, dass dies ein schlechtes Signal für den Markt sei und sie auf eine Ausnahme vonseiten der FINMA gehofft hätten. ¹373
Kurze Zeit später, am 24. Februar, besprach die FINMA die verschiedenen Lösungsszenarien mit der CS. Thema waren der mögliche Verkauf einiger Geschäftsbereiche und die Reduktion der sogenannten Capital Release Unit (CRU), also derjenigen Vermögenswerte, die nicht mehr mit der Strategie der CS vereinbar waren. Während die CS weiterhin den Fokus darauf legen wollte, das Vertrauen des Marktes in die Bank zu stärken, verlangte die FINMA, dass sie auch andere Lösungsoptionen auslotet. ¹374
Abschluss des Greensill-Enforcementverfahrens Ende Februar
Die FINMA veröffentlichte am 28. Februar ihre Medienmitteilung zum Abschluss des Greensill-Enforcementverfahrens. Darin teilte sie mit, dass die CS mit Blick auf das Risikomanagement und eine angemessene Betriebsorganisation in schwerer Weise gegen die aufsichtsrechtlichen Pflichten verstossen und die FINMA korrigierende Massnahmen angeordnet habe. Die CS sei verpflichtet worden, künftig auf Stufe der Geschäftsleitung periodisch die wichtigsten Geschäftsbeziehungen namentlich auf Gegenparteirisiken zu überprüfen. Ferner müsse die CS die Verantwortlichkeiten ihrer (rund 600) höchsten Mitarbeitenden in einem Verantwortlichkeitsdokument festhalten. Schliesslich habe die FINMA vier Enforcementverfahren gegen ehemalige Manager der CS eröffnet. Die FINMA setzte einen Prüfbeauftragten ein, der die Umsetzung der von ihr angeordneten Massnahmen überprüfen sollte. ¹375
Die CS kritisierte diese Medienmitteilung anlässlich des wöchentlichen Treffens mit der FINMA vom 1. März 2023. Nach ihrer Ansicht hätte die Medienmitteilung stärker auf die bereits von ihr ergriffenen Massnahmen und die erzielten Fortschritte fokussieren können, da sie sich noch in einer Vertrauenskrise befand. Die FINMA wies die CS darauf hin, dass sie die Medienmitteilung im Voraus mit ihr besprochen und ihre Rückmeldungen berücksichtigt habe. ¹376
¹352 Brief der FINMA an die CS vom 3.1.2023, S. 1
¹353 Brief der FINMA an die CS vom 3.1.2023; Stellungnahme vom 5.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation, S. 13.
¹354 Brief der CS an die FINMA vom 4.1.2023, S. 3 ff.
¹355 Brief der CS an die FINMA vom 4.1.2023, S. 2
¹356 Brief der CS an die FINMA vom 4.1.2023, S. 7
¹357 Interne Notiz der FINMA vom 5.1.2023, S. 2
¹358 Interne Notiz der FINMA vom 10.1.2023, S. 1
¹359 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 43
136⁰ Chronologie der FINMA, S. 27; Email-Austausch zwischen Mitarbeitenden der FINMA vom 11.1.2023.
136¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 61 f.
¹362 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 60
¹363 Brief der CS an die FINMA vom 12.1.2023, S. 1
¹364 Brief der FINMA an die CS vom 23.1.2023, S. 1
¹365 Brief der FINMA an die CS vom 23.1.2023, S. 1
¹366 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 12.1.2023, S. 1. Gemäss den Informationen der PUK lag der Vorbereitungsgrad der Sanierungsverfügung zu diesem Zeitpunkt bei etwa 90 % (Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 61).
¹367 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 12.1.2023, S. 1
¹368 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 18.1.2023, S. 2
¹369 E-Mail der CS an die FINMA vom 6.1.2023, «Contingency Measures»
137⁰ Brief der FINMA an die CS vom 23.1.2023
137¹ Interne Notiz der FINMA vom 24.1.2023
¹372 Interne Notiz der FINMA vom 30.1.2023
¹373 Interne Notiz der FINMA vom 6.2.2023
¹374 Interne Notiz der FINMA vom 24.2.2023
¹375 «FINMA schliesst ‹Greensill›-Verfahren gegen Credit Suisse ab», Medienmitteilung der FINMA vom 28.2.2023
¹376 E-Mail-Austausch zwischen Mitarbeitenden der FINMA vom 2.3.2023 (9.38 Uhr)
6.4.2 Erste Treffen und Sitzungen unter der neuen Departementsleitung (Januar 2023)
Austausch der neuen EFD-Departementsvorsteherin mit den Behörden und der CS
Die neue EFD-Vorsteherin traf sich ab ihrem Amtsantritt im Januar 2023 mit verschiedenen Behördenvertreterinnen, um sich im Hinblick auf die erste Sitzung des LG vom 11. Januar 2023 über die Situation im CS-Dossier informieren zu lassen. Am 5. Januar 2023 wurde sie von der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen in das CS-Dossier eingeführt, die sie in Vorbereitung auf die LG-Sitzung zudem über die bisherigen Diskussionen im Rahmen des AF informierte. ¹377 Die neue Departementsvorsteherin traf sich Anfang Januar auch mit der FINMA-Verwaltungsratspräsidentin, die sie über die aktuelle Situation der CS aufklärte und mit ihr unter anderem die bis anhin getroffenen Massnahmen und Enforcementverfahren der FINMA erörterte. ¹378
Mit dem CS-Verwaltungsratspräsidenten sprach die neue EFD-Vorsteherin erstmals in informeller Art und Weise am 11. Januar am Rande eines Treffens der wichtigsten Akteure des Finanzplatzes. Vonseiten der CS-Führungsebene sei ihr der Eindruck vermittelt worden, dass die Lage zwar schwierig sei, die CS diese aber unter Kontrolle habe und keine Staatshilfe benötige. ¹379 Ein offizieller Antrittsbesuch fand weder mit dem Verwaltungsratspräsidenten noch mit dem CEO der CS statt, da die EFD-Vorsteherin nach eigener Aussage bei beiden keinen Termin erhielt. Im Gegensatz dazu kam es im gleichen Zeitraum rasch zu einem Antrittsbesuch bei der UBS. 138⁰
Formalisierung der vier Szenarien im AF
Der AF kam im neuen Jahr erstmalig am 6. Januar 2023 zusammen. Die Mitglieder des AF waren vom Wechsel an der Spitze des EFD nicht direkt betroffen, abgesehen davon, dass das SIF und die EFV eine neue Vorgesetzte hatten. An der genannten Sitzung diskutierten die Mitglieder des AF die Übernahme des Credit-Suisse-Dossiers durch die neue Vorsteherin des EFD. Ziel der Sitzung war vor allem die Vorbereitung der Themen, die an der ersten Sitzung des LG unter der Leitung der neuen EFD-Vorsteherin - die für die darauffolgende Woche angesetzt war - behandelt werden sollten. So informierte der Leiter des Geschäftsbereichs Banken der FINMA die Mitglieder über die Entwicklungen beim Projekt «Como». Dies war der Name für das Szenario der Übernahme der CS durch die UBS. Der AF kam zum Schluss, aus den Diskussionen würden sich vier Szenarien herauskristallisieren: A) Die CS schafft es aus eigener Kraft aus der Krise, B) Übernahme, C) Sanierung und D) Konkurs mit Auslösung des Notfallplans.
Es folgte eine Diskussion über den Liquiditätsbedarf bei einer Fusion mit der UBS. Die EFV stellte die Frage, ob in diesem Fall möglich wäre, das ELA-Potenzial zu benützen. Die SNB bejahte dies, unter der Voraussetzung, dass die UBS selber ELA beziehen und die Liquidität dann der CS leihen würde. Sie verwies auf die diesbezüglichen Vorbehalte der FINMA. 138¹
Unter anderem wurden die
potenzielle Höhe der ELA und der Nutzen dieses Instruments recht kontrovers diskutiert. Der Direktor der FINMA teilte mit, dass ihm die CS signalisiert habe, sie würde lieber bestimmte Liquiditätsanforderungen unterschreiten als eine ELA in Anspruch nehmen.
¹382
Der Ton zwischen einigen Vertreterinnen und Vertretern der FINMA und der SNB wurde rauer: Erstere warfen letzteren vor, nicht genügend zu tun, um die Kapazität der ELA zu erhöhen, ohne diesen Vorwurf aber zu erhärten.
¹383
Anschliessend entschuldigten sich die betreffenden Personen.
¹384
Die Staatssekretärin
für internationale Finanzfragen
betonte den Wunsch der neuen Vorsteherin des EFD, eine Analyse der volkswirtschaftlichen Folgen der verschiedenen Szenarien durchzuführen, um das Eingreifen des Staates und den Einsatz öffentlicher Mittel, aber auch die Anwendung von Notrecht rechtfertigen zu können.
¹385
Der AF wies darauf hin, dass geklärt werden müsse, ob die FINMA anstelle der WEKO handeln dürfe, und dass eine grundsätzliche Zustimmung («
in-principle approval
») der ausländischen Regulierungsbehörden (Fed, PRA, asiatische Regulierungsbehörden) einzuholen sei, um den Weg für eine allfällige Fusion der CS mit der UBS zu bereiten.
¹386
Im AF herrschte Einigkeit, dass es nötig war, das Szenario einer TPO für die systemrelevante Schweizer Einheit der CS im Falle eines Konkurses der Bank vertiefter und schneller vorzubereiten.
Auf Anregung der Direktorin der EFV wurde daraufhin eine vom SIF geleitete Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich eigens mit der TPO befasste.
¹387
Mündliche Information des Bundesrates über die Szenarien am 11. Januar 2023
Mit dem Departementswechsel im EFD und der Intensivierung der Krisenvorbereitungen änderte sich ab Januar 2023 der Rhythmus, in welchem das Dossier CS im Bundesrat thematisiert wurde. Bereits an der ersten Sitzung im neuen Jahr, am 11. Januar, informierte die neue EFD-Vorsteherin den Gesamtbundesrat mündlich über die aktuelle Situation und stellte in Aussicht, regelmässig über die Lage der Bank zu informieren. ¹388 Der Bundesrat wurde zudem darüber orientiert, dass die BK die Vorbereitungsarbeiten für eine Kommunikation im Ernstfall abgeschlossen hatte. ¹389
Fortsetzung der Diskussionen im AF und LG
Nach der Bundesratssitzung vom 11. Januar traf sich das LG am Abend zum ersten Mal in seiner neuen Zusammensetzung, mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter als Vorsteherin des EFD. Es wurden die einzelnen Szenarien präsentiert und diskutiert. Jedem Szenario wurde ein Buchstabe zugeteilt: A) Die Bank schafft es aus eigener Kraft; B) Übernahme der Bank; C) Sanierung mit Bail-in und PLB; D) Break-up und Notfallplan (für eine umfassende Beschreibung dieser Szenarien siehe Kasten 11 in Kap. 6.3.3.1). In der weiteren Diskussion im LG wies die Vorsteherin des EFD darauf hin, wie wichtig eine solide Entscheidungsgrundlage für ein Eingreifen der Behörden sei. Es sei zentral aufzuzeigen, weshalb ein Eingreifen unvermeidlich sei und welcher Schaden (für die Wirtschaft oder für die Reputation) dadurch vermieden werden könne. Den Behörden (FINMA, SNB, SIF, EFV) wurden für jedes der Szenarien mehrere Aufträge erteilt: Es wurde unter anderem beschlossen, ein Konzept zu erarbeiten, «wie und inwiefern das bestehende Volumen an ELA in einem inländischen Verkaufsszenario massgeblich vergrössert werden kann inkl. allfällige dazu erforderliche gesetzliche Anpassungen per Notrecht». 139⁰
Dem AF (24. Januar) und dem LG (26. Januar) wurden von der SNB eine Kombination von gesetzlichem Pfandrecht und Konkursprivileg vorgeschlagen. Die SNB führte aus, sie könne im bestehenden privatrechtlichen Rahmen keine weiteren Massnahmen ergreifen, um ELA-Darlehen zu erhöhen. Erhöhungen unter Notrecht seien jedoch prüfenswert. Um deren Wirksamkeit zu maximieren, müsse jedoch auch das Upstreaming-Potenzial durch interne, gesicherte Finanzierungsgeschäfte zwischen der Schweizer Tochter und der Parent Bank erhöht werden. 139¹ Die SNB betonte an der AF-Sitzung vom 24. Januar, dass sie in der Vergangenheit verschiedene Massnahmen ergriffen habe, um das ELA-Potenzial zu erhöhen, und die Bank auf notwendige Arbeiten hingewiesen habe. Die CS habe sich aber nicht entsprechend vorbereitet. ¹392 Die SNB kam zum Schluss, dass die vorbereitete ELA nicht ausreichen würde, falls das Vertrauen in die Bank nicht wiederhergestellt werden könne. Es brauche daher begleitende Massnahmen, um die Ursache der Abflüsse zu adressieren. Eine hohe ELA - ohne Begleitmassnahmen - könne sogar zu einer Herabstufung der Bank durch die Ratingagenturen führen, weil ein wesentlicher Teil der Aktiven für die SNB gebunden wäre und nicht mehr für die Deckung der «unsecured Debt» zur Verfügung stünde. ¹393 Zum ersten Mal wurden konkrete Vorschläge zur ELA+ formuliert. Es war vorgesehen, an der nächsten Sitzung des LG eine Aktualisierung der Szenarien vorzunehmen, da die Vorsteherin des EFD den Bundesrat über die verschiedenen Optionen auf dem Laufenden halten wollte.
Anlässlich der Sitzung vom 24. Januar griff der AF auch die Frage der möglichen Liquiditätszuflüsse von der Schweizer Tochtergesellschaft der CS-Gruppe (Credit Suisse (Schweiz) AG) zum Stammhaus (Credit Suisse AG) im Kontext eines möglichen ELA-Bezugs durch die Bank intensiver auf (siehe Kasten 16 in Kap. 7.2.2.2). Eine Vertreterin der SNB erläuterte, dass die Schweizer Tochtergesellschaft den grössten Teil der ELA beziehen könnte, weil sie in der Lage sei, die dafür notwendigen Sicherheiten zu bieten. Andere Einheiten der CS-Gruppe seien jedoch ebenfalls auf Liquidität angewiesen. In diesem Zusammenhang stellte der AF fest, dass die Schweizer Tochtergesellschaft aufgrund der geltenden Intercompany-Limiten nicht in der Lage wäre, die erhaltene Liquidität ohne Einschränkung an andere Einheiten weiterzuleiten. Diese Limiten ergäben sich aus dem Notfallplan. ¹394 Der Leiter des Geschäftsbereichs Banken der FINMA führte aus, dass die Güterabwägung zwischen dem Schutz der systemrelevanten Funktionen einerseits und der Verteilung der Liquidität innerhalb der CS-Gruppe andererseits delikat sei. ¹395 Daraufhin erstellten die FINMA und die SNB eine interne Auslegeordnung, welche sie dem AF vorstellen wollten. ¹396
Die SNB präsentierte daher an der Sitzung des LG vom 26. Januar 2023 eine Übersicht über die vier Szenarien, die zu diesem Zeitpunkt in Betracht gezogen wurden, und erläuterte deren Vor- und Nachteile anhand eines schriftlichen Dokuments (Tabelle 15). Um beurteilen zu können, welche Möglichkeiten die Schweizer Behörden haben, wurden verschiedene Ziele genannt: Weiterführung der systemrelevanten Funktionen der Bank, Minimierung der Finanzrisiken für den Bund, Erhalt von Wettbewerb und Angebotsvielfalt im Schweizer Bankensystem, Vermeidung einer Verschärfung der TBTF-Problematik in der Schweiz, Wahrung von Reputation und Bedeutung des Schweizer Finanzplatzes, Erhalt von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen, Vermeidung von Problemen im internationalen Finanzsystem aufgrund einer Schweizer Bank.
Das LG kam zum Schluss, dass das Szenario «Credit Suisse schafft es aus eigener Kraft» die beste Lösung wäre, die anderen Szenarien aber weiterentwickelt werden müssen. ¹397 Gemäss den Informationen der PUK fand weder im AF noch im LG eine Diskussion der internen Auslegeordnung der FINMA zum Upstreaming statt.
Tabelle 15: Vor- und Nachteile der verschiedenen Szenarien (Stand 26.1.2023)
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| Szenario | Vorteile | Nachteile |
|---|---|---|
| A: ELA oder ELA+ mit bankeigener Stärkung der Finanzkraft | Mögliche Wiederherstellung des Vertrauens in CS Staatliche Unterstützung beschränkt sich auf Liquiditätshilfe (entspricht den TBTF-Regeln)Geringer Bedeutungs- und Reputationsverlust für den CH-FinanzplatzVermeidung von negativen Auswirkungen auf Wettbewerbssituation und CH-Volkswirtschaft | Bei erfolgloser Umsetzung und zu langem Festhalten am Szenario werden Voraussetzungen für alternative Massnahmen (z. B. Übernahme oder Sanierung) immer schlechterAnwendung von ELA+ erfordert Notrecht und ist mit finanziellen Risiken für SNB verbunden |
| B: Übernahme durch UBS oder ausländische Grossbank | Wiederherstellung des Vertrauens in CS ohne staatliche SolvenzhilfeAttraktiver Ansatz aus Sicht Partnerbank angesichts der sehr tiefen Marktbewertung der CS | Risiko einer Ansteckung der PartnerbankBei Übernahme durch UBS: Verschärfung der TBTF-Problematik, Verschlechterung der Wettbewerbssituation und Reduktion der Angebotsvielfalt für die Wirtschaft Schweizer Arbeitsplätze gehen verlorenLange Unsicherheitsphase von der Ankündigung bis zum Abschluss der Transaktion, ungeeignet als Notfallmassnahme bei akuter Destabilisierung der CSKomplexe Verhandlungen mit ausländischen Behörden, insbesondere bei Cross-Border-ÜbernahmeEin Kauf kann nicht erzwungen werden, schwache Verhandlungsposition der Behörden ELA+ basierend auf Notrecht könnte erforderlich sein |
| C: Sanierung mit Bail-in und PLB | Entspricht TBTF-Dispositiv und vermeidet staatliche SolvenzhilfeWiederherstellung des Vertrauens in CSNeues Kapital schafft die Voraussetzung für ReformenStärkung der Glaubwürdigkeit der TBTF-Regulierung Geringes Risiko für systemrelevante Funktionen | Ein Bail-in bei einer Grossbank wurde weltweit noch nie durchgeführt und stellt einen einschneidenden Eingriff dar Mögliche Spillovers auf die Finanzmärkte oder UBS nicht ausgeschlossen Verkleinerung CS: weniger Arbeitsplätze und Steuereinnahmen, weniger Wettbewerb und reduzierte AngebotsvielfaltStigmatisierung von CS ist wahrscheinlich Ungewissheit betreffend Entscheid der Finanzdelegation |
| D: Auslösung des Notfallplans mit PLB und TPO der Schweizer Einheit | Anwendbar im Notfall, Fortführung der systemrelevanten Funktionen in der Schweiz Mit einer TPO steht ein wirksamer Fallback zur Vertrauensbildung zur Verfügung | Dramatisches Ereignis für den CH-Finanzplatz Umsetzungsrisiken beim Notfallplan trotz VorbereitungRisiko für Ausfall der systemrelevanten FunktionenStaatliche Übernahme durch TPO per Notrecht widerspricht den Prinzipien der TBTF-Regulierung; Bund setzt sich finanziellen und operationellen Risiken ausAllfällige Klagen gegen CH-Einheit im Zuge der Abwicklung der Parent BankBelastet zukünftige Zusammenarbeit mit ausländischen BehördenVerschlechterung der Wettbewerbssituation und reduziertes Angebot für die Wirtschaft (besonders im Investmentbank-Bereich)Starke Reduktion von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen |
Quelle: B2-Krise: Übersicht zu den Vor- und Nachteilen möglicher Massnahmen, Powerpoint-Präsentation LG vom 26.1.2023.
An dieser Sitzung diskutierte das LG auch über die Vorbereitungen der SNB zur Erhöhung des ELA-Betrags per Notrecht (ELA+). Die FINMA befasste sich zudem mit den regulatorischen Erleichterungen, die für das Projekt «Como», also die Übernahme der CS durch die UBS, notwendig wären. Die anwesenden Behörden wurden beauftragt, die Vorbereitungen für ELA+ und das Projekt «Como» fortzusetzen. ¹398
Parallel zu den Beratungen im AF und im LG führten der Direktor der FINMA und Bundespräsident Alain Berset am 24. Januar 2023 ein Gespräch. ¹399 Bundespräsident Alain Berset sagte aus, er habe das Thema CS zwar angesprochen, habe in diesem Gespräch jedoch keinerlei Anhaltspunkte für besondere Probleme erhalten; er habe eher den Eindruck gehabt, dass das Schlimmste vorbei sei. 140⁰
¹377 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2023; E-Mail der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen an die EFD-Vorsteherin vom 9.1.2023, 13.46 Uhr.
¹378 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023
¹379 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 53 f.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 82.
138⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 82
138¹ Transkription der AF-Sitzung vom 6.1.2023, S. 7 und 14
¹382 Transkription der AF-Sitzung vom 6.1.2023, S. 4 f.
¹383 Transkription der AF-Sitzung vom 6.1.2023, S. 20 ff.
¹384 Transkription der AF-Sitzung vom 6.1.2023, S. 29
¹385 Transkription der AF-Sitzung vom 6.1.2023, S. 10 f.
¹386 Transkription der AF-Sitzung vom 6.1.2023, S. 9
¹387 Transkription der AF-Sitzung vom 6.1.2023, S. 24-26
¹388 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023
¹389 Auszug aus dem Protokoll der Bundesratssitzung vom 11.1.2023
139⁰ Protokoll der LG-Sitzung vom 6.1.2023
139¹ ELA-Erweiterung mittels Notrecht. Präsentation AF, Powerpoint Präsentation der SNB vom 24.1.2023
¹392 Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024; Transkription der AF-Sitzung vom 24.1.2023, S. 9.
¹393 Transkription der AF-Sitzung vom 24.1.2023, S. 9 ff.; ELA-Erweiterung mittels Notrecht, Powerpoint-Präsentation der SNB, AF vom 24.1.2023.
¹394 Transkription der AF-Sitzung vom 24.1.2023, S. 11
¹395 Transkription der AF-Sitzung vom 24.1.2023, S. 15
¹396 Transkription der AF-Sitzung vom 7.2.2023, S. 16
¹397 Protokoll der LG-Sitzung vom 26.1.2023; B2-Krise: Übersicht zu den Vor- und Nachteilen möglicher Massnahmen, Powerpoint-Präsentation LG vom 26.1.2023.
¹398 Protokoll der LG-Sitzung vom 26.1.2023
¹399 Chronologie der FINMA vom 19.9.2023
140⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023
6.4.3 Vertiefung der möglichen Szenarien durch die Behörden (Februar 2023)
Im Februar 2023 setzten die Behörden die Vorbereitungsarbeiten für die einzelnen Szenarien fort. Zu Monatsbeginn wurde der Bundesrat zum ersten Mal mittels schriftlicher Dokumente über die diesbezüglichen Überlegungen informiert.
6.4.3.1 Erste schriftliche Information an den Bundesrat über mögliche Szenarien
In Absprache mit dem LG und trotz gewisser Bedenken wegen des Risikos eines Leaks beschloss die EFD-Vorsteherin im Januar, den Bundesrat über die Entwürfe der Szenarien im Umgang mit der CS zu informieren. 14⁰1 Nachdem die Diskussion der Szenarien an der Bundesratssitzung vom 25. Januar mündlich angekündigt worden war, fand diese in der Folgewoche statt. 14⁰2 Die Sitzungsunterlagen zuhanden des Bundesrates wurden im Kreise des LG besprochen und mithilfe der Rückmeldungen vonseiten der SNB und der FINMA ergänzt. 14⁰3
Am 1. Februar informierte die EFD-Vorsteherin den Bundesrat zuerst mündlich über die bisherige Entwicklung der Liquiditäts- und Kapitalausstattung der CS. Danach sprach der Bundesrat über die vier infrage kommenden Szenarien. 14⁰4 Für diese Diskussion erhielt er zum ersten Mal eine schriftliche Grundlage, die zu Beginn der Sitzung ausgeteilt und anschliessend wieder eingezogen wurde. Präsentiert wurden die folgenden Szenarien:
A.
Die Bank schafft es aus eigener Kraft, unter Ausnutzung der Spielräume, die die Behörden gewähren können. Dieses Szenario wurde als das einzige ohne gravierende Probleme beschrieben. Als mögliche staatliche Massnahme wurde ELA genannt, welche von der SNB bereits vorbereitet worden sei. Eine Ausweitung der ELA, gegebenenfalls mit Notrecht durch den Bundesrat, wurde geprüft.
B.
Ein Verkauf der CS an eine inländische oder ausländische Bank. Zu diesem Szenario wurde festgehalten, dass eine rechtzeitige Übernahme eine Sanierung oder einen Konkurs verhindern könnte, jedoch auch negative Folgen wie einen Stellenabbau in der Schweiz oder den Verlust systemrelevanter Funktionen an eine ausländische Bank hätte. Bei diesem Szenario waren noch wettbewerbsrechtliche Fragen zu klären. Die EFD-Vorsteherin verwies auf die Sonderkompetenz der FINMA. Auch in diesem Szenario wurde mit ELA oder einer durch Notrecht erweiterten ELA gerechnet. Die EFD-Vorsteherin hielt fest, dass kein konkreter Kaufinteressent bekannt sei, da eine Sondierung erst bei einem definitiven Entscheid für dieses Szenario möglich werde.
C.
Sanierung mit Bail-in und PLB. Dieses Sanierungsszenario entsprach dem TBTF-Dispositiv, wurde aber für eine global systemrelevante Bankengruppe weltweit noch nie erprobt, weshalb ein Reputationsschaden für den Finanzplatz befürchtet wurde. Es war vorgesehen, die von der FINMA durchgeführte Sanierung mit einem bereits weitgehend vorbereiteten notrechtlichen PLB zu ergänzen, sofern ELA nicht ausreichen sollte.
D.
Konkurs Group AG und Bank AG (Weiterführung der Schweizer Einheit). Bei diesem Szenario war vorgesehen, die Schweizer AG mit dem Notfallplan aus der Gruppe herauszulösen, um systemrelevante Funktionen weiterzuführen. Auch dieses Szenario gehörte zum TBTF-Dispositiv, wurde jedoch von den Behörden als Worst Case mit hohem Schaden für den Finanzplatz angesehen. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Durchführung des Konkurses und des Notfallplans durch die FINMA eine TPO notwendig würde, falls die Suche nach einem Käufer für die Schweizer Einheit zu lange dauern sollte. Die TPO war jedoch noch nicht vorbereitet worden. Obwohl eine solche bisher grundsätzlich nicht vorgesehen war, prüfte das EFD dazu eine Notrechtsvariante. 14⁰5
Abbildung 10: One-Pager mit Übersicht der Szenarien zuhanden des Bundesrates
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
Quelle: Folie Credit Suisse BR vom 1.2.2023, Powerpoint-Präsentation des EFD vom 1.2.2023.
Dem Bundesrat sei im Rahmen dieser Präsentation aufgezeigt worden, dass der Einsatz von Notrecht möglicherweise in allen vier Szenarien nötig werden könnte. 14⁰6 Der Bundesrat verabschiedete nach der Diskussion der Szenarien kein Mandat für die Vertiefung einer der präsentierten Optionen, die verteilte schriftliche Unterlage wurde zudem wieder eingesammelt.
Die Bundeskanzlei teilte dem Bundesrat an der gleichen Sitzung mit, dass die nach der Sitzung vom 2. November 2022 begonnenen Vorarbeiten für die Krisenkommunikation abgeschlossen seien. 14⁰7 Die Kommunikationspläne für die beiden Szenarien «Einführung eines PLB» und «Liquidation der Bank» sowie die entsprechenden Unterlagen lagen für den Bedarfsfall vor. Die Arbeiten für die Vorbereitung der weiteren Szenarien mussten jedoch fortgeführt werden. 14⁰8
An der genannten Sitzung orientierte die EFD-Vorsteherin den Bundesrat zudem, dass im Falle von kurzfristig zu treffenden Entscheiden auf Sitzungen des Bundesratsausschusses Finanzfragen verzichtet werden müsse. Gemäss Aussagen von mehreren Bundesratsmitgliedern herrschte Einigkeit darüber, dass der Finanzausschuss im Falle einer Krise nicht als kurzfristiges Steuerungsorgan dienen kann, da die laufenden Arbeiten nach Einschätzung der Beteiligten im Kompetenzbereich des LG lagen und in einer Krise eine direkte Information des Gesamtbundesrates vorzuziehen ist. 14⁰9
Aktualisierung des Risikoreportings und weitere Informationen an den Bundesrat
An seiner Sitzung vom 15. Februar befasste sich der Bundesrat mit der Thematik einer möglichen Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts auf einer übergeordneten Ebene, konkret im Rahmen des jährlich zu aktualisierenden Risikoreportings. Dabei wurde dem Bundesrat von der GSK vorgeschlagen, die Eintrittswahrscheinlichkeit der Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts von «selten» auf «möglich» zu erhöhen (siehe Kap. 5.7.1.2). Der Bundesrat nahm diese Änderung zur Kenntnis. Allerdings ist gemäss Kenntnisstand der PUK davon auszugehen, dass diese Anpassung nicht Gegenstand von expliziten Beratungen im Bundesrat war.
Eine Woche später, an der Sitzung vom 22. Februar, informierte die EFD-Vorsteherin den Bundesrat erneut mündlich über die Situation der CS. 141⁰ Es habe sich an dieser Sitzung aber weiterhin kein unmittelbar dringlicher Handlungsbedarf gezeigt. 141¹ Eine weitere Orientierung der Bundesratsmitglieder wäre für den 29. März oder 5. April 2023 vorgesehen gewesen. 14¹2 Der Bundesrat hätte dann mithilfe von Drehbüchern zu den Prozessabläufen bei den Szenarien über seine Rolle informiert werden sollen. 14¹3 Aufgrund der sich ab Mitte März überschlagenden Ereignisse kam der Bundesrat dann aber ab dem 15. März 2023 fast täglich zusammen (siehe Kap. 7).
Entwicklung der Information des Gesamtbundesrates
Die Informationen zur CS wurden dem Gesamtbundesrat weiterhin mündlich vermittelt. Die einzige schriftliche Unterlage wurde nach Sitzungsende wieder eingezogen. 14¹4 Der Vermeidung von Leaks wurde in der Wahrnehmung verschiedener angehörter Bundesratsmitglieder auch unter der neuen EFD-Vorsteherin eine hohe Priorität eingeräumt. 14¹5 Die erstmalige Verwendung schriftlicher Unterlagen am 1. Februar 2023 wurde jedoch positiv eingeschätzt. Diese Unterlagen boten eine Diskussionsbasis und die Grundlage, um sich den Rahmen für künftige Besprechungen über die Szenarien anzueignen. 14¹6 Zudem wurde nicht mehr nur in Krisensituationen, sondern regelmässig zum aktuellen Stand kommuniziert. 14¹7 In den Protokollen zu den Bundesratssitzungen findet sich jedenfalls keine Kritik mehr, dass das EFD vermehrt schriftlich informieren solle, wie das noch im November 2022 der Fall gewesen war.
14⁰1 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 74 ff.
14⁰2 Protokoll der Bundesratssitzung vom 25.1.2023; Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023.
14⁰3 Protokoll der LG-Sitzung vom 26.1.2023, S. 3
14⁰4 Protokoll der Bundesratssitzung vom 1.2.2023
14⁰5 Sprechnotiz des SIF für die Bundesratssitzung vom 1. Februar 2023 vom 27.1.2023; Protokoll der Bundesratssitzung vom 1.2.2023.
14⁰6 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 46
14⁰7 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024
14⁰8 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.4.2024
14⁰9 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023; Protokoll der LG-Sitzung vom 16.2.2023.
141⁰ Auszug aus dem Protokoll der Bundesratssitzung vom 22.2.2023
141¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 45 f.
14¹2 Protokoll der LG-Sitzung vom 16.2.2023, S. 2
14¹3 Transkription der AF-Sitzung vom 14.2.2023, S. 19 f.
14¹4 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2022, S. 44; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 63.
14¹5 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023; Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024; Sitzungsprotokoll vom 14.2.2024, S. 83.
14¹6 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023; Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 83.
14¹7 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024
6.4.3.2 Weiterentwicklung der Szenarien im Ausschuss Finanzkrisen und im Lenkungsgremium
Quantitative Analysen der Folgen eines Konkurses der CS
Nach der Diskussion der Szenarien im Bundesrat setzten die Behörden die entsprechenden Vorbereitungsarbeiten fort. Am 2. Februar 2023 präsentierte die SNB dem AF die Analysen zu den wirtschaftlichen Folgen eines Konkurses der CS ohne Eingreifen des Staats. Zum ersten Mal lagen quantitative Schätzungen zu den Auswirkungen eines Unterbruchs der systemrelevanten Funktionen der Bank vor. Der wirtschaftliche Schaden würde sich auf mehr als 100 % des Schweizer BIP belaufen. 14¹8 Diese Präsentation kam zum Schluss, dass das Szenario «Sanierung und Bail-in» die beste Lösung sei. 14¹9
Der AF hielt diese Schlussfolgerung jedoch für nicht ausreichend belegt und beauftragte die Arbeitsgruppe, die Analyse zu verfeinern und nicht nur die Kosten eines ungeordneten Konkurses der CS, sondern - zu Vergleichszwecken - auch die Kosten der in Betracht gezogenen Szenarien zu untersuchen. 142⁰ An der darauffolgenden Sitzung, die am 7. Februar stattfand, präsentierte die SNB erneut das Konzept «ELA+» (zuweilen auch als «ELA NR» für «ELA Notrecht » bezeichnet). Den Schätzungen der Nationalbank zufolge betrug das Volumen der zusätzlichen Darlehen unter ELA+ maximal 30 Milliarden Franken. 142¹ Es entbrannte eine Diskussion über den Zusammenhang zwischen der ELA+ und dem PLB, und das SIF sowie die EFV verlangten, in die Überlegungen der SNB zu diesem Instrument einbezogen zu werden. ¹422
Eine Woche später, am 14. Februar, kam der AF erneut zusammen. Nach dem Standardtraktandum zur Lage der CS präsentierte das SIF den Stand der Vorbereitungen beim PLB und beim Drehbuch, in welchem die Schritte sowie die Aufgaben der Akteure bei der Einführung des PLB festgelegt wurden. ¹423 Die Behörden diskutierten insbesondere darüber, wer für einen PLB-Antrag verantwortlich ist. Sie waren der Ansicht, dass die Zuständigkeit nicht allein der Bank überlassen werden darf, sondern dass bei der tatsächlichen Inanspruchnahme dieses Instruments auch den Behörden eine Rolle zukommt. ¹424
Am 16. Februar fand eine weitere Sitzung des LG statt, an welcher die EFD-Vorsteherin die Anwesenden über die Beratung der Szenarien im Bundesrat informierte. Die nächsten Schritte wurden festgelegt, nämlich die Verfeinerung der Drehbücher für die einzelnen Szenarien und die Kontaktaufnahme mit der CS bezüglich der ELA+, damit sich die Bank auf eine allfällige Inanspruchnahme dieses Instruments vorbereiten konnte. ¹425 Die nächste Sitzung des LG war für Ende März oder Anfang April geplant.
Makroökonomische Analysen der Kosten und Nutzen der einzelnen Szenarien
Am 22. Februar fand die nächste Sitzung des AF statt. ¹426 An dieser Sitzung diskutierten die anwesenden Personen über die Drehbücher «Aktivierung des PLB» und «Übernahme durch eine Bank», die vom SIF vorbereitet wurden und in denen die Schritte, die Fristen und die Zuständigkeiten für die beiden Szenarien aufgeführt waren. ¹427 Zu diesem Zeitpunkt sah das Szenario «Übernahme durch eine Bank» vor, dass diese Übernahme ohne Zeitdruck von der CS in die Wege geleitet wird und dass die Umsetzung einer solchen Übernahme mehrere Monate dauert, was die Mitglieder des AF kritisierten. Dem SIF wurde daher der Auftrag erteilt, dieses Drehbuch zu überarbeiten und sich dabei auf eine Notsituation zu konzentrieren. ¹428 Auch der Stand der Vorbereitungen für ELA+ wurde thematisiert. Zwei Workstreams standen im Raum: Der erste umfasste die Abklärungen mit der Bank zu den Aktiven, welche man mit einem gesetzlichen Pfandrecht übernehmen könnte. Der zweite befasste sich mit den Rechtsgrundlagen, also mit den Fragen, ob es grundsätzlich zulässig ist, der SNB ein gesetzliches Pfandrecht zu geben, und ob eine Einführung von ELA+ mittels Notrecht zulässig und angemessen ist. Es wurde kritisiert, dass sich das EFD und die SNB diesbezüglich nicht genug abgesprochen hätten. Man beschloss, dass die Arbeiten parallel laufen und sich die SNB und die EFV eng austauschen sollten. ¹429
Anlässlich dieser AF-Sitzung teilte der Vizepräsident der SNB mit, dass der Präsident der SNB und er am 17. Februar mit dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO der CS telefoniert hätten. Sie hätten gegenüber der CS ausgeführt, dass ELA+ mittels Notrecht eingeführt werden könne und auf der Grundlage eines gesetzlichen Pfandrechts funktionieren würde. Sie hätten das Erfordernis eines Konkursprivilegs aber absichtlich ausgelassen. Die Bank habe positiv auf diesen Vorschlag reagiert. 143⁰ Der Vizepräsident der SNB erklärte dem AF weiter, dass die FINMA und die SNB der CS danach einen umfangreichen Fragebogen zu den verfügbaren Sicherheiten zugestellt hätten, die im Rahmen von ELA+ für das gesetzliche Pfandrecht infrage kommen würden. 143¹
Noch am Tag der Sitzung, d. h. am 22. Februar, wurde der Bundesrat von der Vorsteherin des EFD erneut mündlich über die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der CS orientiert. ¹432 Eine Diskussion fand gemäss Protokoll nicht statt.
Am 28. Februar wurde die Analyse der volkswirtschaftlichen Kosten der einzelnen Szenarien, wie geplant, erneut im AF diskutiert. ¹433 In den Analysen der Arbeitsgruppe, der Mitarbeitende der SNB, der FINMA, des SIF und der EFV angehörten, wurden zwei Situationen unterschieden: ¹434
1. Erhöhter Stress, aber keine eindeutigen Anzeichen eines Sanierungsbedarfs
In dieser Situation standen die Szenarien Restrukturierung der Bank (mit ELA und ELA+), die Fusion mit einer anderen Bank bzw. die Übernahme durch eine andere Bank oder die Sanierung mit Bail-in und PLB zur Verfügung. Gemäss Ansicht der Arbeitsgruppe war die Gefahr, dass die Untätigkeit der Behörden schwerwiegende Folgen hat, in einer solchen Situation moderat. Gemäss den Analysen der Arbeitsgruppe sah das Ranking der Szenarien nach deren Nutzen wie folgt aus: Übernahme durch eine ausländische Bank, Restrukturierung mit ELA und ELA+, Sanierung mit Bail-in und PLB, Übernahme durch eine inländische Bank. ¹435
2. Eskalation der Situation, eindeutige Anzeichen eines Sanierungsbedarfs
In einer akuten Krise standen die Szenarien Fusion/Übernahme, Sanierung mit Bail-in und PLB oder Auslösung eines Notfallplans zur Verfügung. Für eine solche Situation wurde das Risiko, das mit der Untätigkeit der Behörden einhergeht, anders eingeschätzt: Es wurde als sehr wahrscheinlich angesehen, dass bei Untätigkeit der Behörden das schlimmste Szenario eintritt, nämlich der ungeordnete Konkurs der CS, dessen Kosten mittlerweile auf 150 % des BIP beziffert wurden. In diesem Fall sah das Ranking der Szenarien wie folgt aus: Sanierung mit Bail-in und PLB, Notfallplan für die Schweizer Einheit und TPO, Übernahme durch die UBS. ¹436
Auf der Grundlage dieser Analysen, die von den Mitgliedern des AF sehr geschätzt wurden, diskutierte das Gremium die Relevanz der Kernaussagen. Es stellte dabei insbesondere seine aktuelle Strategie - die darin bestand, vorläufig keine Massnahmen zu ergreifen und eher eine Übernahme durch die UBS als durch eine ausländische Bank vorzubereiten - infrage, da diese Strategie nicht mit den Analysen übereinstimmte. ¹437 Nach Ansicht der Anwesenden sollte es Zweck der Analysen sein, eine Richtung vorzugeben. Die Optionen der Behörden sollten aber nicht durch die Festlegung eines strikten Rankings eingeschränkt werden. Im Übrigen waren sich die Mitglieder des AF nicht einig, ob die Situation 1 bereits eingetreten war: Die Vertreterinnen und Vertreter des SIF und der EFV waren der Meinung, dass diese Situation (erhöhter Stress, aber keine eindeutigen Anzeichen eines Sanierungsbedarfs) bereits erreicht sei und die Behörden folglich handeln müssten. Die Vertreterinnen und Vertreter der SNB sahen dies nicht so kategorisch. Gemäss dem Vizepräsidenten der SNB war es vorerst notwendig, anhand konkreter Indikatoren ( Key Performance Indicators, KPI , siehe Kap. 7.2.1) ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln, was Situation 1 bedeutet, und Werte festzulegen, deren Erreichen zu einer Neubeurteilung der Lage führen würde. Letztlich wurde dieses Vorgehen gewählt. ¹438 Die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen wies zudem darauf hin, dass die SNB den Auftrag etwas anders aufgefasst habe. Der Vorsteherin des EFD - und dem Gesamtbundesrat - sei es ein Anliegen gewesen, dank der makroökonomischen Analyse eine Rationalisierung des Entscheids vornehmen und konkret aufzeigen zu können, wie hoch die Kosten der einzelnen Massnahmen seien. ¹439
Der AF beschloss letztlich, diese Präsentation zu vereinfachen, um sie an einer der nächsten Sitzungen dem LG vorlegen zu können, und das Ranking der Szenarien beizubehalten, ohne jedoch zu starr zu sein. 144⁰ Die Diskussion der überarbeiteten Fassung im AF wurde für den 14. März angesetzt.
Nach dieser Sitzung des AF forderte die FINMA in Absprache mit dem SIF die CS auf, ihr alle zwei Wochen ein Update mit Leistungskennzahlen ( Key Performance Indicators ) zur Lage der Bank vorzulegen. Dieses zweiwöchentliche Update wurde ab Anfang März 2023 eingereicht. Es sollte den Behörden ermöglichen, die Lebensfähigkeit der Bank kontinuierlich einzuschätzen, und somit als wichtige Entscheidungsgrundlage für die Beantwortung der zentralen Frage dienen, wann ein Eingreifen der Behörden notwendig wird. 144¹
An der Sitzung des LG vom 1. März 2023 wurde ebenfalls darüber gesprochen, wann der richtige Zeitpunkt für ein Eingreifen der Behörden ist. Das LG kam zum Schluss, dass diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden könne. Die Mitglieder einigten sich darauf, die Situation eng zu verfolgen, um nötigenfalls eingreifen zu können. ¹442 An der Sitzung des LG vom 9. März wurde dieses Thema erneut besprochen und die Behörden kamen zum selben Schluss. ¹443
| Kasten 14 : Makroökonomische Analysen der Szenarien Mögliche Wege aus der Krise gemäss den Behörden Die Behörden definierten zwei theoretische Situationen, wie sich die Lage der CS entwickeln könnte. Situation 1 wurde definiert als «erhöhter Stress, aber keine eindeutigen Anzeichen eines Sanierungsbedarfs», Situation 2 als «Eskalation, eindeutige Anzeichen eines Sanierungsbedarfs». Für jede der beiden genannten Situationen verglichen die Behörden vier Szenarien (oder Optionen), wie die Lage der CS stabilisiert werden könnte. - Option A nahm an, dass die CS einen Weg aus der Krise findet, allenfalls mit Unterstützung der SNB durch ELA (oder ELA+; diese Variante wurde Option A+ genannt). - Option B war die Übernahme der CS durch eine andere, ausländische oder inländische, Bank. - Option C sah die Sanierung der CS gemäss Sanierungsplan der FINMA vor. - Option D ging im Grundsatz von einem Konkurs aus, wobei die systemrelevanten Funktionen weitergeführt würden, und es wurde unterschieden, ob staatliche Hilfe angewendet würde (D1) oder nicht (D2). ¹444 Das Worst-Case-Szenario (teilweise Option E genannt) war, dass die CS ungeordnet in Insolvenz gehen würde und systemrelevante Funktionen der Bank unterbrochen würden. Berechnung der Gesamtkosten anhand zweier ModelleFür die Berechnung der Kosten und Erfolgschancen der verschiedenen Optionen wendeten die Behörden zwei Modelle an. Modell 1 wurde an der AF-Sitzung vom 28. Februar 2023 besprochen, Modell 2 an der AF-Sitzung vom 14. März 2023. Beide Modelle wurden durch Arbeitsgruppen des AF erstellt. Die Annahmen der zwei Modelle sowie die zu den Kostenblöcken werden im Folgenden zusammengefasst, bevor die Einschätzungen der beauftragten Experten erläutert werden. Modell 1: Berechnung des Nettonutzens einer Massnahme Modell 1 entsprach im Wesentlichen einer Kosten-Nutzen-Rechnung, nach der die Option mit dem höchsten Nettonutzen (sprich ihren Nutzen minus ihre Kosten) die beste Option darstellt. Die Kosten einer Option wurden mit den geschätzten volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Massnahme gleichgesetzt. Der Nutzen einer Option wurde vereinfacht gesagt dem Eintritt des Worst-Case-Szenarios gegenübergestellt. ¹445 Dieser Modell wurde im AF am 28. Februar diskutiert.Modell 2: Berechnung der Erfolgswahrscheinlichkeit von Massnahmenabfolgen In Modell 2 wurde analysiert, welche Massnahmen noch erfolgen können, sollte die erstgewählte Option scheitern. ¹446 Nach Option A konnte beispielsweise noch B, C und D erfolgen, bevor das Worst-Case-Szenario eintrat, so die Logik von Modell 2. Die Kosten wurden berechnet, indem die Kosten aller Massnahmen in einer Abfolge, gewichtet nach ihren Erfolgs- respektive Misserfolgschancen, aufsummiert wurden. ¹447 Dieses Modell wurde im Hinblick auf die AF-Sitzung vom 14. März vorbereitet (siehe Kap. 7.1.2).Pro Szenario fünf KostenblöckeJedes der vier Szenarien sowie das Worst-Case-Szenario beinhalteten Kosten für die Schweizer Volkswirtschaft. Die Kosten wurden in Prozent des Schweizer BIP von 2022 dargestellt. ¹448 Die Behörden berücksichtigten fünf Kostenblöcke: Arbeitsplätze/Steuern; Reputationsschaden für den Finanzplatz Schweiz; Verschärfung der TBTF-Problematik; monetäre Verluste des Bundes/der SNB; Verschlechterung der Wettbewerbssituation.Reihenfolge der Optionen pro SituationNachfolgend wird kurz beschrieben, welche Option gemäss den Berechnungen der Behörden den höchsten Nettonutzen (Modell 1) respektive die geringsten Kosten (Modell 2) hatte und damit die beste Option zur Bewältigung der CS-Krise darstellte.In Situation 1 («erhöhter Stress, aber keine eindeutigen Anzeichen eines Sanierungsbedarfs») hatten gemäss Modell 1 alle vier Optionen einen positiven Nettonutzen. Somit lohnte es sich aus gesamtwirtschaftlicher Sicht bereits in einer Situation ohne eindeutigen Sanierungsbedarf, staatliche Massnahmen zu ergreifen, um die CS zu stabilisieren. Die Nettonutzen bewegten sich jedoch auf geringem Niveau; sie lagen zwischen 1 und 3 % des BIP. Die Fusion mit einer ausländischen Bank, Option B Ausland, wies mit 3 % den höchsten geschätzten Nettonutzen auf und war somit die zu präferierende Option. Option B Ausland war auch nach Modell 2 die beste Option, weil hier die erwarteten Gesamtkosten am kleinsten waren. Die Fusion mit einer inländischen Bank, Option B Inland, war nach Modell 1 die zuletzt zu wählende Option, nach Modell 2 die zweitbeste Option. ¹449 In Situation 2 («Eskalation, eindeutige Anzeichen eines Sanierungsbedarfs») wurden die Optionen A und B Ausland nicht mehr aufgelistet, sondern nur noch die Optionen B Inland, C und D. In dieser Situation 2 war gemäss Modell 1 Option C, Sanierung der CS, zu präferieren und gemäss Modell 2 Option B Inland. |
Diskussionen über die TPO im AF vom 7. März 2023
Die am 6. Januar 2023 eingesetzte Arbeitsgruppe TPO erarbeitete per 24. Februar einen Kurzbericht und stellte diesen dem AF am 7. März vor. In diesem Kurzbericht stand weiterhin die Variante einer TPO der systemrelevanten Schweizer Einheit im Vordergrund. 145⁰ Konkret wurden diverse Untervarianten vorgestellt, und die Behörden bemühten sich, die Anwendungs- und Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Kriseninstrumente im Zusammenhang mit einer TPO möglichst unvoreingenommen zu durchdenken. Gleichzeitig brachten die Teilnehmenden des AF auch zum Ausdruck, dass das Szenario einer TPO der Schweizer Tochtergesellschaft nach Konkurs des Stammhauses bzw. der Gruppe mittlerweile eher unwahrscheinlich sei. 145¹
Als der AF in seiner Sitzung vom 7. März 2023 die Zwischenergebnisse der Arbeitsgruppe TPO diskutierte, brachte die SNB auch die Möglichkeit einer TPO der gesamten Gruppe auf. Die EFV beurteilte die politische Machbarkeit dieser Möglichkeit angesichts der parlamentarischen Debatte zur Teilrevision des Postorganisationsgesetzes (21.048 «Postorganisationsgesetz (POG). Teilrevision») als zweifelhaft, befürwortete aber dennoch vertiefte Abklärungen in diese Richtung. Der AF beschloss, dass sich die Arbeitsgruppe TPO weiterhin auf die Variante einer TPO der Schweizer Einheit im Konkursfall des Stammhauses bzw. der Gruppe konzentrieren solle. Die Möglichkeit einer TPO der gesamten Gruppe sei separat abzuklären. Bevor die regulatorische Umsetzung erarbeitet werde, müsse zuerst die volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse, welche die Arbeitsgruppe für verschiedene Szenarien am Erstellen war, um dieses Szenario ergänzt werden. ¹452
Diese Abklärungen scheinen nicht mehr durchgeführt worden zu sein, bevor die CS-Krise akut wurde. In der akuten Krise ab dem 15. März 2023 und insbesondere am Wochenende vom 18./19. März 2023 rückte das Szenario einer TPO der gesamten Bankengruppe vor der Abwicklung bzw. mit dem Ziel, dass eine Abwicklung gar nicht nötig wird, in den Vordergrund (siehe Kap. 7.2.5).
An derselben Sitzung des AF diskutierten die Behörden zudem im Sinne einer gründlichen Auseinandersetzung mit der Thematik TPO erneut die Variante, dass der Bund sich zwecks Vertrauensbildung an den Märkten mit einigen wenigen Milliarden Franken an der CS beteiligt. Diese Variante stand bereits im Herbst 2022 kurz zur Diskussion (siehe Kasten 7 in Kap. 5.2.5.6). Der AF beschloss, die Abklärungen zu dieser Variante wieder aufzunehmen. ¹453 Auch diese Abklärungen scheinen nicht mehr durchgeführt worden zu sein, bevor die CS-Krise akut wurde.
Der AF beschloss an seiner Sitzung vom 7. März 2023 auch, dem BJ diverse Fragen zur Anwendung von Notrecht bei der Durchführung von ELA+, einem PLB oder einer TPO vorzulegen. Das BJ wurde jedoch erst wieder am Abend des 15. März 2023 beigezogen (siehe Kap. 7.2.1). Der vom AF geplante Auftrag ans BJ wurde schliesslich nicht erteilt. Denn die Ereignisse überschlugen sich, bevor die konkreten Fragen ans BJ innerhalb des AF konsolidiert werden konnten. Allerdings stellte die EFV am Abend des 17. März 2023 dem BJ den von ihr erstellten, im AF nicht mehr konsolidierten Entwurf des Gutachtensauftrags zu einer TPO (inklusive den bisherigen Überlegungsansätzen) zur Verfügung. ¹454
Fortsetzung der Arbeiten am PLB ab Anfang 2023
Parallel dazu fanden auch Anfang 2023 Abklärungen zur Einführung eines PLB statt. Die Arbeitsgruppe PLB arbeitete weiter an der Vorbereitung der Vernehmlassungsvorlage, die das EFD gemäss Auftrag des Bundesrates vom 11. März 2022 bis Mitte 2023 fertigstellen sollte. In diese Arbeiten flossen die Hinweise ein, die das BJ Ende November 2022 zu einer allfälligen notrechtlichen Einführung eines PLB eingebracht hatte. So warf das SIF in seiner Vorkonsultation der SIB vom 18. Januar 2023 die Frage auf, inwiefern eine Einschränkung der Gewährung eines PLB auf systemrelevante Funktionen der Schweizer Einheiten möglich wäre. ¹455 Darüber hinaus stellte die Arbeitsgruppe PLB an ihrer Sitzung vom 23. Februar 2023 Überlegungen dazu an, welcher Einheit einer G-SIB das Liquiditätshilfe-Darlehen in Form eines PLB vergeben werden müsste, um Verlustrisiken bei der Gewährung der Ausfallgarantie des Bundes zu beschränken. ¹456
14¹8 Conséquences économiques d’une défaillance désordonnée de Credit Suisse, Powerpoint-Präsentation des AF vom 2.2.2023
14¹9 Conséquences économiques d’une défaillance désordonnée de Credit Suisse, Powerpoint Präsentation des AF vom 2.2.2023, S. 6
142⁰ Transkription der AF-Sitzung vom 2.2.2023, S. 7-11
142¹ Transkription der AF-Sitzung vom 7.2.2023, S. 8
¹422 Transkription der AF-Sitzung vom 7.2.2023, S. 10-12
¹423 Transkription der AF-Sitzung vom 14.2.2023, S. 6 ff.
¹424 Transkription der AF-Sitzung vom 14.2.2023, S. 8-13
¹425 Protokoll der LG-Sitzung vom 16.2.2023
¹426 Der Direktor der FINMA, der üblicherweise die Sitzungen des AF leitete, war aus persönlichen Gründen abwesend. Die Sitzungsleitung wurde von der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen übernommen. Dies war auch für die Sitzung vom 28.2.2023 der Fall.
¹427 «Drehbuch Aktivierung PLB (unter Notrecht). Letzte Aktualisierung 22.2.2023»; «Drehbuch Szenario Übernahme durch Bank. Entwurf / letzte Aktualisierung 20.2.2023».
¹428 Transkription der AF-Sitzung vom 22.2.2023, S. 9-12
¹429 Transkription der AF-Sitzung vom 22.2.2023, S. 15 ff.
143⁰ Transkription der AF-Sitzung vom 22.2.2023, S. 14
143¹ Transkription der AF-Sitzung vom 22.2.2023, S. 14
¹432 Auszug aus dem Protokoll der Bundesratssitzung vom 22.2.2023
¹433 Transkription der AF-Sitzung vom 28.2.2023, S. 6 ff.
¹434 Analyse zu den volkswirtschaftlichen Kosten/Nutzen möglicher Massnahmen, Powerpoint-Präsentation des AF vom 28.2.2023. Siehe auch die von der PUK in Auftrag gegebenen Expertenberichte des BSS (2024) und der KOF (2024) (Kap. 1.4.3.2).
¹435 Analyse zu den volkswirtschaftlichen Kosten/Nutzen möglicher Massnahmen, Powerpoint-Präsentation des AF vom 28.2.2023. Die Berechnungsmethode wird in den von der PUK in Auftrag gegebenen Expertenberichten des BSS (Kap. 1.4.3.2) und der KOF (Kap. 1.4.3.2) beschrieben.
¹436 Analyse zu den volkswirtschaftlichen Kosten/Nutzen möglicher Massnahmen, PowerPoint-Präsentation des AF vom 28.2.2023. Die Berechnungsmethode wird in den von der PUK in Auftrag gegebenen Expertenberichten des BSS (Kap. 1.4.3.2) und der KOF (Kap. 1.4.3.2) beschrieben.
¹437 Transkription der AF-Sitzung vom 28.2.2023, S. 11 ff.
¹438 Transkription der AF-Sitzung vom 28.2.2023, S. 11-18, S. 27
¹439 Transkription der AF-Sitzung vom 28.2.2023, S. 18
144⁰ Transkription der AF-Sitzung vom 28.2.2023, S. 25 f.
144¹ Protokoll der LG-Sitzung vom 1.3.2023; Transkription der AF-Sitzung vom 28.2.2023.
¹442 Protokoll der LG-Sitzung vom 1.3.2023
¹443 Protokoll der LG-Sitzung vom 9.3.2023
¹444 Konjunkturforschungsstelle KOF (2024): Evaluation der Analysen für die Alternativmassnahmen zur Notfusion der Credit Suisse mit der UBS. Bericht vom 21.5.2024 im Auftrag der PUK, S. 7.
¹445 Zur Berechnung des Nutzens wurde zuerst geschätzt, wie wahrscheinlich der Eintritt des Worst-Case-Szenarios ist und was dieses für Kosten verursachen würde. In Situation 1 wurde die Eintrittswahrscheinlichkeit des Worst-Case-Szenarios auf 5 % geschätzt, in Situation 2 auf 60 %. Das Worst-Case-Szenario wurde mit den Erfolgschancen der staatlichen Massnahme multipliziert, also gewichtet. Für weitere Informationen vgl. BSS Volkswirtschaftliche Beratung (2024): Evaluation der Analysen für die Notfusion CS-UBS. Bericht vom 31.5.2024 im Auftrag der PUK, S. 9; Expertenbericht KOF (2024), S. 12.
¹446 Expertenbericht BSS (2024), S. 12; Expertenbericht KOF (2024), S. 13 f.
¹447 Expertenbericht KOF (2024), S. 14
¹448 Das Schweizer BIP betrug 2022 rund 780 Milliarden Franken. (Quelle: Expertenbericht KOF [2024], S. 10).
¹449 Expertenbericht KOF (2024), S. 13; Expertenbericht BSS (2024), S. 14.
145⁰ Transkription der AF-Sitzung vom 7.3.2023
145¹ Transkription der AF-Sitzung vom 7.3.2023
¹452 Transkription der AF-Sitzung vom 7.3.2023
¹453 Transkription der AF-Sitzung vom 7.3.2023
¹454 Schriftliche Antworten an die PUK vom 23.5.2024
¹455 Public Liquidity Backstop: Vorkonsultation der systemrelevanten Banken (SIBs). Regulierungskonzept und Fragen, Beilage zur Vorkonsultation der SIBs vom 18.1.2024, S. 6.
¹456 Ergänzung PLB-Vorlage - 2- Gewährung Ausfallgarantie in erster Linie an Parent, Unterlage für die Sitzung vom 23.2.2023 der Arbeitsgruppe PLB
6.4.4 Öffentliche Kommunikation der Hauptakteure in der zweiten Phase
Die Behörden kommunizierten in Bezug auf die Situation der CS während der gesamten zweiten Phase zwischen Herbst 2022 bis Mitte März 2023 nicht offiziell. Die ersten Medienmitteilungen erfolgten während der Akutkrise. ¹457 Im Hintergrund bereitete die Bundeskanzlei im Herbst ein Kommunikationskonzept vor. Zudem äusserten sich einige Exponentinnen und Exponenten in dieser Phase punktuell öffentlich. Nachfolgend werden die Vorbereitungen der Bundeskanzlei und die Kommunikation von einzelnen Exponentinnen und Exponenten auf der Grundlage einer Medienanalyse, die die Parlamentsbibliothek im Auftrag der PUK durchgeführt hat, dargestellt.
Öffentliche Aussagen von Behördenvertreterinnen und -vertretern
Die öffentlichen Äusserungen von Behördenvertreterinnen und -vertretern konzentrieren sich auf das letzte Quartal des Jahres 2022 und auf den Frühling 2023 (zur Kommunikation in der Akutkrise siehe Kap. 7.2.6).
Gemäss der Analyse der Parlamentsbibliothek war im Herbst 2022 erstmals am 1. Oktober eine Einschätzung eines Behördenvertreters zur Situation der CS Gegenstand eines Medienberichtes. Die «Schweiz am Wochenende» nahm ein Referat des damaligen FINMA-Direktors am Europa Institut der Universität Zürich auf, in welchem dieser die hohe Kadenz negativer Wirtschaftsnachrichten, die nicht zuletzt für die Banken eine höhere Unsicherheit und somit auch höhere Risiken bedeuten könnten, thematisiert hatte. Der Direktor der FINMA nannte keine Namen. Gemäss «Schweiz am Wochenende» dürfte im Saal kaum jemand «gezweifelt haben, dass er mit seinen Ausführungen auch die Credit Suisse im Sinne hatte». ¹458
Anfang Oktober wurden Vertreter der SNB zweimal auf die CS angesprochen. Am 6. Oktober 2022 war auf «finews.ch» zu lesen, dass die SNB die Situation bei der CS aufmerksam verfolge. Andréa Maechler, damaliges Mitglied des Direktoriums der SNB, habe dies am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters gesagt. ¹459 Am darauffolgenden Tag kommentierte der Präsident des Direktoriums der Nationalbank im «Bilanz Businesstalk», dass die SNB nicht der Regulator sei, und wies darauf hin, dass die CS Ende Oktober die neuen Pläne publik mache. 146⁰
Anschliessend wurde Ende Oktober, im Zuge der Strategieankündigung der CS, der Vizepräsident des Direktoriums der Nationalbank in «Finanz und Wirtschaft» folgendermassen zitiert: «Die SNB begrüsst die jüngst angekündigten Schritte zur strategischen Transformation der Credit Suisse. Die neue Ausrichtung des Geschäftsmodells führt zu einer Reduktion der Risiken. Gleichzeitig stärkt Credit Suisse ihre Kapitalbasis.» 146¹
Die nächsten öffentlichen Äusserungen folgten im Dezember, als sich der damalige Vorsteher des EFD und der Präsident der Nationalbank dahingehend äusserten, dass die CS nun Zeit benötige. Gemäss Aussage von alt Bundesrat Maurer vor der PUK hätten er und der Präsident der SNB sich dahingehend abgesprochen, in der Öffentlichkeit auf eine Beruhigung hinzuwirken. Es sollte Sicherheit ausgestrahlt werden, damit die CS ihre Transformation in der notwendigen Ruhe durchführen kann. ¹462
Der SNB-Präsident bezeichnete in einem Beitrag der «NZZ» über die Leitzinserhöhung Mitte Dezember die beschlossene Neuausrichtung der CS aus Sicht der Finanzstabilität als erfreulich, insbesondere die deutliche Reduktion des Investmentbankings. Die SNB sehe, dass die CS den Wandel vorantreibe und wesentliche Massnahmen bereits getroffen habe. Auf Nachfrage ergänzte der SNB-Vizepräsident, «dass im Notfall die Fazilität für Zusatzliquidität bereitstünde, die allerdings von den Banken nur gegen Sicherheiten und nur solange sie solvent sind, zu einem etwas erhöhten Zins beansprucht werden kann.» ¹463 Zudem betonte der damalige Vorsteher des EFD seinerseits in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen SRF am 13. Dezember 2022, er sei der Meinung, dass «man jetzt eigentlich gute Nachrichten hört von der CS.» Man müsse die CS jetzt einfach ein oder zwei Jahre in Ruhe lassen. ¹464 Diese Aussage wurde auch von anderen Medien aufgegriffen. Ende Dezember wies der damalige Vorsteher des EFD nochmals darauf hin, dass die CS «eine transparente und ehrliche Analyse vorgenommen und Massnahmen beschlossen [habe]: Die Risiken werden reduziert, Kosten werden gesenkt, und das Kapital wurde aufgestockt. Das verdient Vertrauen und braucht etwas Zeit für die Umsetzung.» ¹465
Anfangs 2023 erschienen gemäss Recherchen der Parlamentsbibliothek keine weiteren Artikel mit Aussagen der Behördenvertreterinnen und -vertreter zur Situation der CS.
Kommunikationskonzept der BK und des EFD
Wie oben ausgeführt, beauftragte der Bundesrat die BK an der Sitzung vom 2. November 2022, zusammen mit dem EFD ein Kommunikationskonzept im Hinblick auf die ausserordentliche Sitzung vom 4. November zu erstellen. Der Kommunikationsverantwortliche des Bundesrates nahm diese Aufgabe sogleich in Angriff und sandte einen ersten Entwurf des Kommunikationskonzeptes ans EFD mit dem Auftrag, die Kommunikation vorzubereiten. ¹466
Trotz der Absage der Sitzung vom 4. November beschloss die Bundeskanzlei, die bereits begonnenen Vorarbeiten für eine Krisenkommunikation zur PLB-Einführung fortzusetzen, um im Falle einer erneuten Verschlechterung der Lage vorbereitet zu sein. Am 3. November fand diesbezüglich eine Koordinationssitzung statt, an welcher neben der Bundeskanzlei die Kommunikationsverantwortlichen der FINMA, der SNB, des SIF und des EFD teilnahmen. ¹467 Auch die CS wurde über die geplante Kommunikation informiert und beauftragt, ihrerseits eine Kommunikation vorzubereiten. Alle involvierten Stellen (Bundesrat, SNB, FINMA, CS) sollten die Entwürfe der Medienmitteilungen und der Sprechnotizen dem Bund (BK/EFD) unterbreiten, damit dieser sie abstimmen und eine einheitliche Kommunikation gewährleisten konnte. ¹468
Im Kommunikationsdispositiv, das am 3. November 2022 dem damaligen Bundesratssprecher gesandt wurde, wurden Massnahmen und Ziele, die Hauptbotschaften, Handlungsrichtlinien und der Zeitplan festgelegt. Das Ziel war, die Entscheide zu erklären, die Märkte zu beruhigen und aufzuzeigen, wie sich der PLB von einem Bail-out unterscheidet. Die Hauptbotschaften wurden folgendermassen festgelegt: Die CS sei gut kapitalisiert und werde umstrukturiert, aber die aktuelle internationale Marktentwicklung könne zu Liquiditätsproblemen führen. Zur Liquiditätssicherung existiere ein international akzeptiertes Standardinstrument (PLB), das in der Schweiz nun sofort eingeführt werde, um Sicherheit für die CS und den Finanzstandort Schweiz zu bieten. Da die Garantie jetzt notwendig sei, werde es per Notrecht eingeführt. ¹469
Am 8. November stellte das EFD dem damaligen Bundesratssprecher ein neues Kommunikationsdispositiv zu. Dieses legte die aktive Kommunikation bei einer Einführung und Aktivierung des PLB per Notrecht fest. Die Hauptbotschaften des Bundesrates entsprachen mehrheitlich denjenigen des Konzepts vom 3. November: Auch gemäss dem neuen Konzept wäre es primär darum gegangen, die Entscheide und Massnahmen zu erklären, die Märkte zu beruhigen und die Lage zu stabilisieren sowie die ausländischen Behörden zu beruhigen. Zudem sollten die Risiken für den Steuerzahler aktiv angesprochen und Schutzmassnahmen aufgezeigt werden. Gemäss diesem Kommunikationsdispositiv sollten sich die Behörden auf die Frage vorbereiten, ob mit der Aktivierung des PLB eine Anordnung der Abschreibung von AT1-Anleihen gerechtfertigt wäre. Die damit verbundenen kommunikativen Herausforderungen seien anzugehen. 147⁰
Die Zusammenarbeit für dieses Kommunikationskonzept erwies sich nach Aussagen des damals für die Kommunikation zuständigen Vizekanzler anfangs als schwierig. Es sei u. a. nicht klar gewesen, wer im EFD dafür zuständig war bzw. wer über die notwendigen Informationen verfügte. Die Zusammenarbeit habe sich aber im Laufe der Zeit verbessert. In der Folge fanden verschiedene Sitzungen zwischen dem Vizekanzler und den Kommunikationsbeauftragten des EFD statt. 147¹
Am 1. Dezember 2022 informierte der damals für die Kommunikation zuständige Vizekanzler den Vorsteher des EFD, dass alle Vorbereitungen zur Kommunikation eines allfälligen Entscheides des Bundesrates am 2. Dezember in Auftrag gegeben wurden und entsprechend zeitgerecht vorbereitet werden. ¹472
Da der Bundesrat am 2. Dezember keinen Entscheid zur Aktivierung des PLB fällte, erübrigte sich eine öffentliche Kommunikation durch den Bund. Das erarbeitete Kommunikationskonzept war jedoch für die weiteren Arbeiten, die darauf aufbauten, nützlich. Das Kommunikationskonzept berücksichtigte auch das Risiko allfälliger Leaks und enthielt entsprechende Sprachregelungen für einen solchen Fall.
¹457 «SNB und FINMA nehmen Stellung zu Unsicherheiten am Markt», Medienmitteilung der SNB und der FINMA vom 15.3.2023; «Sicherung der Finanzmarktstabilität: Der Bundesrat begrüsst und unterstützt die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS», Medienmitteilung des Bundesrates vom 19.3.2023.
¹458 Das Zittern auf den Finanzmärkten wird bedrohlicher. In: Schweiz am Wochenende, 1.10.2022.
¹459 Die SNB wirft ein Auge auf die Credit Suisse. In: Finews, 6.10.2022.
146⁰ SNB-Präsident Thomas Jordan über den Zahlungsverkehr: Es kann zu Blackouts kommen. In: Bilanz, 7.10.2022.
146¹ Die Inflationsgefahr ist immer noch gross. In: Finanz und Wirtschaft 29.10.2022.
¹462 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023; Sitzungsprotokoll der PUK vom 22.5.2024.
¹463 Die SNB erhöht den Leitzins auf 1,0 Prozent und begrüsst die Neuausrichtung der Credit Suisse. In: NZZ, 15.12.2022.
¹464 Bundesrat Maurer, was hätten Sie im Nachhinein anders gemacht? Interview. In: Schweizer Radio und Fernsehen, 13.12.2022.
¹465 Zwischendurch muss man es halt mal krachen lassen. Interview. In: NZZ, 31.12.2022.
¹466 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.4.2024
¹467 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024
¹468 E-Mail des damaligen Vizekanzlers und Bundesratssprecher an die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen und den Leiter der Kommunikation des EFD vom 2.11.2022
¹469 Kommunikationsdispositiv vom 3.11.2022, Entwurf des EFD (SIF/EFV) an BK
147⁰ Kommunikationsdispositiv vom 8.11.2022, Entwurf des EFD an BK
147¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.4.2024
¹472 E-Mail des damaligen Vizekanzlers und Bundesratssprecher an den damaligen EFD-Vorsteher vom 1.12.2022
135¹ Für die Details der Regulierung vgl. FINMA: Welche Anforderungen an Eigenmittel und Liquidität müssen die Institute erfüllen?, 17.6.2022, https://www.finma.ch/de/~/ media/finma/dokumente/dokumentencenter/myfinma/4dokumentation/key-metrics-chartpack-2021.pdf?sc_lang=de&hash=B165AAA8F2364D7633AF34F0A2AC79A9 (Stand: 8.7.2024).
7 Phase 3: Akute Krise im März 2023
Im nachfolgenden Kapitel werden die sich überstürzenden Ereignisse ab Mitte März 2023 und die Bewältigung der akuten Krise durch die Behörden beschrieben. Nach einer Darstellung des relevanten Kontexts, u. a. der Regionalbankenkrise in den USA (siehe Kap. 7.1), folgt die Darstellung der Geschäftsführung der verschiedenen Bundesbehörden im Krisenkontext der Tage vom 15. bis 19. März 2023 (siehe Kap. 7.2.2 bis 7.2.6).
7.1 Auswirkungen der Regionalbankenkrise und Zuspitzung der CS-Krise infolge des verzögerten Geschäftsberichtes Anfang März 2023
Im Folgenden wird dargelegt, welche Faktoren dazu führten, dass sich die Situation der CS im März 2023 zuspitzte. Hierfür werden in Kapitel 7.1.1 zuerst die Regionalbankenkrise in den USA, die verzögerte Publikation des CS-Geschäftsberichtes sowie die viel beachtete Kommunikation der Saudi National Bank beschrieben. Danach folgt in Kapitel 7.1.2 die Darstellung der Reaktion auf die ersten Krisensignale in den ersten beiden Märzwochen, insbesondere auf den verzögert publizierten Geschäftsbericht 2022.
7.1.1 Regionalbankenkrise in den USA, Entwicklungen der CS
Anfangs März 2023 brach in den USA eine Regionalbankenkrise aus. Als erstes Finanzinstitut geriet die kalifornische Silicon Valley Bank (SVB), die vor allem Technologie-Start-ups als Kunden hatte, in akute wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die SVB kündigte am 8. März 2023 an, dass sie ihre Bilanz restrukturieren wolle, indem sie gewisse Sicherheiten verkaufen und damit ihr Kapital erhöhen würde. ¹473 Zu diesem Zeitpunkt bestand im Technologiesektor erhebliche Unsicherheit darüber, ob die Profitabilität und das Wachstum des Sektors abnehmen würden. Besonders Kundinnen und Kunden mit unversicherten Anlagen sahen daher die Ankündigung der SVB als Zeichen dafür, dass sich die Bank in einer heiklen Lage befand. In der Folge wurden am 9. März Einlagen von 40 Milliarden US-Dollar abgezogen. Da für den folgenden Tag weitere Abflüsse erwartet wurden, für die der Bank die Liquidität oder die Sicherheiten fehlten, schloss das California Department of Financial Protection and Innovation die SVB am Vormittag des 10. März 2023. ¹474
Die Schliessung der SVB führte bei den Anlegerinnen und Anlegern der Signature Bank of New York (SBNY) ebenfalls zu akzentuierter Unsicherheit. Auch diese Bank verfügte über einen Grossteil unversicherter Gelder und war in einem Sektor - dem Kryptosektor - aktiv, der ebenfalls mit Unsicherheit behaftet war. ¹475 Zwischen Freitag, 10. März, und Sonntagnachmittag, 12. März, beliefen sich die in Auftrag gegebenen abgehenden Überweisungen auf 7,9 Milliarden US-Dollar. Da der Bank infolgedessen die Liquidität fehlte, wurde am 13. März 2023, drei Tage nach der SVB, die SBNY ebenfalls geschlossen. ¹476
Schliesslich erlebte als drittes Finanzinstitut die kalifornische First Republic Bank (FRP) ab März 2023 namhafte Geldabflüsse. Im Gegensatz zu den beiden vorgenannten Instituten konnte sie diese noch bis Ende April 2023 decken, bevor sie aufgrund fehlender Liquidität ebenfalls geschlossen werden musste. Mit geschätzten Kosten von 13 Milliarden US-Dollar stellte dies den zweitgrössten Bankenkollaps in der Geschichte der USA dar. ¹477
Mit den geschilderten Entwicklungen in den USA stieg die allgemeine Unsicherheit an den Finanzmärkten. Die Verwerfungen im US-Regionalbankensektor führten zu Kursabstürzen bei einer Vielzahl von Banken.
Vertrauen in die CS schwindet aufgrund von SEC-Kommentaren und anderen Ereignissen weiter
Fast gleichzeitig zu den Ereignissen bei der SVB akzentuierte sich auch die Vertrauenskrise der CS durch verschiedene Faktoren. Erstens teilte die Bank am 9. März 2023 mit, dass sie ihren Geschäftsbericht 2022 erst später veröffentlichen werde. Grund dafür war ein Anruf der US-amerikanischen SEC am Abend des 8. März, die auf materielle Schwächen («material weaknesses») bei der Revision und Kontrolle von konsolidierten Geldflussrechnungen in den Jahren 2019 und 2020 hinwies. ¹478 Die CS beschloss, die Veröffentlichung des Geschäftsberichtes 2022 kurz zu verschieben, um die Kommentare der SEC besser nachvollziehen zu können (siehe Kap. 7.1.2). ¹479 Zweitens stürzte der Kurs der CS-Aktie am 13. März 2023 infolge der Regionalbankenkrise in den USA zeitweise um 15 % auf ein Allzeitrekordtief von Fr. 2.21 ab. 148⁰ Die CS-Aktien gaben deutlich stärker nach als jene anderer Banken, und dies obwohl die Regionalbankenkrise ohne direkte finanzielle Auswirkungen auf die CS blieb, da sie keine direkte Exposure (d. h. Verlustrisiken) aufwies. 148¹ Drittens verschärfte sich die Vertrauenskrise der CS am 15. März 2023 weiter, als der Präsident der Saudi National Bank angab, dass weitere Investitionen in die CS ausgeschlossen seien. Die Saudi National Bank begründete ihren Entscheid mit dem Umstand, dass ihr Anteil an der CS nach einer Erhöhung schliesslich mehr als 10 % betragen würde und damit andere regulatorische Richtlinien gelten würden. ¹482 Noch am selben Tag fiel der Aktienkurs der CS um 30 %, und die Abflüsse von Depositen nahmen wieder stark zu. Während am 14. März «nur» 2,7 Milliarden Franken abflossen, waren es am 15. März bereits 13,2 Milliarden Franken. ¹483 Dieser starke Abfluss von Geldern zeigte sich auch in der Mindestliquiditätsquote, die beim CS-Stammhaus am 14. März noch bei 131 % und am 15. März nur noch bei 108 % lag (vgl. Abbildung 11). Anders gesagt fiel also die Fähigkeit der CS, ihre kurzfristigen Mittelflüsse zu decken, über Nacht um über zwanzig Prozentpunkte.
In der Nacht auf Donnerstag, 16. März, informierte die CS, dass sie bei der SNB Liquiditätshilfe beantragt hatte. ¹484 Diese wurde ihr am 16. März gewährt, was sich direkt an der steil ansteigenden Mindestliquiditätsquote erkennen lässt (weitere Informationen zum 16. März finden sich in Kap. 7.2.2).
Abbildung 11: Mindestliquiditätsquote der drei wichtigsten CS-Einheiten, 1.-17. März 2023 (LCR in %)
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
Quelle : Die vorliegende Grafik basiert auf den Zahlen, die die CS der FINMA zur Verfügung stellte. Die CS lieferte der FINMA monatlich die abgebildeten Werte. Die rot dargestellte Liquiditätsanforderung von 100 %, die die CS einzuhalten hatte, stammt aus der öffentlichen Kommunikation der FINMA und galt für alle Bankinstitute in der Schweiz. ¹485
¹473 Fed (2023): Review of the Federal Reserve’s Supervision and Regulation of Silicon Valley Bank, Washington D.C., S. i.
¹474 Fed (2023): Review of the Federal Reserve’s Supervision and Regulation of Silicon Valley Bank, Washington D.C., S. 24.
¹475 FDIC (2023): FDIC’s Supervision of Signature Bank, S. 2.
¹476 FDIC (2023): FDIC’s Supervision of Signature Bank, S. 15 f.
¹477 FDIC (2023): FDIC’s Supervision of First Republic Bank, S. 2.
¹478 Die SEC soll bereits im Juli 2022 der CS gegenüber Fragen zu diesem Thema aufgeworfen haben. Quelle: Credit Suisse, SEC letters show months-long reporting errors debate. In: Reuters, 11.4.2023; E-Mail der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen an die EFD-Vorsteherin vom 14.3.2023.
¹479 «Credit Suisse announces technical delay of publication of 2022 Annual Report», Medienmitteilung der Credit Suisse vom 9.3.2023, https://www.ubs.com/global/en.html > About us > Media > Releases > Credit Suisse, Part of UBS group (Stand: 21.11.2024).
148⁰ CS-Aktie im freien Fall - Aktie der Credit Suisse stürzt kurzzeitig um 15 Prozent ab. In: SRF, 13.3.2023, https://www.srf.ch/news/wirtschaft/cs-aktie-im-freien-fall-aktie-der-credit-suisse-stuerzt-kurzzeitig-um-15-prozent-ab (Stand: 12.6.2024).
148¹ Transkription der AF-Sitzung vom 14.3.2023, S. 9 f.
¹482 Credit Suisse’s biggest backer says can’t put up more cash; share down by a fifth. In: Reuters, 15.3.2024, https://www.reuters.com/business/finance/credit-suisses-saudi-backer-happy-with-transformation-plan-doesnt-think-extra-2023-03-15/ (Stand: 5.6.2024).
¹483 Expertenbericht Hau/Rochet (2024), S. 25 f.
¹484 «Die Credit Suisse Group trifft entschiedene Massnahmen, um ihre Liquidität vorausschauend zu stärken, und lanciert öffentliche Kaufangebote für Schuldtitel», Medienmitteilung der Credit Suisse vom 16.3.2023, https://www.ubs.com/global/en.html > About us > Media > Releases > Credit Suisse, Part of UBS group (Stand: 21.11.2024).
¹485 Für die Details der Regulierung vgl. FINMA: Welche Anforderungen an Eigenmittel und Liquidität müssen die Institute erfüllen?, 17.6.2022, https://www.finma.ch/de/~/ media/finma/dokumente/dokumentencenter/myfinma/4dokumentation/key-metrics-chartpack-2021.pdf?sc_lang=de&hash=B165AAA8F2364D7633AF34F0A2AC79A9 (Stand: 8.7.2024).
7.1.2 Reaktion der Behörden auf die verzögerte Publikation des Geschäftsberichtes der CS
Am 9. März 2023, dem Tag, an dem die CS die Verschiebung der Veröffentlichung des Geschäftsberichtes ankündigte (siehe Kap. 7.1.1), hielt das LG eine bereits zuvor angesetzte Sitzung ab. Die Mitglieder des LG wurden von der FINMA über die Verschiebung der Veröffentlichung informiert. Die FINMA betonte, dass die SEC in ihren Kommentaren nicht direkt die von der CS veröffentlichten Zahlen infrage gestellt, sondern das Kontrollumfeld als mangelhaft eingestuft habe, und dass die Situation sehr heikel sei. ¹486
Kurzfristige Umpriorisierung in der AF-Sitzung vom 14. März 2023: Krisenmanagement anstelle von Szenarienabschätzung
Die Krise der CS stand an der Sitzung des AF vom 14. März ebenfalls im Mittelpunkt. An dieser Sitzung hätten die Szenarien vertieft diskutiert werden sollen. Angesichts der jüngsten Entwicklungen, die als vorrangig erachtet wurden, fand diese Diskussion jedoch nicht statt. Die Tatsache, dass die SEC im Geschäftsbericht der CS materielle Mängel ausgemacht und dies zur Verschiebung der Publikation geführt hatte, wurde von den Behörden als eine weitreichende und beträchtliche Einschränkung vonseiten der SEC erachtet, die in dieser Form schon lange nicht mehr - wenn nicht sogar noch nie - vorgekommen sei. ¹487
Die anwesenden Personen diskutierten zudem die Massnahmen, die die CS ergriffen hatte, um zu verhindern, dass sich eine solche Situation wiederholt. Sie waren der Ansicht, dass diese von der Bank sehr lakonisch beschrieben würden. Im Geschäftsbericht der CS hiess es lediglich, dass die Verantwortlichen der Gruppe dabei seien, einen Massnahmenplan («remediation plan») zu erarbeiten, um die materiellen Mängel zu beheben. ¹488 Die Vertreterinnen und Vertreter der FINMA teilten mit, dass sie diese Thematik eng verfolgen würden, da sich diese Verfehlung in eine lange Liste von Versäumnissen der Bank einreihe. ¹489
An der Sitzung des AF vom 14. März zeigten sich die Behörden zudem erstaunt darüber, dass die CS die FINMA und PwC, die Prüfgesellschaft der Bank, viel zu spät, nämlich erst im Januar 2023, einbezogen hatte, obschon die von der SEC hervorgehobenen Punkte innerhalb der CS bereits seit Juli 2022 diskutiert wurden. Auch wunderten sie sich darüber, nicht früher von der SEC informiert worden zu sein. 149⁰ Die Behörden waren der Meinung, dass die Verschiebung der Veröffentlichung des Geschäftsberichtes der CS die Märkte weiter destabilisiert habe, und betonten, dass in den nächsten Tagen mit weiteren Liquiditätsabflüssen zu rechnen sei. Die Situation müsse deshalb genau beobachtet werden. 149¹
| Kasten 15 : Letzte Schätzungen der volkswirtschaftlichen Kosten der Szenarien - Stand am 14. März 2023 Im Hinblick auf die Sitzung vom 14. März führten die Behörden Analysen zu den volkswirtschaftlichen Kosten der einzelnen Szenarien durch, die seit der letzten Diskussion vom 28. Februar überarbeitet worden waren (siehe Kap. 6.4.3.2). ¹492 Diese Dokumente enthalten eine Tabelle, anhand derer einerseits die Kosten der Szenarien nach verschiedenen Parametern berechnet werden konnten. Insbesondere konnte unterschieden werden, ob man sich (1) in einer angespannten Situation, aber ohne eindeutige Anzeichen eines Sanierungsbedarfs, oder (2) in einer sehr angespannten Situation mit eindeutigem Sanierungsbedarf befindet (siehe Kap. 6.4.3.2). Andererseits liess sich der Tabelle entnehmen, welche Fallbackszenarien zur Verfügung stehen, falls die erste ergriffene Massnahme nicht ausreichen sollte. Gemäss den Schätzungen in den Dokumenten, die der PUK vorliegen, unterschied sich das Szenario, das in Bezug auf die mit der Erfolgswahrscheinlichkeit gewichteten Kosten und das zur Verfügung stehende Fallbackszenario am günstigsten war, je nach Situation:- Situation 1: Übernahme durch eine ausländische Bank; dann Übernahme durch die UBS; dann «Credit Suisse schafft es aus eigener Kraft».- Situation 2: Übernahme durch die UBS; dann Sanierung und Bail-in; dann Konkurs der CS mit Auslösung des Notfallplans und mit TPO oder PLB; dann Konkurs der CS mit Auslösung des Notfallplans, aber ohne TPO oder PLB; dann ungeordneter Konkurs der CS (Worst Case). ¹493 Diese Schätzungen sollten angesichts der deutlich zu hohen Unsicherheit nicht als «mechanisches» Tool zur Auswahl der zu ergreifenden Massnahmen dienen. Es handelte sich auch nicht um ein gemeinsam zu verabschiedendes Dokument, in dem die Präferenzen der Behörden fixiert werden sollten. Der Zweck dieser Analysen bestand eher darin, 1) als Grundlage für die Diskussion über die in den verschiedenen Situationen verfügbaren Szenarien und die diesbezügliche Entscheidfindung, 2) als Grundlage für die Auseinandersetzung mit den Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Szenarien und ihrer Abfolge (welche Szenarien sind noch möglich und welche nicht mehr?) und 3) als Begründung der getroffenen Entscheide durch Schaffung von Transparenz zu den angenommenen Kosten zu dienen. ¹494 |
Notwendigkeit zur Klärung des Interesses der UBS an einer Übernahme
An der Sitzung vom 14. März sprach sich der AF zudem für eine offizielle Kontaktaufnahme mit der UBS aus, um zu klären, ob seitens der Bank Interesse an einer Übernahme der CS besteht. Die Mitglieder des AF kannten die Position der Bank in dieser Angelegenheit noch nicht. ¹495 Es wurde beschlossen, so schnell wie möglich eine Sitzung des LG einzuberufen, um möglichst rasch eine entsprechende Entscheidung zu treffen. ¹496 Diese Sitzung wurde auf den nächsten Tag, den 15. März, angesetzt.
Ferner besprachen die Mitglieder des AF eine neue, alternative Krisenmassnahme zur Wiederherstellung des Vertrauens der Märkte in die CS, konkret eine Sicherung der Einlagen bei der CS durch den Bund. ¹497 Eine Vertiefung des Themas war geplant, allerdings konnten die entsprechenden Arbeiten angesichts der sich am nächsten Tag überschlagenden Ereignisse nicht rechtzeitig abgeschlossen werden.
¹486 Protokoll der LG-Sitzung vom 9.3.2023, S. 2
¹487 Transkription der AF-Sitzung vom 14.3.2023, S. 1-4
¹488 CS (2023): Annual Report 2022. Credit Suisse (Schweiz) AG, S. 10.
¹489 Transkription der AF-Sitzung vom 14.3.2023, S. 4
149⁰ Transkription der AF-Sitzung vom 14.3.2023, S. 6
149¹ Transkription der AF-Sitzung vom 14.3.2023, S. 3; E-Mail der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen an die EFD-Vorsteherin vom 14.3.2023.
¹492 AF: Informationspapier volkswirtschaftliche Kosten vom 14.3.2023; AF: Erläuterungen volkswirtschaftliche Auswirkungen vom 14.3.2023.
¹493 AF: Informationspapier volkswirtschaftliche Kosten vom 14.3.2023.
¹494 AF: Erläuterungen volkswirtschaftliche Auswirkungen vom 14.3.2023.
¹495 Transkription der AF-Sitzung vom 14.3.2023, S. 20/21
¹496 Transkription der AF-Sitzung vom 14.3.2023, S. 24
¹497 Transkription der AF-Sitzung vom 14.3.2023
7.2 Bewältigung der Akutkrise - Vorbereitung der Notfusion vom 19. März 2023
Die eingangs beschriebenen Entwicklungen stellten einen Wendepunkt in der Krise der CS dar. Die Krise trat in die akute Phase ein, die vom 15. bis zum 19. März 2023 dauerte. Die Ereignisse dieser fünf Tage bis zur Bekanntgabe der Fusion der CS mit der UBS werden in den folgenden Unterkapiteln (siehe Kap. 7.2.1 bis 7.2.5), gegliedert nach Tag, geschildert. Kapitel 7.2.6 ist der öffentlichen Kommunikation der Behörden in dieser Phase gewidmet.
7.2.1 Beginn der akuten Krisenphase und Initialreaktion der Behörden am 15. März 2023
Zu Beginn der Kapitel zu den fünf Tagen der Akutkrise werden jeweils die wesentlichen Ereignisse in einer Tabelle dargestellt, um den Überblick über die verschiedenen Entwicklungen zu erleichtern. Die wesentlichen Meilensteine sind fett hervorgehoben. Eine ausführlichere Chronologie befindet sich in Anhang 4 des Berichtes.
Tabelle 16: Chronologie der Ereignisse am Mittwoch, 15. März 2023
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| Zeitpunkt | Ereignis | Involvierte Akteure |
|---|---|---|
| 11.30 Uhr | Telefongespräch zwischen dem SNB-Präsidenten und Vertreterinnen und Vertretern der CS, Lagebericht der Bank | SNB, CS |
| 12.00 Uhr | Sitzung des LG; Beschluss, Kontakt mit der UBS und der CS aufzunehmen, um die Fusion vorzubereiten | EFD, SIF, EFV, FINMA, SNB |
| 13.00-13.30 Uhr | Telefongespräche auf Arbeitslevel zwischen der FINMA und der CS zum Sanierungsplan | FINMA, CS |
| 14.00-14.30 Uhr | Telefonkonferenz Core College Liquidity and Funding Interim Update: Liquiditäts- und Funding-Situation; Markt- und Kundenreaktionen auf die Aussagen des Vorsitzenden der Saudi National Bank | CS, FINMA, Fed, PRA, FDIC, SNB |
| 16.00 Uhr | Treffen der Behörden mit der UBS in den Räumlichkeiten der FINMA in Zürich. Die UBS übergibt den Behörden eine erste Liste mit Forderungen. | EFD, SIF, FINMA, SNB, UBS |
| 17.30 Uhr | Videokonferenz zwischen den Behörden und der CS | EFD, FINMA, SNB, CS |
| 17.30-18.45 Uhr | Telefonkonferenz Core College Liquidity and Funding Update: Liquiditäts- und Funding-Situation; Markt- und Kundenreaktionen auf die Aussagen des Vorsitzenden der Saudi National Bank | CS, FINMA, Fed, PRA, FDIC, SNB |
| 18.00 Uhr | Sitzung des Verwaltungsrates | UBS |
| Nach 19.00 Uhr | Telefongespräche des SIF mit dem stellvertretenden Finanzminister der USA, dem Generaldirektor im französischen Wirtschafts- und Finanzministerium und dem Staatssekretär im deutschen Bundeskanzleramt | SIF |
| Ab 20.00 Uhr | Mehrere Telefongespräche auf Arbeitslevel zum erneuten Bankrun bei der CS, zur bedrohlich schwindenden Liquidität, zum kommenden Gesuch der CS an die SNB um ELA, zum Sanierungsplan | FINMA, CS |
| 20.30 Uhr | Veröffentlichung einer gemeinsamen Medienmitteilung der SNB und der FINMA | SNB, FINMA |
| 21 Uhr | Formeller Antrag bei der SNB um ELA in der Höhe von 38,440 Milliarden Franken | SNB, CS |
| Liquiditätsabfluss bei der CS am 15. März 2023 insgesamt: 13,2 Milliarden Franken | ||
Sitzung des LG und Sofortmassnahmen der Behörden
Die Aussagen des Vorsitzenden der Saudi National Bank (siehe Kap. 7.1.1) veranlassten die Behörden, rasch Massnahmen zu ergreifen. Ab dem späten Vormittag dieses Mittwochs, 15. März, fanden mehrere Kontakte auf Arbeitslevel zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der FINMA und der SNB mit der CS statt, um die Auswirkungen der Aussagen des Vorsitzenden der Saudi National Bank und - am frühen Nachmittag - den Sanierungsplan der CS zu diskutieren. ¹498 Die FINMA verlangte von der CS, den Sanierungsplan für den nächsten Tag fertigzustellen (siehe Kap. 7.2.2.6).
Das LG kam um 12.00 Uhr zusammen. An dieser Sitzung, die aufgrund der ungünstigen Entwicklung der Situation bereits am Vortag angesetzt worden war, änderte sich der Tonfall erheblich: Die Behörden sprachen von einer dramatischen Verschlechterung der Lage und befürchteten, dass die CS eine internationale Finanzkrise auslösen könnte. Es bestand somit dringender Handlungsbedarf. Als mögliche Lösungen wurden folgende vier Szenarien genannt: Verkauf an die UBS (Projekt «Como»), Ausweitung der Liquiditätshilfen durch die SNB, Verstaatlichung der CS (TPO) oder Sanierung.
Die Mitglieder des LG entschieden sich noch nicht für eines der Szenarien. Alle Szenarien wurden weiter vorbereitet, damit die Massnahme, für die man sich letztlich entscheiden würde, spätestens am Sonntagabend umgesetzt werden könnte, um die Märkte am Montag zu beruhigen. ¹499 Dem Protokoll dieser Sitzung zufolge wurde die Option der Sanierung jedoch vom gesamten LG als hochriskant erachtet. 150⁰
Das LG beschloss anschliessend, Kontakt mit der UBS und der CS aufzunehmen, um eine allfällige Fusion vorzubereiten. Die SNB und die FINMA veröffentlichten gleichentags eine gemeinsame Medienmitteilung zu den Marktunsicherheiten und zur Lage der CS. 15⁰1
Am Mittwoch, 15. März, wurde im Bernerhof, dem Sitz des EFD, ein Krisenraum eingerichtet. Dort trafen sich die verschiedenen Akteurinnen und Akteure, namentlich das EFD, die EFV, das SIF, die FINMA, die SNB, die BK, teilweise das BJ (siehe unten) und gelegentlich die Vertreterinnen und Vertreter der CS und der UBS. Die örtliche Nähe zwischen den einzelnen Akteurinnen und Akteuren diente der engeren Koordination und trug zur Beschleunigung der Beschlüsse bei, indem insbesondere die Konsultationsfristen verkürzt werden konnten. 15⁰2
Kontakt mit den Banken: Treffen mit der UBS in Zürich
Nach der Sitzung des LG und den gefassten Beschlüssen wurden gleichentags hochrangige Treffen der Behörden mit den beiden Banken organisiert.
So fand um 16 Uhr ein Präsenztreffen der EFD-Vorsteherin, der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, der Verwaltungsratspräsidentin sowie des Direktors und des Leiters der Bankenaufsicht der FINMA, des SNB-Präsidenten sowie UBS-Vertreterinnen und -Vertretern in Zürich statt.
Die Departementsvorsteherin leitete dieses Treffen und informierte die UBS, dass die CS ab kommendem Montag gemäss ihrer aktuellen Einschätzung nicht mehr überlebensfähig 15⁰3 sein werde und die Behörden deshalb einen dringenden Handlungsbedarf sehen würden. Die Fusion bzw. Übernahme sei die präferierte Lösung. In diesem Kontext wurde die UBS gefragt, ob sie sich eine Übernahme der CS vorstellen könnte. Der Verwaltungsratspräsident der UBS habe diese Frage auf der Grundlage von vorgängigen internen Diskussionen des UBS-Verwaltungsrates bejaht. Bedingung sei aber, dass die UBS ihre treuhänderischen Pflichten gegenüber ihrem Aktionariat und ihren Stakeholdern erfüllen könne und nicht selber in eine Krise gerate.
Anlässlich dieses Treffens übergab der UBS-Verwaltungsratspräsident den Behörden einen One-Pager mit den zentralen Forderungen der UBS für eine Übernahme der CS (siehe Tabelle 17 unten). Die Behörden teilten der UBS mit, dass eine rasche Kontaktaufnahme mit der CS erwartet werde und diese einen virtuellen Datenraum vorbereitet habe. 15⁰4 Laut dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS erhielt die Bank erst am Donnerstag, 16. März, effektiv Zugang zu diesem Datenraum. 15⁰5
Der Verwaltungsratspräsident informierte den Verwaltungsrat der UBS etwas später, um 18 Uhr, über die Durchführung und den Verlauf dieser Sitzung. Er wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass die Verhandlungen noch nicht begonnen hätten, die Bank aber dank den Arbeiten der letzten Monate gut vorbereitet sei. 15⁰6 Einige von der PUK angehörte Personen hatten denselben Eindruck. 15⁰7
Tabelle 17: Forderungskatalog (Entwurf) der UBS, Stand am 15. März 2023
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| Transaktion / finanzielle Aspekte | Keine Prämie oder kein Umtauschverhältnis auf der Grundlage eines Abschlags zum Börsenschlusskurs (oder, je nach Timing / Transaktionsstruktur, mögliche Anpassung wegen negativer Informationen / Erkenntnissen aus der Due Diligence) |
| Restrukturierung/ Governance | Keine Auflagen für das Integrationskonzept, auch keine Einschränkungen bezüglich der Zukunft der Schweizer Einheit, des Geschäftsstellennetzes, der Personaloptimierung und der MarktpräsenzKeine Auflagen für die Governance-Struktur und die Ernennung von PersonenRechtliche Struktur: keine flache Holdingstruktur (mit WMI als Teil der Schweizer AG) |
| Kapitalanforderungen | Auf zehn Jahre befristeter Verzicht auf Swiss-Finish-Anforderungen (sowohl auf Konzernebene als auch auf Ebene der Schweizer Einheit), d. h. Beibehaltung der aktuellen UBS-Anforderungen ohne Erhöhung aufgrund der Grösse und/oder zusätzlicher Pufferanforderungen der CSVolle Verbuchung des «Badwill» ohne NutzungseinschränkungenErlaubnis, weiterhin Aktienrückkäufe zu tätigen, solange die CET1-Vorgabe eingehalten wirdRisikogewichtete Aktiva (RWA) für operationelle Risiken sind entsprechend der Reduzierung der Aktiva, einschliesslich Veräusserungen / Ausstieg aus Geschäftstätigkeiten und natürlicher Abgänge, zu reduzieren; Berechnung der risikogewichteten Aktiva für operationelle Risiken basierend auf dem internen Modell und der Historie der UBS, keine Weitergabe nicht relevanter idiosynkratischer operativer Verluste der CS an die UBSFlexibilität bei den Fristen für die Umsetzung von neuen Regulierungen, d. h. TBTF-Liquiditätsverordnung, Basel III final / Fundamental Review of the Trading Book (FRTB), für die fusionierte BankKeine zusätzlichen Kapitalanforderungen auf der Ebene der einzelnen juristischen Einheiten (z. B. Schweiz, USA, Vereinigtes Königreich); Unterstützung des Kapitalplans durch die Regulierungsbehörden; Erlaubnis, überschüssiges Kapital aus lokaler Geschäftstätigkeit zurückzuführen, sofern dies sinnvoll istBesitzstandswahrung für Kapitalregelungen / Kapitalbefreiung der CS Group (einschliesslich des regulatorischen Filters für Beteiligungen)Unbeschränkter Zugang zu ungesicherten Liquiditätsinstrumenten der Zentralbank ab Ankündigung und bis und mit Ende der Integrationsperiode, einschliesslich Zugang zu Liquiditätsinstrumenten in den USA |
| Transparenz / Due Diligence | Die SNB, die FINMA und das EFD teilen alle relevanten Informationen und ihre detaillierte Einschätzung der Lage, d. h., sie sind bezüglich aller Probleme / Bedenken, welche den Behörden bekannt sein könnten, transparent.Zugang zur Geschäftsleitung und externen/internen Revision der CSVereinbarung über Due Diligence vor und nach der Ankündigung, einschliesslich Folgen bei Entdeckung versteckter Verbindlichkeiten |
| Ausländische Regulierungsbehörden | Vorvereinbarung zwischen der FINMA, der SNB, dem EFD und anderen wichtigen Regulierungsbehörden, insbesondere der Fed, der PRA, der Financial Conduct Authority (FCA) und der Europäischen Zentralbank (EZB), über die rechtzeitige Genehmigung der Transaktion ohne wesentliche Auflagen (z. B. keine Erhöhung der lokalen Kapitalanforderungen, Unterstützung der Rückführung von überschüssigem Kapital, keine wesentlichen Zuschläge und keine Einschränkungen der Geschäftstätigkeit)Rechtliche Struktur: keine Änderung der Rechtsform im Vereinigten Königreich (Beibehaltung der aktuellen UBS-Lösung, d. h. einer Niederlassung der UBS AG) |
| Kommunikation | Die FINMA, die SNB und das EFD geben gemeinsame/separate Erklärung(en) ab; darin halten sie fest, dass die UBS angefragt wurde und es ausser einer Abwicklung keine überzeugenden Alternativen gab.Die UBS muss die Massnahmen zur Risikominderung im Detail kommunizieren können.Die FINMA, die SNB und das EFD müssen an der Medienkonferenz am Tag der Bekanntgabe teilnehmen. |
| Ratingagenturen | Genehmigung, mit Ratingagenturen Kontakt aufzunehmen |
| Wettbewerbsbehörde (WEKO) und andere Lizenzbeschlüsse | Verbindliche Zusage, dass die wettbewerbsrechtlichen Prüfungen und Entscheidungen im Schnellverfahren erfolgen; nötigenfalls durch Eintritt der FINMAVereinbarung über die Einführung von Beschränkungen für strategische Entscheidungen bei der CS vor den ausserordentlichen Generalversammlungen und vor Abschluss der Transaktion |
| Garantien/ Ausgliederungen/ Auswirkungen auf Net-Asset-Value-Bewertung | Schutz vor Auswirkungen der Übernahme, die zu Wertberichtigungen von Buchwerten führen kann, Abschreibung in Betracht ziehen Staatsgarantie in Form einer Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV) zur Begrenzung der Bilanzrisiken für bestimmte Portfolios (insbesondere Portfolios, die nicht das Kerngeschäft betreffen, und Investmentbanking-Portfolios); Quantum ist im Rahmen der Due Diligence vor der Vorankündigung festzulegenGarantie zur Deckung der Mark-to-Model-Bewertungen |
Quelle: «DRAFT conditions for initial discussion», UBS, 15.3.2023.
Kontakt mit den Banken: Videokonferenz mit der CS
Nach der Sitzung mit der UBS fand um 17.30 Uhr - wie vom LG beschlossen - eine Videokonferenz 15⁰8 mit der CS statt, an welcher seitens der Behörden die EFD-Vorsteherin, die Verwaltungsratspräsidentin und der Direktor der FINMA sowie der Präsident und der Vizepräsident der SNB teilnahmen. An dieser Sitzung habe die CS die Behörden ersucht, noch gleichentags Massnahmen wie die Bereitstellung einer ELA zu ergreifen, um ein Downgrade des Ratings der Bank zu verhindern. Zudem habe die Bank darauf hingewiesen, dass ein Bail-in verheerende Folgen für die Finanzmärkte hätte.
Die Behörden empfanden die CS in diesem Austausch weiterhin als zuversichtlich. Die Vertreter der Bank hätten einen grossen Mangel an Urteilsvermögen an den Tag gelegt. Die Behörden hätten der CS deshalb klar kommuniziert, dass der Verkauf der Bank an die UBS die angepeilte Lösung sei und die CS sich entsprechend vorbereiten müsse. 15⁰9 Laut den Verantwortlichen der CS lag der Fokus ganz klar auf einer Vereinbarung mit der UBS und nicht mit einer anderen Drittpartei. Die CS habe vom EFD einen entsprechenden Auftrag erhalten. 151⁰ Dennoch seien an dieser Sitzung andere mögliche Partner, namentlich Morgan Stanley und die Saudi National Bank, genannt worden. 151¹
Parallele internationale Kontakte ab Nachmittag
Aufgrund der äusserst kritischen Situation intensivierten die FINMA und die SNB ihre internationalen Kontakte. Ab dem frühen Nachmittag fanden insbesondere mit der Fed, der PRA und der FDIC Gespräche auf operativem und strategischem Niveau statt. Um 18.30 Uhr führten der Direktor der FINMA, der Leiter des Geschäftsbereichs Banken der FINMA sowie Vertreterinnen und Vertreter der Fed und der PRA ein Telefongespräch. Fed und PRA wurden über die schlechte Lage der CS sowie darüber informiert, dass die Bank eine ELA in Anspruch nehmen will. Der Direktor der FINMA wies darauf hin, dass noch alle Optionen offen seien und die Behörden bereit seien, im Rahmen dieser Massnahmen mehr Liquidität bereitzustellen. Die anstehende Kommunikation der SNB und der FINMA wurde ebenfalls angesprochen. 15¹2
Nach 19 Uhr hatte das SIF telefonisch Kontakt mit dem stellvertretenden Finanzminister der USA, dem Generaldirektor des französischen Wirtschafts- und Finanzministeriums und dem Staatssekretär des deutschen Bundeskanzleramts. 15¹3
Beschluss zur Organisation einer dringlichen Sitzung des Bundesrates
Am 15. März kontaktierte die Vorsteherin des EFD zudem den Bundeskanzler, um ihn zu bitten, für den folgenden Tag, Donnerstag, 16. März, eine ausserordentliche Sitzung des Bundesrates zu organisieren. 15¹4 Daraufhin rief der Kanzler den Bundespräsidenten an, um ihn über die Lage zu informieren. Später - auf ihrem Rückweg von Zürich - kontaktierte auch die Vorsteherin des EFD den Bundespräsidenten per Telefon. 15¹5
Anschliessend informierte der damalige Vizekanzler und Bundesratssprecher das Bundesratskollegium per Threema, dass sich die Situation der CS aufgrund verschiedener am Nachmittag erschienener Presseartikel weiterentwickelt habe und eine Medienmitteilung der FINMA und der SNB vorgesehen sei. Weiter führte er aus, dass das EFD den Lead habe und der Bundesrat von diesem auf dem Laufenden gehalten werde. 15¹6 Kurz nach 19 Uhr teilte er mit, dass die Bundesrätinnen und Bundesräte das Mail mit den Medienmitteilungen nun erhalten hätten. Gegen 21 Uhr kündigte der damals für die Bundesratsgeschäfte zuständige Vizekanzler den Mitgliedern des Bundesrates ebenfalls per Threema an, dass am nächsten Tag ab 13.15 Uhr eine ausserordentliche Bundesratssitzung zur CS stattfinden, um 8.30 Uhr ein geheim klassifizierter Bundesratsantrag verteilt und das Mitberichtsverfahren bis 11 Uhr dauern werde. Die Mitglieder des Bundesrates erhielten am 15. März keine weiteren Informationen.
Gemeinsame Medienmitteilung der FINMA und der SNB
Wie im LG vereinbart, veröffentlichten die SNB und die FINMA noch am selben Abend um 20.30 Uhr eine gemeinsame Medienmitteilung (siehe Kap. 7.2.6). In dieser Medienmitteilung versicherten sie, dass von den Problemen gewisser Bankinstitute in den USA keine direkte Ansteckungsgefahr für den Schweizer Finanzmarkt ausgehe, die CS die Kapital- und Liquiditätsanforderungen erfülle und die SNB der CS im Bedarfsfall Liquidität zur Verfügung stellen würde. 15¹7
Einbezug des BJ in die Notrechtsfragen ab dem 15. März
Am 15. März wurde das BJ zum ersten Mal seit der Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 22. November 2022 wieder beigezogen. Zwei Mitarbeitende des BJ waren ab 21 Uhr vor Ort im Bernerhof, um die Ausarbeitung der Notverordnung zu unterstützen.
Eine solche Detachierung von Mitarbeitenden vor Ort entsprach gemäss den Ausführungen des Direktors des BJ vor der PUK nicht der Praxis des BJ. Das BJ versuche, eine direkte Mitarbeit von BJ-Fachpersonen in laufenden Projekten in der Regel zu vermeiden, um die nötige Distanz und eine Aussensicht für die Beurteilung der von den Fachämtern vorgeschlagenen Regelungsprojekte zu bewahren. Wie der Direktor des BJ anlässlich seiner Anhörung erklärte, habe es das BJ in dieser Ausnahmesituation und angesichts der zeitlichen Dringlichkeit allerdings als zweckdienlicher erachtet, vor Ort zu sein, um überhaupt einen Beitrag leisten zu können. 15¹8 Während die übliche Frist bei einer Ämterkonsultation drei Wochen beträgt, 15¹9 hatte das BJ in der Phase vom 15. bis 19. März 2023 oft nur 60 bis 90 Minuten zur Verfügung, um seine Einschätzung abzugeben. 152⁰
Laut dem Direktor des BJ war am 15. März einzig die Versorgung der CS mit Liquidität durch ELA+ und einen PLB Gegenstand der Besprechungen; es ging (noch) nicht um eine Abwicklung der CS oder um eine Übernahme durch die UBS. 152¹
Im Moment seines Beizugs waren laut BJ folgende Erfordernisse für die Anwendung von Notrecht unstrittig erfüllt: Gefährdung der Schutzgüter der ökonomischen Stabilität und der Stabilität des Finanzmarktes sowie sachliche und zeitliche Dringlichkeit. Offen war hingegen die Frage, ob ein Abwarten und eine Sanierung gemäss TBTF-Regelung nicht geeigneter als eine Liquiditätsspritze mittels ELA+ und PLB wäre, um die Gefahr abzuwenden (Erfordernis der Subsidiarität). Das BJ konzentrierte dabei seine Analysen hauptsächlich auf die Beurteilung folgender Fragen: Kann der SNB per Notrecht ein Konkursprivileg gewährt werden, das die Stellung der übrigen Drittklassgläubiger im Konkurs beeinträchtigt? Welches wären die Folgen, wenn das Parlament in einem späteren Überführungserlass nach Artikel 7 d RVOG das Konkursprivileg ablehnen würde? Das BJ bejahte die Frage der Zulässigkeit eines Konkursprivilegs aufgrund des Alternativszenarios eines Konkurses der CS, bei dem die übrigen Drittklassgläubiger möglicherweise leer ausgehen würden. Bezüglich der Rechtskraft der auf Notrecht gestützten Verträge überwog laut Aussagen des Direktors des BJ bereits am 15. März die Meinung, dass die Verträge ihre Gültigkeit behalten würden. ¹522 (Zum Einbezug des BJ am 17. März und 18. März 2023 siehe Kap. 7.2.3.9 resp. Kap. 7.2.4.7).
Antrag auf ELA in der Nacht vom 15. auf den 16. März
Da sich die Liquiditätslage kontinuierlich verschlechterte, reichte die CS-Gruppe in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag gegen 21 Uhr bei der SNB einen offiziellen Antrag auf ausserordentliche Liquiditätshilfe (ELA) für die CS (Schweiz) AG ein. Der Liquiditätsbedarf wurde auf 29 Milliarden Schweizer Franken, 8 Milliarden US-Dollar und 2 Milliarden Euro geschätzt, was gesamthaft einen Betrag in der Höhe von 38,440 Milliarden Schweizer Franken ergab. ¹523 Die Credit Suisse beantragte ebenfalls 10 Milliarden Franken als Engpassfinanzierungs-Fazilität. Die Behörden befassten sich am folgenden Tag mit dem Antrag (siehe Kap. 7.2.2.5).
Laut mehreren von der PUK angehörten Personen war bereits damals klar, dass diese Liquiditätshilfe nicht ausreichen würde. Die CS habe sich nicht gut genug vorbereitet und habe daher das ELA-Potenzial nicht ausschöpfen können (siehe Kap. 5.5.3). ¹524
Vorarbeiten für die Kommunikation der Behörden
Ab dem 15. März 2023 bereiteten die Behörden eine Krisenkommunikation vor, obwohl noch kein Beschluss über eine Lösung getroffen worden war. Dieser Aspekt wird in Kapitel 7.2.6 behandelt.
¹498 Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024
¹499 Protokoll der LG-Sitzung vom 15.3.2023
150⁰ Protokoll der LG-Sitzung vom 15.3.2023, S. 2
15⁰1 Protokoll der LG-Sitzung vom 15.3.2023, S. 2
15⁰2 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S. 35, S. 48 f.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 55.
15⁰3 Im Englischen wird der Begriff « viable » verwendet, siehe Protokoll der UBS-Verwaltungsratssitzung vom 15.3.2023, Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 35.
15⁰4 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 63; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 9; Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 34 ff.; Protokoll der LG-Sitzung vom 15.3.2023; Protokoll der UBS-Verwaltungsratssitzung vom 15.3.2023; schriftliche Antworten an die PUK vom 23.4.2024, 25.4.2024 und 1.5.2024.
15⁰5 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 36
15⁰6 Protokoll der UBS-Verwaltungsratssitzung vom 15.3.2023
15⁰7 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 66; schriftliche Antworten an die PUK vom 23.4.2024.
15⁰8 Dieses Treffen fand online statt, da der Verwaltungsratspräsident und der CEO der Credit Suisse auf Auslandsreise waren.
15⁰9 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 55-63; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 9; schriftliche Antworten an die PUK vom 23.4.2024, 25.4.2024 und 1.5.2024.
151⁰ «Der Auftrag nachher zur Notfusion mit der UBS ist […] vom EFD gekommen.», Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 61. Siehe auch Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 7
151¹ Gemäss Vertretern der SNB sei auch BlackRock erwähnt worden. Andere Behördenmitglieder erfuhren nach eigener Aussage aber erst am 18. März davon (siehe Kap. 7.2.4.1). Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024 und 10.6.2024
15¹2 E-Mail-Austausch zwischen Mitarbeitenden der FINMA «Africa Dokumentation während Como Weekend» vom 19.4.2023
15¹3 Chronologie des EFD vom 26.6.2023
15¹4 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 61
15¹5 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 57; Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 55.
15¹6 Threema-Nachricht des damaligen Vizekanzlers und Bundesratssprechers an das Bundesrats-Kollegium vom 15.3.2023 um 18:37
15¹7 «SNB und FINMA nehmen Stellung zu Unsicherheiten am Markt», Medienmitteilung der SNB und der FINMA vom 15.3.2023
15¹8 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 66 und 69 f.
15¹9 In der Praxis wird diese Frist in vielen Fällen nicht respektiert, aber immerhin in der Regel auf mindestens eine Woche angesetzt. Stellungnahme des damaligen Bundeskanzlers vom 2.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
152⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 68
152¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 66
¹522 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 66 f.
¹523 CS: Formal Request to SNB for a covered loan in accordance with the MoU, 15.3.2023.
¹524 Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024, vom 26.3.2024, vom 8.4.2024; Transkription der LG-Sitzung vom 24.1.2023.
7.2.2 Erste ausserordentliche Bundesratssitzung mit erster Weichenstellung zu zusätzlichen Liquiditätshilfe-Darlehen und Ausfallgarantien des Bundes am 16. März
Die nachfolgende Tabelle zeigt eingangs die verschiedenen Ereignisse am zweiten Tag der Akutkrise, die anschliessend im Einzelnen dargestellt werden. Die wesentlichen Meilensteine sind fett hervorgehoben.
Tabelle 18: Chronologie der Ereignisse am Donnerstag, 16. März 2023
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| Zeitpunkt | Ereignis | Involvierte Akteure |
|---|---|---|
| Ab Mitternacht | Start der High-Level-Meetings zwischen der FINMA und der UBS zum Zusammenschluss | FINMA, UBS |
| 1.45 Uhr | Medienmitteilung der CS zu ELA-Bezug | CS |
| 7.45 Uhr | Ausserordentliche Sitzung des Verwaltungsrates der FINMA | FINMA |
| 9 Uhr | AF-Sitzung | EFD, SNB, FINMA |
| 10 Uhr | Orientierung der Präsidentin der FinDel | EFD, FinDel |
| 11.30 Uhr | Treffen des LG | EFD, SNB, FINMA |
| 13.15 Uhr | Erster Teil der ausserordentlichen Bundesratssitzung zur Notverordnung und den Lösungsoptionen | Bundesrat |
| 14 Uhr | Die SNB gewährt der CS ELA im Umfang von 38 Milliarden Schweizer Franken sowie Engpassfinanzierungs-Fazilitäten im Umfang von rund 10 Milliarden Schweizer Franken | SNB |
| 14.45-15.30 Uhr sowie 20.00-20.30 Uhr | Telefonkonferenz Core College | FINMA, SNB, Fed, PRA |
| 17.15 Uhr | Zweiter Teil der ausserordentlichen Bundesratssitzung: Der Bundesrat verabschiedet die Notverordnung zur Einführung des PLB und der ELA+ | Bundesrat |
| 20 Uhr | Inkrafttreten der Notverordnung des Bundesrates | Bundesrat |
| 20.30-21.00 Uhr | Telefonkonferenz FINMA-CS Schweiz | FINMA, CS |
| Über den ganzen Tag | Telefonate zwischen den Bundesbehörden und ausländischen Behörden | EFD, EDI, SNB, FINMA |
| Spät am Abend | Übermittlung des revidierten Forderungskatalogs der UBS | EFD, SNB, FINMA |
| Totaler Liquiditätsverlust der CS am 16. März 2023: zwischen 14 und 17 Milliarden Schweizer Franken | ||
Im Folgenden werden die einzelnen Entwicklungen grundsätzlich chronologisch dargestellt. Entwicklungen, die einen direkten inhaltlichen Zusammenhang aufweisen, werden jedoch im gleichen Abschnitt abgehandelt, so insbesondere die internationalen Kontakte und die Verhandlungen der Behörden mit den Banken.
7.2.2.1 Erster Antrag der CS auf Liquiditätshilfen und neue Forderungen der UBS
Medienmitteilung der CS zu ihrem ELA-Antrag am Vorabend
Die CS teilte der Öffentlichkeit in einer Medienmitteilung um 1.45 Uhr mit, dass sie bei der SNB ELA im Umfang von rund 38 Milliarden Schweizer Franken sowie eine Engpassfinanzierungs-Fazilität über 10 Milliarden Franken beantragt hatte (siehe Kap. 7.2.1). In derselben Medienmitteilung informierte sie über ihre Absicht, Schuldenrückkäufe im Umfang von 3 Milliarden Schweizer Franken zu tätigen. ¹525
Telefonkonferenz der Behörden mit der CS am frühen Morgen
Vor dem Hintergrund der sich stets verschlechternden Situation der CS verkündete die Vorsteherin des EFD am frühen Morgen des 16. März im Beisein der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, des Präsidenten der SNB, der Verwaltungsratspräsidentin und des CEO der FINMA dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO der CS telefonisch, dass bis Sonntag eine Lösung mit der UBS ausgearbeitet werden müsse. Zu diesem Zweck müsse die CS alle notwendigen Informationen zur Verfügung stellen. Die Vertreter der CS sicherten den Behörden zu, dass dies geschehen würde. ¹526
Revidierter Forderungskatalog der UBS
Zu einem nicht genauer bekannten Zeitpunkt, jedenfalls spät am Donnerstagabend, übermittelte die UBS den Behörden ihre revidierten Forderungen.
Diese werden nachfolgend abgebildet, wobei die Änderungen gegenüber dem Forderungskatalog vom 15. März 2023 kursiv gedruckt sind.
Tabelle 19. Forderungskatalog (Entwurf) der UBS, Stand 16. März 2023
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| Transaktion / finanzielle Aspekte | Keine Prämie oder kein Umtauschverhältnis auf der Grundlage eines Abschlags zum Börsenschlusskurs (oder, je nach Timing / Transaktionsstruktur, mögliche Anpassung wegen negativer Informationen / Erkenntnissen aus der Due Diligence)Wir prüfen noch, ob eine «Optionsstruktur» denkbar wäre: In unserem Basisszenario für die Fusion würden wir unser Aktionariat durch eine Struktur, bei der ein Teil des Preises für die Fusion nur dann gezahlt wird, wenn es keine negativen Überraschungen gibt, zusätzlich vor negativen Entwicklungen und bisher nicht offengelegten oder unbekannten Verbindlichkeiten und weiteren Verlusten schützen. Wir haben dafür eine sogenannte «Optionsstruktur» entwickelt, die im Wesentlichen ein «Besserungsschein» in Form einer Call-Option mit einem Ausübungspreis ist, der sich erhöht, wenn negative Entwicklungen festgestellt werden (was bedeutet, dass im kombinierten Unternehmen wieder Eigenkapital aufgebaut wird, was insgesamt sehr günstig sein dürfte). Dies bedeutet, dass Cedar [Credit Suisse]-Aktionärinnen und -Aktionäre Ulmus [UBS]-Aktien und einen solchen «Besserungsschein» erhalten, der in Ulmus [UBS]-Aktien ausbezahlt würde, falls es keine negativen Überraschungen gibt.Schutzmassnahmen zur Sicherung des Geschäfts zwischen Ankündigung und ausserordentlicher Generalversammlung sind erforderlich. |
| Restrukturierung/ Governance | Keine Auflagen für das Integrationskonzept, auch keine Einschränkungen bezüglich der Zukunft der Schweizer Einheit, des Geschäftsstellennetzes, der Personaloptimierung und der MarktpräsenzKeine Auflagen für die Governance-Struktur und die Ernennung von PersonenRechtliche Struktur: Bestätigung, dass die rechtliche Struktur mit einer zwischengeschalteten Muttergesellschaft unterstützt wird (wobei WMI weiterhin Teil der Schweizer AG ist) |
| Kapitalanforderungen | Auf zehn Jahre befristeter Verzicht auf Swiss-Finish-Anforderungen (sowohl auf Konzernebene als auch auf Ebene der Schweizer Einheit), d. h. Beibehaltung der aktuellen UBS-Anforderungen ohne Erhöhung aufgrund der Grösse und/oder zusätzlicher Pufferanforderungen der CSVolle Verbuchung des «Badwill», der auf CET1 angerechnet wird , ohne Beschränkung der Verwendung für Aktienrückkäufe Erlaubnis, weiterhin Aktienrückkäufe zu tätigen, solange während der Zwischen- und der Zielphase die CET1-Vorgabe eingehalten wirdRisikogewichtete Aktiva (RWA) für operationelle Risiken sind entsprechend der Reduzierung der Aktiva, einschliesslich Veräusserungen / Ausstieg aus Geschäftstätigkeiten und natürlicher Abgänge, zu reduzieren; Berechnung der risikogewichteten Aktiva für operationelle Risiken basierend auf dem internen Modell und der Historie der UBS, keine Weitergabe nicht relevanter idiosynkratischer operativer Verluste der Credit Suisse an die UBSFlexibilität bei den Fristen für die Umsetzung von neuen Regulierungen, d. h. TBTF-Liquiditätsverordnung, Basel III final / FRTB, für die fusionierte Bank, einschliesslich des Verzichts auf Vorlaufzeiten in anderen Rechtsordnungen und Unterstützung in wesentlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit Basel III final (z. B. Gegenparteien ohne Rating) Keine zusätzlichen Kapitalanforderungen auf der Ebene der einzelnen juristischen Einheiten (z. B. Schweiz, USA, Vereinigtes Königreich); Unterstützung des Kapitalplans durch die Regulierungsbehörden; Erlaubnis, überschüssiges Kapital aus lokaler Geschäftstätigkeit zurückzuführen, sofern dies sinnvoll istBesitzstandswahrung für Kapitalregelungen / Kapitalbefreiung der CS Group (einschliesslich des regulatorischen Filters für Beteiligungen) für längere Zeit Zugang zu besicherten Liquiditätsinstrumenten der Zentralbank ab Ankündigung und bis und mit Ende der Integrationsperiode; bei zusätzlichem Liquiditätsbedarf auf AG-Ebene vorübergehende Möglichkeit, die ELA auch bei einem Anstieg des gruppeninternen TLAC-Engagements zu nutzen |
| Transparenz / Due Diligence | Die SNB, die FINMA und das EFD teilen alle relevanten Informationen und ihre detaillierte Einschätzung der Lage, d. h., sie sind bezüglich aller Probleme / Bedenken, welche den Behörden bekannt sein könnten, transparent.Zugang zur Geschäftsleitung und externen/internen Revision der CSVereinbarung über Due Diligence vor und nach der Ankündigung, einschliesslich Folgen bei Auffindung versteckter Verbindlichkeiten |
| Ausländische Regulierungsbehörden | Vorvereinbarung zwischen der FINMA, der SNB, dem EFD und anderen wichtigen Regulierungsbehörden, insbesondere der Fed, der PRA, der FCA und der EZB, über die rechtzeitige Genehmigung der Transaktion ohne wesentliche Auflagen (z. B. keine Erhöhung der lokalen Kapitalanforderungen, Unterstützung der Rückführung von überschüssigem Kapital, keine wesentlichen Zuschläge und keine Einschränkungen der Geschäftstätigkeit)Rechtliche Struktur: keine Änderung der Rechtsform im Vereinigten Königreich (Beibehaltung der aktuellen UBS-Lösung, d. h. einer Niederlassung der UBS AG) |
| Kommunikation | Die FINMA, die SNB und das EFD geben gemeinsame/separate Erklärung(en) ab; darin halten sie fest, dass die UBS von den Regulierungsbehörden ersucht wurde, zur Stabilisierung des Finanzmarktes beizutragen; endgültiger Wortlaut ist mit den Behörden abzustimmen. Die UBS muss die Massnahmen zur Risikominderung im Detail kommunizieren können.Die FINMA, die SNB und das EFD müssen an der Medienkonferenz am Tag der Bekanntgabe teilnehmen. |
| Wettbewerbsbehörde (WEKO) und andere Lizenzbeschlüsse | Verbindliche Zusage, dass die wettbewerbsrechtlichen Prüfungen und Entscheidungen im Schnellverfahren erfolgen; nötigenfalls durch Eintritt der FINMAVereinbarung über die Einführung von Beschränkungen für strategische Entscheidungen bei der CS vor den ausserordentlichen Generalversammlungen und vor Abschluss der Transaktion |
| Garantien / Ausgliederungen / Auswirkungen auf Net-Asset-Value-Bewertung | Schutz vor Auswirkungen der Übernahme, die zu Wertberichtigungen von Buchwerten führen kann, AT1-Abschreibung in Betracht ziehen Unterstützung durch die Aufsichtsbehörde bei SPV-Strukturen zur Begrenzung der Bilanzrisiken für bestimmte Portfolios (insbesondere Portfolios, die nicht das Kerngeschäft betreffen, und Investmentbanking-Portfolios); Quantum ist im Rahmen der Due Diligence vor der Vorankündigung festzulegenWeitere Einzelheiten sind mit dem Fortschreiten des Due-Diligence-Prozesses festzulegen.Garantie zur Deckung der Mark-to-Model-Bewertungen |
Quelle: «DRAFT conditions for initial discussion», UBS, 16.3.2023.
Aus den Anhörungen der PUK und den analysierten Verwaltungsdokumenten geht hervor, dass die wesentlichen Änderungen im Vergleich zu den Forderungen am Vortag die folgenden waren: Neu erwähnte der Forderungskatalog der UBS erstmals die Abschreibung der AT1-Anleihen (« protection against impact of purchase accounting which might lead to potential valuation write-downs, considering a ATI write-down; support from the regulator for SPV structure involving an ATI write-down to limit downside balance sheet risks for defined portfolios»; siehe Kasten 19 in Kap. 7.2.3.7). ¹527 Die UBS befürchtete demnach, dass sie wegen der Fusion umfangreiche Bewertungsanpassungen (etwa auf künftig infolge der Fusion nicht mehr benötigter IT/Software oder auf gewissen Aktiven) auf Buchwerten der CS-Gruppe vornehmen und Rückstellungen (etwa für Rechtsfälle) bilden muss. ¹528
Als Reaktion auf den revidierten Forderungskatalog kontaktierte der Präsident der SNB den Verwaltungsratspräsidenten der UBS und gab zu verstehen, dass die Forderungen der UBS seines Erachtens zu weit gingen. Auf Nachfrage des Präsidenten der SNB habe der Verwaltungsratspräsident der UBS erklärt, dass der neue Forderungskatalog ohne sein Wissen erstellt worden sei und die UBS «eine bessere Lösung in Aussicht stellen» würde (siehe Kasten 21 im Kap. 7.2.4.6). ¹529
¹525 «Die Credit Suisse Group trifft entschiedene Massnahmen, um ihre Liquidität vorausschauend zu stärken, und lanciert öffentliche Kaufangebote für Schuldtitel» Medienmitteilung der CS vom 16.3.2023, https://www.ubs.com/global/en.html > About us > Media > Releases > Credit Suisse, Part of UBS group (Stand: 21.11.2024).
¹526 Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024; Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 11.
¹527 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 66 f., 70
¹528 Dies hat sich rückblickend bestätigt: Konkret führte die Fusion zu Anpassungen bei der Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten in der Höhe von -14,7 Mrd. USD, zu zusätzlichen Rückstellungen für mögliche Abflüsse aus Rechtsstreitigkeiten sowie regulatorischen oder ähnlichen Angelegenheiten von -4,5 Mrd. USD, Wertkorrekturen auf immateriellen Vermögenswerten von -0,9 Mrd. USD sowie Fair Value Adjustments auf nicht finanziellen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten von -0,6 Mrd. USD. Hinzu kamen Bewertungsanpassungen infolge der Umstellung des Rechnungslegungsstandards von US GAAP auf IFRS in der Höhe von -4,1 Mrd. USD. Insgesamt ergaben sich aus der Fusion im zweiten Quartal 2023 netto Wertkorrekturen im handelsrechtlichen Eigenkapital von -24,8 Mrd. USD. Hierbei sind Restrukturierungs- und weitere Folgekosten der Fusion sowie weiterlaufende operationelle Verluste von CS-Einheiten nicht berücksichtigt (Präsentation der UBS über die Finanzergebnisse des zweiten Quartals vom 31.8.2023, S. 18; Quartalsbericht für das zweite Quartal 2023 der UBS vom 31.8.2023, S. 4 ff., 69 ff.; Geschäftsbericht der UBS 2023; Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation).
¹529 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 13
7.2.2.2 Ausserordentliche Sitzung des Verwaltungsrates der FINMA zur kritischen Lage der CS
Der Verwaltungsrat der FINMA tagte ab 7.45 Uhr in einer ausserordentlichen Sitzung, an der wie üblich auch Teile des Krisenstabs der FINMA teilnahmen. 153⁰ Er wurde darüber orientiert, dass die CS bei der SNB rund 39 Milliarden Franken in Form von ELA beantragt hatte. Die Geschäftsleitung beantragte, gestützt auf die Kennzahlen, die die CS der SNB für den Bezug von ELA mitgeteilt hatte, die erforderliche Solvenzbestätigung auszustellen. Der Verwaltungsrat stimmte diesem Antrag einstimmig zu. 153¹
Der Verwaltungsrat besprach zudem die möglichen Liquiditätszuflüsse von der Schweizer Tochtergesellschaft (Credit Suisse (Schweiz) AG) zum Stammhaus (Credit Suisse AG): Gemäss Notfallplan durfte die Nettoschuld der Parent Bank gegenüber der Credit Suisse (Schweiz) AG maximal 10 Milliarden Franken betragen. Der Verwaltungsrat stellte fest, dass die Einhaltung dieser Limite für die Einhaltung des Notfallplans unerlässlich und daher nicht verhandelbar sei. ¹532
| Kasten 16 : Die Problematik von Ring Fencing und Upstreaming Die Diskussionen zwischen den Behörden und der Credit Suisse (Schweiz) AG verdeutlichen ein Problem der Liquiditätszuteilung innerhalb der CS-Gruppe, das die Behörden bereits im Oktober 2022 erkannt hatten (siehe Kap. 6.3.3.1): Die Einheiten einer internationalen Bankengruppe sind jeweils in unterschiedlichen Staaten angesiedelt. In jedem Staat gelten eigene regulatorische, gesellschaftsrechtliche und steuerliche Transferbeschränkungen für Liquidität. ¹533 Diese Transferbeschränkungen limitieren insbesondere den Umfang von Geldzuflüssen aus den Tochtergesellschaften in das Stammhaus (sog. Upstreaming ) beziehungsweise über das Stammhaus in weitere Tochtergesellschaften (sog. Cross-Streaming ). Selbst wenn der Umfang der Liquidität, die in der gesamten Gruppe zur Verfügung steht, angemessen ist, kann der Fall eintreten, dass die Liquidität nicht in jene Gruppeneinheiten gebracht werden kann, in welchen sie benötigt wird. Im Fall der CS war das Stammhaus (Credit Suisse AG) im Oktober 2022 und März 2023 sofort unmittelbar von der Krise betroffen. ¹534 Zudem benötigten ausländische Einheiten der CS-Gruppe Liquidität (siehe Kap. 7.2.3.5). Aufgrund von regulatorischen Beschränkungen (insbesondere im Zusammenhang mit der Notfallplanung) konnte das Stammhaus nicht unbegrenzt Liquidität von anderen Tochtergesellschaften (insbesondere der Schweizer Einheit) zu diesen Einheiten transferieren (siehe Kap. 7.2.3.6).Ring FencingDer Begriff «Ring Fencing» bezeichnet die von ausländischen Behörden verhängten höheren regulatorischen Anforderungen oder Mittelabflussbeschränkungen für die ausländische Tochtergesellschaft oder Niederlassung einer Schweizer Bank. ¹535 Im Fall der CS waren die Schweizer Behörden seit Herbst 2022 besorgt, dass die ausländischen Aufsichtsbehörden - insbesondere diejenigen im Vereinigten Königreich und in den USA - solche erhöhten Anforderungen und Mittelabflussbeschränkungen verfügen könnten (siehe Kap. 6.3.3.1). Nach Informationen der FINMA trat ein solches Ring Fencing tatsächlich ein: Nachdem in den sozialen Medien Anfang Oktober 2022 Gerüchte aufgekommen waren (siehe Kap. 6.1.2), auferlegten die Fed und die PRA der CS Ende 2022 für die Zeit bis März 2023 erhöhte Liquiditätsanforderungen in Form von Notifikations- oder Bewilligungspflichten. ¹536 Ferner erhöhte die Fed am Wochenende vom 18. und 19. März 2023 ihre bisherigen Erwartungen an die Liquiditätshaltung von 18 Milliarden (siehe Kap. 7.2.2.8) um 8 Milliarden US-Dollar. Substanzielle Teile des ELA-Bezuges wurden daher bei der Fed platziert (siehe Kap. 7.2.2.8). ¹537 UpstreamingAuch zwischen einer systemrelevanten Tochtergesellschaft und dem Stammhaus, die ihren Sitz beide in der Schweiz haben, gelten verschiedene Transferbeschränkungen. Die Schweizer Tochtergesellschaft einer Gruppe übt die für die Schweiz systemrelevanten Funktionen aus, damit diese im Notfall unabhängig von der Abwicklung der gesamten Gruppe weitergeführt werden können (siehe Kap. 5.3.1.4 oben). Im Rahmen der Vorgaben des Schweizer Notfallplans kann die Schweizer Tochtergesellschaft daher nicht beliebig Liquidität in das Stammhaus verschieben, sondern muss selbst über genügend verlustabsorbierendes Kapital und Liquidität verfügen. Der maximal mögliche Umfang des Upstreams ist somit beschränkt. ¹538 In diesem Zusammenhang habe der Verwaltungsrat der Schweizer Tochtergesellschaft (Credit Suisse (Schweiz) AG) eine interne Richtlinie erlassen, um das Upstreaming an das Stammhaus zu begrenzen. Diese beinhaltete einerseits die Sicherstellung der Verrechnung von Up- und Downstreaming, andererseits eine maximale Netto-Exposure. Dies habe dem Schutz der Umsetzbarkeit des Schweizer Notfallplans gedient. ¹539 Im Fall der CS hat die Gewährung der Liquiditätshilfe durch die SNB zur Lösung dieser beiden Problemstellungen beigetragen: Die SNB gewährte derjenigen Einheit, die Sicherheiten leisten konnte, entsprechende ausserordentliche Liquiditätshilfe (ELA). Das war im konkreten Fall die Schweizer Tochtergesellschaft (Credit Suisse (Schweiz) AG) (siehe Kap. 7.2.3.5). Jedoch konnte diese aufgrund der Schranken bezüglich Upstreaming nur beschränkt Liquidität an das Stammhaus, das selbst aufgrund fehlender Sicherheiten keine ELA beziehen konnte, weiterleiten. Dieses Problem konnte letztlich über die zusätzliche Liquiditätshilfe der SNB (ELA+) gelöst werden. Die Gewährung von Liquidität mit dem Instrument ELA+, das am 16. März über Notrecht eingeführt wurde, setzte keine Sicherheiten voraus. Die Liquidität konnte daher direkt dem Stammhaus (der Parent Bank) gewährt werden, während die Liquiditätsgewährung mit ELA nur via die Schweizer Einheit möglich war (siehe Kap. 7.2.4). 154⁰ Für Ausführungen zur Problematik von Ring Fencing und Upstreaming sei insbesondere auf den Bericht der Expertengruppe «Bankenstabilität» vom 1. September 2023 verwiesen. |
153⁰ Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 16.3.2023, S. 1
153¹ Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 16.3.2023, S. 1
¹532 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 16.3.2023
¹533 Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, 1.9.2023, S. 49.
¹534 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 59 ff.
¹535 Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 133)
¹536 Brief der FINMA an die PUK vom 1.7.2024, S. 2. Die Fed teilte der CS am 9.10.2022 mit, dass sie umgehend zu notifizieren sei, falls der Bargeldbestand am Ende eines Arbeitstages unter 18 Mrd. USD oder tagsüber unter 7 Mrd. USD fallen sollte. Obwohl es sich um eine Notifikationsanforderung handelte, habe diese Anforderung gemäss der FINMA zu einem ähnlichen Effekt wie eine Mindestanforderung geführt. Die PRA teilte der CS am 3.11.2022 mit, dass sämtliche Liquiditätstransfers aus dem Vereinigten Königreich zur Gruppe neu nicht mehr am selben Tag durchgeführt werden könnten, sondern erst nach Überprüfung durch die PRA am nächsten Tag.
¹537 Brief der FINMA an die PUK vom 1.7.2024, S. 2. Nach den Aussagen des neuen Hauptaktionärs der CS am 15.3.2023 habe es gemäss der FINMA Bestrebungen des Department of Financial Services in New York gegeben, gegenüber der Zweigniederlassung der CS AG in New York umfassende Ring-Fencing-Massnahmen zu erlassen. Da diese Massnahmen das Liquiditätsmanagement in US-Dollar der gesamten CS-Gruppe massiv erschwert hätten, habe die Fed interveniert. Daraufhin hätten sich die beiden amerikanischen Behörden auf das oben beschriebene, gemeinsame Vorgehen geeinigt.
¹538 Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, 1.9.2023, S. 49.
¹539 Schriftliche Antwort an die PUK vom 1.6.2024, S. 3; Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
154⁰ Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, 1.9.2023, S. 50.
7.2.2.3 Erste direkte Kontaktnahme zwischen UBS und CS ohne Ergebnis
Gemäss den Informationen, die der PUK vorliegen, telefonierten die Verwaltungsratspräsidenten der CS und UBS erstmals am Donnerstag, 16. März 2023, um 8.15 Uhr miteinander. 154¹ Der Verwaltungsratspräsident der UBS habe dem Verwaltungsratspräsidenten der CS anlässlich dieses Gesprächs lediglich mitgeteilt, dass die UBS von den Behörden gebeten worden sei, tätig zu werden (« asked […] to step in »). ¹542
Im Anschluss an dieses Gespräch schickte der Verwaltungsratspräsident der CS dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS per E-Mail einen Brief, in welchem er um Klärung verschiedener Fragen bat. Unter anderem wollte er wissen, ob der Verwaltungsratspräsident der UBS sich bereits mit der FINMA über den Kauf der CS ausgetauscht habe und ob nicht bereits eine Vereinbarung mit ihr getroffen worden sei. Ferner fragte er, ob der Verwaltungsrat der UBS über die geplante Transaktion informiert worden sei. Er stellte auch Fragen zur Struktur des Zusammenschlusses (Fusion oder öffentliches Kaufangebot/Übernahme; wettbewerbsrechtliche Hindernisse), zum Kaufpreis für die Aktionärinnen und Aktionäre der CS sowie zur benötigten Unterstützung durch schweizerische und ausländische Behörden. Er präzisierte, dass die FINMA und der Bundesrat am Sonntagabend den Zusammenschluss verkünden wollten. Er stellte sodann in Aussicht, der UBS Zugang zum virtuellen Datenraum der CS zu gewähren, sobald diese eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet habe. ¹543
Der Verwaltungsratspräsident der UBS sagte vor der PUK aus, dass er diesen Brief für unangemessen gehalten habe. Er habe in der Folge den Präsidenten der SNB angerufen und erklärt, dass die UBS auf einer solchen Grundlage nicht arbeiten könne. Er habe sich darüber geärgert, dass die UBS noch keinen Zugriff auf die Daten der CS erhalten habe, und habe vermutet, dass die CS die Arbeiten absichtlich hinauszögere. ¹544
Zwischen der CS und der UBS sind nach Angaben angehörter Personen an diesem Tag keine weiteren nennenswerten Interaktionen erfolgt, weshalb die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen am nächsten Tag eine gemeinsame Sitzung einberief (siehe Kap. 7.2.3.3). ¹545
154¹ Brief UBS an PUK vom 15.3.2024, Anhang 2
¹542 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und Credit Suisse AG vom 16.3.2023, S. 2 f.
¹543 Brief der CS an die UBS vom 16.3.2023
¹544 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 36
¹545 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 7, 15
7.2.2.4 Erste Weichenstellung: Diskussion im Ausschuss Finanzkrisen über mögliche Zwangsmassnahmen gegenüber der CS sowie über die Forderungen der UBS
In Vorbereitung der gleichentags stattfindenden LG-Sitzung besprachen die Mitglieder des AF an ihrer Morgensitzung, die um 9 Uhr begann, den Stand der Vorbereitungen für die Notverordnung. Die Unterlagen für das entsprechende Bundesratsgeschäft waren von der Vorsteherin des EFD unterzeichnet worden und standen nun für die später stattfindende Sitzung des Bundesrates bereit. ¹546
Des Weiteren informierte die Direktorin der EFV die Teilnehmenden über das kurz bevorstehende Treffen mit der Präsidentin der FinDel, an welchem u. a. über die Sitzung der FinDel und eine Anhörung der CS gesprochen werden sollte. Die Teilnehmenden des AF drückten in diesem Zusammenhang ihre Sorge aus, dass die CS ihre Lage an der Anhörung vor der FinDel beschönigend darstellen würde und glaubhaft machen könnte, sie brauche weder die Unterstützung der Bundesbehörden noch der UBS. Sie befürchteten sogar, die CS könnte mitteilen, sie sei von den Behörden unter Druck gesetzt worden. ¹547
Der Leiter der Abteilung Finanzsystem und Finanzmärkte des SIF erkundigte sich an der genannten Sitzung bei den teilnehmenden Vertreterinnen und Vertretern der FINMA zudem, ob sie die CS in Anwendung von Artikel 25 BankG im Rahmen von Schutzmassnahmen anweisen könnten, sich mit der UBS zusammenzuschliessen . Der Leiter des Geschäftsbereichs Recovery und Resolution der FINMA erwiderte, dass sie die CS sanieren müssten, wenn man annehme, sie habe den Point of Non-Viability erreicht. Das sei aber noch nicht der Fall. ¹548
Beratung der initialen Forderungen der UBS
Der AF besprach auch die initialen Forderungen der UBS , die diese am Vortag übermittelt hatte. Dabei wurden die folgenden vier Forderungen vertieft diskutiert:
1.
Transaktionsstruktur : Die UBS verlangte die Zusicherung der Behörden, dass sie keine Prämie auf der Basis des Börsenschlusskurses bezahlen müsse. Der Direktor und der Leiter des Geschäftsbereichs Banken der FINMA bemerkten, dass die Behörden unter keinen Umständen bei der Preisfindung einwirken sollten. Die Preisfindung sei (gerade bei einem öffentlichen Kaufangebot) auch von gesetzlichen Schranken bestimmt, von denen die Behörden keine Ausnahmen gewähren könnten. ¹549
2.
Eigenmittelvorschriften : Der Leiter des Geschäftsbereichs Banken kommentierte die Forderungen der UBS im Zusammenhang mit den Eigenmittelvorschriften. In Bezug auf die Forderung der UBS nach einem Stillstehen und einem anschliessenden phasenweisen Aufbau der regulatorischen Anforderungen, die sich als Folge des Zusammenschlusses mit der CS verschärfen würden, gelangte der AF zum Ergebnis, dass wohl ein zweijähriges «Stillstehen» angeboten werden könnte. 155⁰
3.
Weiterführung der regulatorischen Erleichterungen: Die von der FINMA der CS über die Jahre hinweg gewährten regulatorischen Erleichterungen könnten nach Einschätzung der AF-Teilnehmenden bei einem Zusammenschluss von der UBS übernommen werden, müssten jedoch nach einer gewissen Zeit wegfallen. 155¹
4.
Staatsgarantien in Form einer Zweckgesellschaft: Die AF-Teilnehmer stellten fest, dass die weitgehende Forderung der UBS nach einer Staatsgarantie in der Form eines sogenannten Special Purpose Vehicle zur Einschränkung der Risiken gewisser Portfolios ohne Notrecht nicht umsetzbar war. ¹552
Bilanzierend vereinbarten die Behördenvertreterinnen und -vertreter, bis Ende des Tages noch offene Fragen mit der UBS abzuklären sowie sie zu fragen, bis wann sie mit einer grundsätzlichen Zusage ihrerseits zum Zusammenschluss mit der CS rechnen könnten. Die FINMA sollte diese technischen Gespräche mit der UBS leiten, und die SNB und das SIF sollten ebenfalls dabei sein. ¹553
Die FINMA brachte zudem ein, dass die Fed und die PRA bisher noch nicht über den möglichen Zusammenschluss der CS und der UBS informiert worden waren. Diese Information müsse aber bald erfolgen, da die UBS als Bedingung für einen Zusammenschluss die dafür erforderlichen Zusagen ausländischer Regulatoren stelle. ¹554 Der AF einigte sich darauf, wer mit welchen ausländischen Behörden Kontakt aufnehmen soll, um ihnen erstmals den möglichen Zusammenschluss der CS mit der UBS anzukündigen. ¹555
Beratung der zweckmässigen Kommunikation
Einen wichtigen Teil der Sitzung widmete der AF zudem der öffentlichen Kommunikation zu den verschiedenen Entwicklungen. So berichtete die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen von den internationalen Rückmeldungen, die sie zur Medienmitteilung der SNB und der FINMA erhalten hatte: Auf die deutschen, französischen und US-amerikanischen Behörden habe die Medienmitteilung eine beruhigende Wirkung gehabt.
Der AF erwog weiter den Zeitpunkt einer möglichen öffentlichen Kommunikation der Behörden. Die Mitglieder des AF kamen überein, dass die Entscheide des Bundesrates sowie der FinDel vorliegen müssen, bevor über die Schaffung des neuen Instruments ELA+ kommuniziert werden kann. Jedoch fragten sie sich generell, wie zweckmässig eine isolierte Kommunikation zur Gewährung von ELA+ sei. Der Markt könnte sich fragen, wieso der kurz zuvor angekündigte Bezug von ELA nicht ausreichend gewesen sei, und deshalb negativ reagieren. Sie gelangten zum Schluss, dass eine Kommunikation über den Zusammenschluss zusammen mit sämtlichen Massnahmen der Behörden gegenüber einer Mitteilung einzig betreffend die ELA+ vorzuziehen war. ¹556
In diesem Zusammenhang besprach der AF auch die Rechtskraft der Notverordnung zur Einführung des Instruments ELA+. Die Direktorin der EFV und der Leiter der Abteilung Finanzsystem und Finanzmärkte des SIF bestätigten, dass die SNB trotz ausstehender Publikation der Notverordnung ELA+ an die CS leisten konnte. ¹557
Der AF diskutierte auch die in den frühen Morgenstunden veröffentlichte Medienmitteilung der CS zum ELA-Antrag. Der Vizepräsident der SNB und der Direktor der FINMA erläuterten, dass die CS ursprünglich eine sehr weitgehende Mitteilung geplant hatte. Kurzfristig hätten sie aber um eine Korrektur gebeten. Die Nennung eines konkreten Betrags in der Medienmitteilung sei eine Initiative der CS gewesen, um den Markt zu beruhigen. Die CS habe vorgängig diverse Anfragen zur Höhe des Betrags erhalten. Die Nennung einer konkreten Zahl in der Medienmitteilung der CS habe den Direktor der FINMA und den Vizepräsidenten der SNB überrascht, da die CS bisher bei der ELA nicht sehr proaktiv gewesen sei. Es sei möglich, dass der Markt den bezogenen ELA-Betrag als ungenügend erachtet. Weiter kritisierten die Teilnehmenden des AF, dass die CS einen Teil der ELA für die Rückzahlung gewisser Senior Bonds einsetzen wolle. ¹558 Die CS wollte überdies den späteren Rückkauf eines Teils der AT1-Anleihen im Umfang von 2 Milliarden US-Dollar ankündigen, was die FINMA aber nicht gestattete. ¹559 Dies zeige, dass die CS den Ernst der Lage nicht verstanden habe. Der Direktor der FINMA habe der CS erklärt, dass die geplanten Massnahmen keine optimale Nutzung der Liquidität seien. An der AF-Sitzung stellte er fest, dass es kein gesetzliches Instrument gebe, um die CS von der Nutzung der Liquidität abzuhalten, und dass das Verhalten der CS sehr problematisch sei. 156⁰
Zuletzt besprach der AF die Tatsache, dass die Medien über die später an diesem Tag stattfindende ausserordentliche Bundesratssitzung berichtet hatten. Die Teilnehmenden nahmen dieses Leak mit Bedauern zur Kenntnis. 156¹
¹546 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 1 f.
¹547 Sie erwogen vor diesem Hintergrund sogar, die CS und die UBS um ihre jeweiligen Verwaltungsratsprotokolle zu bitten, aus denen ersichtlich würde, dass ein Zusammenschluss ein Entscheid der Verwaltungsräte und eben nicht der Behörden war. Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 2, 4 f., 8. Die PUK verfügt über keine Hinweise, dass die Behörden tatsächlich ein solches Begehren an die CS gestellt haben.
¹548 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 8 ff.
¹549 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 17 f.
155⁰ Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 21 f.
155¹ Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 34
¹552 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 11
¹553 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 32
¹554 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 12
¹555 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 37
¹556 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 2
¹557 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 3
¹558 Die PUK geht davon aus, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der AF-Sitzung nicht die AT1-Anleihen meinten. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass der Vizepräsident der SNB vor der PUK aussagte, die CS habe beabsichtigt, etwa zu diesem Zeitpunkt auch einen Rückkauf der ältesten AT1-Anleihen per Juli 2023 anzukündigen, um die Märkte zu beruhigen und das Vertrauen in die Bank zu stärken (Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 25).
¹559 Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
156⁰ Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 17
156¹ Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 38 f.
7.2.2.5 Gewährung von ELA an die CS
Das Direktorium der SNB entschied um 10 Uhr, dem Antrag der CS auf ELA stattzugeben. ¹562 Zusätzlich zu den rund 38 Milliarden Schweizer Franken, die die SNB der CS (Schweiz) AG als ELA gewährte, entrichtete sie ihr rund 10 Milliarden Franken als Engpassfinanzierungs-Fazilität (total rund 50 Milliarden Schweizer Franken). ¹563 Ein Teil dieser Beträge wurde in US-Dollar sowie in Euro ausbezahlt. ¹564
| Kasten 17 : Der ELA-Betrag und die Frage der Notwendigkeit von ELA+ Die SNB übernimmt in Krisenzeiten die Rolle der Kreditgeberin in letzter Instanz. Das bedeutet, dass sie Banken von systemrelevanter Bedeutung Darlehen vergibt, wenn diese zu wenig Liquidität aufweisen und sich selber am Markt keine Liquidität beschaffen können (sog. ELA; siehe Kap. 3.3 und 5.5.3).Grundsätzlich entscheidet die betroffene Bank, wie viel Liquidität sie braucht und wie hoch ihr Antrag an die SNB ausfällt. Das NBG setzt für die Gewährung eines solchen Darlehens voraus, dass die betroffene Bank nicht überschuldet ist und im Gegenzug für das Darlehen genügend Sicherheiten an die SNB leisten kann. Gemäss der gesetzlichen Grundlage ist es an der SNB zu definieren, welche Sicherheiten für einen ELA-Bezug zu leisten sind (siehe Kap. 5.5.3). Hypothekarkredite an Haushalte und Unternehmen in der Schweiz stellen den grössten Teil der potenziell für ELA einsetzbaren Sicherheiten dar. ¹565 Sie machen je nach systemrelevanter Bank 85 bis 95 % des inländischen Kreditvolumens aus. Dazu akzeptiert die SNB Obligationen und Aktien. Dabei können die Banken insbesondere ausländische Lombardkredite in verbriefter Form an die SNB übertragen. ¹566 Wertschriften und Lombardkredite bilden den Grossteil der Bilanz der Stammhäuser von CS und UBS. ¹567 Die SNB bewertet die vorhandenen Sicherheiten vorsichtig und nimmt Abschläge vor (sog. Haircuts ). ¹568 Zudem hatte die CS wie die UBS Zugang zu den Fazilitäten der ausländischen Zentralbanken. ¹569 Ein möglicher Zugang war in den Funding-in-Resolution-Plänen der FINMA und der CS erwähnt, aber nicht quantifiziert, obwohl die FINMA diesbezüglich der CS eine verbesserte Vorbereitung attestiert hatte. 157⁰ Damit eine Bank Sicherheiten bei einer Zentralbank einsetzen kann, muss sie Vorkehrungen treffen. Die SNB übt keine Bankenaufsicht aus (siehe Kap. 3.3) und kann eine Bank nicht dazu verpflichten, ihre Sicherheiten zu erhöhen (siehe Kap. 5.5.3).Aus der Perspektive einer Resolution (und damit aus der Perspektive einer Sanierung) ist die ELA eine ausserordentliche Liquiditätshilfe, welche im Going Concern Anwendung findet, also noch vor Einleitung einer Sanierung. Eine Resolution bzw. Sanierung wird danach eingeleitet, falls sich die Situation nach einem ELA-Bezug weiter verschlechtert. Der ELA-Bezug hilft der Bank, bis zu einem Wochenende zu überbrücken, damit ein kohärentes, international koordiniertes Massnahmenpaket ausserhalb der Banktage erlassen werden kann. Das Erreichen eines Wochenendes ist bei einer weltweit aktiven Bank wie der CS notwendig. Nur so können Kapitalmassnahmen rechtssicher und koordiniert (Anerkennung durch andere Behörden, geschlossene Märkte weltweit) erfolgen. Es soll verhindert werden, dass solvente Banken nur deshalb zahlungsunfähig werden, weil ihre illiquiden Aktiven nicht rechtzeitig oder nur unter hohen Kosten verwertet werden können. 157¹ Im vorliegenden Fall waren verschiedene Einheiten der CS-Gruppe von einer Liquiditätskrise betroffen und somit auf ELA angewiesen. Gleichzeitig war vorwiegend die Schweizer Tochtergesellschaft in der Lage, entsprechende Sicherheiten zu bieten. Grund dafür war, dass das CS-Stammhaus die Verbriefung von Lombardkrediten für eine rechtsgültige Sicherheitenbestellung nicht vorbereitet hatte (siehe Kap. 6.2.2) und die ELA-fähigen Wertschriften bereits in anderen Finanzmarktgeschäften gebunden hatte. ¹572 Auch bei den ausländischen Zentralbanken konnte das CS-Stammhaus keine nennenswerten Sicherheiten aufbringen, obwohl der Grossteil seiner Kredite bei den ausländischen Töchtern und Filialen verbucht war. ¹573 Obwohl sich die Bilanz der CS im Oktober 2022 auf 800 Milliarden und im März 2023 auf 600 Milliarden Schweizer Franken belief, ¹574 beantragte sie am 16. März Liquiditätshilfe-Fazilitäten von rund 50 Milliarden Schweizer Franken (wovon rund 40 Milliarden Schweizer Franken in Form von ELA). Dieser Betrag wurde mehrheitlich an die Schweizer Tochtergesellschaft, welche die Sicherheiten bot, ausbezahlt. ¹575 Aufgrund der Einschränkungen beim Upstreaming (siehe Kasten 16 in Kap. 7.2.2.2) konnte diese Liquidität innerhalb der Gruppe nicht beliebig gemäss dem Bedarf der einzelnen Gruppeneinheiten verteilt werden. ¹576 Um die weiteren betroffenen Einheiten der CS-Gruppe bis zum Wochenende mit ausreichend Liquidität zu versorgen, wurde zusätzlich ELA+ über Notrecht eingeführt (siehe Kap. 7.2.3.5). Im Unterschied zu ELA war die Vergabe von ELA+ nicht an die Leistung von genügenden Sicherheiten gebunden. So konnte die SNB Liquidität an das Stammhaus vergeben, das diese auch an die ausländischen Tochtergesellschaften transferieren konnte.Nach Aussagen eines Vertreters der SNB war realistischerweise nicht zu erwarten, dass die CS sich alleine mit der am Donnerstag gewährten ELA aus der Krise hätte retten können. Denn die ELA löste das zugrundeliegende Problem der Vertrauenskrise nicht. ¹577 Vor der PUK wurde ausgesagt, dass die CS ohne ELA am Donnerstag und ELA+ am Freitag vielleicht bereits am Freitag, 17. März, zahlungsunfähig geworden wäre. ¹578 Weil die CS keine materielle Liquiditätshilfe bei den ausländischen Zentralbanken vorbereitet hatte, musste die SNB die gesamte ELA+ in Fremdwährungen leisten. Die SNB hatte vorsorglich einen Teil ihrer eigenen Fremdwährungsreserven in Liquidität umgewandelt und ihren eigenen Zugang zur Repo-Fazilität der Fed vorbereitet (siehe Kap. 7.2.3.5). ¹579 Dessen ungeachtet haben gewisse von der PUK angehörte Personen den Umfang von ELA am 16. März kritisiert. Während Vertreterinnen und Vertreter der SNB hervorhoben, wie flexibel sich die SNB bei der Vergabe von ELA und später von ELA+ gezeigt habe, äusserten sich Vertreterinnen und Vertreter des SIF, der EFV und der FINMA diesbezüglich kritisch, auch während der Krise (siehe Kap. 6.4.2). 158⁰ Gemäss ihnen sei es die Rolle der Kreditgeberin in letzter Instanz möglichst viele Sicherheiten zu akzeptieren, damit sie ihre Aufgabe wahrnehmen könne.Dem hielt die SNB entgegen, dass der Kreis der zulässigen Sicherheiten nicht bindend gewesen sei. Es sei dokumentiert, dass die CS mit ihren Vorbereitungen das Potenzial bei der SNB nicht ausgeschöpft habe (siehe Kap. 5.5.3). Die SNB habe selber die CS im Herbst 2022 darum ersucht, weitere Sicherheiten für ELA zu ermitteln. Bei den Lombardkrediten habe es das CS-Stammhaus unterlassen, Übertragungsklauseln einzubauen. Die Bank sei auch nicht in der Lage gewesen, weitere nennenswerte werthaltige Aktiven als rechtlich übertragbare Sicherheit aufzubringen (siehe Kap. 6.2.2). Zudem könne die SNB keine Bank verpflichten, ihre Sicherheiten für ELA zu erhöhen bzw. für eine rechtliche Sicherheitenbestellung vorzubereiten (siehe Kap. 5.5.3.). 158¹ Zu den Aufsichtsaufgaben der FINMA im Bereich der Liquiditätsvorsorge verwies die SNB auf die BankV. Jede systemrelevante Bank müsse einen Stabilisierungsplan erstellen, der Massnahmen zur Liquiditätssicherung in einer Krise vorsieht. Der Plan der CS sei durch die FINMA genehmigt worden. Zusätzlich müsse die FINMA einen Funding-in-Resolution-Plan vorbereiten. Gemäss FSB-Richtlinien gehöre dazu eine Quantifizierung der Zentralbankfazilitäten. Schliesslich müsse die FINMA jährlich beurteilen, wie eine Bank den Liquiditätsbedarf in einer Sanierung decken würde und ob sie die Bewirtschaftung der verfügbaren Sicherheiten gewährleiste. ¹582 Auch die Einführung von ELA+ wurde von den Behördenvertreterinnen und -vertretern kontrovers diskutiert (siehe Kap. 7.2.3). So sagte die Direktorin der EFV vor der PUK aus, dass geprüft werden müsse, ob die Rolle der SNB als Lender of Last Resort genügend weit gehe und ob die SNB das Kriterium der ausreichenden Sicherheiten genug weit interpretiere. Ihrer Einschätzung nach sei die Höhe der ausserordentlichen Liquiditätshilfen der SNB zu klein. Zudem könne die zur Verfügung gestellte Liquidität im Konzern nicht dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werde. ¹583 Die Verwaltungsratspräsidentin und der ehemalige Direktor der FINMA seien der Ansicht gewesen, dass die verfügbaren Sicherheiten von der SNB im Verhältnis zur Bilanz der CS zu tief definiert worden seien. ¹584 Zudem seien die von der SNB vorgenommenen Haircuts zu hoch gewesen. ¹585 Demgegenüber vertrat der Präsident der SNB die Ansicht, dass die SNB die nötigen Sicherheiten breit definiert habe. ¹586 Betreffend ELA+ wies die SNB darauf hin, dass sie am 11. Januar 2023 im LG eine Erweiterung des ELA-Potenzials im Rahmen von Notrecht thematisiert habe. Sie habe dem AF am 24. Januar 2023 auch einen Konzeptvorschlag für ELA+ unterbreitet (siehe Kap. 6.4.2). ¹587 |
Erste Orientierung der Präsidentin der FinDel
Ebenfalls etwa um 10 Uhr trafen die EFD-Vorsteherin und die Direktorin der EFV die damalige Präsidentin der FinDel. Ziel dieses Treffens war eine erste Orientierung der Präsidentin der FinDel über die Situation sowie die Vorbereitung einer FinDel-Sitzung, die voraussichtlich am Sonntag, 19. März, stattfinden sollte. ¹588 Gemäss der Präsidentin der FinDel wurde sie mündlich über die Situation der CS, die bisherigen Massnahmen der Behörden sowie die weiteren möglichen Interventionen des Bundesrates orientiert. Sie wurde auch über Reaktionen aus dem Ausland und diverse Gespräche, die die EFD-Vorsteherin geführt hatte, informiert. Die Präsidentin der FinDel schätzte die ihr anlässlich dieses Treffens vermittelten Informationen als umfassend ein. ¹589
¹562 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 14
¹563 ELA-Antrag vom 15.3.2023; SNB (2024): 116. Geschäftsbericht Schweizerische Nationalbank 2023, S. 108; Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 15; laut diesem Geschäftsbericht der SNB betrug die ELA 38 Milliarden Franken, während es gemäss Verwaltungsratsprotokoll der FINMA 39 Milliarden Franken waren.
¹564 SNB (2024): 116. Geschäftsbericht Schweizerische Nationalbank 2023, S. 108.
¹565 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 55
¹566 SNB: «Themendossier ‹Die Rolle der SNB als Kreditgeberin in letzter Instanz›», 2024, https://www.snb.ch/de > Medien > Themen-Dossiers > Weitere Themen (Stand: 25.11.2024).
¹567 SNB (2024): 116. Geschäftsbericht Schweizerische Nationalbank 2023, S. 109.
¹568 Laut den Informationen der PUK war die CS gemäss einem MoU verpflichtet, der SNB quartalsweise eine auf den Vorlagen der SNB basierende Aufstellung derjenigen Hypotheken zu liefern, welche zur Verpfändung zugelassen und frei verfügbar waren und somit als Sicherheiten für eine ausserordentliche Liquiditätshilfe dienen konnten («ELA MoU», undatiert, Ziff. 3.1 und 3.2; ELA-Antrag der CS an die SNB vom 15.3.2023).
¹569 SNB (2024): 116. Geschäftsbericht Schweizerische Nationalbank 2023, S. 109.
157⁰ Credit Suisse 2022 Resolution Funding Plan Contribution vom 16.12.2022; Draft Resolution Plan der FINMA vom 12.11.2019; Resolvability assessment der CS durch die FINMA vom 17.5.2022; Stellungnahme der SNB vom 31.7.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
157¹ Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
¹572 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 2; SNB (2024): 116. Geschäftsbericht Schweizerische Nationalbank 2023, S. 110.
¹573 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 2; Schriftliche Antwort an die PUK vom 26.3.2024, S. 6; Rechenschaftsbericht der SNB 2023, S. 110.
¹574 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 45
¹575 Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, 1.9.2023, S. 49.
¹576 Vertreter der FINMA teilten dem AF am 5. und 15. Oktober 2022 mit, dass ein Upstreaming eines grossen Betrags von der Schweizer Tochtergesellschaft in die Gruppe möglich sei (Transkription der AF-Sitzung vom 5.10.2022, S. 9 und 13 und vom 15.10.2022, S. 3). Die SNB hatte am 24.1.2023 im AF auf die Notwendigkeit hingewiesen, dieses Potenzial durch interne, gesicherte Finanzierungsgeschäfte zwischen Schweizer Tochter und Parent Bank zu erhöhen (Präsentation der SNB im AF vom 24.1.2023, S. 5).
¹577 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 24
¹578 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 57
¹579 Schriftliche Antwort an die PUK vom 26.3.2024, S. 9; SNB (2024): 116. Geschäftsbericht Schweizerische Nationalbank 2023, S. 108.
158⁰ Internes Dokument des EFD «230316 Q&A FinDel», S. 2
158¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 20
¹582 Vgl. Art. 64 und 65 a BankV; SNB (2024): 116. Geschäftsbericht Schweizerische Nationalbank 2023, S. 109; SNB (2024): Bericht zur Finanzstabilität 2024, Englischfassung, S. 46-48. FSB (2018): Funding Strategy Elements of an Implementable Resolution Plan, S. 15-16.
¹583 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 45
¹584 Brief an die PUK vom 25.6.2024, S. 8
¹585 Brief an die PUK vom 25.6.2024, S. 8
¹586 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 13
¹587 Schriftliche Antwort an die PUK vom 19.2.2024, S. 5
¹588 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 2
¹589 Schriftliche Antwort der Präsidentin der FinDel des Jahres 2023 vom 4.8.2024.
7.2.2.6 Weitere Krisensitzung des Lenkungsgremiums im Bernerhof
Die Behörden tagten, wie am Vortag vorgesehen, am 16. März 2023 um 11.30 Uhr erneut im Rahmen des LG. Anlässlich dieser Sitzung teilte der Präsident der SNB den Teilnehmenden mit, dass die FINMA die Solvenz der CS bestätigt und die SNB entsprechend den ELA-Antrag der CS von voriger Nacht gutgeheissen habe. 159⁰
Der Direktor der FINMA berichtete seinerseits, dass sich die Kommunikation der SNB und der FINMA vom 15. März positiv auf den Aktienwert der CS ausgewirkt habe. Die Volatilität sei aber aufgrund der bestehenden Unsicherheit weiterhin gross. Ebenfalls thematisiert wurden die Abflüsse des Vortags bei der CS: 4,5 Milliarden Franken im Wealth Management und 6,5 Milliarden Franken bei der Credit Suisse (Schweiz) AG. 159¹
Es folgte eine Besprechung zur Vorbereitung der Verhandlungen auf Grundlage des Forderungskatalogs der UBS. Der Direktor der FINMA hob drei problematische Forderungen hervor:
-
die Gewährung von Liquidität an die UBS ohne Leistung entsprechender Sicherheiten;
-
die Gewährung einer Garantie durch den Bund zugunsten der UBS;
-
die Gewährung von langfristigen Erleichterungen bei den Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen durch die FINMA.
Der Präsident der SNB fügte hinzu, dass die SNB der UBS keine Liquiditätshilfe ohne entsprechende Sicherheiten gewähren könne. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass die UBS kein Interesse daran haben könne, unerfüllbare Forderungen zu stellen - sie wolle schliesslich nicht, dass der Eindruck entstehe, die Lösungsfindung sei an ihr gescheitert. Auf die Bemerkung des Präsidenten der SNB, es wäre für die Verhandlungen hilfreich, wenn es neben der UBS eine weitere Interessentin gäbe, verwies der Direktor der FINMA auf die äusserst knappe Zeit. ¹592
Der Direktor der FINMA orientierte die Teilnehmer zuletzt, dass die Option einer Sanierung gemäss BankG aufgegleist sei. Die Bank habe am Vortag den Auftrag erhalten, bis zum Ende des heutigen Tages einen genehmigungsfähigen Sanierungsplan zu entwerfen. Die FINMA bereite eine entsprechende Sanierungsverfügung mit Hochdruck vor. ¹593
Die Vorsteherin des EFD hielt fest, dass es ausgeschlossen sei, ohne Lösung in die nächste Woche zu starten. In diesem Sinne sollte die EFV als potenzielle Alternative zur Option des Zusammenschlusses der CS mit der UBS eine neue Option vorbereiten: die Verstaatlichung der gesamten CS-Gruppe. ¹594 Nach Aussagen einer von der PUK angehörten Person sei dies das erste Mal gewesen, dass die Behörden die staatliche Übernahme der ganzen CS diskutiert hätten. Es sei ein Dammbruch gewesen, eine solche Lösung vorzuschlagen, da es ordnungspolitisch fragwürdig gewesen wäre, nicht nur die systemrelevanten Teile, sondern das ganze Institut zu schützen. Deshalb sei der Schritt zu dieser Lösung nicht ganz einfach gewesen. ¹595 Das LG beschloss in der Folge, eine Vorlage zur Option der Verstaatlichung (TPO) der CS-Gruppe vorzubereiten, einen Pikettdienst des Bundesrates sowie eine Bundesratssitzung am Sonntag aufzugleisen und keine Zugeständnisse in den Verhandlungen mit der UBS zu machen, die Notrecht voraussetzten. ¹596
159⁰ Protokoll der LG-Sitzung vom 16.3.2023, S. 1
159¹ Protokoll der LG-Sitzung vom 16.3.2023, S. 2
¹592 Protokoll der LG-Sitzung vom 16.3.2023, S. 2
¹593 Die FINMA hatte die Sanierungsverfügung und den Sanierungsplan bereits seit Oktober 2022 vorbereitet (Transkription der AF-Sitzung vom 15.10.2022, S. 16). Anfang November lagen Entwürfe des Sanierungsplans und der Sanierungsverfügung vor, die nach Angaben des Direktors der FINMA innert einer Woche finalisiert werden konnten (Transkription der AF-Sitzung vom 4.11.2023, S. 8 f.); Protokoll der LG-Sitzung vom 16.3.2023, S. 3.
¹594 Protokoll der LG-Sitzung vom 16.3.2023, S. 3
¹595 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 60
¹596 Protokoll der LG-Sitzung vom 16.3.2023, S. 3
7.2.2.7 Verabschiedung der Notverordnung zur Einführung von ELA+ und PLB durch den Bundesrat
Nach der Sitzung des LG fand um 13.15 Uhr die am Vortag einberufene ausserordentliche Sitzung des Bundesrates statt. Aufgrund der laufenden Frühlingssession des Parlamentes wurde diese Sitzung unterbrochen, damit die Vorsteherin des EJPD an einer Ratsdebatte teilnehmen konnte. Die Wiederaufnahme der Sitzung erfolgte um 17.15 Uhr. ¹597
Die Organisation der ausserordentlichen Bundesratssitzung sei wegen der Parlamentssession herausfordernd gewesen. Aufgrund der Teilnahme verschiedener Bundesrätinnen und Bundesräte an den Ratsdebatten sei es schwierig gewesen, ihnen im Vorfeld die erforderlichen Informationen zukommen zu lassen. ¹598 So wies die Vorsteherin des VBS an der genannten Sitzung darauf hin, sie habe aufgrund ihrer Anwesenheit im Parlament keine Kenntnis von den Unterlagen für diese Sitzung nehmen können. ¹599
Anlässlich dieser Sitzung wurde dem Bundesrat im Kontext der CS-Krise erstmals ein schriftlicher Antrag vorgelegt. 160⁰ Der Antrag beinhaltete die Erweiterung der bestehenden ELA sowie eine sofortige, auf Artikel 184 Absatz 3 und 185 Absatz 3 BV gestützte, Inkraftsetzung eines Instruments der staatlichen Liquiditätssicherung. Dieses Instrument (mithin der PLB) sollte vom Bundesrat unmittelbar «aktiviert» werden, um Liquiditätshilfe-Darlehen mit Ausfallgarantie des Bundes an die CS zu ermöglichen. Zudem sah der Antrag vor, dass der Bundesrat bei der FinDel den zur Zusicherung der Ausfallgarantie erforderlichen Verpflichtungskredit von 100 Milliarden Franken im Dringlichkeitsverfahren beantragt, damit der Bund gegenüber der SNB die für die Liquiditätshilfe-Darlehen an die CS notwendige Garantie abgeben kann. 16⁰1
Erläuterungen der Vorsteherin des EFD zur Entwicklung der Lage der CS
Im Beisein des Präsidenten der SNB und der Verwaltungsratspräsidentin sowie des Direktors der FINMA 16⁰2 orientierte die EFD-Vorsteherin den Gesamtbundesrat über die aktuelle Situation der CS und führte insbesondere aus, dass die Bank nach Einschätzung des EFD, der FINMA und der SNB den darauffolgenden Montag nicht überleben werde. 16⁰3 Sie erläuterte zudem, dass die Ratingagenturen die CS demnächst auf « non invest » herabstufen würden. 16⁰4 Zwar habe die gemeinsame Medienmitteilung der FINMA und der SNB am Vorabend die Lage vorübergehend etwas entschärft. 16⁰5 Es sei aber unbedingt nötig, dass die Behörden bis Sonntagabend eine Lösung finden und kommunizieren. 16⁰6 Der Bundesrat erfuhr zum ersten Mal, dass die CS und die UBS derzeit Gespräche über einen möglichen Zusammenschluss führten. An der Bundesratssitzung wurde erklärt, dass die nun zu treffende Entscheidung dazu dient, das Überleben der CS bis zum Wochenende resp. bis zur Lösungsfindung zu gewährleisten. 16⁰7 In diesem Zusammenhang besprach der Bundesrat unter anderem die Risiken für den Bund, die Folgen eines Konkurses der CS sowie die Folgen eines möglichen Zusammenschlusses zwischen der CS und der UBS. Gemäss den Vertreterinnen und Vertretern der SNB und der FINMA sollten neben der Sanierung zwei Lösungsszenarien in Betracht gezogen werden: den Zusammenschluss der CS und der UBS einerseits und die vorübergehende Verstaatlichung der CS andererseits. 16⁰8
Zunächst habe sich der Vorsteher des UVEK erkundigt, ob der Bundesrat die ELA+ und den PLB auch dann einführen sollte, wenn noch keine konkrete Lösung vorliegen würde. Daraufhin habe er sich überzeugen lassen, dass es diese Instrumente für jede Lösung brauche - also selbst bei einer Verstaatlichung der CS. Dennoch habe er verlangt, dass dem Bundesrat eine Bilanz der CS vorgelegt wird, damit dieser sehen kann, wo möglicherweise verwertbare Aktiven der Bank liegen. Dies habe es dem Bundesrat ermöglichen sollen, die Risiken zu kalkulieren. 16⁰9
Fragender Mitbericht des EDI
Das EDI reichte als einziges Departement einen fragenden Mitbericht zum EFD-Antrag ein. Gemäss Mitbericht hätte sich das EDI angesichts der seit mehreren Monaten bestehenden Schieflage der CS gewünscht, dass das EFD dem Bundesrat schon im vergangenen Jahr schriftlich verschiedene Optionen zur Aussprache unterbreitet hätte. Das EDI wollte insbesondere wissen, welches die möglichen Alternativen zur Ausstattung der CS mit Garantien bis zur allfälligen Übernahme durch die UBS seien. Es erkundigte sich auch danach, mit welchen Folgen auf nationaler und internationaler Ebene zu rechnen wäre, wenn der Bundesrat diese Garantien nicht beschliessen würde. Aufgrund der kurzen Frist erwartete das EDI keine schriftliche Antwort im Vorfeld der Sitzung. 161⁰
Das Fehlen weiterer Mitberichte führte der damalige Vizekanzler u. a. auf die «sehr kurze Frist» zurück. Die Abwicklung des Mitberichtsverfahren nehme bei geheim klassifizierten Unterlagen mehr Zeit in Anspruch. Der Verzicht der anderen Departemente auf einen Mitbericht könne dementsprechend «nicht als ‹Einverstanden-Erklärung› interpretiert werden». 161¹
Beschluss über die Einführung der Notverordnung
Der Bundesrat verabschiedete danach die Notverordnung zur Einführung der ELA+ und des PLB sowie die von der Bundeskanzlei vorbereiteten Elemente einer passiven Krisenkommunikation, die anschliessend den Departementen übermittelt wurden. 16¹2 Die ELA+ umfasste nur noch das Konkursprivileg, jedoch nicht mehr das zuvor angedachte gesetzliche Pfandrecht. Ein Pfandrecht, das insbesondere auch potenziell grenzüberschreitende Wirkung hätte entfalten sollen, hätte in jedem Fall aufwendige Vorarbeiten nötig gemacht. Es stand daher einer zeitnahen Einführung der ELA+ per Notrecht im Weg. 16¹3 Die SNB hatte geprüft, ob ihre Forderungen aufgrund der Gewährung von ELA+ durch das Konkursprivileg ausreichend mit Substanz der CS gedeckt wären. 16¹4 Diese Bedingung war erfüllt, auch unter Annahme eines möglichen Ring Fencing durch die ausländischen Behörden. Die SNB stützte diese Beurteilung auf eigene Berechnungen sowie auf das Gutachten von Oliver Wyman. 16¹5
Die Notverordnung trat um 20 Uhr in Kraft, wurde allerdings erst am 19. März veröffentlicht. 16¹6
| Kasten 18 : Die Rechtsverbindlichkeit einer Notverordnung vor ihrer Veröffentlichung Die Amtliche Sammlung des Bundesrechts (AS) ist eine chronologische Sammlung der Erlasse des Bundes, der völkerrechtlichen Verträge und der Beschlüsse des internationalen Rechts, der Verträge zwischen Bund und Kantonen sowie zwischen Kantonen. Durch die Publikation in der AS wird die sogenannte Kenntnisfiktion ausgelöst. Dies bedeutet, dass die Adressatinnen und Adressaten das darin publizierte Recht gegen sich gelten lassen müssen. Die Rechtsverbindlichkeit beschreibt den Zustand, dass eine Rechtsnorm den Rechtsunterworfenen verpflichtet oder berechtigt. Der Zustand tritt ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung ein, die neben dem Inkrafttreten die Voraussetzung der Rechtsverbindlichkeit bildet. Somit stellt die Rechtsverbindlichkeit die wesentliche Wirkung bzw. Folge der Veröffentlichung dar. 16¹7 Die publikationspflichtigen Erlasse müssen in der Regel mindestens fünf Tage vor ihrem Inkrafttreten in der AS veröffentlicht werden (Art. 7 Abs. 1 PublG). Bei Dringlichkeit reicht die Publikation am Tag des Inkrafttretens, wenn verhindert werden soll, dass der Erlass durch private Dispositionen in letzter Minute unterlaufen wird (Art. 7 Abs. 3 PublG, dringliche Veröffentlichung). 16¹8 Im vorliegenden Fall verabschiedete der Bundesrat die Notverordnung, mittels welcher die ELA+ und der PLB eingeführt wurden, am 16. März 2023. Die Notverordnung wurde in Rücksprache mit der BK 16¹9 erst am 19. März 2023 in der AS publiziert.Das BJ erfuhr erst am 19. März, dass der Bundesrat am 16. März entschieden hatte, die Notverordnung nicht sofort zu veröffentlichen. Obwohl für das BJ die Veröffentlichung eines Rechtssatzes essenziell ist, konnte der Direktor des BJ nachvollziehen, dass eine Publikation die Bemühungen um eine geordnete Lösung des Problems möglicherweise teilweise oder ganz vereitelt hätte (siehe Kap. 6.3.4.3). 162⁰ |
Ausschluss des Zugangs nach BGÖ zu den Arbeiten der Behörden im Kontext des CS-Dossiers
Ein wichtiger Aspekt der Notverordnung war die Tatsache, dass der Bundesrat in Artikel 6 Absatz 3 der Notverordnung vom 16. März 2023 den Zugang nach dem BGÖ 162¹ zu den Informationen und Daten rund um die Arbeiten der Behörden im CS-Dossier ausschloss. Bei diesem Ausschluss handelt es sich um eine Spezialbestimmung im Sinne von Artikel 4 Buchstabe a BGÖ. In den Erläuterungen wurde als Grund für diese ausserordentliche Einschränkung der Informationsrechte der Öffentlichkeit die Sensitivität der Daten aufgrund des Geschäftsgeheimnisses der CS genannt: «Müsste die betroffene SIB befürchten, dass die Verwaltungseinheiten Zugang zu den zur Verfügung gestellten Informationen und Unterlagen gewähren müssen, könnte dies dazu führen, dass sie diese Informationen nicht, unvollständig oder mit grosser zeitlicher Verzögerung zur Verfügung stellen würde.» ¹622
Gemäss den Aussagen des Direktors des BJ brachte das EFD gegenüber dem BJ während der Krisentage allerdings eine zusätzliche Argumentation vor: Es bestehe das Risiko, eine Vielzahl von Öffentlichkeitsgesuchen zu erhalten, was zu einer erheblichen Ressourcenbindung führen würde. Die derart gebunden Ressourcen wären nicht mehr für die Krisenbewältigung zur Verfügung gestanden. ¹623 Die Direktorin der EFV bestätigte, es habe die Sorge bestanden, dass die Bearbeitung von BGÖ-Gesuchen in der Krisenphase könnte einen Mangel an Ressourcen für die operationellen Krisenarbeiten auslösen. Die EFV habe den Ausschluss darüber hinaus trotz des rechtsstaatlichen Transparenzanliegens befürwortet, da die Finanzstabilität gesichert werden musste. Laut der Direktorin der EFV sollte der zeitlich beschränkte BGÖ-Ausschluss Rechtssicherheit und Klarheit schaffen. Gerade weil Notrecht zeitlich beschränkt ist, habe man damit das Transparenzinteresse nicht aufgehoben, sondern faktisch nur aufgeschoben. Man habe vermeiden wollen, den Informationsfluss zwischen den Banken und den Behörden aufgrund des Öffentlichkeitsprinzips zu gefährden. Zudem habe eine Rechtsunsicherheit bestanden, da sowohl die FINMA wie auch die SNB nicht dem BGÖ unterstehen und deshalb unklar war, ob Unterlagen der Banken, die von der FINMA und der SNB an den Bund weitergeleitet wurden, dem BGÖ unterlagen oder nicht. Wenn es bei BGÖ-Gesuchen zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen Verwaltungsbehörde und Antragsstellenden kommt, muss zudem der
Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte
(EDÖB) eine Empfehlung abgeben, wodurch Rechtsverfahren entstehen können. Auch dieser Umstand habe den Informationsfluss bedroht. ¹624
¹597 Schriftliche Antworten an die PUK vom 6.2.2024, S. 9
¹598 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 61; Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 45.
¹599 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 16.3.2023, S. 1 f.
160⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 84
16⁰1 Entwurf eines Antrags des EFD an den Bundesrat zur Verabschiedung einer Notverordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante Banken vom 16.3.2023, S. 2. Dem Antrag lagen sechs Anhänge bei: der Verordnungsentwurf, Erläuterungen zu demselben, ein Entwurf eines Briefs des Bundesrates an die FinDel, ein Bundesratsbeschlussentwurf zum Verpflichtungskredit, ein Garantievertragsentwurf und ein Darlehensvertragsentwurf.
16⁰2 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 60
16⁰3 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 16.3.2023, S. 2
16⁰4 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 16.3.2023, S. 2
16⁰5 Schriftliche Antworten an die PUK vom 6.2.2024, S. 4
16⁰6 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 16.3.2023, S. 2
16⁰7 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 16.3.2023, S. 2
16⁰8 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 16.3.2023, S. 2
16⁰9 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 19 f.; Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 16.3.2023, S. 2.
161⁰ Fragender Mitbericht zum Antrag des EFD vom 16.3.2023
161¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 29.2.2024
16¹2 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 16.3.2023, S. 2
16¹3 Schriftliche Antworten an die PUK vom 4.3.2024
16¹4 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 25
16¹5 Schriftliche Antwort an die PUK vom 26.3.2024, S. 12
16¹6 Anhörungsprotokoll der Subkommissionen EJPD/BK der GPK-N/S vom BJ vom 24.4.2023
16¹7 Veröffentlichung von Gesetzen. Rechtsverbindlichkeit der konsolidierten Fassung, Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats 14.3319 Schneider Schüttel vom 7. Mai 2014, Ziff. 2.1.2. und 2.2.2
16¹8 Tschannen, Pierre (2021): Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 5. Aufl. Bern, S. 409.
16¹9 Stellungnahme der EFV vom 5.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation; E-Mail des damaligen Vizekanzlers an die PUK vom 7.10.2024.
162⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 74
162¹ Bundesgesetz vom 17.12.2004 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ; SR 152.3 ).
¹622 Erläuterungen des EFD vom 16. März 2023 in der Fassung vom 19.3.2023 zur Verordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante Banken, S. 12
¹623 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 67 und 74
¹624 Schriftliche Antworten an die PUK vom 4.3.2024
7.2.2.8 Technische Gespräche der Behörden mit der CS und der UBS
Nach den Besprechungen zwischen dem EFD, der FINMA und der UBS, an welcher diese im Grundsatz ihre Bereitschaft zur Übernahme vermittelt hatte, fanden im Verlauf des 16. März verschiedene Gespräche auf technischer Ebene statt.
So nahm die FINMA bereits in der Nacht auf den 16. März telefonischen Kontakt mit der UBS auf und gleiste die Gespräche zur Fusion mit der CS auf. Dabei habe es sich um einen technischen Austausch zu regulatorischen Aspekten der von der UBS gestellten Bedingungen gehandelt, an dem auch das SIF und die SNB teilnahmen. ¹625
Infolge der Kritik des Verwaltungsratspräsidenten der UBS beschwerte sich der Direktor der FINMA gegen 11 Uhr beim CEO der CS darüber, dass die UBS noch keinen Zugriff auf den virtuellen Datenraum habe. Die FINMA betonte die Dringlichkeit dieses Anliegens. Der CEO der CS versprach, sich sofort darum zu kümmern. ¹626
Zwischen 12.30 Uhr und 13 Uhr fand ein technischer Austausch zwischen der FINMA, der SNB, dem SIF und der UBS zu den regulatorischen Aspekten der von der UBS eingereichten Bedingungen statt. Es wurden keine Beschlüsse gefasst. ¹627
Um 18 Uhr tauschten sich die FINMA und die CS auf operativer Ebene telefonisch aus. Thema waren der Stand der Gespräche zwischen der UBS und der CS, die Liquiditätssituation der CS sowie der Stand der Vorbereitungen für eine mögliche Abwicklung. ¹628
Um 20.30 Uhr äusserte der Verwaltungsratspräsident der Schweizer Tochtergesellschaft der CS, der CS (Schweiz) AG, gegenüber den Leitern der Geschäftsbereiche Banken sowie Recovery und Resolution der FINMA seine Zurückhaltung, noch mehr Liquidität für die Parent Bank, die CS AG, bereitzustellen. Die CS (Schweiz) AG sei selber von Abflüssen betroffen und bedürfe selber der Liquidität. ¹629
Gegen 22 Uhr habe die Treasury-Abteilung der CS dem damaligen Leiter der Aufsicht über die CS-Gruppe bei der FINMA mitgeteilt, dass die Fed und die Bank of New York weiterhin Liquidität im Umfang von 18 Milliarden US-Dollar erwarten würden und es nun bei der CS zu erhöhten Abzügen auch in Schweizer Franken gekommen sei. Die CS habe gegenüber der FINMA den Standpunkt vertreten, dass sie diese Forderung der US-amerikanischen Behörden erfüllen könne. 163⁰
Eine Stunde später fand ein erneutes Telefongespräch zwischen der FINMA und der CS statt. Der CS wurde eine Fristerstreckung bis 5 Uhr morgens am Freitag gewährt, um den Sanierungsplan zu finalisieren. 163¹
¹625 Thema dieser Gespräche waren die Transaktionsstruktur, die Organisationsstruktur, die Eigenmittelanforderungen, die Due Diligence, das Wettbewerbsrecht, die internationalen Aufsichtsbehörden, die notwendigen finanziellen Garantien, der Zugang zu den Fazilitäten der SNB, der regulatorische Filter und die öffentliche Kommunikation. Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024
¹626 Schriftliche Antworten an die PUK vom 23.4.2024
¹627 Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024
¹628 Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024; Schriftliche Antworten an die PUK vom 23.4.2024.
¹629 Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024
163⁰ Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024
163¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 30.4.2024
7.2.2.9 Kontakte der Bundesbehörden mit ausländischen Behörden
Am 16. März führten die verschiedenen Behördenvertreterinnen und -vertreter diverse Diskussionen mit ausländischen Behörden durch. Nachfolgend werden diese zusammengefasst.
Um 8.40 Uhr telefonierte die Vorsteherin des EFD mit dem damaligen deutschen und um 9.30 Uhr mit dem damaligen französischen Finanzminister. ¹632 Diese Gespräche seien laut der Bundesrätin konstruktiv gewesen. Die beiden Minister hätten die Kommunikation der SNB und der FINMA vom Vortag begrüsst. Der französische Minister habe die Situation rund um die CS als «schwerwiegendes Ereignis» bezeichnet. ¹633 Später telefonierte die Bundesrätin mit dem damaligen britischen Finanzminister (um 16.15 Uhr) und der US-amerikanischen Finanzministerin (um 19 Uhr). Die Bundesrätin informierte beide über die Liquiditätshilfe an die Bank in Form einer ELA. Sie versicherte ihnen, dass die Behörden die Lage aufmerksam verfolgten und schlug vor, in engem Kontakt zu bleiben. In den Sprechnotizen für dieses Gespräch wurde betont, dass die Unterstützung der britischen und der US-amerikanischen Regierung sehr wichtig für eine Fusion sei und es deshalb eines engen Kontakts zum britischen Finanzminister und zur US-amerikanischen Finanzministerin bedürfe. ¹634 Die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen telefonierte derweil mit der Generaldirektorin im britischen Finanzministerium. ¹635
Der damalige Bundespräsident wurde am 16. März sowohl vom damaligen britischen Premierminister wie auch vom französischen Präsidenten kontaktiert. Beide zeigten sich besorgt über die Lage der Bank. Der damalige Bundespräsident teilte keine konkreten Informationen mit seinen Gesprächspartnern. Beide sicherten ihm ihre volle Unterstützung zu. ¹636
Der Präsident der SNB tauschte sich seinerseits mit der Präsidentin der EZB aus. Zudem telefonierte er mit dem Gouverneur der Bank of England. ¹637 Weiter hatten der Präsident und der Vizepräsident der SNB an diesem Tag einen telefonischen Austausch mit dem Präsidenten und mit dem Vizepräsidenten für Aufsicht der Fed. Die Massnahmen an sich wurden aber nicht diskutiert. ¹638
Auch die FINMA hatte Kontakt mit ausländischen Aufsichtsbehörden. Um 14.45 Uhr telefonierten die FINMA und die Fed, welche sich alarmiert über die Situation der CS gezeigt habe. Ohne Liquiditätszufluss an die US-amerikanische Tochtergesellschaft könne ein Zahlungsausfall nicht ausgeschlossen werden. Sie habe verlangt, dass die Bank mehr Liquiditätspuffer halte. ¹639 Derweil bestätigte die britische Aufsichtsbehörde PRA gegenüber dem Direktor der FINMA, dass das Erreichen des Wochenendes machbar erscheine. 164⁰ Später, gegen 17 Uhr, führte die Crisis Management Group ein Gespräch. 164¹ Der Direktor und der Leiter des Geschäftsbereichs Recovery und Resolution der FINMA informierten die Teilnehmenden darüber, dass die Behörden innert Tagen Massnahmen ergreifen müssten. Die FINMA schreite bei der Finalisierung der Abwicklungsverfügung voran. Es sei aber noch keine Entscheidung über das anwendbare Lösungsszenario getroffen worden. ¹642 Um 20 Uhr tauschte sich schliesslich das Core College zur Lage der CS aus. ¹643 Der Direktor der FINMA informierte die Fed und die PRA bei diesem Anlass, dass eine Lösung mit der UBS angestrebt werde. ¹644
¹632 Chronologie des EFD vom 26.6.2023
¹633 Protokoll der LG-Sitzung vom 16.3.2023, S. 1
¹634 Sprechnotiz des EFD zu Telefonaten mit dem britischen Finanzminister und mit der US-amerikanischen Finanzministerin vom 16.3.2023
¹635 Chronologie des EFD vom 26.6.2023; E-Mail der Staatsekretärin des SIF an die Generaldirektorin des Financial Services UK vom 16.3.2023.
¹636 Anhörungsprotokoll der GPK-N/S vom 15.5.2023; Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 59.
¹637 Protokoll der LG-Sitzung vom 16.3.2023, S. 1
¹638 Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024
¹639 E-Mail-Austausch zwischen Mitarbeitenden der FINMA vom 19.4.2023 (18.55 Uhr), S. 1
164⁰ Protokoll der LG-Sitzung vom 16.3.2023, S. 1
164¹ FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 30.
¹642 Interne Notizen der FINMA vom 16.3.2023; Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
¹643 FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 30.
¹644 E-Mail-Austausch zwischen Mitarbeitenden der FINMA vom 19.4.2023 (18.55 Uhr), S. 2
7.2.2.10 Interne Vorbereitungen der CS und der UBS zur Krisenbewältigung
Nachfolgend werden die internen Vorbereitungen der CS und der UBS am 16. März zusammenfassend dargestellt.
Gemeinsame ausserordentliche Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und der Credit Suisse AG
Aufgrund der ausserordentlichen Lage führte der Verwaltungsrat der CS Group und der CS AG am 16. März mittags eine ausserordentliche Sitzung durch. An dieser orientierte der Verwaltungsratspräsident den Verwaltungsrat der CS über die sich dramatisch zuspitzende Lage sowie über die erfolgten Kontakte mit den Behörden. Er kündigte an, dass nun auf Grundlage der im vergangenen Jahr geleisteten Vorarbeiten ein «Plan B» angestrebt würde, nämlich der Verkauf der CS an die UBS. ¹645
Der CEO und weitere Geschäftsleitungsmitglieder der CS berichteten anschliessend über die gemeinsame Medienmitteilung der FINMA und der SNB vom Vortag. Diese habe Wirkung gezeigt. Es sei jedoch bedauerlich, dass die FINMA trotz der monatelangen Aufforderungen durch die CS erst am Vortag öffentlich kommuniziert habe. Vor der PUK wurde ausgesagt, dass die CS sich bei der öffentlichen Kommunikation Unterstützung vonseiten der Behörden gewünscht hätte. Konkret habe sie sich nach der Bekanntgabe ihrer neuen Strategie im Oktober 2022 eine Stellungnahme der Behörden gewünscht, in welcher diese dem Markt zusichern, dass sie die CS mit allen Mitteln unterstützen würden (« whatever it takes »). Darauf habe die FINMA erwidert, dass dies nicht opportun sei (siehe Kap. 6.4.4). ¹646 Weiter wurde der Verwaltungsrat über den Bezug von ELA bei der SNB informiert. Mit diesem Bezug sei ein unmittelbarer Liquiditätsengpass der CS abgewendet worden. Es sei aber eine schlechtere Bewertung durch die Ratingagenturen zu befürchten. Die Ratingagenturen hatten angekündigt, die CS am Montag auf « non-invest » herunterzustufen. ¹647
Zudem liess sich der Verwaltungsrat durch einen externen Rechtsanwalt über seine rechtlichen Pflichten und insbesondere seine Sorgfaltspflichten informieren. Der Rechtsanwalt führte aus, dass der Zusammenschluss als Teil der Strategie der Bank alleinige Sache des Verwaltungsrates sei und die FINMA nur im Falle der Insolvenz der CS gestützt auf Artikel 30 Absatz 2 BankG den Zusammenschluss verfügen könnte. Auf Nachfrage des Verwaltungsrates bestätigte der Rechtsanwalt, dass dies auch dann gelte, wenn die UBS einer Transaktion zu einem sehr tiefen Preis zustimme. ¹648
Ferner zeigten die Geschäftsleitung sowie externe Rechtsanwälte die möglichen Transaktionsstrukturen auf: öffentliche Übernahme, Fusion oder Asset Deal . Der Asset Deal wurde als besonders herausfordernd für die CS beschrieben, da er einer Zwangsliquidation gleichkäme. Für eine Käuferin sei er aber interessant. Es sei daher wahrscheinlich, dass die Transaktion mit der UBS die Form eines Asset Deals annehme, es sei denn, die Behörden würden eine andere Form mit Nachdruck bevorzugen. ¹649
Die Geschäftsleitung gab dem Verwaltungsrat ferner bekannt, dass die Bank of England der Ansicht sei, dass bis Sonntagnacht eine Lösung gefunden werden müsse. Der Verwaltungsrat teilte diese Einschätzung und besprach die Massnahmen, die er bis Sonntagnacht ergreifen musste, einschliesslich der Interaktionen mit der UBS. Während die UBS bereits kontaktiert worden war, war es gemäss dem CEO wichtig, neben der UBS auch weitere Lösungsoptionen in Betracht zu ziehen. Dies liege in der Pflicht des Verwaltungsrates und könne auch die eher schwache Position der CS in einer Verhandlung stärken. Der Verwaltungsrat erörterte die verschiedenen Kandidatinnen, die die Geschäftsleitung für eine Transaktion in Betracht gezogen hatte.
Nachdem diejenigen Kandidaten verworfen worden waren, die wahrscheinlich kein Interesse an der CS oder nicht genügend Ressourcen für eine solch kurzfristige Transaktion hatten, verblieben drei mögliche Kandidaten. Die Geschäftsleitung war damit einverstanden, diese Optionen weiter zu verfolgen. 165⁰ Die PUK hat keine Informationen zu den drei erwähnten Kandidaten erhalten. 165¹
Der Verwaltungsrat besprach auch die Tatsache, dass die Aktionärinnen und Aktionäre einer Transaktion mit der UBS zustimmen mussten und der Verwaltungsrat insbesondere auf das Einverständnis der drei grössten Aktionärinnen und Aktionäre angewiesen war. ¹652
Für den Fall, dass bis Sonntagabend kein ausgereiftes Transaktionsvorhaben kommuniziert werden könnte, bereitete die Geschäftsleitung eine alternative Medienmitteilung mit dem Ziel vor, die Märkte zu beruhigen.
Zudem wurde vor der PUK ausgesagt, dass die CS im Laufe des 16. März Gespräche mit dem Vermögensverwalter BlackRock geführt habe. Den Anstoss dazu habe BlackRock gegeben. Der Verwaltungsrat der CS sei vorwiegend auf diese Gespräche eingegangen, um seine Sorgfaltspflichten gegenüber der CS wahrzunehmen. BlackRock habe trotz des knappen Zeitfensters zur Vorbereitung eines Deals darauf beharrt, sich mit der CS zu treffen (siehe Kap. 7.2.4.1). ¹653 Schliesslich habe sich BlackRock zurückgezogen, nachdem es zu einem Leak gekommen sei (siehe Kap. 7.2.4.3). ¹654
Insgesamt betrugen die Abflüsse bei der CS am Donnerstag, 16. März 2023, je nach Quelle zwischen 14 und 17 Milliarden Schweizer Franken, rund die Hälfte davon bei der Schweizer Tochtergesellschaft (Credit Suisse (Schweiz) AG). ¹655 Für den Verwaltungsratspräsidenten der CS war gemäss seinen Aussagen vor der PUK ab diesem Zeitpunkt klar, dass die CS sich nicht mehr von alleine erholen würde. Er sei sehr überrascht gewesen zu erfahren, dass das Schweizer Geschäft der CS noch massiver als im vergangenen Herbst vom Bankensturm betroffen war. Dies habe für ihn bedeutet, dass selbst im Heimmarkt die Hoffnung verloren gegangen sei, dass sich die Bank je erholen würde. ¹656
Interne Vorbereitungen bei der UBS
Die UBS begann ihren Prüfprozess betreffend die CS (Due Diligence) am Donnerstag, 16. März. Zu diesem Zweck versuchte sie zunächst erfolglos, auf den virtuellen Datenraum der CS zuzugreifen. ¹657 Die UBS erhielt erst im Verlaufe des Donnerstags teilweisen und erst am Freitag vollen Zugriff auf den Datenraum. ¹658 Laut der UBS spielte der Datenraum bei der Beurteilung eines allfälligen Angebots eine wichtige Rolle. ¹659 Aus Sicht der CS war der Nutzen des Datenraums hingegen beschränkt. Die UBS habe in der Hektik der kritischen Märzwoche unabhängig von den Daten im virtuellen Datenraum Annahmen über die CS treffen müssen. 166⁰
¹645 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und Credit Suisse AG vom 16.3.2023, S. 1
¹646 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 11
¹647 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 59
¹648 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und Credit Suisse AG vom 16.3.2023, S. 1 ff.
¹649 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und Credit Suisse AG vom 16.3.2023, S. 2 ff. Die FINMA teilte der PUK mit, die Transaktionsstruktur sei Gegenstand mehrerer Gespräche zwischen den Behörden und der UBS gewesen. Die FINMA habe aus Gründen der Rechtssicherheit eine Fusion bevorzugt und dies gegenüber der UBS und den anderen Behörden so vertreten. Sie habe aber keinen Entscheid über die Transaktionsstruktur gefällt, und ihr sei auch kein Entscheid anderer Behörden bekannt (Brief der FINMA an die PUK vom 24.7.2024, S. 2)
165⁰ Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und Credit Suisse AG vom 16.3.2023, S. 2 f.
165¹ In Anwendung von Art. 153 Abs. 2 ParlG kann die PUK von Privatpersonen Auskünfte einholen und Unterlagen erhalten, sofern es für die Wahrnehmung der Oberaufsicht notwendig ist. Grundsätzlich steht diesen Personen der Verfahrensstatus einer Auskunftsperson zu. Auskunftspersonen sind nicht verpflichtet, vor der PUK auszusagen (Art. 155 Abs. 4 ParlG). Die am 15. März geführten Gespräche geben Anlass zur Vermutung, dass es sich bei den anderen Kandidatinnen und Kandidaten unter anderem um Morgan Stanley und die Saudi National Bank handeln könnte (Kap. 7.2.1).
¹652 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und Credit Suisse AG vom 16.3.2023, S. 3
¹653 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 62 f.
¹654 Schriftliche Antworten an die PUK vom 30.3.2024, S. 6
¹655 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 58; Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 55; Verfügung der FINMA vom 19.3.2023 in Sachen Credit Suisse Group AG, Erwägung 6.
¹656 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 20
¹657 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 15; Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 64.
¹658 Transkription der AF-Sitzung vom 16.3.2023, S. 14; Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 61 ff.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 26 und 36.
¹659 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 26
166⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 14
7.2.3 Umsetzungsarbeiten am 17. März zu den Entscheiden des Bundesrates vom 16. März - Zuspitzung der Lage bei der CS
Die nachfolgende Tabelle bietet eine Übersicht über die wichtigsten Ereignisse am dritten Tag der Akutkrise. Die wesentlichen Entwicklungen sind fett hervorgehoben.
Tabelle 20: Chronologie der Ereignisse am Freitag, 17. März 2023
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| Zeitpunkt | Ereignis | Involvierte Akteure |
|---|---|---|
| 4.56 Uhr | Die CS reicht gemäss Aufforderung der FINMA einen genehmigungsfähigen Sanierungsplan ein. | FINMA, CS |
| Die ausländischen Behörden werden über einen möglichen Zusammenschluss der CS mit der UBS informiert. | FINMA, EFD, SNB | |
| 7.00 Uhr | High-Level-Meeting Behörden mit UBS | EFD, SNB, FINMA |
| 7.30 Uhr | High-Level-Meeting Behörden mit CS | EFD, SNB, FINMA |
| 9.00 Uhr | Beratung des Bunderates im Rahmen der ordentlichen Sitzung | Bundesrat |
| 10.30 Uhr | Treffen der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen mit den Verwaltungsratspräsidenten und CEO der beiden Grossbanken mit dem Ziel, Verhandlungsgespräche zu ermöglichen | SIF, CS, UBS |
| 12.45 Uhr | Die CS beantragt bei der SNB ELA+ im Umfang von 20 Milliarden Schweizer Franken. | SNB, CS |
| 13.00 Uhr | Treffen der Behörden mit der UBS | EFD, SNB, FINMA, UBS |
| 14.30-17.00 Uhr | Treffen des LG | EFD, SNB, FINMA |
| 17.30 Uhr | Gespräch der FINMA mit der CS: Die CS erklärt, dass kein Bail-in nötig sei. | FINMA, CS |
| Im Verlauf des Tages | Separate Telefonate des EFD, der SNB und der FINMA mit ausländischen Behörden | EFD, SNB, FINMA |
| 19.00 Uhr | Telefonkonferenz des SIF und der FINMA mit der UBS | SIF, FINMA, UBS |
| 20.45 Uhr | High-Level-Austausch im Core College und CMG | FINMA |
| Totaler Liquiditätsverlust bei der CS am 17. März 2023: 10,1 Milliarden Franken | ||
Im Folgenden werden die einzelnen Entwicklungen grundsätzlich chronologisch dargestellt. Entwicklungen, die einen direkten inhaltlichen Zusammenhang aufweisen, werden im gleichen Abschnitt abgehandelt, konkret die internationalen Kontakte und der Einbezug weiterer Bundesstellen.
7.2.3.1 Fortgesetzte Vorbereitung des Zusammenschlusses durch die Behörden und die Banken
Die CS reichte um 4.56 Uhr auftragsgemäss einen revidierten, mit aktuellen Zahlen korrigierten und genehmigungsfähigen Entwurf des Sanierungsplans bei der FINMA ein.
Die FINMA unterbrach von Freitagmorgen, 17. März 2023, bis Sonntag, 19. März, die operative Vorbereitung für die Umsetzung des Notfallplans. Grund dafür war der Beschluss des Bundesrates vom Vortag, per Notrecht eine ausserordentliche Liquiditätshilfe (im Rahmen eines PLB) zu aktivieren. Dadurch bestand kein wesentliches Hindernis mehr bei der Begründung des Kriteriums der Erfolgsaussicht einer Sanierung gemäss Artikel 28 BankG. Umgekehrt war es höchst fraglich, ob eine Sanierung ohne ausreichende Liquiditätsmassnahmen Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. 166¹
Wie bereits am Vortag telefonierten die Vorsteherin des EFD, die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, die Direktorin der EFV, die Verwaltungsratspräsidentin und der Direktor der FINMA sowie der Präsident und der Vizepräsident der SNB um 7 Uhr erneut mit dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO der UBS. ¹662 Die UBS berichtete, dass sie einen schlechten ersten Eindruck von den Verhandlungen gewonnen habe. Es gebe Probleme mit dem Zugriff auf den Datenraum der CS. Die CS behindere die Verhandlungen und halte Ausschau nach Alternativen zur Fusion mit der UBS.
Die UBS erklärte zudem, dass ihre eigenen Aktionärinnen und Aktionäre Einwände gegen die Transaktion erhoben hätten. Die UBS erwog in diesem Zusammenhang, mit der CS anstelle einer Fusion einen sogenannten Asset Deal oder Asset Purchase einzugehen. Weiter unterstrich die UBS, wie wichtig es sei, dass die Behörden mit den US-amerikanischen und britischen Aufsichtsbehörden sprechen. Denn sie willige in die Transaktion mit der CS nur ein, wenn dadurch ihr Wachstum in den genannten Ländern nicht behindert werde. ¹663
Die Behörden informierten die UBS ihrerseits über die neu eingeführten Liquiditätsinstrumente (ELA+ und PLB). Sie betonten, dass aufgrund der Unsicherheit an den Märkten und der sich laufend verschlechternden Situation der CS zwingend am Sonntagabend kommuniziert werden müsse. ¹664 Wenn keine Transaktion zwischen der UBS und der CS zustande käme, müssten die Behörden zur Sanierung der CS schreiten. ¹665 Gemäss dem Protokoll der nachfolgenden Sitzung des Verwaltungsrates der UBS teilten die SNB und die FINMA der UBS anlässlich dieses Gesprächs mit, dass die CS ihrer Ansicht nach am Montag nicht mehr überlebensfähig sein werde. ¹666 Die Bundesrätin stellte abschliessend klar, dass alle von der Schweiz erwarten würden, dass sie handelt. ¹667
Gleich im Anschluss an dieses Gespräch fand eine Videokonferenz zwischen denselben Behördenvertreterinnen und -vertretern sowie dem Verwaltungsratspräsidenten sowie dem CEO der CS statt. Die Behörden betonten, dass angesichts der akuten Krisensituation aus Sicht der FINMA nur eine Abwicklung oder ein Zusammenschluss mit der UBS folgen könne. ¹668 Sie bekräftigten, dass die Transaktion mit der UBS die von ihnen bevorzugte Lösungsoption sei und betonten den hohen Zeitdruck. Sie wiesen die CS darauf hin, dass es die Bank beim Erreichen des Point of Non-Viability womöglich nicht mehr geben werde und dass die ausländischen Behörden die Situation ähnlich kritisch einschätzen würden. ¹669
Die CS berichtete ihrerseits über den Stand der Verhandlungen: Aus ihrer Sicht hätten dieselben noch nicht richtig begonnen und die UBS habe noch keinen Zugriff auf den Datenraum erhalten. 167⁰ Die CS beklagte sich darüber, dass die UBS nicht auf ihre Kontaktaufnahme reagiert habe, die Geheimhaltungsvereinbarung mit ihr nicht unterschreibe und allgemein nicht sehr kooperativ erscheine. Sie bat die Behörden diesbezüglich um Unterstützung und erwähnte, sie würde auch nach anderen Lösungen als der Transaktion mit der UBS Ausschau halten. Die CS schlug ferner vor, die Ratingagenturen über die mögliche Transaktion zu informieren, damit sie von einem weiteren Downgrade absehen. 167¹
166¹ Andernfalls wäre der Notfallplan in den Vordergrund gerückt. Aufgrund der Unsicherheiten zur Machbarkeit eines PLB per Notrecht (politischer Entscheid) wurde seit Anfang der Akutkrise seitens der FINMA nicht nur die präferierte Strategie einer Sanierung samt Verwendung des TLAC und Unterstützung via PLB vorbereitet, sondern auch die Auslösung des Notfallplans der CS - was eine Lösung mit weitreichenden Konsequenzen für den Finanzplatz Schweiz gewesen wäre; E-Mail eines Mitarbeiters der FINMA vom 17.3.2023 (9.30 Uhr); Stellungnahme vom 5.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
¹662 FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 30; Brief UBS an PUK vom 15.3.2024, Anhang 3.
¹663 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024
¹664 Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.4.2024; Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der UBS Group AG und UBS AG vom 17.3.2023.
¹665 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024; Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der UBS Group AG und UBS AG vom 17.3.2023.
¹666 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der UBS Group AG und UBS AG vom 17.3.2023
¹667 Schriftliche Antworten an die PUK vom 1.5.2024
¹668 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 7
¹669 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024
167⁰ Aus welchem Grund die UBS zu diesem Zeitpunkt noch keinen Zugang auf den Datenraum der CS gehabt haben sollte, geht aus den analysierten Dokument nicht hervor. Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.4.2024.
167¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024
7.2.3.2 Weitere Bundesratssitzung zur Lage der CS - Prüfung der Optionen
Der Bundesrat behandelte das Thema der CS erneut an seiner ordentlichen Sitzung am Freitag, 17. März, um 9 Uhr. Dem Bundesrat lag als Dokumentation die am Vorabend verabschiedete Notverordnung vor. Gemäss den Informationen der PUK verfügte der Bundesrat darüber hinaus über keine Unterlagen zu den unterschiedlichen Optionen, die an dieser Sitzung besprochen wurden.
Das EFD informierte den Bundesrat, dass am Vortag bei der CS 10 Milliarden Franken abgezogen worden seien und die Bank sich ihrer Lage bewusst sei. ¹672 Gemäss Protokoll wurde über das TPO-Szenario diskutiert und festgehalten, dass diese Lösung wenig realistisch erscheine, da sie zu viel Vorbereitungszeit bräuchte und mit enormen rechtlichen Herausforderungen verbunden wäre. Aus dem Protokoll geht allerdings nicht hervor, ob die Ausführungen zur TPO-Option vor allem von der EFD-Vorsteherin stammten oder ob die Skepsis gegenüber der TPO generell geteilt wurde. Mit Besorgnis wurde von Mitgliedern des Bundesrates darauf verwiesen, dass dieses Szenario am Vortag als Alternative präsentiert worden war und nun schon nicht mehr realistisch erschien. ¹673
Der Bundesrat beschloss, neben dem Zusammenschluss mit der UBS auch eine weitere Lösung ausarbeiten zu lassen. Welche alternative Lösung das war, wird aus dem Protokoll der Sitzung nicht ersichtlich. Vor der PUK wurde ausgesagt, dass der Präsident und der Vizepräsident der SNB in anderen Diskussionen ab diesem Freitag den Eindruck vermittelt hätten, dass die CS im Falle eines Scheiterns des Zusammenschlusses mit der UBS zur Gewährleistung der Finanzstabilität temporär verstaatlicht werden sollte. ¹674 Derweil sei es die Sicht der FINMA gewesen, dass die CS in diesem Fall saniert werden sollte. ¹675 Der Bundesrat entschied schliesslich, am Sonntagmorgen die Behördenvertreterinnen und -vertreter zur Situation der CS und zur möglichen Lösung anzuhören. ¹676
¹672 Protokoll der Bundesratssitzung vom 17.3.2023, S. 1
¹673 Protokoll der Bundesratssitzung vom 17.3.2023, S. 1
¹674 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 62
¹675 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 62; Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 46; Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 70.
¹676 Protokoll der Bundesratssitzung vom 17.3.2023, S. 2
7.2.3.3 Gespräch zwischen den Grossbanken bei der UBS in Zürich in Begleitung der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen
Da die Verhandlungen zwischen der UBS und der CS bis zu diesem Zeitpunkt schleppend verliefen, setzte die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen ein Treffen mit den Verwaltungsratspräsidenten und CEO der beiden Grossbanken bei der UBS in Zürich um 10.30 Uhr an. Aufseiten der UBS war der Vizepräsident ebenfalls anwesend. Gemäss den Informationen der PUK war dies bis zur Pressekonferenz am Sonntag das einzige Mal, dass sich die obersten Vertreter der beiden Grossbanken in diesen kritischen Märztagen physisch trafen. ¹677
Die Staatssekretärin hatte zum Ziel, eine professionelle Zusammenarbeit zu erzielen. Die CS sollte der UBS so bald wie möglich Zugang zum Datenraum gewähren, ¹678 und die beiden Akteure sollten ihre direkten Kontakte zueinander intensivieren. ¹679 Gemäss den Bankenvertretern habe die Staatssekretärin in diesem Gespräch unmissverständlich vermittelt, dass aus Sicht der Behörden die Transaktion zwischen der CS und der UBS einer Abwicklung vorzuziehen sei. 168⁰ Sie habe mit Verweis auf die ausserordentlichen Umstände deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Verhandlungsspielraum begrenzt sei. Denn es sei das Ziel, bis Sonntag eine Lösung zu haben. 168¹
Von den Banken wurde der Zweck dieses Treffens vor der PUK unterschiedlich dargestellt: Während Vertreter der UBS erklärten, dass es aufgrund der Verzögerungstaktiken der CS einberufen worden sei, ¹682 sagten Vertreter der CS, die UBS sollte an diesem Treffen dazu angehalten werden, stärker in einen Dialog mit der CS zu treten. ¹683 Der Verwaltungsratspräsident und der CEO der CS hätten sich gemäss ihren Darlegungen vor der PUK bei der Ausarbeitung der Transaktion und bei der Strukturierung als reine Empfänger empfunden. ¹684 Nach Aussagen verschiedener Behördenvertreterinnen und -vertreter vor der PUK sei ein Dialog zwischen den Grossbanken zu diesem Zeitpunkt beinahe unmöglich gewesen. ¹685 Das Gespräch wurde teilweise als surreal und die Einstellung der Bankenvertreter als wenig seriös empfunden. ¹686
Im Anschluss an diese Sitzung diskutierten die CEOs der beiden Grossbanken die allfällige Transaktion. Sie besprachen hauptsächlich die Ausgestaltung eines möglichen Zusammenschlusses, die Prioritäten sowie den Ablauf der folgenden zwei Tage. ¹687 Dieses Gespräch, an dem ein grober Zeitplan für die nächsten Schritte vereinbart wurde, sei produktiv gewesen. ¹688
¹677 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 67
¹678 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 67. Ob die UBS zu diesem Zeitpunkt Zugriff auf den Datenraum der CS erhalten hatte, konnte die PUK aufgrund widersprüchlicher Informationen nicht restlos klären.
¹679 Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.4.2024; Schriftliche Antworten an die PUK vom 5.5.2024.
168⁰ Brief UBS an PUK vom 15.3.2024, Anhang 5
168¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 63
¹682 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 36
¹683 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 7
¹684 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 7, 68
¹685 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 67
¹686 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 67, 71
¹687 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 63
¹688 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und Credit Suisse AG vom 17.3.2023, S. 1; Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der UBS Group AG und UBS AG vom 17.3.2023, S. 2.
7.2.3.4 Interne Beratungen der CS und UBS im Nachgang an die Sitzung mit der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen
Gemeinsame ausserordentliche Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und der Credit Suisse AG
Der Verwaltungsratspräsident und der CEO der CS fassten an einer ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der CS Group AG und der CS AG die Ereignisse seit der Verwaltungsratssitzung vom Vortag zusammen. Der Verwaltungsratspräsident berichtete insbesondere über das Treffen mit der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen sowie dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO der UBS. Seit diesem Treffen zeige sich die UBS offener für Diskussionen. Direkte Kontakte zwischen den Banken seien allerdings äusserst limitiert geblieben. Er betonte, dass die Transaktion mit der UBS vorrangig verfolgt werde, aber nicht die einzige Option sei. Er erinnerte zudem daran, dass nunmehr rund 72 Stunden verbleiben würden, um eine Lösung zu finden - ansonsten würde die FINMA am Sonntagabend die Abwicklung der CS-Gruppe verkünden. Die Behörden würden den Verkauf an die UBS als einzige Alternative zur Abwicklung sehen und wären bereit, die für die Transaktion nötige Unterstützung zu bieten. Gemäss dem Verwaltungsratspräsidenten hätten die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen und die SNB begriffen, wie verheerend die Abwicklung der CS für die Schweiz und die UBS wäre, die FINMA hingegen nicht unbedingt. ¹689
Der Verwaltungsrat befürchtete, mit einem inakzeptablen Angebot der UBS konfrontiert zu werden und ausser der Abwicklung der Bank keine Alternative zu haben. Er besprach anschliessend die Wahrscheinlichkeit, dass die Aktionärinnen und Aktionäre der CS dem Verkauf an die UBS zustimmen würden. Ohne deren Zustimmung könne die Transaktion - selbst wenn sie bereits angekündigt worden wäre - nicht durchgeführt werden. 169⁰ Schliesslich besprach der Verwaltungsrat den Stand der Diskussionen mit anderen potenziellen Verhandlungspartnern, welche eher erfolglos verliefen. 169¹
Der CEO der CS teilte dem Verwaltungsrat der CS mit, dass er damit rechne, die endgültigen Bedingungen der UBS am Samstagnachmittag in schriftlicher Form zu erhalten. ¹692
Gemeinsame ausserordentliche Verwaltungsratssitzung der UBS Group AG und der UBS AG
Der Verwaltungsratspräsident und die Geschäftsleitung der beiden UBS-Gruppengesellschaften informierten die Verwaltungsräte während der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung über die Entwicklungen betreffend die CS seit dem Treffen mit den Behörden am Mittwoch. Die UBS habe im Rahmen erster Abklärungen die Schlüsselrisiken bei der CS identifiziert. Diese Schlüsselrisiken seien in der Non Core Unit (NCU) ¹693 angesiedelt, und ihre Reduzierung sei komplex. Die Geschäftsleitung führte aus, dass die UBS an gewissen Geschäftsbereichen der CS voraussichtlich überhaupt kein Interesse haben werde und diese reduzieren müsste. Zudem habe die CS in gewissen Bereichen einen wesentlich höheren Risikoappetit als die UBS. Der Verwaltungsratspräsident und die Geschäftsleitung berichteten auch über die Bereitschaft der Bundesbehörden, die Transaktion mit der CS zu unterstützen. ¹694
Der Verwaltungsrat beriet anschliessend darüber, welche Konsequenzen es hätte, wenn die UBS der Transaktion mit der CS nicht zustimmen würde. Er erwog, dass das Schweizer Finanzsystem extrem an Glaubwürdigkeit einbüssen sowie die UBS einen grossen Reputationsschaden erleiden und viele Kundinnen und Kunden verlieren würde. Er kam deshalb zum Schluss, dass ein Zusammenschluss mit der CS klar die bevorzugte Lösung sei. ¹695
Weiter besprach der Verwaltungsrat die Struktur einer möglichen Transaktion. Er bestätigte, dass ein Asset Deal interessanter als eine Fusion wäre, weil es für Ersteren keine ausserordentliche Generalversammlung der Aktionärinnen und Aktionäre der UBS bräuchte. Der Verwaltungsrat mutmasste, dass die Aktionärinnen und Aktionäre der CS eine simplere Wahl als diejenigen der UBS zu treffen hätten. Jene müssten sich nämlich zwischen dem gänzlichen Wertverlust ihrer Aktien und dem Angebot der UBS entscheiden. Die Behörden würden derzeit die Frage klären, ob die AT1-Anleihen der CS abgeschrieben werden könnten. ¹696
Zu den von der UBS gestellten Forderungen hielt die Geschäftsleitung fest, dass die Bundesbehörden sie in Betracht ziehen würden, aber noch Arbeit verbleibe. Die Bundesbehörden hätten mit ausländischen Aufsichtsbehörden und insbesondere mit den britischen und US-amerikanischen Regulatoren Kontakt aufgenommen. Sie würden dabei die Anliegen der UBS erörtern, die Zweigniederlassung der UBS im Vereinigten Königreich nicht in eine Tochtergesellschaft umwandeln zu müssen und keine Auflagen der Fed zu erhalten. Der Verwaltungsrat kam schliesslich überein, dass eine Material Adverse Change Clause (MAC-Klausel) Teil des Vertrags mit der CS sein müsse. ¹697
Vor der PUK sagten Vertreter der UBS aus, dass die CS am 16. oder 17. März keinen Wert für die UBS gehabt habe, da sie an der Investmentbank nicht interessiert gewesen sei. Es hätte die UBS zu viel gekostet, das Investmentbanking-Geschäft der CS loszuwerden. ¹698
¹689 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und Credit Suisse AG vom 17.3.2023, S. 1 f.
169⁰ Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und Credit Suisse AG vom 17.3.2023, S. 1 f.
169¹ Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und Credit Suisse AG vom 17.3.2023, S. 2
¹692 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG und Credit Suisse AG vom 17.3.2023, S. 2
¹693 Nicht-Kerngeschäft. Diese von der Credit Suisse im Rahmen ihrer im Oktober 2023 angekündigten neuen Strategie eingerichtete Einheit diente der beschleunigten Abwicklung nicht strategischer, renditeschwacher Geschäfte und Märkte, um Kapital freizusetzen.
¹694 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der UBS Group AG und UBS AG vom 17.3.2023, S. 2
¹695 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der UBS Group AG und UBS AG vom 17.3.2023, S. 2
¹696 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der UBS Group AG und UBS AG vom 17.3.2023, S. 5
¹697 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der UBS Group AG und UBS AG vom 17.3.2023, S. 5
¹698 Sitzungsprotokoll der PUK vom 10.4.2024, S. 19
7.2.3.5 Antrag der CS auf ELA+ im Umfang von 20 Milliarden Schweizer Franken
Am Freitagmorgen kam Hektik auf, weil gewisse CS-Tochtergesellschaften im Ausland zahlungsunfähig geworden waren. ¹699 Daher ersuchte das Stammhaus (Credit Suisse AG) die SNB am 17. März 2023 um 12.45 Uhr um Liquiditätshilfe in der Höhe von 20 Milliarden Franken. Die CS begründete ihren Antrag unter anderem damit, dass sie weitere Abflüsse im Bereich Wealth Management und Swiss Universal Bank erlitten und Mühe habe, Liquidität in den richtigen Währungen zu halten. Sie könne die Anforderung der Fed, 18 Milliarden US-Dollar zu halten, nicht mehr erfüllen (siehe Kap. 7.2.2.8). 170⁰
Im Unterschied zur Liquidität, die am Vortag gewährt worden war (ELA), ermöglichte die Notverordnung vom 16. März 2023 der CS, unter ELA+ Liquidität zu beziehen, ohne entsprechende Sicherheiten zu leisten.
Vorbedingung für die Gewährung von ELA+ war eine Solvenzbestätigung der FINMA, die diese umgehend zuhanden der SNB ausstellte. Die SNB gab in der Folge dem Begehren um ELA+ statt. 17⁰1 Diese Liquiditätshilfe sollte das Überleben der CS bis zum Wochenende sichern (siehe Kasten 17 in Kap. 7.2.2.5). 17⁰2
Nach Einschätzung einer angehörten Person wäre die CS am Freitag Konkurs gegangen, wenn die Schweizer Behörden bis Freitagabend keine Lösung gefunden hätten. Da die ELA+, wie oben beschrieben, nicht an die Leistung von Sicherheiten gebunden war, ermöglichte es deren Gewährung, Liquidität in die ausländischen Tochtergesellschaften zu bringen und so den Konkurs der CS abzuwenden. 17⁰3
Noch am gleichen Tag stellte die SNB der CS Liquidität in US-Dollar und Euro zur Verfügung.
¹699 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 54
170⁰ ELA-Antrag der CS bei der SNB vom 17.3.2023, S. 2
17⁰1 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS Krise; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 9.
17⁰2 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 14
17⁰3 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 54
7.2.3.6 Beratung zu den Alternativszenarien im Lenkungsgremium
Die Sitzung des LG vom 17. März, die um 14.30 Uhr begann, wurde nachfolgend anhand eines Protokollentwurfs rekonstruiert (zur Problematik der Protokollierung siehe Kap. 13.1.1). Der Präsident der SNB orientierte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Liquiditätsversorgung der CS an diesem sowie am Vortag. Es habe einzelne Probleme bei der Verteilung der Währungen gegeben, die mittlerweile gelöst worden seien. Gemäss dem Präsidenten der SNB wäre eine Aufhebung des sogenannten Upstreaming-Verbots durch die FINMA die einfachste Lösung für das Problem der Liquiditätsversorgung der Parent Bank. Die FINMA war jedoch nicht bereit, dieses Verbot aufzuheben, 17⁰4 da dann der Notfallplan nicht mehr umsetzbar gewesen wäre. Dies galt es gerade in der akuten Krise zu vermeiden. 17⁰5 Auch die CS Schweiz, welche aus Gründen der Notfallplanung Verwaltungsratsmitglieder aufwies, die von der CS Group unabhängig waren - darunter insbesondere den Präsidenten -, wehrte sich gegen eine exzessive Weitergabe von Liquidität an das Stammhaus, um den Betrieb der systemrelevanten Funktionen gewährleisten zu können. 17⁰6 Aus diesem Grund sei bereits Liquidität im Umfang von etwa 20 Milliarden Schweizer Franken in Anwendung vom Notrecht (ELA+) zur Verfügung gestellt worden. Der Kreditrahmen und die Umsetzung des Konkursprivilegs würden noch Unschärfen in der Implementierung aufweisen. Die Liquiditätsunterstützung sei daher bestmöglich aufgesetzt worden. Die so gewährte Liquiditätshilfe sei für den Moment ausreichend, doch der Bedarf der CS könne exponentiell steigen. 17⁰7
Die Teilnehmenden erörterten sodann das Risiko einer Herabstufung der CS durch die Ratingagenturen, welche die Situation weiter verschlechtern würde. 17⁰8
Auch die TPO wurde gemäss dem Protokollentwurf und den Aussagen einer von der PUK angehörten Person besprochen. Die Vertreter der SNB hätten sich eher für eine TPO der gesamten Gruppe als für eine Abwicklung der CS ausgesprochen, wenn die Übernahme durch die UBS nicht zustande kommen sollte. 17⁰9 Die EFV-Direktorin anerkannte, dass eine TPO der gesamten Gruppe zwar gewisse Vorteile bringen würde. Diese Lösung sei aber politisch, rechtlich und ökonomisch heikel. Die Vorsteherin des EFD und der Gesamtbundesrat seien gegen eine TPO-Lösung gewesen. Aufgrund der Ungewissheit, ob eine Einigung zwischen der UBS und der CS zustande kommen würde, wurde im LG entschieden, neben der Sanierungslösung auch die TPO-Lösung vorderhand weiterzuverfolgen. 171⁰
Gemäss dem Vizepräsidenten der SNB war eine dramatische Implosion im Gang, welche das Verkaufsszenario beeinflussen könnte und die Finanzstabilität gefährde. Er war der Ansicht, dass der Point of Non-Viability erreicht sei. Die Vorsteherin des EFD stellte fest, dass die Massnahmen, die an diesem Wochenende zu ergreifen waren, entscheidend sein würden.
Weitere Finalisierungsarbeiten der FINMA am Entwurf der Sanierungsverfügung
Parallel zur Vorbereitung des Zusammenschlusses der CS mit der UBS finalisierte die FINMA in diesen Märztagen den Entwurf der Sanierungsverfügung, den sie seit Oktober 2022 vorbereitet hatte (siehe Kap. 7.2.2.6). Am Freitag, 17. März, lag auch ein auf Englisch übersetzter Entwurf vor, der unter anderem die Vorgeschichte der CS-Krise, die Gruppenstruktur der CS sowie die anwendbaren Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften erläuterte, die Voraussetzungen für die Sanierung der CS analysierte, 171¹ die Genehmigung des von der CS erarbeiteten Sanierungsplans ausführte und die von der FINMA zu ergreifenden Sanierungsmassnahmen beschrieb. 17¹2 Aus dem Entwurf der Sanierungsverfügung geht überdies hervor, dass die FINMA die Sanierung für durchführbar hielt. 17¹3
17⁰4 FINMA-interne Notiz zum LG vom 17.3.2023
17⁰5 Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
17⁰6 Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation; Schriftliche Antworten an die PUK vom 1.6.2024, S. 3; E-Mail eines Mitarbeiters der FINMA vom 17.3.2023 (6.22 Uhr).
17⁰7 FINMA-interne Notiz zum LG vom 17.3.2023, S. 1 f.
17⁰8 FINMA-interne Notiz zum LG vom 17.3.2023, S. 2
17⁰9 Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 70
171⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 46
171¹ Sanierungsverfügungsentwurf der FINMA in Sachen CS vom 17.3.2023. Für die Erfüllung der Sanierungsvoraussetzungen sprachen gemäss dem Entwurf der Sanierungsverfügung die nachfolgenden Elemente: Die CS konnte sich trotz erhaltener ELA nicht mehr am Markt finanzieren, hatte massive Abflüsse erlitten und das Vertrauen der Märkte verloren (Rz. 55 ff.). Das Stammhaus konnte somit in absehbarer Zukunft zahlungsunfähig werden und schliesslich Konkurs gehen (Rz. 57). Auch die Holding konnte davon betroffen sein (Rz. 58 f.). Zudem war die Sanierung verhältnismässig (Rz. 60 ff.).
17¹2 Sanierungsverfügungsentwurf der FINMA in Sachen CS vom 17.3.2023. Als Sanierungsmassnahme sah die Sanierungsverfügung neben dem Bail-in unter anderem die vollständige Abschreibung der AT1-Anleihen vor (Rz. 73 ff.).
17¹3 Sanierungsverfügungsentwurf der FINMA in Sachen CS vom 17.3.2023, Rz. 82 ff.
7.2.3.7 Weitere Vorbereitung des Zusammenschlusses mit den Grossbanken
Etwa zeitgleich mit der Bundesratssitzung fand ein Telefongespräch auf technischer Ebene zwischen den Behörden (FINMA, SNB, SIF) und der UBS statt. Dabei wurden die von der UBS eingereichten Bedingungen aus regulatorischer Perspektive thematisiert. 17¹4
Um 16 Uhr tauschten sich die FINMA, das SIF, die SNB und die UBS erneut in einem Telefongespräch auf technischer Ebene aus und besprachen die Bedingungen der UBS aus regulatorischer Perspektive. Es wurden keine Beschlüsse gefasst. 17¹5
Um 17.30 Uhr teilte die CS der FINMA im Rahmen eines Telefongesprächs zur Sanierung mit, sie sei der Ansicht, dass ein Bail-in nicht notwendig bzw. rechtlich nicht möglich sei. 17¹6 Der Leiter des Geschäftsbereichs Recovery und Resolution der FINMA wies die CS auf ihre rechtliche Verpflichtung hin, an der Vorbereitung der Abwicklung mitzuwirken, auch wenn gleichzeitig weitere Lösungsmöglichkeiten für ihre Situation ausgearbeitet würden. 17¹7
Rund eine Stunde später fand ein erneutes Gespräch zwischen den Behörden und der UBS statt. Aufseiten der Behörden nahmen die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, der Präsident der SNB, der Direktor der FINMA sowie weitere Behördenvertreter teil. Die UBS war durch verschiedene Personen sowie ihre externen Beraterinnen und Berater und Anwältinnen und Anwälte vertreten, welche ihre Vorstellung der Struktur der Transaktion mit der CS darlegten. 17¹8 Sie präsentierten auch einen revidierten Bedingungskatalog der UBS. 17¹9 Dieser wurde vor der PUK als teilweise sehr weitgehend beschrieben. Er habe bei den Behördenvertreterinnen und -vertretern eine gewisse Irritation ausgelöst. 172⁰ Insbesondere habe die UBS die von den Behörden angedachte Lösung einer Fusion als riskant beschrieben und eine Transaktionsstruktur bevorzugt, bei welcher die UBS alle Tochtergesellschaften der CS aufkaufen würde ( Asset Deal ). 172¹ Bei einem Asset Deal wäre eine Generalversammlung der beiden Gesellschaften, die zu diesem Zeitpunkt bei einer Fusion noch notwendig erschien, nicht erforderlich gewesen. ¹722 Damit hätte die UBS die rechtlichen Risiken in der verbleibenden CS belassen können. Es wurden keine Beschlüsse gefasst. ¹723
| Kasten 19 : Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen in der Akutkrise im März 2023 AT1-Anleihen gehören zum zusätzlichen Kernkapital einer systemrelevanten Bank und erfüllen die Funktion, in einer Krisensituation Verluste aufzufangen und die Fortführung der Geschäftstätigkeit zu ermöglichen. Für den möglichen Eintritt des Risikos des Totalverlusts dieser Instrumente erhalten die Investorinnen und Investoren im Gegenzug einen attraktiven Zins. Die Rückzahlung von AT1-Anleihen ist nur mit Zustimmung der FINMA möglich. ¹724 Gemäss Artikel 29 ERV erfolgt die vollständige Abschreibung der AT1-Anleihen im Zeitpunkt drohender Insolvenz ( Point of Non-Viability, PONV , siehe Kap. 7.2.4.4) mittels vollständiger Forderungsreduktion oder Wandlung zur Sanierung der Bank. Dies ist in den Emissionsbedingungen der AT1-Anleihen oder den Statuten vorzusehen. ¹725 Dabei hat die Wandlung oder die Forderungsreduktion spätestens vor Inanspruchnahme einer Hilfeleistung der öffentlichen Hand oder zum Zeitpunkt, wenn die FINMA dies zur Vermeidung einer Insolvenz anordnet, zu erfolgen. ¹726 Bei einer Hilfeleistung der öffentlichen Hand entfaltet die Wandlung ihre Wirkung für die Investorinnen und Investoren demnach in zeitlicher Hinsicht vor Inanspruchnahme der Hilfeleistung, damit das von der öffentlichen Hand eingeschossene Kapital durch die Wandlung nicht verwässert wird. Dies entspricht dem Basler Standard. ¹727 Die Abschreibung der AT1-Anleihen der CS führte zu einem Forderungsverlust der AT1-Anleihensgläubigerinnen und -gläubiger. Dies diente der Stärkung des CET1-Kapitals der Bank. ¹728 Die Anleihensbedingungen definierten diejenigen Fälle, in denen die Gläubigerinnen und Gläubiger ihre Forderungen verlieren konnten. Eine Abschreibung der AT1-Anleihen war gemäss dem einschlägigen Prospekt in zwei Szenarien zulässig: bei einem sogenannten Contingency Event oder einem sogenannten Viability Event . ¹729 Nachdem die FINMA die CS am Nachmittag des 19. März 2023 aufgefordert hatte, die AT1-Instrumente abzuschreiben, wies sie die CS um 22.01 Uhr formell mittels Verfügung an, die Abschreibung vorzunehmen. Dabei stützte sich die FINMA auf das BankG sowie auf die Notverordnung des Bundesrates. Das BankG erlaubt der FINMA, den Organen einer Bank im Zeitpunkt drohender Insolvenz konkrete Handlungsanweisungen zu erteilen (Art. 26 Abs. 1 Bst. a). Die Notverordnung stellte als zusätzliche Rechtsgrundlage klar, dass die FINMA spezifisch die Abschreibung der AT1-Instrumente anweisen konnte (Art. 5 a NVO). Nach der formellen Anweisung zur Abschreibung durch die FINMA erfolgte, gestützt auf die vertraglichen Bedingungen der AT1-Instrumente, die Abschreibung durch die CS. Die vertraglichen Bedingungen von AT1-Anleihen sehen vor, dass sie bei einer Rettung einer Bank mithilfe von staatlichen Geldern von dieser abgeschrieben werden. 173⁰ Wie in Kapitel 6.3.3.1 beschrieben, hatten sich die Behörden bereits im Oktober 2022 mit Fragen zur möglichen Anordnung der Abschreibung von AT1-Anleihen im Rahmen verschiedener Szenarien befasst. So war die Abschreibung bereits im AF vom 19. und im LG vom 21. Oktober 2022 thematisiert worden. Die UBS nahm in ihrem revidierten Forderungskatalog vom späten Abend des 16. März neu auch die Abschreibung der AT1-Anleihen auf. Die FINMA und das EFD konkretisierten die Anweisung zur Abschreibung der AT1-Instrumente am Freitag, 17. März, und diskutierten die Massnahme mit der UBS einerseits und dem LG andererseits. Die CS erfuhr gemäss Aussagen ihrer Vertreter vor der PUK erst am Sonntagmorgen, 19. März, von der geplanten Anordnung zur Abschreibung der AT1-Anleihen. 173¹ Mit Verfügung vom 19. März wies die FINMA die CS (konkret die Credit Suisse Group AG) an, die Abschreibung sämtlicher AT1-Instrumente vorzunehmen und die betroffenen Gläubigerinnen und Gläubiger unverzüglich darüber zu informieren. Auf das Wiedererwägungsgesuch der CS zu den AT1-Instrumenten nachgebildeten Mitarbeitendenbeteiligungs-Programmen bestätigte die FINMA ihre erste Verfügung vom 19. März 2023 in ihrer Verfügung vom 22. März 2023. ¹732 Sie stützte sich dabei sowohl auf die PLB-Notverordnung (in der Fassung vom 19. März 2023) und das BankG als auch auf die Bedingungen der betroffenen Anleihen. ¹733 Der am 19. März 2023 eingefügte und am 15. September 2023 aufgehobene Artikel 5 a der Notverordnung sah vor, dass die FINMA zum Zeitpunkt des Liquiditätshilfe-Darlehens mit Ausfallgarantie (PLB) die CS anweisen könne, zusätzliches Kernkapital abzuschreiben. Dass die Notverordnung die Abschreibung der AT1-Anleihen spezifisch vorsah, ist auf das Bestreben der Bundesbehörden zurückzuführen, der FINMA eine zusätzliche, «klarere Rechtsgrundlage» für die Anweisung zur Abschreibung zu schaffen. Die Bestimmung in Artikel 5 a der Notverordnung über die Abschreibung von zusätzlichem Kernkapital wurde zudem aus Transparenzgründen in der Verordnung hervorgehoben. ¹734 Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichtes wurde die Rechtmässigkeit der Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen vom Bundesverwaltungsgericht geprüft (siehe Kap. 8). |
17¹4 Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024
17¹5 Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024
17¹6 FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 30.
17¹7 Schriftliche Antworten an die PUK vom 9.4.2024
17¹8 FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 30; Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024.
17¹9 Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.4.2024
172⁰ Schriftliche Antworten an die PUK vom 23.4.2024
172¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024
¹722 Stellungnahme vom 31.7.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
¹723 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024
¹724 Bingert, Philipp / Heinemann, Bernhard (2013): Kommentar zu Art. 4. In: Watter, Rolf / Vogt, Nedim Peter / Bauer, Thomas / Winzeler, Christoph (Hrsg.): Basler Kommentar Bankengesetz. 2. Aufl. Basel: Helbing & Lichtenhahn, Rz. 32.
¹725 Rundschreiben 2013/1 der FINMA «Anrechenbare Eigenmittel - Banken», Rz. 79
¹726 Art. 29 Abs. 2 ERV
¹727 Final elements of the reforms to raise the quality of regulatory capital issued by the Basel Committee vom 13.1.2011
¹728 Bolton, Patrick / Jiang, Wei / Kartasheva, Anastasia (2023): The Credit Suisse CoCo Wipeout: Facts, Misperceptions, and Lessons for Financial Regulation. In: Swiss Finance Institute Research Paper No. 23-32 vom 12.5.2023, S. 10, https://www.sfi.ch/en/ publications/n-23-32-the-credit-suisse-coco-wipeout-facts-misperceptions-and-lessons-for-financial-regulation (Stand: 26.9.2024).
¹729 Bolton, Patrick / Jiang, Wei / Kartasheva, Anastasia (2023): The Credit Suisse CoCo Wipeout: Facts, Misperceptions, and Lessons for Financial Regulation. In: Swiss Finance Institute Research Paper No. 23-32 vom 12.5.2023, S. 10, https://www.sfi.ch/en/ publications/n-23-32-the-credit-suisse-coco-wipeout-facts-misperceptions-and-lessons-for-financial-regulation (Stand: 26.9.2024).
173⁰ «FINMA informiert über Grundlagen für Abschreibung von AT1-Kapitalinstrumente», Medienmitteilung der FINMA vom 23.3.2023. Die Anweisung zur Abschreibung erfolgte vor dem Hintergrund, dass es das Ziel jeder der am 19. März 2023 zur Verfügung stehenden Optionen sein musste, das Vertrauen wiederherzustellen und den Bankrun sofort zu stoppen. Dieses Ziel wäre gefährdet gewesen, wenn die UBS nach Vollzug der Transaktion aus Sicht der Finanzmärkte nicht genügend stark oder weniger stark als zuvor kapitalisiert gewesen wäre (Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation).
173¹ Die vorangehenden Informationen stützen sich auf eine Quelle bzw. Quellen, die der PUK vorliegen, aber nicht konkret genannt werden, weil überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
¹732 Verfügung der FINMA vom 22.3.2023 in Sachen Credit Suisse AG
¹733 Verfügung der FINMA vom 19.3.2023 in Sachen Credit Suisse AG
¹734 Informationsnotiz des EFD vom 18.3.2023, S. 2.
7.2.3.8 Kontakte der Bundesbehörden mit ausländischen Behörden
Auch im Verlauf des 17. März fanden verschiedene Kontakte des EFD, der SNB und der FINMA mit ausländischen Behördenvertreterinnen und -vertretern statt.
Die EFD-Vorsteherin telefonierte erneut mit dem britischen Finanzminister (um 15 Uhr) und der US-amerikanischen Finanzministerin (um 15.30 Uhr). ¹735 Laut der Informationsnotiz für dieses Gespräch hatte die Bundesrätin den Auftrag, ihrem Amtskollegen und ihrer Amtskollegin mitzuteilen, dass der Bundesrat beschlossen habe zu handeln und über das Wochenende einen Entscheid treffen werde. Zudem sollte sie darüber informieren, dass sich die UBS verpflichtet habe, die staatlich unterstützte Übernahme der CS zu prüfen. Im Weiteren betonte sie, dass die Unterstützung der US-amerikanischen und englischen Behörden notwendig sei. ¹736
Die FINMA und die Fed tauschten sich um 14.15 Uhr aus. Der Leiter des Geschäftsbereichs Banken informierte die US-amerikanische Behörde über den Stand der Vorbereitungen für eine Lösung mit der UBS. Die Fed orientierte die FINMA ihrerseits über die zunehmenden Zahlungsschwierigkeiten der CS in den USA. Gegenparteien der CS würden aus gewissen Geschäften aussteigen oder die Leistung von mehr Sicherheiten verlangen. ¹737 Vor allem im Bereich der Fremdwährungen sei die Lage sehr ernst. So müssten bis Montagmorgen beispielsweise zwingend Zahlungen in Schwedischen Kronen getätigt werden, die unbedingt vorhanden sein müssen, sonst komme es zu einem « missed Payment ». Insgesamt sei die Nervosität im Markt sehr hoch. ¹738
Gegen 20 Uhr kontaktierte die FINMA die Crisis Management Group und das Core College. ¹739 Die Teilnehmenden (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von FINMA, SNB, Fed, PRA, FDIC und CS) besprachen unter anderem den Bezug von ELA und von ELA+. Die Schweizer Einheit, die Credit Suisse (Schweiz) AG, unterstützte das Stammhaus, die Credit Suisse AG, unter Ausschöpfung ihrer Upstreaming-Möglichkeiten so weit, wie ihr dies möglich war. 174⁰ ELA+ konnte zudem direkt an die Parent Bank ausgeliehen werden, was die Probleme entschärfte (siehe Kasten 16 in Kap. 7.2.2.2).
In der CMG wurde erläutert, dass die Schweizer Behörden als Plan A einen Zusammenschluss der CS im Going Concern mit der UBS vorsehen würden. Eine Sanierung inklusive Bail-in und PLB werde als Plan B vorbereitet, um die Situation der CS zu stabilisieren. Der Versand des Sanierungsplans in englischer Sprache wurde für die kommenden Stunden angekündigt und erfolgte früh am 18. März 2023. 174¹
Kurz vor 21 Uhr telefonierten die FINMA und die PRA erneut. Dabei sicherte die PRA ihre Unterstützung zu, sollten die CS und die UBS sich zusammenschliessen. Die UBS solle sie rasch kontaktieren, um den Prozess zu besprechen. Die PRA bestätigte weiter, dass sie bei einem Zusammenschluss zwischen der CS und der UBS nicht fordern würde, dass die Zweigniederlassung der UBS im Vereinigten Königreich in eine Tochtergesellschaft umgewandelt wird. ¹742
¹735 Chronologie des EFD vom 26.6.2023
¹736 Sprechnotiz des EFD zu Telefonaten mit dem britischen Finanzminister und mit der US-amerikanischen Finanzministerin vom 17.3.2023
¹737 Tatsächlich erhielt die CS kurz vor 15 Uhr eine Meldung der Euroclear Bank, dass die CS mit sofortiger Wirkung nicht mehr als «Cash Correspondent» für den Schweizer Franken gelte. Geldtransfers müssten fortan über die UBS laufen (E-Mail-Austausch zwischen Mitarbeitenden der CS vom 17.3.2023 [15.05 Uhr]).
¹738 E-Mail-Austausch zwischen Mitarbeitenden der FINMA vom 19.4.2023 (18.55 Uhr), S. 1 f.; gemäss dem Bericht der FINMA verlor die CS an diesem Tag den Zugang zum Fremdwährungsmarkt (FINMA [2023]: Lessons learned aus der Krise, S. 69).
¹739 FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 30. Die PUK geht auf Grundlage der erhaltenen Informationen davon aus, dass die Gespräche mit dem CMG um 20 Uhr und jene mit dem Core College um 20.45 Uhr inhaltlich gleich waren.
174⁰ E-Mail eines Mitarbeiters der FINMA an den damaligen Direktor der FINMA und weitere Personen vom 17.3.2023 (21.26 Uhr). Gemäss den Informationen der PUK lieh die Schweizer Einheit dem Stammhaus beinahe 20 Milliarden Franken (E-Mail-Austausch von Mitarbeitenden der FINMA vom 17.3.2023 [12.28 Uhr]).
174¹ Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
¹742 E-Mail-Austausch zwischen Mitarbeitenden der FINMA vom 19.4.2023 (18.55 Uhr), S. 2
7.2.3.9 Einbezug weiterer Bundesstellen in die Krisenbewältigung am 17. März
Aus Sicht der PUK stellte sich auch die Frage, inwiefern zusätzlich zu den direkt involvierten Behörden weitere, thematisch ebenfalls betroffene Bundesstellen einbezogen wurden. Abgesehen vom Einbezug des BJ, der auch in den Kapiteln 7.2.1 und 7.2.2.7 thematisiert wird, interessierte sich die PUK für den Einbezug des SECO, des Kompetenzzentrums des Bundes für alle Wirtschaftsfragen.
Bundesamt für Justiz
Am 7. März fasste der AF den Beschluss, das BJ mit einer Analyse zum Notrecht unter anderem im Zusammenhang mit der TPO zu beauftragen (siehe Kap. 6.4.3.2). Am 17. März um 18 Uhr erfuhr der Direktor des BJ zum ersten Mal vom Vizedirektor der EFV von der Möglichkeit einer TPO. Während dieses Gesprächs habe der Vizedirektor der EFV verlauten lassen, dass der Vizepräsident der SNB eine Verstaatlichung der CS gegenüber einem Zusammenschluss mit einer anderen Bank oder einer Abwicklung bevorzugen würde. ¹743 Der Vizedirektor der EFV informierte den Direktor des BJ über die laufenden Arbeiten zu einer Verordnung für die TPO. Zudem besprachen die beiden Gesprächspartner die Grösse der Bank nach einem Zusammenschluss, die Bedingungen der UBS und die Zuständigkeit der FINMA, die bei diesem Zusammenschluss die führende Behörde war. ¹744 (Zum Einbezug des BJ am 15. März 2023 siehe Kap. 7.2.1, zum Einbezug des BJ am 18. März 2023 siehe Kap. 7.2.4.7.)
SECO
Im Zuge der am 15. und 16. März 2023 publik werdenden massiven Schwierigkeiten der CS gab der Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik im SECO am 16. März die Erarbeitung einer Analyse zu den Finanzmarktturbulenzen in Auftrag, die sich u. a. mit der Entwicklung der Aktienmärkte, der Entwicklung der Bankentitel, den Renditen zehnjähriger Staatsanleihen und der Zinsdifferenz zehnjähriger Staatsanleihen von Anfang 2023 bis zum 17. März 2023 beschäftigte. ¹745 Zum genannten Zeitpunkt verfügte das SECO noch über keine direkten Informationen dazu, wie ernst die Lage der CS war und welche Massnahmen von den Behörden geprüft wurden. ¹746 Deshalb kontaktierte der stellvertretende Direktor des SECO den Vizepräsidenten der SNB. Thema des Gesprächs waren die volkswirtschaftlichen Aspekte der CS-Krise. ¹747 Im Anschluss schickte die SNB dem stellvertretenden Direktor des SECO eine Powerpoint-Präsentation, in welcher die SNB die Auswirkungen der Szenarien einschätzte und die volkswirtschaftlichen Kosten quantifizierte. Der stellvertretende Direktor des SECO versprach dem Vizepräsidenten der SNB, dieses Dokument nicht weiterzuleiten, auch nicht an andere Personen innerhalb des SECO. ¹748
In der Folge informierte der stellvertretende Direktor des SECO die Direktorin des SECO sowie den Vorsteher des WBF, dass Informationen vorhanden wären, an die das SECO, wenn nötig, anknüpfen könnte. Er stellte ihnen auch die SECO-interne Analyse zur Verfügung. ¹749
Die Direktorin der EFV informierte ihrerseits am Freitagmorgen den stellvertretenden Direktor des SECO über die Lösungsszenarien, nachdem sie die Staatssekretärin des SECO nicht hatte erreichen können. 175⁰ Die Direktion für Wirtschaftspolitik erstellte in der Folge weitere Analysen zur Krisensituation und nahm ebenfalls eine Einschätzung zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Szenarien vor. Da dem SECO nur rudimentäre Informationen vorlagen, beschränkte sich diese Einschätzung jedoch auf bekannte makroökonomische Daten sowie Informationen und blieb summarisch. 175¹ Sowohl die Benennung der Szenarien als auch die Einschätzung der volkswirtschaftlichen Folgen unterschieden sich von den Analysen der SNB. ¹752
WEKO
Schliesslich nahm der damalige Direktor der FINMA gegen 20.30 Uhr telefonisch mit dem Direktor des WEKO-Sekretariats Kontakt auf. Er informierte ihn, dass über eine Übernahme der CS verhandelt werde und die Zuständigkeit für deren Bewilligung bei der FINMA liege. ¹753 Gemäss einem E-Mail der FINMA an das SIF habe es die WEKO aufgrund der zu knappen Frist abgelehnt, bis Sonntag in Anwendung von Artikel 10 Absatz 3 KG eine Stellungnahme zum Zusammenschluss zwischen der CS und der UBS abzugeben. Eine Vernehmlassung würde nämlich voraussichtlich mehrere Wochen dauern. ¹754
¹743 Die PUK verfügt aus Anhörungen über weitere Hinweise, die darauf deuten, dass der Vizepräsident der SNB die temporäre Verstaatlichung lange für die geeignetere Lösung zur Sicherstellung der Finanzstabilität hielt. Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 36.
¹744 Schriftliche Antworten an die PUK vom 24.5.2024
¹745 Schriftliche Antworten an die PUK vom 23.4.2024, Anhang 2
¹746 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 14
¹747 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024, S. 1
¹748 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 22, 29
¹749 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 22, 29
175⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 51
175¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 31
¹752 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 22 ff.; Finanzmarktturbulenzen, Factsheet des SECO vom 17.3.2023.
¹753 Stellungnahme der WEKO vom 25.9.2023 gemäss Artikel 10 Abs. 3 KG und Empfehlung gemäss Artikel 45 Abs. 2 KG, Ziff. 27
¹754 E-Mail der FINMA an das SIF vom 18.3.2023 (9.23 Uhr)
7.2.4 Intensive Weiterführung der Verhandlungen und Vorbereitung möglicher Alternativen am 18. März
Die nachfolgende Tabelle stellt die einzelnen Ereignisse am dritten Tag der Akutkrise dar. Diese werden in den folgenden Unterkapiteln beschrieben. Die wesentlichen Meilensteine sind fett hervorgehoben.
Tabelle 21: Chronologie der Ereignisse am Samstag, 18. März 2023
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| Zeitpunkt | Ereignis | Involvierte Akteure |
|---|---|---|
| 8.00 Uhr | Telefonkonferenz LG mit UBS | EFD, FINMA, SNB, SIF, EFV, UBS |
| 9.00-9.30 Uhr, 10.15-10.45 Uhr, ab 11.00 Uhr | Interne Sitzung des LG (zwei Unterbrüche) | EFD, FINMA, SNB, SIF, EFV |
| 9.30-10.15 Uhr, 10.45-11.00 Uhr | Telefonkonferenz LG mit CS, CS bringt BlackRock als möglichen Übernahmepartner ins Gespräch | EFD, FINMA, SNB, SIF, EFV, CS |
| 11.00 Uhr | Separate Telefonate der EFD-Vorsteherin und des SNB-Präsidenten mit Geschäftsführungsmitgliedern von BlackRock | EFD, SNB |
| 12.15 Uhr | Schreiben FINMA an CS bezüglich Einreichung eines genehmigungsfähigen Sanierungsplans | FINMA |
| Samstagnachmittag | Kontaktaufnahme der FINMA-Verwaltungsratspräsidentin mit Sergio Ermotti für potenzielle Sanierung | FINMA |
| 12.30-14.15 Uhr | Ausserordentliche Sitzung des Verwaltungsrates der CS Group AG | CS |
| 14.00-15.30 Uhr | Ausserordentliche Sitzung des Verwaltungsrates der UBS Group AG und der UBS AG | UBS |
| 14.40-15.30 Uhr | Ausserordentliche FINMA-Verwaltungsratssitzung. Der FINMA-Verwaltungsrat stimmt auf Antrag der Geschäftsleitung der Position der FINMA zu den Eckpunkten der Übernahme zu, inkl. Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen. | FINMA |
| 15.00 Uhr | High-Level-Austausch Core College | FINMA, Fed |
| 15.30 Uhr | High-Level-Austausch Behörden mit dem CEO und dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS | EFD, SNB, FINMA, UBS |
| 17.00-18.40 Uhr | Ausserordentliche Bundesratssitzung, Informationsnotiz EFD | Bundesrat, EFD |
| 17.15-18.00 Uhr | Ausserordentliche Sitzung des Verwaltungsrates der UBS Group AG und der UBS AG | UBS |
| 18.00-19.45 Uhr | Ausserordentliche Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG | CS |
| 18.15 Uhr | Schreiben der CS an die FINMA mit angepasstem Sanierungsplan in genehmigungsfähiger Qualität | CS |
| 18.45 Uhr | High-Level-Austausch Behörden mit dem CEO und dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS | SNB, FINMA, SIF, EFV, UBS |
| 19.00 Uhr | Telefonat der EFD-Vorsteherin mit dem saudischen Finanzminister Mohammed Al Jadaan | EFD |
| Zwischen 8.00 und 20.30 Uhr | Verhandlungen mit der UBS über den Kaufpreis und die Verlustgarantie. Vorläufige Einigung zwischen den Behörden und der UBS am Abend auf einen Kaufpreis von 1 Milliarde Franken und eine Second-Loss Protection über 5 Milliarden Franken. | EFD, SNB, FINMA, UBS |
| 20.10 Uhr | Einigung zwischen EFD und UBS | EFD, UBS |
| 20.30-21.15 Uhr | Ausserordentliche Verwaltungsratssitzung der UBS Group und der UBS AG. Der UBS-Verwaltungsrat bekennt sich grundsätzlich zur Fusion mit der CS. | UBS |
| Nach 21.00 Uhr | Telefonat UBS-Verwaltungsratspräsident mit CS-Verwaltungsratspräsident. Die UBS teilt der CS den Kaufpreis von 1 Milliarde Franken mit. | CS, UBS |
| 21.15 Uhr | Information der FinDel-Präsidentin durch die EFV-Direktorin | EFD |
| Zwischen 9 und 21 Uhr | Arbeiten an der Notverordnung und der TPO | BJ, EFV, SIF unter Einbezug von SNB und FINMA |
| Im Verlauf des Tages | Separate Telefonate des SNB-Präsidenten mit A. Bailey (BoE), C. Lagarde (EZB), F. Villeroy de Galhau (Banque de France), J. Powell (Fed) | SNB |
Im Folgenden werden die einzelnen Entwicklungen grundsätzlich chronologisch dargestellt. Soweit sinnvoll, wurden inhaltlich in Zusammenhang stehende Ereignisse im gleichen Abschnitt abgehandelt, so insbesondere die internationalen Kontakte und die Verhandlungen der Behörden mit den Banken.
7.2.4.1 Besprechungen des Lenkungsgremiums mit den Banken und Abklärungen zur Möglichkeit eines Verkaufs an BlackRock
Am Morgen des 18. März 2023 besprach das LG den Stand der Verhandlungen über eine Fusion der CS und der UBS an einer Sitzung, die von mehreren separaten Videogesprächen mit den beiden Banken unterbrochen wurde.
Um 8.00 Uhr fand eine erste Besprechung des LG mit dem CEO, dem Verwaltungsratspräsidenten sowie weiteren Mitgliedern des Verwaltungsrates der UBS statt. Die UBS habe dabei jene Positionen der CS angesprochen, welche nicht in die Strategie der UBS passten und bei denen zu erwarten war, dass sie über viele Jahre operative Kosten verursachen könnten. ¹755 Die Bank habe zudem auf den Widerstand ihrer Investorinnen und Investoren gegen die Fusion verwiesen und so die Notwendigkeit einer Garantie begründet. Die UBS-Vertreter hätten eine Garantie des Bundes für die Verluste der Non Core Unit verlangt, seien sich über deren Ausgestaltung aber nicht sicher gewesen. Die Abschreibung der AT1-Anleihen sei in diesen Überlegungen mit der Bundesgarantie kombiniert worden. Dadurch wäre die Verlustabsorptionskapazität der UBS auf einen zweistelligen Milliardenbetrag angestiegen, was von den Behörden kategorisch abgelehnt worden sei. ¹756
Des Weiteren habe die UBS mit den Behörden den Stand der Due-Diligence-Prüfung besprochen, die bis zu diesem Zeitpunkt keine «showstopper», aber bedeutende Risiken und grossen Abschreibungsbedarf ergeben habe. Die UBS habe auf die grossen Risiken im Zeitraum zwischen der Ankündigung der Fusion und deren Vollzug verwiesen und angemerkt, dass sie unter Umständen ebenfalls Liquiditätsunterstützung benötigen könnte. ¹757 Nachfolgend habe sich die FINMA mit der UBS auch über den Kontakt mit den US-amerikanischen und britischen Regulatoren ausgetauscht, von deren Seite her es gemäss UBS keine Verzögerungen gab. ¹758
Das LG war sich im Anschluss an den Austausch mit der UBS einig, dass der Zusammenschluss der CS mit der UBS weiterhin die präferierte Option blieb, da sie das geringste Risiko einer Destabilisierung des nationalen und internationalen Finanzsystems bot. Nach Einschätzung der Behörden war der PLB per Notrecht auch in diesem Szenario ein notwendiges Element. ¹759
Austausch zwischen dem LG und der CS - BlackRock als neue Option
Kurz danach, von 9.30 Uhr bis 10.15 Uhr und erneut um 10.45 Uhr, führte das LG analoge Gespräche mit dem CEO und dem Verwaltungsratspräsidenten der CS. Dabei habe der CS-Verwaltungsratspräsident gemäss den Behörden erstmals und für sie unerwartet 176⁰ die Option einer Beteiligung der amerikanischen Investmentgesellschaft BlackRock als Alternative zu einer Fusion ins Spiel gebracht. 176¹ BlackRock habe Kontakt mit der CS aufgenommen und trotz des Hinweises der CS, dass nur eine vollständige Übernahme vor Sonntag infrage komme, ernsthaftes Interesse bekundet. Die CS habe diese Option berücksichtigen wollen, da dem Aktionariat gegenüber die Verantwortung bestanden habe, die Lösung mit den aus ihrer Sicht bestmöglichen Konditionen zu finden. ¹762
Nach Angaben der EFD-Vorsteherin habe die CS den Behörden mitgeteilt, dass sie aufgrund der laufenden Gespräche mit BlackRock keine staatliche Hilfe benötige. ¹763 Laut den Mitgliedern des LG habe der CS-Verwaltungsratspräsident trotz mehrmaligem Nachfragen der FINMA-Verwaltungsratspräsidentin nicht beantwortet, wann er den Verwaltungsrat der Bank über die Option BlackRock informiert habe. ¹764 Die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA sagte gegenüber der PUK aus, dass sie in Absprache mit dem Direktor der FINMA gehandelt habe und mit dieser Frage unter anderem einen Tatbestand für einen möglichen Gewährsentzug habe etablieren wollen. Denn bei derartigen Gesprächen hätten gleichzeitig der CS-Verwaltungsrat wie auch die FINMA informiert werden müssen. ¹765
Da die CS keine Unterlagen vorbereitet hatte, wurde ihr eine Frist bis 12.00 Uhr gesetzt, um eine ausreichende Dokumentation zu dieser Option vorzubereiten. Ohne schriftliche Unterlagen sahen sich die Behörden ausserstande, die Machbarkeit des Vorschlags zu beurteilen. Aus Sicht des LG sollte der Vorschlag, sofern er für realistisch befunden wurde, umgehend vertieft werden, da er gewichtige Vorteile gegenüber der Fusion mit der UBS mit sich gebracht hätte. Unter anderem hätte der Gone Concern der CS vermieden werden können, und die TBTF-Problematik wäre nicht verschärft worden. ¹766 BlackRock habe am 17. und 18. März eine Due-Diligence-Sitzung zu Rechtsfragen durchgeführt. An dieser Sitzung habe ein hochrangiges Team vor Ort teilgenommen und damit materielles Interesse signalisiert. ¹767 Die CS habe BlackRock auch Zugriff auf den Datenraum gegeben, und das BlackRock-Team habe mit unterschiedlichen Personen aus verschiedenen Geschäftsfeldern gesprochen. ¹768
Das LG kam in der anschliessenden Besprechung ab 11.00 Uhr rasch zum Schluss, dass eine Beteiligung durch BlackRock keine valable Option war. ¹769 Zu dieser Erkenntnis trugen auch die Kontakte der EFD-Vorsteherin und des SNB-Präsidenten mit zwei Geschäftsleitungsmitgliedern von BlackRock bei. Während eine Person mitgeteilt habe, dass sie nicht über die Verhandlungen mit der CS im Bilde sei, habe die andere Person den Behörden klargemacht, dass BlackRock nicht bei der CS einsteigen werde. 177⁰ Der BlackRock-Vertreter habe dem SNB-Präsidenten gesagt, dass BlackRock keine Verhandlungen führen könne und wolle, wenn diese der Öffentlichkeit bekannt seien (siehe Kap. 7.2.4.3 zum Informationsleck). Zudem habe BlackRock die Banklizenz der CS nicht übernehmen wollen, da das Unternehmen ansonsten als Bank beaufsichtigt worden wäre. 177¹ Dieser Entscheid von BlackRock wurde der EFD-Vorsteherin, dem SNB-Präsidenten und der FINMA-Verwaltungsratspräsidentin kurze Zeit später an der Verwaltungsratssitzung der CS (siehe weiter unten) durch den CS-Verwaltungsratspräsidenten bestätigt. ¹772
Nachdem die Option mit BlackRock weggefallen war, bestand im LG Einigkeit darüber, dass im Verlauf des Wochenendes eine Lösung gefunden und kommuniziert werden musste, um eine Zahlungsunfähigkeit der CS am Montag zu vermeiden. Daher beschlossen die Behörden, sich wieder auf die Finalisierung der drei verbliebenen ¹773 umsetzbaren Alternativen zu fokussieren. ¹774
Kontaktaufnahme mit Sergio Ermotti für den Fall einer Sanierung
Da eine Einigung der Banken auf eine Übernahme im Verlaufe des Samstagmorgens weiterhin nicht absehbar war, standen die Fallback-Lösungen einer TPO oder einer Sanierung weiterhin im Raum. ¹775 Hinsichtlich der Rangfolge der Alternativen bestanden, wie schon am Vortag, weiterhin Uneinigkeiten (siehe Kap. 7.2.3.6) zwischen den einzelnen Behörden. Während die TPO in der Einschätzung der SNB einer Sanierung vorzuziehen war, habe sich die FINMA für die Sanierung stark gemacht. ¹776 Innerhalb des EFD habe man grosse Bedenken gegenüber einer TPO gehabt und die EFD-Vorsteherin habe sich mehrfach dagegen ausgesprochen. ¹777 Deswegen wurden die Vorbereitungen für beide Alternativlösungen parallel vorangetrieben.
Im Rahmen dieser Vorbereitungsarbeiten informierte die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA am Samstag im Verlauf des Tages den SNB-Präsidenten und die EFD-Vorsteherin über die Suche nach einem Verwaltungsratspräsidenten für die sanierte Bank. Der Suchprozess sei am Donnerstag mithilfe eines Executive-Search-Unternehmens eingeleitet worden und habe schliesslich Sergio Ermotti als einen der favorisierten Kandidaten ergeben. Die FINMA nahm am Samstag mit diesen Kontakt auf. ¹778 Der SNB-Präsident ging nach eigener Aussage davon aus, dass diese Kontaktanfrage in Zusammenhang mit dem TPO-Szenario erfolgte. ¹779 Dieser Auffassung war auch die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen. 178⁰ Die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin sagte aber gegenüber der PUK aus, dass sie einen CEO und einen Verwaltungsratspräsidenten für den Fall einer Sanierung gesucht habe, nicht für eine TPO. Die Suche sei Teil der Vorbereitung auf eine Sanierung gewesen, um die Governance sicherzustellen. In Absprache mit dem FINMA-Direktor sei festgelegt worden, dass sie und ihr Vizepräsident für die Suche nach einem Verwaltungsratspräsidenten der sanierten Bank zuständig seien. 178¹ Im direkten Kontakt mit Sergio Ermotti habe sie den Fokus auf die Sanierung gelegt, aber transparent kommuniziert, dass noch alle Optionen offenstünden. Sergio Ermotti habe sich schliesslich für alle Optionen zur Verfügung gestellt, wenn er gebraucht würde. ¹782
Sergio Ermotti gab gegenüber der PUK zu Protokoll, dass er erstmals am Samstagnachmittag von der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA kontaktiert und über den desolaten Zustand der CS informiert worden sei. Sie habe drei mögliche Optionen erwähnt, die von den Behörden verfolgt würden: ein Verkauf der CS, eine Abwicklung oder eine Staatsintervention. Er sei gefragt worden, ob er sich bei einer solchen alternativen Rettung der CS als Verwaltungsratspräsident zur Verfügung stellen würde. Er habe grundsätzlich Gesprächsbereitschaft gezeigt, sich aber einige Stunden Bedenkzeit ausbedungen. Seine Zusage gegenüber der Verwaltungsratspräsidentin und dem Direktor der FINMA sei am Samstagabend erfolgt. Am Sonntagmorgen hätten zwei weitere kurze Kontakte stattgefunden, bevor er gegen 15 Uhr über die Einigung mit der UBS informiert worden sei und sich somit aus der Verantwortung entlassen gesehen habe. ¹783
¹755 FINMA-interne Notiz zum LG vom 18.3.2023, S. 2
¹756 Stellungnahme vom 31.7.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation; Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 67 f.
¹757 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024
¹758 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024; Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024.
¹759 FINMA-interne Notiz zum LG vom 18.3.2023, S. 2
176⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 64; Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 69. Der SNB-Präsident sagte aus, dass die CS den Behörden gegenüber BlackRock bereits am 15. März 2023 als möglichen Käufer genannt habe (siehe Kap. 7.2.1).
176¹ FINMA-interne Notiz zum LG vom 18.3.2023, S. 2; Schriftliche Antworten an die PUK vom 4.2.2024, S. 4.
¹762 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 62f.
¹763 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 64
¹764 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 12
¹765 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.11.2023, S. 12
¹766 FINMA-interne Notiz zum LG vom 18.3.2023, S. 2
¹767 Schriftliche Antworten an die PUK vom 30.3.2024
¹768 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 62f.
¹769 FINMA-interne Notiz zum LG vom 18.3.2023, S. 3
177⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 14; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 4.
177¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 10.6.2024, S. 2
¹772 Protokoll der ersten ausserordentlichen CS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 2
¹773 Zusammenschluss CS/UBS; Sanierung der CS gemäss TBTF; TPO der Gruppe.
¹774 FINMA-interne Notiz zum LG vom 18.3.2023, S. 3
¹775 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 4
¹776 Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 42; Schriftliche Antworten an die PUK vom 8.7.2024; Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 30 f. und S. 42.
¹777 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 74; Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 46.
¹778 Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
¹779 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 4; Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 71.
178⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 74
178¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 41 ff.
¹782 Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 42
¹783 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 2
7.2.4.2 Fortführung der Verhandlungen zwischen den Banken unter Beteiligung der Behörden
Am Samstag erhielt die CS nach Angaben ihres Group General Counsel gegen Mittag von der UBS den ersten Entwurf des Fusionsvertrags. ¹784 Dieser Entwurf wurde gemäss Staatssekretärin für internationale Finanzfragen auch den Behörden zugestellt, diese hätten sich jedoch nicht zum Inhalt geäussert. ¹785 Im Entwurf hätten sich Hinweise auf eine mögliche Abschreibung der AT1-Instrumente befunden, jedoch ohne weiteren Kontext. Die beiden Banken verhandelten scheinbar aber nicht über die AT1-Abschreibungen, da zwischen den Deal-Teams nach Angaben des Group General Counsel der CS kaum ein eigentlicher Dialog stattgefunden habe. ¹786
Laut dem Verwaltungsratspräsidenten der CS wurde er nicht über die Ausgestaltung der Fusion und des Fusionsvertrags informiert. Er habe bis am Samstagabend nicht gewusst, ob eine Fusion oder eine Übernahme geplant sei. ¹787 Gemäss den Aussagen des Group General Counsel der CS gegenüber der PUK sei es zu keinen «typischen» Vertragsverhandlungen zwischen den Banken gekommen. Vielmehr seien die Verhandlungen weitgehend über Briefwechsel, einzelne Telefonate mit den Behörden sowie durch den Austausch von Mark-ups des Fusionsvertrags, die nicht ausführlich besprochen wurden, erfolgt. ¹788 Die CS sei über verschiedene fundamentale Aspekte der Transaktion, beispielsweise die Einschränkung der Aktionärsrechte oder den Kaufpreis, erst sehr spät informiert worden. So habe man die Bank auch erst am Sonntag effektiv darüber informiert, dass die AT1-Anleihen abgeschrieben werden sollten. ¹789
Laut dem General Counsel der CS brachte die CS in einem Schreiben an die UBS und die Behörden gewisse offene materielle Punkte zur Sprache. Die UBS habe aber aufgrund des Zeitdrucks insgesamt wenig Verhandlungsbereitschaft gezeigt. Da wesentliche Eckpunkte des Fusionsvertrages (z. B. zum Kaufpreis oder zur Abschreibung der AT1-Anleihen) teilweise nicht geklärt gewesen seien, habe dem CS-Verwaltungsrat die sachliche Grundlage für die Wahrnehmung seiner Sorgfaltspflichten gefehlt. 179⁰
Die UBS habe auf technischer Ebene umfassende Abklärungen bei der CS vorgenommen. Unter anderem hätten ihre Vertreterinnen und Vertreter sowie von ihr beauftragte externe Beraterinnen und Berater am 17. und 18. März diverse Expertengespräche mit Managerinnen und Managern der CS aus verschiedenen Geschäftsbereichen geführt, um Problemfälle innerhalb des Unternehmens identifizieren zu können. 179¹ Am Samstagmittag informierte der CEO der UBS die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen über den Zwischenstand der Due-Diligence-Prüfung. Die UBS habe bis zu diesem Zeitpunkt keine grundsätzlichen «showstopper» bei der CS identifiziert, die sie nicht durch die Unterstützung oder Teilgarantien durch die SNB oder den Bund ausgeräumt werden könnte. ¹792
Anschliessend fand um 13.45 Uhr ein technischer Austausch zwischen der FINMA, dem SIF, der SNB und der UBS statt. Nach Angaben der Behördenvertreterinnen und -vertreter gab es Diskussionen zu regulatorischen Aspekten der von der UBS eingereichten Liste der Bedingungen. Es seien jedoch keine Beschlüsse gefasst worden. ¹793
¹784 Schriftliche Antworten an die PUK vom 20.5.2024, S. 1
¹785 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 69
¹786 Schriftliche Antworten an die PUK vom 30.3.2024, S. 5 und 20.5.2024, S. 1
¹787 Sitzungsprotokoll der PUK vom 31.1.2024, S. 15
¹788 Schriftliche Antworten an die PUK vom 30.3.2024, S. 5
¹789 Schriftliche Antworten an die PUK vom 30.3.2024, S. 5 und 20.5.2024, S. 1 ff.
179⁰ Schriftliche Antworten an die PUK vom 20.5.2024, S. 3
179¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 30.3.2024, S. 5
¹792 Sitzungsprotokoll der PUK vom 10.4.2024, S. 21; Schriftliche Antworten an die PUK vom 5.5.2024.
¹793 Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024
7.2.4.3 Bankinterne Beratungen zum weiteren Vorgehen und Einwirken der Behörden
Ausserordentliche Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG zum Vertragsentwurf der UBS
An seiner Sitzung, die um 12.30 Uhr begann, setzten sich der CS-Verwaltungsrat und die ebenfalls anwesende Geschäftsleitung mit dem Vertragsentwurf der UBS auseinander. Der Verwaltungsratspräsident stellte in Aussicht, dass der Entwurf im Anschluss an die Sitzung analysiert und an der zweiten Verwaltungsratssitzung der CS eingehend besprochen werde. In einer ersten Reaktion kritisierten die Verwaltungsratsmitglieder jedenfalls bereits die darin enthaltene MAC-Klausel und auch den Umstand, dass gemäss Entwurf eine Aktionärsabstimmung nötig sei. ¹794
Zu den alternativen Lösungen teilte der Verwaltungsratspräsident mit, dass sich BlackRock nach intensiven und konstruktiven Gesprächen im Verlauf der letzten Stunde von einer Beteiligung distanziert habe. ¹795 Der Verwaltungsrat bedauerte diese Entwicklung und vermutete, dass ein Informationsleck ¹796 zu diesem Entscheid beigetragen haben könnte. ¹797
Am zweiten Teil der Sitzung nahmen die EFD-Vorsteherin, der SNB-Präsident sowie die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin teil. Die EFD-Vorsteherin drängte angesichts der gescheiterten BlackRock-Beteiligung auf die Fusion mit der UBS. Sie gab einen Überblick über ihre Kontakte mit ausländischen Behörden und erklärte, dass mit der Fed und anderen wichtigen Regulatoren Vereinbarungen zur Vereinfachung der Fusion bestünden. Auch der SNB-Präsident und die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin hielten die CS dazu an, eine Lösung zu finden, da der PONV unmittelbar bevorstehe, was eine Abwicklung notwendig machen würde. Die Behörden informierten die CS zudem darüber, dass die Notverordnung des Bundes einen Entscheid des Verwaltungsrates über die Fusion vorsehe und kein Einbezug der Aktionärinnen und Aktionäre nötig sei. ¹798
Der Verwaltungsrat diskutierte diese Ausnahme in Abwesenheit der Behörden. Er fasste die Situation so auf, dass die FINMA die Verantwortung an die Bank abgeben wolle. Daraufhin verlangte der Verwaltungsratspräsident, dass zusätzliche Informationen zur Notverordnung und zum Umgang mit den Rechten der Aktionärinnen und Aktionäre eingeholt werden. ¹799
In der Folge klärten die externen Rechtsberaterinnen und -berater, die an der Sitzung teilnahmen, den CS-Verwaltungsrat über dessen Pflichten der Firma, den Gläubigerinnen und Gläubigern und den Aktionärinnen und Aktionären gegenüber sowie über allfällige Haftungsfragen auf. Dem Verwaltungsrat wurde geraten, darüber zu entscheiden, ob die CS eigenständig bleiben könne oder ob eine Fusion mit der UBS vorzuziehen sei. Der CS-Verwaltungsratspräsident fragte nach, ob der Verwaltungsrat sich einer Abstimmung entziehen und die FINMA daraufhin eine Fusion im Rahmen eines Sanierungsplans anordnen könne. Die Rechtsexpertinnen und -experten antworteten, dass eine Enthaltung des CS-Verwaltungsrats einem Entscheid gegen eine Fusion gleichkommen würde. Daraufhin wurde beschlossen, weitere Gespräche mit der UBS zu führen und den Entwurf des Fusionsvertrags am späteren Nachmittag im Kreis des gesamten Verwaltungsrates zu besprechen. 180⁰
Ausserordentliche Verwaltungsratssitzung der UBS Group AG und der UBS AG zu den Rahmenbedingungen der Fusion
Der Verwaltungsratspräsident der UBS unterrichtete den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung anlässlich der ersten ausserordentlichen Sitzung dieses Tages darüber, dass sich die UBS innerhalb der nächsten Stunden grundsätzlich zu einer Fusion mit der CS bekennen müsse, da andernfalls eine Alternativlösung umgesetzt werde. Diesen Grundsatzentscheid hatte die UBS den Behörden in einem Telefonat im Anschluss an die Verwaltungsratssitzung zu kommunizieren. 18⁰1
Die Geschäftsleitungsmitglieder informierten über die bisherigen Resultate der Due-Diligence-Prüfung, die insgesamt positiv ausgefallen sei und keine «showstopper» zutage gefördert habe. Diese Einschätzung beruhte jedoch nach Aussage der Beteiligten auf der Erwartung, dass sich der Bund an den Risiken der Aktiven des Non-Core-Unit-Portfolios der CS beteiligen würde. In mehreren Geschäftsfeldern zeigte sich, dass der Risikoappetit der CS für UBS-Verhältnisse zu hoch war und nach erfolgter Übernahme reduziert werden müsste. 18⁰2
Der Verwaltungsrat beriet auch die Frage, ob die Übernahme durch die UBS in Kombination mit der Liquiditätshilfe der SNB die Abflüsse bei der CS stoppen kann oder ob ein Ansteckungsrisiko für die UBS besteht und dementsprechend die MAC-Klausel ausgeweitet werden sollte. Der UBS-Verwaltungsratspräsident erwartete jedoch, dass die SNB alles tun würde, um die UBS zu stabilisieren, sofern sie sich zuvor mit den Übernahmebedingungen einverstanden gezeigt habe. 18⁰3 Der CEO hielt fest, dass die identifizierten finanziellen Risiken für die UBS durch die erwartete Abschreibung der AT1-Anleihen weitgehend kompensiert würden. Die Kosten des Abbaus des NCU-Portfolios blieben aber ein offener Punkt, den die UBS in den weiteren Verhandlungsrunden durch zusätzliche Sicherheiten des Bundes lösen wollte. 18⁰4 Eine weitere essenzielle Voraussetzung für die Fusion stellten aus Sicht der UBS die zukünftigen Geschäftstätigkeiten in den USA und in Grossbritannien dar. Die britischen Regulatoren hatten der UBS bereits bestätigt, dass die dortige Niederlassung weitergeführt werden kann. Vonseiten der amerikanischen Behörden erwartete der Verwaltungsrat keine Beschränkungen des Geschäftswachstums aufgrund der Fusion. 18⁰5
Im Anschluss an die UBS-Verwaltungsratssitzung führten Behördenvertreterinnen und -vertreter (darunter die EFD-Vorsteherin, die Verwaltungsratspräsidentin und der Direktor der FINMA sowie der SNB-Präsident) um 15.30 Uhr eine weitere Videokonferenz mit dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO der UBS durch. Anlässlich dieses Gesprächs habe die Bank ein positives Fazit über die bis dahin erfolgte Due-Diligence-Prüfung gezogen. Sie habe Synergien im Bereich des Wealth Managements und bei der Schweizer Einheit der CS erwähnt. Die NCU sei jedoch als Hauptproblem identifiziert worden, da diese aufgrund der IT-Systeme und langer Laufzeiten hohe operative Kosten erwarten lasse. 18⁰6 Die UBS habe daher festgehalten, dass die CS für sie insbesondere aufgrund der zu erwartenden Kostenprobleme im Investmentbanking wenig Wert besitze. Sie benötige somit einen Supportmechanismus der Behörden in Bezug auf die möglichen Verluste. 18⁰7
Der PUK liegen verschiedene Angaben zu den Forderungen vor, die die UBS in Bezug auf die NCU stellte. Die Bank habe unter anderem vorgeschlagen, dass der Bund während 10 bis 15 Jahren die operativen Kosten der NCU tragen solle, welche sie mit rund 2,5 Milliarden Franken pro Jahr beziffert habe. 18⁰8 Ein anderer Vorschlag habe gelautet, dass die SNB die NCU kaufen solle, die UBS aber die ersten 5 Milliarden Franken der Verluste selbst tragen würde. 18⁰9 Das hätte nach Aussagen des SNB-Präsidenten jedoch sämtlichen ordnungspolitischen Prinzipien widersprochen. 181⁰ Nach Angaben der UBS wurden die Optionen zur Absicherung des NCU-Portfolios nicht auf Stufe des Verwaltungsratspräsidenten thematisiert, sondern auf Arbeitsebene erörtert. 181¹ Nach den der PUK vorliegenden Informationen wurde kein Entscheid zur Garantiestruktur gefällt.
¹794 Protokoll der ersten ausserordentlichen CS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023
¹795 Protokoll der ersten ausserordentlichen CS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023
¹796 BlackRock’s Hildebrand Taking Part in UBS, Credit Suisse Talks. In: Bloomberg, 18.3.2023, https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-03-18/blackrock-s-hildebrand-taking-part-in-ubs-credit-suisse-talks (Stand: 25.6.2024).
¹797 Protokoll der ersten ausserordentlichen CS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 2; Schriftliche Antworten an die PUK vom 30.3.2024, S. 6.
¹798 Protokoll der ersten ausserordentlichen CS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 2
¹799 Protokoll der ersten ausserordentlichen CS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 2
180⁰ Protokoll der ersten ausserordentlichen CS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 2 f.
18⁰1 Protokoll der ersten ausserordentlichen UBS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 1
18⁰2 Protokoll der ersten ausserordentlichen UBS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 2 f.
18⁰3 Protokoll der ersten ausserordentlichen UBS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 4
18⁰4 Protokoll der ersten ausserordentlichen UBS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 5
18⁰5 Schriftliche Antworten an die PUK vom 11.4.2024, S. 8; Protokoll der ersten ausserordentlichen UBS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 5.
18⁰6 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024
18⁰7 Sitzungsprotokoll der PUK vom 10.4.2024, S. 21 ff.
18⁰8 Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.4.2024
18⁰9 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024
181⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 68
181¹ Stellungnahme vom 31.7.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
7.2.4.4 Verabschiedung des Verhandlungsmandats der FINMA
An der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA um 14.40 Uhr teilte die Verwaltungsratspräsidentin mit, dass die SNB die FINMA um eine Stellungnahme zum Antrag der CS Group vom 17. März 2023 um Gewährung von ELA+ angefragt habe. Da sich die Solvenz der CS im Vergleich zur positiven Solvenzbestätigung des Verwaltungsrates vom 16. März 2023 nicht verändert hatte und eine grosse Dringlichkeit herrschte, habe sie die erneute Bestätigung per Präsidialentscheid gemeinsam mit dem FINMA-Direktor erteilt. 18¹2 Den Liquiditäts-PONV der Parent Bank erwartete die FINMA zu Beginn der kommenden Woche, sollte über das Wochenende keine Lösung gefunden werden. Auch der PONV der CS Schweiz konnte angesichts der erhöhten Abflüsse nicht ausgeschlossen werden.
| Kasten 20 : Point of Non-Viability (PONV) Der Point of Non-Viability (PONV) bezeichnet den Zeitpunkt drohender Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit einer Bank oder Finanzgruppe und löst unter anderem Kapitalmassnahmen aus. Dazu gehört die Abschreibung bestimmter Kapitalinstrumente als Beitrag zur Sanierung 18¹3 (siehe Kasten 19 in Kap. 7.2.3.7). 18¹4 Der PONV ist erreicht, wenn Insolvenzgefahr im Sinne von Artikel 25 BankG existiert. Die FINMA kann Schutzmassnahmen, ein Sanierungsverfahren oder eine Konkursliquidation der Bank anordnen, wenn begründete Besorgnis besteht, dass die Bank überschuldet ist, ernsthafte Liquiditätsprobleme bestehen oder die Bank ihre Eigenmittelvorschriften innerhalb einer von der FINMA gesetzten Frist nicht erfüllt. 18¹5 Diese Kann-Bestimmung räumt der FINMA einen Ermessensspielraum ein. 18¹6 Der Rechtsbegriff «ernsthafte Liquiditätsprobleme» in Artikel 25 Absatz 1 BankG bezeichnet beispielsweise eine Situation, in der «eine Bank nicht in der Lage ist, sich zu Marktbedingungen flüssige Mittel zu verschaffen, und davon ausgegangen werden muss, dass die vorhandene Liquidität die fälligen oder die nächstens fällig werdenden Verpflichtungen nicht mehr deckt.» 18¹7 Es muss demnach noch keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten sein und die betroffene Bank kann die regulatorischen Liquiditätsanforderungen beim Erreichen des Liquiditäts-PONV unter Umständen noch erfüllen. 18¹8 Der Identifizierung des PONV wurde im März 2023 grosse Bedeutung beigemessen, auch weil diese das weitere Vorgehen der Behörden massgeblich beeinflusste. Die Feststellung des Liquiditäts-PONV oblag der FINMA, welche für ihre Einschätzung sowohl die Liquidität der CS wie auch die verfügbare Notfallliquidität der SNB als Grundlage verwendete. Nebst den durch die Bank rapportierten regulatorischen Kennzahlen berücksichtigte die FINMA bei der Beurteilung auch weitere Indikatoren, wie die Situation der Bank an den Finanz- und Kapitalmärkten, die Fungibilität von Liquidität in ausländischen Konzerngesellschaften, die Verwertbarkeit von nicht in Cash gehaltenen erstklassigen liquiden Vermögenwerten oder auch die Erkenntnisse aus den täglichen Besprechungen mit dem Management und den Vertretern der Treasury-Abteilung der Bank. Nach Aussage des Geschäftsbereichsleiter Recovery und Resolution gegenüber dem FINMA-Verwaltungsrat im November 2022 sieht das schweizerische Aufsichtsrecht keinen eindeutigen Auslöser für den Liquiditäts-PONV vor. Die FINMA müsse anhand der qualitativen und quantitativen Kriterien (Liquiditätsniveau, Trend und Geschwindigkeit der Abflüsse) begründen, wann dieser ausgelöst würde. Dies geschehe zumindest im Falle einer Sanierung, indem der FINMA-Krisenstab dem Verwaltungsrat einen Antrag für einen Liquiditäts-PONV stelle. Die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA erklärte gegenüber der PUK, dass der PONV ein technisches Kriterium sei, welches von der Geschäftsleitung bestimmt werde und dessen Festlegung als technisches Element in der Kompetenz der Geschäftsleitung liege. Somit gebe es dazu keinen eigenen Antrag an den Verwaltungsrat. Der nahende PONV respektive dessen Erreichen war während der Akutkrise im März 2023 Gegenstand verschiedener Diskussionen zwischen den Behörden. 18¹9 Der Vizepräsident der SNB stellte im Rahmen der AF-Sitzung am 14. März infrage, dass sich die CS aus eigener Kraft stabilisieren könne, und forderte weitergehende Überlegungen. Im ELA-Antrag vom 15. März 2023 und auch in den Anträgen vom 17. und 19. März 2023 auf ELA+ erklärte die CS gegenüber der SNB und der FINMA, dass sie zum jeweiligen Zeitpunkt nicht in der Lage war, ausreichende Liquidität am Geld- oder Kapitalmarkt oder anderswo aufzunehmen, um den erforderlichen Liquiditätsbedarf zu decken. 182⁰ In der AF-Sitzung vom 16. März diskutierten die Behörden darüber, ob die FINMA der CS gegenüber im Rahmen der Schutzmassnahmen gemäss Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe a BankG die Fusion mit der UBS anordnen könnte (siehe Kap. 7.2.2.4). Der FINMA-Direktor hielt dieser hypothetischen Überlegung entgegen, dass der Liquiditäts-PONV angesichts der gewährten ELA und der Ausgangslage noch nicht erreicht sei. 182¹ Am 18. März 2023 nahmen die EFD-Vorsteherin, der SNB-Präsident und die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin an der Verwaltungsratssitzung der CS teil. Die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin wies den CS-Verwaltungsrat darauf hin, die FINMA gehe davon aus, dass sich die CS schnell dem PONV nähere. Die FINMA werde dann keine andere Wahl haben, als die Resolution auszulösen. ¹822 Die Geschäftsleitung der FINMA orientierte ihren Verwaltungsrat am 18. März darüber, dass gemäss aktuellem Stand der Liquiditäts-PONV Anfang der kommenden Woche gesprochen werden müsse, sofern sich über das Wochenende keine Lösung abzeichnen sollte. Dies stand auch in Zusammenhang mit den gestiegenen Abflüssen bei der CS Schweiz, die die Wahrscheinlichkeit eines PONV der CS Schweiz erhöhten. ¹823 Am Morgen des 19. März informierte die FINMA den Verwaltungsratspräsidenten der CS schliesslich an einer Telefonbesprechung, an der auch die Verantwortlichen des SIF teilnahmen, dass der Liquiditäts-PONV der CS erreicht sei (siehe Kap. 7.2.5.1). Der entsprechenden Aussage des FINMA-Direktors wurde von den restlichen Gesprächsteilnehmenden nicht widersprochen. Vielmehr teilte der FINMA-Direktor mit, dass die Abschreibung der AT1-Anleihen angeordnet würde, was gemäss Definition erst am Liquiditäts-PONV möglich war. Die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA sagte gegenüber der PUK aus, dass die Geschäftsleitung den Liquiditäts-PONV der CS aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren Zahlungsunfähigkeit am Sonntag, 19. März, festgestellt habe. Die FINMA bestätigte gegenüber der PUK, dass zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sei, dass sich die CS in einer existenzbedrohenden Situation befinde und die Gefahr einer unmittelbaren Zahlungsunfähigkeit bestehe. Gründe für das Erreichen des PONV seien unter anderem gewesen: - die Unfähigkeit der Bank, sich infolge der drohenden weiteren Verschlechterungen der Ratings von Ratingagenturen, des hohen Credit Spread und des rapide sinkenden Aktienkurses Liquidität zu Marktbedingungen zu verschaffen;- die drastischen Einlagenabflüsse bei der CS AG wie auch bei der CS Schweiz AG, vor allem zwischen dem 15. und 17. März 2023, die zu einem raschen Aufbrauchen der ELA-Fazilität und dem teilweisen Bezug von ELA+ führten;- das Verhalten professioneller Gegenparteien bei Swap-Geschäften und im Devisenhandel sowie jenes von zentralen Gegenparteien bei Abwicklungs- und Clearingaktivitäten, die ihre Geschäftstätigkeit mit der CS einschränkten oder beendeten; - die Besorgnis ausländischer Regulatoren und die drohende Verschärfung deren Liquiditätsanforderungen (siehe Kasten 16 in Kap. 7.2.2.2);- weitere Elemente, wie beispielsweise das Unterschreiten des Resolution Liquidity Execution Need (der geschätzten benötigten Liquidität, um den Resolution-Plan der Bank umzusetzen).Die FINMA war aber bereits vor dem Wochenende besorgt, dass ein Liquiditäts-PONV eintreten könnte. Daher habe sie gemeinsam und in Koordination mit den internationalen Behörden sichergestellt, dass die Aktivierung der vorbereiteten Resolution-Massnahmen am Sonntag operativ möglich war (siehe Kap. 7.2.3.8). ¹824 |
Der Direktor und die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA orientierten den Verwaltungsrat auf der Grundlage eines Eckwertpapiers über die laufenden Arbeiten der Behörden zum Verkaufsszenario. ¹825 Ein Verkauf wurde von den Behörden als die geeignetste Lösung zur Bewältigung der Vertrauenskrise gesehen und genoss nach Angaben der FINMA starke Rückendeckung von wesentlichen ausländischen Jurisdiktionen wie den USA, Grossbritannien und der Eurozone. ¹826
Dennoch wollte die FINMA, solange die Fusion nicht gesichert war, weiterhin alle Optionen offenhalten. ¹827 So bereitete sie parallel zu den Arbeiten im Hinblick auf die Übernahme die Sanierung vor. Die FINMA hatte den CMG-Behörden am Morgen des 18. März die englischen Übersetzungen des Sanierungsplans und der Sanierungsverfügung geschickt, die diese für ihre Anerkennungsverfahren benötigt hätten. Dabei wies sie darauf hin, dass die präferierte Option einer Übernahme nicht unwahrscheinlicher geworden sei, noch kein Entscheid für eine Sanierung getroffen worden sei und in den kommenden Stunden auch kein solcher bevorstehe. ¹828 Am Samstagabend bestätigten die CMG-Behörden der FINMA mündlich, dass sie in ihren Jurisdiktionen keine Hürden für die Umsetzung einer allfälligen Sanierung sahen. ¹829
Parallel dazu hatte die FINMA am Samstagmittag von der CS die Einreichung eines genehmigungsfähigen Sanierungsplans verlangt. Der von der CS angepasste Sanierungsplan lag der FINMA gleichentags um 18.15 Uhr vor. 183⁰ Nach Angaben der FINMA lagen die Sanierungsverfügung inklusive des Sanierungsplans und der Verfügung zur Einsetzung des oder der Sanierungsbeauftragten am Sonntag, 19. März, unterschriftsreif und international abgestimmt bereit. Der PUK liegen Entwürfe dieser Dokumente in Deutsch und Englisch vor. 183¹
Diskussion über das Eckwertpapier der Geschäftsleitung
Im weiteren Verlauf der Verwaltungsratssitzung erörterten der Verwaltungsrat und die anwesenden Mitglieder der Geschäftsleitung das Verkaufsszenario. Da es sich um ein Geschäft grosser Tragweite handelte, habe der Verwaltungsrat einen Entscheid dazu treffen müssen. ¹832 Die Geschäftsleitung hatte aus diesem Grund in einem sogenannten Eckwertpapier die Eckwerte der Transaktion, die Bedingungen der UBS und die wichtigsten «Stolpersteine» zusammengefasst. ¹833 Dieses Papier wurde dem Verwaltungsrat als Antrag vorgelegt und sollte als Verhandlungsmandat für den Direktor dienen. ¹834
In ihrem Antrag bildete die Geschäftsleitung die acht Arten von Forderungen der UBS ab (siehe Kap. 7.2.1). ¹835 Sie legte dem Verwaltungsrat zur Information auch das Papier der UBS zu den verschiedenen Transaktionsoptionen vor, das diese dem EFD, der FINMA und der SNB zugestellt hatte, obschon es in keinem Zusammenhang zu einem von der FINMA zu treffenden Entscheid stand. Die Geschäftsleitung der FINMA nahm in ihrem Antrag eine Einschätzung zur Umsetzbarkeit der einzelnen Forderungen vor, soweit sie im Kompetenzbereich der FINMA lagen (siehe Abbildung unten). Gemäss Darstellung der Geschäftsleitung war die Abschreibung der AT1-Anleihen eine Kompensation für die andernfalls eintretende Kapitallücke. Deren Abschreibung war im beigelegten Forderungskatalog zwar nicht enthalten, wurde aber im UBS-Papier zu den Transaktionsoptionen genannt.
Gestützt auf ihre Analyse identifizierte die Geschäftsleitung der FINMA die folgenden potenziellen «Stolpersteine»:
-
das Niveau der künftigen Kapitalanforderungen;
-
die Abschreibung von bestehenden AT1-Instrumenten als Sicherheitspuffer bzw. zur Abfederung von zu erwartenden Verlusten;
-
die Zustimmung ausländischer Behörden, insbesondere in den USA und im UK, wobei sich die Rechtsstruktur in den jeweiligen Jurisdiktionen als kritisches Element herausstellen könnte;
-
Fragen der Anrechenbarkeit/Verwendung von Bail-in-Debt und Verflechtungen im Falle der Transaktion «Kauf Tochtergesellschaften».
Tabelle 22: Forderungen der UBS und die Einschätzung der FINMA dazu - Auszug aus den Eckwertpapier vom 18. März 2023 zuhanden des Verwaltungsrates der FINMA
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| Bedingung | Inhalt | Position der FINMA |
|---|---|---|
| 1. Transaktionsbezogen | [Verweis auf Forderungskatalog der UBS, siehe Tabelle 17] | Ok. Es handelt sich vor allem um aktien- bzw. gesellschaftsrechtliche Themen, die nicht im Einflussbereich der FINMA liegen. Einzige Grundvoraussetzung ist eine vollständige Übernahme aller Risiken der gesamten CS. |
| 2. Restrukturierung/ Governance | Beibehaltung der gegenwärtigen Konzernstruktur inkl. der Parent Bank. Forderung einer Garantie, dass Fusion nicht zur Durchsetzung einer flachen Holdingstruktur verwendet wird. | |
| 3. Kapitalanforderungen | Vorübergehender Verzicht während 10 Jahren, die substanziell höheren Kapitalanforderungen durchzusetzen.Flexibilität in Bezug auf die Umsetzungsfristen neuer Vorschriften.Im Falle eines zusätzlichen Liquiditätsbedarfs auf Ebene Stammhaus: Möglichkeit einer vorübergehenden Erhöhung der Limite für konzerninternes Engagement. | Aufweichung von Anforderungen kommt für FINMA und SNB generell nicht infrage.Standstill (2 Jahre) und anschliessendes Phase-in (5 Jahre) statt der geforderten Sistierung für 10 Jahre.Schwächung Notfallplan kommt nicht infrage.Entgegenkommen generell nur in üblichem Mass. |
| 4. Transparenz Due Diligence | UBS wünscht vollumfänglichen Zugang zu Unterlagen und Personal der CS. | Ok, ist bereits gewährleistet. |
| 5. Internationale Aufsichtsbehörden | Grundsätzliche Zustimmung von Fed, PRA und EZB; Committment, das regulatorische Approval so schnell wie möglich durchzuführen; Zustimmung der PRA, die bestehende Rechtsstruktur beibehalten zu können. | Ok, liegt grossmehrheitlich im Ermessen der ausländischen Behörden. Grundsätzlich bereits Zusage von Fed und PRA |
| 6. Kommunikation | Behördenabgestimmte Kommunikation inkl. gemeinsamer Pressekonferenz; Klarstellung, dass die UBS angefragt wurde und dass ausser einer Resolution keine glaubwürdigen Alternativen bestanden. | Ok. Aber es muss klar sein, dass die Transaktion nicht von Behörden angeordnet wurde. |
| 7. Wettbewerbs- und Kartellrecht | Wunsch nach Commitment einer zügigen Behandlung durch die Schweizer Wettbewerbskommission. | WEKO nicht zu einer kurzfristigen Stellungnahme in der Lage.FINMA muss ohne Stellungnahme der WEKO entscheiden.Aufgrund der hohen Rechtsrisiken wirkt FINMA darauf hin, dass Zusammenschluss im Rahmen der Notverordnung genehmigt wird. ¹836 |
Die Forderungen der UBS behandelten zudem unter dem Stichwort «Garantien / Carve-out» die Aspekte allfälliger Garantien zur Abfederung möglicher Verluste (Liquidität, Ausfallgarantien) und zur allfälligen Anordnung der Abschreibung der AT1-Instrumente.
In der Beratung zum Antrag der Geschäftsleitung liess sich der Verwaltungsrat bestätigen, dass die Fusion der CS mit der UBS nicht zu einer Unterkapitalisierung der Bank führen würde. Der UBS sollten auch keine Erleichterungen auf die Kapitalanforderungen erteilt werden, ausser in einer Übergangsphase, ¹837 in der die UBS Zeit haben sollte, die neuen Anforderungen vollständig zu erfüllen. ¹838
Die Abschreibung der AT1-Anleihen wurde dem Verwaltungsrat als «notwendiger, unverhandelbarer Teil und damit Eckwert des Deals für die UBS» beschrieben. Beim Verkauf sei zudem Liquidität via PLB notwendig, was staatlicher Unterstützung entspreche und zur AT1-Abschreibung führe. Die AT1-Anleihen müssten nicht nur bei einem Verkauf abgeschrieben werden, sondern auch im Falle einer Sanierung, einer TPO oder der Auslösung des Notfallplans. Das Gremium diskutierte die möglichen Effekte auf die AT1-Märkte, wobei der Direktor anmerkte, dass diese aufgrund der Abschreibungen wohl volatiler würden, auch wenn sich die Investorinnen und Investoren des Abschreibungsrisikos bewusst gewesen seien. ¹839
Die TBTF-Problematik blieb aus Sicht der FINMA verschärft, auch wenn die UBS aufgrund der progressiven Kapitalanforderungen Anreize habe zu schrumpfen und selbst bekundet habe, die Bilanz und die Risk Weighted Assets schneller zu verkleinern, als dies die CS gemäss ihrer Strategie von Oktober 2022 vorgesehen hatte. Die UBS habe zudem erklärt, dass das Investmentbanking gemessen am Risiko nicht grösser als ein Drittel der Bank sein soll. 184⁰
Zur Frage, welche Rolle die WEKO im Vorfeld der Fusion übernehmen soll, wurde dem Verwaltungsrat mitgeteilt, dass diese in der zur Verfügung stehenden Zeitspanne keine Einschätzung abgeben werde. Diese sollte nach der Bewilligung der Fusion durch die FINMA folgen, wobei die FINMA das Rechtsrisiko dieses Vorgehens als gering einschätzte. 184¹ Nach Aussage des FINMA-Direktors beschloss der Verwaltungsrat daher die Anwendung von Artikel 10 des Kartellgesetzes, ¹842 gemäss welchem die FINMA die Fusion anstelle der WEKO genehmigen konnte. ¹843
Der Verwaltungsrat nahm zudem zur Kenntnis, dass die Behörden einen Grossteil der Forderungen der UBS in ihrem Interesse reduzieren konnten und dass eine Generalversammlung der UBS durch die Anwendung von Notrecht umgangen werden kann. Die Geschäftsleitung informierte den Verwaltungsrat überdies über die geplante öffentliche Kommunikation der Behörden am Sonntagabend. Der Direktor ergänzte abschliessend, dass ein Bail-in angesichts der internationalen Verflechtungen der CS und der Bankenkrise in den USA vermieden werden sollte. Auch die UBS hatte nach Ansicht des FINMA-Direktors kein Interesse an einem Bail-in bei der CS, da ein solcher negative Effekte auf den ganzen Schweizer Finanzplatz haben könnte. Der Verwaltungsrat beschloss nach eingehender Diskussion Zustimmung zu den vorgestellten Eckwerten der Übernahme und damit auch zur Abschreibung der AT1-Anleihen. ¹844
18¹2 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 18.3.2023, S. 2
18¹3 Art. 29 ERV
18¹4 Rundschreiben 2013/1 der FINMA «Anrechenbare Eigenmittel - Banken» Rz. 79
18¹5 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 84; Art. 25 BankG.
18¹6 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 20.11.2002, ( BBl 2002 8060 , hier 8069)
18¹7 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 20.11.2002, ( BBl 2002 8060 , hier 8079); Bingert, Philipp / Heinemann, Bernhard (2013): Kommentar zu Art. 4. In: Watter, Rolf / Vogt, Nedim Peter / Bauer, Thomas / Winzeler, Christoph (Hrsg.): Basler Kommentar Bankengesetz. Basel. Helbing & Lichtenhahn, Rz. 21-23.
18¹8 Brief der FINMA an die PUK vom 5.7.2024, S. 1
18¹9 Die vorangehenden Informationen stützen sich auf eine Quelle bzw. Quellen, die der PUK vorliegen, aber nicht konkret genannt werden, weil überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
182⁰ Die vorangehenden Informationen stützen sich auf eine Quelle bzw. Quellen, die der PUK vorliegen, aber nicht konkret genannt werden, weil überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
182¹ Die vorangehenden Informationen stützen sich auf eine Quelle bzw. Quellen, die der PUK vorliegen, aber nicht konkret genannt werden, weil überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
¹822 Protokoll der ersten ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der CS vom 18.3.2023, S. 2
¹823 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 18.3.2023, S. 3
¹824 Die vorangehenden Informationen stützen sich auf eine Quelle bzw. Quellen, die der PUK vorliegen, aber nicht konkret genannt werden, weil überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
¹825 Antrag der GL zuhanden des Verwaltungsrates: «Zustimmung zu den Eckwerten der Übernahme der Credit Suisse Group AG durch die UBS Group AG», 19. März 2023.
¹826 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 18.3.2023, S. 2 ff.
¹827 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 18.3.2023, S. 2
¹828 E-Mail der FINMA an die CMG-Behörden vom 18.3.2023, 7.51 Uhr
¹829 FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 78.
183⁰ FINMA (2023): Erweiterte Chronologie vom 26.9.2023, S. 31.
183¹ FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 78.
¹832 Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 54
¹833 Antrag der GL zuhanden des Verwaltungsrates: «Zustimmung zu den Eckwerten der Übernahme der Credit Suisse Group AG durch die UBS Group AG», 19. März 2023.
¹834 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 18.3.2023, S. 1 ff.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 33 f.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 29.
¹835 Antrag der FINMA-Geschäftsleitung zu den Eckwerten der Übernahme der CS durch die UBS vom 18.3.2023
¹836 Dieser Aspekt fand keine Aufnahme in der Verordnung des Bundesrates. Verordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante Banken vom 16.3.2023 und deren Änderungen vom 19.3.2023
¹837 Die Übergangsphase setzt sich aus zwei Jahren Standstill und fünf Jahren Phase-in zusammen, bis die UBS die neuen Anforderungen vollständig erfüllen musste. Während des Standstills muss der neue Kapitalbedarf noch nicht aufgebaut werden, das geschieht erst im Verlauf des Phase-in.
¹838 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 18.3.2023, S. 2 f.
¹839 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 18.3.2023, S. 3
184⁰ Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 18.3.2023, S. 3
184¹ Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 18.3.2023, S. 4
¹842 Art. 10 Abs. 3 KG
¹843 Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 51
¹844 Protokoll der ausserordentlichen Verwaltungsratssitzung der FINMA vom 18.3.2023, S. 2 f.
7.2.4.5 Ausserordentliche Sitzung des Bundesrates zur aktuellen Lage mit erneutem Fokus auf die Fusion und Alternativszenarien
Auf Antrag der EFD-Vorsteherin fand am Abend des 18. März eine weitere ausserordentliche Bundesratssitzung statt. Über die Durchführung der Sitzung wurden die Bundesratsmitglieder am Morgen des 18. März 2023 um 9.17 Uhr durch den damaligen Vizekanzler informiert. ¹845 Zwar gab es nach Einschätzung der EFD-Vorsteherin keine unmittelbaren Entscheide zu treffen, aber es schien ihr wichtig, dass der Bundesrat die Entwicklungen eng begleiten konnte. ¹846
An dieser ausserordentlichen Sitzung informierte die Vorsteherin des EFD den Bundesrat mittels einer Informationsnotiz über die Lage und den Stand der Arbeiten bei der CS. Zu Beginn der Sitzung führte der Bundesrat ergänzend einen Austausch mit dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der SNB, der Verwaltungsratspräsidentin und dem Direktor der FINMA, der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen und der Direktorin der EFV durch. Der Bundesrat wurde informiert, dass zwischen der UBS und der CS noch keine Einigung erzielt worden sei und die Behörden mit der «Pseudo-Lösung» einer BlackRock-Beteiligung einige Stunden verloren hätten. Die Rede war von einem Pokerspiel beider Parteien. ¹847
Die Informationsnotiz des EFD hielt fest, dass die Kommunikation der SNB und der FINMA vom 15. März 2023 (siehe Kap. 7.2.1) zwar etwas Zeit verschafft habe, ohne Gegenmassnahmen jedoch die Zahlungsunfähigkeit der CS ab folgendem Montag erwartet werde. Da eine Übernahme durch die UBS nun bereits in den Medien durchgesickert sei, sei es umso wichtiger, vor Montag eine Lösung zu präsentieren, da sich die Lage der CS am Montag andernfalls erneut verschärfen würde. ¹848
Im Kontext der laufenden Verhandlungen wurde der Bundesrat über die Garantieforderungen der UBS orientiert, für welche teilweise keine gesetzliche Grundlage existiere und die somit inakzeptabel seien. ¹849 Es fand auch eine Diskussion über den effektiven Wert der CS statt. Dabei wurde festgestellt, dass eine grosse Diskrepanz zwischen der Eigeneinschätzung der CS, dem aktuellen Marktwert und dem am Montag zu erwartenden Wert bestehen dürfte. 185⁰
Mit Blick auf die mögliche Fusion informierte das EFD den Bundesrat in erwähnter Informationsnotiz zudem darüber, dass am Folgetag einzelne Anpassungen an der am 16. März beschlossenen Verordnung vorgenommen werden müssten: 185¹
-
die Schaffung einer klareren Rechtsgrundlage für die Abschreibung der AT1-Instrumente ¹852
-
die Fusion zwischen der UBS und der CS sollte mit Zustimmung der FINMA, aber ohne Generalversammlungsbeschlüsse der Banken möglich sein;
-
die Erweiterung der ausserordentlichen Liquiditätshilfe der SNB auf die UBS (es sollten also je 50 Milliarden Franken für die CS und die UBS verfügbar sein);
-
die der CS auferlegten Einschränkungen betreffend die Ausschüttungen (z. B. von Dividenden) sollten nach Vollzug der Fusion aufgehoben werden.
Ein Beschluss im Verkaufsszenario schien nach Einschätzung des EFD aber erst in der Nacht vom 18. auf den 19. März wahrscheinlich. Aus diesem Grund diskutierte das Bundesratsgremium die verschiedenen Alternativszenarien auf der Grundlage einer kurzen Übersicht zu den Auswirkungen auf das Marktvertrauen, die finanziellen Risiken für die Wirtschaft und den Bund, und den anzupassenden rechtlichen Bestimmungen. Die volkswirtschaftlichen Kosten der einzelnen Szenarien wurden aber nicht quantifiziert. ¹853 In diesem Kontext wurde offenbar auch die Frage gestellt, ob nicht eine vergleichbare Lösung wie 2008 gegenüber der UBS gefunden werden könne. Hierzu wurde erklärt, dass sich die aktuelle Situation mit jener von 2008 nicht vergleichen lasse, weshalb die damals getroffene Lösung nicht zur Disposition stehe. ¹854
Aus dem Bundesratsprotokoll geht schliesslich hervor, dass für den Fall einer Nichteinigung zwischen den beiden Banken das Szenario einer TPO der gesamten Gruppe weiterhin in Vorbereitung war. In diesem Fall hätte die FINMA unter anderem einen neuen CEO und einen Verwaltungsrat der CS ernennen müssen. Der Bundesrat wurde darüber informiert, dass verschiedene Personen, darunter Sergio Ermotti, von der FINMA-Verwaltungsratspräsidentin zwecks Übernahme der CEO-Position kontaktiert worden seien. ¹855 Die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin sagte hingegen gegenüber der PUK, dass sie nie den Auftrag erhalten habe, einen Verwaltungsratspräsidenten oder einen CEO für eine TPO zu suchen. ¹856
¹845 Nachricht des damaligen Vizekanzlers an die Bundesratsmitglieder per Threema, 18.3.2023 um 9.17 Uhr.
¹846 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 55; Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 60.
¹847 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 18.3.2023
¹848 Informationsnotiz des EFD «Credit Suisse: Aktuelle Lage und Stand der Arbeiten» vom 18.3.2023, S. 1 f.
¹849 Informationsnotiz des EFD «Credit Suisse: Aktuelle Lage und Stand der Arbeiten» vom 18.3.2023, S. 2.
185⁰ Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 18.3.2023
185¹ Siehe dazu auch die Änderung vom 19. März 2023 der Verordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante Banken ( AS 2023 136 )
¹852 Bei der Änderung der Notverordnung ging es darum, die Kompetenz der FINMA, die Bank anzuweisen, die AT1-Instrumente abzuschreiben, explizit noch einmal festzuschreiben. Diese Kompetenz ergibt sich aber bereits aus dem Bankengesetz. Die Abschreibung der AT1-Instrumente ist von der Bank dann selbst vorzunehmen. Gemäss FINMA stammte die Idee vom SIF und wurde von der FINMA als hilfreich eingestuft (Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation).
¹853 Informationsnotiz des EFD «Credit Suisse: Aktuelle Lage und Stand der Arbeiten» vom 18.3.2023, S. 4 ff.
¹854 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 18.3.2023
¹855 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 18.3.2023
¹856 Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 41 ff.
7.2.4.6 Ausserordentliche Verwaltungsratssitzungen von UBS und CS sowie erste Einigung mit den Behörden
Intensivierung der Verhandlungen und zweite ausserordentliche Sitzung des UBS-Verwaltungsrates
Nachdem die UBS am Samstag Einblick in die Notverordnung erhalten hatte, verlangte sie kurz vor 17 Uhr in einem E-Mail an den Leiter Recht und Risikomanagement der EFV, gewisse Bestimmungen des Fusionsgesetzes auszusetzen. ¹857 Der Vizedirektor der EFV stellte fest, dass diese Vorschläge weitreichender als die «besprochene notrechtliche Aufhebung der GV-Zustimmung» waren. Er versprach aber, die Anliegen der UBS zu prüfen und, soweit zeitlich möglich, zu berücksichtigen. ¹858 Gegenüber der PUK bestätigte er, dass die Behörden das Ziel verfolgten, bei der UBS keine weiteren Änderungswünsche aufkommen zu lassen. ¹859 Tatsächlich wurden nur wenige der Anliegen der UBS in der Notverordnung umgesetzt, konkret der Verzicht auf die Zustimmung der Generalversammlung sowie der Verzicht auf eine Zwischenbilanz, auf einen Fusionsbericht, auf eine Fusionsprüfung und auf das Einsichtsrecht der Gesellschafterinnen und Gesellschafter der an der Fusion beteiligten Gesellschaften. 186⁰
Die zweite ausserordentliche Verwaltungsratssitzung der UBS wurde in zwei Teilen durchgeführt. Im ersten Teil der Sitzung informierte der Verwaltungsratspräsident ab 17.15 Uhr über die Ergebnisse der Verhandlungen mit den Behörden, die in der Zwischenzeit stattgefunden hatten. Die Behörden hätten keine Bereitschaft signalisiert, die Betriebskosten der NCU durch eine staatliche Verlustgarantie abzudecken. Der Verwaltungsrat beschloss einstimmig, die Verhandlung mit den Behörden fortzusetzen und dabei zusätzliche Verlustgarantien für das NCU-Portfolio - über die anfänglichen 5 Milliarden Franken Verlust hinaus, welche die Bank selber tragen sollte - zu erwirken. 186¹
Um 18.00 Uhr sprachen die FINMA und die SNB mit der Geschäftsleitung der UBS über den Umgang mit der NCU. Die UBS habe ihre Einschätzung zu den finanziellen Risiken dieser Einheit geteilt. Die FINMA habe verschiedene Forderungen der UBS als übertrieben erachtet. ¹862 Es seien jedoch erneut keine Beschlüsse gefällt worden. ¹863
Um 18.45 Uhr kam es zu einem erneuten Austausch zwischen den Behördenvertretern und der UBS. Thema war die von der UBS geforderte Verlustgarantie. Gemäss den Behörden habe die UBS vorgeschlagen, dass sie die ersten 5 Milliarden Franken tragen werde und der Bund die nächsten 10 Milliarden Franken übernehmen müsse. Zum Kaufpreis habe sich die UBS ebenfalls geäussert und mitgeteilt, dass sie nur dann 4 Milliarden Franken zahlen könne, wenn die besprochenen Begleitmassnahmen durch den Bund umgesetzt würden. Ansonsten müsse der Kaufpreis niedriger ausfallen. ¹864
Bevor der Verwaltungsrat der UBS wieder zusammenkam, fand um 20.00 Uhr ein weiteres Online-Meeting des UBS-Verwaltungsratspräsidenten mit den Mitgliedern des AF statt. Die Bank habe die Behörden über die Kaufpreisverhandlungen mit der CS informiert. Laut dem SNB-Präsidenten teilten die Behörden der UBS mit, dass deren bisherige Garantieforderungen zu hoch seien und die Garantie tiefer ausfallen müsse. ¹865 In einer Threema-Nachricht teilte die EFD-Vorsteherin ihren Bundesratskolleginnen und -kollegen um 20.10 Uhr mit, dass nun eine Einigung mit der UBS vorliege (Zitat: «Wir haben einen Deal mit der UBS! Jetzt braucht es noch die CS.») ¹866
Um 20.30 Uhr begann der zweite, deutlich kürzere Teil der UBS-Verwaltungsratssitzung. Erneut gab der Verwaltungsratspräsident einen Überblick über die seit Beendigung des letzten Sitzungsteils durchgeführten zwei Verhandlungsrunden mit den Behörden. Er teilte mit, dass das zuletzt besprochene Angebot der UBS eine Senkung des Kaufpreises von 4 Milliarden auf 1 Milliarde Franken sowie eine staatliche Verlustgarantie für das NCU-Portfolio über 5 Milliarden Franken umfasse. Die UBS müsste die ersten 7 Milliarden Franken der Verluste jedoch selber tragen. Er teilte mit, dass er und der CEO die UBS grundsätzlich zur Transaktion verpflichtet hätten, vorbehaltlich der Genehmigung durch den Bundesrat, die FinDel und die CS. ¹867
Zweite ausserordentliche Verwaltungsratssitzung der Credit Suisse Group AG
Um 18 Uhr trafen sich der Verwaltungsrat der CS, die Geschäftsleitung und verschiedene externe Rechtsberaterinnen und -berater erneut zu einer ausserordentlichen Sitzung, um den von der UBS verfassten Entwurf des Fusionsvertrags im Detail zu beraten. Die Verwaltungsratsmitglieder zeigten sich besorgt über die Möglichkeit eines zu niedrigen Angebots der UBS und über den Umstand, dass der Entwurf der UBS keine Angebote von Dritten erlaubte. Auch die aus Sicht der CS zu niedrige Transaktionssicherheit wurde bemängelt. Diese rührte unter anderem von der vorgesehenen - und nach Einschätzung der CS inakzeptablen - MAC-Klausel her. Es herrschte zudem die Befürchtung, dass ein Szenario eintreten könnte, in welchem zwar eine Einigung über den Verkauf besteht, dieser aber nicht durchgeführt werden kann. Ein solches Szenario hätte ebenfalls in einer Abwicklung münden können, wäre jedoch für die CS negativer als eine unmittelbare Abwicklung ausgefallen. Auch deswegen wurde der Transaktionssicherheit viel Gewicht beigemessen. Diese sollte soweit wie möglich erhöht werden. Die CS-Verantwortlichen sprachen abschliessend über die Strategie für die interne und externe Kommunikation der Bank und die Notwendigkeit einer Koordination diesbezüglich mit der UBS. ¹868
Im Verlaufe des Abends, gegen 20.40 Uhr, orientierte die EFD-Vorsteherin den Gesamtbundesrat, dass sie soeben mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS telefoniert und ihn im Namen des Bundesrates eindringlich gebeten habe, das Angebot der UBS im Interesse der Schweiz anzunehmen. Sie habe ihm mitgeteilt, dass es keinen tauglichen Plan B gebe und es jetzt um «unser Land» gehe. ¹869
Information der FinDel-Präsidentin und des Bundesrates
Um 21 Uhr informierte die EFD-Vorsteherin die Präsidentin der FinDel über den aktuellen Stand der Lage. 187⁰ Etwas später, kurz nach 22 Uhr, kontaktierte der damalige Vizekanzler den Gesamtbundesrat mit der Mitteilung, dass am nächsten Morgen um 7.30 Uhr im Bernerhof ein geheim klassifizierter Bundesratsantrag im Hinblick auf die Bundesratssitzung von 8.30 Uhr verteilt werde. 187¹
Kontakte mit ausländischen Behörden zur Begleitung der Fusionsvorbereitungen
Über den Tag verteilt standen die FINMA, die EFD-Vorsteherin und der SNB-Präsident auch in technischer und strategischer Sache in Kontakt mit ausländischen Behörden. So tauschte sich die FINMA beispielsweise um 15.00 Uhr im Rahmen des Core College mit der Fed über den Stand der Vorbereitungen aus. Die Fed äusserte Bedenken hinsichtlich eines möglichen Zahlungsausfalls, sofern die Liquidität der CS nicht markant erhöht werde. ¹872
Der SNB-Präsident führte derweil verschiedene Informationsgespräche mit Vertreterinnen und Vertretern ausländischer Zentralbanken zum Stand der Arbeit der Schweizer Behörden. Der PUK sind Telefonate mit dem Gouverneur der Bank of England, der Präsidentin der Europäischen Zentralbank, dem Fed-Präsidenten und dem Gouverneur der Banque de France bekannt. Die Inhalte dieser Gespräche wurden nicht protokolliert. ¹873
Gegen 19 Uhr fand zudem ein Telefongespräch zwischen Bundesrätin Karin Keller-Sutter und dem saudischen Finanzminister Mohammed Al-Jadaan statt. ¹874 Dieser teilte mit, dass er als Vertreter der grössten Aktionärin der Bank, der Saudi National Bank, von der CS nicht über die Inanspruchnahme von Staatshilfe und den bevorstehenden PONV informiert worden sei. ¹875
| Kasten 21 ¹876 : Verhandlungen der Banken und der Behörden über den Verkaufspreis Die Festlegung des Kaufpreises von 3 Milliarden Franken und vor allem die Hintergründe desselben waren verschiedentlich Gegenstand von Medienberichten und öffentlichen Mutmassungen. Die PUK hat die ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen detailliert analysiert und zahlreiche Befragungen zu diesem Thema durchgeführt. Dabei erwies sich die schriftliche Quellenlage als lückenhaft. Die in den Anhörungen gemachten Aussagen zeigten kein einheitliches Bild, wer welches Angebot eingebracht hat. Klar wurde, dass ein direkter Zusammenhang zwischen dem Preisangebot der UBS und den vom Bund angebotenen Garantien bestand. Je höher die Garantien des Bundes ausfielen, desto höher war auch das Angebot der UBS. An seiner Anhörung vor der PUK führte der UBS-Verwaltungsratspräsident aus, dass die UBS ursprünglich dazu bereit gewesen sei, 3 Milliarden Franken für die CS zu bezahlen. Da die Behörden die Verlustgarantie jedoch nicht im geforderten Mass umsetzen wollten, habe der SNB-Präsident stattdessen ein Kaufpreisangebot von 1 Milliarde Franken übermittelt. Dieser Preis sei dem Verwaltungsratspräsidenten der CS am Samstagabend mitgeteilt worden, der sich aber nicht damit einverstanden gezeigt habe. Nach Angaben der SNB habe die UBS jedoch in einem Austausch am Samstagabend um 18.45 Uhr einen maximalen Kaufpreis von 4 Milliarden Franken genannt. Die Bank habe in diesem Treffen zum Ausdruck gebracht, dass der Kaufpreis umso tiefer sei, je niedriger die Begleitmassnahmen des Bundes ausfallen würden. Die Behörden hätten sich schliesslich mit der UBS auf eine Verlustgarantie des Bundes von 5 Milliarden Franken geeinigt, womit ein Kaufpreis von 1 Milliarde Franken im Raum gestanden sei. Aus Sicht der Behörden sei das der Status quo am Samstagabend gewesen, auf Basis dessen die UBS eine Einigung mit der CS erzielen sollte. Um 20.30 Uhr gab der UBS-Verwaltungsratspräsident in der Sitzung des Verwaltungsrates einen Überblick über die letzten Verhandlungsrunden mit den Behörden. Er teilte mit, dass das letzte Angebot eine Senkung des Kaufpreises von 4 auf 1 Milliarde Franken sowie eine staatliche Verlustgarantie für das NCU-Portfolio über 5 Milliarden Franken umfasse. Gemäss diesem Angebot hätte die UBS die ersten 7 Milliarden Franken der Verluste selber tragen müssen.Gemäss den PUK vorliegenden Informationen kontaktierte der Verwaltungsratspräsident der UBS nach Ende der UBS-Verwaltungsratssitzung am Samstagabend den Verwaltungsratspräsidenten der CS telefonisch und teilte ihm das Angebot von 1 Milliarde Franken mit. Der Anruf sei sehr kurz gewesen, da der CS-Verwaltungsratspräsident keineswegs mit dem Angebot einverstanden gewesen sei. Der CS-Verwaltungsratspräsident führte vor der PUK diesbezüglich aus, dass ihm zuvor keine Unterlagen dazu vorgelegen hätten und er sei sich auch nicht im Klaren darüber gewesen sei, ob es sich um eine Übernahme oder eine Fusion handle. Ihm sei mitgeteilt worden, dass der Übernahmepreis 1 Milliarde Franken betrage. Laut dem CS-Verwaltungsratspräsidenten war die CS nicht in die Verhandlungen über den Verkaufspreis involviert und konnte erst nach dieser Mitteilung durch die UBS ihre Unzufriedenheit mit dem Angebot zum Ausdruck bringen. Auch vonseiten der UBS wurde bestätigt, dass man zuvor nicht direkt mit der CS über den Preis verhandelt habe. In ihrer Anhörung vor der PUK führte die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen aus, dass sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag (18. auf 19. März) einen Anruf des CS-Verwaltungsratspräsidenten erhalten habe, in dem er den Kaufpreis von 1 Milliarde Franken abgelehnt habe. Sie verwies ihn auf die UBS als Verhandlungspartnerin, erhielt jedoch kurz darauf einen formellen Brief der CS, in welchem diese den zu niedrigen Kaufpreis kritisierte. Die CS bezeichnete einen Kaufpreis in dieser Höhe als kalte Enteignung zugunsten der UBS, die zu ausserordentlichen Gewinnen für die UBS im Umfang von 30 Milliarden Franken führen würde. Die CS ortete u. a. ein Reputationsrisiko für die Behörden und den Finanzplatz, zumal inländische und internationale Aktionärinnen und Aktionäre zu Schaden kämen und rechtliche Klagen vorprogrammiert wären. Ein solches Vorgehen sei nach geltendem Recht nicht denkbar, da die Zustimmung der Aktionärinnen und Aktionäre nicht erteilt würde. Das Schreiben schloss mit der Feststellung, dass eine bundesrätliche Verordnung eine ordentliche Diskussion über den Werttransfer, wie sie im Fusionsgesetz vorgesehen ist, verhindern würde und dass damit wichtige Schutzbestimmungen von Aktionärinnen und Aktionären ausgehebelt würden. Der Kaufpreis war erneut Gegenstand eines Telefonats zwischen Behördenvertreterinnen und -vertreter und dem CS-Verwaltungsratspräsidenten am frühen Morgen des 19. März 2023. Nachdem der CS-Verwaltungsratspräsident erneut den zu tiefen Preis von 1 Milliarde Franken kritisiert hatte, verteidigte die Staatssekretärin diesen zuerst mit Verweis auf die Garantien des Bundes und unterbreitete anschliessend ein Angebot von 2 Milliarden Franken. Abschliessend bat sie den CS-Verwaltungsratspräsidenten um eine Rückmeldung innert einer Stunde (siehe Kap. 7.2.5.1). Gemäss Aussagen des UBS-Verwaltungsratspräsidenten vor der PUK habe er den Preis nicht mit der CS, sondern mit den Behörden verhandelt. Die UBS sei am Sonntag von den Behörden gefragt worden, ob sie auch 3 Milliarden Franken bezahlen könnte. Im Verlauf des Sonntagnachmittags erhöhte die UBS das Kaufangebot auf drei Milliarden, nachdem der Bund die Garantie von 5 auf 9 Milliarden Franken erhöht hatte. Auf dieser Basis wurde schliesslich eine Einigung erzielt.Auf ihre Rolle bei der Verhandlung des Kaufpreises angesprochen, gaben die EFD-Vorsteherin und verschiedene weitere Behördenvertreterinnen und -vertreter zu Protokoll, dass nicht die Behörden die Verhandlungen geführt oder den Kaufpreis festgelegt hätten. Es zeigt sich jedoch sowohl in den Bundesratsprotokollen wie auch im Korrespondenzverlauf eine steuernde Rolle der Behörden, indem sie mit der UBS insbesondere über mögliche Risikogarantien verhandelten, welche sich zusammen mit weiteren Rahmenbedingungen direkt auf den von der UBS gebotenen Kaufpreis auswirkten. |
¹857 Folgende Erfordernisse gemäss Fusionsgesetz sollten gemäss der UBS ausgenommen werden: Pflicht zur Erstellung einer Zwischenbilanz, eines Fusionsberichts und zur Prüfung durch einen Revisionsexperten von Fusionsvertrag, Fusionsbericht und Fusionsbilanz; die Gewährung des Einsichtsrechts der Gesellschafter; die Sicherstellung der Forderungen der Gläubiger. Weiter sollte den Gesellschafterinnen und Gesellschafter der beteiligten Gesellschaften in Abweichung zum FusG keine Klage auf Ausgleichzahlung zustehen und die Meldung an die WEKO ausfallen. E-Mail der UBS an die EFV vom 18.3.2023, 16.37 Uhr.
¹858 E-Mail der EFV an die UBS vom 18.3.2023, 17.21 Uhr
¹859 Schriftliche Antworten an die PUK vom 19.4.2024, S. 14 f.
186⁰ Schriftliche Antworten an die PUK vom 19.4.2024, S. 14, 18 f.
186¹ Protokoll der zweiten ausserordentlichen UBS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 1 f.
¹862 Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024
¹863 Schriftliche Antworten an die PUK vom 17.5.2024
¹864 Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.4.2024; Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.5.2024; Stellungnahme der FINMA vom 9.8.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation, S. 26 ff.
¹865 Schriftliche Antworten an die PUK vom 25.4.2024
¹866 Threema-Mitteilung der EFD-Vorsteherin an den Gesamtbundesrat, 18. März 20:10
¹867 Protokoll der zweiten ausserordentlichen UBS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 3
¹868 Protokoll der zweiten ausserordentlichen CS-Verwaltungsratssitzung vom 18.3.2023, S. 2 f.
¹869 Threema-Mitteilung der EFD-Vorsteherin an den Gesamtbundesrat, 18. März 20.40 Uhr
187⁰ Chronologie des EFD vom 26.6.2023. Die Präsidentin der FinDel bestätigte die Kontaktaufnahme (Schriftliche Auskunft der Präsidentin der FinDel vom 4.8.2024).
187¹ Threema-Mitteilung des damaligen Vizekanzlers an den Gesamtbundesrat, 18.3.2023, 22.18 Uhr
¹872 E-Mail-Austausch zwischen Mitarbeitenden der FINMA vom 19.4.2023, 18.55 Uhr
¹873 Schriftliche Antworten an die PUK vom 6.10.2023, S. 2
¹874 Chronologie des EFD vom 26.6.2023
¹875 Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 63; Sitzungsprotokoll der PUK vom 22.5.2024, S. 63.
¹876 Die Informationen in diesem Kasten stützen sich auf eine Quelle bzw. Quellen, die der PUK vorliegen, aber nicht konkret genannt werden, weil überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
7.2.4.7 Einbezug des BJ in die Ausarbeitung der Notfusion, der TPO und die Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen
Das BJ wurde am 18. März 2023 ebenfalls beigezogen und arbeitete an der Variante einer TPO der gesamten CS-Gruppe mit. ¹877 Diese Arbeiten waren laut dem Direktor des BJ nicht nur aufgrund des zeitlichen Drucks eine grosse Herausforderung für das BJ, sondern auch weil dieses Instrument bisher nicht Teil des Schweizer Kriseninstrumentariums war. Mit den Überlegungen zur TPO habe man sich in der Schweizer Rechtsordnung auf einer «grünen Wiese» ¹878 befunden.
Das BJ war vom SIF und der EFV nicht einbezogen worden, als diese bereits ab Januar 2023 die Option einer TPO als Teil der Erarbeitung des Szenarios Break-up und Notfallplan prüften. Dieses Szenario war eines derjenigen vier Szenarien, über die das EFD den Bundesrat am 1. Februar 2023 schriftlich informierte hatte. ¹879 Allerdings war die während der Krisenphase im März diskutierte TPO nicht deckungsgleich mit der noch zu Beginn des Jahres 2023 diskutierten Variante (zu den Varianten einer TPO siehe Kap. 5.2.5.6). Zudem hatte der AF am 7. März 2023 beschlossen, das BJ mittels Gutachtensauftrag zu den Arbeiten betreffend TPO beizuziehen (siehe Kap. 6.4.3.2).
Zum Entwurf einer TPO-Notverordnung fanden am Abend des 18. März 2023 drei Ämterkonsultationen statt. Die erste dauerte von 12.47 bis 15.00 Uhr, die zweite von 18.54 bis 21.00 Uhr und die dritte von 22.08 bis 23.30 Uhr. Die EFV lud dazu die SNB, die FINMA und das BJ ein. Das SIF und das GS-EFD waren in Kopie. Im Rahmen dieser Konsultationen schlug die SNB das explizite Festhalten der Option eines hundertprozentigen Abschlags bei der Übertragung der Beteiligungspapiere der CS Group AG von den bisherigen Eignerinnen und Eignern an den Bund vor. 188⁰ Das BJ lieferte einen Input zur Frage der Anfechtbarkeit einer auf der allfälligen TPO-Notverordnung basierenden Verfügung des Bundesrates («Übertragungsverfügung»). Das BJ konnte am späten Abend des 18. März angesichts der Neuheit und der Komplexität 188¹ der juristischen Fragestellungen und der kurzen Fristen allerdings keine abschliessenden Antworten geben. ¹882 Im Entwurf der Übertragungsverfügung wurde schliesslich festgehalten, dass allfälligen Beschwerden die aufschiebende Wirkung entzogen wäre. ¹883
Das BJ arbeitete am 18. März 2023 nicht nur an der Variante einer TPO mit, sondern befasste sich auch mit weiteren Aspekten der Notfusion. Erstens bearbeitete das BJ die Frage einer Ausnahmeregelung vom Öffentlichkeitsgesetz (siehe Kap. 7.2.2.7). Zweitens standen das BJ und die EFV in einem engen Austausch zur Ausgestaltung der Ausnahmen vom Fusionsrecht. Drittens setzte sich das BJ am 18. März für die Gewährleistung der Rechtsweggarantie des betroffenen Credit-Suisse-Aktionariats bei einer Fusion ein. Denn am 18. März 2023 erwogen die Behörden, bei einer Übernahme der CS durch die UBS nicht nur das Recht der Generalversammlung auf Genehmigung der Fusion (Art. 12 Abs. 2 Fusionsgesetz) einzuschränken, ¹884 sondern darüber hinaus auch die Klagemöglichkeiten der Aktionärinnen und Aktionäre nach Artikel 105 Fusionsgesetz per Notrecht auszuschliessen. Das BJ setzte sich mit dem Rechtsdienst der EFV für die Gewährleistung der Rechtsweggarantie nach Artikel 29 a BV ein, sodass der Bundesrat schliesslich von einer notrechtlichen Ausserkraftsetzung von Artikel 105 Fusionsgesetz absah. ¹885 Zudem wurde gegenüber dem BJ am 18. März 2023 auch die Abschreibung von AT1-Anleihen erwähnt. Der Einbezug des BJ in diesem Thema war oberflächlich. Insbesondere waren die in den Emissionsbedingungen vorgesehenen genauen Bedingungen für eine Abschreibung nicht bekannt. ¹886
¹877 Entwurf eines Antrags des EFD an den Bundesrat zur Verabschiedung einer TPO-Notverordnung vom 18./19. März 2023 (undatiert), S. 4
¹878 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 78
¹879 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 29
188⁰ E-Mail der SNB an die EFV vom 18.3.2023, 19.55 Uhr
188¹ Die Komplexität zeigt sich nur schon an der Liste der Erlasse, welche der Bundesrat gemäss Entwurf der TPO-Notverordnung vorübergehend für nicht anwendbar hätte erklären können. Genannt werden ZGB, OR, FusG, HRegV, KG, FIDLEG, BankG, FINIG, UEV, BEG, FinfraG und FinfraV; siehe Anhang 1 des Entwurfs vom 18./19.3.2023 (undatiert) der Verordnung über die zeitlich befristete Übernahme einer international tätigen systemrelevanten Schweizer Finanzgruppe durch den Bund.
¹882 E-Mail des BJ an die EFV vom 18.3.2024, 20.54 Uhr
¹883 Entwurf vom 19.3.2023 der Übertragungsverfügung gemäss Verordnung über die zeitlich befristete Übernahme einer international systemrelevanten Schweizer Bank 2023, Ziff. 9
¹884 Vgl. Art. 10 a der Änderung der Notverordnung vom 19. März 2023
¹885 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 67. Zum Einbezug des BJ am 15. März 2023 siehe Kap. 7.2.1, zum Einbezug des BJ am 17. März 2023 siehe Kap. 7.2.3.9.
¹886 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 67
7.2.5 Einigung zwischen den Banken und Ende der Akutkrise - Massnahmenpaket des Bundesrates am Sonntag 19. März
Der zeitliche Ablauf des letzten Tages der CS-Akutkrise ist in der untenstehenden Tabelle summarisch dargestellt.
Tabelle 23. Chronologie der Ereignisse am Sonntag, 19. März 2023
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| Zeitpunkt | Ereignis | Involvierte Akteure |
|---|---|---|
| 6.45 Uhr | Telefonkonferenz zwischen SIF, FINMA und CS zum Vertrag | SIF, FINMA, CS |
| 7.00 Uhr | Sitzung LG | EFD, FINMA, SNB, SIF, EFV |
| 8.30-11.25 Uhr | Ausserordentliche Bundesratssitzung mit der SNB, der FINMA sowie zuerst dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO der CS und anschliessend dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO der UBS | Bundesrat, SNB, FINMA, CS, UBS |
| 10.45 Uhr | Ausserordentliche Sitzung FinDel (Aussprachen) | FinDel, EFV, CS, UBS |
| Ab 12.50 Uhr Ab 14.30 Uhr | Zwei ausserordentliche Sitzungen des FINMA-Verwaltungsrats | FINMA |
| 14.30 Uhr | Treffen UBS-Verwaltungsrat und UBS-Konzernleitung | UBS |
| 15.00-16.45 Uhr | Ausserordentliche Bundesratssitzung mit der SNB und FINMA | Bundesrat, SNB, FINMA |
| 15.30 - 16.40 Uhr und ab 17.05 Uhr | Sitzung der FinDel und Aussprache mit EFV-Direktorin | FinDel, EFV |
| 17.00 Uhr | Telefonat SIF mit dem stv. US-Finanzminister Adeyemo (mehrere in den folgenden Tagen) | SIF |
| 17.47 Uhr | Zustimmung FinDel zum Kreditbeschluss | FinDel |
| 18.10 Uhr | Zweiter Antrag der CS an die SNB auf ELA+ im Umfang von 30 Milliarden Franken | CS, SNB |
| 19.00 Uhr | FINMA-Entscheid zur Genehmigung des Zusammenschlusses | FINMA |
| 19.30 Uhr | Medienkonferenz der Bundesbehörden in Begleitung der CS- und UBS-Führung (Ankündigung der Übernahme der CS durch die UBS) | EFD, SNB, FINMA, CS, UBS |
| 20.30 Uhr | Antrag der CS auf PLB zuhanden der SNB und auf Solvenzbestätigung zuhanden der FINMA | CS, SNB, FINMA |
| 22.00 Uhr | FINMA-Verfügung: Abschreibung der AT1-Anleihen der CS | FINMA |
| SNB stellt Liquiditätshilfe zur Übernahme der CS durch die UBS zur Verfügung | SNB | |
| 22.30 Uhr | High-Level-Austausch CMG | FINMA, SNB, Fed, PRA |
Nachfolgend werden die wesentlichen Meilensteine, soweit sinnvoll, in chronologischer Abfolge erläutert.
7.2.5.1 Fortsetzung der Verhandlungen zwischen Banken und Behörden
Die Verhandlungen zwischen den Behörden und den Banken setzten sich am frühen Morgen des 19. März 2023 fort.
So fand um 6.45 Uhr eine Telefonbesprechung zwischen dem Verwaltungsratspräsidenten der CS und den Verantwortlichen des SIF und der FINMA statt. ¹887 Wie aus dem Kurzprotokoll hervorgeht, teilte der Direktor der FINMA dem Verwaltungsratspräsidenten der CS mit deutlichen Worten mit, dass der Liquiditäts-PONV erreicht und somit der Wert der Aktien auf null gesunken war: «Axel, Klartext: Wir sind at Liq-PONV der Bank. […] Wert von der Aktie der CS ist Null.» Der Verwaltungsratspräsident zeigte sich von beiden Informationen nicht überrascht (Antwort gemäss Kurzprotokoll: «Ja, klar.»). Weiter führte der FINMA-Direktor aus, dass die AT1-Anleihen abgeschrieben würden und mit dem Preis von 1 Milliarde Franken die Entschädigung für die Aktionärinnen und Aktionäre höher als null sei. Auf die zögerliche Reaktion des CS-Verwaltungsratspräsidenten legte der Leiter des Geschäftsbereichs Banken der FINMA dar, dass die Alternative die Resolution mit den entsprechenden Risiken für die nationalen sowie internationalen Finanzmärkte sei. Die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen ergänzte, dass der Bund immerhin mit 5 Milliarden Franken ins Risiko gehe, was nicht unerheblich sei.
Abschliessend unterbreitete sie dem CS-Verwaltungsratspräsidenten folgendes Preisangebot: «Letzter Vorschlag für die Entschädigung der Aktionäre, 2 Milliarde, statt 1 Milliarde.» Zudem habe sie der CS gemäss Protokoll eine Frist von einer Stunde für ihre Antwort gegeben. ¹888 Diese Information deckt sich nicht mit den Ausführungen der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen vor der PUK, wonach sie in die Preisverhandlungen nicht involviert gewesen sei (siehe Kasten 21 in Kap. 7.2.4.6). ¹889
Gleich im Anschluss traf sich das LG zu einer Lagebesprechung um 7 Uhr. Da diese nicht protokolliert wurde, stützen sich die Angaben auf Anhörungen. Ein Thema sei die MAC-Klausel gewesen. 189⁰
Etwas später, um 8.45 Uhr, tauschten sich Vertreterinnen und Vertreter der FINMA, der SNB und des SIF mit dem Verwaltungsratspräsidenten und dem CEO der UBS zu den noch offenen Punkten aus, insbesondere zur MAC-Klausel. Ziel des EFD sei es gewesen, die für die CS zentralen Punkte zu vermitteln, dies im Sinne einer Unterstützung der UBS. Die UBS habe sich auf den Standpunkt gestellt, dass eine Klausel dieser Art in solchen Verträgen Standard sei, und habe im Zusammenhang mit dem Preis auch die Garantiefrage thematisiert. 189¹ Der Preis könne je nach Ausgestaltung der Garantie auch höher ausfallen. ¹892 Ausserdem habe die UBS gefordert, dass die FINMA einige Kaderangehörige der CS absetzt und wiederum andere zum Bleiben zwingt. ¹893
Vorschlag zu Besserungsscheinen und Alternativstruktur durch die CS
Der nächste dokumentierte Kontakt der CS mit den Behörden ist eine Mailnachricht des Legal Counsel von 9.45 Uhr, in welcher er kritisierte, dass die UBS in ihrem neuerlichen Vertragsentwurf die bisherigen Kritikpunkte nicht aufgenommen habe. Zudem sei der Preis immer noch zu tief und die Rücktrittsklausel sei noch breiter als in der ersten Version ausgestaltet. ¹894
Als Ausgleich für den Gewinn, den die UBS aufgrund des tiefen Preises gewinnen würde, schlug die CS vor, dass jede Aktionärin und jeder Aktionär der CS zusätzlich zu den UBS-Aktien einen Nachzahlungsschein erhält (einen sogenannten Besserungsschein). Als Alternative zur Ausschlussklausel brachte die CS den Vorschlag einer «Alternativstruktur» ein, bei welcher der Bund Eigenkapital in die CS einbringt und dieser Liquidität zur Verfügung stellt. Aus Sicht der CS hätte mit der Beteiligung des Bundes das Vertrauen wiederhergestellt werden können. Teil dieser Lösung wäre allenfalls auch die Abschreibung der AT1-Anleihen gewesen. Die CS hätte sich zudem verpflichtet, verschiedene Bereiche zu verkaufen oder stark zu redimensionieren (z. B. den Investmentbanking-Bereich). ¹895 Dieses Angebot überzeugte die Behörden nicht - sie lehnten es rundweg ab. ¹896
¹887 SIF: Staatssekretärin und Leiter der Abteilung Finanzmärkte und Finanzsysteme; FINMA: Direktor, Leiter des Geschäftsbereichs Banken, Leiter des Geschäftsbereichs Enforcement.
¹888 Kurzprotokoll zur Telefonsitzung, erstellt von einem Mitarbeiter der FINMA, zugestellt per Mail an die anderen Behördenvertreter unmittelbar nach der Sitzung, am 19.3.2023 um 7.10 Uhr; E-Mail-Austausch zwischen Mitarbeitenden der FINMA vom 17.10.2022, 21.10 Uhr.
¹889 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 70 f.
189⁰ Schriftliche Antworten an die PUK vom 18.4.2023
189¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 18.4.2023; Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024.
¹892 Internes Memo des EFD vom Juni 2023
¹893 Schriftliche Antworten an die PUK vom 18.4.2023; Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024.
¹894 E-Mail des Legal Counsel der CS an die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, 19.3.2023
¹895 E-Mail des Legal Counsel der CS an die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, 19.3.2023
¹896 Internes Memo des EFD vom Juni 2023
7.2.5.2 Weitere ausserordentliche Sitzung des Bundesrates vor dem Hintergrund der noch ausstehenden Einigung der Banken - Prüfung einer Zwangsfusion
Der Bundesrat kam ab 8.30 Uhr zu einer weiteren ausserordentlichen Sitzung zusammen, an der in einem zweiten Teil auch die Spitzen der CS, der UBS, der SNB und der FINMA teilnahmen. Die Sitzungsdokumentation umfasste den Entwurf der Revision der Notverordnung und die technischen Beilagen dazu ¹897 sowie ein Schreiben der CS (siehe unten).
Inhalt der Sitzung war einerseits ein Update zu den jüngsten Entwicklungen und andererseits die Erörterung des weiteren Vorgehens. Im Bundesratsantrag wurden insbesondere die Anpassungen an der Notverordnung erläutert, welche notwendig waren, um eine Übernahme der Credit Suisse durch die UBS zur Abwendung eines Ausfalls der Credit Suisse zu ermöglichen. ¹898 Neben der Gewährung von zusätzlicher Liquiditätshilfe gestützt auf Notrecht waren dies insbesondere die Schaffung einer «klareren Rechtsgrundlage», damit die FINMA die Gewährung von Liquiditätshilfe-Darlehen als staatliche Hilfestellung zur Auslösung der Abschreibung des zusätzlichen Kernkapitals (Additional-Tier-1-Kapital, AT1) der Credit Suisse anwenden konnte. ¹899
Gemäss Protokoll der Sitzung wurde der Bundesrat informiert, dass behördenseitig eine Einigung mit der UBS erzielt worden sei und insbesondere die Forderung der UBS nach einer Garantie über 20 Milliarden Franken vom Tisch sei. Es war zu diesem Zeitpunkt für den Bundesrat auch klar, dass die UBS ohne Risikoabsicherung des Bundes nicht zur Fusion bereit wäre. 190⁰
Da die Zustimmung der CS zum Kaufvertrag weiterhin fehlte, diskutierte der Bundesrat über eine Erhöhung des Kaufpreises, der nach wie vor 1 Milliarde Franken betrug, sowie über eine Erhöhung der Garantie des Bundes, die zu diesem Zeitpunkt auf 5 Milliarden Franken festgelegt worden war. 19⁰1 Dem Bundesrat lag in der Sitzungsdokumentation ein Schreiben der CS an die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen vor, in welchem das UBS-Angebot von 1 Milliarde Franken ausgesprochen scharf kritisiert wurde (siehe Kasten 21 in Kap. 7.2.4.6).
Des Weiteren erörterte der Bundesrat an dieser Sitzung auch die Möglichkeit, die CS mittels eines zusätzlichen Artikels in der Notverordnung (Art. 14 b ) zur Annahme der Vereinbarung («accord) zu zwingen. Im Bundesrat wurde die Vermutung geäussert, dass eine von den Behörden erzwungene Fusion vielleicht die präferierte Variante der CS sei, da sie so keine Verantwortung übernehmen müsste. 19⁰2 Gleichzeitig stellte der Bundesrat fest, dass ein Zwang zur Fusion mit der UBS nur im äussersten Notfall eine Lösung sein könne.
Anhörung der CS-Vertreter
Der Bundesrat hörte anschliessend, ab 9.30 Uhr, den Verwaltungsratspräsidenten und den CEO der CS an, welche die Kritikpunkte zur Rückzugsklausel und zum aus ihrer Sicht zu niedrigen Preis wiederholten. Der Preis von 1 Milliarde Franken sei auch gegenüber den Aktionärinnen und Aktionären problematisch, die mit Sicherheit Rechtsverfahren anstreben würden. Als gangbare Alternative betrachteten die Vertreter der CS eine TPO. 19⁰3 Im Gespräch entstand gemäss einem anwesenden Vertreter der FINMA der Eindruck, dass die CS versucht habe, ihre Rechtsrisiken an den Bund abzuschieben. Im Gegenzug habe der Bundesrat als Alternative klar die Sanierung dargelegt. 19⁰4
Offensichtlich führten die Darlegungen der CS-Spitze beim Bundesrat zu Irritationen. Im Protokoll ist vermerkt, dass der Bundesrat in der nachfolgenden Diskussion bei den Vertretern der CS einen Realitätsverlust festgestellt und eine «gewisse Arroganz in ihrer Argumentation» bedauert habe. 19⁰5
Da die Unsicherheiten zum Deal zwischen der UBS und der CS andauerten, stellte die FINMA die Unterlagen für eine Sanierung unterschriftsreif in vier Exemplaren bereit. Diese beinhalteten einen Sanierungsplan, eine Sanierungsverfügung, eine Verfügung zum Einsatz einer oder eines Sanierungsbeauftragten, einen Antrag an den Verwaltungsrat und eine Medienmitteilung. 19⁰6
Anhörung der UBS-Vertreter
Nachfolgend führte der Bundesrat ein Gespräch mit der UBS. Der Bundesrat gab seiner Erwartung Ausdruck, dass in den nächsten Stunden eine Lösung gefunden werde. Die UBS erklärte die Ergebnisse der rasch durchgeführten Due-Diligence -Prüfung. Mit der Übernahme seien Risiken verbunden, die als problematisch einzuschätzen seien. Auch die Frage der Rückzugsklausel wurde angesprochen. 19⁰7
Zuletzt wurde die Wichtigkeit einer gemeinsamen Kommunikation für den Fall betont, dass eine Lösung gefunden wird. Die Sitzung schloss kurz vor Mittag, da der Bundespräsident und die EFD-Vorsteherin an der Sitzung der FinDel erwartet wurden.
Im Anschluss an die Bundesratssitzung moderierte die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen nach eigenen Angaben die Verhandlungen zu einem möglichen Wegfall der MAC-Klausel mit einem hochrangigen Vertreter der UBS, der sich noch im Bernerhof befand. Diese seien schnell abgeschlossen gewesen: Die UBS habe einer Anpassung der MAC-Klausel unter der Voraussetzung zugestimmt, dass die Garantie des Bundes um 2 Milliarden Franken erhöht werde. 19⁰8
Fortgesetzte Vorbereitung einer TPO
Aus den Protokollen des Bundesrates ist nicht ersichtlich, inwiefern er an der genannten Sitzung über die mögliche Alternative einer TPO der gesamten CS-Gruppe beraten hat. Der PUK liegt ein Entwurf für einen Bundesratsantrag vor, der die staatliche Übernahme der CS geregelt hätte. Begründet wurde diese im Entwurf damit, dass eine Einigung zwischen den beiden Grossbanken bis zum aktuellen Zeitpunkt nicht zustande gekommen sei. Als Alternativen kämen nur eine staatliche Übernahme, eine Sanierung oder der Konkurs der CS infrage. Die beiden letzteren Varianten schätzte das EFD als insgesamt schlechter ein. Weiter wurde ausgeführt, dass die Variante einer staatlichen Übernahme am wenigsten negative Konsequenzen für die Schweizer Volkswirtschaft und wohl auch für das globale Finanzsystem zeitigen dürfte. Auch bei einer Übernahme durch den Bund brauche es die Liquiditätsmassnahmen, die bei der Variante einer Übernahme durch die UBS notwendig wären, um die Fortführung der Geschäftstätigkeit der CS sicherzustellen. 19⁰9 Im Antrag wurden die drei folgenden Voraussetzungen für eine TPO genannt:
1.
Das Scheitern von marktwirtschaftlichen Lösungen respektive die Unmöglichkeit, diese aufgrund der Dringlichkeit rechtzeitig umzusetzen;
2.
das Fehlen einer valablen Alternative, um eine erhebliche Schädigung der Schweizer Volkswirtschaft und des schweizerischen Finanzsystems abzuwenden;
3.
die Eignung und Notwendigkeit der TPO-Lösung, um die Fortführung der Geschäftstätigkeit der international tätigen systemrelevanten Finanzgruppe sicherzustellen.
Der Antrag wurde im Laufe des Tages erstellt und aktualisiert. Der genaue Zeitpunkt ist unbekannt und konnte von der PUK nicht ermittelt werden. Jedenfalls waren auch die Erläuterungen vorbereitet. Die Vorbereitungen waren also weit fortgeschritten.
¹897 Konkret waren dies: Bundesratsantrag; Änderung der Verordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante Banken; Gewährung einer Garantie des Bundes an die UBS zu Verlustabsicherung abzuwickelnder Aktiven der übernommenen Bank: Gutheissung und Inkraftsetzung gestützt auf Artikel 184 Absatz 3 und Artikel 185 Absatz 3 BV; aktualisiertes Kommunikationskonzept (Stand 18.3., 21.45 Uhr); aktualisierte Medienmitteilung; Sprechnotizen des Bundespräsidenten und der EFD-Vorsteherin.
¹898 Bundesratsantrag vom 19. März 2023
¹899 Bundesratsantrag vom 19. März 2023
190⁰ Internes Memo des EFD vom Juni 2023
19⁰1 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 19.3.2023
19⁰2 Die Ausführungen im Protokoll des CS-Verwaltungsrates vom 18. März bestätigen diese Hypothese: Der Verwaltungsrat hatte tags zuvor tatsächlich erörtert, ob es nicht vorteilhaft wäre, wenn die Behörden den Verkauf erzwingen würden, da dann sie die damit verbundenen Risiken tragen müssten.
19⁰3 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 19.3.2023
19⁰4 Schriftliche Antworten an die PUK vom 1.5.2024
19⁰5 Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 19.3.2023
19⁰6 Stellungnahme vom 5.6.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
19⁰7 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 19.3.2023
19⁰8 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 84
19⁰9 Entwurf zu Bundesratsantrag betr. Verordnung über die zeitlich befristete Übernahme einer international tätigen systemrelevanten Schweizer Finanzgruppe durch den Bund inklusive Erläuterungen
7.2.5.3 Sitzung der FinDel am Sonntag, 19. März 2023, 10.45 Uhr
Die Vergabe von ausserordentlichen Verpflichtungskrediten unterliegt der Zustimmung durch die FinDel (siehe Kasten 22 unten). Mit Blick auf die Garantien, die der Bundesrat zur Unterstützung der Fusion sprechen wollte, musste er deshalb zwingend die FinDel einbeziehen.
| Kasten 22 : Die FinDel als Organ für die Bewilligung dringlicher Kredite Die Finanzdelegation ist ein Ausschuss der beiden Finanzkommissionen. Sie wurde 1902 geschaffen und verfügt mit Artikel 51 ParlG über eine eigene gesetzliche Grundlage. Hauptaufgabe der FinDel ist die mitschreitende Finanzaufsicht. Eine weitere wesentliche Aufgabe besteht darin, für das Parlament dringliche Kredite nach Artikel 28 und 34 FHG zu bewilligen. Dies ist ein ausserordentliches, aber gesetzlich vorgesehenes Verfahren der Kreditbewilligung durch das Parlament. 191⁰ Bei der CS-Notfusion wurden Verpflichtungskredite gesprochen. Ein Verpflichtungskredit «setzt den Höchstbetrag fest, bis zu dem der Bundesrat für einen bestimmten Zweck finanzielle Verpflichtungen eingehen kann». 191¹ Bewilligen die Räte einen Verpflichtungskredit, dann darf die Verwaltung z. B. Verträge mit Dritten abschliessen oder Garantien sprechen. Budgethoheit und Verfahren der Kreditbewilligung: ordentliches und dringliches KreditverfahrenDas Parlament verfügt über die Budgethoheit. 19¹2 Dies bedeutet, dass jede Ausgabe, die Bundesrat und Verwaltung tätigen, vom Parlament bewilligt werden muss. Ausgaben bewilligt das Parlament mit dem Budget für das nächste Haushaltsjahr und mit zwei Nachträgen zum bereits beschlossenen Budget des laufenden Jahres. 19¹3 Das Finanzhaushaltrecht des Bundes sieht ein ordentliches und - anders als in vielen Kantonen - auch ein dringliches Kreditverfahren vor (Näheres dazu unten). Beim ordentlichen Verfahren stellt der Bundesrat über die Botschaft zum Voranschlag oder zu einem Nachtrag Antrag an das Parlament. Das Verfahren sieht eine Detailberatung, zwei Differenzbereinigungsrunden sowie den Beschluss der Räte zu den Anträgen einer allfälligen Einigungskonferenz vor. Das dringliche Kreditverfahren kommt in Fällen zum Zug, in denen nicht auf die «ordentliche» Bewilligung im Rahmen des Budgets oder eines Nachtrags gewartet werden kann. Nach Artikel 28 Absatz 1 FHG kann der Bundesrat die Ermächtigung zur Inangriffnahme oder Fortsetzung des Vorhabens schon vor der Bewilligung des erforderlichen Verpflichtungskredites erteilen, wenn die Ausführung eines Vorhabens keinen Aufschub erträgt. Er hat dazu vorgängig die Zustimmung der Finanzdelegation einzuholen. 19¹4 Voraussetzung eines dringlichen Kreditverfahrens ist, dass ein Abwarten auf eine ordentliche Bewilligung zu einem finanziellen Schaden führen würde. 19¹5 Diese Dringlichkeit muss die Verwaltung bereits beim Antrag an den Bundesrat belegen. Dabei muss es sich um eine Dringlichkeit in zeitlicher Hinsicht handeln. Eine sachliche Wichtigkeit oder politische Wünschbarkeit reicht nicht. 19¹6 Kommt der Bundesrat zum Schluss, dass der Kredit auch aus seiner Sicht dringlich ist, beschliesst er den Kredit und stellt Antrag an die FinDel. Beratung eines dringlichen Kredits durch die FinDel Für die FinDel ist die Dringlichkeit Eintretensvoraussetzung, die sie immer als Erstes vertieft prüft. Ist das Kriterium der Dringlichkeit für die FinDel erfüllt, prüft sie die Rechtmässigkeit, die Notwendigkeit, die Nichtvorhersehbarkeit, die Höhe des Kreditbetrags, Kompensationsmöglichkeiten, die Auswirkungen im Falle einer Ablehnung des Antrags und die präjudizielle Wirkung des Entscheids der Delegation. Die FinDel beschliesst den Kredit für das Parlament. Sobald die FinDel den Kredit beschlossen und dem Bundesrat ihren Entscheid übermittelt hat, darf der Bundesrat die finanzielle Verpflichtung eingehen. Das Finanzhaushaltgesetz sieht in Artikel 28 Absatz 2 vor, dass der Bundesrat die dringliche Verpflichtung der Bundesversammlung zur nachträglichen Genehmigung vorlegt. Überschreitet die dringliche Verpflichtung 500 Millionen Franken und wird für ihre nachträgliche Genehmigung innert einer Woche nach der Zustimmung durch die FinDel die Einberufung einer ausserordentlichen Session verlangt, so findet diese in der dritten Kalenderwoche nach der Einreichung des Begehrens statt. 19¹7 Die Einberufung einer ausserordentlichen Session wurde verlangt, und die ausserordentliche Session fand am 11./12. April 2023 statt (siehe dazu die Ausführungen unter Kap. 8.5) |
Vorinformation der FinDel
Die Präsidentin der FinDel war erstmals am Mittwochabend, 15. März 2023, darüber informiert worden, dass der Bundesrat damit beschäftigt sei, ein finanzwirksames Geschäft vorzubereiten. Am Donnerstagmorgen, 16. März, sowie am Abend des 18. März (siehe Kap. 7.2.4.6) wurde sie von der Vorsteherin des EFD über die aktuelle Situation informiert. In Absprache mit der Vorsteherin des EFD legte sie die Sitzung der FinDel auf Sonntag, 19. März, 10.45 Uhr fest. Der Termin wurde aus zwei Gründen so gewählt: Die FinDel musste einerseits unbedingt einen Entscheid fällen, bevor die Börsen im asiatischen Raum öffnen würden. Anderseits konnte die FinDel nicht früher tagen, weil die Verhandlungen noch im Gange waren. 19¹8 Zudem tagte der Bundesrat noch zuvor (siehe Kap. 7.2.5.2).
Vorbereitung der Sitzung der FinDel vom 19. März
Die Vorbereitung auf die Sitzung vom Sonntag, 19. März, begann, sobald bekannt war, dass die FinDel einen dringlichen Kredit bewilligen muss. Die Bundeskanzlei war in Bezug auf die Übermittlung der geheimen Unterlagen sowie in Bezug auf die Kommunikation in Kontakt mit dem Sekretariat der FinDel. Es erfolgte auch eine intensive Koordination mit dem GS-EFD. Geplant war, dass die Unterlagen und der Antrag des Bundesrates möglichst rasch nach dessen Sitzung übermittelt werden. Die für Donnerstag vorgesehene Übermittlung der Unterlagen verzögerte sich, weil der Bundesrat länger als geplant tagte. 19¹9 Die Bundeskanzlei übermittelte dem Sekretariat der FinDel am Freitagmorgen für jedes FinDel-Mitglied ein Exemplar des geheimen Bundesratsbeschlusses mit den Entscheiden des Bundesrates vom 16. März 2023. 192⁰ Die Mitglieder trafen sich unmittelbar nach Übermittlung der Unterlagen unter grösster Geheimhaltung, um den geheimen Bundesratsbeschluss zu studieren.
Sitzung vom Sonntag, 19. März
Die Sitzung startete am Sonntag, 10.45 Uhr, mit einem weiteren Aktenstudium. 192¹ Anschliessend führte die FinDel um 11.15 Uhr eine kurze interne Sitzung durch. Daran schloss sich von 11.45 bis 12.30 Uhr eine Aussprache mit dem Bundespräsidenten und der Vorsteherin des EFD an, welche die Beschlüsse des Bundesrates im geheimen Bundesratsbeschluss vom Donnerstag, 16. März 2023, erläuterten. Anschliessend führte die Delegation Aussprachen mit dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Nationalbank, der Verwaltungsratspräsidentin und dem Direktor der FINMA, dem Verwaltungsratspräsidenten, dem CEO sowie dem Global Head of Public Policy and Regulatory Foresight der CS und schliesslich mit dem Vizepräsidenten des Verwaltungsrates und dem Chief Compliance and Governance Officer der UBS. Die FinDel verschaffte sich im Rahmen dieser Gespräche und der ausführlichen Fragerunden einen Überblick über die Ausgangslage und die Voraussetzungen für die Verpflichtungskredite. Die Mitglieder setzten dabei folgende Schwerpunkte: die Frage nach der Unvermeidbarkeit der gewählten Lösung; die verschiedenen Stufen der Liquiditätshilfe (EFF, ELA, ELA+, PLB), deren Notwendigkeit und den Handlungsspielraum der SNB; die Bundesgarantie und generelle Rechtsrisiken für den Bund; die Frage nach Alternativlösungen für den Fall des Scheiterns der Übernahme; die Abweichung der gewählten Lösung von der TBTF-Gesetzgebung; die Aktionärsrechte. ¹922
Anlässlich dieser Sitzung sagte die Direktorin der EFV unter anderem aus, dass der internationale Druck auf die Schweizer Behörden, keine Abwicklung der CS nach TBTF-Regulierung (Sanierung oder Konkurs) durchzuführen, «unglaublich gross» sei. ¹923 Die EFD-Vorsteherin wies gegenüber der FinDel darauf hin, dass auch aus Sicht der US-Behörden eine Übernahme die beste Lösung darstelle. Diese hätten eine Übernahme nicht nur akzeptiert, sondern geradezu auf eine solche gedrängt. ¹924
An ihrer Anhörung vor der PUK führte die EFD-Vorsteherin zudem aus, die Behörden in den USA und in Grossbritannien hätten eine Abwicklung vermeiden wollen, da sie sich vor der Gefahr einer Ansteckung anderer Finanzinstitute durch die CS fürchteten. Diese Rückmeldungen nahm die EFD-Vorsteherin jedoch nicht als Druckausübung wahr. Auch der Präsident und der Vizepräsident der Nationalbank bestätigten, dass ihnen keine direkte Druckausübung der ausländischen Behörden auf ihre Behörden bekannt gewesen sei. ¹925
191⁰ Der erste dringliche Kredit mit einem Volumen über 1 Milliarde Franken war der Kredit für die Swissair im Jahre 2001. Es folgten der Kredit für die UBS im Jahr 2008, die Corona-Kredite in den Jahren 2020 bis 2022, der Axpo-Kredit im Jahr 2022 und dann die beiden Kredite für die CS-Notfusion im Jahr 2023. Vgl. Koller, Stefan (2024): Art. 51, N 29a und 30. In: Caroni, Andrea / Graf, Martin (Hrsg.), Kommentar zum Parlamentsgesetz, 2. Auflage, Basel: Helbing & Lichtenhahn.
191¹ Art. 21 Abs. 2 Bundesgesetz vom 7.10.2005 über den eidgenössischen Finanzhaushalt (Finanzhaushaltgesetz, FHG; SR 611.0 ).
19¹2 Art. 167 BV. Vgl. zu den Finanzkompetenzen der Bundesversammlung, zur Ausgabenbewilligung und zum Voranschlag statt vieler Stauffer, Thomas (2023): Art. 167. In: Ehrenzeller, Bernhard / Egli, Patricia / Hettich, Peter / Hongler, Peter / Schindler, Benjamin / Schmid, Stefan G. / Schweizer, Rainer J. (Hrsg.): St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung. 4. Auflage. Dike Verlag: Zürich/St. Gallen.
19¹3 Der Nachtrag I zum laufenden Budget wird jeweils in der Sommersession beraten, das Budget des nächsten Jahres sowie der Nachtrag II zum Voranschlag des laufenden Jahres in der Wintersession. Vgl. Art. 25 Abs. 1 ParlG.
19¹4 Siehe Ziffer 2.2 der Handlungsgrundsätze der FinDel vom 28. November 2023; zu den kreditrechtlichen Grundlagen der Nachtragskredite, Botschaft über den Nachtrag II zum Voranschlag 2024 vom 20.9.2024, S. 32 f.
19¹5 Vgl. dazu die Art. 24 und 25 und 27 Abs. 3 Finanzhaushaltsverordnung (FHV; SR 611.01 ), welche dies für Voranschlagskredite explizit so festlegt. Dies gilt aber auch für die Verpflichtungskredite.
19¹6 Stauffer, Thomas (2023): Art. 167 N23. In: Ehrenzeller, Bernhard / Egli, Patricia / Hettich, Peter / Hongler, Peter / Schindler, Benjamin / Schmid, Stefan G. / Schweizer, Rainer J. (Hrsg.): St. Galler Kommentar zur Bundesverfassung. 4. Auflage. Dike Verlag: Zürich/St. Gallen.
19¹7 Art. 28 Abs. 3 FHG
19¹8 Protokoll der FK-N vom 30./31.3.2024, Trakt. 6a, Berichterstattung der FinDel, S. 1
19¹9 Vgl. E-Mail Sekretär FinDel an die Mitglieder FinDel vom 17.3.2023, 16.37 Uhr. Die Direktorin der EFV informierte das Sekretariat der FinDel, dass der Bundesrat länger als geplant tage.
192⁰ Da der Bundesratsbeschluss geheim klassifiziert war, konnte er nur vor Ort auf Papier studiert und z. B. nicht versandt oder nach Hause mitgenommen werden.
192¹ Siehe zur Sitzung auch Bericht der Finanzdelegation an die Finanzkommissionen des Nationalrates und des Ständerates betreffend die Oberaufsicht über die Bundesfinanzen im Jahre 2023 vom 11.3.2024 ( BBl 2024 1663 , S. 10)
¹922 Sitzungsprotokoll der FinDel vom 19.3.2023
¹923 Sitzungsprotokoll der FinDel vom 19.3.2023, S. 37
¹924 Sitzungsprotokoll der FinDel vom 19.3.2023, S. 17 f.
¹925 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 78; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 7, 20; schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024, S. 9.
7.2.5.4 Vorbereitung der allfälligen Anordnung einer Zwangsfusion durch die FINMA
Die Frage, inwiefern die CS zur Fusion mit der UBS gezwungen werden könne, beschäftigte ab Mittag des 19. März auch den Verwaltungsrat der FINMA. Dieser trat zu dieser Frage zweimal zusammen (12.50 bis 13.25 Uhr und 14.30 bis 17 Uhr). Geleitet wurde die Sitzung vom Vizepräsidenten des Verwaltungsrates der FINMA, da die Präsidentin und der Direktor durch die Verhandlungen in Bern absorbiert waren.
Erste Sitzung: erste Information über den Plan, die CS zur Fusion zu zwingen
An der ersten Sitzung ab 12.50 Uhr führte der Geschäftsbereichsleiter Recovery und Resolution aus, dass aufgrund der weiterhin ausstehenden Einigung zwischen den beiden Grossbanken im bundesrätlichen Entwurf ein optionaler Artikel 14 b vorgesehen sei, der die FINMA ermächtigen würde, die CS zu einer Fusion mit der UBS zu zwingen. Der Verwaltungsrat diskutierte diese Option kritisch, zumal es die eigentliche Rolle der FINMA sei, die weiteren Lösungsoptionen (Sanierung/Konkurs) sicherzustellen. Zudem war für ihn fraglich, auf welcher Faktenbasis die FINMA in der Lage wäre, als unabhängige Behörde eine Fusion anzuordnen. Er hielt diesbezüglich fest, dass Artikel 14 b die minimale Voraussetzung dafür sei, dass die FINMA die CS zur Übernahme zwingen könne. Mit der Verankerung des Weisungsrechts in der Notverordnung wäre die diesbezügliche Kompetenz der FINMA klarer und sachgerechter verankert als bei einer alleinigen Abstützung auf die Schutzmassnahmen des BankG. Gleichwohl diskutierte der Verwaltungsrat die Haftungsrisiken für die FINMA und die Verwaltungsratsmitglieder, die im Finanzmarktaufsichtsgesetz geregelt sind (Art. 19 FINMAG).
Abschliessend fügte der Geschäftsbereichsleiter Recovery und Resolution hinzu, dass ein No-Deal-Szenario mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in Kürze zu einer Sanierung durch die FINMA führen würde. ¹926 Darauf sei man vorbereitet. Es sei hingegen zurzeit für niemanden abschätzbar, ob eine Sanierung das Vertrauen im selben Ausmass wie eine Übernahme wiederherstellen würde und welche Auswirkungen die erstmalige Sanierung einer G-SIB auf die Finanzindustrie in der Schweiz und global hätte. ¹927
Zweite Sitzung: Beratung des Entwurfs einer Verfügung zur Anordnung der Fusion
An seiner zweiten Sitzung, die um 14.30 Uhr startete, diskutierte der Verwaltungsrat den Verfügungsentwurf, den der zuständige Geschäftsbereich auf der Grundlage von Artikel 14 b der Notverordnung erstellt hatte. ¹928 Der Verwaltungsrat war informiert, dass die Verhandlungen zwischen der CS und der UBS noch immer am Laufen waren und dass die Option eines Fusionszwangs nur als äusserstes Ausweichszenario diente. Mit der vorbereiteten Verfügung hätte die FINMA die Fusion angeordnet und einem möglichen Rekurs die aufschiebende Wirkung entzogen.
Eine alternative Möglichkeit hätte darin bestanden, die aktuellen Organe der CS zu entfernen und neue Organe einzusetzen, welche die Fusion unterstützen würden. Die Ersetzung der Organe wurde aber angesichts des bestehenden Zeitdrucks nicht als realistische Lösung betrachtet. Daher wurde die Verfügung zur Anordnung der Fusion als Ausweichszenario bevorzugt. ¹929 Der Verwaltungsrat betonte, dass er einer Verfügung nur zustimmen könne, wenn der Verkaufspreis bekannt und fair sei. Der Geschäftsbereichsleiter hielt präzisierend fest, dass die FINMA die CS mit der vorgeschlagenen Verfügung zwingen würde, das Ergebnis der Verhandlungen der Behörden zu akzeptieren. Ob das Ergebnis fair sei, werde damit jedoch nicht beurteilt. Der Auftrag sei nur, ein Verhandlungsergebnis erzwingen zu können.
In der Folge nannte der Verwaltungsrat folgende Bedingungen für die Zustimmung zur Zwangsverfügung: Der Preis müsse bekannt sein, und er müsse von beiden Parteien als angemessen beurteilt werden. Schliesslich einigte sich der Verwaltungsrat darauf, der Verwaltungsratspräsidentin folgendes Wording für die Voraussetzung einer Verfügung vorzulegen: «[…] dem Bundesrat das Angebot der UBS Group AG vorliegt, er diesem zustimmt und Bundesrat, SNB und FINMA das Angebot unter der gegebenen kritischen Situation als angemessen erachten .»
Um 16.45 Uhr erfuhr der Verwaltungsrat, dass eine Einigung erzielt worden war (siehe Kap. 7.2.5.5), und brach darauf seine Sitzung ab. 193⁰
¹926 Der Sanierungsverfügungs-Entwurf der FINMA vom 17.3.2023 (siehe Kap. 7.2.3.6) sah am 19.3.2023 nunmehr vor, dass die Sanierung der CS mit Wirkung ab dem 19.3.2023 um 20 Uhr eröffnet würde (Sanierungsverfügungs-Entwurf der FINMA in Sachen CS vom 19.3.2023, Ziff. A.1.).
¹927 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 19.3.2023, 12:50 bis 13:25
¹928 Verfügung der FINMA vom 19. März 2023 (Entwurf) in Sachen Credit Suisse Group AG betreffend Anordnung zur Durchführung einer Fusion mit der UBS AG
¹929 Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 19.3.2023, 14:30 bis 15:30
193⁰ Protokoll der FINMA-Verwaltungsratssitzung vom 19.3.2023, 14:30 bis 15:30
7.2.5.5 Einigung der Banken und Umsetzung der beschlossenen Lösung durch den Bundesrat und die FinDel
Um 15 Uhr traf sich der Bundesrat zum zweiten Teil seiner Sitzung und stellte fest, dass sich der Verwaltungsratspräsident der CS gegenüber der FinDel viel offener gezeigt hatte. Das Ziel müsse nun bleiben, so schnell wie möglich eine Vereinbarung mit der UBS abzuschliessen. 193¹
Es wurde der neue Kompromissvorschlag diskutiert, wonach es der UBS mit einer Erhöhung der Bundesgarantie von 5 auf 9 Milliarden Franken ermöglicht würde, den Kaufpreis auf 3 Milliarden zu erhöhen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass mit einem Preis von 3 Milliarden die Aktionärsrechte besser entschädigt würden, die durch die Vereinbarung ohnehin bereits eingeschränkt würden. Aus dem Protokoll der Bundesratssitzung geht hervor, dass der Bundesrat zu diesem Zeitpunkt für den Fall, dass sich die Banken nicht einigen, auch über die Alternative diskutierte, die CS gestützt auf Artikel 14 b der Notverordnung zur Annahme des erwähnten Kompromissvorschlags zu zwingen. ¹932 Für die Regierung wäre eine Zwangsfusion nur eine Ultima Ratio gewesen, die es aus verschiedenen Gründen zu verhindern galt, insbesondere aufgrund der hohen Rechtsrisiken. ¹933
Während der Bundesrat noch über diese Fragen beriet, erhielt er gegen 16.45 Uhr die Information, dass die CS und die UBS sich zu den neuen Bedingungen hatten einigen können. ¹934
Nach der Einigung beantragte die CS bei der SNB nochmals ELA+ in der Höhe von 30 Milliarden Franken. ¹935 Die SNB hiess auch diesen Antrag gut. ¹936
Eckwerte der getroffenen Lösung
Im Rahmen der Übernahme verabschiedete der Bundesrat notrechtlich (Art. 184 Abs. 3 und Art. 185 Abs. 3 BV) folgendes Massnahmenpaket:
-
Artikel 14 a Absatz 1 der Notverordnung hielt die generell formulierte Kompetenz fest, dass der Bund zugunsten der übernehmenden Bank (konkret: der UBS) eine Garantie zur Verlustabsicherung abzuwickelnder Aktiven der zu übernehmenden Bank (konkret: der CS) gewähren kann.
-
Absatz 2 sah vor, dass die Garantie zur Verlustabsicherung höchstens 9 Milliarden Franken beträgt. ¹937
-
Absatz 3 regelte die Voraussetzungen zur Auszahlung der Garantie: Alle abzuwickelnden Aktiven mussten definitiv verwertet sein (Bst. a), und die UBS musste die ersten definitiven Verluste in der Höhe von 5 Milliarden Franken tragen (Bst. b).
-
Absatz 3 Buchstabe c sah vor, dass die FINMA die Voraussetzungen von Absatz 3 Buchstaben a und b überwacht und gegenüber dem Bund den definitiv eingetretenen Verlust von 5 Milliarden Franken sowie den definitiven Verlust, der durch die Garantie abzudecken ist, bestätigt.
-
Absatz 4 schrieb schliesslich vor, dass die Einzelheiten im Garantievertrag zwischen dem Bund und der übernehmenden Bank (UBS) geregelt werden.
Der an den beiden Bundesratssitzungen vom 19. März 2023 diskutierte Artikel 14 b zur Anordnung eines Verkaufs wurde schliesslich nicht in die Notverordnung aufgenommen. Wann dieser Entscheid fiel, wird aus den Bundesratsprotokollen nicht ersichtlich.
In der Folge, um 22 Uhr, verfügte die FINMA die Abschreibung der AT1-Anleihen. ¹938
Tabelle 24: Übersicht der Beträge der SNB und des Bundes für die CS und die UBS
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| Massnahmen | Betroffene Akteure | Beschlussdatum | Rechtsgrundlage | Betrag |
|---|---|---|---|---|
| ELA und Engpassfinanzierungs-Fazilität | SNB, CS | 16.3.2023 | NBG | Rund 48 Milliarden Franken (effektiv bezogen) |
| ELA+ | SNB, CS/UBS | 17.3.2023 und 19.3.2023 (Festlegung der Höhe am 19.3.2023) | Notrecht | 100 Milliarden Franken (effektiv bezogen: 50 Milliarden Franken) ¹939 |
| PLB | EFD, FinDel, SNB, CS | 19.3.2023 | Notrecht | 100 Milliarden Franken (effektiv bezogen: 70 Milliarden Franken) 194⁰ |
| Verlustausgleichsgarantie | EFD, FinDel, UBS | 19.3.2023 | Notrecht | 9 Milliarden Franken |
| 257 Milliarden Franken zur Verfügung gestellt, rund 168 Milliarden Franken effektiv bezogen | ||||
Genehmigung der Kredite durch die FinDel
Für die Umsetzung der gefundenen Lösung brauchte es nun die Genehmigung des Verpflichtungskredits von 100 Milliarden Franken für die Liquiditätshilfen durch die FinDel. Zum Zeitpunkt der Einigung zwischen den beiden Banken tagte die FinDel weiterhin. Sie liess sich zwischen 15.30 und 16.40 Uhr von der Direktorin der EFV den Antrag des Bundesrates näher darlegen und diskutierte dabei insbesondere die finanziellen Risiken für den Bund.
Nach der erfolgten Einigung richtete der Bundesrat einen Antrag an die FinDel auf Zustimmung zu einem dringlichen Verpflichtungskredit im Umfang von 9 Milliarden Franken für eine Verlustabsicherung des Bundes zugunsten der UBS. Als Erklärung führte der Bundesrat aus, dass der Bund damit die Übernahme der CS erleichtert, indem er mögliche Verluste aus dem Verkauf von Portfolios (insbesondere Wertschriften) übernimmt, die nicht zum Geschäft der UBS passen. Aufgrund der Dringlichkeit bat der Bundesrat um eine möglichst rasche Beschlussfassung und Mitteilung bis um 18 Uhr. 194¹ Die FinDel führte ihre Sitzung um 17.20 Uhr mit dem Bundespräsidenten, der Vorsteherin des EFD sowie der Direktorin und dem stellvertretenden Direktor der EFV weiter. Behandelt wurde der Antrag des Bundesrates auf eine Garantie von 9 Milliarden Franken (siehe dazu oben). Dass eine Garantie in Verhandlung war, wusste die FinDel bereits aus der früheren Diskussion, noch nicht bekannt war die dann gefundene Lösung.
Die FinDel genehmigte die dringlichen Kredite für die Finanzierung und übermittelte um 17.47 Uhr dem EFD und der Bundeskanzlei ihre Zustimmung zu den beiden Verpflichtungskrediten. ¹942 Der Bundesrat wurde unmittelbar im Anschluss darüber informiert, dass die FinDel die beantragten Kredite gutgeheissen hatte. Noch am gleichen Abend folgte der offizielle Brief mit der Zustimmung zu den Anträgen an das EFD. Nach der Pressekonferenz des Bundesrates veröffentlichte die FinDel später am Abend ebenfalls eine Medienmitteilung. ¹943
Information der Mitglieder des Parlamentes
Die FinDel übermittelte danach dem Nationalratspräsidenten und der Ständeratspräsidentin ein Schreiben mit ihren Beschlüssen, damit die Mitglieder des Parlamentes, wie von Artikel 28 Absatz 3 FHG vorgesehen, die Einberufung einer ausserordentlichen Session verlangen konnten. ¹944 Die Ratspräsidien leiteten das Schreiben der FinDel mit einem eigenen Schreiben weiter. Damit konnte die Einberufung einer ausserordentlichen Session verlangt werden. ¹945
193¹ Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 19.3.2023
¹932 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 19.3.2023
¹933 Internes Memo des EFD vom Juni 2023
¹934 Protokoll der ausserordentlichen Bundesratssitzung vom 19.3.2023, zur Information über die erzielte Einigung sh. auch Sitzungsprotokoll der PUK vom 11.10.2023, S. 3
¹935 Antrag um ELA+ der CS an die SNB vom 19.3.2023, S. 2
¹936 Chronologie der SNB/FINMA. Sh. dazu auch «Nationalbank unterstützt Übernahme der der Credit Suisse mit umfangreicher Liquiditätshilfe», Medienmitteilung der SNB vom 19. März 2023.
¹937 SR 952.3 . Artikel 14 a konnte nach der Auflösung des Garantievertrags durch die UBS wieder aufgehoben werden. Aufgehoben durch Ziff. I der Verordnung vom 6.9 2023, mit Wirkung seit 15. 9. 2023 ( AS 2023 495 ).
¹938 Verfügung der FINMA vom 19.3.2023 «Abschreibung des zusätzlichen Kernkapitals ([Additional Tier 1] oder [AT1])»
¹939 Der erste Antrag auf ELA+ am 17.3.2023 belief sich auf 20 Milliarden Franken. Der zweite Antrag auf ELA+ am 19.3.2023 belief sich auf insgesamt 30 Milliarden Franken, davon 20 Milliarden in US-Dollar, 5 Milliarden in Schweizer Franken und 5 Milliarden in Euro (Antrag um ELA+ der CS an die SNB vom 19.3.2023, S. 3).
194⁰ Aufgeteilt in 45 Milliarden US-Dollar, 20 Milliarden Schweizer Franken und 5 Milliarden Euro (Antrag um PLB der CS an die SNB vom 19.3.2023, S. 3)
194¹ Schreiben vom BR an die FinDel «Neuer dringlicher Verpflichtungskredit für die Gewährung einer Garantie des Bundes an die UBS zur Verlustabsicherung abzuwickelnder Aktiven der übernommenen Bank, 19.3.2023
¹942 Chronologie des EFD vom 26.6.2023
¹943 «Finanzdelegation stimmt zwei dringlichen Verpflichtungskrediten von insgesamt 109 Milliarden Franken zu», Medienmitteilung der FinDel vom 19.3.2023
¹944 Brief der FinDel an den Präsidenten des Nationalrates und die Präsidentin des Ständerates vom 19.3.2023
¹945 Vgl. Art. 3 Abs. 2 ParlG i.V. mit Art. 28 Abs. 3 FHG; Schreiben der Ratspräsidien an die Mitglieder von National- und Ständerat vom 20.3.2023.
7.2.6 Kommunikation während der Akutkrise (15.-19. März 2023)
Am ersten Tag der Akutkrise, am 15. März, entschied das Lenkungsgremium, dass die SNB und die FINMA gleichentags um 20.30 Uhr eine gemeinsame Medienmitteilung veröffentlichen sollen. ¹946 In dieser Mitteilung wurde betont, dass die Probleme gewisser Banken in den USA keine Risiken für Schweizer Institute darstellen würden und dass die CS die regulatorischen Anforderungen punkto Kapital und Liquidität erfülle. ¹947
Das EFD, das über die geplante Medienmitteilung der SNB und der FINMA im Bilde war, informierte den Bundesratssprecher darüber. ¹948 In Absprache mit der Vorsteherin des EFD leitete der damalige Bundesratssprecher die Medienmitteilung vor der Publikation den Mitgliedern des Bundesrates weiter. ¹949 Die Medienmitteilung der SNB und der FINMA wurde im Bundesrat weder vorgängig diskutiert noch von ihm genehmigt und war auch am darauffolgenden Tag an der Bundesratssitzung vom 16. März kein Thema. 195⁰ Diese Kommunikation führte zu einer kurzfristigen Beruhigung beim Aktienkurs der CS. Der Eröffnungskurs am 16. März lag deutlich über dem Schlusskurs vom 15. März. Die Wirkung war aber nur von kurzer Dauer - bereits im Laufe des Tages gab der Aktienkurs wieder nach. 195¹
Vorbereitung der Kommunikation der Behörden während der Krise
Zwischen dem 15. und dem 19. März 2023 fanden rund acht Koordinationssitzungen zwischen den Kommunikationsverantwortlichen des EFD, des SIF, der SNB und der FINMA unter der Leitung des Bundesratssprechers statt. Auch die persönliche Mitarbeiterin der Vorsteherin des EFD war in diese Arbeiten involviert. Die Kommunikationsverantwortlichen der UBS und der CS waren ebenfalls an zwei Sitzungen dabei. Grundlage für diese Arbeiten bildete das im November 2022 erstellte Kommunikationskonzept der BK und des EFD (siehe Kap. 6.4.4), welches am 1. Dezember für einen allfälligen Entscheid des Bundesrates fertiggestellt worden war. Entsprechend war die Informationskaskade vorbereitet, und die Kontakte mit den Partnern konnten rasch aufgenommen werden. Die Inhalte der Kommunikation zu den Finanzinstrumenten ELA, ELA+ und PLB waren in den Grundzügen bereits vorbereitet. Die Herausforderung im März war, die gemeinsame Kommunikation zu den konkreten Entscheiden zu einem Zeitpunkt vorbereiten zu müssen, an dem die Verhandlungen noch im Gange waren und ihr Resultat noch offen war. Der Bundesrat musste in dieser Phase über das Kommunikationskonzept und den Inhalt entscheiden, obwohl noch verschiedene Elemente offen waren. ¹952 Die Fragen der Kommunikation wurden vorbereitend im AF und im LG diskutiert. ¹953
Von der passiven Sprachregelung vom 16. März 2023 bis zur Pressekonferenz am 19. März 2023 um 19.30 Uhr
Nachdem am 15. März 2023 mehrere Online-Artikel zur CS erschienen waren, koordinierten sich die Kommunikationsverantwortlichen der BK und des EFD mit den Kommunikationsverantwortlichen aller Departemente. Der Lead für diesbezügliche Medienanfragen lag beim EFD. ¹954
Im Hinblick auf die ausserordentliche Bundesratssitzung vom Donnerstag, 16. März 2023 (Nachmittag), trafen sich der Bundesratssprecher und der zuständige Pressesprecher des EFD an jenem Morgen zur Erarbeitung einer passiven Sprachregelung für den Fall, dass Informationen nach aussen gelangen sollten. ¹955 Zur vom EFD vorbereiteten passiven Sprachregelung fanden im Laufe des Tages mehrere Austausche statt. Im Antrag an den Bundesrat wurde festgehalten, dass eine Kommunikation über das Geschäft erst angezeigt sei, wenn alle Bestandteile des Pakets vorliegen würden und verabschiedet worden seien. Die Beschlüsse des Bundesrates sollten also nicht kommuniziert werden. Auch die Publikation der Verordnung sollte erst erfolgen, wenn die allfällige Übernahme kommuniziert wird. Die Kommunikationsstrategie sollte laufend angepasst werden. ¹956 An seiner Sitzung vom 16. März verabschiedete der Bundesrat schliesslich eine kurze Sprachregelung ohne inhaltliche Informationen. Darin wurde einzig festgehalten, dass der Bundesrat sich von der FINMA und der SNB über die Situation der CS habe orientieren lassen, dass über den Inhalt der Sitzung nicht informiert und auf die Medienmitteilung der FINMA und der SNB vom 15. März verwiesen werde. ¹957
Parallel erteilte der Bundesrat an der genannten Sitzung dem EFD den Auftrag, in Zusammenarbeit mit der BK, dem Bundesrat bis spätestens am Sonntag, 19. März 2023, ein Kommunikationskonzept zu unterbreiten. Dieses sollte den Ablauf und die Inhalte der Kommunikation (Medienmitteilungen, Faktenblätter, Sprechnotizen etc.) enthalten. ¹958 Noch am selben Abend fand eine Koordinationssitzung unter Führung des Bundesratssprechers statt, ¹959 an der die Aufträge zur Erstellung der notwendigen Unterlagen erteilt wurden. 196⁰ Bereits am Abend stand ein erster, noch nicht konsolidierter Entwurf einer vom SIF erarbeiteten Medienmitteilung. Es wurde von Anfang an mit dem Hauptszenario «Übernahme CS durch UBS» gearbeitet. In diesen Entwurf wurde u. a. aufgenommen, dass der Bundesrat die geplante Übernahme der CS durch die UBS begrüsse und dass der Bund eine Garantie für eine Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken der SNB an die CS leiste. 196¹
Am darauffolgenden Tag gab der Bundesratssprecher dem EFD den Auftrag, das Kommunikationskonzept zu verfeinern und mit verschiedenen Angaben zu ergänzen (Übersetzungen, Koordination der Kommunikation mit der FinDel, Vorgehen bei der Einladung zur Medienkonferenz, Setting der Medienkonferenz etc.), die für die weitere Planung berücksichtigt werden mussten. Auch die Vorinformation der Rats- und Parteipräsidien wurde in der Planung berücksichtigt. Um 16 Uhr fand eine Diskussion zwischen den Kommunikationsverantwortlichen zum ergänzten Kommunikationskonzept ¹962 statt, welches der Bundesratssprecher um 19.45 Uhr dem damaligen Bundeskanzler und dem damaligen Vizekanzler und Leiter des Bereichs Bundesrat sandte. ¹963
Am Samstag, 18. März 2023, liefen die Arbeiten am Kommunikationskonzept weiter. Es wurden alle Unterlagen (Sprechnotizen für die Teilnehmenden an der Medienkonferenz, Medienmitteilungen, FAQ und Faktenblätter) mit den Messages - für den Fall, dass der Deal zustande kam - finalisiert. Das Kommunikationskonzept mit einem Entwurf der Medienmitteilung wurden für die Sitzung des Bundesrates um 17 Uhr verteilt. In der Informationsnotiz des EFD vom 18. März wurde auf die Wichtigkeit einer koordinierten Kommunikation durch den Bundesrat hingewiesen - sowohl im Fall, dass das Verkaufsszenario realisiert werden kann, wie auch bei alternativen Szenarien. Das EFD ging aufgrund der Lage der CS davon aus, dass der Bundesrat am Sonntag in jedem Fall kommunizieren müsse. ¹964
Ab dem Nachmittag des 18. März koordinierten sich die Kommunikationsverantwortlichen der Behörden mit jenen der UBS und der CS. ¹965 Eine abgestimmte öffentliche Kommunikation der Behörden inklusive einer gemeinsamen Pressekonferenz der Behörden und der Banken war von Beginn an im Sinne der UBS. Sie hatte dies auch in ihrem Forderungskatalog (siehe Kap. 7.2.1) festgehalten. ¹966 So nahmen an der Koordinationssitzung um 20 Uhr erstmals auch die Kommunikationsverantwortlichen der Banken teil. Mit dem Kommunikationskonzept waren alle Beteiligten einverstanden. Die Sitzungsteilnehmenden einigten sich darauf, dass am kommenden Tag die Medienmitteilungen und die Sprechnotizen zum Szenario «Deal» vorliegen sollten - ungeachtet des Stands der Verhandlungen zwischen den Banken. ¹967 Nach dieser Sitzung informierte der Bundesratssprecher die Mitglieder des Bundesrates darüber, dass alle Kommunikationsarbeiten mit den Informationsabteilungen der beiden Banken koordiniert seien, am Tag darauf weiter koordiniert würden und dass der Ablauf gemeinsam besprochen worden sei. ¹968
Das finalisierte Kommunikationskonzept mit den Entwürfen der Medienmitteilung und der Sprechnotizen für den Bundespräsidenten und die Vorsteherin des EFD wurden den Mitgliedern des Bundesrates für die Sitzung vom 19. März verteilt. ¹969
Am Sonntag, 19. März 2023, trafen sich die Kommunikationsverantwortlichen zu insgesamt drei Koordinationssitzungen. Die BK informierte die akkreditierten Medienschaffenden bereits um 15 Uhr per Mail, dass am Abend eine wichtige Medienkonferenz stattfinden werde, ohne das Thema zu nennen. 197⁰ Dieses Vorgehen wurde gewählt, da die Medienschaffenden sonntags in der Regel nicht in Bern sind und die SRG die Übertragung vorbereiten musste. Nachdem die Übernahme kurz vor 17 Uhr feststand, wurden die Dokumente entsprechend angepasst. Die aktualisierten Sprechnotizen wurden den Mitgliedern des Bundesrates im Hinblick auf die Medienkonferenz von 19.30 Uhr verteilt. Eine halbe Stunde nach dem positiven Entscheid der FinDel versandte die BK den Journalistinnen und Journalisten die Einladung für die geplante Medienkonferenz um 19.30 Uhr. 197¹
Medienkonferenz vom 19. März 2023
Zeitgleich zur Medienkonferenz wurde die Medienmitteilung ¹972 in vier Sprachen publiziert. Veröffentlicht wurden auch FAQ, die am 16. März 2023 vom Bundesrat verabschiedete Verordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der SNB an systemrelevante Banken und deren Änderungen vom 19. März ¹973 sowie der erläuternde Bericht dazu.
Gemäss dem damaligen Bundesratssprecher war es wichtig, möglichst rasch zu informieren, konkret vor der Öffnung der asiatischen Börsen. Hauptziel der Medienkonferenz war es denn auch, die präsentierte Lösung glaubwürdig zu kommunizieren, die Finanzmärkte zu beruhigen und eine internationale Finanzkrise zu verhindern. ¹974 Bereits im Kommunikationsdispositiv vom November 2022 wies der Bundesratssprecher darauf hin, dass bei einem solchen Geschäft «die Aussagen an der Medienkonferenz aufs Komma beurteilt» werden und entsprechend die Sprechnotizen ausformuliert und abgestimmt werden müssen. ¹975
An der Medienkonferenz nahmen der Bundespräsident, die Vorsteherin des EFD, die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA, der Präsident der SNB sowie die Verwaltungsratspräsidenten von UBS und CS teil. ¹976 Der Bundespräsident leitete die Medienkonferenz mit einer allgemeinen Information ein. Er wies auf die Situation der CS in den vergangenen Monaten hin. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten hätten die CS zusätzlich destabilisiert. Es sei oberste Priorität, die Liquidität einer systemrelevanten Bank zu garantieren. Der Bundesrat habe am Donnerstag bereits diesbezügliche Entscheide getroffen. Am Freitag sei klar gewesen, dass die Liquiditätsabflüsse zu gross waren und der Vertrauensverlust nicht mehr wiederhergestellt werden konnte. Aus diesem Grund habe der Bundesrat die Übernahme der CS durch die UBS unterstützt. Er sei überzeugt, dass dies die beste Lösung sei, um das Vertrauen am Finanzmarkt wiederherzustellen und die Risiken für die Schweiz möglichst klein zu halten.
Danach erhielt die Vorsteherin des EFD das Wort. Sie hielt fest, das oberste Ziel sei es gewesen, die Interessen der Schweiz zu wahren, einen Beitrag zur Stabilisierung der internationalen Finanzmärkte zu leisten und den Finanzplatz Schweiz und die Volkswirtschaft zu schützen. Sie erläuterte die konkreten Entscheide des Bundesrates. Auch kommunizierte sie, dass es sich bei diesen Beschlüssen um Notrecht handle, das durch ordentliches Recht abgelöst werde. Die FinDel habe den beantragten Verpflichtungskrediten (Liquiditätshilfen und begrenzte Verlustgarantie) zugestimmt. Der Bundesrat bedaure, dass die CS nicht in der Lage war, die Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu meistern. Mit der Übernahme der CS durch die UBS solle das Vertrauen wiederhergestellt werden. Die Departementsvorsteherin betonte, dass die Risiken bei dieser Lösung deutlich geringer als bei den anderen geprüften Szenarien seien.
Anschliessend erläuterte der Präsident der SNB die Sicht und die Rolle der SNB bei diesem Schritt, konkret die Notwendigkeit der Liquiditätshilfen und vor allem auch die Instrumente, die geschaffen worden waren (PLB). Die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA beurteilte die Lösung als «gute, stabile und tragfähige Lösung» eines akuten Problems. Sie versicherte, dass das Bankengeschäft der CS unterbruchsfrei funktioniere. Die präsentierte Lösung bringe zusammen mit stabilisierenden Massnahmen des Bundes und der SNB zur Liquiditätssicherung sowie der von der FINMA angeordneten Wandlung von AT1-Anleihen in Eigenkapital Stabilität für den Finanzmarkt. Die Vorsteherin des EFD beurteilte die Lösung als ordnungspolitisch korrekt. Es handle sich nicht um ein Bail-out, sondern um eine kommerzielle Lösung - nämlich die Übernahme der CS durch die UBS. Darauf folgten die Statements der Verwaltungsratspräsidenten der UBS und der CS.
Sowohl der Bundespräsident wie auch die Vorsteherin des EFD vermittelten die wichtigsten Botschaften auch auf Englisch. Dies wurde bewusst eingebaut, um die ausländischen Behörden und internationalen Akteure zu beruhigen. ¹977
Die Kommunikation wurde in den nationalen und internationalen Medien breit aufgenommen und führte zu einer Beruhigung der Situation /an den Finanzmärkten (siehe Kap. 8.1 ff)
Zwei Tage nach dem Übernahmeentscheid, am 21. März 2023, informierte der Bundesrat in einer Medienmitteilung über den Entscheid des EFD, gewisse variable Vergütungen an Mitarbeitende der CS vorläufig zu sistieren. Diese Massnahme sieht das Bankengesetz in Artikel 10 a vor, wenn einer systemrelevanten Bank direkt oder indirekt staatliche Beihilfe aus Bundesmitteln gewährt wird. ¹978
¹946 Protokoll der LG-Sitzung vom 15.3.2023
¹947 «FINMA und SNB nehmen Stellung zu Unsicherheiten am Markt», Medienmitteilung der SNB und der FINMA vom 15.3.2023
¹948 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.4.2024
¹949 E-Mail des damaligen Vizekanzlers und Bundesratssprechers an die Mitglieder des Bundesrates vom 15.3.2023, 19.36 Uhr
195⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S. 39; Protokoll des Bundesrates vom 16.3.2023.
195¹ Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024
¹952 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S. 34
¹953 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.1.2024
¹954 E-Mail des damaligen Vizekanzlers und Bundesratssprechers an die Generalsekretariate aller Departemente vom 15.3.2023, 18.06 Uhr
¹955 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.4.2024, Anhang Chronologie «Communication CS-UBS»
¹956 Bundesratsantrag EFD vom 18.3.2023
¹957 E-Mail des damaligen Vizekanzlers und Bundesratssprechers an das GS-EFD und das SIF vom 16.3.2023, 19.11 Uhr
¹958 Bundesratsbeschluss vom 16.3.2023
¹959 Anhang Chronologie «Communication CS-UBS» der schriftlichen Antworten an die PUK vom 12.4.2024
196⁰ Anhang Chronologie «Communication CS-UBS» der schriftlichen Antworten an die PUK vom 12.4.2024,
196¹ Entwurf der Medienmitteilung in Mail des SIF an den damaligen Vizekanzler und Bundesratssprecher vom 16.3.2023, 20.07 Uhr
¹962 Dieses wurde als geheim klassifiziert.
¹963 E-Mail des damaligen Vizekanzlers und Bundesratssprechers an den damaligen Bundeskanzler und den damaligen Vizekanzler und Leiter des Bereichs Bundesrat vom 17.3.2023, 19.45 Uhr
¹964 Informationsnotiz des EFD vom 18.3.2023
¹965 Kommunikationskonzept vom 18.3.2023
¹966 UBS: DRAFT conditions for initial discussion, 15.32023; FINMA VR-Geschäft: Zustimmung zu den Eckwerten der Übernahme der Credit Suisse Group AG durch die UBS Group AG, 18.3.2023.
¹967 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.4.2024, Anhang Chronologie «Communication CS-UBS»
¹968 Threema-Mitteilung des damaligen Vizekanzlers und Bundesratssprechers an den Gesamtbundesrat, 18.3.2023, 22:36
¹969 Kommunikationskonzept Stand 18.3.2023 21.45 Uhr; Medienmitteilung Stand 19.3.2023 8 Uhr; Sprechnotiz Bundespräsident und EFD-Vorsteherin Stand 19.3.2023 6.20 Uhr.
197⁰ E-Mail der BK vom 19.3.2023, 15.03 Uhr
197¹ E-Mail der BK vom 19.3.2023, 18.28 Uhr
¹972 «Sicherung der Finanzmarktstabilität: Der Bundesrat begrüsst und unterstützt die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS», Medienmitteilung des Bundesrates vom 19.3.2023.
¹973 Am Donnerstag, 16.3.2023, trat eine Notverordnung zu ELA+ in Kraft. Diese Verordnung wurde nicht publiziert, und es wurde nichts dazu kommuniziert. Verordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante Banken vom 16.3.2023 und deren Änderungen vom 19.3.2023.
¹974 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S. 35; Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.4.2024, Anhang Chronologie «Communication CS-UBS».
¹975 E-Mail des damaligen Vizekanzlers und Bundesratssprechers an die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen und das GS-EFD vom 2.11.2022, 18.51 Uhr
¹976 Bundespräsident Alain Berset, Vorsteher EDI, Bundesrätin Karin Keller-Sutter, Vorsteherin EFD, Marlene Amstad, Verwaltungsratspräsidentin FINMA, Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums der SNB, Colm Kelleher, Verwaltungsratspräsident der UBS Group, Axel Lehmann, Präsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse; Leitung: Vizekanzler André Simonazzi, Bundesratssprecher.
¹977 Medienkonferenz des Bundesrates vom 19.3.2023
¹978 «Bundesrat trifft Entscheide zu variablen Vergütungen bei der Credit Suisse», Medienmitteilung des Bundesrates vom 21.3.2023
8 Phase 4: Umsetzung der Notfusion
Nachdem in Kapitel 7 die Ereignisse bis zur Notfusion der CS mit der UBS am 19. März 2023 dargelegt wurden, sollen in Kapitel 8 kurz die Massnahmen zur Umsetzung des Zusammenschlusses skizziert werden. Diese vierte und letzte Phase stand nicht im Mittelpunkt der Untersuchung der PUK, da sich die FinDel bereits mit dem Garantievertrag zwischen der UBS und dem Bund befasst hatte. ¹979
In Kapitel 8.1 wird die Reaktion der Märkte auf die Fusion beschrieben. In Kapitel 8.2 wird die Finalisierung der verschiedenen Verträge zwischen den zwei Banken sowie zwischen der UBS und dem Bund dargestellt. Die Begleitung der getroffenen Massnahmen durch die Behörden wird in Kapitel 8.3 geschildert. Kapitel 8.4 gibt eine kurze Übersicht über die nach der Notfusion veröffentlichten Berichte der Behörden sowie über die Expertenberichte, die in Auftrag gegeben wurden. Kapitel 8.5 befasst sich mit der Beratung der von der FinDel genehmigten Kredite in den Finanzkommissionen und den Räten. Schliesslich findet sich in Kapitel 8.6 eine Zusammenstellung der laufenden Gerichtsverfahren.
8.1 Kurzfristige Auswirkungen der getroffenen Massnahmen
Als am 20. März 2023 die Börsen öffneten, blieb ein Börsencrash aus, und die Finanzmarktstabilität konnte gewahrt werden. Nachfolgend werden kurz die Kursentwicklung der UBS- und der CS-Aktie sowie die Auswirkungen auf den AT1-Markt dargestellt.
Kursentwicklung der UBS- und CS-Aktie
Die Kurse stabilisierten sich ab dem 20. März 2023 und erholten sich nach und nach. Der Kurs der UBS-Aktie entwickelte sich positiv. So betrug der Schlusskurs am 17. März 2023 Fr. 18.36, am 20. März 2023 dann Fr. 19.11. In der Folge stieg der Kurs langsam an und erreichte am 3. Juni 2024 Fr. 31.82. 198⁰ Der Kurs der CS-Aktie belief sich am 17. März 2023 auf Fr. 1.90, am 20. März fiel er auf Fr. 0.69, um sich dann ab dem 21. März 2023 auf einen Kurs von Fr. 0.84 einzupendeln. 198¹ Auch die Kosten für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swap) sanken stark ab. ¹982
Einschätzung der AT1-Anleihen und Entwicklung des Marktes
Das Vorgehen der Schweiz zur Stabilisierung des Finanzmarktes wurde von den europäischen Bankenaufsichtsbehörden begrüsst. Um einer Destabilisierung der europäischen Banken zu begegnen, betonten diese gleichzeitig, dass der europäische Bankenmarkt stabil sei. Die Aufsichtsbehörden befürchteten auch eine gewisse Destabilisierung der gängigen Kapitalinstrumente (z. B. Bail-in-Bonds, AT1-Anleihen) aufgrund der Abschreibung der AT1-Anleihen der CS und sahen sich veranlasst, den Märkten zu kommunizieren, dass der etablierte europäische Abwicklungsrahmen weiterhin gilt. Die europäischen Bankenbehörden wollten damit verhindern, dass der AT1-Anleihenmarkt zu stark Schaden nimmt. ¹983 Im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr gingen die AT1-Emissionen, sowohl was das Emissionsvolumen als auch die Anzahl der Emissionen betrifft, tatsächlich um 50 Prozent zurück. Anscheinend hatten die Investorinnen und Investoren nicht damit gerechnet, dass die vertraglich vorgesehenen Abschreibungsmöglichkeiten tatsächlich beansprucht würden (siehe dazu Kapitel 8.4.6).
Der Markt für AT1-Anleihen erholte sich im Verlauf der nächsten Monate wieder. So platzierte die UBS am 28. November 2023 ¹984 erfolgreich vier AT1-Anleihen in Milliardenhöhe. Als Reaktion darauf, dass die Anweisung der FINMA an die CS, die AT1-Anleihen abzuschreiben, von den Anteilsinhaberinnen und -inhabern sehr negativ aufgenommen worden war, aktualisierte die UBS die Bedingungen für die vier ausgegebenen AT1-Anleihen. Diese werden beim Eintreten eines sogenannten Schlüsselereignisses (Viability Event) in Eigenkapital gewandelt und nicht mehr vollständig abgeschrieben. ¹985 Auch andere Banken platzierten erfolgreich AT1-Anleihen. So teilte die Deutsche Bank am 3. Juni 2024 mit, dass sie AT1-Kapitalinstrumente in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro begeben habe. Diese Wertpapiere haben einen jährlich zahlbaren fixen Zinscoupon von 8,125 % bis zum 30. April 2030. ¹986
198⁰ Finanzen.ch: UBS Aktie, https://www.finanzen.ch/kurse/historisch/ubs/amex/17.3.2023_ 20.7.2024 (Stand: 4.6.2024). Vgl. zur Entwicklung der Geschäftstätigkeit der UBS auch die Ausführungen in der Zusammenfassung der SNB zum Bericht zur Finanzmarktstabilität 2024, S. 3 f.
198¹ Näheres zur Kursentwicklung der CS-Aktien bei Expertenbericht Hau/Rochet (2024), S. 16 ff.
¹982 Vgl. Item 1: SNB, Financial stability Report 2024, Notiz des SIF for FSB Plenary, S. 45 Chart 4.19.
¹983 Vgl. zu den AT1- Instrumenten Kap. 4.2.2.3; 7.2.3.7 Kasten 19 «Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen in der Akutkrise im März 2023; Medienmitteilung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörden vom 20.3.2023, https://www.eba.europa.eu/ publications-and-media/press-releases/srb-eba-and-ecb-banking-supervision-statement-announcement-19 .
¹984 UBS platziert erstmals wieder neue AT1-Anleihen - Emission massiv überzeichnet. In: Handelsblatt, 28.11.203, https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/ banken-ubs-platziert-erstmals-wieder-neue-at1-anleihen-emission-massiv-ueberzeichnet/ 100000674.html (Stand: 6.6.2024).
¹985 UBS stellt Kapital für Wandlung von AT1-Anleihen bereit. In: Finanz und Wirtschaft, 13.5.2024, www.fuw.ch/ubs-stellt-kapital-fuer-wandlung-von-at1-anleihen-bereit-125873768509 (Stand: 6.6.2024).
¹986 «Deutsche Bank schliesst Emission von AT1-Kapitalinstrumenten erfolgreich ab», Medienmitteilung der Deutschen Bank vom 3.6.2024, https://www.db.com > Medien > Nachrichten (Stand: 22.11.2024).
8.2 Vertragliche Umsetzung der Fusion ab 19. März 2023
In den folgenden zwei Unterkapiteln wird dargelegt, welche Arbeiten ab dem 20. März 2023 erfolgten, um den Fusionsvertrag vollständig auszuarbeiten. In Kapitel 8.2.1 werden die Vertragsarbeiten zwischen den zwei Banken beschrieben, in Kapitel 8.2.2 das Vorgehen zum Abschluss des Garantievertrags zwischen der UBS und dem Bund.
8.2.1 Vorbereitung des Closings durch die UBS
Am Abend des 19. März 2023 gab die UBS bekannt, dass sie bereit sei, die CS im Rahmen einer Fusion zu übernehmen (siehe Kap. 7.2.5.5). ¹987 Die beiden Banken unterzeichneten einen vollständig ausgearbeiteten Fusionsvertrag (sogenanntes Signing des Vertrags) ¹988 . Die CS-Aktionäre erhielten für 22,48 CS-Aktien 1 UBS-Aktie.
In den darauffolgenden Wochen wurde der Vollzug der Fusion (das sogenannte Closing) vorbereitet. Die zeitintensiven Arbeiten waren dabei das Einholen von Bewilligungen bei ausländischen Behörden und die Erstellung des nach US-amerikanischen Wertpapierregeln notwendigen Prospektes (des sogenannten F4), der erstellt werden musste, weil die Titel der CS in der Form von American Depository Receipts (ADR) kotiert waren. Am 12. Juni 2023 wurde der Zusammenschluss der Holdinggesellschaften UBS Group AG und CS Group AG vollzogen. Mit dem formellen Vollzug der Übernahme entfiel auch das Risiko eines Scheiterns der Fusion. ¹989 Am 7. Dezember 2023 stimmte der Verwaltungsrat der UBS Group AG der Fusion der UBS AG mit der CS AG zu. 199⁰ Am 31. Mai 2024 informierte die UBS per Medienmitteilung über den Abschluss der Fusion zwischen der UBS AG und der Credit Suisse AG. 199¹ Am 1. Juli 2024 gab die UBS schliesslich den Abschluss der Fusion zwischen der UBS Switzerland AG und der Credit Suisse (Schweiz) AG bekannt. Letztere wurde aus dem Handelsregister des Kantons Zürich gelöscht und existiert nun nicht mehr als separate Rechtseinheit. Sämtliche Rechte und Pflichten sind auf die UBS Switzerland AG übergegangen. ¹992
Kartellrechtliche Fragen zur Notfusion
Im Zusammenhang mit der Fusion stellten sich auch kartellrechtliche Fragen. Die FINMA hatte am 19. März 2023 anstelle der WEKO in Anwendung von Artikel 10 Absatz 3 des Kartellgesetzes der Notfusion zugestimmt (siehe Kap. 7.2.3.9). Bei einer solchen Fusion hat die FINMA die WEKO nachträglich zu einer Stellungnahme einzuladen. Den Umgang mit allfällig geäusserten Bedenken kann die FINMA jedoch selbst bestimmen. ¹993
Die WEKO stellte der FINMA ihre Stellungnahme am 25. September 2023 zu. Darin prüfte sie zuerst, ob sich der Wettbewerb beim Ausscheiden der CS aus dem Markt mindestens gleich stark verschlechtert hätte wie beim Zusammenschluss von UBS und CS. Wenn dies der Fall wäre, würde die Fusion als unbedenklich eingestuft. ¹994 Die WEKO kam zum Schluss, dass die dafür nötigen Anforderungen nicht erfüllt waren. Die Fusion war daher nach Artikel 10 Absatz 1 KG und den Kriterien von Artikel 10 Absätze 2 und 4 KG zu prüfen. ¹995 Dies beinhaltete die Prüfung, ob der Zusammenschluss zu einer marktbeherrschenden Stellung führte, die wirksamen Wettbewerb beseitigen würde, und, wenn dies der Fall sein sollte, ob diese Nachteile grösser als die Vorteile in einem anderen Markt sind. ¹996 Die WEKO fand in sechs Märkten Anhaltspunkte, wonach die UBS aufgrund der Fusion mit der CS eine marktbeherrschende Stellung erhalten hat respektive diese Stellung verstärkt wurde. Deshalb empfahl die WEKO, nicht nur eine vorläufige Prüfung der Phase 1, sondern eine vertiefte Prüfung der Phase 2 durchzuführen, in der die bereits festgehaltenen Anhaltspunkte sowie weitere Bereiche genauer überprüft werden könnten. ¹997 Spezifische Massnahmen, Bedingungen oder Auflagen an die Bank wurden nicht formuliert.
Die FINMA führte in ihrer Verfügung vom 21. Mai 2024 die Stellungnahmen der WEKO sowie der UBS aus und erläuterte ihre eigene Sichtweise. Sie kam zum Schluss, dass aufgrund der erfolgten Fusion in keinem Markt der Wettbewerb ausgeschaltet wurde respektive dass taugliche Alternativen zum Angebot der UBS bestehen blieben. ¹998 Die durchgeführten Marktabklärungen seien mit bisherigen Prüfungen der Phase 1 und 2 vergleichbar, auch wenn ein «Restbestand an Unschärfe» bezüglich der Beurteilung der Märkte bestehen bleibe. ¹999 Die verbleibende Unsicherheit stellte die FINMA dem Gläubigerschutz gegenüber und schätzte die Risiken höher als den Ertrag ein: «Eine nachträgliche Infragestellung des Zusammenschlusses durch zusätzliche Prüfhandlungen könnte das wiedergewonnene Vertrauen der Märkte in die erfolgreiche Implementierung des Zusammenschlusses untergraben, zahlreiche Stakeholder verunsichern und den Transaktionserfolg und damit die Finanzstabilität national und international ungewollt gefährden.» 200⁰ Deshalb entschied die FINMA, das Fusionskontrollverfahren in Bezug auf den Zusammenschluss der UBS Group AG mit der Credit Suisse Group AG nach Artikel 10 Absatz 3 KG ohne weitere Prüfungen abzuschliessen und auch keine Bedingungen oder Auflagen zu verfügen (siehe Kap. 7.2.4.4 und Kap. 14.2.3). 20⁰1
| Kasten 23 : Übersicht der Prüfphasen der WEKO 20⁰2 Bei einem kartellrechtlichen Zusammenschlussverfahren gibt es zwei, maximal drei Phasen, um die Folgen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb zu prüfen. Als Phase 0 wird die informelle Vorphase vor dem eigentlichen Verfahren bezeichnet. In dieser Phase laufen noch keine gesetzlichen Fristen. Die meldenden Unternehmen legen der WEKO einen Entwurf der beabsichtigten Meldung vor, der auf seine Vollständigkeit geprüft wird. Als Phase 1 gilt die vorläufige Prüfung gemäss Artikel 32 Absatz 1 KG. Die WEKO hat innert einem Monat zu prüfen, ob das gemeldete Zusammenschlussvorhaben unbedenklich ist oder einer vertieften Prüfung bedarf. Ergeben sich in der vorläufigen Prüfung der Phase 1 Anhaltspunkte, dass der Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, erfolgt nach Artikel 33 KG die Phase 2 mit einer vertieften Prüfung. Phase 2 dauert maximal vier Monate.Weiterführende Informationen finden sich im Merkblatt der WEKO 20⁰3 , im Kartellgesetz sowie in der Stellungnahme der WEKO zum Zusammenschluss der UBS und CS. 20⁰4 |
¹987 Vgl. «UBS plant Akquisition von Credit Suisse», Medienmitteilung der UBS Group AG vom 19.3.2023, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien (Stand: 22.11.2024).
¹988 Durch das Signing verpflichten sich die Parteien des Kaufvertrages zur Übertragung des Eigentums am Kaufgegenstand. Der Tag des Vollzugs und somit der Übertragung des Eigentums an Anteilen bei einem Share Deal oder an Vermögensgegenständen bei einem Asset Deal wird Closing genannt. Zwischen Signing und Closing können Wochen, wenn nicht sogar mehrere Monate vergehen. Grund dafür ist, dass der Vollzug aus praktischen Gründen und/oder aufgrund der Komplexität der Transaktion noch nicht gewollt bzw. möglich und/oder rechtlich noch nicht zulässig ist. (Quelle: Rödl & Partner (2020): M&A Vocabulary - Experten verstehen: «Signing und Closing», https://www.roedl.de/ themen/ma-dialog/2020-03/ma-vocabulary-experten-verstehen (Stand: 6.6.2024).
¹989 Vgl. Notiz EFD an BR vom 15.6.2023
199⁰ «UBS AG und Credit Suisse AG schliessen Fusionsvertrag ab», Medienmitteilung der UBS Group AG vom 7.12.2023, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien. Vgl. ferner: UBS Group AG (2024): UBS Annual Report 2023, Part «Our Evolution», https://secure.ubs.com/minisites/group-functions/investor-relations/annual-report/2023/digital-ar23-group/digital-ar23-group/index.html#sub_book_0 (Stand: 26.6.2024).
199¹ «UBS schliesst Fusion der UBS AG und der Credit Suisse AG ab», Medienmitteilung der UBS AG vom 31.5.2024, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien (Stand: 22.11.2024).
¹992 «UBS schliesst Fusion der UBS Switzerland AG und der Credit Suisse (Schweiz) AG ab», Medienmitteilung der UBS AG vom 1.7.2024, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien (Stand: 22.11.2024).
¹993 Art. 10 Abs. 3 KG
¹994 Stellungnahme der WEKO vom 25.9.2023 gemäss Artikel 10 Abs. 3 KG und Empfehlung gemäss Artikel 45 Abs. 2 KG, Ziff. 150
¹995 Stellungnahme der WEKO vom 25.9.2023 gemäss Artikel 10 Abs. 3 KG und Empfehlung gemäss Artikel 45 Abs. 2 KG, Ziff. 184
¹996 Stellungnahme der WEKO vom 25.9.2023 gemäss Artikel 10 Abs. 3 KG und Empfehlung gemäss Artikel 45 Abs. 2 KG, Ziff. 190
¹997 In folgenden Märkten fand die WEKO Anhaltspunkte für eine begründete oder verstärkte marktbeherrschende Stellung der fusionierten UBS: Fonds und fondsähnliche Produkte; Global Custody; passives Assetmanagement; Anlageklasse Schweizer Immobilien; Fondsleitung für Einanlegerfonds; Corporate Banking für grosse Unternehmen und Unternehmen mit spezifischen Bedürfnissen. WEKO-Stellungnahme S. 163 f.
¹998 Verfügung der FINMA in Sachen UBS Group AG vom 21.5.2024, Ziff. 254
¹999 Verfügung der FINMA in Sachen UBS Group AG vom 21.5.2024, Ziff. 276
200⁰ Verfügung der FINMA in Sachen UBS Group AG vom 21.5.2024, Ziff. 276
20⁰1 Verfügung der FINMA vom 21.5.2024, S. 66
20⁰2 Stellungnahme der WEKO vom 25.9.2023 gemäss Artikel 10 Abs. 3 KG und Empfehlung gemäss Artikel 45 Abs. 2 KG, Ziff. 25 f.
20⁰3 WEKO: Merkblatt und Formular der Wettbewerbskommission - Meldung eines Zusammenschlussvorhabens, 21.10.2014, https://www.weko.admin.ch/dam/weko/de/ dokumente/2015/08/merkblatt_und_formularwiderspruchsverfahren.pdf.download.pdf/ merkblatt_und_formularwiderspruchsverfahren.pdf (Stand: 26.6.2024).
20⁰4 Stellungnahme der WEKO vom 25.9.2023 gemäss Artikel 10 Abs. 3 KG und Empfehlung gemäss Artikel 45 Abs. 2 KG
8.2.2 Kündigung des Garantievertrags und des Liquiditätshilfe-Darlehens im August 2023
Teil der Gesamtlösung vom 19. März 2023 war ein Garantievertrag 20⁰5 zwischen dem Bund und der UBS zur Übernahme von allfälligen Verlusten der UBS aus dem Verkauf von bestimmten Aktiven der CS, welche nicht zum Kerngeschäft der UBS passen und sich nicht in das Geschäfts- und Risikoprofil der Bank einfügen lassen (siehe Kap. 7.2.4.1 und 7.2.5).
Rechtsgrundlage und Verhandlungen zwischen Bund und UBS
Rechtsgrundlage bildete Artikel 14 a der vom Bundesrat am 19. März 2023 ergänzten Notverordnung ( SR 952.3 , siehe Kap. 7.2.5.5). Aus Zeitgründen konnten die Vertragsdetails nicht schon am 19. März 2023 ausgehandelt und vertraglich vereinbart werden (Signing des Vertrags). 20⁰6 Die Details des Vertrags wurden erst nach dem 19. März 2023 zwischen der UBS Group AG und dem Bund verhandelt. Am 19. April 2023 fand ein hochrangiges Kick-Off-Meeting statt, an dem Vertreterinnen und Vertreter der UBS, der EFV und der FINMA sowie die vom Bund angestellten Beraterinnen und Berater für juristische und wirtschaftliche Fragen teilnahmen. 20⁰7
Aufseiten des Bundes war die EFV federführend, die mit externer Unterstützung für die Verhandlungen zuständig war. Es waren verschiedene Fragen zu klären. Diskussionspunkte gab es insbesondere beim Umfang (Perimeter) der Garantie. Die Verhandlungen wurden gemäss beiden Seiten in der Sache professionell, teilweise hart, aber auch fair, transparent und konstruktiv geführt. 20⁰8 Die Verhandlungen wurden bis auf Stufe des Verwaltungsratspräsidenten der UBS und der Vorsteherin des EFD eskaliert. 20⁰9 Die unterschiedlichen Auffassungen konnten schliesslich bereinigt werden, und am 9. Juni 2023 wurde der Garantievertrag vom EFD und der UBS AG unterschrieben.
Umfang der Garantie
Der Garantievertrag deckte ein spezifisches Portfolio an Aktiven der CS ab, das etwa 3 % der gesamten Aktiven der fusionierten Bank umfasste. Im Zentrum standen Kredite, Derivate, nicht strategische sowie strukturierte Produkte aus dem Nicht-Kerngeschäft (Non-Core-Unit) der CS. Abgedeckt waren nur realisierte Verluste. Angewandt wurde eine Nettobetrachtung, in die Berechnung flossen also sowohl Verluste wie Gewinne aus dem Verkauf der Aktiven ein. Der Vertrag sollte bis zur endgültigen Verwertung des garantierten Portfolios laufen. Erst wenn die Aktiven endgültig verwertet worden wären, hätte die UBS gegenüber dem Bund einen allfälligen, über 5 Milliarden Franken hinausgehenden Verlust geltend machen können.
Keine Aussagen enthielt der Vertrag zu einer Beteiligung des Bundes an Verlusten, welche die Höhe von 14 Milliarden Franken überschritten hätten. Für die Übernahme weiterer Verluste durch den Bund hätte es einer gesetzlichen Grundlage sowie der Zustimmung des Parlamentes zu einem entsprechenden Verpflichtungskredit bedurft. Der Vertrag sah vor, dass eine separate Organisationseinheit der UBS die Vermögenswerte verwaltet. 201⁰ Die UBS musste sich zudem verpflichten, dass sie während der Vertragsdauer ihren Hauptsitz in der Schweiz belässt. Eine Verlagerung ins Ausland hätte zur Folge gehabt, dass der Bund die Garantie hätte einseitig beenden können. 2⁰11
Auflösung des Garantievertrags und Gebühreneinnahmen des Bundes
Am 11. August 2023 löste die UBS Group AG den Garantievertrag mit dem Bund freiwillig auf, nachdem sie das designierte Portfolio umfassend geprüft und auch schweren Stresstests ausgesetzt hatte. Sie hielt den Garantievertrag für nicht mehr erforderlich. 2⁰12 Damit entfielen auch die finanziellen Risiken des Bundes aus dem Vertrag.
Die UBS hatte dem Bund die gemäss Vertrag aufgelaufenen Garantiegebühren zu entrichten. Diese setzen sich aus folgenden Elementen zusammen: einer Vertragsabschlussgebühr («initial set-up fee») von 40 Millionen Franken, einer jährlichen Aufrechterhaltungsgebühr («annual maintenance fee») von 0,4 % auf 9 Milliarden Franken (36 Millionen pro Jahr), u. a. zur Deckung der Beratungskosten des Bundes, sowie einer Risikoprämie («annual dawn portion fee») von 0-4 % auf dem Betrag von 9 Milliarden Franken in Abhängigkeit von den bereits realisierten und noch zu erwartenden Verlusten. 2⁰13 Die Risikoprämie war aufgeschoben und hätte von der UBS nur bezahlt werden müssen, wenn sie die Garantie in Anspruch genommen hätte. Je grösser die Verluste gewesen wären, desto höher wäre die Risikoprämie gewesen. 2⁰14 Die UBS zahlte dem Bund für die Bereitstellung des Garantievertrags insgesamt 40 Millionen Franken. 2⁰15 Die Arbeiten des Bundesrates wurden aufseiten des Parlamentes durch die FinDel begleitet, die sich 2023 über die Verhandlungen informieren liess. 2⁰16
Kündigung des Liquiditätshilfe-Darlehens
Die UBS kündigte am 11. August 2023 freiwillig auch das Liquiditätshilfe-Darlehen zugunsten der SNB (PLB). Damit entfielen auch diese finanziellen Risiken für den Bund. Bis zum 31. Juli 2023 verbuchte die CS eine Bereitstellungs- und Risikoprämie in Höhe von 214 Millionen Franken, wovon 61 Millionen Franken an die SNB und 153 Millionen Franken an den Bund gingen. 2⁰17
20⁰5 Loss Protection Agreement dated 9 June 2023 between the Swiss Confederation and UBS Group AG regarding a loss protection guarantee in accordance with article 14 a of the Federal Additional Liquidity Ordinance (Original in englischer Sprache)
20⁰6 Vgl. Rödl & Partner (2020): M&A Vocabulary - Experten verstehen: «Signing und Closing», https://www.roedl.de/themen/ma-dialog/2020-03/ma-vocabulary-experten-verstehen (Stand: 6.6.2024).
20⁰7 Siehe Notiz des EFD an den Bundesrat vom 18.4.2023
20⁰8 Infonotiz des EFD an den Bundesrat vom 8.6.2023; Stellungnahme der UBS vom 22.10.2024 im Rahmen der Konsultation; Stellungnahme der EFV vom 22.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
20⁰9 Sitzungsprotokoll der PUK vom 22.5.2024, S. 12
201⁰ «Bund und UBS unterzeichnen Vertrag zu Verlustgarantie», Medienmitteilung des Bundesrates vom 9.6.2023.
2⁰11 Infonotiz des EFD an den Bundesrat vom 8.6.2023
2⁰12 «UBS Group AG hat den Garantievertrag und Public Liquidity Backstop freiwillig beendet; Credit Suisse AG hat ELA+ Darlehen vollständig zurückbezahlt», Medienmitteilung der UBS vom 11.8.2023, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien (Stand: 22.11.2024); «CS/UBS: Sämtliche Garantien des Bundes beendet», Medienmitteilung des Bundesrates vom 11.8.2023.
2⁰13 «Bund und UBS unterzeichnen Vertrag zu Verlustgarantie», Medienmitteilung des Bundesrates vom 9.6.2023 mit angehängtem Faktenblatt; «UBS und Schweizer Regierung vereinbaren Garantievertrag», Medienmitteilung der UBS vom 9.6.2023, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien (Stand: 10.12.2024). Der Garantievertrag ist auf der Homepage des Bundes abrufbar.
2⁰14 Notiz des EFD an den Bundesrat vom 8.6.2023
2⁰15 Botschaft zur Staatsrechnung 2023 vom 27.3.2024, Band 2B ( BBl 2024 830 , S. 27)
2⁰16 Bericht der Finanzdelegation an die Finanzkommissionen des Nationalrates und des Ständerates betreffend die Oberaufsicht über die Bundesfinanzen im Jahre 2023 vom 11.3.2024 ( BBl 2024 1663 , S. 10)
2⁰17 «UBS Group AG hat den Garantievertrag und Public Liquidity Backstop freiwillig beendet; Credit Suisse AG hat ELA+ Darlehen vollständig zurückbezahlt», Medienmitteilung der UBS vom 11.8.2023, https://www.ubs.com/global/de > Globale Themen > Medien (Stand: 22.11.2024).
8.3 Begleitung der getroffenen Massnahmen durch das EFD und den Bundesrat
Die Behörden (EFD, SNB, FINMA) verfolgten nach dem 19. März 2023 die Entwicklungen laufend und begleiteten die getroffenen Massnahmen eng. So informierte das EFD den Bundesrat regelmässig mit Informationsnotizen über die aktuelle Situation. 2⁰18 Nachfolgend werden die wichtigsten in den Notizen aufgeführten Aktivitäten dargestellt.
Beobachtung des Stands der Fusionsverhandlungen und der Liquidität
Die Behörden bereiteten sich auf ein mögliches Scheitern der Fusion vor. Das EFD hielt in der Notiz an den Bundesrat vom 25. April 2023 entwarnend fest, dass es diese Möglichkeit als unwahrscheinlich erachte. Ein Scheitern zeichne sich keineswegs ab. 2⁰19 EFD, FINMA und SNB richteten ein umfassendes Liquiditätsmonitoring von CS und UBS ein. Sie stellten fest, dass sich die Liquiditätslage der CS seit dem 19. März 2023 stabilisiert hatte. 202⁰
Am 8. Juni 2023 informierte das EFD den Bundesrat, dass die Übernahme der CS durch die UBS für den 12. Juni 2023 vorgesehen sei (siehe Kap. 8.2.1). Gleichentags werde die Notierung der Aktien der Credit Suisse Group an der Schweizer Börse SIX und der New York Stock Exchange (NYX) aufgehoben. Die FINMA werde die Kapitalanforderungen für die vereinigte Bank bis 2025 auf dem aktuellen Stand belassen und anschliessend bis 2030 schrittweise auf die vollständigen Anforderungen gemäss der neuen Grösse anheben. 2⁰21
Vorbereitungshandlungen für den Fall von Schadenersatzklagen gegen die Eidgenossenschaft
Das EFD orientiert den Bundesrat regelmässig über die Entwicklung bei den Beschwerden gegen die Abschreibung der AT1-Anleihen und mögliche Schadenersatzklagen im Rahmen allfälliger Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) gegen die Schweiz (siehe Kap. 8.4). 2⁰22 Gestützt auf einen früheren Grundsatzbeschluss aus dem Jahr 2021 beauftragte der Bundesrat das SECO, die Koordination bei den Arbeiten zu allfälligen Investor-Staat-Schiedsverfahren zu übernehmen. Die Behörden setzten zur Koordination der verschiedenen Rechtsverfahren eine Steuerungsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern von EFV, SECO, GS-EFD und FINMA ein, die einen regelmässigen Austausch pflegte, um die Gesamtstrategie abzustimmen. Koordiniert wird die Gruppe durch den Rechtsdienst EFD. 2⁰23 Regelmässig informiert wird der Bundesrat auch über den Stand der Beschwerden gegen die Abschreibung der AT1-Anleihen vor dem Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen. 2⁰24
Regelmässige Kontakte mit ausländischen Behörden - Beachtung in den ausländischen Medien
Die Schweizer Behörden (EFD, SNB, FINMA) erläuterten in den Wochen nach dem 19. März 2023 ihren ausländischen Partnern (Aufsichtsbehörden, Finanzministerien, weitere Regierungsstellen) an bilateralen oder multilateralen Treffen regelmässig die Gründe für den getroffenen Entscheid. Zudem informierten sie über die aktuelle Umsetzung der Massnahmen. Sofern nötig, wurde über die Botschaften bei ausländischen Behörden interveniert, damit die UBS die für die Fusion notwendigen Bewilligungen rasch erhielt. 2⁰25 Nach dem formellen Vollzug der Übernahme der CS durch die UBS am 12. Juni 2023 entfiel die Notwendigkeit für Interventionen. In der Folge nahmen die Kontakte ab. 2⁰26 Der Bundesrat wurde durch das EFD und teilweise auch durch das EDA regelmässig über die Reaktionen der ausländischen Behörden und Medien ins Bild gesetzt. 2⁰27 Diese nahmen nach dem 19. März 2023 stark zu. Nach einigen Wochen beruhigte sich die Lage wieder und die Zahl der Reaktionen fiel nach einigen Wochen wieder auf das Niveau vor dem 19. März 2023.
Änderung des Bankengesetzes zur Einführung eines PLB
Ein wesentliches Projekt war die Gesetzgebung zur Einführung eines PLB, also einer staatlichen Liquiditätssicherung für systemrelevante Banken. Der Bundesrat eröffnete am 24. Mai 2023 die Vernehmlassung und verabschiedete am 9. September 2023 die Botschaft «23.062 Bankengesetz. Änderung (‹Public Liquidity Backstop›)». 2⁰28 Mit der Vorlage will der Bundesrat einzelne im März 2023 mit der Notverordnung eingeführte Bestimmungen ins ordentliche Recht überführen. Eine gegenüber der Vernehmlassungsvorlage wesentliche Änderung ist die Einführung einer Abgeltungspauschale. Federführende Kommission ist die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK). Erstrat für die Beratung ist der Ständerat. Die WAK-S ist auf die Vorlage eingetreten, 2⁰29 hat aber die Detailberatung noch nicht abgeschlossen. Die PUK bezog die Vorlage des Bundesrates im Rahmen der Beratung ihrer Empfehlungen ein. Am 27. August 2024 beschloss die WAK-S, die Beratung der Vorlage bis zum Vorliegen des Berichtes der PUK zu sistieren. 203⁰
Massnahmen im Vergütungsbereich
EFD und Bundesrat ergriffen verschiedene Massnahmen im Vergütungsbereich. So nahm der Bundesrat am 21. März 2023 zur Kenntnis, dass das EFD mittels Verfügung an die CS gewisse variable Vergütungen an deren Mitarbeitende vorläufig sistiert hatte. Dies betraf bereits zugesicherte, aber aufgeschobene Vergütungen für die Geschäftsjahre bis 2022, z. B. in Form von Aktienansprüchen. Zudem beauftragte der Bundesrat das EFD, ihm weitere Massnahmen zur variablen Vergütung für die Geschäftsjahre bis 2022 und die folgenden Geschäftsjahre vorzuschlagen. 2⁰31 Am 18. April 2023 ersetzte das EFD die superprovisorische Verfügung durch eine einstweilige Verfügung. 2⁰32
2⁰18 Notizen des EFD an den Bundesrat vom 20.3.2023; 18.4.2023; 25.4.2023; 23.5.2023; 8.6.2023, 15.6.2023.
2⁰19 Notiz des EFD an den Bundesrat vom 25.4.2023, S. 3
202⁰ Notiz des EFD an den Bundesrat vom 25.4.2023, S. 2
2⁰21 Notiz des EFD an den Bundesrat vom 8.6.2023, S. 1
2⁰22 Notizen des EFD an den Bundesrat vom 25.4.2023; 8.6.2023.
2⁰23 Notiz des WBF an den Bundesrat vom 14.6.2023
2⁰24 Notiz des EFD an den Bundesrat vom 9.5.2023
2⁰25 Notiz des EFD an den Bundesrat vom 18.4.2023, S. 4
2⁰26 Notiz des EFD an den Bundesrat vom 15.6.2023
2⁰27 Notiz des EFD an den Bundesrat vom 18.4.2023, S. 4
2⁰28 Botschaft zur Änderung des Bankengesetzes vom 6.9.2023 ( BBl 2023 2165 )
2⁰29 «Aufnahme der Beratungen zur Einführung eines Public Liquidity Backstop», Medienmitteilung der WAK-S vom 17.10.2023
203⁰ «Public Liquidity Backstop. Sistierung der Beratung», Medienmitteilung der WAK-S vom 28.8.2024
2⁰31 «Bundesrat trifft Entscheide zu variablen Vergütungen bei der Credit Suisse», Medienmitteilung des Bundesrates vom 21.3.2023
2⁰32 Notiz des EFD an den Bundesrat vom 18.4.2023
8.4 Übersicht über die nach der Krise veröffentlichten Berichte
In Kapitel 8.4 werden kurz die wichtigsten Berichte aufgeführt, welche sich mit den Ursachen der CS-Krise und den daraus zu ziehenden Lehren befassen. Es gibt zwei Kategorien von Berichten. Zum einen äusserten sich Behörden in ihren auch sonst regelmässig erscheinenden Berichten, zum anderen wurden vom EFD Berichte in Auftrag gegeben. Die Berichte werden in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung aufgeführt, weil früher in Auftrag gegebene Berichte eine wichtige Grundlage für spätere bildeten. Es werden vorliegend die wesentlichsten Schlussfolgerungen ausgeführt. Etwas vertiefter dargestellt wird der Bericht des Bundesrates nach Artikel 52 BankG, da er die Einschätzung des Bundesrates und seine Vorschläge für die Zukunft enthält. Verschiedene Vorschläge für die Anpassung der Too-big-to-fail-Regulierung fanden Eingang in die Empfehlungen der PUK und werden dort behandelt (siehe Kap. 9.1.2).
Bericht des Instituts für Banken und Finanzen der Universität St. Gallen vom 19. Mai 2023
Das EFD, vertreten durch das SIF, beauftragte das Schweizerische Institut für Banken und Finanzen der Universität St. Gallen (HSG) mit einer Review zur Übernahme der CS durch die UBS im Lichte der TBTF-Gesetzgebung. Der Bericht analysiert die Stossrichtungen zur Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung und äussert sich zu den Themen Trennbankensystem, managementorientierte und aufsichtsrechtliche Massnahmen, Versicherungslösungen (wie die Einlagensicherung), Liquiditäts- und Eigenkapitalausstattung sowie Verstaatlichungsoption. In seinen Schlussfolgerungen schlägt der Bericht drei Stossrichtungen zur Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung vor: Erstens soll der Zugang zu Liquidität durch den Lender of last Resort verbessert werden. Zweitens sollen die Eigenmittelanforderungen für TBTF-Banken erhöht werden, und drittens soll als Alternative zur Resolution eine Verstaatlichungsoption eingeführt werden. 2⁰33
Berichte der Schweizerischen Nationalbank zur Finanzmarktstabilität (Juni 2023 und 2024)
Die Schweizerische Nationalbank analysierte die Ereignisse rund um die CS in den Berichten zur Finanzmarktstabilität vom 23. Juni 2023 und 20. Juni 2024. Im Bericht 2023 2⁰34 legt die SNB ausführlich die Chronologie der Ereignisse dar und äussert sich zu den aus ihrer Sicht massgeblichen Gründen für die CS-Krise. Zudem veröffentlichte die SNB ihre ersten Schlüsse aus der Krise, z. B. in Bezug auf die Kapital- und Liquiditätsanforderungen. 2⁰35 Im Bericht 2024 vertieft die SNB den sich aus der CS-Krise ergebenden Handlungsbedarf und hält fest, dass die Krise der CS Schwächen im regulatorischen Dispositiv aufgezeigt hat. Die SNB teilt die im Bericht des Bundesrates nach Artikel 52 BankG ausgeführte Sicht, dass in den Bereichen Kapital und Liquiditätsanforderungen, Frühintervention sowie Recovery- und Resolution-Planung Handlungsbedarf besteht. Im Bereich Kapital geht es für die SNB primär darum, Schwachstellen in der regulatorischen Architektur zu beheben und damit sicherzustellen, dass die ausgewiesenen Kapitalquoten die tatsächliche Verlustfähigkeit einer Bank widerspiegeln. Bei der Liquidität unterstützt die SNB eine Überprüfung des Liquidity Coverage Requirement durch den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht. 2⁰36
Bericht der Expertengruppe «Bankenstabilität» vom 1. September 2023
Das EFD setzte am 17. Mai 2023 die Expertengruppe «Bankenstabilität» ein mit dem Auftrag, dem EFD bis Mitte August 2023 behördenunabhängige strategische Überlegungen mit Blick auf die Stabilität des Finanzplatzes vorzulegen. Die Expertengruppe berücksichtigte dabei den Bericht des Instituts für Banken und Finanzen der Universität St. Gallen. 2⁰37 Auch sie beurteilte das Too-big-to-fail-Regime und kam zum Schluss, dass im Vergleich zur Situation vor der globalen Finanzkrise 2007/08 wichtige Fortschritte erzielt wurden und die verschärften Eigenmittel-und Liquiditätserfordernisse sich als nützlich erwiesen haben. In ihren Schlussfolgerungen hält die Expertengruppe fest, dass die Schweiz erstens bei der Krisenvorbereitung und beim Krisenmanagement nachbessern, zweitens die Liquiditätsversorgung in der Krise ausbauen, drittens das Instrumentarium der Bankenaufsicht vervollständigen und viertens die Eigenmittelqualität und -beschaffung verstärken soll.
Bericht der FINMA «Lessons learned aus der CS-Krise» vom 19. Dezember 2023
Die FINMA veröffentlichte am 19. Dezember 2023 den Bericht «Lessons learned aus der CS-Krise». 2⁰38 Darin analysiert die FINMA die Entwicklung der CS ab 2008 bis 2023 bezüglich Strategie, Geschäftsverlauf, Führungsentscheide, Risikomanagement und Krisenvorbereitung. Zudem schildert sie die von ihr im Lauf der Jahre ergriffenen Massnahmen. Die FINMA zieht im Bericht auch verschiedene Lehren und empfiehlt Anpassungen bei den gesetzlichen Grundlagen und weitere Massnahmen. So fordert sie die Einführung eines Senior-Manager-Regimes, die Kompetenz, Bussen zu erteilen, sowie strengere Regeln bei der Corporate Governance. Darüber hinaus will die FINMA auch punktuell ihren Aufsichtsansatz anpassen und die Umsetzbarkeit von Stabilisierungsmassnahmen verstärkt prüfen.
Bericht des Bundesrates nach Artikel 52 des Bankengesetzes vom 10. April 2024
Wie in Kapitel 5.2 ausgeführt, schreibt Artikel 52 des Bankengesetzes vor, dass der Bundesrat regelmässig die Bestimmungen des Bankengesetzes im Hinblick auf die internationale Vergleichbarkeit sowie den Grad der Umsetzung der entsprechenden internationalen Standards im Ausland prüft und darüber der Bundesversammlung jeweils Bericht erstattet. Am 10. April 2024 veröffentlichte der Bundesrat den «Bericht des Bundesrates zur Bankenstabilität einschliesslich Evaluation gemäss Artikel 52 des Bankengesetzes» . 2⁰39 Wesentlicher Bestandteil des Berichtes ist eine Analyse der Krise der CS. Der Bundesrat kommt zum Schluss, dass das bestehende Too-big-to-fail-Dispositiv weiterentwickelt und gestärkt werden muss. Dazu schlägt er 22 Massnahmen vor. Bei deren Umsetzung sollen auch die Ergebnisse der PUK berücksichtigt werden. Nachfolgend werden die Vorschläge zum Eigenkapital, zur Liquidität, zur Einführung einer TPO und zur Einlagensicherung etwas vertieft.
Eigenmittel : Der Bundesrat schlägt eine Reihe von Massnahmen vor. Bei SIB soll die Eigenmittelunterlegung für ausländische Beteiligungen - und damit für Stammhäuser (Parent Banken) - innerhalb einer Finanzgruppe gestärkt werden. Weiter sollen zukunftsgerichtete Elemente bei institutsspezifischen Säule-2-Eigenmittelzuschlägen für SIB eingeführt werden (insbesondere basierend auf Stresstests; die geeignete Form der Offenlegung der Resultate ist zu prüfen). Geschärft werden sollen auch die regulatorischen Vorgaben zur vorsichtigen Bewertung und zur Werthaltigkeit von bestimmten Bilanzpositionen. Die vorgeschlagene Änderung für Stammhäuser betrifft formal alle systemrelevanten Banken (SIB) in der Schweiz, aber wirksam wird sie nur bei international tätigen SIB mit komplexen Strukturen und grossen ausländischen Tochtergesellschaften, konkret also bei der UBS. Von einer generellen Eigenmittelerhöhung mittels höherer Leverage Ratio oder höheren progressiven Komponenten bei der Leverage Ratio und der RWA-Quote sieht der Bundesrat ab. 204⁰
Liquidität : Für den Bundesrat braucht es mehr Liquidität bei den Banken selber, mehr Möglichkeiten für die Liquiditätsversorgung durch die Nationalbank und eine staatliche Liquiditätssicherung (PLB), um für den schlimmsten Fall Schäden vom Land abzuwenden.
TPO : Eine mögliche Massnahme, die zukünftige Einführung einer TPO in die Schweizer Rechtsordnung, verwarf der Bundesrat aus folgenden Gründen:
-
Die TPO widerspreche einem der Ziele der Schweizer TBTF-Gesetzgebung, nämlich staatliche Beihilfen zu vermeiden (Art. 7 Abs. 2 BankG);
-
eine TPO sei mit erheblichen Risiken für den Staat und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verbunden;
-
eine TPO der gesamten UBS-Gruppe sei kaum möglich, da die letzte verbleibende Schweizer G-SIB derart gross ist; und
-
eine TPO «nur» der Schweizer Einheit der UBS sei aufgrund der Erwartungen ausländischer Behörden bezüglich der Sanierung der ganzen Gruppe schwer durchführbar. 2⁰41
Einlagensicherung : Der Bericht des Bundesrates vom 10. April 2024 zur Bankenstabilität war der erste dieser Berichte, der die Thematik der Einlagensicherung aufnahm (siehe Kap. 5.2.7). Aufgrund der ablehnenden Haltung des Gesetzgebers in der Vergangenheit sieht der Bundesrat jedoch von Massnahmen bei der Einlagensicherung ab, obwohl er selbst diverse Aspekte des geltenden Rechts kritisch sieht.
2⁰33 Reformbedarf in der Regulierung von «Too Bit to Fail» Banken, Bericht des Schweizerischen Instituts für Banken und Finanzen der Universität St. Gallen, 19.5.2023 (veröffentlicht auf der Homepage des EFD: https://www.efd.admin.ch/de/gutachten-tbtf ).
2⁰34 SNB (2023): Bericht zur Finanzstabilität 2023.
2⁰35 SNB (2023): Bericht zur Finanzstabilität 2023, S. 39.
2⁰36 Siehe zu den Vorschlägen SNB (2024): Bericht zur Finanzstabilität 2024, S. 53 ff.; SNB (2024): Zusammenfassung zum Bericht der SNB zur Finanzmarktstabilität 2024, S. 5 ff.
2⁰37 Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, Vorwort.
2⁰38 «FINMA veröffentlicht Bericht und Lehren zur Credit-Suisse-Krise», Medienmitteilung der FINMA vom 19.12.2023; FINMA (2023): Lessons learned aus der CS-Krise.
2⁰39 «Bankenstabilität: Bundesrat will Lücken in der Too-Big-To-Fail-Regulierung schliessen», Medienmitteilung des Bundesrates vom 10.4.2024. Das EFD wurde vom Bundesrat explizit beauftragt, externe Gutachten in die Arbeiten zum Bericht des Bundesrates zur Bankenstabilität einzubeziehen. Diese Berichte sind aufgeschaltet auf der Homepage des EFD: https://www.efd.admin.ch/de/gutachten-tbtf .
204⁰ EFD: Erläuterungen zum Bericht des Bundesrates vom 10. April 2024, veröffentlicht auf der Homepage des EFD: https://www.efd.admin.ch/de/eigenkapital-tbtf (Stand: 25.6.2024).
2⁰41 Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 216 f.)
8.5 Beratung der dringlichen Kredite in den Finanzkommissionen und den Räten
In Kapitel 8.5 wird der weitere Verlauf des parlamentarischen Prozesses bei einem dringlichen Kreditverfahren dargestellt. Zuerst werden kurz die Botschaft des Bundesrates zum Nachtrag Ia zum Voranschlag 2023 sowie die Beratungen in den beiden Finanzkommissionen beschrieben, anschliessend die Sondersession vom 11./12. April 2023 sowie die Diskussion um die Nichtgenehmigung der von der FinDel bevorschussten dringlichen Kredite.
Der Bundesrat muss der Bundesversammlung dringliche Verpflichtungen zur nachträglichen Genehmigung unterbreiten (siehe Kap. 7.2.5.3). 2⁰42 Der Bundesrat tat dies mit der « Botschaft zum Nachtrag Ia zum Voranschlag 2023 vom 29.3.2023 (23.007 )». Darin begründete er u. a. die Ausgangslage, schilderte das Massnahmenpaket, begründete die zwei Verpflichtungskredite und unterbreitete, wie bei einem Nachtrag vorgesehen, zwei Entwürfe für Bundesbeschlüsse. 2⁰43 Mit dem Bundesbeschluss Ia beantragte er die Bewilligung für die Gewährung einer Ausfallgarantie des Bundes für die Liquiditätshilfe-Darlehen der SNB an die CS in der Höhe von 100 Milliarden Franken (Art. 1) sowie die Bewilligung für eine Garantie des Bundes zur Verlustabsicherung an systemrelevante Banken in der Höhe von 9 Milliarden Franken (Art. 2). Im Entwurf zum Bundesbeschluss Ib unterbreitete der Bundesrat, wie beim Entwurf zu einem solchen Bundesbeschluss vorgesehen, den Antrag, keine Änderungen zu den finanziellen Planungsgrössen, Zielen, Messgrössen und Sollwerten sowie keine Rahmenbedingungen der Kreditverwendung festzulegen (Art. 1). 2⁰44
Berichterstattung der FinDel in den FK und Vorberatungen in den Finanzkommissionen
Erstrat bei der Beratung der Nachträge zum Voranschlag 2023 war turnusgemäss der Ständerat. Damit begann die Vorberatung in der Finanzkommission des Ständerates (FK-S). Diese tagte gemäss Tagungsplan am 23. März 2023. Die FK-S stellte kurzfristig ihre Tagesordnung um und liess sich zuerst von ihren Vertreterinnen und Vertretern in der FinDel über die FinDel-Sitzung vom 19. März 2023 ins Bild setzen. Anschliessend führte sie eine Vordiskussion über die damals vom Bundesrat noch zu verabschiedende Botschaft zum Nachtrag Ia (23.007) sowie eine Aussprache mit der Vorsteherin des EFD, der Direktorin der EFV, dem Leiter des Bereichs Recovery und Resolution der FINMA, dem Direktor der WEKO sowie Professor Aymo Brunetti. 2⁰45 Die eigentliche Vorberatung des Nachtrags führte die FK-S dann anlässlich einer ausserordentlichen Sitzung am 30. März 2023 von 8.20 bis 11.30 Uhr durch. Sie behandelte neun Anträge 2⁰46 und beantragte dem Ständerat mit 11 zu 0 Stimmen (1 Enthaltung) Zustimmung zum Bundesbeschluss Ia und einstimmig Zustimmung zum Bundesbeschluss Ib. 2⁰47
Die nationalrätliche Finanzkommission tagte ebenfalls am 30. März 2023, aber nach der Beratung der FK-S. 2⁰48 Die FK-N liess sich zuerst von der Präsidentin der FinDel über die Sitzung vom 19. März 2023 orientieren. Dann folgte eine ausführliche allgemeine Aussprache, an der neben der Vorsteherin des EFD auch der Präsident der SNB und die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA teilnahmen. Anschliessend folgte die Detailberatung der Verpflichtungskredite. Es wurden 14 Anträge zu den Bundesbeschlüssen Ia und Ib sowie diverse Anträge auf Kommissionsvorstösse eingereicht. 2⁰49 Die FK-N beantragte dem Nationalrat mit je 17 zu 1 Stimmen (4 Enthaltungen) Zustimmung zu den beiden Bundesbeschlüssen.
Ausserordentliche Session vom 11. und 12. April 2023
Der Ständerat stimmte den Anträgen seiner FK zu und genehmigte die von der FinDel zuvor bewilligten Verpflichtungskredite mit 29 zu 6 Stimmen (7 Enthaltungen). Den Bundesbeschluss Ib, der die von den FK beantragten Rahmenbedingungen der Kreditverwendung enthielt, genehmigte er einstimmig (36 Ja-Stimmen, 6 Enthaltungen). Der Nationalrat lehnte den Bundesbeschluss Ia hingegen mit 102 zu 71 Stimmen (8 Enthaltungen) ab. 205⁰ Die FK-S tagte danach zur ersten Differenzbereinigung und beantragte dem Ständerat, an der Genehmigung der Kredite festzuhalten. Der Ständerat folgte ihr bei beiden Bundesbeschlüssen mit je 29 zu 5 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Die FK-N führte anschliessend die erste Differenzbereinigung durch und beantragte dem Nationalrat, die beiden Kredite zu bewilligen. Der Nationalrat lehnte auch in der zweiten Beratung die nachträgliche Genehmigung mit 103 zu 73 Stimmen (8 Enthaltungen) ab, womit der Nationalrat das erste Mal in der Geschichte der FinDel die nachträgliche Genehmigung verweigerte. Durch die zweimalige Ablehnung der Vorlage durch den Nationalrat kam auch der Bundesbeschluss Ib über die Planungsgrössen nicht zustande. Die Räte beschlossen somit keine Planungsgrössen für die Umsetzung der Kredite. Sie überwiesen aber zahlreiche Vorstösse verschiedener Kommissionen. 2⁰51
Diskussion über die Folgen der Nichtgenehmigung - Prüfung der geltenden Rechtsgrundlagen
Bis zur Nichtgenehmigung der CS-Kredite wurden alle von der FinDel bevorschussten Kredite von den Räten nachträglich genehmigt. Im Parlament und in der Öffentlichkeit waren daher die möglichen Wirkungen einer Verweigerung der nachträglichen Genehmigung wenig bekannt. 2⁰52 Gestützt auf entsprechende frühere Arbeitspapiere und die - wenige - Literatur lässt sich feststellen, dass vor der Notfusion der CS mit der UBS die Auslegung der Folgen einer Nichtgenehmigung eines durch die FinDel bevorschussten dringlichen Kredits die folgende war: Kann der Bundesrat die Verpflichtung (oder bei Voranschlagskrediten die Zahlung) rückgängig machen, so hat er dies zu tun. Ist dies faktisch nicht möglich - z. B. weil die Zahlung bereits erfolgt oder der Vertrag mit einem Dritten abgeschlossen ist -, ist der Kredit gesprochen und die Ablehnung hat keine rechtliche Wirkung im Aussenverhältnis. Die Verweigerung muss aber im Innenverhältnis von Parlament und Bundesrat als Auftrag des Parlamentes an den Bundesrat verstanden werden, soweit möglich allfällige rechtliche Bindungen für die Zukunft aufzulösen. Ein Papier des Sekretariats der FK zu den Folgen im CS-Fall hielt fest, dass aufgrund der vertraglich eingegangenen Verpflichtung eine Nichtgenehmigung der Kredite keine Folgen im Aussenverhältnis hätte. 2⁰53 Diese Rechtsauffassung wurde dann - nach der Sondersession vom 11. und 12. April 2023 - von Teilen der juristischen Lehre bestritten, was zu erheblichen Unsicherheiten in der Auslegung der Folge der Nichtgenehmigung durch den Nationalrat führte. 2⁰54 Der Bundesrat stellte sich auf den Standpunkt, dass die beiden Kredite verbindlich gesprochen wurden. Er werde aber die ablehnende Haltung des Nationalrates bei den weiteren Verhandlungen berücksichtigen. 2⁰55
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) ist daran zu prüfen, ob sich gesetzgeberische Änderungen im Bereich des dringlichen Kreditverfahrens oder bei der Zusammensetzung der FinDel aufdrängen. 2⁰56 Sie beschloss einstimmig die parlamentarische Initiative 24.400 (« Dringliche Kredite. Wirkung der Beschlüsse der Bundesversammlung »). Die SPK-S gab dieser im Verfahren der Vorprüfung ebenfalls einstimmig Folge. 2⁰57 Damit kann die SPK-N eine entsprechende Vorlage ausarbeiten.
2⁰42 Art. 28 Abs. 2 FHG
2⁰43 Beantragt der Bundesrat Nachträge zum Bahninfrastrukturfonds und zum
Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds
, so unterbreitet er weitere Bundesbeschlüsse (siehe z. B. Botschaft zum Nachtrag II zum Voranschlag 2023 vom 15.9.2023, 23.042).
2⁰44 Die Planungsgrössen im Bundesbeschluss Ib eröffnen dem Parlament die Möglichkeit, finanzielle Planungsgrössen sowie Ziele, Messgrössen und Sollwerte zu Leistungsgruppen festzulegen. Diese sind nicht zwingend, weil der Bundesrat selbst solche Planungsgrössen beantragt. Deshalb ist Eintreten auf den Bundesbeschluss Ib auch nicht obligatorisch. In der Praxis beantragen die FK beim Budget und beim Nachtrag regelmässig Planungsgrössen. Dies war auch bei der Beratung des Verpflichtungskredits für die Notfusion der CS mit der UBS der Fall (siehe dazu die Fraktionsfahne).
2⁰45 Protokoll der Sitzung der FK-S vom 23.3.2023; «Fall Credit Suisse: Finanzkommission befasst sich mit dem Thema und führt eine erste Diskussion mit dem Bundesrat, der FINMA, der WEKO und einem Experten», Medienmitteilung der FK-S vom 24.3.2023.
2⁰46 Zwei Anträge betrafen den Zahlenteil (Bundesbeschluss Ia), fünf Anträge den Bundesbeschluss über die Planungsgrössen (Bundesbeschluss Ib). Zudem wurde je ein Antrag auf ein Kommissionspostulat und auf eine Kommissionsmotion eingereicht.
2⁰47 «Fall Credit Suisse: Finanzkommission beantragt, die von der Finanzdelegation beschlossenen dringlichen Verpflichtungskredit im Nachhinein zu genehmigen», Medienmitteilung der FK-S vom 30.3.2023.
2⁰48 Die Sitzung begann um 11.55 Uhr und dauerte bis 18.40 Uhr, unterbrochen durch eine Mittagspause von 90 Minuten.
2⁰49 Siehe zu den Anträgen der Finanzkommissionen an den Ständerat und Nationalrat die vom Sekretariat der FK mit einer kurzen Medienmitteilung vom 3.4.2023 veröffentlichte Fraktionsfahne: «Verpflichtungskredite im Zusammenhang mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS: Publikation der Fraktionsfahne», Medienmitteilung der FK-S vom 3.4.2023.
205⁰ Durch die Ablehnung des Bundesbeschlusses Ia wurde der Bundesbeschluss Ib hinfällig, da gar kein Kredit bewilligt wurde, zu dem Rahmenbedingungen für die Abwicklung beschlossen werden konnten.
2⁰51 Rechtsgrundlage für die Planungsgrössen bei Kreditbegehren bildet Art. 25 Abs. 3 ParlG. Das Instrument der Planungsgrössen findet aber auch in anderen Gebieten Anwendung. Die Rechtsgrundlage findet sich in Art. 28 ParlG (Grundsatzentscheide und Planungen). Gemäss Art. 28 Abs. 2 ParlG sind Planungsgrössen Vorentscheide, die festlegen, dass bestimmte Ziele anzustreben, Grundsätze und Kriterien anzustreben, Grundsätze und Kriterien zu beachten oder Massnahmen zu planen sind. Planungsgrössen sind (wie Motionen) für den Bundesrat rechtlich nicht verbindlich. Sie besitzen aber eine politische Verbindlichkeit. Weicht der Bundesrat von Aufträgen oder Grundsatz- und Planungsbeschlüssen ab, so hat er dies gemäss Art. 28 Abs. 4 ParlG zu begründen (siehe zu Art. 25: Koller, Stefan (2024): Art. 25, N. 41 f. In: Caroni, Andrea / Graf, Martin (Hrsg.), Kommentar zum Parlamentsgesetz, 2. Auflage, Basel: Helbing & Lichtenhahn und Graf, Martin (2024): Art. 28, N. 14 ff. In: Caroni, Andrea / Graf, Martin (Hrsg.), Kommentar zum Parlamentsgesetz, 2. Auflage, Basel: Helbing & Lichtenhahn.
2⁰52 Diese Rechtsauslegung äusserte der Präsident der FK-S anlässlich der Totalrevision des Finanzhaushaltgesetzes 2005 (AmtlBull StR 2005 776). Vgl. zu dieser Frage Koller, Stefan (2024): Art. 21, N. 28 und 28 a , sowie Fussnote 31 mit weiteren Literaturhinweisen. In: Caroni, Andrea / Graf, Martin (Hrsg.), Kommentar zum Parlamentsgesetz, 2. Auflage, Basel: Helbing & Lichtenhahn; ferner Mader, Luzius (2009): Aushöhlung des Budgetrechts in Krisenzeiten? Die Fälle Swissair und UBS. In: Jahrbuch der Schweiz. Vereinigung für Verwaltungsorganisationsrecht 2009, 107 ff.; Zihler, Florian (2023): Wirkungen des Beschlusses der Finanzdelegation der Bundesversammlung im Dringlichkeitsverfahren. In: AJP 09/2023, S. 1067 ff.
2⁰53 Notiz des Sekretariats der FK zu den rechtlichen Möglichkeiten der Kommissionen und Räte bei der nachträglichen Genehmigung von dringlichen Verpflichtungen der FinDel im «CS-UBS-Fall» vom 24.3.2023.
2⁰54 Vgl. u. a. Biaggini, Giovanni (2023): Die CS-Übernahme und der Fluch des Notrechts. In: ZBl 6/2023, S. 309-314; Gerber, Kaspar (2023): Dringliche Verpflichtungskredite für Garantien zugunsten der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der UBS. Die Rolle der Bundesversammlung. In: Jusletter 8.5.2023.
2⁰55 «Bundesrat hat sich zum Ergebnis der ausserordentlichen Session ausgetauscht», Medienmitteilung des Bundesrates vom 19.4.2023
2⁰56 «Rolle der Bundesversammlung bei der Bewilligung dringlicher Kredite», Medienmittteilung der SPK-N vom 2.2.2024
2⁰57 «Wirkung der Beschlüsse der Bundesversammlung bei dringlichen Krediten», Medienmitteilung der SPK-S vom 10.4.2024. Vgl. zum Verfahren und der Wirkung einer Vorprüfung einer parlamentarischen Initiative Art. 109 ParlG.
8.6 Laufende Gerichtsverfahren im Kontext der Abschreibung der AT1-Anleihen
Nach dem 19. März 2023 zeigte sich schnell, dass schweizerische Behörden (Bund, FINMA) aufgrund der Anordnung der FINMA, die AT1-Anleihen abzuschreiben, mit Haftungs- und Schadenersatzklagen konfrontiert sein werden. Im Inland wurden Beschwerden gegen die Abschreibung der AT1-Anleihen eingereicht. Im Ausland wurden Klagen im Rahmen der sogenannten Investor-Staat-Schiedsverfahren-Abkommen angekündigt. Verklagt wurde auch die UBS wegen des Übernahmepreises. Die Klagenden halten das Umtauschverhältnis von 22,48 CS-Aktien für 1 UBS-Aktie für nicht rechtmässig.
Nachfolgend werden kurz die wichtigsten Elemente der vier Verfahren dargestellt.
Beschwerden gegen die Abschreibung der AT1-Anleihen vor dem Bundesverwaltungsgericht - Zivilklage gegen die Eidgenossenschaft in New York
Die FINMA gab am 19. März 2023 als Teil der Massnahmen für die Fusion zwischen CS und UBS die Anordnung zur Abschreibung von AT1-Anleihen im Nominalwert von 16 Milliarden Franken. Der Marktwert lag tiefer. Mit der danach von der CS getätigten Abschreibung verloren die Eigentümerinnen und Eigentümer der AT1-Anleihen ihr Investment. Bald darauf wurden beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen Beschwerden gegen die Anordnung der FINMA zur Abschreibung der AT1-Anleihen eingereicht. Gemäss Medienmitteilung des Bundesverwaltungsgerichts waren im Mai 2023 insgesamt 250 Beschwerden von rund 2500 Beschwerdeführenden eingegangen. 2⁰58 Die Zahl erhöhte sich noch im Laufe der Zeit. Der derzeitige Stand ist nicht bekannt. Beschwerde erhoben wird gegen die Rechtmässigkeit der Abschreibung. Gerügt wird insbesondere, dass die Anordnung zur Abschreibung nicht verhältnismässig gewesen sei. Ins Feld geführt wird des Weiteren, dass die Anordnung zur Abschreibung faktisch einer indirekten Enteignung gleichkomme. 2⁰59 Ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts steht derzeit noch aus. Das Gericht äussert sich nicht zu einem möglichen Urteilsdatum. 206⁰
Einige AT1-Instrumente waren in den USA registriert und wurden über das dortige Clearing-System abgewickelt. Im Juni 2024 wurde eine Zivilklage gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft beim United States District Court for the Southern District of New York eingereicht. Eine Gläubiger-Gruppe fordert von der Schweiz eine Entschädigung von gegen 80 Millionen Franken. Gemäss Presseberichten argumentiert die Gläubiger-Gruppe, die Anordnung der FINMA, die AT1-Anleihen beim Zusammenbruch der CS im Frühjahr 2023 abzuschreiben, sei unrechtmässig gewesen und die Schweiz habe damit ihre Eigentumsrechte verletzt. Es handelt sich dabei um eine von den Schweizer Verfahren unabhängige Klage. 2⁰61
Klagen gegen die Schweiz aufgrund der Investitionsschutzabkommen
Die Schweiz hat mit 111 Staaten sogenannte Investitionsschutzabkommen (ISA) abgeschlossen. Daneben enthalten auch die Freihandelsabkommen mit Japan, Singapur und Südkorea ein Investitionsschutzkapitel, das inhaltlich weitgehend einem ISA entspricht. Der Bundesrat geht grundsätzlich davon aus, dass die Abschreibung der AT1-Anleihen unter ein ISA fallen könnte. Falls dem so ist und falls ein Investor-Staat-Schiedsverfahren eingeleitet werden sollte, so müssten die Streitparteien in einem ersten Schritt ein dreiköpfiges Schiedsgericht einsetzen. Tritt dieses auf die Klage ein, so würde es die Vereinbarkeit der Abschreibung mit dem ISA prüfen. Die Beurteilung, ob eine Verletzung des ISA vorliegt, fällt in die abschliessende Kompetenz des Schiedsgerichts. Kommt es zum Schluss, dass das ISA verletzt wurde, kann es dem Investor Schadenersatz zusprechen. Die Verfahren sind sehr aufwendig und dauern in der Regel mehrere Jahre. Von internationalen Anwaltskanzleien wurden bereits Klagen angekündigt. 2⁰62
Klagen gegen die UBS wegen des Umtauschverhältnisses der Aktien
Vor dem Handelsgericht Zürich wurden von CS-Aktionärinnen und -Aktionären Klagen gegen das Umtauschverhältnis der CS-Aktien eingereicht. Viele Aktionärinnen und Aktionäre haben sich zusammengetan, weil sie von der UBS einen höheren Übernahmepreis erstreiten wollen. Das Handelsgericht hat die über dreissig Klagen zu einem einzigen Verfahren zusammengefasst. Beklagt ist die UBS, welche beim Gericht ihre abweisende Antwort auf die Klagen eingereicht hat. 2⁰63 Am 28. August 2024 wurde beim Handelsgericht ein Antrag auf ein neues neutrales Gutachten in Bezug auf die Methode, wie der Umtauschwert zwischen den beiden Aktien berechnet wird, eingereicht. Die Anzahl der Klägerinnen und Kläger hat sich bis November 2024 auf 3000 erhöht. 2⁰64 Der Entscheid des Gerichts ist noch nicht bekannt.
Teil III: Feststellungen
Einleitung zu Teil III
Geschäftsverhalten der CS und Vertrauensverlust als Ursachen des Niedergangs
Die PUK hält zu Beginn des dritten Teils ihres Untersuchungsberichtes fest, dass die Ursache für die Krise der CS und die daraus resultierende Fusion mit der UBS auf das Geschäftsverhalten der CS, auf eine fragwürdige Risikokultur in Verbindung mit einem mangelhaften Risikomanagement insbesondere im Investmentbanking-Geschäft und auf die Governance der Führungsebene zurückzuführen ist. Das Zusammenwirken dieser Faktoren verursachte im Herbst 2022 einen unaufhaltbaren Vertrauensverlust an den Märkten, der schliesslich zur Akutkrise im März 2023 führte.
Wie in den Kontextkapiteln (siehe Kap. 5.1, 6.1) im zweiten Berichtsteil beschrieben, war die CS über Jahre hinweg aufgrund wiederholter Skandale (Vergütungen für das Topmanagement, Beihilfe zum Steuerbetrug, Beschattungsaffäre, Kreditgeschäfte mit Staatsunternehmen aus Mosambik, grosse Verluste durch Greensill und Archegos, siehe Kap. 5.1.2) Gegenstand von Negativschlagzeilen. Sie verlor trotz mehrfachen Strategieanpassungen und zahlreichen personellen Wechseln auf der Führungsebene (siehe Kap. 5.1.2) fortlaufend das Vertrauen der Kapitalmärkte. 2⁰65 Während die CS ab 2011 regelmässig negative Leistungszahlen wie beispielsweise einen niedrigen Reingewinn auswies und sich die schlechte ökonomische Entwicklung auch im sinkenden Aktienkurs und in schlechter werdenden Kreditratings niederschlug, zahlte sie gleichzeitig variable Vergütungen im Milliardenbereich aus (siehe Kap. 5.1.2). Diese offensichtliche Diskrepanz zwischen den ausgezahlten Vergütungen und dem effektiven Geschäftsgang der Bank erscheint der Kommission nicht nachvollziehbar. Dass sich diese Entwicklung über ein Jahrzehnt ohne eine einschneidende, wirkungsvolle Intervention vonseiten des Aktionariats oder des Verwaltungsrates fortsetzte, zeigt aus Sicht der PUK ein zentrales Problem von Fehlanreizen im Vergütungssystem der CS auf. In diesem Kontext ist auch die Frage nach der Verantwortung des CS-Aktionariats beim wirtschaftlichen Niedergang der Bank zu stellen. Diese Thematik wird in Kapitel 14.3.1 detaillierter behandelt.
Die Kommission weist an dieser Stelle noch einmal darauf hin, dass sich ihre Untersuchung auf die Geschäftsführung der Bundesbehörden beschränkt (siehe Kap. 1.3). Das Geschäftsverhalten der Banken konnte hingegen nicht Gegenstand der Untersuchung sein und wurde nur so weit berücksichtigt, wie es zur Beurteilung der Geschäftsführung der Schweizer Behörden notwendig war.
Vorbemerkungen zur Beurteilung der Geschäftsführung der Behörden im Kontext der CS-Notfusion
In den nachfolgenden Kapiteln würdigt die PUK die Geschäftsführung der Behörden im Kontext der CS-Notfusion im Hinblick auf ihre Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit.
Folgende inhaltliche Hinweise sind vorweg anzubringen: Erstens steht bei der Bewertung der Rechtmässigkeit der Geschäftsführung der Bundesbehörden gemäss der Lehre zum Oberaufsichtsrecht die Prüfung von Abläufen, Verfahren, generellen Zuständigkeiten oder organisatorischen Massnahmen im Zusammenhang mit den Grundsätzen der Verwaltungstätigkeit im Vordergrund. 2⁰66 Daraus folgt, dass es nicht in der Kompetenz der PUK liegt, einzelne von den Bundesbehörden ergriffene Massnahmen systematisch zu prüfen. Folglich spricht sich die PUK gesamtheitlich über die Geschäftsführung der Bundesbehörden aus.
Zweitens untersucht die PUK die Geschäftsführung der Bundesbehörden über einen verhältnismässig langen Zeitraum von mehr als sieben Jahren, um die Krisenereignisse angemessen einordnen zu können (siehe Kap. 1.4.2). Dabei ist hervorzuheben, dass die PUK in Umsetzung des breit formulierten Untersuchungsauftrags gemäss dem Bundesbeschluss vom 8. Juni 2023 zur Einsetzung einer PUK Schwerpunkte setzen musste und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Grundsätzlich hat die PUK Themen, welche in engerem Zusammenhang mit der Notfusion stehen, eingehender untersucht als Themen, die zwar für die Prüfung der Geschäftsführung der Bundesbehörden relevant erscheinen, für die Krisenbewältigung jedoch eine untergeordnete Rolle spielten.
Drittens ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Beinahe-Kollaps der CS auf die Geschäftsführung der Bank zurückzuführen ist, die im Laufe der Jahre zu einer Vertrauenskrise führte. Diese mündete gemäss den gängigen Expertenmeinungen schliesslich ab Oktober 2022 in eine Liquiditätskrise. Gemäss dem von der PUK beauftragten Experte handelte es sich aber zusätzlich auch um eine Kapitalkrise (siehe Kap. 11.1.1.3).
Zudem gilt es viertens zu berücksichtigen, dass die PUK bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit und Zweckmässigkeit einer bestimmten Handlung eine Ex-ante-Analyse vornimmt: Ihre Würdigung beruht auf den damals erkennbaren Auswirkungen und den damaligen Kenntnissen der Behörden.
Fünftens sind die FINMA, die RAB und die SNB Einheiten der dezentralen Bundesverwaltung, welche über einen spezialgesetzlich definierten Autonomiebereich verfügen. Aufgrund des Gutachtens von Prof. Uhlmann sowie der Präsentation von Prof. Stöckli (siehe Kap. 1.4.5) kam die PUK zum Schluss, ihre Empfehlungen nicht direkt an die FINMA, die RAB oder die SNB, sondern an den Bundesrat zu richten.
Aufbau der Feststellungen
Nachfolgend präsentiert die PUK ihre Erkenntnisse in sechs thematischen Kapiteln. Eingangs befasst sie sich mit der Frage, wie sich die Bundesbehörden zwischen 2015 und 2022 mit der TBTF-Gesetzgebung und mit der Gesetzgebung zur Revisionsregulierung auseinandergesetzt und welche Weiterentwicklungen sie angestossen haben (Kap. 9). Danach folgen die Feststellungen zum Risikomanagement und zur Krisenfrüherkennung des Bundes (Kap. 10). Anschliessend bewertet die PUK, wie die FINMA, die RAB und die SNB ihre Aufsichtstätigkeit in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsgebiet wahrgenommen haben (Kap. 11). Im Zentrum steht hierbei die mikroprudenzielle Aufsicht durch die FINMA (Kap. 11.1). Wie die Bundesbehörden ihrerseits die Aufsicht über FINMA, RAB und SNB ausgeübt haben, zeigt die PUK in Kapitel 12 auf. Das Krisenmanagement der Bundesbehörden und insbesondere das Zusammenspiel der einzelnen Akteure ist Gegenstand von Kapitel 13. Abschliessend legt die Kommission ihre Feststellungen zu verschiedenen übergeordneten Fragestellungen dar (Kap. 14), namentlich zum Einbezug von verschiedenen Fachämtern und der WEKO, zur Frage der Aktionärsrechte, der Ausgestaltung der Gewährskriterien sowie der gesetzlichen Grundlagen für eine PUK.
Die Feststellungen in Kapitel 9 bis 14 wurden von der PUK nicht mit Blick auf die kausalen Ursachen des CS-Niedergangs formuliert, sondern (gemäss ihrem Auftrag der Bundesversammlung vom 8. Juni 2023) insbesondere im Hinblick auf zukünftige Krisen, die auch anders gelagert sein könnten.
Abschliessend nimmt die PUK in ihren Schlussbemerkungen in Kapitel 15 eine Gesamtwürdigung vor.
2⁰58 «Keine Beschwerde der Credit Suisse Group AG», Medienmitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.5.2023
2⁰59 Vgl. So nehmen CS-Investoren das Notrecht in die Zange. In: Finews, 18.8.2023, https://www.finews.ch/news/banken/58846-cs-ubs-at1-beschwerde-bund-finma-notrecht-eskalation-ausland (Stand: 8.6.2024).
206⁰ «Keine Beschwerde der Credit Suisse Group AG», Medienmitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.5.2023
2⁰61 Die Schweiz agiert wie eine Investmentbank: US-Anwälte ziehen wegen der CS-Übernahme jetzt auch die Eidgenossenschaft vor Gericht, In: NZZ, 6.6.2024; CS-AT1-Klage in den USA: Schweiz erhält Aufschub. In: Finews, 18.10.2024.
2⁰62 Notiz WBF an den Bundesrat vom 14.6.2023
2⁰63 Vgl. UBS-Klageantwort wundert Legalpass nur in einem Punkt. In: Finews, 23.2.2024, https://www.finews.ch/news/banken/61525-legalpass-klage-ubs-cs (Stand: 8.6.2024).
2⁰64 Vgl. CS-Übernahme: Forderungen nach neuem Gutachten werden lauter. In: Finews, 10.9.2024, https://www.finews.ch/news/banken/64289-ubs-cs-klage- umtauschverhaeltnis-legalpass (Stand: 18.11.2024).
2⁰65 Expertenbericht Hau/Rochet (2024), S. 12
2⁰66 Sägesser Thomas (2024): Art. 26 N 36, in: Graf, Martin/Caroni, Andrea (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis der Schweizerischen Bundesversammlung. Kommentar zum Parlamentsgesetz, 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Aufl. Basel: Helbing Lichtenhahn.
¹979 Bericht der Finanzdelegation an die Finanzkommissionen des Nationalrates und des Ständerates betreffend die Oberaufsicht über die Bundesfinanzen im Jahre 2023 vom 11. März 2024, ( BBl 2024 1663 , S. 10)
9 Monitoring der Too-big-to-fail-Gesetzgebung und Revisionsregulierung (Phase 1)
9.1 Monitoring und Weiterentwicklung der TBTF-Gesetzgebung in der Schweiz von 2015-2022
Die Kommission hat das Monitoring und die Weiterentwicklung der TBTF-Gesetzgebung in der Schweiz in den Jahren 2015 bis 2022 in Kapitel 5.2 aufgearbeitet. Nachfolgend legt sie ihre Feststellungen zur Geschäftsführung der Behörden in diesem Zusammenhang (Kap. 9.1.1) sowie zur aktuellen TBTF-Gesetzgebung dar (Kap. 9.1.2).
9.1.1 Bewertung des Monitorings und der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung 2015-2022
Monitoring der TBTF-Regulierung 2015-2022
Artikel 52 des BankG verpflichtet den Bundesrat, der Bundesversammlung seit 2015 alle zwei Jahre über die im März 2012 in Kraft getretenen TBTF-Bestimmungen des BankG Bericht zu erstatten und dabei ihre Vergleichbarkeit mit ausländischen Regelungen und dem Grad der Umsetzung der entsprechenden internationalen Standards im Ausland zu prüfen. Dieser Pflicht ist der Bundesrat nachgekommen (siehe Kap. 5.2). Der Bericht von 2023 verzögerte sich angesichts der CS-Krise um ein Jahr.
Generell ist die Kommission der Ansicht, dass das Monitoring der TBTF-Regulierung in den Evaluationsberichten des Bundesrates von 2015 bis 2021 zu summarisch vorgenommen wurde. Die Kommission kritisiert insbesondere die folgenden Punkte:
i.
Fehlende strategische Auseinandersetzung mit der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung: Den Evaluationsberichten des Bundesrates 2015-2021 fehlt eine strategische Gesamtsicht zur (Weiterentwicklung der) TBTF-Gesetzgebung in der Schweiz.
Konkret beschränkte sich das Gesamtfazit des Bundesrates in den Berichten darauf, jeweils in weitgehend gleichbleibendem Wortlaut festzuhalten, dass die Schweizer TBTF-Regulierung insgesamt positiv zu bewerten und eine fundamentale Neuorientierung nicht angezeigt sei. Der Fokus lag jeweils auf den aktuell anstehenden gesetzgeberischen Arbeiten. Hingegen wurden die Evaluationsberichte nicht zum Anlass genommen, die Angemessenheit der Schweizer TBTF-Regulierung grundsätzlich zu evaluieren und den Handlungsbedarf systematisch zu ermitteln.
ii.
Fehlende Bezugnahme auf die Empfehlungen der vorangegangenen Berichte: Die Evaluationsberichte des Bundesrates nahmen nicht Bezug auf die vorangegangenen Berichte und gaben somit keine Auskunft über den Stand der Umsetzung früherer Empfehlungen. Die Kommission bedauert, dass der Bundesrat trotz des zweimaligen Hinweises des BJ auf diesen Umstand (siehe Kap. 5.2.3.3 und 5.2.4.3) kein eigentliches Monitoring der jeweils beschlossenen Massnahmen und der Entwicklungen in den einzelnen Handlungsfeldern vorgenommen hat.
iii.
Fehlender Aussenblick: Grundlage für den ersten Evaluationsbericht des Bundesrates von 2015 war der Schlussbericht der externen Expertenkommission von 2014. Bis 2023 (nach der Fusion der CS mit der UBS) hat der Bundesrat keine solche Aussenperspektive mehr beigezogen. Die Aufarbeitung der Weiterentwicklung der Schweizer TBTF-Gesetzgebung von 2015 bis 2022 in Kapitel 5.2 zeigt, wie politisch umstritten die Finanzmarktregulierung und die Ausgestaltung der Finanzmarktaufsicht im Untersuchungszeitraum war. Gerade vor diesem Hintergrund erscheint es der Kommission unabdingbar, dass der Bundesrat regelmässig die Einschätzung verwaltungsexterner Expertinnen und Experten einholt und diese in seine strategischen Überlegungen respektive in den Bericht integriert.
iv.
Lückenhafter Vergleich der Schweizer Regulierung mit den internationalen Standards: Die Berichte liessen eine systematische und aktuelle Darstellung der internationalen Standards und ihrer Weiterentwicklung vermissen. Zudem war die Wiedergabe der internationalen Standards und Empfehlungen nicht vollständig. So wurde der PLB, dessen Einführung das FSB bereits 2016 empfohlen hatte, erst im Bericht von 2019 zum ersten Mal in einer Klammerbemerkung erwähnt, ohne dass näher auf dieses Instrument eingegangen wurde.
Die Kommission gelangt somit zum Schluss, dass der Bundesrat seine Berichterstattung nach Artikel 52 BankG zur TBTF-Regulierung in den Jahren 2015 bis 2021 im Sinne einer Rechenschaftslegung wahrnahm, aber eine strategische Gesamtsicht vermissen liess. Dies änderte sich erst mit der CS-Krise: Im Bericht des Bundesrates zur Bankenstabilität vom 10. April 2024, der unter anderem den fünften Evaluationsbericht gemäss Artikel 52 BankG (den ersten nach der Notfusion der CS mit der UBS) enthielt, nahm der Bundesrat erstmals eine strategische Analyse des Handlungsbedarfs in der Bankenregulierung vor. Dabei schlug er ein umfassendes Massnahmenpaket vor. Er hatte zudem eine verwaltungsexterne Aussensicht eingeholt: In den Bericht eingeflossen sind sieben externe Gutachten sowie der Bericht der Expertengruppe «Bankenstabilität» vom 1. September 2023. Die Kommission begrüsst diese neue Ausrichtung und fordert den Bundesrat auf, auch in den künftigen Berichten eine vergleichbare Evaluation vorzunehmen (siehe Empfehlung Nr. 1 am Ende von Kap. 9.1.2).
Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung in der Schweiz 2015-2022
Hinsichtlich der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung in der Schweiz in den Jahren 2015 bis 2022 gelangt die Kommission insgesamt zu drei Feststellungen.
Erstens stellt die Kommission fest, dass die Schweiz bis ca. 2015 zu den Ländern mit der insgesamt am weitesten fortgeschrittenen (bzw. am frühesten umgesetzten) TBTF-Regulierung gehörte. Danach setzte ein anderer Trend ein (siehe Kap. 4.2.2 und 5.2): Aus Rücksicht auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Grossbanken sollten die internationalen Standards nicht rascher umgesetzt werden als in anderen Finanzplätzen.
Das Bemühen des Bundesrates, der internationalen Regulierung zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Grossbanken nicht vorzugreifen, zeigte sich beispielsweise in folgenden Bereichen: Einführung von Going-Concern- und Gone-Concern-Anforderungen für G-SIB (siehe Kap. 5.2.3.1), Einführung der NSFR (siehe Kap. 5.2.5.5), Botschaft des Bundesrates zur Legislaturplanung 2019-2023 (siehe Kap. 5.2.7).
Diese Stossrichtung wurde verfolgt, obwohl die Schweizer Grossbanken, gemessen am Verhältnis zum BIP, deutlich grösser als andere Finanzinstitute waren, was den verantwortlichen Behörden bewusst war. Diese Ausgangslage hat sich nach der Fusion zwischen CS und UBS noch akzentuiert: Die Aktiven der UBS betrugen nach der Integration der CS per Ende 2023 rund 180 % des Schweizer BIP. 2⁰67 Auf diesen Umstand wird im Kontext der Feststellungen der PUK zur existierenden TBTF-Regulierung zurückzukommen sein (siehe Kap. 9.1.2).
Zweitens kommt die PUK zum Schluss, dass der Bundesrat bei der Einführung eines PLB zu zögerlich war. Das FSB empfahl die Einführung 2016. In den Rechtsordnungen wichtiger Finanzplätze war ein PLB bereits eingeführt worden (siehe Kap. 5.2.5.3), bevor das EFD eine erste Analyse des Instruments vornahm. Die SNB und insbesondere die FINMA forderten die Einführung eines PLB spätestens ab 2018. Die EFV, das SIF und das EFD zeigten sich in diesen Jahren skeptisch, da in ihrer Einschätzung ein PLB damals im Parlament keine Mehrheit gefunden hätte. 2⁰68 Der damalige Vorsteher des EFD stimmte Ende 2019 zu, eine interne Erstanalyse zu einem PLB vorzunehmen. Eine entsprechende Arbeitsgruppe wurde erst im März 2020 eingesetzt (siehe Kap. 5.2.5.3). Die Arbeitsgruppe legte dem AF ihren Zwischenbericht im März 2021 vor. Anschliessend dauerte es nochmals ein Jahr, bis der damalige EFD-Vorsteher die Eckwerte einer PLB-Vorlage in den Bundesrat brachte (siehe Kap. 5.2.6.2).
Die Zurückhaltung des EFD bei der Einführung dieses Instruments war der Grund, weshalb der PLB während der CS-Krise notrechtlich eingeführt werden musste. Unter der Annahme einer Mehrheit im Parlament hätte ein PLB, wie von der SNB und der FINMA im Jahr 2018 gefordert, dank seiner präventiven Wirkung (Ex-ante-Vertrauen bei Investorinnen und Investoren und Kundinnen und Kunden) dazu beitragen können, dass der Bankrun im Jahr 2022 und 2023 nicht in gleichem Umfang erfolgt wäre (siehe auch Kap. 13.1.4). Zudem hätte ein bereits gesetzlich verankerter PLB insbesondere ab Herbst 2022 die Handlungsspielräume der Behörden deutlich vergrössert und die Dynamik des Geschehens verbessert (siehe dazu auch die Feststellungen in Kap. 13.1.4). Welche Auswirkungen ein schon damals gesetzlich verankerter PLB auf das Geschäftsgebaren der CS gehabt hätte, kann allerdings nicht beurteilt werden.
Drittens stellt die Kommission fest, dass der Bundesrat den Grossbanken bei der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung in den Jahren 2015 bis 2022 verschiedentlich entgegenkam. Er tat dies, obwohl insbesondere die FINMA und die SNB unter Bezugnahme auf die Finanzmarktstabilität oftmals gemeinsam die gegenteilige Position vertraten (siehe Kap. 5.2.4.2, 5.2.5.5 und 5.2.6.3): 2⁰69
i.
Bei der Einführung von Going-Concern- und Gone-Concern-Anforderungen für G-SIB durch die Teilrevision der ERV von 2016 gewährte der Bundesrat nach bilateraler Rücksprache des GS-EFD mit der CS verlängerte Übergangsfristen. Weiter nahm er entgegen der Position von FINMA und SNB die von den Banken befürworteten tieferen Zuschläge in die teilrevidierte ERV auf. Zudem sah er von einer weitergehenden quantitativen Offenlegungspflicht, wie sie das EJPD gefordert hatte, ab (siehe Kap. 5.2.3.1).
ii.
Das Bundesgesetz über die Berechnung des Beteiligungsabzugs bei systemrelevanten Banken wurde trotz Zweifeln des BJ an der Verfassungsmässigkeit der Vorlage eingeführt (siehe Kap. 5.2.4.2).
iii.
Die Einführung der Going-Concern-Anforderungen für die Stammhäuser der CS- und der UBS-Gruppe wurde aufgrund der Opposition der Grossbanken um ein Jahr verzögert (siehe Kap. 5.2.5.1).
iv.
Beim Erlass der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz folgte der Bundesrat nicht der Position des BJ, wonach der Bundesrat keine genügende gesetzliche Grundlage für den Erlass der vorgesehenen Verordnung hatte (siehe Kap. 5.2.5.2).
v.
Die Einführung der Finanzierungsquote (NSFR) erfolgte, auch auf Druck der Banken und entgegen den Positionen der SNB und insbesondere der FINMA, anstatt 2018 erst Mitte 2021 (siehe Kap. 5.2.5.5).
vi.
Bei der Einführung eines neuen Liquiditätskonzeptes im Jahr 2022 gewährte der Bundesrat den Banken trotz Bedenken der FINMA lange Übergangsfristen und kam ihnen bezüglich Offenlegungspflichten entgegen (siehe Kap. 5.2.6.3).
vii.
Beim Ersatz des Rabattsystems durch ein neues Anreizsystem verzichtete der Bundesrat aufgrund der Kritik der Banken in der Vernehmlassung auf die Veröffentlichung der Höhe gewisser Kapitalzuschläge. Zudem ist es im neuen System so, dass die FINMA Zuschläge auf die Basisanforderungen verlangen kann, wenn sie Hindernisse bei der Sanierbarkeit und Liquidierbarkeit der Banken feststellt. Im alten System mussten hingegen die Banken ihren Anspruch auf Erteilung oder Beibehaltung des Rabatts und somit auf Unterschreitung der eigentlichen Anforderungen begründen (siehe Kap. 5.2.6.4).
Die PUK richtet basierend auf diesen Feststellungen am Ende von Kapitel 9.1.2 eine entsprechende Empfehlung an den Bundesrat (Empfehlung 1).
2⁰67 Bericht des Bundesrates zur Bankenstabilität vom 10.4.2024 ( BBl 2024 1023 , S. 17 f.)
2⁰68 Gemäss dem damaligen Vorsteher des EFD schlossen sich auch die FINMA und die SNB in der Beurteilung diesem Argument an. Laut ihm sei man zum Schluss gekommen, dass eine Ablehnung im Bundesrat und im Parlament vermieden werden müsse. Stellungnahme des ehemaligen EFD-Vorstehers vom 28.10.2024.
2⁰69 In den gemeinsamen Gesprächen mit dem Vorsteher des EFD, dem SIF, der SNB, der FINMA und den Grossbanken stimmten laut dem damaligen Vorsteher des EFD aber jeweils alle den gemeinsam erarbeiteten Lösungen zu. Stellungnahme des ehemaligen EFD-Vorstehers vom 28.10.2024.
9.1.2 Bewertung der existierenden TBTF-Regulierung
Ausgangslage
Die aktuell geltende TBTF-Regulierung ist in grossen Teilen das Ergebnis der Weiterentwicklungen in den Jahren 2015 bis 2022, welche in Kapitel 5.2 dieses Berichtes dargestellt werden. Nach der CS-Krise haben Behörden und Politik erste Lehren gezogen und verschiedentlich Anpassungsbedarf an der TBTF-Regulierung ausgemacht (für einen Überblick über die wichtigsten Publikationen nach der CS-Krise siehe Kap. 8.4). Aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht ist diese Bilanzierung der Ereignisse und des aktuellen Rechtsrahmens durch die betroffenen Behörden, namentlich Bundesrat, FINMA und SNB, zu begrüssen. Die Kommission ihrerseits hat entsprechend ihrem Auftrag ihre Untersuchung und folglich auch ihre Feststellungen auf die angesichts der CS-Krise zentralen Aspekte der aktuellen TBTF-Regulierung sowie auf übergeordnete Ausführungen zur Ausrichtung der Schweizer TBTF-Regulierung beschränkt.
Feststellungen zu spezifischen Instrumenten der Schweizer TBTF-Regulierung
Die PUK hat zur Frage, wie die schweizerische Finanzmarktgesetzgebung im internationalen Quervergleich zu beurteilen ist, ein externes Mandat vergeben (siehe Kap. 1.4.3.2). Der Expertenbericht Hungerbühler identifizierte zwei signifikante Abweichungen der aktuellen Schweizer TBTF-Regulierung von den internationalen Standards: das Fehlen eines PLB und die Ausgestaltung der Einlagensicherung (siehe Kap. 5.2.7). Hinzu kommt die TPO, welche in der schweizerischen Gesetzgebung nicht vorgesehen ist (siehe Kap. 8.4). Zu diesen drei Punkten stellt die PUK Folgendes fest:
Erstens verfügt die Schweiz zum Zeitpunkt der Schlussredaktion dieses Berichtes weiterhin nicht über einen gesetzlich verankerten PLB (siehe Kap. 8.3). Der Bundesrat hat am 6. September 2023 eine Botschaft zur Einführung des PLB verabschiedet. Zum Publikationszeitpunkt des PUK-Berichtes ist die Vorlage in den Räten hängig. 207⁰ Im Vergleich zum PLB, wie er in der CS-Krise per Notverordnung eingeführt wurde, soll der PLB gemäss Botschaft des Bundesrates mit einer Abgeltungspauschale ergänzt werden, welche die systemrelevanten Banken dem Bund im Voraus entrichten müssen. Zweck dieser Pauschale sind die Abgeltung des Risikos für den Bund sowie die Entschärfung von Wettbewerbsverzerrungen, die beim Vorhandensein eines PLB zugunsten der systemrelevanten Banken eintreten können. Zudem soll eine Bank, wenn sie PLB-Darlehen bezieht, die Leistungen von Bund und SNB mit diversen Prämien und Zinsen abgelten. Während die Bank solche Darlehen bezieht, soll sie weiter einem Dividendenverbot sowie einem Verbot zur Gewährung und Rückzahlung von Darlehen an die Eigentümerinnen und Eigentümer der Konzernobergesellschaft und zur Rückerstattung von Kapitaleinlagen unterliegen.
Hätte die Schweiz bereits im Herbst 2022 über einen gesetzlich verankerten expliziten PLB verfügt, so hätten die Behörden damals über zusätzliche Handlungsspielräume verfügt. Denn das Risiko, durch die kurzfristige notrechtliche oder die beschleunigte ordentliche Einführung eines PLB im Herbst/Winter 2022 ein schädliches Signal an die Märkte zu senden (siehe Kap. 6.3.4), hätte von vornherein ausgeschlossen werden können (siehe dazu auch die Feststellungen in Kap. 13.1.4). Damit ist nicht gesagt, dass die CS in dieser hypothetischen Situation tatsächlich im Herbst 2022 tatsächlich PLB-Darlehen bezogen hätte und ein solcher Bezug die Liquiditätsabflüsse nachhaltig gestoppt hätte oder dass die Ereignisse im März 2023 einen anderen Ausgang genommen hätten. Ein bereits eingeführter PLB hätte jedoch zweifellos vertrauensbildend gewirkt. Auch hätte der Bundesrat in der Krise nicht auf Notrecht zurückgreifen müssen, um den PLB zu schaffen (siehe Kap. 9.1.2). Die PUK ist auch deshalb von der Nützlichkeit des Instruments eines PLB überzeugt und befürwortet dessen rasche Einführung.
Zweitens hält die PUK fest, dass der Bericht von Lea Hungerbühler im Bereich der Einlagensicherung eine Abweichung von den internationalen Standards in wesentlichen Aspekten konstatierte (siehe Kap. 5.2.6.5). Das Massnahmenpaket des Bundesrates nach der CS-Krise, welches er in seinem Bericht zur Bankenstabilität vom 10. April 2024 vorstellte, sieht keine Anpassungen im Bereich der Einlagensicherung vor. Der Bundesrat begründet dies mit der ablehnenden Haltung des Gesetzgebers in der Vergangenheit.
Eine angepasste Einlagensicherung hätte vermutlich keinen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung der Behörden im Rahmen der CS-Krise gehabt. Da künftige Krisen nicht zwingend gleich wie bisherige Krisen verlaufen, würde es die PUK befürworten, dass der Bundesrat eine Anpassung der Einlagensicherung prüft und dem Gesetzgeber gegebenenfalls eine entsprechende Vorlage unterbreitet.
Drittens ist das Instrument einer TPO in der Schweizer Gesetzgebung weder explizit enthalten noch vorgesehen, obwohl das Instrument international bereits seit 2011 diskutiert wird und mehrere Länder es bereits 2016 eingeführt haben (siehe Kap. 5.2.2.1). Dieser Umstand ist auch dem Bundesrat bewusst. In seinem Bericht zur Bankenstabilität vom 10. April 2024 verwarf er die Einführung einer TPO unter anderem deshalb, weil sie aus seiner Sicht ein systemfremdes Instrument ist. Die Kommission stellt fest, dass manche Behörden in der CS-Krise die Einführung einer TPO per Notrecht bis zum Schluss als Option verfolgten und sie entsprechend vorbereitet hatten. Die CS-Krise legt nahe, dass die Anwendung eines solchen Instruments in einer ähnlich gearteten Krise nötig werden könnte. Wenn eine TPO in der ordentlichen Gesetzgebung vorhanden wäre, würde ein solcher Anwendungsfall eine höhere demokratische Legitimation aufweisen. Die PUK erachtet es deshalb als sinnvoll, die Einführung einer TPO in der ordentlichen Gesetzgebung vertieft unter Abwägung aller Vor- und Nachteile abzuklären. Eine entsprechende Vorlage könnte beispielsweise verschiedene Varianten einer TPO berücksichtigen (TPO für Teile wie für die gesamte [G-]SIB).
Feststellungen zur Ausrichtung der Schweizer TBTF-Regulierung
Unabhängig von den konkret anwendbaren Kapitalvorschriften und Liquiditätsanforderungen veranlasst die Auseinandersetzung mit der CS-Krise die PUK zu einigen Feststellungen, welche die allgemeine Ausrichtung der Schweizer TBTF-Regulierung betreffen.
Erstens hat die CS-Krise einen Zielkonflikt gewisser Massnahmen mit der TBTF-Gesetzgebung aufgezeigt. Die TBTF-Gesetzgebung bezweckt, staatliche Beihilfen zu vermeiden (siehe Zweckartikel in Art. 7 Abs. 2 BankG). Ein PLB und insbesondere eine TPO können im Widerspruch zu diesem gesetzlich verankerten Ziel stehen. Gerade am Beispiel TPO lässt sich dieser Zielkonflikt exemplarisch darstellen: Einerseits wäre die explizite gesetzliche Regelung einer TPO aus demokratiepolitischen und rechtsstaatlichen Überlegungen heraus zu befürworten. Zudem würde die explizite gesetzliche Regelung die betroffenen Stakeholder (Behörden, Parlament und Wirtschaft) dazu zwingen, sich im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahren konkret mit den Herausforderungen, der praktischen Umsetzung und den Auswirkungen einer TPO auseinanderzusetzen. Andererseits verfolgt die TBTF-Gesetzgebung, wie erwähnt, grundsätzlich das Ziel, staatliche Beihilfen zu vermeiden. Insofern könnte eine TPO möglicherweise einen falschen Anreiz setzen.
Die Behörden taten sich während der CS-Krise, wenn es um die Themen PLB und TPO ging, wiederholt schwer mit diesem Zielkonflikt. Er verweist auf eine Frage, die für die Schweiz zentral ist, weil der Bankensektor eine derart grosse Bedeutung für ihre Finanzstabilität und ihre Wirtschaft aufweist. Sie lautet: Ist eine gewichtige Bankenkrise realistischerweise ohne staatliche Beihilfe zu bewältigen, oder sind staatliche Beihilfen zumindest in gewissen Szenarien zur Abwehr von grösseren Schäden unumgänglich? Trifft Letzteres zu, so folgt die ordnungspolitische Frage, inwiefern und wie die daraus resultierenden Wettbewerbsverzerrungen von den betroffenen Akteuren abgegolten werden sollen.
Zweitens stellt die Kommission fest, dass die TBTF-Gesetzgebung, insbesondere was die Notfallplanung betrifft, zu sehr auf die Schweiz fokussiert ist. Eine aus der Schweiz heraus tätige G-SIB weist starke internationale Interdependenzen auf. Die Schweizer TBTF-Gesetzgebung hat diesen Umstand in Bezug auf die Notfallplanung teilweise vernachlässigt. Der Fokus des Notfallplans auf die systemrelevanten Schweizer Teile hätte bei einem ELA-Bezug ein Problem für die Liquiditätsverteilung innerhalb der Gruppe sein können (siehe Kap. 6.4.2). Zudem hätte die Abwicklung einer aus der Schweiz heraus tätigen G-SIB voraussichtlich grosse Verwerfungen in ausländischen Finanzmärkten und schwerwiegende Konsequenzen für die internationale Finanzstabilität zur Folge gehabt. Denn im Falle der Anwendung der Rückfalloption (Notfallplan) würde nur gerade der für den Schweizer Finanzplatz bzw. für die Schweizer Wirtschaft systemrelevante Teil gerettet. Die Kommission ist deshalb der Ansicht, dass die Planung für die Abwicklung einer aus der Schweiz heraus international tätigen G-SIB diese internationalen Verflechtungen mitberücksichtigen muss. Will sich die Schweiz eine hier ansässige G-SIB leisten, muss sie entsprechend Verantwortung übernehmen. Wie die CS-Krise gezeigt hat, handelt es sich dabei um ein Erfordernis der Praxis: Jegliche Bewältigung einer Krise bei einer G-SIB, wie sie die CS erfahren hat, erfordert die Koordination mit den ausländischen Aufsichtsbehörden. Dies ist noch akzentuierter der Fall bei der Abwicklung einer G-SIB. Ansonsten besteht das Risiko, dass ausländische Behörden Mittelabflussbeschränkungen für die ausländischen Tochtergesellschaften oder Niederlassungen einer Schweizer G-SIB (Ring Fencing) verhängen, was sämtliche Bemühungen der Schweizer Behörden zunichtemachen könnte. Auch in der CS-Krise war Ring Fencing, wie in Kapitel 7.2.2.2 dargelegt, ein erschwerender Faktor.
Vor dem Hintergrund dieser beiden Feststellungen zur allgemeinen Ausrichtung der Schweizer TBTF-Gesetzgebung reicht die PUK folgende Motion ein:
| Motion Nr. 1: Ziele der TBTF-Gesetzgebung anpassen Der Bundesrat wird beauftragt, der Bundesversammlung aufgrund der Erkenntnisse aus der CS-Krise einen Entwurf zu Anpassungen am Zweckartikel der TBTF-Regulierung (Art. 7 Abs. 2 BankG) vorzulegen. Die Ziele der TBTF-Gesetzgebung sollen nebst dem Schutz des schweizerischen Finanzsystems auch die Umsetzbarkeit im internationalen Verhältnis sowie die Vermeidung der Auslösung einer internationalen Finanzkrise beinhalten. |
Drittens hat die Kommission anhand der CS-Krise erkannt, dass die TBTF-Regulierung nicht für eine Vertrauenskrise konzipiert ist. Das konkrete Problem der CS waren zwar enorme Liquiditätsabflüsse, die im heutigen digitalen Kontext sehr schnell vonstattengehen konnten respektive gingen. Die Ursache war aber eine sich akzentuierende Vertrauenskrise in die Bank aufgrund etlicher Vorfälle und einer über Jahre fortgesetzten Misswirtschaft. Die Kommission befürwortet, wie bereits erwähnt, die Einführung eines PLB, der zusätzliches Vertrauen bei Investorinnen und Investoren sowie Kundinnen und Kunden schaffen kann. Darüber hinaus ist die Kommission der Ansicht, dass die Gesetzgebung zu stark auf diverse Kennzahlen fokussierte, aus denen die Vertrauenskrise nicht ablesbar war, während andere Marktindikatoren (z. B. Aktienkurse, Kreditratings, CDS-Spreads) vernachlässigt wurden respektive weiterhin werden. Die Kommission begrüsst daher, dass der Bundesrat in Massnahme 22 seines Berichtes zur Bankenstabilität vom 10. April 2024 unter anderem vorsieht zu prüfen, inwiefern die verbindliche Berücksichtigung umfassender Marktindikatoren und qualitativer Indikatoren bei der Ausübung der Bankenaufsicht gesetzlich vorzuschreiben ist.
Viertens ist es aus Sicht der PUK absolut unumgänglich, den Umstand, dass die verbleibende G-SIB im Verhältnis zum Schweizer BIP ein Vielfaches grösser ist, als es andere Finanzinstitute im Verhältnis zum BIP des jeweiligen Landes sind, in der Regulierung angemessen zu berücksichtigen. Die PUK ist der Ansicht, dass die blosse Erfüllung der internationalen Standards nicht genügt, um die Risiken allfälliger Krisen der verbleibenden G-SIB für die Schweizer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler angemessen zu kontrollieren. Wenn die verbleibende G-SIB höhere Anforderungen zu erfüllen hat als die internationale Konkurrenz, hat sie möglicherweise kurzfristig höhere Kosten zu gewärtigen, z. B. für den Aufbau der notwendigen Eigenmittel. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob es für Finanzplatz, Volkswirtschaft und Gesellschaft nicht kostspieliger ist, wenn beim Eintritt eines Risikoszenarios für die verbleibende G-SIB zusätzliche staatliche Unterstützung notwendig wird. Aus Sicht der PUK ist mit zusätzlicher oder strengerer Regulierung zwar nicht garantiert, dass jegliche Krise verhindert werden kann oder dass staatliche Beihilfen konsequent vermieden werden können (siehe oben). Aber die Frage, ob mit einer strengeren Regulierung der Umfang staatlicher Beihilfen im Krisenfall nicht vermindert werden kann, muss gestellt werden.
Die PUK ist der Ansicht, dass die TBTF-Gesetzgebung weiterzuentwickeln und an die vergleichsweise bedeutende Grösse der verbleibenden Schweizer G-SIB anzupassen ist. Dabei sind die internationalen Abhängigkeiten von G-SIB zu berücksichtigen. Es sind Massnahmen zu prüfen, wie eine Abwicklung des Instituts nach einer von der FINMA im Rahmen eines Sanierungsverfahrens angeordneten Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital (Bail-in) möglich wäre. Des Weiteren sind grenzüberschreitende Livetests vorzusehen, um die Funktionsfähigkeit der TBTF-Regulierung unter realistischen Bedingungen und unter Einbezug der obersten Leitungsebene zu prüfen.
Aus diesen Überlegungen heraus und aufgrund der weiteren Feststellungen im gesamten Kapitel 9.1 formuliert die PUK die folgende Empfehlung zur Weiterentwicklung und zum Monitoring der TBTF-Regulierung an den Bundesrat:
| Empfehlung Nr. 1 Der Bundesrat wird aufgefordert, bei der zukünftigen Ausgestaltung der TBTF-Regulierung die internationalen Abhängigkeiten von SIBs sowie die vergleichsweise bedeutende Grösse der verbleibenden Schweizer G-SIB angemessen zu berücksichtigen. Den Interessen der Finanzstabilität und der Gesamtvolkswirtschaft sowie gemeinsamen Stellungnahmen der Organe, die für die Finanzstabilität verantwortlich sind, ist mehr Gewicht beizumessen.Die Kommission fordert den Bundesrat auch auf, in seinen Evaluationsberichten gemäss Artikel 52 BankG jeweils eine umfassende strategische Auseinandersetzung mit der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung vorzunehmen. |
207⁰ Gemäss Medienmitteilung der WAK-S ist die Vorlage bis zum Erscheinen des PUK-Berichtes sistiert: «Public Liquidity Backstop. Sistierung der Beratung», Medienmitteilung der WAK-S vom 28.8.2024.
9.2 Rechtliche Regelung der Aufsicht über die Revision von systemrelevanten Banken
Seit 2015 kommt in der Schweiz für die Finanzinstitute ein duales Aufsichtssystem zum Tragen, in welchem die Banken ihre Revisionsgesellschaften selbst auswählen und entlöhnen. Dieses System birgt das Risiko von Interessenkonflikten, da sich die Revisionsgesellschaften von den Interessen ihrer Kunden beeinflussen lassen könnten, was die Objektivität und Stringenz der Revisionen beeinträchtigen würde. Der IWF kritisierte diesen Punkt in seinen Evaluationen. Er zeigte die strukturellen Schwächen im aktuellen Aufsichtssystem auf, identifizierte mehrere verbesserungsbedürftige Bereiche und empfahl unter anderem die Direktmandatierung der Revisionsgesellschaften durch die FINMA sowie die verpflichtende Rotation der Revisionsgesellschaften.
Die FINMA leitete infolge dieser Empfehlung des IWF eine grundlegende Überprüfung ein und ermittelte Optimierungspotenzial in verschiedenen Bereichen (siehe Kap. 5.2.8). Sie entschied sich letztlich für ein Paket von Optimierungsmassnahmen ohne Direktmandatierung, da die politische Realisierbarkeit aufgrund des grossen Widerstands aus ihrer Sicht nicht gegeben war. Alternativ wählte sie eine Kostenreduktion von ungefähr 30 %, um das aus ihrer Sicht ungünstige Kosten- und Nutzenverhältnis zu verbessern. Die RAB lehnte diese Reduktion ab, da diese ihrer Meinung nach die Qualität der Revisionen beeinträchtigen könnte. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Bewertung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses wichtig ist, auch wenn die Kostensenkung an sich nicht das zentrale Element ist, das berücksichtigt werden sollte.
Aus Sicht der Kommission wäre eine Prüfung der aktuellen Regelung des Aufsichtssystems, einschliesslich einer Prüfung der Direktmandatierung und der obligatorischen Rotation der Revisionsgesellschaften, mit Blick auf die Wirksamkeit der Aufsicht angezeigt. Dabei wäre auch zu berücksichtigen, ob strengere Regeln vor allem für die SIBs und G-SIBs sinnvoll wären.
| Postulat Nr. 1: Interessenskonflikte bei der Revision von Banken vermindern Die Kommission beauftragt den Bundesrat, die aktuelle Regelung der Revisionsaufsicht für SIBs mit Fokus auf die Verminderung des Risikos von Interessenkonflikten zu überprüfen und entsprechende Massnahmen zu evaluieren, beispielsweise eine Direktmandatierung oder eine zwingende Rotation der Revisionsgesellschaften. |
Die Kommission hält fest, dass die Koordination zwischen der RAB und der FINMA im Krisenfall unzureichend ist (siehe Kap. 5.4.3). Dies liegt teilweise daran, dass ein klarer Regulierungsrahmen für den formellen «Krisenmodus» fehlt. Diese Schlussfolgerung stützt sich auf mehrere Punkte. Erstens wurde, obwohl vorher regelmässige operative Austauschprozesse zwischen der RAB und der FINMA zu regulatorischen (RA) und finanziellen Prüfungen (FA) stattfanden und einige dieser Sitzungen dokumentiert wurden, für den Zeitraum nach 2017 keine formelle und spezifisch strukturierte Dokumentation zu Interaktionen, insbesondere im Hinblick auf die Situation der Credit Suisse, gefunden. Zweitens gab es trotz einiger strategischer Treffen zwischen 2015 und 2023 zu allgemeinen Regulierungsfragen keine spezifischen Austauschprozesse, die der kritischen Lage der CS gewidmet waren, was auf einen Mangel an Koordination in diesem wichtigen Fall hindeutet. Schliesslich zeigt das Fehlen eines formellen und dokumentierten Prozesses nach 2017 für die Finanzprüfungen und den Austausch zur Lage der CS ein Defizit bei der Nachverfolgung und beim Informationsaustausch in Krisenzeiten auf. Diese Lücke führte bei den Schwierigkeiten der CS zu einer Fragmentierung der Aufsicht und beeinträchtigte deren Wirksamkeit (siehe hierzu Empfehlung 8 in Kap. 11.2.2).
10 Risikomanagement und Krisenfrüherkennung - vor Krisenbeginn
10.1 Bewertung des Risikomanagements durch die Kommission
Nach der staatlichen Rettung der UBS im Jahr 2008 fand das Risiko der drohenden Insolvenz von systemrelevanten Finanzinstituten Eingang ins Risikoreporting.
Bewirtschaftung des Risikos im EFD
Die Kommission gelangt zum Schluss, dass die Bewirtschaftung des Risikos im Berichtszeitraum angemessen und zweckmässig war. Sie erachtet es insbesondere als richtig, dass die Verantwortung des Risikoeigners im Jahr 2018 vom damaligen Departementsvorsteher der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen übertragen wurde. So konnte eine bessere Überwachung und Bewirtschaftung des Risikos gewährleistet werden, zumal auch die Federführung bei der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung im SIF angesiedelt war.
Der Beschrieb des Risikos beinhaltet seit Beginn ein Credible-worst-Case-Szenario , welches für die PUK angemessen und nachvollziehbar ist. Ein mögliches Worst-Case-Szenario wurde im EFD anhand der staatlichen Rettung der UBS berechnet. Die Folgenabschätzung wurde im Laufe der Jahre regelmässig durch die jeweils zuständige Verwaltungseinheit überarbeitet und angepasst. Im Credible-worst-Case ging das EFD davon aus, dass der Bund im Ereignisfall gezwungen wäre, die betroffene Bank mit öffentlichen Geldern zu stützen.
Einstufung des Risikos
Die Auswirkungen des Risikos schätzte das EFD als «sehr hoch» ein, was der höchsten Stufe entspricht. Deshalb stellte dieses Risiko ein Bundesratsrisiko dar (siehe Kap. 5.7). Die Dimension der Auswirkungen bildet das Credible-worst-Case-Szenario ab.
Angesichts der grossen volkswirtschaftlichen und damit in erster Linie finanziellen Auswirkungen, die die Realisierung des Risikos mit sich bringen würde, war die Einstufung der Auswirkungen und damit die Einstufung als Bundesratsrisiko folgerichtig. Die Einstufung der Auswirkungen wurde im Berichtszeitraum nicht verändert, was die Kommission ebenfalls als angemessen erachtet.
Hingegen variierte die Einstufung der Eintrittswahrscheinlichkeit im Berichtszeitraum. Mit dem Risikoreporting 2017 wurde die Eintrittswahrscheinlichkeit von «möglich» (alle 3 bis 10 Jahre) auf «selten» (alle 10 bis 50 Jahre) zurückgestuft. Begründet wurde dieser Entscheid damit, dass die Umsetzung verschiedener Massnahmen zum damaligen Zeitpunkt weit fortgeschritten war und sich sowohl das wirtschaftliche als auch das politische Umfeld stabilisiert hatte. Diese Einstufung war, wie sich rückblickend zeigt, zu optimistisch. Mit dem Risikoreporting 2022, welches im Februar 2023 erstellt wurde, setzte das SIF das Risiko wiederum auf die Stufe «möglich». Begründet wurde diese Änderung mit dem massiven Vertrauensverlust der CS. Dabei stellte das SIF klar, dass «eine Solvenz- oder Liquiditätskrise über einen längeren Zeitraum betrachtet nach wie vor als selten einzustufen ist.» 2⁰71 Das SIF führte aus, dass diese Änderung «im aktuellen Umfeld und zumindest vorübergehend» 2⁰72 vorgenommen worden sei. Damit dürfte das SIF nicht zuletzt auch dem Bundesrat vermittelt haben, dass die Höherstufung nur temporärer Natur sein dürfte.
Die späte Hochstufung von selten auf möglich vermag - im Nachhinein betrachtet - die damalige Situation zwar akkurat wiederzugeben. Sie zeigt die hohe Dynamik in den ersten Monaten des Jahres 2023. Es gilt jedoch festzuhalten, dass das Risikoreporting nicht das geeignete Instrument darstellt, um eine solche Krise abzubilden. Das Risikomanagement sollte unter anderem sicherstellen, dass das Krisenmanagement zeitgerecht aktiviert werden kann. Diesem Aspekt ist gerade bei der Einstufung und bei der Erstellung der grafischen Darstellung Rechnung zu tragen. Ab dem Moment, in dem sich ein Risiko dieser Grössenordnung zu realisieren beginnt, geht es nicht mehr um Fragen des Risikomanagements, sondern um solche der Krisenbewältigung.
Beurteilung der getroffenen Massnahmen
Ein Grossteil der Massnahmen, die zur Abschwächung der Eintrittswahrscheinlichkeit oder der Auswirkungen des Risikos ergriffen wurden, bestand in der Weiterentwicklung der TBTF-Gesetzgebung und deren Umsetzung durch die systemrelevanten Banken. An dieser Stelle sei auf die Ausführungen in Kap. 9.1 hingewiesen. Es kann festgehalten werden, dass während des Untersuchungszeitraums laufend neue Massnahmen zur Minimierung des Risikos ergriffen wurden.
Es ist zu begrüssen, dass ab dem Risikoreporting 2022 die aktiven Massnahmen erstmals einer Beurteilung unterzogen wurden. Spätestens ab Beginn der Akutkrise von Mitte März 2023 wurde klar, dass die verschiedenen Massnahmen nicht ausreichten und die CS nicht solid genug aufgestellt war, um sich selber aus der Krise retten. Auch zeigte sich, dass eine Abwicklung gemäss der TBTF-Gesetzgebung mit hohen Risiken verbunden war (siehe Kap. 9.1.2 und 13.2.5). Da die Massnahmen im Risikoreporting grossmehrheitlich die TBTF-Weiterentwicklung wiedergeben, wird hier auf eine detaillierte Bewertung der Massnahmen verzichtet und stattdessen auf Kap. 9.1 verwiesen. Die PUK hält an dieser Stelle jedoch fest, dass die eingangs dargestellte Beurteilung der Massnahmen im Risikoreporting angesichts der Notfusion der CS mit der UBS wohl zu positiv ausgefallen ist.
Behandlung des Risikos durch die GSK
Die Abklärungen der PUK haben gezeigt, dass sich die GSK, welche das Risikoreporting jeweils vor der Kenntnisnahme durch den Bundesrat behandelt, im Berichtszeitraum ein einziges Mal explizit mit dem Risiko «Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts» befasst hat. Dies erachtet die PUK nicht als angemessen, handelt es sich doch um eines der grössten Risiken für die Eidgenossenschaft.
Umgang des Bundesrates und des Departementsvorstehers mit dem Risiko
Zu thematisieren ist auch der Umgang des Bundesrates und des damaligen Departementsvorstehers mit dem Risiko. In Bezug auf den wiederholt von den GPK geforderten Einbezug des Risikomanagements als Führungsinstrument sowohl auf Stufe Departement als auch auf Stufe Bundesrat kommt dem jeweiligen Departementsvorsteher eine zentrale Funktion zu. Aufgrund der restriktiven Information zuhanden des Bundesrates über die Lage der CS (siehe Kap. 13.1.3) konnte dieser das Risikomanagement im Spätsommer und Herbst 2022 nicht als Führungsinstrument wahrnehmen. Diesbezüglich kann ihm kein Vorwurf gemacht werden, da ihm die notwendigen Informationen fehlten. Ob der damalige Departementsvorsteher das Risikomanagement in seinem Departement als Führungsinstrument wahrgenommen hat, kann vorliegend nicht abschliessend beurteilt werden.
Aus Sicht der PUK ist es zentral, dass für spezifische Fälle eine Eskalation durch den jeweiligen Risikoeigner an den Bundesrat möglich ist, wie dies im Übrigen bereits ein Bericht der GPK aus dem Jahr 2018 2⁰73 gefordert hatte. Der PUK ist bewusst, dass dadurch das Departementalprinzip punktuell ausgehebelt wird. Sie ist jedoch der Meinung, dass die genannte Möglichkeit gerade bei Bundesratsrisiken, welche die grössten Risiken für die Eidgenossenschaft darstellen, einzuführen ist (siehe hierzu Empfehlung Nr. 2 unten).
Übergang vom Risikomanagement zur Krisenbewältigung
Die Notfusion der CS mit der UBS zeigte verschiedene Mängel im Krisenmanagement des Bundes auf. So fehlt es an einem Mechanismus, der die Transition vom Risikomanagement hin zur Krisenbewältigung sicherstellt. Sobald sich ein Risiko zu realisieren beginnt, befinden sich die geschäftsführenden Stellen nicht mehr im Risikomanagement, sondern in der Krisenbewältigung. Die grafische Darstellung im Risikoreporting (Einstufung der Auswirkungen und der Eintrittswahrscheinlichkeit) erlaubt es nicht, ein sich realisierendes Risiko adäquat darzustellen. Die Darstellung ist für diesen Zweck ungeeignet. Zudem ist für die PUK gerade bei der Transition vom Risikomanagement hin zur Krisenbewältigung nicht klar, welche Rolle der GSK zukommt. Es gilt, die Rolle der GSK zu klären und gegebenenfalls zu stärken.
| Empfehlung Nr. 2 Der Bundesrat wird eingeladen zu prüfen, in welchen Konstellationen im Rahmen des Risikomanagements die Einführung eines Eskalationsrechts an ihn angemessen ist, und die notwendigen Massnahmen zur Einführung dieses Rechts zu unternehmen. Dabei ist den Bundesratsrisiken speziell Rechnung zu tragen. Des Weiteren wird er aufgefordert, die Transition zwischen Risikomanagement und Krisenbewältigung sicherzustellen und hierfür ein institutionalisiertes Gefäss zu schaffen. Insbesondere soll der Bundesrat prüfen, wie die Rolle der GSK in diesem Bereich gestärkt werden kann. |
Abschliessend hält die PUK fest, dass das Risiko im vorliegenden Fall auf Stufe Staatssekretariat angemessen und zweckmässig bewirtschaftet wurde. Eine gute Bewirtschaftung eines Risikos und der verschiedenen ergriffenen Massnahmen bleibt jedoch wirkungslos, wenn im Risikomanagement der Blick nicht auch auf die Krisenbewältigung im Sinne einer Gesamtkonzeption ausgeweitet wird.
Einen zentralen Anpassungsbedarf sieht die PUK zudem im Bereich der Krisenfrüherkennung. Die Schnittstelle zwischen Risikomanagement und der Krisenfrüherkennung wird im nachfolgenden Kapitel thematisiert.
2⁰71 Risikoreporting 2022, Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts
2⁰72 Risikoreporting 2022, Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts
2⁰73 GPK-N/S: Bericht zum Risikoreporting ( BBl 2018 1457 ).
10.2 Bewertung der Krisenfrüherkennung durch die Kommission
Die Krisenfrüherkennung kommt auf Stufe Bundesrat der Bundeskanzlei zu, weshalb auch die Rolle der BK von der PUK analysiert worden ist. Die PUK stellt ernüchtert fest, dass eine eigentliche Krisenfrüherkennung, die dieser Bezeichnung gerecht werden würde, nicht besteht. Weiter hält die PUK fest, dass sie von der zuständigen BK keine diesbezüglichen Unterlagen erhalten hat.
Nach Auffassung der BK besteht die Krisenfrüherkennung vor allem darin, die Risiken im Risikoreporting laufend zu analysieren und zu untersuchen, ob das Reporting vollständig ist. Diesbezüglich ist die Krisenfrüherkennung Teil des Risikomanagements. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass der Krisenfrüherkennung durch die BK in Bezug auf ein einzelnes Risiko keine aktive Rolle zukommt, sobald ein Risiko einmal erfasst ist. Dies war auch beim Risiko der «Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts» der Fall. Der gesetzliche Auftrag an die BK verpflichtet den Bundeskanzler, den Bundesrat bei der rechtzeitigen Erkennung und bei der Bewältigung von Krisen zu beraten und zu unterstützen (Art. 32 lit. g RVOG). Soweit für die PUK ersichtlich, gibt es auf Stufe Bundesrat keine weitere Stelle, die sich mit der Krisenfrüherkennung auseinandersetzt, weshalb dem zitierten Artikel aus dem RVOG eine noch grössere Bedeutung zuzumessen ist.
Der Krisenfrüherkennung kommt nach Auffassung der BK insbesondere dann keine spezifische Rolle zu, wenn sich ein Risiko, das im Risikoreporting erfasst ist, zu realisieren beginnt. Dieser Umstand ist unbefriedigend und soll hinterfragt werden. Gemäss dem Handbuch zum Risikomanagement Bund der EFV weist die Krisenfrüherkennung einen Betrachtungshorizont von mehreren Monaten bis maximal anderthalb Jahren auf. Es sollen Ereignisse oder Trends betrachtet werden, die sich in dieser Zeitspanne zu einer Krise entwickeln können. 2⁰74 Wenn sich die Krisenfrüherkennung der BK darin erschöpft, das Risikoreporting zu analysieren und allenfalls zu ergänzen, vermag dieser Ansatz der Definition im Handbuch der EFV nicht gerecht zu werden.
Aus Sicht der PUK ist das Instrument der Krisenfrüherkennung nur dann zweckmässig, wenn dadurch auch sich anbahnende Krisen erkannt werden können, die im Risikoreporting teilweise bereits seit Jahren erfasst sind. Die Realisierung eines Risikos kann zu einer Krise für die Eidgenossenschaft führen, die vom Bundesrat zu bewältigen ist. Der vorliegende Sachverhalt ist das beste Beispiel hierfür. Mit anderen Worten fehlt aus Sicht der PUK im Konzept des Bundesrates eine wichtige Dimension der Krisenfrüherkennung: ein Mechanismus, der den Eintritt eines bereits identifizierten und erfassten Risikos erkennt.
Es wird zu prüfen sein, ob allenfalls das in Kap. 10.1 geforderte Eskalationsrecht in die Krisenfrüherkennung einzubetten ist, sodass im Bedarfsfall an die Bundeskanzlei eskaliert werden kann. Die Rolle der Bundeskanzlei und deren Kompetenzen müssen jedenfalls gestärkt werden. Aus Sicht der PUK ist die Bundeskanzlei die geeignete Stelle für die Krisenfrüherkennung, da sie einerseits die Stabstelle des Bundesrates ist und andererseits die wichtige GSK leitet. Das Instrument der Krisenfrüherkennung kann nur dann angemessen und zweckmässig eingesetzt werden, wenn Krisen so früh als möglich erkannt werden und daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden.
| Postulat Nr. 2: Die Krisenfrüherkennung überprüfen und die Rolle der BK stärken Der Bundesrat wird beauftragt, die Krisenfrüherkennung durch die BK zu überprüfen und hierüber Bericht zu erstatten. Die Krisenfrüherkennung und damit die Rolle der Bundeskanzlei müssen gestärkt werden. Insbesondere soll der Bundesrat die Einführung einer Eskalationsmöglichkeit durch hierarchisch untergeordnete Verwaltungseinheiten an die Bundeskanzlei prüfen. Der Bundesrat soll hierfür in seinem Bericht ein Konzept erarbeiten. |
2⁰74 EFV: Handbuch zum Risikomanagement Bund, S. 64.
11 Finanzmarktaufsicht
Im vorliegenden Kapitel nimmt die PUK eine Bewertung der operativen Umsetzung der Finanzmarktaufsicht vor. Im Zentrum steht hier neben der FINMA und der SNB auch die RAB.
11.1 Mikroprudenzielle Aufsicht durch die FINMA
Der Aufsichtstätigkeit der FINMA kommt aufgrund ihrer Eigenschaft als mikroprudenzielle Aufsichtsbehörde eine zentrale Bedeutung in der vorliegenden Untersuchung zu.
Zunächst wird die generelle Aufsichtstätigkeit (laufende Aufsicht und Enforcementtätigkeit) der FINMA vor der Krise (Phase 1) gewürdigt (siehe Kap. 11.1.1). Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Um- und Durchsetzung der Anforderungen der FINMA gegenüber der CS, den Enforcementverfahren gegen die Bank sowie auf dem regulatorischen Filter, den die FINMA der CS gewährte. Anschliessend werden einzelne Entscheide der FINMA während der Krise (Phase 3), die besondere Auswirkungen hatten und von grundsätzlicher Tragweite waren, gesondert untersucht (siehe Kap. 11.1.2). Konkret handelt es sich hierbei um die Anordnung zur Abschreibung der AT1-Anleihen sowie die Feststellung des Erreichens des PONV am 19. März 2023. Anschliessend hält die PUK weitere Erkenntnisse fest (siehe Kap. 11.1.3).
11.1.1 Mikroprudenzielle Aufsicht über die CS vor der Krise
11.1.1.1 Laufende Aufsicht der FINMA
Einleitend stellt die PUK fest, dass die FINMA ihre Aufsichtsinstrumente gegenüber der CS intensiv einsetzte (siehe Kap. 5.3.1). Die Aufsichtsinstrumente umfassten insbesondere die jährlichen Assessment-Briefe, die Vor-Ort-Kontrollen, die Enforcementverfahren wie auch verschiedene Stresstests. Die FINMA stand in regelmässigem Austausch mit der CS, um die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben und insbesondere des TBTF-Regimes sicherzustellen: Entlang ihrer internen Prozesse für die Grossbankenaufsicht führte sie jährliche Aufsichtsgespräche mit dem Verwaltungsrat und den Vorsitzenden des Risiko- und Prüfausschusses, traf den Verwaltungsratspräsidenten der Grossbank halbjährlich und führte vierteljährliche Aufsichtsgespräche mit dem CEO. Ab dem Jahr 2021 erhöhte die FINMA aufgrund der sich permanent verschlechternden Situation der CS diese Kadenz auf monatliche Aufsichtsgespräche mit dem Verwaltungsratspräsidenten. Ab Mitte August 2022 fanden diese Gespräche wöchentlich statt.
Nach Analyse der PUK identifizierte die FINMA Schwachstellen in den Bereichen Organisation , Eigenmittel- und Liquiditätssituation sowie in der Notfallplanung der CS. Sie adressierte diese über verschiedene Instrumente:
i.
Einwirkung auf Strategie, Organisation und Führung: Die FINMA thematisierte mit der CS in jedem Assessment-Brief die Strategie, die Organisation und die Führung der Bank. Bereits 2015 machte sie geltend, die CS solle ihr proaktiv und in transparenter Weise wesentliche Entwicklungen mitteilen, die von aufsichtsrechtlicher Bedeutung sind.
ii.
Darüber hinaus äusserte die FINMA Zweifel an der Vergütungspolitik der CS. Auch ermittelte sie Schwachstellen in der Ausübung der Kontrollfunktionen und forderte entsprechende Verbesserungen. Zudem wiederholte sie jedes Jahr ihre Forderung nach einer starken Risikokontrolle und Sicherstellung der Compliance bei der CS, da die Risiken nicht auf allen Ebenen und in allen Geschäftseinheiten systematisch kontrolliert wurden. Im Fokus der FINMA standen unter anderem Lücken im Geldwäschereidispositiv und die dezentralisierte Risikokontrolle der CS.
iii.
Einwirkung auf die Eigenmittel- und die Liquiditätssituation der CS: Die FINMA auferlegte der CS über Jahre hinweg zusätzliche Eigenmittelanforderungen, wenn dies beispielsweise mit Hinblick auf gewisse Vermögenswerte oder Geschäftstätigkeiten angebracht erschien. Zudem forderte sie beinahe jährlich Verbesserungen in der Berichterstattung zur Eigenmittel- und Liquiditätssituation.
iv.
Gleichzeitig machte die FINMA Gebrauch von ihrer Möglichkeit, Erleichterungen zu gewähren: Bis zur Abschaffung von Artikel 125 ERV per Ende 2018, für welche sich die FINMA einsetzte, war sie zur Gewährung von Erleichterungen verpflichtet, wenn gewisse Bedingungen erfüllt waren. Insbesondere verfügte sie 2017 den ab 2019 gültigen regulatorischen Filter. Die Umstände der Gewährung und die Auswirkungen des Filters werden in Kapitel 11.1.1.3 gesondert behandelt.
v.
Stabilisierungsplan: Die FINMA genehmigte den Stabilisierungsplan der CS und erachtete die Schweizer Notfallpläne der CS per Ende 2019 als umsetzbar. Sie beurteilte Ende 2022 auch die Vorbereitungsarbeiten der CS für eine Abwicklung als ausreichend.
Fehlende Umsetzung der Anweisungen der FINMA
Die FINMA musste gewisse Forderungen jahrelang wiederholen, ohne dass die CS nennenswerte Fortschritte erzielt hätte. Sie forderte die CS insbesondere regelmässig auf, die jeweiligen Verantwortungsbereiche der Führungskräfte klar zu definieren, den «tone at the top» und die Kapitalsituation des Stammhauses zu verbessern sowie qualitative Daten zu liefern. Weiter beurteilte die FINMA kritisch, dass die CS ihre Eigenmittel nicht aus den Erträgen der Geschäftstätigkeit, sondern unter anderem aus Kapitalerhöhungen aufbaute. In diesem Zusammenhang bemängelte sie ebenfalls die Dividendenausschüttung an die Aktionärinnen und Aktionäre.
Die FINMA bemängelte auch die variable Vergütungspolitik für die leitenden Angestellten der CS (siehe Kap. 5.3.1.3). 2⁰75 Gemäss einem Gutachten, welches die FINMA in Auftrag gegeben hat, kann ihr unter der geltenden Rechtslage nicht vorgeworfen werden, dass sie in ihrer jüngsten Aufsichtspraxis einen verfügbaren Handlungsspielraum im Bereich der Vergütungssysteme nicht genutzt hat. 2⁰76 Die PUK schliesst sich den Schlussfolgerungen dieses Gutachtens an. Für die Kommission stellt sich die Frage der Wirksamkeit der der FINMA diesbezüglich zur Verfügung stehenden Instrumente. Aktuell fehlt eine explizite Rechtsgrundlage für Vorgaben zum Vergütungssystem von Finanzinstituten. 2⁰77
Der PUK erscheint es wichtig, dass systemrelevante Banken in Zukunft ein Vergütungssystem verfolgen, welches keine falschen Anreize setzt. Die sogenannten variablen Vergütungen (Erfolgsprämien) sollen insbesondere dann nicht ausgeschüttet werden, wenn der Geschäftserfolg ausbleibt. Die PUK unterstützt die Massnahmen, die der Bundesrat in seinem Bericht beschlossen hat. 2⁰78
| Postulat Nr. 3: Falsche Anreize bei Vergütungen und Ausschüttungen der SIBs vermeiden Der Bundesrat wird beauftragt zu prüfen, welche Massnahmen erforderlich sind, damit die Vergütungssysteme und Ausschüttungen der SIBs keine falschen Anreize setzen. Insbesondere sollen sogenannte variable Vergütungen (Erfolgsprämien) nicht erfolgen, wenn der Geschäftserfolg ausbleibt. |
Form der Anweisungen der FINMA
Die Kommission stellt weiter fest, dass die FINMA ihre Erwartungen gegenüber der CS zwar regelmässig schriftlich kommunizierte, namentlich in Form von Assessment-Briefen. Dabei griff sie jedoch nach Einschätzung der Kommission selten auf formelle Verfügungen zurück. Zum Zweck der besseren Durchsetzbarkeit, aber auch des Rechtsschutzes der beaufsichtigten G-SIB scheint es der PUK angemessen, wenn die FINMA die von ihr geforderten Massnahmen dann in Form von formellen Verfügungen ausspricht, wenn sie erkennt, dass die Umsetzung der Massnahmen durch ein beaufsichtigtes Institut zum wiederholten Mal unbefriedigend ist (siehe Motion Nr. 3 am Ende von Kap. 11.1.2).
Personelle Ressourcen der FINMA
Die Untersuchung der PUK hat zudem ergeben, dass die personellen Ressourcen der FINMA überprüft werden sollten: Erstens weist der Expertenbericht Hungerbühler über die Regulierung und Beaufsichtigung der Finanzmärkte sowie die TBTF-Regulierung darauf hin, dass die personellen Ressourcen für die Aufsicht über G-SIB als zu gering zu bewerten sind. Zweitens schlägt sich die aktuelle personelle Ausstattung der FINMA negativ auf die Wahrnehmung der FINMA durch die von ihr beaufsichtigten Institute nieder (siehe Kap. 5.3.4). So äusserten sich einige der von der PUK angehörten Personen kritisch über das Durchsetzungsvermögen der FINMA. Insbesondere sei die FINMA sowohl im Vergleich zur SNB wie auch zu ausländischen Aufsichtsbehörden weniger etabliert. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass die Anstellungsbedingungen der Mitarbeitenden der FINMA im Quervergleich zu wenig attraktiv seien (siehe Kap. 5.3.4).
2⁰75 Konkret wies die FINMA die CS im Zusammenhang mit dem Enforcementverfahren «Archegos» an, im Rahmen des Vergütungssystems Bonuszuteilungskriterien vorzusehen, welche den Risikoappetit berücksichtigen. Zudem müsse eine Kontrollfunktion vor der Bonusfestlegung für Mitarbeitende mit besonderer Risikoexposition die eingegangenen Risiken beurteilen und festhalten. Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 406.
2⁰76 Die vorangehenden Informationen stützen sich auf eine Quelle bzw. Quellen, die der PUK vorliegen, aber nicht konkret genannt werden, weil überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.
2⁰77 Die FINMA hat ihre Aufsichtspraxis hinsichtlich variabler Vergütungen in ihrem Rundschreiben 2010/1 festgehalten. Dieses Rundschreiben ist aber nicht allgemeinverbindlich. Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 266).
2⁰78 Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 269): Schärfung und Konkretisierung der Anforderungen an die Corporate Governance, Einführung eines Verantwortlichkeitsregimes, Stärkung der rechtlichen Grundlagen für die Anforderungen an Vergütungssysteme von SIB und ggf. anderen Banken.
11.1.1.2 Enforcementverfahren gegen die CS und ihre Organe
Wie in Kapitel 5.3.2 ausgeführt, hat die PUK zwecks Untersuchung und Beurteilung der Enforcementverfahren der FINMA gegen die CS einen externen Untersuchungsbericht vergeben.
Einleitend weist die PUK darauf hin, dass sie sich als Ausnahme zum Grundsatz, wonach sie die Geschäftsführung der FINMA im Allgemeinen beurteilt, über die Fälle «Petrobras/FIFA/PDVSA» und «Durchsetzung Petrobras/FIFA/PDVSA» aus zwei Gründen spezifisch äussert:
Erstens kommt den Erkenntnissen aus den geäusserten Kritikpunkten eine allgemeine Tragweite zu. Sie betreffen die Durchsetzungsfähigkeit der FINMA gegenüber den von ihr beaufsichtigten Finanzinstituten, die Durchführung von Enforcementverfahren gegen Individuen sowie die Möglichkeiten der FINMA, öffentlich über einzelne Verfahren zu kommunizieren.
Zweitens konzentrierte sich die Kritik der Untersuchungsbeauftragten zu den Enforcementverfahren der FINMA auf die beiden genannten Fälle. Dabei fiel sie deutlich aus. Entsprechend erscheint der PUK eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Fällen angezeigt.
Die nachfolgenden Erläuterungen beziehen sich, wo nicht anders angegeben, auf die Enforcementverfahren gegen die Bank. Die Feststellungen der PUK zu den Enforcementverfahren gegen Individuen, die für die CS arbeiteten, sind in einem separaten, nachfolgenden Abschnitt aufgeführt.
Einleitung und Durchführung der Enforcementverfahren
Die FINMA führte zwischen 2015 und 2022 insgesamt elf Enforcementverfahren gegen die CS durch. Keine andere SIB war im gleichen Zeitraum mit einer annähernd gleich hohen Anzahl Enforcementverfahren konfrontiert. Die PUK stellt somit einleitend fest, dass diese Verfahren einen ausserordentlich hohen Stellenwert in der Aufsicht der FINMA über die CS hatten.
Die FINMA verfügt über einen etablierten Prozess, der ihre Enforcementtätigkeit klar strukturiert und dokumentiert. Sie setzte in neun von elf Enforcementverfahren Prüf- und Untersuchungsbeauftragte ein. Die PUK wie ihre Untersuchungsbeauftragten kommen zum Schluss, dass die FINMA im überwiegenden Teil der untersuchten Sachverhalte zeitnah Enforcementverfahren gegen die CS eingeleitet hat. In Einzelfällen erfolgte die Einleitung des Verfahrens durch die FINMA hingegen verspätet. 2⁰79 Zudem zog sie in Einzelfällen keine Untersuchungsbeauftragten bei. 208⁰ In 25 Vorabklärungsverfahren verzichtete die FINMA aus unterschiedlichen Gründen auf die Eröffnung eines Enforcementverfahrens (siehe Kap. 5.3.2.2). Die PUK erachtet in Übereinstimmung mit der Einschätzung ihrer Untersuchungsbeauftragten die Nichteröffnung eines Enforcementverfahrens in diesen Fällen für angemessen. Die Kommission stellt fest, dass die Enforcementverfahren gegen die CS hauptsächlich Verstösse gegen Aufsichtspflichten im Zusammenhang mit einer angemessenen Verwaltungsorganisation, dem Risikomanagement, den GwG-Sorgfaltspflichten und der Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit betrafen.
Abschluss der Enforcementverfahren sowie Um- und Durchsetzung der Endverfügungen
Beim Abschluss ihrer Enforcementverfahren verfügte die FINMA verschiedene Massnahmen gegen die CS (siehe Kap. 5.3.2.3). Die PUK geht mit ihren Untersuchungsbeauftragten einig, dass die FINMA ihre Massnahmenkompetenz unter Vorbehalt der nachfolgenden Feststellungen in den meisten Fällen ausschöpfte sowie die Umsetzung ihrer Verfügungen gegen die CS verfolgte und nötigenfalls sicherstellte. 2⁰81 Hingegen bedauert die PUK, dass die FINMA im Fall «Petrobras/FIFA/PDVSA» die ursprüngliche Anordnung zur Verstärkung des Verwaltungsrates in Wiedererwägung zog. In Anbetracht der zahlreichen Enforcementverfahren gegen die CS sowie der wiederholten Kritik der FINMA, dass die CS über keine angemessene Organisation verfügte, wäre die Stärkung des Verwaltungsrates der CS nach Ansicht der PUK nicht nur aus heutiger Perspektive wünschenswert gewesen, sondern hätte bereits damals von der FINMA als angebracht erkannt werden können. 2⁰82
Für die PUK ist zudem der Umstand nicht nachvollziehbar, dass die FINMA die Umsetzung ihrer rechtskräftigen Verfügung vom 3. September 2018 im Fall «Petrobras/FIFA/PDVSA» erst im April 2022 durchsetzte, obschon sie bereits am 11. Februar 2020 erfahren hatte, dass die CS die festgestellten Mängel noch nicht vollständig behoben hatte. Ihre im Assessment-Brief 2019 geäusserte Androhung, weitere aufsichtsrechtliche Massnahmen zu ergreifen, setzte sie nicht um. 2⁰83 Die PUK sieht im Zuwarten der FINMA bei der Vollstreckung ihrer Verfügung im Fall «Petrobras/FIFA/PDVSA» und bei der Einleitung eines weiteren Enforcementverfahrens zur Feststellung der Verantwortlichkeiten bei der CS eine Unterlassung, der Führung der Bank in aller Deutlichkeit klarzumachen, dass solch gravierende Verstösse gegen das Aufsichtsrecht nicht toleriert werden können. 2⁰84 Dies wäre in Anbetracht der im Assessment-Brief 2020 scharf kritisierten «schlechtesten Bilanz in aufsichtsrechtlicher Hinsicht» (siehe Kap. 5.3.1.1) zweckmässig gewesen. 2⁰85
Die FINMA teilt die Kritik der Untersuchungsbeauftragten nicht: Die CS habe die Single Client View (SCV) bis zu einem gewissen Grad fristgerecht umgesetzt und damit die regulatorischen Anforderungen erfüllt. Ex post habe die FINMA feststellen müssen, dass die Anforderungen an eine weitergehende SCV zu hoch gewesen seien. Für die FINMA habe bei ihrer Wiedererwägung vom 1. April 2022 nicht die flächendeckende Vollstreckung, sondern die Konkretisierung der Anforderungen an die SCV im Vordergrund gestanden.
Die PUK nimmt diese Stellungnahme zur Kenntnis. Sie ist gleichwohl der Meinung, dass die Anforderungen an die SCV für die CS hätten klar sein müssen. So ist deren Nichtumsetzung und die damit zusammenhängende Reaktion der FINMA für die PUK nicht ganz nachvollziehbar. 2⁰86
Enforcementverfahren gegen Individuen
Die FINMA führte im Untersuchungszeitraum der PUK acht Enforcementverfahren gegen Mitarbeitende respektive Geschäftsführungsmitglieder der CS durch. Am Ende der drei bis heute abgeschlossenen Fälle sprach sie keiner bei der CS tätigen Person die Gewähr ab und verhängte kein Berufsverbot, obwohl sie mehrfach festgestellt hatte, dass bei der CS gravierende aufsichtsrechtliche Mängel bestanden (siehe Kap. 5.3.2.2).
Der Grund für die Abschreibung der drei besagten Fälle lag gemäss FINMA darin, dass die betroffenen Personen sich in zwei Fällen nach Eröffnung der entsprechenden Enforcementverfahren bereit erklärt hatten, definitiv auf jegliche zukünftige Leitungstätigkeit bei Beaufsichtigten zu verzichten. In einem anderen Fall schied die betroffene Person aus ihrer Gewährsposition bei der CS aus, nachdem die FINMA ein Enforcementverfahren eröffnet hatte, um ihre Gewähr mit Bezug auf diese Position zu überprüfen. Während sich die PUK nicht über die Erhebung und Würdigung der Beweisgrundlage eines einzelnen Falles ausspricht, ist der Verzicht auf das Ergreifen von Massnahmen, die eine abschreckende Wirkung haben könnten, fraglich. Wenn über die Verantwortlichkeiten einer natürlichen Person Zweifel bestehen, sollte die FINMA nach Auffassung der PUK aus Gründen der präventiven Wirkung ein formelles Verfahren eröffnen, auch wenn die Erfolgsaussichten gering erscheinen. Die FINMA darf sich als unabhängige Aufsichtsbehörde weder vor aufwendigen Abklärungen noch vor Gerichtsverfahren scheuen, sofern eine angemessene Wahrscheinlichkeit besteht, vor Gericht Bestand zu haben.
Die FINMA hat von einer Verfahrenseröffnung oder -weiterführung zudem auch abgesehen, wenn der spezialpräventive Zweck eines Verfahrens aus anderen Gründen bereits erfüllt war. Dazu zählen Fälle, in denen die betroffene Person zu alt war, um noch eine leitende Funktion auszuüben; Fälle, in denen die betroffene Person das Land ohne Hinweis auf Rückkehr verlassen hatte; und Fälle, in denen die betroffene Person eine sogenannte Verzichtserklärung abgab. In Anbetracht des offensichtlichen Unvermögens und Unwillens der CS als Institut, für eine angemessene Risikokultur zu sorgen, hätte die FINMA sich noch konsequenter bemühen müssen, individuelles Fehlverhalten zu ahnden. Dies hätte nach Ansicht der PUK ein starkes Zeichen bei den Führungskräften und Mitarbeitenden der CS gesetzt.
Die PUK stellt darüber hinaus fest, dass die FINMA in verschiedenen Fällen auf die Eröffnung eines Enforcementverfahrens gegen eine Person verzichtete, weil sich die festgestellten Mängel ihres Erachtens keiner spezifischen Gewährsträgerin oder keinem spezifischen Gewährsträger zuordnen liessen. Die Risikokultur der Bank, welche immer wieder zu Aufsichtsrechtsverletzungen führte, liegt aber letztendlich im Verantwortungsbereich der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates. Auch die Untersuchungsbeauftragten der PUK formulierten Vorbehalte: In einem Fall bemängelten sie, dass die FINMA nicht genügend Einfluss auf ihre eigenen Untersuchungsbeauftragten genommen hatte, um die persönliche Vorwerfbarkeit an Individuen bei der CS zu etablieren. 2⁰87 Zudem wäre es im Rahmen der Durchsetzung der rechtskräftigen Verfügung im Fall «Petrobras/FIFA/PDVSA» sachgerecht gewesen, ein zusätzliches Enforcementverfahren zur Klärung der Verantwortlichkeit für die nicht vollständige Umsetzung der rechtskräftigen FINMA-Verfügung zu eröffnen. 2⁰88 Insgesamt ergibt sich für die PUK der Eindruck, dass die FINMA nicht in allen Fällen die ihr zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfte, um die persönliche Verantwortlichkeit der Führungsverantwortlichen bei der CS abzuklären.
Öffentliche Kommunikation
Gemäss Analyse der PUK berichtete die FINMA insgesamt sieben Mal öffentlich über die Einleitung oder den Abschluss eines spezifischen Enforcementverfahrens gegen die CS. 2⁰89 Zudem informierte die FINMA die Öffentlichkeit im Rahmen der Berichterstattung über ihre Enforcementtätigkeit in allgemeiner Weise (siehe Kap. 5.3.2.4).
Im Unterschied zur geltenden Rechtslage in anderen Staaten 209⁰ darf die FINMA gemäss Artikel 22 Absatz 2 FINMAG nur im Ausnahmefall öffentlich über spezifische Enforcementverfahren berichten. Sie muss dabei darlegen können, dass ein besonderes aufsichtsrechtliches Bedürfnis dafür besteht. 2⁰91 Bei der Beurteilung der Frage, was eine Ausnahme darstellt, verfügt die FINMA über einen gewissen Ermessensspielraum. 2⁰92
Diesbezüglich kritisieren die Untersuchungsbeauftragten der PUK in ihrem Bericht, dass die FINMA im Fall «Petrobras/FIFA/PDVSA» zwar über den Abschluss des Verfahrens öffentlich berichtete, die Öffentlichkeit nachfolgend jedoch nicht über die Nichtumsetzung der abschliessenden Verfügung der FINMA durch die CS informierte. So hätten Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer aufgrund der Medienmitteilung über den Verfahrensabschluss fälschlicherweise den Eindruck erhalten, dass der ordnungsgemässe Zustand wiederhergestellt worden sei. Die PUK schliesst sich dieser Beurteilung an: Die unvollständige Information zu diesem Enforcementverfahren entspricht nicht den Zielen des Finanzmarktaufsichtsgesetzes gemäss Artikel 4 FINMAG (Gläubigerschutz, Anlegerschutz, Schutz der Funktionsfähigkeit des Marktes, Stärkung des Ansehens, der Wettbewerbsfähigkeit und der Zukunftsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz).
Was die aktuelle rechtliche Regelung anbelangt, so stellt die PUK fest, dass die Schweiz sich mit dem Grundsatz, dass nur im Ausnahmefall über einzelne Enforcementverfahren kommuniziert werden kann und soll, im Vergleich zu vielen anderen Staaten eine Ausnahme ist. Die Untersuchung der PUK hat ergeben, dass die Information der Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer ein wiederkehrendes Thema war (z. B. im Zusammenhang mit dem regulatorischen Filter und den AT1-Instrumenten). Für die PUK drängt sich daher die übergeordnete Frage auf, ob die FINMA mittels einer Anpassung von Artikel 22 Absatz 2 FINMAG in die Lage versetzt werden soll, zukünftig häufiger öffentlich über einzelne Enforcementverfahren zu kommunizieren (siehe hierzu Empfehlung Nr. 3 unten).
Bilanzierende Feststellungen zu den Enforcementverfahren gegen die CS
Generell stellt die PUK fest, dass es der FINMA trotz der zahlreichen Enforcementverfahren nicht gelungen ist, eine nachhaltig aufsichtsrechtskonforme Geschäftspraxis der CS durchzusetzen. Der Zweck eines Enforcementverfahrens liegt gemäss Artikel 31 FINMAG in der Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes. Wie oben erwähnt, ist die PUK der Meinung, dass die Enforcementverfahren gegen die CS weitgehend angemessen waren. Bei derart grossen Lücken in der Organisation und beim fehlenden Willen des verantwortlichen Organs der Bank (Verwaltungsrat), diese Lücken zu schliessen, gerät das Instrument des Enforcementverfahrens jedoch an seine Grenze.
Insgesamt ist es für die PUK nicht nachvollziehbar, dass trotz der zahlreichen Verfehlungen des Instituts sowie der entsprechenden Ermahnungen durch die FINMA im Rahmen der laufenden Aufsicht wie auch der Enforcementverfahren keine kausale Verantwortung für die betreffenden Verfehlungen etabliert werden konnte. Die PUK teilt die Auffassung des Bundesrates und der FINMA, dass die Kultur in besonderem Masse von den Personen auf der höchsten Führungsebene geprägt wird. 2⁰93 Für die Kommission ist zentral, dass auch die Frage der individuellen Verantwortlichkeit im Fokus der Enforcementverfahren steht. Sie unterstützt die Einführung eines Senior-Manager-Regimes insbesondere für SIBs 2⁰94 und begrüsst es, dass der Bundesrat das Verantwortlichkeitsregime umzusetzen gedenkt. 2⁰95 Ferner stellt die PUK fest, dass der Verwaltungsrat der FINMA über abgeschlossene Verfahren lediglich informiert wurde. In Anbetracht des hohen Stellenwertes der Enforcementverfahren gegen die CS (siehe oben) und der wiederholten Feststellungen der FINMA, dass die CS gegen die aufsichtsrechtliche Anforderung einer angemessenen Organisation verstiess, drängt sich für die PUK die Frage auf, ob gewisse Enforcementverfahren nicht als Geschäft grosser Tragweite im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b FINMAG behandelt werden sollten.
Der FINMA kommt bei der Beurteilung der Frage, was ein Geschäft grosser Tragweite im Sinne dieser Bestimmung ist, nach aktuellem Recht ein weites Ermessen zu. Entsprechend soll der Bundesrat prüfen, ob eine allfällige Anpassung oder gar die Aufhebung von Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b FINMAG angezeigt ist. Für das entsprechende Postulat der PUK sei auf Kapitel 11.1.3 verwiesen.
| Empfehlung Nr. 3 Der Bundesrat wird aufgefordert, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit die FINMA ihre Enforcementverfahren wirkungsvoll durchsetzt und durchsetzen kann. Es sollte insbesondere geprüft werden, ob Artikel 22 Absatz 2 FINMAG in dem Sinne angepasst werden soll, dass die FINMA im Grundsatz über einzelne Enforcementverfahren zu systemrelevanten Banken kommunizieren kann. Dabei soll insbesondere die Rechtslage im Ausland mit Bezug auf die öffentliche Kommunikation von Aufsichtsbehörden berücksichtigt werden. |
2⁰79 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 316 f. («Observationsfälle»). Dieselbe Kritik äusserten die Untersuchungsbeauftragten zum Fall «Durchsetzung Petrobras/FIFA/PDVSA» (Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle [2024], Ziff. 357 ff.), welche unten gesondert behandelt wird.
208⁰ Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 316 f. («Observationsfälle»)
2⁰81 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 413 ff.
2⁰82 Vgl. Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 213 ff.
2⁰83 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 357
2⁰84 Die Untersuchungsbeauftragten heben in ihrem Untersuchungsbericht die Feststellung der FINMA in der Verfügung 2018 hervor, dass in praktisch sämtlichen Bereichen des Geldwäschereidispositives der Bank schwerwiegende Mängel geherrscht hätten. Aufgrund der Schwere der festgestellten Verletzungen über eine lange Zeit sei es, so die FINMA, notwendig, dass die CS die identifizierten Schwachstellen «rasch möglichst» bereinige. Die CS habe die dauernd einzuhaltenden Bewilligungsvoraussetzungen gemäss BankG innert angesetzter Frist noch immer nicht an allen Standorten oder in allen Geschäftseinheiten erfüllt (Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle [2024], Ziff. 357).
2⁰85 Nach Analyse der Untersuchungsbeauftragten wäre die FINMA verpflichtet gewesen, ihre rechtskräftige Verfügung vom 3. September 2018 früher durchzusetzen. Dass sie dies nicht tat, werten die Untersuchungsbeauftragten als nicht rechtmässig (Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle [2024], Ziff. 359). Während die PUK diese Würdigung nachvollzieht, steht für sie nicht die (Un-)Rechtmässigkeit einer einzelnen Handlung bzw. Unterlassung der FINMA im Vordergrund. Aus dem Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle geht denn auch hervor, dass die FINMA in allen anderen Fällen rechtmässig handelte. Bei einem Untersuchungszeitraum von sieben Jahren und den zahlreichen Enforcementfällen ist dies positiv zu würdigen.
2⁰86 Vgl. auch Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 370 ff.
2⁰87 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 274
2⁰88 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 5
2⁰89 Zusammenstellung der FINMA zuhanden der PUK vom 8.8.2023
209⁰ In der EU gilt beispielsweise der Grundsatz der Information. Vgl. Amez-Droz, Laura (2024): Finanzmarktenforcement und Kommunikation: Zum Kommunikationsverhalten der FINMA hinsichtlich einzelner Enforcementverfahren. In: SZW. Schulthess Juristische Medien AG, S. 201.
2⁰91 Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle (2024), Ziff. 66 f.
2⁰92 Vgl. auch Rayroux, François / du Pasquier, Shelby (2019): Art. 22FINMAG Rz. 1 und 22, in: Watter, Rolf / Bahar, Rashid (Hrsg.): Basler Kommentar zum Finanzmarktaufsichtsgesetz und zum Finanzmarktinfrastrukturgesetz, 3. Aufl. Basel: Helbing Lichtenhahn.
2⁰93 Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 256)
2⁰94 Vgl. auch Po. Andrey «Schlanke Werkzeuge, um höchste Finanzmarktkader besser in die Pflicht zu nehmen» vom 18.6.2021 (21.3893), Mo. WAK-S «Stärkung der Aufsicht über systemrelevante Banken durch Erweiterung der Aufsichts- und Sanktionsinstrumente der FINMA» vom 9.11.2023 (23.4336), Mo. Burgherr «Verantwortung des obersten Kaders bei systemrelevanten Banken erhöhen» vom 11.4.2024 (23.3462), Ip. Glättli «Im Zusammenhang mit dem CS-Debakel höhere Finanzmarktkader für Missmanagement stärker in die Pflicht nehmen» vom 17.3.2023 (23.3417).
2⁰95 Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 258 f.)
11.1.1.3 Regulatorischer Filter
Im Laufe der Untersuchung der PUK stellte sich die Frage nach der Kapitalisierung der CS und somit insbesondere nach den Auswirkungen des regulatorischen Filters. Beim regulatorischen Filter handelt es sich um eine 2017 gewährte Erleichterung, die es dem Stammhaus der CS erlaubte, den Unterschied zwischen Sammelbewertung und Einzelbewertung der Beteiligungen an seine Eigenmittel anzurechnen (siehe Kap. 5.3.3.1). Eine von der PUK in Auftrag gegebene externe Analyse kam zum Schluss, dass der regulatorische Filter im Jahr 2022 bis zur Hälfte der Eigenmittel der CS AG ausmachte und das Stammhaus der CS ohne den regulatorischen Filter ab 2021 leicht sowie ab 2022 klar unterkapitalisiert gewesen wäre (siehe Kap. 5.3.3.3). 2⁰96 Dies weist für die PUK darauf hin, dass der Filter einen erheblichen Einfluss auf die regulatorische Eigenmittelsituation des Stammhauses der CS hatte.
Die Gewährung des Filters im Jahr 2017 und dessen Nachverfolgung werfen somit verschiedene Fragen auf, die nachfolgend beantwortet werden. Erstens war aus Sicht der PUK zu klären, ob sich die Verfügung auf eine genügende Rechtsgrundlage stützte und somit rechtmässig war. Zweitens stellten sich grundlegende Fragen zu den Umständen der Gewährung des regulatorischen Filters. Drittens untersuchte die Kommission, ob der Filter in dem Sinne zweckmässig war, dass er im Vergleich zum vorher geltenden System Vorteile für die Finanzstabilität brachte.
Die PUK hat deshalb zahlreiche Dokumente rund um die Gewährung des regulatorischen Filters einverlangt und aufgrund der technischen Komplexität der Thematik einen externen Experten mit der ökonomischen Analyse betraut. 2⁰97 Zudem gab die PUK ein Rechtsgutachten in Auftrag, das die Rechtmässigkeit der Gewährung des Filters und weitere damit im Zusammenhang stehende Fragen klären sollte. 2⁰98
Einführung des regulatorischen Filters 2017 - Frage der Rechtsmässigkeit
Die FINMA führte den regulatorischen Filter 2017 ein. Die CS hatte schon zuvor von Erleichterungen profitiert, die die FINMA damals aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung gewährt hatte: Konkret war die FINMA von 2013 bis zur Streichung von Artikel 125 ERV im Jahr 2018 verpflichtet gewesen, dem Stammhaus der CS gewisse Erleichterungen zu gewähren, sofern die vorgeschriebenen Bedingungen eingehalten waren (siehe Kap. 5.3.3.1). Die FINMA stützte sich bei der Gewährung des regulatorischen Filters 2017 auf Artikel 4 Absatz 3 BankG. Der genannte Artikel sieht vor, dass die FINMA in besonderen Fällen Erleichterungen von den Mindestanforderungen an die Eigenmittel und die Liquidität gewähren kann.
Für die PUK stellten sich dennoch Fragen zur Rechtmässigkeit der TBTF-Verfügung 2017. So wurde mit der Verfügung 2017 der nach damals geltendem Recht vorausgesetzte vollständige Abzug der Beteiligungen endgültig durch die Risikogewichtung derselben abgelöst. 2⁰99 Dieses Regime wurde erst zwei Jahre später mittels Anpassung der einschlägigen Verordnung für alle Banken eingeführt. 210⁰
Das im Auftrag der PUK erstellte Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass Artikel 4 Absatz 3 BankG eine genügende Rechtsgrundlage darstellte, um den Übergang vom Beteiligungsabzug mit zwingenden Erleichterungen zu einer Risikogewichtung (Regimewechsel) vorzunehmen. 21⁰1 Allerdings wäre es gemäss Gutachten richtig gewesen, die Verfügung von 2017 auf Artikel 4 Absatz 2 Satz 3 BankG in Verbindung mit Artikel 125 ERV zu stützen. Dies vermag an der Rechtmässigkeit jedoch nichts zu ändern, da keine Ermessensüberschreitung durch die FINMA vorlag. Die Verschärfungen durch die Einführung einer Offenlegungspflicht und der Befristung lassen sich direkt auf Artikel 4 Absatz 3 BankG stützen und sind somit ebenfalls rechtmässig. 21⁰2 Gleichwohl erkennt die Kommission eine insgesamt sehr extensive Auslegung von Artikel 4 Absatz 3 BankG. Diese Auslegung beruht vor allem auf der gelebten Praxis und Kultur innerhalb des von Bundesrat und Parlament gesetzten Rahmens, da dazu kaum Literatur und Rechtsprechung existieren. 21⁰3
Im Zusammenhang mit der Einführung des regulatorischen Filters ist für die Kommission trotz der festgestellten Rechtmässigkeit zudem fraglich, inwiefern der Regimewechsel überhaupt geeignet war, um das von der FINMA verfolgte Ziel der erhöhten Transparenz (durch Veröffentlichung aussagekräftiger Zahlen zu den ausgewiesenen Eigenmitteln) 21⁰4 zu erreichen. Das Stammhaus der CS wies den Betrag des Filters in einer vom Jahresbericht getrennten Berichterstattung (Regulatory Disclosures) für Aussenstehende kaum erkennbar aus (ohne grafische Darstellung, Titel). 21⁰5 Nicht weiter untersucht wurde, ob die FINMA unter dem damals geltenden Regime des Beteiligungsabzugs nicht weniger umfangreiche Erleichterungen hätte gewähren können, womit sich die Abschaffung von Artikel 125 ERV - und damit die Einführung des regulatorischen Filters - erübrigt hätte.
Umstände der Gewährung des regulatorischen Filters
Zu den Gründen für die Einführung des regulatorischen Filters führte die FINMA gegenüber der PUK aus, dass der im Jahre 2013 eingeführte Artikel 125 ERV eine inakzeptable und intransparente Kapitalerleichterung für die Grossbanken dargestellt und sie sich deshalb für dessen Abschaffung eingesetzt habe. 21⁰6 Sie machte geltend, der Bundesrat habe den besagten Artikel nur mit dem Einverständnis der Grossbanken ändern wollen und sie habe deshalb den regulatorischen Filter gewähren müssen. So habe die CS ihre Akzeptanz der Abschaffung von Artikel 125 ERV davon abhängig gemacht, dass die Auswirkungen der Rechnungslegungsänderung (Umstellung von Portfoliobewertung auf Einzelbewertung) mit einem regulatorischen Filter basierend auf Artikel 4 Absatz 3 BankG reduziert werden (siehe Kap. 5.3.3.2). Diesbezüglich hält das Rechtsgutachten fest, dass die damalige Regulierungspraxis und -kultur Massnahmen gegen den Willen der Bank mindestens in Bezug auf Artikel 125 ERV als von vornherein nicht realistisch erscheinen liessen. 21⁰7
Zunächst hält die Kommission fest, dass sie nicht nachvollziehen kann, dass die FINMA einerseits auf die Abschaffung von zwingenden Erleichterungen (Art. 125 ERV) drängte, gleichzeitig aber durch den regulatorischen Filter neue Erleichterungen einführte. 21⁰8
Gemäss Gutachten mögen die gewählten Massnahmen aus damaliger Optik für die Zielerreichung geeignet und nicht offensichtlich unzweckmässig erschienen sein.
21⁰9
Die PUK kommt jedoch zum Schluss, dass die Gewährung des Filters nicht zweckmässig war. Dies ändert aber nichts an der Rechtmässigkeit der Massnahme.
211⁰
Weiter geht aus den nachfolgenden Darlegungen zur Wirkung des Filters hervor, dass er umfangmässig eine beträchtliche Erleichterung darstellte. Die Kommission hat grosse Zweifel an der Transparenz derselben.
Die PUK konnte die Gründe und Umstände, die 2017 zur Gewährung des regulatorischen Filters geführt hatten, nicht abschliessend klären. Es liegen keine Dokumente vor, die die Ausführungen der FINMA belegen (siehe Kap. 5.3.3.2). So brachte auch eine Anfrage beim damaligen EFD-Vorsteher, dem SIF und beim damaligen Staatssekretär keine Klärung. Das SIF führte aus, dass es vom regulatorischen Filter zum Zeitpunkt von dessen Gewährung keine Kenntnis hatte. 211¹ In einer internen Unterlage hielt es zudem fest, dass die FINMA mit ihrer Verfügung 2017 vorgeprescht sei. 21¹2 So fühlte sich das SIF unter Druck gesetzt, mittels Abschaffung von Artikel 125 ERV dieselben Voraussetzungen für alle Banken zu schaffen.
Aus Sicht der PUK ist es nicht per se nachvollziehbar, dass sich die FINMA als unabhängige Behörde zur Gewährung des regulatorischen Filters gezwungen sah. Wie in Kapitel 5.2 und 5.3.3 und im Rechtsgutachten dargelegt, haben die Grossbanken, und insbesondere die CS, wiederholt auf gewisse Anpassungen der Regulierung eingewirkt. 21¹3 Eine solche Einflussnahme auf die Politik ist aus Sicht der PUK fragwürdig. Zwar sollen die relevanten Akteure gehört werden, aber die Akzeptanz der betroffenen Interessengruppen oder Institutionen sollte für die staatlichen Behörden nicht massgebend sein.
Die Kommission stellt zudem fest, dass sich die SNB im Jahr 2017 gegen die Einführung des Filters aussprach. Aus Sicht der SNB waren die Gründe für diese Erleichterung nicht ersichtlich. Zudem schätzte sie die quantitativen Auswirkungen des Filters als substanziell ein. Schliesslich war sie der Auffassung, dass der Filter dem Ziel der besseren Kapitalisierung des Stammhauses entgegenläuft (siehe Kap. 5.3.3).
Dass die FINMA die Gewährung des regulatorischen Filters mit der Auflage verknüpfte, die Bewertung der Beteiligungen des Stammhauses durch eine unabhängige Prüfgesellschaft plausibilisieren zu lassen, war richtig. Dennoch ist für die PUK nicht ganz nachvollziehbar, weshalb die CS AG trotz Limitierung der anrechenbaren Fair Value s durch die FINMA immer noch von einem deutlich höheren Filter profitieren konnte, als es die FINMA für zulässig erachtete (siehe Kap. 5.3.3.3). Die Kommission hätte erwartet, dass die FINMA, welche die vorgeschlagenen Wertberichtigungen im Prinzip stützte, sie bei der Berichterstattung der CS AG auch konsequent durchgesetzt hätte.
Schliesslich würdigt die Kommission im Zusammenhang mit der Gewährung des regulatorischen Filters auch die Tatsache kritisch, dass mit derselben Verfügung anstelle des vollständigen Abzugs der Beteiligungen des Stammhauses deren Risikogewichtung eingeführt wurde: Nach Ansicht der Kommission hat das Regime des Beteiligungsabzugs den Vorteil, dass eine Kapitalkrise des Stammhauses nicht durch eine Krise der Tochter infolge der Wertschwankungen auf den Beteiligungen verschärft wird. Demgegenüber hat die Risikogewichtung der Beteiligungen nach Aussagen der FINMA einen prozyklischen Effekt. Die PUK erachtet die Prüfung einer «clean holding», wie sie in den USA für G-SIB gilt, durch den Bundesrat für angezeigt. Auch die SNB weist in ihrem Bericht von 2023 zur Finanzstabilität auf das Problem der Kapitalisierung des Stammhauses bei Wertberichtigung von ausländischen Beteiligungen hin: Nach Schweizer Regeln würden diese Beteiligungen nach Risiko gewichtet und nicht vom Kapital abgezogen; demgegenüber schütze die Abzugsmethode das CET1-Kapital des Stammhauses besser vor Wertberichtigungen. 21¹4
Auswirkungen des regulatorischen Filters von der ersten Anwendung bis im Sommer 2022
Der Filter fiel 2019 gemäss Expertenbericht beinahe doppelt so hoch aus, wie beim Erlass der Verfügung 2017 erwartet. Er machte im drastischen Verlustjahr 2022 zeitweilig die Hälfte der Eigenmittel der CS AG aus. Ohne den Filter wäre die CS AG ab 2021 leicht und ab 2022 klar unter die regulatorische Kapitalzielgrösse gefallen (siehe Kap. 5.3.3.3). Die Auswirkungen des regulatorischen Filters auf die Eigenmittelsituation der CS AG waren nach Ansicht der Kommission beträchtlich . Aus Sicht der FINMA war die CS AG nicht unterkapitalisiert, weil der Filter sich auf geltendes Recht stützte und einem werthaltigen regulatorischen Aktivum entsprach. 21¹5
Die Kommission stellt fest, dass sich der regulatorische Filter zwar nicht auf die ökonomische Substanz der Beteiligungen des Stammhauses auswirkte. Dessen ungeachtet wurde die weitere Entwicklung der CS AG durch die Gewährung des regulatorischen Filters wesentlich beeinflusst . Mit der Umstellung auf die Einzelbewertung ab dem Rechnungsjahr 2019 hätte die CS AG deutlich mehr Eigenmittel halten müssen, um eine gleichbleibende Kapitalisierung (CET1-Quote) ausweisen zu können. 21¹6 Da dieser Wechsel in Artikel 27 BankV per Januar 2017 mit einer Übergangsfrist bis zum Rechnungsjahr 2019 umgesetzt wurde, hätte die CS diese Kapitalerhöhung nicht auf einmal vornehmen müssen. Ob ihr das gelungen wäre und sie dadurch an Robustheit gewonnen hätte oder ob die FINMA damals die CS AG hätte sanieren müssen, lässt sich heute nicht feststellen.
Die Kapitalerhöhung wäre sowohl für die CS AG wie die FINMA eine grosse Herausforderung gewesen. Die CS AG hätte innerhalb von zwei Jahren 21¹7 zusätzliches Kapital aufnehmen und die FINMA hätte mit der schwierigen Situation umgehen müssen, wie sich ein durch eine Änderung der Rechnungslegung ausgelöster hoher Kapitalbedarf umsetzen lässt.
Die PUK erhielt den Eindruck, dass die FINMA der CS AG Zeit verschaffen wollte, ihre Eigenmittel zu erhöhen, um die Umstellung umzusetzen. Die Situation entwickelte sich jedoch anders als erwartet. Der Marktwert gewisser Beteiligungen des Stammhauses nahm aufgrund des schlechten Geschäftsgangs stetig ab. Durch diesen Wertverlust gewann der Filter im Vergleich zum harten Kernkapital an Gewicht. Ohne den Filter wäre die gewichtete Eigenmittelquote 2022 deutlich unter das regulatorische Minimum gesunken (siehe Kap. 5.3.3.3).
Die Kommission ist der Ansicht, dass der regulatorische Filter auf einer unzweckmässigen Entscheidung der FINMA beruhte.
Ferner ist die Kommission gestützt auf den Expertenbericht zur Ansicht gelangt, dass die FINMA den regulatorischen Filter in mehrfacher Hinsicht falsch konzipiert und seine Auswirkungen falsch eingeschätzt hatte:
i.
Der regulatorische Filter fiel 2019 doppelt so hoch aus (15,3 Milliarden Franken), wie bei seiner Einführung 2017 angenommen (8 Milliarden Franken).
ii.
Die Umstellung der Rechnungslegungsvorschriften von der Sammelbewertung auf die Einzelbewertung hätte nach Ansicht der Kommission zwei Effekte auf die Situation der CS AG gehabt: Erstens hätte sich der Eigenmittelbedarf der CS AG deutlich erhöht, und zweitens hätte die Umstellung - nach geltender Lehre zur Einzelbewertung - dem im Rechnungslegungsrecht geltenden Vorsichtsprinzip entsprochen (siehe Kap. 5.3.3.2). Insofern ist die Zweckmässigkeit eines Hauptziels des regulatorischen Filters, nämlich die Neutralisierung der Rechnungslegungsänderung (Umstellung der Rechnungslegungsregeln von Sammel- auf Einzelbewertung), aus Sicht der Kommission fraglich.
iii.
Die Verfügung der FINMA sah kein zwingendes Phase-out des regulatorischen Filters vor.
iv.
Die Verfügung sah keine quantitative Obergrenze für den regulatorischen Filter vor (weder in absoluten Beträgen noch im Verhältnis zur Bilanz oder zu den übrigen Eigenmitteln). Damit wurde ermöglicht, dass der Filter 2022 zeitweilig rund die Hälfte des harten Eigenkapitals der CS AG ausmachte.
v.
Der Filter verband den Umgang mit der Bewertung der Beteiligungen der CS AG für regulatorische Zwecke mit gewissen Risiken, weil er in den ausgewiesenen Eigenmitteln gewisse Marktwertverluste versteckte.
vi.
Die CS AG hatte keinen Anreiz, die stillen Reserven auf ihren Beteiligungen zu reduzieren.
Angesichts der Tatsache, dass ab 2022 die regulatorischen Minimalanforderungen ohne Filter sehr deutlich und anhaltend unterschritten worden wären, 21¹8 stellt sich für die Kommission die Frage, ob es den Zielen der Finanzmarktstabilität (Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger, der Anlegerinnen und Anleger sowie der Versicherten, Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte) diente, diese massiven Erleichterungen zu gewähren. Die Kommission ist der Ansicht, dass der regulatorische Filter die reale Lage der CS AG überdeckte. Somit war die CS AG nicht gezwungen, ihre Kapitallage zu einem Zeitpunkt durch eine Kapitalerhöhung zu stärken, als dies unter Umständen noch einfacher möglich gewesen wäre. Wäre die Eigenmittelquote der CS ohne Filter publik gewesen, hätten Kapitalmärkte, Analystinnen und Analysten oder Medien eine transparentere Informationsbasis für ihre Entscheidungen gehabt.
Vor diesem Hintergrund erinnert die Kommission daran, dass die Abwicklung Bestandteil der TBTF-Regulierung ist. Es stellt sich aber die Frage, ob eine Abwicklung überhaupt möglich gewesen wäre. Die FINMA hatte den Abwicklungsplan für die CS 2019 bereits erstellt. Sie befand die Vorbereitungsarbeiten der CS für dessen Umsetzung aber erst per Ende 2022 für ausreichend (siehe Kap. 5.3.1.4).
Eine Neubeurteilung der Situation und das Ergreifen von Massnahmen wäre aus Sicht der Kommission spätestens 2022 unverzichtbar gewesen.
Auswirkungen des regulatorischen Filters ab Herbst 2022
Aus Sicht der Kommission ist die Wirkung des regulatorischen Filters auch während der Krise kritisch zu würdigen: Aus dem Expertenbericht geht hervor, dass der regulatorische Filter als Neutralisierung der Rechnungslegungsumstellung konzipiert war. Ab 2022 konnte der Filter jedoch - aufgrund seiner Konzeption - 21¹9 die seit seiner Einführung aufgelaufenen Marktwertverluste nicht mehr kompensieren, weil ihm nicht mehr genügend Wertreserven in unterbewerteten Beteiligungen gegenüberstanden. Der dadurch verursachte Rückgang der Eigenmittel (CET1) der CS AG von rund 37 auf 27 Milliarden Franken vom zweiten zum dritten Quartal 2022 wurde auch für die Märkte sichtbar (spätestens mit der Publikation der Quartalsergebnisse am 27. Oktober 2022). Gleichzeitig aber (im Oktober 2022) erlaubte die FINMA der CS AG, einige Beteiligungen zu einem tieferen Satz mit Risikogewichten zu unterlegen (250 % statt 400 %). Gemäss dem von der PUK beauftragten Experten diente dies dem Ziel der CS AG, eine höhere Eigenmittelquote ausweisen zu können. Die FINMA setzte aber voraus, dass die CS AG im Gegenzug eine Kapitalerhöhung von 4 Milliarden Franken durchführte.
Zusätzlich zu dieser Umbuchung der Beteiligungen gewährte die FINMA der CS AG Mitte Oktober eine temporäre Unterschreitung der Minimalanforderungen an die Eigenmittelquote (siehe Kap. 6.3.1.1).
Ferner merkt die Kommission an, dass das Stammhaus der CS das Securitized-Products-Geschäft nicht verkaufen konnte, weil es damit eine Unterschreitung der Eigenmittelquote riskiert hätte (siehe Kap. 6.3.1). Auch hier mag dahingestellt sein, ob die CS AG ohne Gewährung des regulatorischen Filters zu diesem Zeitpunkt besser kapitalisiert oder bereits saniert gewesen wäre oder ob sie bereits ihre Eigenständigkeit verloren gehabt hätte. Im Zusammenhang mit dem Verkauf des Securitized-Products-Geschäfts führte die FINMA selber gegenüber der CS AG aus, der regulatorische Filter sei sehr grosszügig gewesen (siehe Kap. 6.4.1). Dieser Ansicht ist auch die Kommission. Entsprechend ist für sie nachvollziehbar, dass die FINMA keine weiteren Erleichterungen gewähren wollte, um den Verkauf dieses Teilgeschäfts der Investmentbank zu ermöglichen.
Aus diesen Erkenntnissen schliesst die Kommission, dass dem regulatorischen Filter eine zentrale Rolle bei der Eigenmittelsituation der CS während der Krise zukam. Darüber hinaus wirft der Expertenbericht Birchler jedoch eine Frage grundsätzlicher Tragweite auf. Gemäss ihm ist die Erklärung, die CS sei nicht an zu geringen Eigenmitteln gescheitert, zu hinterfragen. Ohne den regulatorischen Filter und erst recht bei strengerer Bewertung der Beteiligungen wäre die CS AG gemäss seinen Berechnungen spätestens seit 2022 unterkapitalisiert gewesen. Die Kommission hält es für wichtig, dass der Bundesrat bei der Aufarbeitung der Krise die These, die Krise der CS sei eine Vertrauens- und Liquiditätskrise, aber keine Kapitalkrise gewesen, kritisch hinterfragt.
Nach Ansicht der PUK waren die Erleichterungen, die die FINMA über die Jahre hinweg gewährt hat, zu extensiv und damit teilweise unzweckmässig.
Stand die FINMA vor einem Dilemma? Rekapitalisierung versus Risiko des Vertrauensverlusts der Bank
Der von der PUK beauftragte Experte führt in einem Nachwort zu seinem Bericht aus, die FINMA befinde sich gegenüber einer schwach kapitalisierten Bank in einem Dilemma: Einerseits müsse sie eine Rekapitalisierung der Bank verlangen, andererseits riskiere sie mit einer entsprechenden Ankündigung, das Vertrauen der Geldgeberinnen und Geldgeber der Bank zu schwächen. 212⁰
Für die Kommission stellt sich daher generell die Frage, ob die FINMA einschneidendere Massnahmen gegen die CS hätte ergreifen können, ohne eine Vertrauenskrise vor März 2023 zu begünstigen.
Gemäss Rechtsgutachten war die Gefahr eines weiteren Vertrauensverlustes in die Bank massgebend dafür, dass kein formelles Sanierungsverfahren eröffnet werden konnte.
212¹
Das Gutachten kommt zum Schluss, dass die FINMA sich zwischen kurzfristiger Stabilität und langfristiger Regeltreue 2¹22 entscheiden musste und dass sie den regulatorischen Filter als die am wenigsten schädliche Option mit Chancen ansehen durfte. 2¹23 Die PUK ist jedoch der Ansicht, dass dieses Dilemma allenfalls hätte vermieden werden und in der Folge mit korrektiven Massnahmen (z. B. Phase-out, Obergrenze) hätte aufgefangen werden können. Weiter ist die Kommission überzeugt, dass eine glaubwürdige TBTF-Regulierung bedingt, dass die Aufsichtsbehörde von sämtlichen Massnahmen Gebrauch machen kann, ohne sich vor einer Vertrauenskrise und gegebenenfalls einer Abwicklung einer Bank zu scheuen.
Information und Einbezug des Verwaltungsrates der FINMA
Im Zusammenhang mit dem regulatorischen Filter stellen sich auch Fragen zur inneren Organisation der FINMA bzw. zur Aufgabenteilung zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat. Verfügungen der FINMA werden von der Geschäftsleitung erlassen, ausser es handelt sich um ein Geschäft grosser Tragweite im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b FINMAG. 2¹24 Die Geschäftsleitung der FINMA erliess die Verfügung, mit welcher der regulatorische Filter eingeführt wurde (siehe Kap. 5.3.3.2).
Mit Blick auf die Tragweite der gewährten Erleichterung stellen sich für die Kommission folglich Fragen dazu, welches Organ der FINMA für den Erlass der Verfügung von 2017 zuständig war.
Ob es sich um ein Geschäft grosser Tragweite gehandelt hat und die Verfügung daher vom Verwaltungsrat hätte erlassen werden müssen, lässt das
Gutachten offen.
2¹25
Die Frage wird nicht abschliessend beantwortet, da sie gemäss Gutachten keine rechtlichen Folgen mehr hat.
2¹26
Gemäss dem damaligen Direktor der FINMA wurde der Verwaltungsrat der FINMA regelmässig über Entwicklungen bei beiden Grossbanken informiert. Dem Verwaltungsrat wurden aber zum regulatorischen Filter keine Geschäfte zur Kenntnisnahme oder zur Entscheidung vorgelegt. In den Verwaltungsrats-Protokollen finden sich keine entsprechenden Einträge in der fraglichen Zeitperiode. So war der Verwaltungsrat der FINMA gemäss Einschätzung der Verwaltungsratspräsidentin über die Existenz und die Folgen des regulatorischen Filters nicht ausreichend informiert (siehe Kap. 5.3.3.3).
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass bis zu einem Entscheid des Bundesgerichts im Jahr 2018 unklar war, was als Geschäft grosser Tragweite zu werten ist. Bis zu diesem Entscheid fielen gemäss dem damaligen Direktor der FINMA nach gängiger Praxis Einzelfallentscheide zu Kapitalvorgaben bei einer Grossbank in die Kompetenz der Geschäftsleitung.
2¹27
Die FINMA hat die Lehren aus dem
Entscheid
des Bundesgerichts gezogen und im Jahr 2019 ihr Organisationsreglement angepasst.
2¹28
Weiter nimmt die Kommission
zur Kenntnis, dass im Jahr 2021 vom neu zusammengesetzten FINMA-Verwaltungsrat sogenannte Fokusthemen eingeführt wurden. Unter diesem Titel berichtete die Geschäftsleitung dem FINMA-Verwaltungsrat 2022 erstmals über den regulatorischen Filter, insbesondere über dessen Quantifizierung und Auswirkungen. 2¹29
Fazit
Damit kommt die PUK gestützt auf das von ihr vergebene Mandat zum Schluss, dass die FINMA die rechtliche Kompetenz zur
Gewährung
von Erleichterungen hatte und die Anwendung des regulatorischen Filters rechtmässig war.
Die Bestrebungen der FINMA, die der CS gewährten Erleichterungen transparenter als unter dem Regime nach Artikel 125 ERV auszuweisen, würdigt die PUK im Grundsatz positiv. Nach Ansicht der Kommission war der regulatorische Filter aufgrund seiner Konzeption jedoch nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Weiter ist sie der Ansicht, dass die mit dem Filter bewirkte Neutralisierung der neuen Rechnungslegungsvorschriften nicht durchwegs zweckmässig war, da mit diesen neuen Vorschriften durchaus positive Effekte erzielt werden sollten (siehe oben). Insofern ist die Geschäftsführung der FINMA in diesem Punkt im Zusammenhang mit dem regulatorischen Filter als nicht zweckmässig zu bezeichnen.
Die Kommission stellt fest, dass die Beibehaltung des Filters Teil des Forderungskatalogs der UBS war (siehe Kap. 7.2.1, 7.2.2.1, 7.2.2.4). Mit der rechtlichen Fusion der beiden Grossbanken wurde jedoch diese Regelung aufgehoben, was die Kommission begrüsst.
Im Zusammenhang mit dem regulatorischen Filter unterstreicht die PUK nochmals die Wichtigkeit einer ausreichenden Kapitalisierung von systemrelevanten Banken. Die Stabilität in einer Krise hängt in entscheidendem Masse davon ab, ob die Bank auf eine solide Eigenkapitalbasis zurückgreifen und Verluste und Liquiditätsabflüsse absorbieren kann. Auch für eine erfolgreiche Sanierung oder Abwicklung sind ausreichende Eigenmittel (Gone-Concern-Mittel) entscheidend. Obwohl die CS die Eigenmittelvorgaben knapp erfüllt hat, war das Stammhaus aufgrund der nicht vollständig mit Eigenmitteln unterlegten ausländischen Beteiligungen unterkapitalisiert.
In Anbetracht dieser Überlegungen regt die PUK an, für SIB die Möglichkeit, Erleichterungen von den geltenden Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften zu gewähren, auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe einzuschränken. Beispielsweise erscheint es der PUK angezeigt, im Gesetz vorzusehen, dass Erleichterungen nur befristet gewährt werden können. Weiter sollen systemrelevante Banken Erleichterungen stets so transparent und nachvollziehbar wie möglich ausweisen müssen. Die PUK lädt den Bundesrat ein, solche Einschränkungen zusammen mit dem Massnahmenpaket gemäss Ziffer 7.5.9 seines Berichtes vom 10. April 2024 auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe zu verankern. Dabei sollen die Ergebnisse der oben erwähnten Prüfung der Tragweite von Artikel 4 Absatz 3 BankG in geeigneter Weise berücksichtigt werden.
Weiter regt die PUK eine Überprüfung der bestehenden Eigenmittelvorgaben an. Insbesondere die Eigenmittelunterlegung ausländischer Beteiligungen ist zu stärken.
| Motion Nr. 2: Erleichterungen von Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften für SIBs beschränken Der Bundesrat wird beauftragt, der Bundesversammlung einen Entwurf zu einem Erlass vorzulegen, der die Gewährung von Erleichterungen von Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften für SIBs gemäss Artikel 4 Absatz 3 BankG beschränkt. Die Gewährung von Erleichterungen soll transparent ausgewiesen werden, zwingend zeitlich begrenzt und mit einem klaren Phase-out-Plan versehen sein. |
| Empfehlung Nr. 4 Der Bundesrat wird aufgefordert zu prüfen, ob die Qualität und die Quantität der Eigenmittel der SIBs gemäss den aktuellen Anforderungen genug geschützt sind, damit die Solidität der SIBs gesichert ist. |
2⁰96 Die FINMA betonte gegenüber der PUK, dass die Werthaltigkeit des Filters gegeben war, weshalb er im regulatorischen Eigenkapital berücksichtigt werden konnte. Aus diesem Grund lag gemäss FINMA keine Unterkapitalisierung vor (Stellungnahme der FINMA vom 25.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation).
2⁰97 Expertenbericht Birchler (2024)
2⁰98 Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024)
2⁰99 Faktisch fand der Regimewechsel gemäss Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht bereits mit der Einführung der TBTF-Verfügung 2013 statt, da mit den gewährten Erleichterungen nur noch ein Zehntel der Beteiligungen dem Abzugsregime unterlag. Mit der TBTF-Verfügung 2017 wurde das bereits geltende Regime lediglich angepasst. Nun fiel auch für diesen Zehntel der Beteiligungsabzug weg (Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 16 ff.). Die FINMA machte vor der PUK geltend, das neue Regime sei insgesamt eine Verschärfung im Vergleich zum Beteiligungsabzug gewesen, weil der Beteiligungsabzug gemäss Art. 125 ERV unter gewissen Voraussetzungen mit zwingenden Erleichterungen verbunden war. Demgegenüber sah die 2017 eingeführte Regelung mit reiner Risikogewichtung keine zwingenden Erleichterungen vor. Für die PUK ist dieses Argument nicht nachvollziehbar: Die FINMA gewährte den regulatorischen Filter - welcher nach Ansicht der PUK eine massive Erleichterung im Zusammenhang mit den Rechnungslegungsvorschriften darstellt, vgl. nachstehend - mittels derselben Verfügung.
210⁰ Der vollständige Beteiligungsabzug war in Art. 32 Bst. j ERV geregelt. Die FINMA machte vor der PUK geltend, diese Bestimmung sei aufgrund von Art. 148 i ERV nicht einschlägig gewesen. Art. 148 i ERV sieht im Grunde vor, dass die Verfügungen zur Behandlung von Beteiligungen, die die FINMA vor der Anpassung der ERV erlassen hat, Art. 32 Bst. j ERV vorgehen. Nur: Art. 148 i ERV trat rund zwei Jahre nach Erlass der Verfügung durch die FINMA in Kraft. Das Rechtsgutachten kam zum Schluss, dass Art. 148 i ERV rein deklaratorische Wirkung hatte. So hätte die Bestimmung etwa bei einer unrechtmässigen Verfügung keine heilende Wirkung gehabt. Die Einführung der Bestimmung sei dahingehend zu deuten, dass der Bundesrat die Fortgeltung der Anordnungen der FINMA gutgeheissen habe (Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht [2024], S. 4 und 30).
21⁰1 Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 4 und 13 ff.
21⁰2 Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 21 ff.
21⁰3 Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 4, 7 ff. und 23
21⁰4 Gemäss Erläuterungsbericht wurde die Zweckmässigkeit des Abzugsregimes und der Risikogewichtung infrage gestellt, weil die damals von den Banken offengelegten Kapitalzahlen keinen aussagekräftigen Rückschluss auf die Dimension der Beteiligungswerte zuliessen und die neuen Beteiligungen den Anteil von risikogewichteten Beteiligungen noch erhöhten (Erläuterungen des EFD zur Änderung der Eigenmittelverordnung vom 21.11.2018, S. 9). Die FINMA sagte vor der PUK aus, sie habe sich für eine Lösung eingesetzt, die die Kapitalsituation bei den Grossbanken nachhaltig stärkte und die Transparenz über die Eigenmittelsituation für Drittpersonen verbesserte (Brief der FINMA an die PUK vom 14.6.2024, S. 2).
21⁰5 So der Expertenbericht Birchler (2024), S. 6. Wie der jeweilige Betrag zustande kam, gab die CS nicht an. Spätestens Mitte 2021 waren mit der Publikation eines Berichtes des renommierten Research-Hauses Autonomous die Herausforderungen bei der Kapitalisierung des Stammhauses und die Details des entsprechenden Regimes für Spezialistinnen und Spezialisten im Markt bekannt.
21⁰6 Brief der FINMA an die PUK vom 14.6.2024, S. 1
21⁰7 Gutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 27
21⁰8 Gemäss der FINMA wäre die Neutralisierung der Umstellung von Sammelbewertung auf Einzelbewertung im regulatorischen Kapital in jedem Fall erforderlich gewesen. Wären die Bestimmungen der TBTF-Verfügung nicht angepasst worden, hätte der regulatorische Filter basierend auf Art. 125 ERV gewährt werden müssen (Stellungnahme der FINMA vom 28.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation). Das Gutachten kommt zwar zum Schluss, dass der damaligen Lage der FINMA Rechnung zu tragen ist und diese den Filter aufgrund fehlender valabler Alternativen gewähren musste. Gleichzeitig wird beanstandet, dass die FINMA selber die Gründe für die fehlenden Alternativen nicht erläutert hat (Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht [2024], S. 5 und 27; siehe zur Aufzählung der fehlenden Alternativen die Ausführungen ab S. 39). Nach der Ansicht des damaligen Direktors der FINMA wäre die einzige Alternative zum Filter gewesen, diesen nicht zu gewähren und Art. 125 ERV beizubehalten. Diese Bestimmung bezeichnete er aufgrund der fehlenden Transparenz als toxisch.
21⁰9 Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 28
211⁰ Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 28
211¹ Die FINMA als unabhängige Aufsichtsbehörde konsultiert das EFD nicht zu Aufsichtsmassnahmen bei einzelnen Banken. In diesem Fall wurde aber das SIF über die Diskussionen mit den Banken in Zusammenhang mit der Abschaffung von Art. 125 ERV orientiert (Kap. 5.3.3.2).
21¹2 Gleichzeitig sei an dieser Stelle betont, dass die SNB die Einführung der Risikogewichtung der Beteiligungen (und damit verbunden auch die Abschaffung von Art. 125 ERV) gemäss derselben Unterlage grundsätzlich unterstützte. Der Druck für das SIF ergab sich offenbar aus einer Meinungsverschiedenheit zwischen FINMA, SNB und SIF mit Bezug auf die Auswirkung der geplanten Änderung auf die Leverage Ratio. Soweit für die Kommission ersichtlich, stand diese Meinungsverschiedenheit nicht in Zusammenhang mit dem regulatorischen Filter. Überdies unterstützte das SIF die Streichung von Art. 125 ERV.
21¹3 Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 14, 18 f., 20, 22, 27
21¹4 SNB (2023): Bericht zur Finanzstabilität 2023, S. 32.
21¹5 Stellungnahme der FINMA vom 27.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
21¹6 Bei der erstmaligen Anwendung per Ende 2019 wies die CS AG den Effekt des Filters mit 15,3 Mrd. Fr. aus. Regulatorische Anforderungen sind eine Minimalgrösse. Die CS AG wies per Ende 2019 eine CET1-Capital-Ratio von 13,5 % aus, bei einem regulatorischen Erfordernis von 10,1 %. Sie verfügte zum genannten Zeitpunkt also über einen Puffer von rund 13 Mrd. Fr. über den regulatorischen Gesamtanforderungen, die den Kapitalmehrbedarf ohne Filter eingeschränkt hätten. Nach Einschätzung der SNB von 2017 hätte die CS AG rund 3,5 Mrd. Fr. neues regulatorisches hartes Kernkapital beschaffen müssen. Siehe Kap. 5.3.3; Expertenbericht Birchler (2024), S. 5 f.; Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 36 ff.
21¹7 Die revidierte TBTF-Verfügung der FINMA wurde 2017 erlassen, und die Änderung der Rechnungslegung trat per Rechnungsjahr 2019 in Kraft.
21¹8 Gemäss Expertenbericht Birchler (2024) lag die Kapitalquote der CS AG zeitweise bei 5 % und damit klar unter den regulatorischen Gesamtanforderungen von 10 %.
21¹9 Der regulatorische Filter ermöglichte es, niedrigere Werte auf einzelnen Beteiligungen zu kompensieren, sofern sie äquivalenten höheren Werten auf anderen Beteiligungen gegenüberstanden.
212⁰ Expertenbericht Birchler (2024), S. 24
212¹
Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 40: Gemäss Gutachten hätte ein derartiger Vertrauensverlust dazu führen können, dass die Bank in die Insolvenz geraten wäre.
2¹22 Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 5 und 39
2¹23 Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 40
2¹24 Geiger, Hans (2015): Kommentar zu Art. 4 BankG, in: Zobl, Dieter et al. (Hrsg.): Kommentar zum Bundesgesetz über Banken und Sparkassen, 23. Aufl. Zürich: Schulthess Juristische Medien AG, Rz. 28.
2¹25 Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 9 f.
2¹26 Rechtsgutachten Zellweger-Gutknecht (2024), S. 10: Dabei nennt die Gutachterin zwei Gründe. Erstens sei eine allfällige Anfechtungsfrist mittlerweile verstrichen. Zweitens werde die Nichtigkeit nur ausnahmsweise bejaht, wenn verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
2¹27 Sitzungsprotokoll der PUK vom 13.11.2024
2¹28 In seinem weitreichenden Postfinance-Urteil entschied das Bundesgericht, dass eine Verfügung, welche der Postfinance schärfere Eigenmittelvorschriften auferlegte, vom Verwaltungsrat und nicht von der Direktion der FINMA hätte erlassen werden sollen. Das Bundesgericht führte unter anderem aus, «Verfügungen über Eigenmittel, die [systemrelevante] Institute betreffen, könnten somit weitreichende wirtschaftliche Folgen bzw. erhebliche Folgen für den Finanzmarkt und Auswirkungen von systemischer Bedeutung im Sinne von Art. 2 Abs. 3 lit. a Organisationsreglement FINMA haben» (Urteil des Bundesgerichts 2C_387/2018 vom 18.12.2018, E. 3.6.1). Nach dem Entscheid des Bundesgerichts hat der Verwaltungsrat der FINMA die Geschäftsleitung gebeten, das Organisationsreglement zu schärfen und einzuengen, sodass kleinere Verfügungen nicht mehr vom Verwaltungsrat zu beschliessen sind. Der entsprechende Vorschlag der Geschäftsleitung wurde 2019 vom Verwaltungsrat formell bestätigt.
2¹29 Brief der FINMA an die PUK vom 14.6.2024, S. 5; Stellungnahme der FINMA vom 28.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation.
11.1.1.4 Zwischenfazit zur Aufsichtstätigkeit der FINMA
Das Fazit der Kommission zur Geschäftsführung der FINMA zwischen 2015 und dem Beginn der Krise fällt je nach Themengebiet differenziert aus. Nachfolgend werden die laufende Aufsicht und die Enforcementverfahren beurteilt. Der regulatorische Filter wird getrennt behandelt.
Im Rahmen ihrer laufenden Aufsicht und der Enforcementverfahren setzte die FINMA aus Sicht der PUK die ihr vorliegenden Instrumente insgesamt rechtmässig ein. Die Kommission kommt aber zum Schluss, dass sich die FINMA gegenüber der CS nicht genügend durchgesetzt hat. Sie hat insbesondere bei einzelnen Enforcementverfahren zu wenig konsequent gehandelt. Insgesamt war die Geschäftsführung der FINMA für die Kommission somit nicht durchwegs zweckmässig.
Ausgesprochen kritisch sieht die PUK
- trotz der festgestellten Rechtmässigkeit -
die Gewährung des regulatorischen Filters. Die Folgen des Filters waren schliesslich deutlich höher als von der FINMA erwartet, weshalb die PUK nicht nachvollziehen kann, dass die FINMA hierzu keine stärkeren korrektiven Massnahmen getroffen hat.
Schliesslich ist auch die Wirksamkeit der von der FINMA ergriffenen Massnahmen für die PUK fraglich bzw. nicht in allen Teilen gegeben, da die CS die Forderungen der FINMA nur teilweise oder verspätet umsetzte. Verbesserungspotenzial sieht die PUK sowohl bei den Instrumenten wie auch beim Durchsetzungsvermögen der FINMA. Es erscheint der PUK grundlegend, dass die FINMA ihren Forderungen im Rahmen der laufenden Aufsicht zukünftig mehr Nachdruck verleiht. Der Bundesrat sollte weitere Massnahmen prüfen: Erstens wären aus Sicht der PUK Massnahmen bei der Personalausstattung der FINMA angezeigt. Zweitens sollte der Ausbau des Instrumentariums der FINMA geprüft werden - einschliesslich der Kompetenz, pekuniäre Verwaltungssanktionen (Bussen) gegen systemrelevante Banken als Institut und gegen Privatpersonen auszusprechen. Die PUK nimmt zur Kenntnis, dass die Einführung einer Bussenkompetenz gegen ein Finanzmarktinstitut nach Einschätzung des Bundesrates umsetzbar erscheint (siehe Motion Nr. 3 am Ende von Kap. 11.1.2). 213⁰
213⁰ Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 285)
11.1.2 Mikroprudenzielle Aufsicht im Hinblick auf die Krise
Einwirkung auf die Kapitalplanung der CS
Die Untersuchung der PUK hat gezeigt, dass die FINMA die Kapitalplanung der CS über die Jahre hinweg wiederholt kritisierte. Die FINMA bemängelte insbesondere, dass die CS unabhängig von einer steten Gewinnerzielung Dividenden an ihre Aktionärinnen und Aktionäre ausschüttete (siehe Kap. 5.3.1.3). In Krisensituationen hat es sich in anderen Jurisdiktionen bewährt, Dividendenausschüttungen bzw. Aktienrückkäufe vorübergehend zu unterbinden, um die Kapitalbasis zu stärken. Entsprechend ist nach Ansicht der Kommission zu prüfen, ob eine vorübergehende Einschränkung von Dividenden und Aktienrückkäufen zur Kapitalplanung in das Instrumentarium der FINMA aufzunehmen ist (siehe Motion Nr. 3 am Ende von Kap. 11.1.2).
Vorbereitungsarbeiten für die Abwickelbarkeit der CS
Wie oben ausgeführt, genehmigte die FINMA den Stabilisierungsplan der CS bereits früh: Sie erachtete die Schweizer Notfallpläne der CS per Ende 2019 als umsetzbar und die Vorbereitungsarbeiten der CS für eine Abwicklung per Ende 2022 als ausreichend (siehe Kap. 5.3.1.4). Die FINMA begann Mitte Oktober 2022 mit der Ausarbeitung der Sanierungsverfügung und des Sanierungsplans für die CS. Erste Entwürfe dieser beiden Dokumente lagen Anfang November 2022 vor (siehe Kap. 6.3.1.1).
Nach Kenntnisstand der PUK war eine Sanierung im März 2023 ausreichend vorbereitet. Gemäss der Untersuchung der PUK sind die Gründe, die trotz der erfolgten Vorbereitung gegen eine Sanierung sprachen, vielfältig. Erstens war die CS mit einer Vertrauenskrise konfrontiert. Die Frage der Erfolgsaussichten einer Sanierung hing eng mit der Frage zusammen, wie das Vertrauen in die CS wiederhergestellt werden kann. Vor der PUK wurde ausgesagt, dass die Fusion mit der UBS dafür geeigneter war als eine Abwicklung gemäss bestehender TBTF-Gesetzgebung. Zweitens bestanden Rechts- und Umsetzungsrisiken trotz intensiver Vorbereitung ( Valuation-in-Resolution- Übung) auf internationaler wie auch auf nationaler Ebene, aufgrund welcher die Behörden die privatrechtliche Fusion mit der UBS gegenüber einer Sanierung der CS bevorzugten (siehe auch Kap. 13.2.6). In diesem Zusammenhang befürchteten die Behörden, dass eine gescheiterte Sanierung eine nationale und internationale Wirtschaftskrise auslösen könnte.
Die PUK stellt weiter fest, dass sich aus ihrer Untersuchung keine Hinweise darauf ergeben haben, dass die Nichtumsetzung der Abwicklungspläne an einer allfällig mangelhaften operativen Vorbereitung durch die Behörden und insbesondere durch die FINMA gelegen hätte (siehe Kap. 13.1.5 und 13.2.4). Dabei bleibt unsicher, ob eine Abwicklung von den ausländischen Behörden mitgetragen worden wäre (siehe Kap. 7.2.5.3). Schliesslich konnten die Behörden die Folgen einer Abwicklung der CS nicht mit Sicherheit antizipieren, weil es sich um die erste Abwicklung einer G-SIB gehandelt hätte.
Die PUK hält ferner fest, dass trotz ihren umfangreichen Abklärungen nicht restlos klar wurde, ob die Behörden bei Nichtzustandekommen einer Einigung zwischen der CS und der UBS zu einer Sanierung, einer temporären staatlichen Übernahme (TPO) oder gar einer Zwangsfusion mit der UBS geschritten wären (siehe Kap. 13.2.4).
Die PUK ist in Übereinstimmung mit den vor ihr geäusserten Aussagen und Expertenmeinungen dennoch zur Überzeugung gelangt, dass die Sanierung ein wirksamer Teil des TBTF-Dispositivs ist und bleiben soll. Die PUK regt aber an, dass die internationale Durchführbarkeit einer Sanierung überprüft wird und sich der Bundesrat in den entsprechenden Gremien dafür einsetzt, dass eine internationale Abwicklung möglich ist.
Rolle der AT1-Anleihen in der Geschäftsführung der FINMA
Wie in Kapitel 8.6 erwähnt, ist die Abschreibung der AT1-Anleihen Gegenstand laufender Gerichtsverfahren. Gemäss Artikel 154 a Absatz 4 ParlG in Zusammenhang mit Artikel 163 ParlG hindert die Untersuchung durch die PUK die Durchführung von zivil- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren sowie von Voruntersuchungen und Gerichtsverfahren in Strafsachen nicht. In Einklang mit der langjährigen Praxis anderer Oberaufsichtsorgane 213¹ übt die PUK aufgrund des Gewaltentrennungsprinzips Zurückhaltung bei der Prüfung von Fragen, die Gegenstand laufender Gerichtsverfahren sind. Nachfolgend wird die Rolle der AT1-Anleihen in der Geschäftsführung der FINMA insoweit erwähnt, als sie die Vorbereitungsarbeiten der FINMA betrifft. Der Rückgriff auf Notrecht wird in Kapitel 13.2.5 thematisiert.
Einleitend hält die PUK fest, dass die AT1-Anleihen in zweifacher Hinsicht eine Rolle bei der Bewertung der Geschäftsführung der FINMA spielen: Erstens stellte sich im Sommer 2022 (siehe Kap. 6.2.1) und später auch im Januar und Februar 2023 (siehe Kap. 6.4.1) die Frage, ob die CS ihre AT1-Anleihen zurückkaufen könnte, um den Märkten ein vertrauensbildendes Signal zu senden. Zweitens stand im Oktober 2022 (siehe Kap. 6.3.3) sowie im März 2023 (siehe Kap. 7.2) die Frage im Raum, ob und wann die AT1-Anleihen abzuschreiben seien, um die Eigenmittelsituation der CS zu verbessern.
Die FINMA befasste sich im Januar und Februar 2023 mit dem Anliegen der CS, ihre AT1-Anleihen zurückzukaufen, so z. B. aus Anlass der wöchentlichen Gespräche der FINMA mit der CS vom 30. Januar und 6. Februar 2023 (siehe Kap. 6.4.1).
Wie auch bei der Vergabe von ELA (siehe Kap. 11.3.2) fällt der PUK auf, dass Instrumente, die der Stabilisierung einer systemrelevanten Bank in Notsituationen dienen sollen, faktisch die gegenteilige Wirkung erzeugen können. So wollte die CS AT1-Anleihen zurückzukaufen, um dem Markt vertrauensstärkende Signale zu senden (siehe Kap. 6.4.1).
Weiter gehören AT1-Anleihen zum Going-Concern-Kapital. 2¹32 Als solches dienen sie der Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer Abwicklung (siehe Kap. 5.2.2). Die FINMA ordnete die Abschreibung der AT1-Anleihen in Anwendung der geltenden Rechtsgrundlagen jedoch erst im März 2023 an, unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit der CS. Für die PUK erscheint es daher unabdingbar, die Funktion der AT1-Anleihen kritisch zu prüfen und die relevante Gesetzgebung allenfalls anzupassen.
Hinsichtlich der Vorbereitung der FINMA auf eine mögliche Abschreibung der AT1-Anleihen hält die PUK sodann Folgendes fest:
Die FINMA befasste sich bereits vor dem Wochenende vom 18. und 19. März mit der Möglichkeit und den Bedingungen der Abschreibung der AT1-Instrumente. Zunächst fokussierten die Analysen Anfang Oktober 2022 auf die Auswirkungen einer möglichen AT1-Abschreibung im Fall einer Abwicklung. Später, Mitte Oktober 2022, bereitete sich die FINMA aber auch auf eine mögliche Abschreibung der AT1-Anleihen nach einem ELA-Bezug ausserhalb einer Sanierung und ohne Bail-in vor. Die Analyse der FINMA umfasste die Risiken einer möglichen AT1-Abschreibung für das Vertrauen der Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer sowie auch mögliche Rechtsrisiken in Verbindung mit der Verhältnismässigkeit der Massnahme. Der AF befasste sich am 19. Oktober mit Fragen der Gläubigerhierarchie sowie der vertraglichen Abschreibungsbedingungen (siehe Kap. 6.3.3.1).
Nach Ansicht der PUK hat sich die FINMA im Vorfeld der Akutkrise im März 2023 mit den wesentlichen Fragen rund um die Abschreibung der AT1-Anleihen auseinandergesetzt und die Risiken erkannt. Diese Vorbereitungsarbeiten fanden sowohl intern auf operativer Stufe als auch zusammen mit dem EFD und der SNB im Rahmen des AF statt. Auch der Verwaltungsrat der FINMA wurde über die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Abschreibung der AT1-Anleihen und die Gründe für diese Massnahme informiert (siehe Kap. 6.3.1.2).
Darüber hinaus begrüsst die PUK, dass die FINMA - unabhängig von ihren Vorbereitungsmassnahmen - in der Akutkrise alle Rechtsrisiken zu antizipieren versuchte. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass das EFD, die SNB und die FINMA zusammen auf die Lösungsfindung hinwirkten und gleichzeitig jede Behörde bemüht war, die Risiken für die Schweiz insgesamt sowie für die eigene Behörde zu minimieren. Die PUK hält es ferner für glaubwürdig, dass die UBS dem Zusammenschluss mit der CS ohne Abschreibung der AT1-Anleihen nur zugestimmt hätte, wenn der Bund weitaus höhere Garantien zugesprochen hätte. In Anbetracht der Situation vom 15. bis 19. März 2023 erscheint der PUK die Vorbereitung der Anordnung zur AT1-Abschreibung zweckmässig.
Unterstützung der neuen Strategieausrichtung
Die FINMA begleitete sowohl die neue Strategieausrichtung der CS wie auch die Arbeiten an den Contingency-Massnahmen in Bezug auf die Liquiditätssituation und die Vorbereitungen verschiedener Szenarien durch die Bank ab Juli 2022 eng (siehe Kap. 6.2.1). Sie stellte dabei konkrete Forderungen und intensivierte ihre Überwachung im Laufe des zweiten Halbjahres 2022 (siehe Kap. 6.3.1).
Weiter setzte die FINMA der CS klare Fristen für das Erreichen von Zwischenetappen bei der Massnahmenumsetzung und drängte auch früh auf die Vorbereitung des Verkaufsszenarios. Die PUK stellt fest, dass die FINMA auf wenig Kooperation vonseiten der CS-Führung stiess (siehe Kap. 6.3.5.4).
Die Unterstützung der FINMA und der weiteren Behörden trug nach Ansicht der PUK dazu bei, dass die CS die Krise im Herbst 2022 überstand und sich das Vertrauen der Märkte einige Monate lang wieder etwas stabilisierte. Gleichzeitig verfolgten die FINMA und die anderen Schweizer Behörden weiterhin die Suche nach Lösungsszenarien, sollte sich die Situation der CS verschlechtern.
Die FINMA hat nach Ansicht der PUK zu Recht erwartet, dass die neue Strategie der CS auch ohne weitere regulatorische Erleichterungen der FINMA umsetzbar sein muss. Zu diesem Zeitpunkt hatte die CS nach Ansicht der PUK bereits von vielen Zugeständnissen der FINMA profitiert (regulatorischer Filter, Unterschreitung der Eigenmittel- und Liquiditätspuffer etc.; siehe Kap. 6.2.1 und 6.3.1.1). Die PUK hält in diesem Zusammenhang erstens fest, dass die FINMA die deutliche Schrumpfung der Investmentbank nicht ausschloss, sondern an nachvollziehbare Bedingungen knüpfte (siehe Kap. 6.2.1 und 6.3.1.1). Zweitens lag das Problem beim Verkauf des internationalen Verbriefungsgeschäfts (des Securitized-Products-Geschäfts, das Teil der Investmentbank war) darin, dass das Stammhaus zu wenig stark kapitalisiert war. Die FINMA hatte aber von der CS seit Jahren die Verbesserung der Kapitalisierung des Stammhauses verlangt (siehe Kap. 5.3.1.3). Drittens merkt die PUK an, dass eine deutliche Schrumpfung der Investmentbank seit Jahren geplant war und nie umgesetzt wurde.
Feststellung des PONV
Die Untersuchung der PUK hat ergeben, dass sich die FINMA Anfang Oktober 2022 mit der Frage beschäftigte, ob der PONV der CS vorlag (siehe Kap. 6.3.1.1). Diese Frage wurde in den Krisentagen ab dem 15. März 2023 erneut aktuell (siehe Kap. 7.2.4.3). Effektiv festgestellt wurde der PONV am 19. März (siehe Kap. 7.2.5.1).
Die FINMA verfügt bei der Feststellung, ob der PONV eingetreten ist, über einen weiten rechtlichen Ermessensspielraum. Wesentlich für die Beurteilung der FINMA waren unter anderem die Unfähigkeit der Bank, sich Liquidität zu Marktbedingungen zu verschaffen, die drastischen Liquiditätsabflüsse beim Stammhaus und der Schweizer Tochtergesellschaft zwischen dem 15. und 19. März 2023 sowie die Besorgnis ausländischer Aufsichtsbehörden und die drohende Verschärfung der Liquiditätsanforderungen durch diese (siehe Kap. 7.2.4.4). Es haben sich für die PUK keine Hinweise ergeben, dass die FINMA den PONV zu spät festgestellt hätte.
Die PUK hält es jedoch für unbefriedigend, dass die FINMA nicht bereits vor dem PONV eingegriffen hat. Die Schutzmassnahmen stellen einen milderen Eingriff als die in Artikel 25 BankG ebenfalls erwähnte Sanierung und die Konkursliquidation dar. Die PUK betrachtet den Umstand, dass die FINMA ihren Ermessensspielraum diesbezüglich nicht ausgenutzt hat und nicht früher Schutzmassnahmen ergriffen hat, kritisch. Der Verzicht auf eine frühere Anwendung von Schutzmassnahmen war zwar rechtmässig, in den Augen der Kommission aber nicht wirklich zweckmässig. Angesichts der sehr unterschiedlichen Konsequenzen für die Geschäftstätigkeit der Bank, für das Aktionariat und die Volkswirtschaft wäre aus Sicht der PUK eine zeitlich differenzierte Auslösung von Schutz- und Abwicklungsmassnahmen wünschenswert.
Konkret sollte die FINMA bereits frühzeitig (beispielsweise auf Grundlage von Erkenntnissen aus Vor-Ort-Kontrollen oder von Marktindikatoren) verbindliche Massnahmen ergreifen können, um im Sinne einer frühzeitigen Intervention auf die Bank einzuwirken. So sollte die FINMA beispielsweise den Verkauf bestimmter Instrumente verbieten oder den Organen der Bank Weisungen erteilen können. Die PUK nimmt zur Kenntnis, dass der Bundesrat die Einführung solcher Massnahmen plant, und begrüsst dessen Vorschläge zur Stärkung des Instrumentariums der Aufsicht zur Frühintervention. 2¹33
| Motion Nr. 3: Durchsetzungskraft der FINMA bei SIBs stärken Der Bundesrat wird beauftragt, geeignete Massnahmen zur Stärkung der Durchsetzungskraft der FINMA bei SIBs zu prüfen und der Bundesversammlung zu unterbreiten. Es sind unter anderem die nachfolgenden Massnahmen zu prüfen: a. die Einführung der Bussenkompetenz sowohl gegen SIBs als auch gegen Privatpersonen; b. die Erweiterung des Instrumentariums der FINMA zur Frühintervention mittels zeitlich differenzierter Massnahmen; c. die explizite Kompetenz, gegenüber einer SIB eine Kapitalplanung anzuordnen; d. die Anpassung der einschlägigen Rechtsgrundlagen, damit die FINMA ihre an SIBs gerichteten Empfehlungen im Bereich der Bankenaufsicht grundsätzlich formell verfügt;e. oder auch andere Massnahmen, damit die FINMA den Grossbanken auf Augenhöhe begegnen kann. |
213¹ Sekretariat der GPK: Vademecum der Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte, Dezember 2023, Ziff. 1.7, https://www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > Aufsichtskommissionen > Geschäftsprüfungskommissionen > Grundlagenpapier Informationsrechte (Stand: 20.11.2024).
2¹32 «Definition of capital in Basel III - Executive Summary», https://www.bis.org/fsi/fsisummaries/defcap_b3.pdf (Stand: 7.8.2024).
2¹33 Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 180)
11.1.3 Weitere Erkenntnisse zur Geschäftsführung der FINMA
Bemerkungen zum politischen Umfeld, in dem die FINMA agierte
In diesem Kapitel beschreibt die PUK weitere Erkenntnisse zur Geschäftsführung der FINMA. Sie betreffen das Umfeld, in welchem die FINMA 2015 bis 2022 agierte:
Erstens erfuhr die FINMA ungefähr ab 2015 einen gewissen politischen Druck, insbesondere im Hinblick auf ihre Rolle im Bereich der Bankenregulierung und der internationalen Standardsetzung (siehe Kap. 5.2.5.2 und 5.2.7).
Zweitens haben sich die Grossbanken in dieser Phase des Pushbacks in die TBTF-Regulierung eingebracht: So gewährte der Bundesrat der CS verlängerte Übergangsfristen zur Umsetzung der Eigenmittelanforderungen nach der Teilrevision der ERV 2016. Auch bei der Einführung eines neuen Liquiditätskonzeptes im Jahr 2022 beschloss der Bundesrat trotz Bedenken der FINMA zugunsten der Banken lange Übergangsfristen. Ferner erfolgte auch die Einführung der Net Stable Funding Ratio auf Druck der Grossbanken (siehe Kap. 9.1.1). Schliesslich wurden die Grossbanken bei der Abschaffung von Artikel 125 ERV, welche mit der Gewährung des regulatorischen Filters in Zusammenhang stand, miteinbezogen (siehe Kap. 5.3.3).
Trotz dieses Hintergrundes ist es für die PUK nicht nachvollziehbar, dass die FINMA ihre Mittel nicht immer voll ausgeschöpft hat. Als unabhängige Behörde ist von der FINMA zu erwarten, dass sie trotz politischen Drucks ihren Aufgaben vollumfänglich nachkommt, allfällige neu erforderliche Massnahmen erklären kann, frühzeitig den politisch verantwortlichen Behörden die Schwierigkeiten mitteilt und die allenfalls notwendigen Instrumente einfordert. 2¹34
Dabei ist es der FINMA zugutezuhalten, dass sie sich trotz des Widerstands für eine Verschärfung der gesetzlichen Anforderungen an systemrelevante Banken sowie für die Einführung von unterstützenden Massnahmen im Krisenfall auf Gesetzesebene einsetzte: So engagierte sie sich für die Streichung von Artikel 125 ERV, welcher die Gewährung von Erleichterungen zwingend vorsah (siehe Kap. 5.3.3), für die Einführung des PLB (siehe Kap. 5.2.5.3) sowie die Prüfung einer TPO (siehe Kap. 5.2.5.6).
Weiter veranschaulicht der Fall «PostFinance», welche verfahrensrechtliche Hürden die FINMA bei ihrer Geschäftstätigkeit zu bewältigen hatte. Im erwähnten Fall ging es im Wesentlichen um eine Schärfung der Eigenmittelvorschriften, welche die FINMA 2016 gegen die Postfinance verfügt hatte und die aufgrund mehrerer Gerichtsurteile noch nicht rechtskräftig geworden ist. 2¹35
Verfahrensrechtliche Hürden
Der Fall «PostFinance» hatte Auswirkungen auf die FINMA. 2¹36 Auch in der juristischen Lehre wurde dieser kritisch gewürdigt: Ein ehemals bei der FINMA direkt beteiligter Autor regte aufgrund dieses Falls unter anderem die Einführung eines verwaltungsrechtlichen Sonderverfahrens für prudenzielle Aufsichtsverfügungen sowie die Übertragung der Zuständigkeiten für die prudenzielle Aufsicht über systemrelevante Banken an die SNB an (siehe Kap. 14.1.1). 2¹37
Die PUK kann nachvollziehen, dass die FINMA bestrebt ist, ihre Ressourcen effizient einzusetzen. Dennoch stellt sie fest, dass die FINMA die CS bereits vor der Notfusion, aber auch seither im Rahmen deren Aufarbeitung, als Ausnahme qualifiziert hat. 2¹38 Im Wissen um die Bedeutung der CS als global systemrelevanter Bank und die Bestrebungen der Schweiz seit der Einführung des TBTF-Regimes, über internationale Standards hinaus die höchsten Anforderungen an ihre Finanzmarktinstitute zu stellen ( Best-in-Class -Prinzip), sowie im Wissen um die über Jahre andauernden Schwachstellen der CS wäre es aus Sicht der PUK wünschenswert gewesen, wenn die FINMA die Risiken von langen Gerichtsverfahren in Kauf genommen und es gewagt hätte, schärfste Massnahmen (beispielsweise einen Gewährsentzug) zu ergreifen.
Die PUK anerkennt aber, dass Rechtsverfahren gegen Verfügungen erhebliche Ressourcen der FINMA binden können. Sie begrüsst die Bestrebungen des Bundesrates, verschiedene Massnahmen zu prüfen, die auf eine Verkürzung der Verfahrensdauer abzielen. 2¹39
Die PUK stuft die Geschäftsführung der FINMA hinsichtlich der oben beschriebenen Aspekte als rechtmässig, jedoch nicht durchwegs zweckmässig ein: Erstens hätte die FINMA die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente trotz des politischen Drucks konsequent einsetzen sollen (siehe hierzu die Würdigung der Zweckmässigkeit in den vorherigen Kapiteln). Zweitens ist von der FINMA zu erwarten, dass sie sich politisches Gehör verschafft, damit die ihrer Meinung nach fehlenden Instrumente eingeführt werden. Im Sinne der Wirksamkeit fordert die PUK schliesslich den Bundesrat auf, eine Gesetzesvorlage zur Beschränkung der Rechtsmittel sowie zur substanziellen Verkürzung der Beschwerdeverfahren bei prudenziellen Entscheidungen der FINMA zu prüfen.
| Empfehlung Nr. 5 Die PUK fordert den Bundesrat auf, eine Gesetzesvorlage für die SIBs zur Beschränkung der Rechtsmittel sowie zur substanziellen Verkürzung der Beschwerdeverfahren bei prudenziellen Entscheidungen der FINMA zu prüfen. |
Geschäft von grosser Tragweite
Die Frage der Auslegung von Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b FINMAG (Geschäft von grosser Tragweite) hat sich nicht nur mit Bezug auf die verfahrensrechtlichen Hürden auf die interne Organisation der FINMA ausgewirkt, sondern nach Ansicht der PUK auch auf die Zusammenarbeit zwischen dem Verwaltungsrat und der Direktion der FINMA. 214⁰ Die damals geltende unscharfe Trennung der strategischen Geschäfte, welche in den Kompetenzbereich des Verwaltungsrates fallen, von den operationellen Geschäften, die der Direktion obliegen, hat das Verhältnis der beiden Organe in folgender Hinsicht erschwert:
i.
Das fehlende Vertrauensverhältnis zwischen dem damaligen EFD-Vorsteher und dem damals amtierenden Verwaltungsratspräsidenten der FINMA sei unter anderem auf die besonders starke Rolle des (damaligen) Direktors der FINMA zurückzuführen gewesen (siehe Kap. 5.6.2).
ii.
Der Verwaltungsrat der FINMA wurde nicht über die Existenz und die Folgen des regulatorischen Filters informiert (siehe Kap. 5.3.3.3 und 11.1.1.3).
Die Frage, welche Geschäfte als Geschäfte grosser Tragweite im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b FINMAG zu qualifizieren sind, liegt im Ermessen der FINMA. Auch wenn die PUK nicht der Ansicht ist, dass die FINMA ihr Ermessen unzweckmässig ausgeübt hat, so ist sie doch der Ansicht, dass die besagte Bestimmung im Interesse der Rechtssicherheit nach einer ersten Revision 2019 überprüft werden sollte. Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass ein gewisser organisatorischer Spielraum zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung systeminhärent erhalten bleibt, unabhängig von der Institution FINMA.
| Postulat Nr. 4: Governance der FINMA erleichtern Der Bundesrat wird beauftragt zu prüfen, wie die Bestimmung in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b FINMAG angepasst oder allenfalls aufgehoben werden kann, um die Governance der FINMA hinsichtlich der Arbeitsbeziehung von Direktorium und Verwaltungsrat zu erleichtern. Er soll in diesem Zusammenhang auch prüfen, ob oder in welchen Konstellationen Enforcementverfahren gegen systemrelevante Banken ein Geschäft von grosser Tragweite gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b FINMAG sein sollten. |
2¹34 Gemäss der FINMA wurde dies nicht öffentlich gemacht, sondern dem SIF zur weiteren Behandlung im politischen Prozess übergeben. Im April 2023 hat die FINMA-Verwaltungsratspräsidentin erstmals öffentlich drei neue Instrumente gefordert (Senior Manager Regime, Bussenkompetenz und Enforcementtransparenz). Stellungnahme der FINMA vom 25.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation (Fussnote: «Bussen, Senior Management Regime und Enforcement-Transparenz»).
2¹35 Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-5595/2016 vom 14.3.2016 sowie Urteil des Bundesgerichts 2C_387/2018 vom 18.12.2018. In diesem Fall ging es konkret um eine im Jahr 2016 ergangene Verfügung der FINMA, in welcher sie der Postfinance im Anschluss an die Entwicklung des Zinsumfelds höhere Eigenmittelvorschriften auferlegte. Die Anfechtung dieser Verfügung durch die Postfinance führte dazu, dass sich das Bundesgericht damit befassen musste. Dieses entschied aufgrund einer Kompetenzfrage zugunsten der Postfinance: Die Auferlegung höherer Eigenmittelvorschriften fiel gestützt auf Artikel 9 FINMAG - gemäss dem damaligen Organisationsreglement - in den Kompetenzbereich des Verwaltungsrates der FINMA, welcher die betreffende Verfügung aber nicht erlassen hatte. Das Bundesgericht wies die Sache zur Neubeurteilung an die FINMA zurück. Bevor diese erneut eine Verfügung treffen konnte, konfrontierte die Postfinance sie mit einem Ausstandsgesuch, das die Parteien wieder bis vor Bundesgericht führte. Später waren Fragen rund um die aufschiebende Wirkung der am 6.7.2021 ergangenen neuen Verfügung der FINMA zwischen den Parteien strittig. Die Beschwerde der Postfinance gegen diese Verfügung der FINMA ist bis heute vor Bundesgericht hängig.
2¹36 Sitzungsprotokoll der PUK vom 20.3.2024, S. 17. Der Verwaltungsrat der FINMA brachte sich nach dem oben zitierten Entscheid des Bundesgerichts technisch und vorgehensmässig in den betreffenden Prozess ein. Im Jahr 2019 passte die FINMA das Organisationsreglement so an, dass kleinere Geschäfte nicht mehr als Geschäfte von grosser Tragweite gelten.
2¹37 Wyss, David (2023): Finanzmarktaufsicht zwischen Macht und Ohnmacht. In: Chenaux, Jean-Luc et al. (Hrsg.): SZW 2023, S. 623 ff.
2¹38 Dies geht beispielsweise aus dem Assessment-Brief 2020 vom 1.5.2021 hervor: «Never in the history of FINMA has a major financial firm exhibited simultaneously so many issues requiring enforcement proceedings and urgent remediation measures» (S. 1); vgl. auch FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 33.
2¹39 Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 S. 310)
214⁰ Die Auslegung von Artikel 9 FINMAG steht zudem im Zusammenhang mit den Enforcementverfahren, über die der Verwaltungsrat lediglich informiert wird (siehe Kap. 11.1.1).
11.2 Revisionsaufsicht durch die RAB und die FINMA
11.2.1 Bewertung der Aufsicht der RAB und der FINMA über die Revisionsgesellschaften
Die Analyse der Beaufsichtigung der Revisionsgesellschaften durch die RAB von 2015 bis 2022 zeigt, dass die RAB jährliche Prüfungen des CS-Prüfmandats durchführte. Zu diesem Zweck führte sie feste Verfahren ein, die auf zwei Arten von Audits beruhen: dem Regulatory Audit (RA) und dem Financial Audit (FA) (siehe Kap. 5.4.1). Wie bereits in Kapitel 5.4 ausgeführt, wechselte die RAB nicht in einem strikten Rhythmus zwischen diesen zwei Arten von Prüfungen. Umfassende Prüfungen, die sowohl den FA- als auch den RA-Bereich abdeckten, fanden nur in den Jahren 2015 und 2016 statt.
Die PUK hält fest, dass dieser alternierende Ansatz zwar eine gewisse Flexibilität und ein angemessenes Risikomanagement gewährleistet, die Entscheide jedoch unvollständig dokumentiert wurden. Die formalen Mängel bei den Entscheiden, namentlich das Fehlen einer dokumentierten Begründung für die Wahl zwischen einer FA- oder einer RA-Prüfung, können die Transparenz und Stringenz der durchgeführten Prüfungen beeinträchtigen. Dies ist aus Sicht der PUK umso schwerwiegender in Fällen, in denen ein wichtiges Prüfmandat, wie dasjenige der CS, geprüft wurde, ohne dass in einem entscheidenden Moment - wie etwa beim Wechsel der Revisionsgesellschaft im Jahr 2021 - eine umfassende Inspektion für notwendig erachtet wurde.
Zudem stützte sich die RAB bei ihrer Prüftätigkeit auf die Dokumentation der Revisionsgesellschaften, ohne die Unterlagen der CS direkt zu überprüfen. Die Untersuchungsbeauftragten der PUK haben keine Hinweise darauf gefunden, dass die RAB in den File Reviews Stichproben aus den Prüfunterlagen mit der Dokumentation des Instituts abgeglichen hat. Dies kann Fragen zur Effizienz und Stringenz des Inspektionsprozesses aufwerfen. Obwohl die angewendete Methode den geltenden Standards entspricht, kann das Fehlen einer direkten Überprüfung und eines Stichprobennachweises als Schwäche im Inspektionsprozess aufgefasst werden. Es ist deshalb unter Umständen eine Neuevaluierung dieses Prozesses erforderlich. 214¹
Wie bereits oben und in Kapitel 5.4 erwähnt, führte die RAB regelmässig Prüfungen der Revisionsgesellschaften durch. Die Kommission hält indes fest, dass die Frequenz und der Umfang dieser Prüfungen nicht immer an die Besonderheiten der geprüften Unternehmen, konkret der CS, und die früheren Feststellungen angepasst wurden. So führte die RAB im Untersuchungszeitraum keine Nachkontrollen durch und leitete auch keine Ad-hoc-Überprüfung ein, da ihrer Auffassung nach kein Anfangsverdacht auf Prüfversagen der beiden Prüfgesellschaften vorlag und das CS-Mandat ohnehin Gegenstand jährlicher Inspektionen war. Der Prüfungszyklus wurde somit trotz der sich abzeichnenden Schwierigkeiten der CS weiterhin starr angewendet, ohne neuen Risiken oder weiterhin bestehenden Mängeln ausreichend Rechnung zu tragen. Dieser Umstand hat womöglich die Wirksamkeit der Aufsichtsmassnahmen beeinträchtigt. Die PUK schliesst sich dem Fazit ihrer Untersuchungsbeauftragten an, dass eine Ad-hoc-Prüfung insbesondere bei Gesellschaften und File Reviews relevant wäre, die nicht jährlich inspiziert werden.
Eine wirksame Aufsicht über die Revisionsgesellschaften beinhaltet nicht nur eine angemessene Frequenz der Inspektionen, sondern auch die Flexibilität, die Inspektionen zu intensivieren, wenn es die Umstände erfordern. Aus Sicht der PUK ist es deshalb wenig nachvollziehbar, dass die RAB auch in den letzten Jahren vor der Notfusion zwischen der CS und der UBS im Normalmodus verblieb. Die RAB weist jedoch darauf hin, dass das geltende Recht keine explizite Vorgabe für den Wechsel in einen Krisenmodus vorsieht und dass solche Entscheidungen der FINMA obliegen. Die erste Ad-hoc-Prüfung führte die RAB nach der Notfusion ab Sommer 2023 durch. Diese Prüfung wurde allerdings erst im Oktober 2024 abgeschlossen. Die lange Frist ist für die Kommission wenig verständlich.
| Empfehlung Nr. 6 Die PUK lädt den Bundesrat dazu ein, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der RAB-Inspektionsprozesse bei den SIBs zu verbessern, indem namentlich Entscheidungen über den Umfang der Inspektionen formalisierter und systematisch dokumentiert werden. Zudem sollen die Frequenz und der Umfang der Inspektionen in Bezug auf SIBs risikobasiert angepasst und ein dynamischeres Aufsichtskonzept eingeführt werden. |
Ferner hat die Kommission festgestellt, dass die RAB nicht umfassend überprüfte, ob die von ihr auferlegten Massnahmen umgesetzt wurden. So erfolgte die entsprechende Prüfung der RAB anhand von Stichproben. Mit einer stichprobenartigen Überprüfung lassen sich potenziell schwerwiegende Mängel nicht immer aufdecken. Dies könnte die Wirksamkeit der Korrekturmassnahmen verringern und der Qualität der von den Revisionsgesellschaften durchgeführten Revisionen abträglich sein.
Aufgrund der fehlenden Stringenz der Überprüfungen erhöht sich die Gefahr, dass die festgestellten Probleme nicht behoben werden, was die Zuverlässigkeit der Revisionen und damit das Vertrauen in das Aufsichtssystem beeinträchtigen könnte. Die RAB ist dazu verpflichtet, ihre Überprüfungen risikoorientiert und ressourcenschonend durchzuführen. Daher ist es sinnvoll, die Massnahmen in solche einzuteilen, die zwingend, und solche, die stichprobenartig zu überprüfen sind, wobei eine Begründung für diese Einteilung intern zu dokumentieren ist.
| Empfehlung Nr. 7 Die Kommission empfiehlt dem Bundesrat sicherzustellen, dass die RAB die Umsetzung der Korrekturmassnahmen umfassend überprüft. Dabei sollten eher systematische als stichprobenartige Kontrollen angewendet werden, um die vollständige Einhaltung der Qualitätsstandards zu gewährleisten. |
Prüfstrategien und Prüfschwerpunkte
Die PUK hat sich auch für die Festlegung der Prüfschwerpunkte durch die FINMA in Zusammenarbeit mit den Prüfgesellschaften einerseits und die Festlegung der Prüfschwerpunkte durch die RAB andererseits interessiert und diese Frage im Grundsatz untersucht. Dabei wurden jedoch die einzelnen Prüfstrategien der Prüfgesellschaften nicht im Detail analysiert, da dies den Rahmen der PUK-Untersuchung gesprengt hätte. Die Prüfstrategien, die die FINMA zusammen mit den Prüfgesellschaften für die CS erarbeitete, unterschieden sich hinsichtlich der Prüffrequenz und -tiefe von den Standardprüfstrategien für andere Banken, was darauf hindeutet, dass sie risikobasiert festgelegt wurden.
Was die Prüfungsschwerpunkte der RAB anbelangt, so stellt die PUK fest, dass verschiedene Informationen zwischen der FINMA und der RAB übermittelt wurden, jedoch kein systematischer Austausch stattfand (siehe hierzu und zum bestehenden Optimierungsbedarf Kap. 11.2.2).
214¹ Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), Kap. 2.2., S. 23 ff.
11.2.2 Bewertung der Zusammenarbeit zwischen der RAB und der FINMA
Die PUK hat unter anderem das Zusammenspiel der FINMA und der RAB bei der Beaufsichtigung der Prüfgesellschaften untersucht. Die Kommission hält hierzu fest, dass die Revisionsgesellschaften als verlängerter Arm der FINMA eine zentrale Rolle bei der mikroprudenziellen Aufsicht spielen. Angesichts dieser wichtigen Rolle wirft die aktuelle Aufteilung der Aufsichtskompetenzen zwischen der FINMA und der RAB Fragen zur Wirksamkeit dieser Aufsicht auf. Diese Kompetenzaufteilung kann konkret zu Doppelspurigkeiten oder Lücken in der Aufsicht führen, was nicht optimal ist, um eine strikte und kohärente Beaufsichtigung grosser Finanzinstitute wie der CS zu gewährleisten.
Konkret hat die Kommission festgestellt, dass zwischen 2015 und 2022 im Rahmen der Aufsicht über die Revisionsgesellschaften und Finanzinstitute regelmässige Kontakte zwischen der RAB und der FINMA stattfanden, wie dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Diese Interaktionen sind für die Gewährleistung einer koordinierten und wirksamen Aufsicht zentral. Die Kommission ist jedoch der Meinung, dass sowohl die strategische wie auch die operative Zusammenarbeit zwischen der RAB und der FINMA trotz diesen Kontakten nicht durchgehend zweckmässig ausgestaltet ist (5.4.3). Dies fällt besonders bei der Bewältigung kritischer Situationen ins Gewicht, wie jener bei der CS, in denen eine strategische Koordination für eine angemessene und abgestimmte Reaktion der beiden Aufsichtsbehörden zentral ist.
So fanden gemäss Kenntnisstand der PUK auf strategischer Ebene keine gesonderten Informationsaustausche zur Situation der CS statt, obwohl beiden Akteuren die sich akzentuierende Krise der CS bewusst sein musste. Die Interaktionen auf der operativen Ebene der RAB und der FINMA unterschieden sich in den einzelnen Bereichen: Der Austausch im Bereich der RA war offensichtlich intensiver. Die Hinweise der FINMA flossen auch in die Prüfstrategien der RAB ein. Im Bereich der FA ist das Bild weniger klar: Ab 2017 finden sich in den Prüfstrategien der RAB keine Bezüge mehr auf Hinweise der FINMA, was aus Sicht der Kommission wenig nachvollziehbar ist. Die RAB führte in ihrer Stellungnahme aus, dass sie von der FINMA ab diesem Zeitpunkt keine Hinweise mehr erhalten habe (5.4.3). Auch dieser Umstand zeigt, dass die Zusammenarbeit zu verbessern ist.
Auch hat sich im Rahmen des Untersuchungsauftrags gezeigt, dass die FINMA und die RAB in gewissen Bereichen die jeweils andere Behörde in der Verantwortung sahen. Dies zeigt aus Sicht der Kommission, dass es teilweise einer Klärung der gegenseitigen Kompetenzen und Verantwortungsbereiche bedarf. Diesbezüglich stellt die PUK auch fest, dass die FINMA und die RAB ihr Zusammenwirken sehr summarisch in Form eines Austauschbriefes aus dem Jahr 2015 festgelegt haben.
| Empfehlung Nr. 8 Die Kommission fordert den Bundesrat dazu auf sicherzustellen, dass die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen der FINMA und der RAB intensiviert und besser koordiniert werden. Zu prüfen ist hierbei eine verbindlichere Zusammenarbeitsvereinbarung beispielsweise im Rahmen eines Memorandum of Understanding. Angestrebt werden soll ein intensiver Austausch zu risikobehafteten Finanzinstituten auf der strategischen wie auch auf der operativen Ebene zu den FA und RA, um eine kontinuierliche, harmonisierte und risikobasierte Aufsicht zu gewährleisten. Es soll sichergestellt werden, dass die RAB alle relevanten Hinweise der FINMA erhält und diese konsequent in ihre Aufsichtsstrategie integriert. Zusätzlich sollte geprüft werden, ob generell ein formeller Krisenmodus definiert werden muss, um die Zusammenarbeit zwischen der RAB und der FINMA in Krisenzeiten zu stärken. |
11.3 Makroprudenzielle Aufgaben der SNB
Aufgrund ihrer makroprudenziellen Aufgaben bei der Wahrung der Finanzstabilität der Schweiz kommt der SNB eine zentrale Rolle zu. Gestützt auf die Darstellung des Sachverhaltes (siehe Kap. 5-8) gibt die PUK ihre Beurteilung zu verschiedenen Aspekten im Zusammenhang mit dieser Thematik ab. In Kapitel 11.3.1 werden die makroprudenziellen Aufgaben der SNB im Allgemeinen beurteilt, während in Kapitel 11.3.2 insbesondere auf die Rolle der SNB als Lender of Last Resort eingegangen wird.
11.3.1 Bewertung der generellen makroprudenziellen Aufgaben der SNB
Die makroprudenziellen Aufgaben der SNB in den Jahren 2015 bis 2023 werden in Kapitel 5.5 beschrieben. Die PUK stellt diesbezüglich fest, dass die SNB rasch reagierte, wenn es die Situation erforderte, insbesondere in der Corona-Krise im Jahr 2020. So wurden in Absprache mit den Behörden die Covid-19-Refinanzierungsfazilitäten geschaffen, damit die Banken höhere Kredite an Unternehmen vergeben konnten, ohne ihre aufsichtsrechtlichen Liquiditätsquoten zu beeinträchtigen (siehe Kap. 5.5.4). Dieses Beispiel zeigt, dass die SNB die Möglichkeiten, die ihr im Rahmen ihres geldpolitischen Instrumentariums zur Verfügung stehen, rasch nutzte, als insbesondere die CS mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte.
Die Rolle, die der SNB bei der Wahrung der Finanzstabilität zukommt, besteht unter anderem im kontinuierlichen Monitoring der Finanzmärkte und in der Erstellung der jährlichen Berichte zur Finanzstabilität. Die Nationalbank äusserte sich auch regelmässig zur Umsetzung der TBTF-Regulierung in der Schweiz. Sie identifizierte Bereiche, in denen weitere Anstrengungen unternommen werden mussten, um die diesbezüglichen Anforderungen zu erfüllen, namentlich bei der Kapitalausstattung oder bei der Ausarbeitung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen (siehe Kap. 5.5.2). Da die SNB aber nicht befugt ist, gestützt auf diese Berichte Empfehlungen an die Banken abzugeben, blieben die von ihr erstellten Berichte ein reines Informationsinstrument. Im Laufe der Jahre setzte sich die SNB bei der Weiterentwicklung der TBTF-Gesetzgebung konsequent für die Verschärfung der Liquiditäts- und Kapitalanforderungen ein (siehe Kap. 5.2.7). Sie plädierte beispielsweise 2016 für eine beschleunigte Progression bei den Eigenmittelanforderungen für Grossbanken (siehe Kap. 5.2.3.1), 2018, bei der Revision der ERV, für eine schnellere Unterstellung der beiden Stammhäuser der CS- und der UBS-Gruppe unter die Going-concern - Eigenmittelanforderungen (siehe Kap. 5.2.5.1), für die Einführung eines PLB (siehe Kap. 5.2.5.3), 2021 für eine raschere Einführung einer NSFR (siehe Kap. 5.2.5.5) sowie für die Einführung einer TPO im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (siehe Kap. 5.2.5.6).
Die jährlichen Berichte der SNB zur Finanzstabilität sollen einen Überblick über die Entwicklungen im Bankensektor geben, insbesondere über jene, die sich auf die Finanzstabilität in der Schweiz auswirken könnten. Die PUK ist sich bewusst, dass diese Berichte nicht darauf abzielen, Problemen vorzubeugen, die nur eine Bank betreffen. Dies ist in erster Linie Aufgabe der mikroprudenziellen (also von der FINMA ausgeübten) Aufsicht. In den jährlichen Finanzstabilitätsberichten der SNB wird dennoch eine gewisse Übersicht zum Zustand der systemrelevanten Banken gegeben, insbesondere indem Marktindikatoren verfolgt werden. Dies erlaubt es, die individuelle Lage einer Bank in einen Gesamtkontext zu stellen. Ausserdem werden diese Berichte an regelmässigen Sitzungen zwischen dem Direktorium der SNB und dem Verwaltungsrat der FINMA bzw. im Leitungsausschuss SNB-FINMA (siehe Kap. 5.5.2) besprochen. Dies war auch im Frühjahr 2022 der Fall. Damals thematisierten die SNB und die FINMA die heikle Situation der CS, namentlich die Frage, ob bei der Kapitalisierung des Stammhauses Handlungsbedarf bestand (siehe Kap. 5.5.2). Es wurden jedoch keine gemeinsamen Massnahmen ergriffen. Die PUK ist diesbezüglich der Auffassung, dass in Fällen, in denen zwischen den beiden Akteuren Einigkeit besteht, konkrete und koordinierte Massnahmen folgen sollten und insbesondere der AF einberufen werden sollte, um die Situation mit allen beteiligten Behörden, einschliesslich SIF und EFV, zu erörtern. Gemäss Organisationsreglement des AF (Art. 2.5) kann jedes Mitglied die Einberufung des AF verlangen, wenn die Risikosituation dies erforderlich macht. Im Fall der CS trat der AF erst im August 2022 zusammen (siehe Kap. 13.1.1).
Eine Empfehlung für einen angemessenen Austausch der Informationen aus den jährlichen Finanzstabilitätsberichten zwischen den Behörden findet sich in Kapitel 13.1.1 (siehe Empfehlung Nr. 12 in Kap. 13.1.1).
In der Schweiz obliegt es ausserdem der SNB zu bestimmen, welche Banken systemrelevant sind (siehe Kap. 5.5.1). 2¹42 Gemäss BankG werden Institute als systemrelevant bezeichnet, die für die Schweizer Wirtschaft unverzichtbare Funktionen wahrnehmen und deren Ausfall die Schweizer Volkswirtschaft und das schweizerische Finanzsystem erheblich schädigen würde. 2¹43 Die SNB stützt sich bei ihrer Beurteilung auf verschiedene Kriterien, wie den Marktanteil an den systemrelevanten Funktionen, das Verhältnis zwischen der Bilanzsumme der Bank und dem jährlichen BIP der Schweiz und das Risikoprofil der Bank. 2¹44
Die PUK hält jedoch fest, dass die Finanzstabilität auch gefährdet sein kann, wenn Banken, die nicht als systemrelevant eingestuft wurden, ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten bekunden. Dies war etwa in den USA beim Kollaps der Silicon Valley Bank und der Signature Bank of New York der Fall (siehe Kap. 7.1.1). Deshalb würde die PUK es begrüssen, wenn die SNB in Zusammenarbeit mit den involvierten Behörden regelmässig prüft, ob die Definition der Systemrelevanz noch aktuell und zutreffend ist.
2¹42 Art. 8 Abs. 3 BankG; Art. 25 Abs. 2 FinfraG.
2¹43 Art. 7 Abs. 1 BankG
2¹44 Art. 8 Abs. 2 BankG
11.3.2 Bewertung der Rolle der SNB als Lender of last Resort
Wenn eine Bank in Liquiditätsschwierigkeiten gerät und sich am Markt nicht mehr refinanzieren kann, hat die SNB als zweite Verteidigungslinie 2¹45 die Möglichkeit, der Bank ausserordentliche Liquiditätshilfe (ELA) zur Verfügung zu stellen (siehe Kap. 5.5.3). Mit diesem Instrument trägt die SNB zur Stabilität des Finanzsystems bei, indem sie beispielsweise einer Bank ermöglicht, einen Bankrun zu bewältigen.
Wie die PUK feststellte, war die Gewährung der ELA sowie der ELA+ entscheidend dafür, dass die Behörden die Notfusion der CS mit der UBS vorbereiten konnten. So waren die von der PUK angehörten Personen einhellig vom Nutzen der ELA überzeugt, sowohl während der Krise als auch danach. Ohne diese Massnahmen wäre die Bank bereits am Freitag, 17. März 2023, zahlungsunfähig gewesen (siehe Kasten 17 in Kap. 7.2.2.5, Kap. 7.2.3.5).
Die PUK begrüsst, dass die SNB bereits seit mehreren Jahren vorbereitende Massnahmen für die Gewährung einer ELA traf. So erwiesen sich die von der SNB eingeführten Prozesse - insbesondere das mit der CS unterzeichnete Memorandum of Understanding und die jährliche Überprüfung der Liquiditätshilfe (siehe Kap. 5.5.3) - als wirksam und ermöglichten die rasche Bereitstellung umfangreicher Liquidität. Insgesamt gewährte die SNB der CS im Rahmen von ELA bzw. ELA+ Liquidität in der Höhe von 88,44 Milliarden Schweizer Franken. Ein erheblicher Teil dieser Beträge konnte in Fremdwährungen ausgezahlt werden, um den Bedarf der Credit Suisse (Schweiz) AG sowie der Credit Suisse AG zu decken (siehe Tabelle 25 unten). Zu diesem Betrag kommt die von der SNB im Rahmen der EFF (10 Milliarden Franken) und des PLB (70 Milliarden Franken) zur Verfügung gestellte Liquidität (siehe Kap. 7.2.2 und 7.2.5) hinzu.
Tabelle 25: Im Rahmen der ELA und der ELA+ an die CS vergebene Franken- und Fremdwährungsbeträge
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| Datum des Entscheids | Höhe und Währung des von der SNB gewährten Betrags | Empfängerin |
|---|---|---|
| Donnerstag, 16. März (ELA) | CHF 29 Mrd.USD 8 Mrd.EUR 2 Mrd. Total (in CHF): 38,44 Mrd. | Credit Suisse (Schweiz) AG |
| Freitag, 17. März (ELA+) | Total (in CHF): 20 Mrd. 2¹46 | Credit Suisse AG |
| Sonntag, 19. März (ELA+) | CHF 5 Mrd.USD 20 Mrd.EUR 5 Mrd. Total (in CHF): 30 Mrd. | Credit Suisse AG |
Quelle: «Formal Request to SNB for a covered loan in accordance with the MoU», Antrag der CS vom 15.3.2023; «Formal Request to SNB for ELA according to a special emergency ordinance of the Swiss Federal Counsel», Antrag der CS vom 17.3.2023; «Formal Request to SNB for ELA according to a special emergency ordinance of the Swiss Federal Counsel», Antrag der CS vom 19.3.2023. Siehe auch Kapitel 7.2.2.5, 7.2.3.5 und 7.2.5.5.
Mit der Inanspruchnahme der ELA durch die CS wurde dieses Instrument zum ersten Mal eingesetzt. Nach geltendem Recht müssen von der Bank, die die ELA in Anspruch nimmt, Sicherheiten geleistet werden. Die SNB prüfte in den letzten Jahren wiederholt, ob die Palette der anrechenbaren Sicherheiten erweitert werden sollte, und setzte Erweiterungen um (siehe Kap. 5.5.3 und Tabelle 11 in Kap. 5.5.3). Die PUK hält jedoch fest, dass die im Rahmen der ELA bereitgestellte Liquidität trotzdem nicht ausreichte, damit die CS aus eigener Kraft aus der Krise fand. Nach Meinung der PUK ist dies teilweise darauf zurückzuführen, dass die SNB gestützt auf das geltende Recht Banken nicht dazu verpflichten kann, Vorkehrungen im Hinblick auf eine ELA zu treffen. Sie ist nämlich nicht befugt anzuordnen, dass eine Bank einen Mindestbetrag an Sicherheiten vorsieht oder sonstige operative Vorbereitungen, die die Übertragung der Sicherheiten an die SNB erleichtern, trifft. Sie ist daher auf die Mitarbeit der betreffenden Bank angewiesen. Im vorliegenden Fall waren mehrere von der PUK angehörte Personen der Meinung, dass sich die CS nicht gut genug vorbereitet habe (siehe Kap. 5.5.3). Damit wirksame Vorbereitungen für den Bezug von ELA getroffen werden können, ist es aus Sicht der PUK erforderlich, dass eine Behörde über die Kompetenz verfügt, den SIB vorbereitende Massnahmen vorzuschreiben. In seinem Bericht zur Bankenstabilität kommt der Bundesrat zum selben Schluss. 2¹47 Nach Ansicht der PUK könnte diese Kompetenz entweder direkt von der SNB oder aber von der FINMA im Rahmen ihrer mikroprudenziellen Aufsicht und in enger Zusammenarbeit mit der SNB ausgeübt werden. Gegebenenfalls könnten solche Massnahmen im Memorandum of Understanding, das die SNB mit den betreffenden Banken zur ELA abschliesst, verbindlich festgelegt werden (siehe Motion Nr. 4 unten).
Obwohl der Nutzen der ELA, welche die SNB der CS gewährte, unbestritten ist, wurde die SNB dafür kritisiert, bei der Ausübung ihrer Rolle als Lender of last Resort zu vorsichtig gewesen zu sein (siehe Kap. 6.4.2, Kasten 17 in Kap. 7.2.2.5). 2¹48
Die PUK hält fest, dass der Grundsatz, gemäss welchem die SNB Liquiditätshilfen nur gegen ausreichende Sicherheiten gewähren darf, im Gesetz verankert ist 2¹49 und der einschlägigen internationalen Praxis entspricht. 215⁰ Der Bundesrat befasste sich ebenfalls mit dieser Frage und kam zum Schluss, dass es unmöglich ist, die von den verschiedenen Nationalbanken bei einer ELA akzeptierten Sicherheiten auf internationaler Ebene zu vergleichen. 215¹ Somit bleibt für die PUK die Frage offen, ob die Praxis der SNB zu restriktiv ist.
Die PUK hält weiter fest, dass die SNB einen weitreichenden Ermessensspielraum hat, um zu bestimmen, was sie als ausreichende Sicherheiten betrachtet und welche Haircuts angewendet werden (siehe Kap. 5.5.3). 2¹52
Die Inanspruchnahme einer ELA und die Intervention der SNB muss eine subsidiäre Massnahme bleiben für den Fall, dass sich eine Bank nicht mehr am Markt refinanzieren kann. Das Instrument einer ELA ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn es von den Banken, die es benötigen, auch tatsächlich in Anspruch genommen wird. Die PUK hält fest, dass die CS mehrfach mit der SNB und der FINMA über einen ELA-Antrag sprach, sich aber Sorgen zu den indirekten Folgen eines ELA-Bezugs machte (siehe Kap. 6.3.2). 2¹53 Die CS zog die Inanspruchnahme einer ELA bei drei Gelegenheiten - im Oktober 2022, Anfang November 2022 und Ende Dezember 2022 - in Betracht, stellte aber letztlich keinen formellen Antrag bei der SNB, da sie die Verpflichtung zur Offenlegung eines ELA-Bezugs scheute (siehe Kap. 6.3.3.1, 6.3.4.1, 6.3.5.4). 2¹54 Die CS habe sogar signalisiert, dass sie es vorziehen würde, bestimmte Liquiditätsanforderungen zu unterschreiten, anstatt eine ELA zu beantragen (siehe Kap. 6.4.2). Dies deutet darauf hin, dass die Bank eine Stigmatisierung befürchtete. Die PUK ist daher der Auffassung, dass dieses Instrument in seiner aktuellen Ausgestaltung seinen Zweck nicht in jedem Fall erfüllen kann.
| Motion Nr. 4: Kompetenzen der SNB gegenüber SIBs in Bezug auf ELA erweitern Der Bundesrat wird beauftragt, die rechtlichen Grundlagen so anzupassen, dass die SNB die Kompetenz erhält, den SIBs vorbereitende Massnahmen für eine allfällige Inanspruchnahme einer ausserordentlichen Liquiditätshilfe (ELA) aufzuerlegen. Zudem soll er Massnahmen ergreifen, um die mit der Inanspruchnahme der ELA assoziierte Stigmatisierung zu verringern. 2¹55 |
Zudem hält die PUK fest, dass die CS-Krise aufgezeigt hat, wie gefährdend und wie schnell Bankruns insbesondere auch aufgrund der immer weiter fortschreitenden Digitalisierung des Bankensektors sein können. Die PUK ist deshalb der Meinung, dass Massnahmen ergriffen werden sollen, um die Liquiditätsversorgung der Banken zu verbessern. 2¹56 In seinem Bericht will der Bundesrat insbesondere die drei Verteidigungslinien der Liquiditätssicherung stärken, und zwar 1) durch Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Kennzahlen und Anforderungen der Liquiditätsregulierung (LCR und NFSR), 2) durch Erweiterung des Potenzials der Liquiditätsversorgung durch den Lender of last Resort, inklusive einer Verpflichtung für die Banken zur Vorbereitung von Sicherheiten, und 3) durch Einführung des PLB im ordentlichen Recht. 2¹57 Die PUK unterstreicht die Bedeutung dieser Bestrebungen.
| Empfehlung Nr. 9 Der Bundesrat wird eingeladen zu prüfen, welche international abgestimmten und zielführenden Massnahmen im Falle eines digitalen Bankruns ergriffen werden können. |
2¹45 Um das Liquiditätsrisiko der Banken zu reduzieren, sieht die Schweiz drei Verteidigungslinien vor: Die erste Verteidigungslinie besteht in den Liquiditätsreserven, die die Banken selbst halten müssen, die zweite Verteidigungslinie ist die ELA, und die dritte besteht in der Liquiditätshilfe der SNB während der Sanierung einer Bank (PLB).
2¹46 Die Aufteilung auf CHF, USD und EUR wird im Dokument nicht angegeben. Im Begleitschreiben zum Erhalt einer Solvenzbestätigung der FINMA steht aber, dass die Bank zusätzliche Unterstützung für die sofortige Erhöhung ihrer Liquidität in USD und EUR benötigte (Schreiben der CS Group AG vom 17.3.2023 an die FINMA).
2¹47 Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 149 f.). Siehe auch Bericht der Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, S. 55; sowie Tucker, Paul (2023): Regimes for Lender of Last Resort Assistance to Illiquid Monetary Institutions: Lessons in the Wake of Credit Suisse, Herbst 2023.
2¹48 Diese Kritik wird auch vom früheren Vizegouverneur der BoE geäussert, der mehr Transparenz fordert (Der Fall Credit Suisse sollte uns Albträume bereiten. In: NZZ, 28.6.2024, S. 22 f.).
2¹49 Art. 9 Abs. 1 Bst. e NBG
215⁰ Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 136)
215¹ Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 137 ff.)
2¹52 Siehe auch die Botschaft des Bundesrates vom 26.6.2002 über die Revision des Nationalbankgesetzes ( BBl 2002 6097 , hier 6199)
2¹53 Die Schaffung der Covid-19-Refinanzierungsfazilitäten durch die SNB wurde ebenfalls damit begründet, dass die Stigmatisierung einer Bank bei einer ELA-Inanspruchnahme vermieden werden sollte (siehe Kap. 5.5.4).
2¹54 Aus Sicht der SNB war dabei festzuhalten, dass die CS zu diesen drei Zeitpunkten im Vergleich zu den Liquiditätsanforderungen immer noch einen Überschuss an hochliquiden Aktiven hielt (Stellungnahme der SNB vom 27.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation).
2¹55 Diese mit der Inanspruchnahme einer ELA verbundene Stigmatisierung wird auch in anderen Berichten anerkannt. Der Bundesrat plant, «Möglichkeiten zur Reduktion der Stigma-Problematik» der ELA zu prüfen. Siehe Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 56, S. 150, S. 166); Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, S. 47 f.; Group of Thirty (2024): Bank Failures and Contagion - Lender Of Last Resort, Liquidity, and Risk Management, S. 9.
2¹56 Siehe auch Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 142 f., S. 150 f., S. 164 ff.); Expertengruppe «Bankenstabilität» (2023): Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse, S. 55.
2¹57 Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 165 f.)
12 Aufsicht des Bundes über FINMA, RAB und SNB
12.1 Aufsicht des EFD/Bundesrates über die FINMA - Bewertung durch die Kommission
Entwicklung der Beziehungen ab 2016
Das Verhältnis zwischen dem EFD und der FINMA war in den vergangenen zehn Jahren in stetem Wandel begriffen, wesentlich geprägt von politischen Konjunkturen und personellen Wechseln. Die Kommission nimmt in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, dass sich die Beziehung zwischen EFD und FINMA nach dem Wechsel der Departementsführung im Jahr 2016 in der Wahrnehmung der FINMA negativ entwickelte und dass der politische Druck auf die FINMA zunahm (siehe Kap. 5.6.2). Die FINMA sprach in diesem Kontext von einer Skepsis gegenüber ihrer Aufsichts- und Regulierungstätigkeit, die teilweise auch im EFD bestanden habe und die Beziehungen mit dem Finanzdepartement belastet hätten. Verschiedene politische Vorstösse und die Beratungen hierzu verdeutlichen diesen Umstand. Das Parlament überwies gegen den Willen des Bundesrates einige Vorstösse zur Einschränkung der FINMA-Kompetenzen. Die genannte Entwicklung band innerhalb der FINMA vermehrt Ressourcen, die namentlich für die Bearbeitung politischer Vorstösse benötigt wurden. Negativ ins Gewicht fällt, dass diese Entwicklungen gemäss Angaben der FINMA auch im Ausland nicht unbemerkt blieben und in der Wahrnehmung von FINMA-Exponentinnen und -Exponenten das Auftreten der ausländischen Behörden gegenüber der Schweizer Aufsichtsbehörde beeinflussten (siehe Kap. 5.6.2). 2¹58
Im Zuge des zunehmenden politischen Drucks auf die Stellung der FINMA erliess der Bundesrat 2019 in Umsetzung der Motion 17.3317 (Mo. 17.3317 «Klare Verantwortlichkeiten zwischen Finanzmarktpolitik und Finanzmarktaufsicht») die Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz. Im Rahmen der Vernehmlassung zeigte sich der politische Druck unter anderem in der Forderung nach noch strengeren Vorgaben zur Einschränkung der FINMA-Kompetenzen, die der Bundesrat schliesslich nicht berücksichtigte (siehe Kap. 5.2.5.2). Die Kommission nimmt kritisch zur Kenntnis, dass die Einschätzung des BJ in der Ämterkonsultation, der Bundesrat habe keine genügende gesetzliche Grundlage für die Vorgaben der neuen Verordnung, vom EFD nicht berücksichtigt wurde. Das EJPD verzichtete zudem darauf, einen Mitbericht einzureichen (siehe Kap. 5.2.5.2).
Das EFD, welches für die Ausarbeitung und Umsetzung der Verordnung zuständig war, und die FINMA als davon betroffene Behörde bewerteten deren Auswirkungen verständlicherweise unterschiedlich. Während sich die FINMA in ihren Kompetenzen teilweise eingeschränkt fühlte, wurden die Kompetenzen des EFD im Bereich der internationalen Aufgaben und der Regulierung präzisiert (siehe Kap. 5.2.5.2 und 5.6.2). Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass die Verordnung in der Wahrnehmung verschiedener FINMA-Verantwortlicher zu einer bürokratischen Mehrbelastung führte und den Fokus auf die eigentliche Aufsichtstätigkeit der Behörde schwächte (siehe Kap. 5.2.5.2 und Kap 5.6.2).
Wechsel im Verwaltungsratspräsidium
Auch auf personeller Ebene kam es bei der FINMA in dieser Phase zu Veränderungen, insbesondere durch den vorzeitigen (noch während der laufenden Amtszeit) Wechsel im Verwaltungsratspräsidium (siehe Kap. 5.6.2).
Das Verhältnis zwischen dem damaligen EFD-Vorsteher und dem damaligen FINMA-Verwaltungsratspräsidenten war gemäss Aussagen verschiedener beteiligter Personen stark belastet, wodurch die Zusammenarbeit erschwert war. Für die Kommission ist wenig nachvollziehbar, wie sich die Arbeitsbeziehung zwischen dem EFD-Vorsteher und dem FINMA-Verwaltungsratspräsidenten über mehrere Jahre derart verschlechtern konnte, sodass dies schliesslich mit ein Grund für den vorzeitigen Rücktritt des Verwaltungsratspräsidenten war. Es stellt sich die Frage, ob eine frühzeitigere Reaktion des EFD nicht zweckmässiger gewesen wäre.
Die Kommission kommt zudem zum Schluss, dass der Rücktritt des ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten von einer gewissen Intransparenz und informellen Vereinbarungen geprägt war. Für die Kommission ist es nicht gänzlich nachvollziehbar, weshalb der damalige Verwaltungsratspräsident im Juli 2019 für eine weitere vierjährige Amtszeit gewählt wurde, diese aber nicht vollenden konnte (siehe Kap. 5.6.2). Ein Rücktritt auf Ende der regulären Amtsperiode hätte wohl gegen aussen wie auch intern mehr Stabilität vermittelt. Die Kommission kritisiert auch die nicht formalisierte Art des Rücktritts ohne offizielles Rücktritts- respektive Absetzungsschreiben. Die einzige schriftliche Dokumentation, die der PUK diesbezüglich vorliegt, ist das Schreiben des damaligen EFD-Vorstehers an den Verwaltungsratspräsidenten, in welchem dieser ihm zur Wiederwahl gratuliert und ihn zum Rücktritt per Ende 2020 auffordert (siehe Kap. 5.6.2). 2¹59
Die Kommission stellt zudem fest, dass die Neubesetzung des Verwaltungsratspräsidiums angesichts des vorzeitigen Rücktritts des damaligen Verwaltungsratspräsidenten sehr schnell vonstattenging. Das lag einerseits wohl daran, dass eine interne Lösung gewählt wurde. Andererseits stellt sich die Kommission die Frage, wie umfassend die derzeit bestehenden Auswahlverfahren für eine derartig wichtige Position geregelt sind.
Dialoggefässe EFD-FINMA
Die Kommission stellt fest, dass sich der Informationsaustausch zwischen dem EFD und der FINMA im Untersuchungszeitraum insgesamt intensivierte und durch verschiedene Dialoggefässe institutionalisiert wurde (siehe Kap. 5.6.2). Diese verschiedenen Gesprächskanäle haben unterschiedliche Schwerpunkte und lassen sich inhaltlich weitgehend voneinander abgrenzen.
Einige dieser Gefässe entstanden im Zuge der Umsetzung der erwähnten Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz und trugen zu einem verbesserten Austausch zwischen den Behörden bei, der sich in den vergangenen Krisen (Covid-19-Pandemie, Angriffskrieg gegen die Ukraine) als wertvoll erwies. Für die Kommission ist es jedoch nicht schlüssig, weshalb nicht für alle diese Dialoggefässe eine bilateral koordinierte Protokollierung erfolgt. Während dies bei den Eignergesprächen und auch bei den Policy-Dialogen der Fall ist, existieren gemäss dem Kenntnisstand der PUK im Falle des strategischen Dialogs keine beidseitig freigegebenen Protokolle. Eine entsprechende Empfehlung für eine kohärente Protokollierung findet sich in Kapitel 13.2.1 (siehe Empfehlung Nr. 15 in Kap. 13.2.1).
Als sich die CS-Probleme akzentuierten und die entsprechenden Gremien in den Krisenmodus wechselten, verzichteten die beiden Behörden auf bilaterale Parallelgespräche im Rahmen der genannten Formate. Der Informationsaustausch und die Koordination fanden fortan stufengerecht und, wie im entsprechenden MoU vorgesehen, im AF sowie im LG statt, was die Kommission als zweckmässig erachtet.
2¹58 Protokoll der GPK-Subkommissionen EFD/WBF-N/S vom 16.4.2018; Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024; Schriftliche Antworten an die PUK vom 9.4.2024.
2¹59 «Es freut mich, Ihnen zu bestätigen, dass der Bundesrat Sie als Präsident des Verwaltungsrates FINMA wiedergewählt hat. Die neue Amtsperiode beginnt am 1. Januar 2020 und endet am 31. Dezember 2023. Wie besprochen, werden Sie auf Ende des nächsten Jahres von dieser Funktion zurücktreten.» Quelle: Brief des damaligen Vorstehers des EFD an den damaligen Verwaltungsratspräsidenten der FINMA vom 3.7.2019.
12.2 Aufsicht des EJPD über die RAB - Bewertung durch die Kommission
Die RAB ist zwar unabhängig, untersteht aber der administrativen Aufsicht des EJPD (siehe Kap. 5.6.3). Die Kommission hält indes fest, dass sich diese administrative Aufsicht auf ein Minimum beschränkte. Die Interaktionen zwischen dem EJPD und der RAB beschränken sich häufig auf einen kurzen Austausch, ohne dass eine wirkliche Auseinandersetzung mit den strategischen Fragen und den Herausforderungen der RAB stattfand. In diesem Vorgehen kommt eine gewisse Passivität seitens des EJPD zum Ausdruck, die dazu führen könnte, dass das Departement unzureichend über die komplexen Gegebenheiten und kritischen Herausforderungen informiert ist, denen die RAB gegenübersteht.
Folglich kann die Qualität der Aufsicht des EJPD über die Tätigkeiten der RAB beeinträchtigt sein. Zudem scheinen die aktuellen Mechanismen nicht ausreichend, um mit potenziellen Interessenkonflikten umzugehen oder angemessen auf internationale Empfehlungen, wie diejenigen des IWF, zu reagieren. Diese unzureichende Proaktivität und Anpassung an internationale Standards könnte die Fähigkeit der RAB schwächen, ihre für das Finanzsystem so wichtige Rolle als Regulierungsbehörde in vollem Umfang wahrzunehmen.
12.3 Rolle des EFD/Bundesrates bezüglich der SNB - Bewertung durch die Kommission
Austausch der SNB mit dem EFD
Die Unabhängigkeit der SNB ist deutlich weiter gefasst als jene der beiden verselbstständigten Einheiten FINMA und RAB. Entsprechend sind auch die Dialog- und Austauschgefässe zwischen der SNB und den Bundesbehörden weniger eng ausgestaltet (siehe Kap. 3.5.1 und Kap. 5.6.1).
Während der bilaterale Austausch zwischen der SNB und der FINMA mit dem MoU im Bereich Finanzstabilität geregelt ist (siehe Kap. 3.6.2), fehlt ein solcher Kommunikationskanal zwischen der SNB und dem EFD sowohl auf strategischer wie auch auf operativer Ebene. Nebst den beiden Gremien des tripartiten MoU, dem AF und dem LG, bestehen keine vergleichbaren institutionalisierten Dialoggefässe zwischen der Nationalbank und den für den Finanzmarkt zuständigen Stellen des EFD, namentlich dem SIF und der EFV. Nach Auffassung der Kommission werden die Entwicklungen bei systemrelevanten Banken und deren Auswirkungen auf die Finanzstabilität zwischen Bund und FINMA, aber auch zwischen Bund und SNB generell zu wenig thematisiert. So sprachen die FINMA und die SNB bereits am 31. Mai 2022 im Rahmen des Leitungsausschusses über das Vertrauensdefizit der CS und das Risiko eines weiteren potenziellen Zwischenfalls. Das SIF und die EFV wurden jedoch erst im August im Rahmen einer AF-Sitzung ausführlich über die Situation informiert (siehe Kap. 13.1.1). Die PUK stellt kritisch fest, dass es weder die SNB noch die FINMA nach dem Austausch im Mai 2022 für opportun befanden, die politischen Behörden (SIF und EFD-Vorsteher und durch sie den Gesamtbundesrat) in Kenntnis zu setzen. Angesicht der inhärenten Tragweite einer G-SIB-Krise zeugt dies von einer mangelnden Sensibilität. Die PUK hält gleichzeitig aber auch fest, dass die Einberufung des AF in der Kompetenz der FINMA liegt und die Behörden im AF vom 3. August 2022 keinen Handlungsbedarf seitens des Bundes identifizierten. 216⁰
Die Kommission ist sich bewusst, dass die Einrichtung eines weiteren bilateralen Austauschgefässes nicht zwingendermassen einen Mehrwert mit sich bringt, vertritt aber dennoch die Auffassung, dass die beiden Parteien einander proaktiver über Entwicklungen im Bereich der Finanzstabilität informieren sollten. Das kann auch in den Organen des tripartiten Memorandums erfolgen.
| Empfehlung Nr. 10 Die Kommission lädt den Bundesrat ein, dafür zu sorgen, dass das EFD und die SNB einander proaktiver über wichtige Entwicklungen mit Bezug auf systemrelevante Banken und deren Auswirkungen auf die Finanzstabilität zu informieren. Das kann in den bestehenden Regelstrukturen oder durch den Abschluss eines weiteren bilateralen MoU zwischen dem EFD und der SNB erfolgen. |
Austausch der SNB mit dem Gesamtbundesrat
Der jährliche Austausch des SNB-Präsidenten mit dem Gesamtbundesrat wird generell nicht protokolliert. Das Treffen vom 2. November 2022 wurde jedoch aufgrund seiner Bedeutung ausnahmsweise im Rahmen des Bundesratsprotokolls summarisch zusammengefasst (siehe Kap. 5.6.1 und Kap. 6.3.4.1). Auch die institutionalisierten Gespräche zwischen dem Bundesrat und der FINMA werden nicht protokolliert. Seit November 2022 erstellt das EFD zuhanden des Bundesrates vorgängig jeweils eine Informationsnotiz mit Beilagen.
| Empfehlung Nr. 11 Die Kommission lädt den Bundesrat ein, die besprochenen Inhalte im Rahmen der regelmässigen Erörterungen der Wirtschaftslage, der Geld- und Währungspolitik mit der SNB (gemäss Art. 6 NBG) respektive der Erörterungen zur Strategie der Aufsichtstätigkeit und aktuellen Fragen der Finanzpolitik mit der FINMA (gemäss Art. 21 Abs. 2 FINMAG) in geeigneter Form zu dokumentieren. |
216⁰ Transkription der AF-Sitzung vom 3.8.2022, S. 8
13 Krisenmanagement durch Bundesrat, Bundesverwaltung, FINMA und SNB
13.1 Geschäftsführung in der sich akzentuierenden Krise (Sommer 2022 bis Anfang März 2023)
13.1.1 Zusammenarbeit der verschiedenen Gremien
Der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden kommt in Krisenzeiten eine erhöhte Bedeutung zu. Die Klarheit der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, ein geregelter Informationsfluss, eine erhöhte Agilität in zeitlicher Hinsicht und klare Abläufe sind in diesem Zusammenwirken wichtig. Dieses Kapitel enthält eine Zusammenstellung der Erkenntnisse, welche die PUK über die Zusammenarbeit zwischen EFD (einschliesslich SIF und EFV), FINMA und SNB in der Zeit von den ersten Anzeichen der Krise (Sommer 2022) bis Anfang März 2023 gewonnen hat. Allgemeine Aspekte der Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Akteuren werden in Kapitel 14.1. behandelt.
Angemessene Aktivierung des Krisenmodus im AF
Es ist zwar schwierig, ein genaues Datum zu nennen, an dem sich die Krise der CS abzuzeichnen begann, doch ist festzuhalten, dass sich verschiedene Indikatoren im Laufe des Jahres 2022 deutlich verschlechterten. So senkten mehrere Ratingagenturen im Mai 2022 und erneut im August desselben Jahres das Rating der CS (siehe Kap. 5.1.2). Im Bericht der SNB zur Finanzstabilität 2022 wurde erstmals darauf hingewiesen, dass der Markt deutlich zwischen den beiden Schweizer Grossbanken unterschied und die CS negativer als die UBS bewertete. 216¹
Eine erste Ad-hoc-Sitzung des AF wurde von der FINMA auf Wunsch des EFD für den 3. August 2022 anberaumt. Die PUK hält fest, dass dies das erste Mal war, dass das SIF und die EFV über die Entwicklungen bei der CS informiert wurden. Die SNB und die FINMA hatten sich hingegen bereits im Frühling über eine potenzielle Krise ausgetauscht (siehe Kap. 6.2.3). Das LG, in dem der EFD-Vorsteher Einsitz hatte, hielt seine erste Sitzung zum Thema CS auf Anregung des AF am 23. August 2022 ab (siehe Kap. 6.2.3).
Die Behörden aktivierten den Krisenmodus ab Anfang Oktober 2022, als sich die CS mit massiven Liquiditätsabflüssen konfrontiert sah (siehe Kap. 6.1.2). Konkret richtete die FINMA am 5. Oktober 2022 eine Krisenorganisation ein, was zur Schaffung eines Ausschusses der Geschäftsleitung führte, der sich direkt an den Verwaltungsrat der FINMA wenden konnte, ohne die gesamte Direktion einbeziehen zu müssen. Der AF wechselte am selben Tag, nachdem er vom Direktor der FINMA über die Schaffung dieses Ausschusses informiert worden war, ebenfalls in die «Phase Rot» (siehe Kap. 6.3.3.1). Bezüglich des Wechsels in den Krisenmodus besteht ein Ermessensspielraum. So stellt sich die Frage, ob eine früherer Wechsel in die Krisenorganisation sinnvoll gewesen wäre. Hierzu hält die PUK fest, dass Anfang Oktober ein geeigneter Zeitpunkt war, um den Krisenmodus zu aktivieren. Nach dem Wechsel in den Krisenmodus wurde die Häufigkeit der AF- und der LG-Sitzungen stark erhöht. Zwischen Oktober 2022 und Mitte März 2023 hielt der AF 22 Sitzungen ab, während sich das LG 16-mal traf (siehe Chronologie in Anhang 4). Die PUK begrüsst den intensivierten Austausch, der für einen guten Informationsfluss zwischen den verschiedenen Behörden unerlässlich war. Sie kommt auch zum Schluss, dass die Krisenorganisation des AF und der Wechsel von der «Phase Grün» zur «Phase Rot» im Organisationsreglement des AF angemessen definiert sind (siehe Kap. 6.3.3.1).
Koordination und Informationsaustausch im LG und im AF
An den Sitzungen des LG und des AF waren Funktionsträgerinnen und Funktionsträger von verschiedenen Behörden vertreten, die für die Finanzstabilität in der Schweiz zuständig sind. So nahmen neben den ständigen Mitgliedern des AF, also dem Direktor der FINMA, dem Vizepräsidenten der SNB, der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen und der Direktorin der EFV, regelmässig auch Verantwortliche aus anderen betroffenen Bereichen an den Sitzungen teil. 2¹62 Die PUK ist der Ansicht, dass diese breite Vertretung für ein gutes Krisenmanagement von Vorteil war. Da die Lageverfolgung vor allem über diese AF-Sitzungen erfolgte, kam den an diesen Sitzungen teilnehmenden Personen bei der Vorbereitung der Entscheide des LG eine Schlüsselrolle zu. Die FINMA informierte die Mitglieder dieser Organe regelmässig und umfassend über die Lage der CS (siehe Kap. 6.3.3.1, 6.3.4.2, 6.3.5.1, 6.4.2, 6.4.3.2).
Die PUK hält auch fest, dass die Mitglieder des AF in mehreren Fällen bestimmte Informationen nicht umgehend an das LG weitergegeben haben. Der Informationsfluss wurde damit innerhalb der Hierarchie den jeweiligen Behörden überlassen. So wurden die Ergebnisse der Valuation-in-Resolution -Übung (siehe Kasten 12 in Kap. 6.3.4.2), die im November 2022 stattfand, zwar im AF, gemäss den der PUK vorliegenden Informationen nicht aber im LG diskutiert. Zudem wurden die Ergebnisse der volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Analysen der verschiedenen Ausstiegsszenarien, die am 28. Februar 2023 im AF eingehend diskutiert wurden (siehe Kap. 6.4.3.2), als nicht ausgereift genug erachtet, um sie im LG zu erörtern. Die PUK anerkennt, dass Informationen, die an dieses strategische Organ weitergegeben wurden, solide sein mussten. Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass der Grat zwischen dem Zurückhalten von Informationen und einer zeitlichen, durch eine angemessene Entscheidungsvorbereitung bedingten Verzögerung bei der Informationsvermittlung schmal ist. Dies gilt umso mehr, als die Diskussion der makroökonomischen Kosten-Nutzen-Analysen, die unter den Mitgliedern des AF geführt wurde, aufzeigte, dass nicht alle Beteiligten sich über den Zweck dieser Analysen und die daraus zu ziehenden Schlüsse zum bestehenden Handlungsbedarf einig waren (siehe Kap. 6.4.3.2). In einer solchen Situation sollte das übergeordnete Organ einbezogen werden, damit sich dieses selbst ein Bild machen und die erforderlichen Entscheide treffen kann.
Die PUK stellt fest, dass im gesamten Prozess spätestens seit Oktober 2022 aufgrund des Weitergebens (oder Zurückhaltens) von Informationen und aufgrund der unterschiedlichen Ansichten nicht alle Behörden auf dem gleichen Wissensstand waren, was ein früheres dezidiertes Eingreifen möglicherweise erschwert hat.
Schliesslich war laut einer von der PUK angehörten Person 2¹63 die Kompatibilität zwischen den IT-Systemen der Hauptakteure nicht sichergestellt. Das Dokumentenverwaltungssystem der Bundesverwaltung sei nicht geeignet, um in einer Krisensituation verwendet zu werden, weil es u. a. keine Möglichkeit biete, gemeinsam an einem Dokument zu arbeiten. Ausserdem fehlen sichere Kommunikationskanäle zwischen dem EFD, der SNB und der FINMA. Deshalb waren die Mitarbeitenden des EFD gezwungen, die Systeme der FINMA und der SNB zu nutzen, wenn sie diesen verschlüsselte E-Mails senden wollten.
Die Zusammenarbeit der Behörden in der Krise darf nicht durch technische Hindernisse beeinträchtigt sein. Diese sind aus Sicht der PUK zu beheben (siehe hierzu Empfehlung 12).
Fehlende Nachvollziehbarkeit der AF-Sitzungen
Zu den zentralen Unterlagen für die PUK gehörten auch die Transkriptionen der Sitzungen des AF, der, wie oben erwähnt, bei der Bewältigung der Krise eine wichtige Rolle spielte. Die PUK hält fest, dass es sich bei diesen Transkriptionen nicht um Protokolle, sondern vielmehr um wortgetreue Gesprächsniederschriften ( Verbatim ) handelt, die die verschiedenen Gesprächsbeiträge vollständig wiedergeben. Damit kann zwar dem Verlauf der Gespräche in diesem Krisenorgan genau gefolgt werden. Das Verständnis und die Nachvollziehbarkeit der Entscheidfindung der Behörden wird aber erschwert. Wenn das Gesagte wortwörtlich wiedergegeben wird, bleiben unvollendete Sätze unvollendet, werden Entscheide nicht immer als solche vermittelt und fehlt eine eindeutig erkennbare Struktur der Diskussion. Ausserdem wurden diese Transkriptionen von den Sitzungsteilnehmenden nicht validiert. Schliesslich war die Liste der Anwesenden manchmal unvollständig. 2¹64
Aus den der PUK übermittelten Dokumenten geht hervor, dass erst ab dem 17. April 2023 an den AF-Sitzungen eigentliche Beschlussprotokolle geführt wurden. Die PUK begrüsst diese Verbesserung und erwartet von den Behörden, dass sie an den AF-Sitzungen weiterhin solche Protokolle anfertigen. 2¹65
Die LG-Sitzungen wurden mit Ausnahme der Sitzungen zwischen dem 17. und 19. März 2023 immer protokolliert, dies allerdings sehr knapp (siehe Kap. 13.2.1).
Non-Meetings
Mit den nicht formalisierten Non-Meetings, die auf Initiative des damaligen EFD-Vorstehers und des SNB-Präsidenten initiiert wurden, entstand ein Parallelformat zur bestehenden Krisenorganisation der Behörden. Insgesamt fanden zwischen dem 16. Oktober und dem 29. Dezember 2022 mindestens fünf solche Treffen mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS sowie eines mit dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS statt (siehe Kap. 6.3.3.2). Die Treffen sollten dazu dienen, einen niederschwelligen, direkten Zugang zur Führungsebene der CS zu schaffen, gewissen Forderungen der Behörden Nachdruck zu verleihen und die grundsätzliche Realisierbarkeit von Handlungsoptionen für den Eskalationsfall auszuloten, insbesondere den Verkauf der CS. Die partielle Abwesenheit der FINMA wurde damit erklärt, dass dadurch Gespräche möglich waren, die nicht durch die belastete Aufsichtsbeziehung zwischen FINMA und CS beeinflusst wurden. 2¹66
Die Kommission stellt die Rechtmässigkeit dieser Treffen nicht grundsätzlich infrage, obwohl das Memorandum of Understanding 2¹67 zwischen EFD, SNB und FINMA mit dem AF und dem LG bereits zwei Gremien vorsieht, in denen sowohl technische wie strategische Dialoge auch mit Bankinstituten geführt werden können. Da das Memorandum als Absichtserklärung der beteiligten Parteien rechtlich nicht bindend ist, waren derartige informelle Treffen möglich, insbesondere da anlässlich dieser Treffen keine bindenden Beschlüsse gefasst wurden.
Aus Sicht der Kommission ergaben sich jedoch insbesondere Fragen zur Zweckmässigkeit der Treffen. Einerseits wurden die Treffen mit dem CS-Verwaltungsratspräsidenten im Rahmen der bestehenden Krisenorganisation (AF und LG) grösstenteils nicht und damit nach Auffassung der Kommission ungenügend vor- und nachbereitet. Konkret wurden mit den restlichen Mitgliedern des LG und des AF im Vorfeld weder der Inhalt der Gespräche noch die Stossrichtung, die die Behörden verfolgten, strukturiert abgesprochen. Zudem flossen die Informationen aus den Non-Meetings anschliessend nicht konsequent in die regulären Krisengremien zurück. Es bestand somit keine institutionalisierte Form der Informationsweitergabe im Rahmen der AF- und der LG-Sitzungen, weshalb die Mitglieder dieser Gremien im Endeffekt nicht über alle Treffen bzw. deren Inhalt Bescheid wussten. Auch die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA, die von sich aus auf die Teilnahme an gewissen Treffen verzichtete, war nicht über alle Treffen mit dem CS-Verwaltungsratspräsidenten informiert.
Die Kommission versteht das Bestreben der Behörden, der Geheimhaltung der Treffen aufgrund der Befürchtung von Indiskretionen hohe Priorität beizumessen - darauf deuten die Lokalität (SNB-Sitz in Zürich), der Zeitpunkt (Sonntagabend) und der kleine Kreis der Informierten hin. Jedoch wurden aufgrund dieser Vorsichtsmassnahmen und zur Wahrung des informellen Charakters dieser Treffen weder Traktandenlisten noch belastbare (d. h. inhaltlich überprüfte) Gesprächsnotizen oder Protokolle angefertigt. 2¹68 Die fehlende inhaltliche Einbettung bzw. Rückkoppelung, die diesen Non-Meetings inhärent war, trug schliesslich zur unzureichenden Informationsweitergabe an die Krisenorgane bei. Damit wurden wenig Synergien für die reguläre Zusammenarbeit der Behörden geschaffen. In diesem Kontext kritisiert die Kommission auch den uneinheitlichen Informationsfluss zwischen EFD, SNB und FINMA nach den Treffen. 2¹69 Sie hält fest, dass die FINMA das letzte Non-Meeting vom 29. Dezember 2022 vorbereitet und dabei Schriftlichkeit und insbesondere Verbindlichkeit hergestellt hat. Vor allem die rein mündlich geteilten Informationen innerhalb des EFD entsprachen in ihrem Umfang und ihrer Qualität hingegen nicht der Bedeutung, die diesen Treffen von den Beteiligten nach eigener Aussage beigemessen wurde.
Die im Allgemeinen rudimentäre Informationsvermittlung und die fehlende Koordination ist insofern hervorzuheben, als das MoU in Bezug auf die Behördenzusammenarbeit bei Finanzkrisen (Ziffer 3 MoU) vorsieht, dass die Behörden die Auswirkungen ihres Handelns auf die Verantwortungsbereiche der anderen Parteien berücksichtigen und ihre Tätigkeiten koordinieren. Das war nach Auffassung der Kommission vorliegend vor allem in Bezug auf die FINMA, die nicht an allen Treffen vertreten war und über ein Non-Meeting nicht informiert wurde, nicht der Fall.
Die Kommission anerkennt aber, dass die informellen Treffen ermöglicht haben, ausserhalb der regulären Strukturen leichter neue Ansätze zu entwickeln. Dadurch konnte die Übernahmelösung mit der UBS, die schliesslich im akuten Krisenfall zur effektiven Lösung wurde, frühzeitig angedacht werden. Die Kommission zeigt auch Verständnis dafür, dass informelle Treffen ausserhalb der institutionalisierten Krisenorganisation für die Behörden einen Mehrwert bieten können. Solche Treffen können aufgrund ihrer informellen Natur nicht zu stark reglementiert werden, ohne ihre Vorzüge zu verlieren. Nichtsdestotrotz vertritt die PUK die Auffassung, dass auch informelle Treffen - vor allem auf höchster Stufe wie im vorliegenden Fall - für alle drei Behörden sehr heikel sind und in adäquater Art und Weise mit den bestehenden Regelstrukturen korrespondieren müssen, um deren Funktionalität nicht zu untergraben oder deren Arbeit zuwiderzulaufen. Zudem sollte ein Mindestmass an Transparenz über die im Rahmen solcher Non-Meetings behandelten Themen gewährleistet sein. Schliesslich würde man durch eine bessere Einbindung in das Gesamtkrisenmanagement der Behörden schon den blossen Anschein einer einseitigen Bankennähe vermeiden.
| Empfehlung Nr. 12 Die PUK ersucht den Bundesrat dafür zu sorgen, dass die Behörden des tripartiten Memorandums of Understanding zur Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung Informationen zeitnah an die verschiedenen Mitglieder der Krisenorgane und zwischen den Ebenen (operative und strategische Ebene) weitergeben. Insbesondere sollen die Informationen aus den jährlichen Berichten der SNB über die Finanzstabilität mit allen involvierten Behörden diskutiert werden.Zudem soll der Bundesrat dafür sorgen, dass die Behörden des Memorandums Massnahmen ergreifen, damit Treffen informeller Natur besser mit den Regelstrukturen des Memorandums korrespondieren. Allfällige Beschlüsse sind von den zuständigen Gremien zu fällen. Schliesslich soll er dafür sorgen, dass die entsprechenden IT- und Kommunikationssysteme für eine enge Zusammenarbeit dieser Behörden in Krisenzeiten geeignet sind. |
216¹ SNB (2022): Bericht zur Finanzstabilität 2022, deutsche Fassung, Sept. 2022, S. 6. Dieser Bericht wurde wie jedes Jahr zuerst auf Englisch veröffentlicht (im Juni 2022).
2¹62 Dazu gehören unter anderem der Leiter Geschäftsbereich Banken, der Leiter Geschäftsbereich Recovery und Resolution und der Leiter der Organisationseinheit Recovery, Resolution und Resolvability der FINMA, der Stellvertreter des Vorstehers des II. Departements, der Direktor des Bereichs Finanzstabilität im II. Departement, die Verantwortliche für systemrelevante Banken im II. Departement der SNB, der stellvertretende Direktor der EFV, der Leiter der Abteilung Recht und Risikomanagement, die Leiterin des Finanzdienstes II der EFV und der Leiter der Abteilung Finanzsystem und Finanzmärkte des SIF.
2¹63 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 7 und 15
2¹64 Einige Transkriptionen des AF wurden mit folgender Anmerkung versehen: «Nur Sprecher und während Sitzung namentlich erwähnte Personen als Teilnehmer aufgeführt. Womöglich nahmen weitere Personen still teil».
2¹65 Im Rahmen der Verwaltungskonsultation machte das SIF geltend, dass die AF-Sitzungen im Normalfall immer protokolliert werden. Da die FINMA in dieser Phase ab Sommer 2022 sehr stark ausgelastet war, verzichteten die Behörden des tripartiten MoU vorübergehend auf eine angemessene Protokollierung der Sitzungen und liessen aufgrund einer Tonaufnahme Wortprotokolle erstellen. Ab Januar 2023 führte das SIF eine Tabelle ein, um die laufenden Arbeiten, Pendenzen und Zuständigkeiten festzuhalten. Diese Tabelle diente aber nicht als Protokoll (Stellungnahme des SIF vom 27.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation).
2¹66 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 31f., S. 39
2¹67 MoU EFD, FINMA, SNB
2¹68 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 31
2¹69 Während die FINMA und die SNB mündliche Debriefings durchführten und vonseiten der FINMA zumindest im Rahmen des letzten Treffens verschiedene Verantwortliche miteinbezogen wurden, liegen der PUK weder Gesprächsnotizen noch andere Quellen vor, die einen angemessenen Einbezug der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen oder der EFV-Direktorin belegen würden.
13.1.2 Zusammenarbeit der FINMA mit ausländischen Behörden
Zusammenarbeit in der Crisis Management Group und im Core College
Die FINMA arbeitete im Kontext ihrer Aufsichtstätigkeit über die CS im Untersuchungszeitraum besonders eng mit den Behörden ausländischer Jurisdiktionen zusammen (siehe Kap. 5.3.1.5 und Kap. 6.3.1.3). Aufgrund der Struktur der CS-Gruppe wurde ab Sommer 2022 insbesondere der Austausch mit den US-amerikanischen und britischen Resolution-Behörden intensiviert, um die Situation der Bank zu überwachen. Dies geschah im Rahmen der bestehenden Regel- und Krisenstrukturen der «Colleges», im vorliegenden Fall des Core College und der Crisis Management Group , die schon in den Jahren vor der CS-Krise für regelmässige Austausche und praktische Krisenübungen genutzt wurden (siehe Kap. 5.3.1.5). Die Kommission anerkennt die enge und langjährige Zusammenarbeit der FINMA mit den ausländischen Behörden und hebt im Speziellen die praktischen Krisenübungen der Crisis Management Group hervor. Nach Ansicht der Kommission haben sich diese teilweise ressourcenintensiven Austauschgefässe auch aufgrund der dadurch etablierten persönlichen Beziehungen bewährt und die Arbeit in einer realen Krisensituation erleichtert. Auch den Umstand, dass die SNB in den relevanten Gremien beteiligt ist, sieht die Kommission als Vorteil, da sich die Informationsflüsse zwischen internationaler und nationaler Ebene dadurch vereinfachen.
Die Valuation-in-Resolution -Übung (siehe Kasten 12 in Kap. 6.3.4.2) mit Echtzeitdaten, die im November 2022 durchgeführt wurde, um die Umsetzbarkeit des Sanierungsplans zu beurteilen, bewertet die Kommission im Hinblick auf die Akutkrise im März 2023 besonders positiv. Die FINMA setzte sich frühzeitig und in Absprache mit den ausländischen Behörden der CMG mit der Umsetzung der Sanierung auseinander. Vor allem die Auswertung der Resultate und die daraufhin durchgeführte Wiederholung der Übung stellten in den Augen der Kommission einen Mehrwert dar, da die Sanierung bis zuletzt als Lösungsszenario mitgeplant wurde und die Übung zentrale Informationen für die weitere Planung lieferte.
Die Zusammenarbeit mit den ausländischen Behörden wurde phasenweise durch gewisse Umstände erschwert, deren Ursprung bei der CS selbst lag. Hervorzuheben sind diesbezüglich vor allem die Probleme der CS bei der Erstellung verlässlicher Prognosen für die Liquiditätskennzahlen aller CS-Einheiten (siehe Kap. 6.3.1.1). Der FINMA und den ausländischen Behörden fehlten in diesem Fall jedoch die Instrumente, um ihre Informationslage zu verbessern, da diese Daten von der Bank selbst bereitgestellt werden mussten.
Problematik des Ring Fencing und der ausländischen Liquiditätsfazilitäten
Die FINMA hat mögliche Reaktionen der ausländischen Behörden auf Entwicklungen der Liquiditäts- und Kapitalsituation der CS in ihrem Auftreten gegenüber der CS gut antizipiert und diese der Bank wie auch den Behörden im AF und LG transparent kommuniziert (siehe Kap. 6.3.3.1 und 6.3.4). Sowohl die Fed wie auch die PRA ergriffen ab Oktober 2022 erste Ring-Fencing-Massnahmen gegenüber den ausländischen Tochtergesellschaften der CS. Aufgrund der anhaltenden Liquiditätsabflüsse bei der CS erhöhte die Fed im März 2023 zudem die von der Bank in den USA zu haltende Liquidität. Diese Massnahmen führten schliesslich dazu, dass Teile der von der CS bezogenen ELA bei der Fed platziert wurden (siehe Kasten 16 in Kap. 7.2.2.2).
Die Kommission nimmt diesbezüglich zur Kenntnis, dass die allgemeine Problematik des Ring Fencing unter der derzeitigen TBTF-Regulierung weiterhin besteht und die FINMA dadurch in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt wird (siehe auch Kap. 9.1.2). Sie begrüsst und unterstützt daher, dass der Bundesrat in seinem Bericht zur Bankenstabilität eine stärkere Eigenmittelunterlegung ausländischer Beteiligungen vorsieht, um den Effekten des Ring Fencing entgegenzuwirken. 217⁰
Kritisch bewertet die PUK, dass die FINMA und die CS in den Plänen zur Funding in Resolution (FiR) den Zugang zu den Fazilitäten der ausländischen Zentralbanken erwähnt, aber nicht quantifiziert haben. 217¹ Die Kommission ist sich zwar bewusst, dass das eigentliche Problem darin bestand, dass das Stammhaus der CS generell zu wenig Sicherheiten bei der SNB wie auch bei ausländischen Zentralbanken vorbereitet hatte und dadurch ein Zielkonflikt zwischen Liquiditätszuteilung und Upstreaming-Bemühungen entstand (siehe Kap. 14.1.1). Dennoch stellt sich die Frage, weshalb diese hypothetisch verfügbaren Fazilitätsvolumen nicht konkret durch die FINMA und die CS in den FiR-Plänen beziffert worden waren beziehungsweise wieso die FINMA und die SNB nicht über diese Informationen verfügten, obwohl sie im Austausch mit den US-amerikanischen und britischen Regulierungsbehörden standen.
217⁰ Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 96 f.)
217¹ Gemäss FSB-Leitlinien im Bereich Funding in Resolution ist die Heimabwicklungsbehörde zusammen mit der Bank für die Festlegung der wesentlichen Massnahmen zur Bewältigung von Liquiditätsengpässen in der Abwicklung zuständig. Quelle: FSB (2018): «Funding Strategy Elements of an Implementable Resolution Plan», S. 1, 15.
13.1.3 Information des Bundesrates
Zeitpunkt der erstmaligen Information des Gesamtbundesrates
Das MoU zur tripartiten Zusammenarbeit im Bereich Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung räumt der Vorsteherin oder dem Vorsteher des EFD bei der Information des Gesamtbundesrates einen gewissen Entscheidungsspielraum ein (Art. 3 Abs. 6 MoU). Eine unmittelbare Information des Kollegiums über die Einschätzung und die Notwendigkeit von Massnahmen wird jedoch spätestens zwingend, wenn die Risikobeurteilung zum Ergebnis führt, dass ausserordentliche Massnahmen der Behörden wahrscheinlich sind (siehe Kap. 3.6.1).
Die FINMA operierte ab dem 5. Oktober 2022 im Krisenmodus, und der AF wechselte in die «Phase Rot» 2¹72 (siehe Kap. 6.3.3.1). Nach Auffassung der Kommission hätte der EFD-Vorsteher den Gesamtbundesrat über diese Umstände informieren müssen. Die Kommission stellt diesbezüglich fest, dass der damalige EFD-Vorsteher den Gesamtbundesrat vor November 2022 zweimal (am 24. August und am 26. Oktober 2022) unter «Varia» über die Liquiditätsprobleme der CS unterrichtete und die Informationen in beiden Fällen allgemein und knapp hielt. Eine erste vertiefte Diskussion über mögliche Massnahmen der Behörden - konkret die Einführung des PLB per Notrecht - fand erst am 2. November 2022 in Anwesenheit des SNB-Präsidenten statt, allerdings eher aufgrund einer zeitlichen Koinzidenz mit dem Jahrestreffen mit dem SNB-Präsidenten und ohne zweckmässige Vorinformation. Die Kommission befindet es für opportun, dass das geplante Treffen mit dem SNB-Präsidenten für die Besprechung dieses akuten Themas genutzt wurde. Sie stellt jedoch infrage, ob der damalige EFD-Vorsteher den Bundesrat gemäss der Definition des MoU früh genug in ausreichender Qualität informierte. 2¹73 Die Kommission nimmt in Bezug auf die Sitzung vom 2. November 2022 zur Kenntnis, dass die Mitglieder des Bundesrates überrascht auf die ausserordentlich kritische Lage der Bank reagierten, da die vorherigen Informationen des EFD-Vorstehers die kritische Situation scheinbar nicht adäquat vermittelt hatten (siehe Kap. 6.3.4.1 und 6.3.4.2). Es war deshalb folgerichtig, dass der Gesamtbundesrat für den 4. November eine ausserordentliche Sitzung anberaumte und das EFD beauftragte, erstens vertieft über die Lage der CS zu informieren und zweitens eine konkrete Vorlage zur Vorbereitung der PLB-Einführung vorzulegen.
Abgesagte ausserordentliche Bundesratssitzung vom 4. November 2022
Für die Kommission ist nicht nachvollziehbar, weshalb der EFD-Vorsteher dem Bundespräsidenten beantragte, die für den 4. November geplante Sitzung bereits am Abend des 2. Novembers wieder abzusagen. Die kurzfristige Absage der Sitzung wurde durch den EFD-Vorsteher damit begründet, dass vonseiten des AF kein Antrag für einen PLB gestellt worden sei, da sich die CS gegen die staatliche Liquiditätshilfe gewehrt habe. Deshalb sei eine Sitzung nicht notwendig gewesen.
Dass der AF auf einen Antrag verzichtet hatte, ist nach Einschätzung der Kommission aber nicht Grund genug, um den Verzicht auf die kurzfristig anberaumte Sitzung zu rechtfertigen, zumal das EFD auch den Auftrag hatte, eine Notiz zur Situation der Bank sowie eine Aufstellung der Kompetenzen von SNB und FINMA und der verschiedenen Möglichkeiten des Bundesrates vorzulegen. Diese Unterlagen erhielt der Bundesrat im Zuge der Absage jedoch nicht, obwohl sie in der Sitzung vom 9. November erneut verlangt wurden (siehe Kap. 6.3.4.1 und 6.3.4.2). Eine Aussprache zu diesen Themen mit Vertreterinnen und Vertretern der SNB und der FINMA fand am 9. November ausschliesslich im Rahmen des Bundesratsausschusses Finanzfragen statt (siehe Kap. 6.3.4.2). Die Kommission konstatiert diesbezüglich, dass der Gesamtbundesrat, dem die Protokolle des Bundesratsausschusses vorgelegt wurden, in der Folge keine erneute Traktandierung gefordert hat. Der damalige Bundespräsident informierte sich zwar eigenständig (siehe Kap. 6.3.4.2), um das Zusammenspiel der Akteure SNB und FINMA besser zu verstehen. Jedoch setzte er sich nach Kenntnisstand der PUK nicht dafür ein, diese Informationen in den Gesamtbundesrat zu leiten.
Im Zusammenhang mit der geplanten Sitzung vom 4. November stellt die Kommission zudem fest, dass das Generalsekretariat des EFD im Herbst 2022 kaum in die Arbeiten zum CS-Dossier eingebunden war (siehe Kap. 6.3.4.1), obwohl die Generalsekretariate eigentlich als Stabsstelle der Departemente dienen und eine koordinierende Funktion hinsichtlich der Geschäfte der Departemente im Bundesrat erfüllen. Die Kommission hält fest, dass der fehlende inhaltliche Einbezug des Generalsekretärs die Vorbereitungen für die Sitzung vom 4. November verzögerte, dies letztlich aber ohne Konsequenzen blieb, da die besagte Sitzung nicht stattfand. Dennoch wertet die PUK den Nichteinbezug eher negativ, zumal die GPK in ihrem Bericht zur Aufarbeitung der Finanzkrise 2007/08 2¹74 explizit gefordert hatten, dass die Generalsekretariate für die Betreuung wichtiger Geschäfte in geeigneter Weise in die Informationsflüsse einzubeziehen sind. 2¹75
Information des Bundesrates 2022 - fehlende Schriftlichkeit
Die Kommission bewertet in Bezug auf die Information des Gesamtbundesrates durch den damaligen EFD-Vorsteher besonders die Tatsache kritisch, dass dieser den Gesamtbundesrat ausschliesslich mündlich informierte und konsequent auf schriftliche Unterlagen verzichtete. Die Informationspolitik des damaligen Finanzministers gegenüber dem Bundesrat fusste nach seinen eigenen Aussagen auf seinem fehlenden Vertrauen in die Bundesverwaltung in Bezug auf Indiskretionen, da diese Auswirkungen auf die globalen Finanzmärkte gehabt hätten. An seinen Anhörungen vor der PUK verwies der ehemalige EFD-Vorsteher auch auf die zahlreichen Corona-Leaks. Die Kommission hält fest, dass jede Art - auch mündlich - erhaltene Informationen hätten geleakt werden können, was während des gesamten Herbsts nicht der Fall war. Auch andere, ausgesprochen sensible Informationen, die im Bundesrat während dieser Zeit geteilt wurden, drangen nicht an die Öffentlichkeit.
Gegenüber der PUK kritisierte ein Grossteil der gegenwärtigen und früheren Mitglieder des Bundesrates den Verzicht auf schriftliche Unterlagen zuhanden des Kollegiums. Innerhalb des Bundesrates wurde die fehlende Schriftlichkeit an der Sitzung vom 2. November und an nachfolgenden Sitzungen mehrfach dem EFD-Vorsteher gegenüber angesprochen und entsprechend kritisiert (siehe Kap. 6.3.4.2). Die Art der Informationsvermittlung blieb auch nach der Kritik der Bundesratsmitglieder und des Bundeskanzlers im November 2022 gleich. Ein Bundesratsmitglied erklärte diesbezüglich, dass es seiner Rolle und Verantwortung ohne Unterlagen und Entscheidgrundlagen in dieser Phase nur schwer nachkommen konnte. 2¹76
Auch an den zwei Bundesratssitzungen im Dezember 2022, an denen die Situation der CS thematisiert wurde, erfolgten die Informationen an den Gesamtbundesrat durch den EFD-Vorsteher jeweils mündlich, was ebenfalls Kritik vonseiten mehrerer Bundesratsmitglieder auslöste. Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass gemäss Aussage verschiedener Bundesratsmitglieder das Kollegium aufgrund der vermittelten Informationen nicht in der Lage gewesen sei, das Ausmass der Schwierigkeiten der Bank konkret abzuschätzen.
Als sich die Liquiditätssituation der CS Ende Dezember 2022 erneut verschärfte und eine Intervention der Behörden wahrscheinlicher wurde, verzichtete der EFD-Vorsteher wiederum auf die Information des Gesamtbundesrates (siehe Kap. 6.3.5.1).
Die Kommission kann nicht nachvollziehen, weshalb der frühere EFD-Vorsteher - mit Ausnahme der Protokolle aus dem Bundesratsausschuss Finanzfragen - auf schriftliche Informationen zuhanden des Bundesrates verzichtete. Die Möglichkeit eines Informationslecks, ungeachtet dessen potentieller Auswirkungen, kann nicht als Vorwand für den Verzicht auf Schriftlichkeit vorgebracht werden. Der EFD-Vorsteher hätte nach Einschätzung der Kommission beispielsweise mit Tischvorlagen arbeiten können. Dadurch wäre der Kreis der Adressaten auf den Bundesrat beschränkt gewesen.
Das EFD teilte wenig Informationen mit dem Gremium und erschwerte es dem Bundesrat dadurch, das Geschäft als Kollegium zu führen. Damit kam der EFD-Vorsteher nach Einschätzung der Kommission seiner Informationspflicht gemäss Artikel 12 a Abs. 1 RVOG nicht vollständig nach, den Bundesrat regelmässig über Risiken und Herausforderungen wichtiger Geschäfte zu informieren. Dieser Artikel war zur Stärkung der kollektiven Führung eingeführt worden 2¹77 und dient nach juristischer Lehrmeinung dazu, sicherzustellen, dass die Bundesratsmitglieder über einen vergleichbaren Wissensstand verfügen, so dass sie sich aktiv in die Entscheidfindung einbringen können. 2¹78
Die Kommission fragt sich jedoch auch, weshalb der Gesamtbundesrat und der amtierende Bundespräsident ihren Spielraum zur Einholung weiterer Informationen nicht ausnutzten. Der Bundesrat und der damalige Bundeskanzler insistierten zwar mehrfach und verlangten schriftliche Unterlagen. 2¹79 Angesichts der mehrmaligen Kritik des Bundesrates an der mangelnden Schriftlichkeit hätte dieser seine Informationsrechte aber durchaus konsequenter durchsetzen können. Artikel 12 a Absatz 2 RVOG ermächtigt den Bundesrat, Departementsvorstehende unter Fristansetzung zur Herausgabe von Informationen zu verpflichten. Dafür wäre jedoch ein Bundesratsbeschluss notwendig gewesen. 218⁰ Auch der Bundespräsident hätte gemäss Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe d RVOG die Kompetenz gehabt, Abklärungen über bestimmte Angelegenheiten anzuordnen und damit seinen gesetzlichen Anspruch auf Auskunftserteilung gegenüber dem EFD-Vorsteher durchzusetzen. 218¹ Da weder die Bundesratsmitglieder noch der amtierende Bundespräsident die Schriftlichkeit mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln einforderten, tragen auch sie bis zu einem gewissen Grad eine Mitverantwortung für den lange Zeit unzureichenden Informationsstand des Bundesrates.
Angesichts der Tatsache, dass bereits in früheren Untersuchungen Feststellungen zur mangelnden kollektiven Verantwortung des Bundesrates gemacht wurden, 2¹82 ist es nach Ansicht der Kommission von zentraler Bedeutung, in diesem Bereich eine nachhaltige Verbesserung anzustossen.
Information des Bundesrates 2023
Zwischen Januar und Februar 2023 thematisierte die neue EFD-Vorsteherin die CS-Krise im Bundesrat an vier Sitzungen, was eine Steigerung der Informationsfrequenz bedeutete (siehe Kap. 6.4.2). Unter der neuen EFD-Vorsteherin kam es Anfang Februar 2023 erstmals auf der Basis schriftlicher Unterlagen zu einer Diskussion des Bundesrates über die vier Szenarien (siehe Kap. 6.4.3). Die dazu verteilte Tischvorlage skizzierte lediglich sehr summarisch die vier Szenarien, enthielt jedoch weder eine ökonomische noch eine ausführlichere juristische Einschätzung. Das Papier wurde nach Sitzungsende wieder eingezogen. Es wurde von den Bundesratsmitgliedern aber insgesamt eher positiv bewertet und als wichtige Diskussionsgrundlage wahrgenommen. Für die Kommission ist es jedoch wenig verständlich, dass die Bundesratsmitglieder im Jahr 2023 gemäss den Sitzungsprotokollen keine Kritik mehr an der Art der Informationsweitergabe äusserten, wie sie dies noch im November 2022 in Bezug auf die mangelnde Schriftlichkeit getan hatten.
Die Kommission stellt insgesamt fest, dass die mit dem Bundesrat geteilten Informationen im Jahr 2023 - trotz erstmaliger schriftlicher Unterlagen zu den Szenarien - weiterhin nur bedingt zweckmässig waren. Die einzige schriftliche Unterlage bis zur Akutkrise zeichnete sich durch einen geringen Informationsgehalt aus und diente eher der Kontextualisierung der mündlich vermittelten Informationen. Aus Sicht der Kommission ist es fraglich, ob sich die Mitglieder des Bundesrates gestützt auf diese summarische Darstellung eine fundierte Einschätzung über die Vor- und Nachteile der einzelnen Szenarien wie auch ihrer Implikationen bilden konnten.
| Empfehlung Nr. 13 Der Bundesrat wird angehalten sicherzustellen, dass er bei wichtigen Geschäften in angemessenem Umfang, wenn angezeigt mithilfe schriftlicher Unterlagen, informiert wird. Dabei soll ein Verfahren gewählt werden, welches Amtsgeheimnisverletzungen ausschliesst. Ausserdem fordert die PUK den Bundesrat und die Bundespräsidentin bzw. den Bundespräsidenten auf, in vergleichbaren Situationen ihre Kompetenzen gemäss Artikel 12 a Absatz 2 und Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe d RVOG anzuwenden und eine schriftliche Information des Kollegiums durchzusetzen. |
Keine Indiskretionen aus Bundesverwaltung und Bundesrat zwischen Herbst 2022 und Anfang März 2023
Positiv festzuhalten ist, dass zwischen Herbst 2022 und März 2023 keine vertraulichen oder geheimen Informationen aus den Bundesratssitzungen und den Ausschusssitzungen des Bundesrates an die Öffentlichkeit gelangten. Im Rahmen der Untersuchungen der GPK zu den Indiskretionen während der Covid-19-Pandemie zeigte sich auch, dass es dem Bundesrat in verschiedenen anderen Dossiers, deren Vertraulichkeit im Interesse des Landes war, gelang, diese zu wahren. 2¹83
Bundesratsausschuss Finanzfragen
Die Bundesratsausschüsse haben zum Zweck, die interdepartementale Führung zu stärken, indem wichtige und departementsübergreifende Fragen und Entscheide des Gesamtbundesrates vorbereitet werden. Zwischen Herbst 2022 und Mitte März 2023 tagte der zuständige Bundesratsausschuss Finanzfragen zweimal, beide Male im November 2022. Eine dritte, im Dezember vorgesehene Sitzung fand aus der PUK unbekannten Gründen nicht statt (siehe Kap. 6.3.4.2).
Die Kommission ist dezidiert der Ansicht, dass die Bundesratsausschüsse nicht als Krisenorgane geeignet sind. Dieser Auffassung ist auch der Bundesrat, gemäss dem wichtige politische Fragen nicht in Ausschüssen, sondern im Bundesrat zu diskutieren und zu entscheiden sind. 2¹84 Dennoch gelangt die Kommission zum Schluss, dass der Bundesratsausschuss nach der erstmaligen mündlichen Information des Bundesrates Ende August 2022 nicht ausreichend einbezogen wurde. Tatsächlich fanden erst im November Sitzungen des Ausschusses zur Thematik der PLB-Einführung statt (siehe Kap. 6.3.4.2), obwohl der AF und das LG sich schon seit Mitte September damit auseinandergesetzt hatten. Diesbezüglich würdigt die Kommission, dass sich die Traktandierung der PLB-Einführung im Ausschuss als äusserst konstruktiv erwies, weil der Einbezug der zwei weiteren Bundesratsmitglieder zu einer vertieften Abklärung der Anwendungsvoraussetzungen von Notrecht führte (siehe Kap. 13.1.4).
An der Ausschusssitzung vom 9. November 2022 durften die Mitarbeitenden des UVEK und des WBF aus Gründen der Geheimhaltung nicht teilnehmen (siehe Kap. 6.3.4.2). Die Kommission hat grundsätzlich Verständnis für das hohe Informationssicherheitsbedürfnis der Behörden, stellt jedoch rückblickend die Zweckmässigkeit des Ausschlusses der Mitarbeitenden in Frage, zumal die FINMA, die SNB und das EFD mit mehreren Vertreterinnen und Vertretern vor Ort waren. 2¹85 Erstens wurden nur wenige Informationen - und vor allem keine schriftlichen - zur konkreten Lage der CS geteilt, und die Diskussionen fokussierten sich auf die notrechtliche Einführung des PLB. Zweitens wurde mit diesem Vorgehen der ohnehin bereits von einer Informationsasymmetrie geprägte Austausch der Ausschussmitglieder noch stärker eingeschränkt.
Der Informationsfluss zwischen den Ausschusssitzungen und den Bundesratssitzungen funktionierte nach Einschätzung der Kommission gut. Dem Bundesrat wurden sowohl die Protokolle des Ausschusses wie auch die relevanten Beilagen zur Verfügung gestellt (siehe Kap. 6.3.4.2, 6.3.4.3 und 6.3.5.1).
Den Entscheid der EFD-Vorsteherin, den Bundesratsausschuss Finanzfragen im Jahr 2023 nicht mehr zur Thematik der CS-Krise tagen zu lassen und stattdessen das Kollegium in corpore zu informieren (siehe Kap. 6.4.3.1), würdigt die Kommission als unter den gegebenen Umständen zweckmässig. Dieser Entscheid wurde dem Gesamtbundesrat transparent kommuniziert und stiess innerhalb des Kollegiums auf Verständnis. 2¹86
Information der neuen Bundesratsmitglieder
Die Kommission anerkennt die aktive und ausführliche Einführung der zwei neuen Bundesratsmitglieder ins CS-Dossier durch den damaligen Bundeskanzler im Dezember 2022. Diese umfasste die Übergabe sämtlicher der Bundeskanzlei vorliegenden Bundesratsbeschlüsse zum PLB und der Protokolle der relevanten Bundesratssitzungen aus den Monaten November und Dezember (siehe Kap. 6.3.5.2).
Vertrauen innerhalb des Bundesrates
Die PUK hat in ihrer Untersuchung auch die Frage des Vertrauens innerhalb des Bundesrates thematisiert. Die Aussagen der Bundesratsmitglieder fielen diesbezüglich unterschiedlich aus. Neben dem ehemaligen EFD-Vorsteher gab ein weiteres Bundesratsmitglied zu bedenken, dass das generelle Klima im Bundesrat auch im Herbst 2022 noch belastet gewesen sei. Das Risiko von Indiskretionen sei als sehr hoch einzuschätzen gewesen, und die Zurückhaltung des damaligen EFD-Vorstehers bei schriftlichen Informationen sei daher plausibel gewesen. 2¹87 Der damalige Vizekanzler sagte gegenüber der PUK aus, er habe aus den Aussagen des EFD-Vorstehers geschlossen, dass dieser dem Bundesrat nicht zugetraut habe, die vertraulichen Informationen innerhalb des Gremiums zu behalten. Er selbst habe das Vertrauensverhältnis zwischen den Bundesratsmitgliedern aber sowohl Ende 2022 wie auch Anfang 2023 grundsätzlich als «positiv bis sehr positiv wahrgenommen». 2¹88 Ein anderes Bundesratsmitglied nahm nach eigener Aussage ab 2023 kein Vertrauensproblem im Kollegium wahr und hatte vielmehr den Eindruck, dass sich der Bundesrat seiner grossen Verantwortung in diesem Dossier bewusst gewesen sei. 2¹89 Auch der ehemalige Bundeskanzler teilte die Einschätzung, dass der Gesamtbundesrat sich der Ernsthaftigkeit der Lage bewusst gewesen sei. Aus seiner Sicht sei die Befürchtung des damaligen EFD-Vorstehers aufgrund der früheren Krisen zwar nachvollziehbar gewesen. Er habe jedoch die Meinung vertreten, dass der Bundesrat auch bei der Gefahr einer Indiskretion zu informieren sei. 219⁰ Ein drittes Mitglied des Bundesrates bezeichnete das Argument, Informationen aufgrund von Leaks in anderen Dossiers nicht zu liefern, als «nicht haltbar». Nach Einschätzung des genannten Mitglieds komme es bei hochsensiblen Geschäften und Geschäften mit Börsenrelevanz generell nicht zu Indiskretionen. 219¹
In diesem Zusammenhang hat die PUK auch von der Inspektion der GPK zu den Indiskretionen zu Covid-19-Geschäften des Bundesrates Kenntnis genommen. Daraus geht hervor, dass vor allem während der Pandemie das Vertrauen im Bundesrat zumindest zeitweise beeinträchtigt war. Inwiefern dieser Verlust an gegenseitigem Vertrauen auch ab Herbst 2022 und vor allem in der Akutkrise die Zusammenarbeit im Gremium im Kontext der CS-Krise erschwerte, ist mit Blick auf die sehr unterschiedlichen Aussagen der Bundesratsmitglieder für die PUK nicht abschliessend zu beurteilen. Die verschiedenen Auffassungen zum Vertrauensverhältnis innerhalb des Bundesrates zeigen auf, dass die Zusammenarbeit im Gremium für einzelne Mitglieder noch immer im Zeichen der ausgeprägten Indiskretionen während der Covid-19-Pandemie stand, während andere Mitglieder die Indiskretionen als Problem, welches nur bei einzelnen Bundesratsgeschäften auftrat, wahrnahmen.
Die Kommission ist der Ansicht, dass die Thematik der Indiskretionen und des Vertrauens im Rahmen der erwähnten GPK-Untersuchung ausreichend analysiert wurde und die Umsetzung der entsprechenden Empfehlungen abzuwarten ist, bevor weitere Massnahmen vorgeschlagen werden.
2¹72 «Phase Rot» bezeichnet gemäss Organisationsreglement des AF eine Situation, in der durch die Lage an den Finanzmärkten oder einzelner Schweizer Institute unmittelbare Gefahr für die Schweizer Volkswirtschaft oder das Funktionieren des schweizerischen oder internationalen Finanzsystems besteht. Quelle: Art. 3.2.1 des Organisationsreglements des AF vom 6.1.2015.
2¹73 «Spätestens im Zeitpunkt aber, in dem die Risikobeurteilung zum Ergebnis führt, dass ausserordentliche Massnahmen der Behörden wahrscheinlich sind, ist der Vorsteher bzw. die Vorsteherin des EFD verpflichtet, den Gesamtbundesrat umgehend zu informieren.» Quelle: Art. 3 Abs. 6 des MoU EFD, FINMA, SNB.
2¹74 GPK-N/S: Bericht zur Finanzkrise 2008 ( BBl 2011 3099 , hier 3413 f.).
2¹75 Konkret lautete Empfehlung 13 der GPK: «Die GPK fordern den Bundesrat auf, für die Betreuung von wichtigen Geschäften -insbesondere wenn sie departementsübergreifend sind - in den betroffenen Departementen zu gewährleisten, dass das jeweilige Generalsekretariat in geeigneter Weise in die Informationsflüsse einbezogen wird, damit es seine Funktion als Stabsstelle des Departements, aber auch des Departementsvorstehers oder der Departementsvorsteherin wahrnehmen kann».
2¹76 Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024
2¹77 Zusatzbotschaft zur Regierungsreform vom 13.10.2010 ( BBl 2010 7811 , hier 7820)
2¹78 Sägesser Thomas (2022): Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz RVOG vom 21. März 1997, 2. Aufl. Bern: Stämpfli Verlag, Art. 12 a N 6 f.
2¹79 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 53 f.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 58 f.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 10 ff.
218⁰ Zusatzbotschaft zur Regierungsreform vom 13.10.2010 ( BBl 2010 7811 , hier 7827)
218¹ Sägesser Thomas (2022): Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz RVOG vom 21. März 1997, 2. Aufl. Bern: Stämpfli Verlag, Art. 25 N 46.
2¹82 GPK-N/S: Bericht zur Finanzkrise 2008 ( BBl 2011 3099 , hier 3413 f.).
2¹83 Indiskretionen im Zusammenhang mit Covid-19-Geschäften des Bundesrates, Bericht der GPK-N/S vom 17.11.2023 ( BBl 2024 335 , S. 75)
2¹84 Zusatzbotschaft zur Regierungsreform vom 13.10.2010 ( BBl 2010 7811 , hier 7828)
2¹85 Es handelte sich dabei um das Direktorium der SNB, den CEO und die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA, die EFV-Direktorin und die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen.
2¹86 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 18 f., 27 f.; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 34.
2¹87 Sitzungsprotokoll der PUK vom 14.2.2024, S. 87
2¹88 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S. 28, 30
2¹89 Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 25
219⁰ Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 53, 56, 58 f., 70 f.
219¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 66, 71
13.1.4 Vorbereitung der Einführung eines PLB im Herbst und Winter 2022
Vorbereitung der notrechtlichen Einführung eines PLB im November 2022
Im Zuge der sich zuspitzenden Situation der CS diskutierte der AF am 12. September zum ersten Mal über die vorgezogene Einführung eines PLB als Massnahme in der CS-Krise (siehe Kap. 6.2.3). Die Behörden konnten sich dabei auf die laufenden Arbeiten des EFD stützen. Dieses war nach dem Entscheid des Bundesrates vom März 2022 über die Einführung eines PLB (siehe Kap. 5.2.6.2) mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage befasst. Ab Ende Oktober 2022 wurden in den Gremien AF und LG verschiedene Szenarien für die Lösung der CS-Krise diskutiert, bei denen die notrechtliche Einführung eines PLB notwendig gewesen wäre (siehe Kap. 6.3.3.1). Ab dem 2. November 2022 wurde das Szenario einer PLB-Einführung per Notrecht auch im Bundesrat diskutiert, und das EFD bereitete einen konkreten Bundesratsantrag vor (siehe Kap. 6.3.4.1).
Die Kommission stellt fest, dass die Einführung eines PLB per Notrecht im Herbst 2022 von den Behörden rasch vorbereitet wurde und dass entsprechende Dokumente (Verordnungsentwurf, Entwurf der Erläuterungen) im November 2022 vorlagen (siehe Kap. 6.3.4.3). Die Kommission begrüsst, dass der Bundesrat im Rahmen seiner Diskussionen zur kurzfristigen Einführung eines PLB im Herbst 2022, wie von der GPK bereits 2010 gefordert, die Notwendigkeit bzw. den Zeitpunkt des Einbezugs der FinDel erörterte (siehe Kap. 6.3.4.3).
Einbezug des BJ im Herbst und Winter 2022
Nach der abgesagten Bundesratssitzung vom 4. November setzten die zuständigen Behörden (EFD, FINMA und SNB) die Vorbereitungsarbeiten zur notrechtlichen Einführung eines PLB weiter fort und vertieften gewisse Punkte (siehe Kap. 6.3.4.2). So befasste sich im Laufe des Novembers auch der Bundesratsausschuss Finanzfragen mit der Einführung eines PLB. Dieser drängte auf die Klärung von Grundsatzfragen zur Anwendung von Notrecht. Entsprechend wurde das BJ in dieser Phase verstärkt einbezogen, nachdem es auf technischer Ebene bereits seit Anfang Oktober 2022 involviert gewesen war (siehe Kap. 6.3.4.3): Der Direktor des BJ wurde im November 2022 an eine Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen eingeladen und zu verschiedenen Aspekten einer notrechtlichen Einführung eines PLB befragt, namentlich auch zur Frage, ob die Einführung anstatt per Notrecht nicht eher per dringlichem Bundesgesetz erfolgen müsste. Zudem wurde das BJ beauftragt, seine Erkenntnisse in einer Notiz zuhanden des Bundesrates darzulegen. Die Kommission ist der Ansicht, dass das BJ in dieser Phase mehrheitlich angemessen einbezogen wurde.
Sie bemängelt jedoch, dass das BJ nach Zustellung seiner Notiz von Ende November bis am 15. März 2023 nicht mehr einbezogen wurde und somit auch kein Austausch mehr zwischen den federführenden Behörden und dem BJ zur Umsetzung der vom BJ eingebrachten Hinweise erfolgte. Die diesbezügliche Empfehlung an den Bundesrat findet sich in Kapitel 14.2.1, wo zusätzliche Feststellungen zum Einbezug des BJ in der CS-Krise insgesamt dargelegt werden.
Aus Sicht der Kommission war der Einbezug des BJ zur Klärung grundsätzlicher Fragen bei der Anwendung von Notrecht unabdingbar und somit zweckmässig. Zudem stellt die Kommission fest, dass die federführenden Behörden (EFV, SIF) die Hinweise des BJ zur Notwendigkeit vertiefter Abklärungen zur notrechtlichen Einführung eines PLB Ende 2022 und ab Anfang 2023 tatsächlich umgesetzt haben (siehe Kap. 6.3.4.3).
Nichteinführung eines PLB im Herbst 2022
Was die Frage der Angemessenheit der Nichteinführung eines PLB per Notrecht oder per dringlichem Bundesgesetz im Herbst / Winter 2022 betrifft, gelangt die PUK zu folgendem Schluss: Ob die notrechtliche Einführung eines PLB im Herbst 2022 ein nützliches oder schädliches Signal im Sinne eines Brandbeschleunigers gewesen wäre, lässt sich im Nachhinein nicht abschliessend beurteilen. Zusätzlich stellt sich die Frage, ob im Herbst 2022 eine notrechtliche Einführung des PLB überhaupt zulässig gewesen wäre, ob also aus damaliger Sicht zu diesem Zeitpunkt bereits eine ausreichende Notrechtslage bestand. Eine kurzfristige notrechtliche Einführung - so sie denn zulässig gewesen wäre - hätte jedenfalls sehr sorgfältig kommuniziert werden müssen, um das Vertrauen der Märkte in die CS nicht weiter zu schwächen. Es ist fraglich, ob dies hätte gelingen können, da nur schon der Rückgriff auf Notrecht als solcher ein Krisensignal ist und sich die CS in einem volatil-labilen Umfeld bewegte. Die Zweifel der Behörden an der Nützlichkeit dieser Massnahme bzw. ihre Furcht vor einer nachteiligen Wirkung zu jenem Zeitpunkt sind für die Kommission jedenfalls nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr angesichts der Verweigerungshaltung und Beschönigungen der Bank im Herbst 2022.
Aus Sicht der PUK steht hingegen fest, dass die Einführung eines PLB, wie von den internationalen Gremien empfohlen, ab 2016 konsequent voranzutreiben gewesen wäre (siehe Kap. 9.1.1). Der Bundesrat hätte das Thema z. B. frühzeitig in seinen Evaluationsberichten zu systemrelevanten Banken einbringen sollen (siehe Kap. 9.1.1), damit eine politische Diskussion hätte stattfinden können. Die Existenz eines gesetzlich verankerten PLB hätte die Dynamik im Herbst 2022 unter Umständen verändern können. Den Bundesbehörden wäre es wohl möglich gewesen, proaktiver zur Situation der CS zu kommunizieren. Auch wäre der Vertrauensvorschuss der Märkte für eine Bank, die aus einer nationalen Rechtsordnung mit gesetzlich verankertem PLB heraus operiert, womöglich grösser gewesen. Dies hätte bei den Investorinnen und Investoren und den Anlegerinnen und Anlegern zu mehr Geduld gegenüber der Neuausrichtung der Strategie der CS führen können.
Eine eigentliche Empfehlung der PUK zur Einführung eines PLB erübrigt sich angesichts der diesbezüglich in der Bundesversammlung hängigen Vorlage. Für die Positionierung der PUK zu dieser Vorlage sei auf Kapitel 9.1.2 verwiesen.
13.1.5 Vorbereitung der verschiedenen Szenarien in den Gremien
Zwischen Sommer 2022 und März 2023 war ein erheblicher Teil der Aktivitäten der Krisenorgane, insbesondere des AF, den Überlegungen zu Krisenausstiegsszenarien gewidmet. Dieses Kapitel enthält die Erkenntnisse der PUK zur Art und Weise, wie die verschiedenen Szenarien von den Behörden entwickelt und vorbereitet wurden. Die PUK ist im Grossen und Ganzen der Ansicht, dass die Vorbereitungsarbeiten in den Krisenorganen angemessen waren, weist aber auf einige Verbesserungsmöglichkeiten hin.
Offene Diskussionen über zahlreiche Optionen
Die Behörden haben die vorgesehenen Optionen vorbereitet (Abwicklung, ELA) und auch neue in Betracht gezogen (TPO, ELA+, Übernahme). Es ist aus Sicht der PUK darauf hinzuweisen, dass dabei auch Massnahmen und Instrumente diskutiert wurden, die im TBTF-Instrumentarium nicht vorgesehen sind. Dies zeigt einerseits, dass jede Krise unterschiedlich gelagert ist und der Regulator nicht alle Konstellationen antizipieren konnte respektive kann. Andererseits verdeutlicht dieser Umstand, dass eine Überarbeitung des TBTF-Regimes aufgrund der Erfahrungen im Kontext der CS-Krise angezeigt ist (siehe Kap. 9.1.2).
Erstens setzten sich die Behörden seit den ersten Anzeichen der Krise ab Herbst 2022 kontinuierlich und offen mit den möglichen Interventionsmassnahmen auseinander. Zweitens thematisierten sie mehrere Optionen und analysierten diese - auch in Kombination miteinander - in unterschiedlichem Detaillierungsgrad (siehe Kap. 6.3 und 6.4, insbesondere den Kasten 11 in Kap. 6.3.3.1):
i.
Krisenbewältigung durch die CS selbst: Lange Zeit das von den Behörden präferierte Szenario, wurde am 15. März 2023 definitiv verworfen.
ii.
Inanspruchnahme einer ELA: Eines der bestehenden Instrumente der SNB, kam in allen Szenarien vor.
iii.
Inanspruchnahme einer ELA+: Erweiterte Möglichkeit der Inanspruchnahme einer ELA, die eine Einführung per Notrecht erforderte, wurde ab Dezember 2022 im AF und im LG diskutiert.
iv.
Übernahme durch eine andere (inländische oder ausländische) Bank: Szenario wurde ab Ende Oktober 2022 diskutiert.
v.
Sanierung der CS: Vorgehen wäre in den Kompetenzbereich der FINMA gefallen, wurde seit Anfang Oktober 2022, dem Beginn der Diskussionen, als mögliches Lösungsszenario besprochen.
vi.
Konkurs der CS Group AG und der CS AG sowie Aktivierung des Notfallplans für die CS (Schweiz) AG: Wurde ab November 2022 besprochen.
vii.
Vorübergehende Verstaatlichung (TPO) der Credit Suisse (Schweiz) AG: Wurde als Variante bei einem Konkurs der CS besprochen (siehe oben) und hätte die Anwendung von Notrecht erfordert.
viii.
TPO der gesamten Gruppe: Hätte die Anwendung von Notrecht erfordert, wurde nur im März 2023 besprochen.
ix.
Kapitalbeteiligung des Bundes an der CS: Wurde im Oktober 2022 diskutiert, aber nach der ersten Analyse verworfen.
x.
Beschleunigte Einführung des PLB, aber ohne dessen Aktivierung: Hätte in einer ausserordentlichen Bundesratssitzung diskutiert werden sollen, doch wurde diese kurzfristig abgesagt.
xi.
Einführung und Aktivierung des PLB für die CS per Notrecht: Wurde im Rahmen der verschiedenen Szenarien besprochen.
Die von der PUK beauftragten externen Fachexperten wiesen darauf hin, dass auch andere Massnahmen möglich gewesen wären, insbesondere eine Einlagensicherung oder ein Bank Holiday. 2¹92 In den von der PUK gesichteten Unterlagen werden diese Alternativen nicht erwähnt. Die PUK ist dennoch der Ansicht, dass die Behörden bei ihren Vorbereitungen die wichtigsten möglichen Massnahmen abgedeckt haben. Die verschiedenen Optionen wurden sorgfältig geprüft und die realistischsten Massnahmen respektive Optionen angemessen vertieft, ohne dass sich die Behörden zu rasch auf das eine oder andere Szenario festlegten. Einige zunächst verworfene Optionen konnten daher später wieder aufgenommen werden. Dies gilt insbesondere für eine mögliche Kapitalbeteiligung des Bundes an der CS (Kasten 11 in Kap. 6.3.3.1).
Bildung von spezifischen Arbeitsgruppen innerhalb der Gremien des tripartiten Memorandum of Understanding
Ab Herbst 2022 bildete der AF mehrere Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Themen, in denen verschiedene Behörden vertreten waren. So setzte beispielsweise der AF am 5. Oktober 2022 eine Arbeitsgruppe ein, um die verschiedenen Optionen der Behörden und ihre Vor- und Nachteile zu vertiefen (Kap. 6.3.3.1) sowie eine Analyse der volkswirtschaftlichen Kosten vorzunehmen (Kap. 6.4.3.2). Auf Initiative der Behörden wurden zudem eine Arbeitsgruppe PLB (Kap. 5.2.5.3) sowie eine Arbeitsgruppe TPO (Kap. 5.2.5.6, 6.4.2) gebildet. Die PUK ist der Meinung, dass es diese Gefässe erlaubten, das spezifische Know-how der beteiligten Fachpersonen zu nutzen, um die Szenarien auf der operativen Ebene adäquat vorzubereiten, bevor sie an die Krisenorgane weitergeleitet wurden. 2¹93 In den Transkriptionen des AF ist nicht immer eindeutig ersichtlich, ob die Zuständigkeit in den Arbeitsgruppen klar definiert war.
Abklärungen zum Notrecht
Einige der im Zentrum stehenden Optionen beinhalteten die Anwendung von Notrecht. Dies war insbesondere bei der TPO der Fall, denn das Schweizer Recht sieht keine solche Möglichkeit vor (siehe Kap. 9.1.2). Die Kommission gelangt bezüglich der Möglichkeit der notrechtlichen Einführung einer TPO im März 2023 zu folgenden Schlüssen:
i.
Zu gewissen Varianten der TPO (siehe Kasten 7 in Kap. 5.2.5.6) führten die Behörden im Rahmen der vom AF eingesetzten Arbeitsgruppe seit September 2020, also deutlich vor der Akzentuierung der CS-Krise, Abklärungen durch (siehe Kap. 5.2.5.6). Hierbei ist aber auch zu berücksichtigen, dass die TPO international seit 2011 diskutiert wurde und verschiedene Länder sie bereits 2016 gesetzlich verankerten (siehe Kap. 5.2.2.1).
ii.
Unmittelbar vor der akuten Krise im März 2023 leiteten die Behörden breite und ergebnisoffene Abklärungen zur TPO ein und berücksichtigten dabei auch Varianten, die seit längerer Zeit nicht mehr bzw. noch nie wirklich diskutiert worden waren (siehe Kap. 6.4.3.2). Die Vorbereitungen für die letztlich verfolgte Option einer TPO der gesamten Gruppe mussten während der akuten Krise ab dem 15. März 2023 dennoch äusserst kurzfristig getroffen werden (siehe Kap. 13.2.4).
Die PUK ist daher der Auffassung, dass die Abklärungen zur TPO in der Phase der sich akzentuierenden Krise (von Sommer 2022 bis Mitte März 2023) nur bedingt angemessen waren (zum Einbezug des BJ siehe Kap. 13.2.4 und 14.2.1).
Die Frage des Notrechts stellte sich auch beim PLB. Zwar war geplant, diesen 2023 im ordentlichen Recht einzuführen. Aufgrund der CS-Krise überstürzten sich jedoch die Ereignisse. Die PUK unterstreicht, dass die Behörden vorausschauend abgeklärt haben, wie der PLB im November 2022 per Notrecht und unter angemessenem Einbezug des BJ hätte eingeführt werden können (siehe Kap. 6.3.4.3). Zudem setzten sich die Behörden ab Ende Dezember 2022 mit der Einführung einer ELA+ auseinander, wofür ebenfalls Notrecht erforderlich war (siehe Kap. 6.3.5.1).
Vorbereitungsarbeiten für eine allfällige Sanierung der CS
Eines der in Betracht gezogenen Szenarien war die Sanierung der CS. Für deren Vorbereitung war die FINMA zuständig, da sie über die Kompetenz verfügt, im Falle der drohenden Insolvenz einer Bank ihre Sanierung anzuordnen (siehe Kap. 3.2). Diesbezüglich hält die PUK fest, dass dieses Szenario ab Herbst 2022 intensiv vorbereitet und getestet wurde, insbesondere auch mit einer Valuation-in-Resolution -Übung, die im November durchgeführt wurde (siehe Kasten 12 in Kap. 6.3.4.2 sowie Kap. 13.1.2). Die PUK teilt die Ansicht mehrerer von ihr angehörter Personen, dass diese Übung ein notwendiger Schritt bei den Vorbereitungsarbeiten für das Szenario einer Sanierung der CS war. Die FINMA hatte den Entwurf der Sanierungsverfügung im November 2022 fast vollständig ausgearbeitet, sodass er innerhalb der wenigen Tage der Akutkrise im März 2023 fertiggestellt werden konnte (siehe Kap. 6.3.1.1, 7.2.2.6, 7.2.3.6). Der Entwurf wurde finalisiert, auf Englisch übersetzt und mit den ausländischen Behörden der Crisis Management Group abgestimmt (siehe Kap. 7.2.4.4), was zeigt, dass die Vorbereitung angemessen war. Die PUK weist darauf hin, dass mehrere Personen ausserhalb der FINMA während der Anhörungen trotzdem eine gewisse Skepsis in Bezug auf die Durchführbarkeit und die Stabilisierungswirkung einer Sanierung äusserten. 2¹94
Vorbereitungsarbeiten für eine Übernahme der CS durch eine andere Bank
Das Szenario einer Übernahme der CS durch eine andere Bank wurde seit Oktober 2022 diskutiert (siehe Kap. 6.3.3.1). Die grösste von den Behörden identifizierte Herausforderung war die Zeit, die erforderlich war, um eine solche Transaktion mit einer anderen Bank in die Wege zu leiten: Eine Schweizer Lösung schien die einzige kurzfristig realisierbare Option zu sein. Eine Lösung mit einer ausländischen Bank wäre nur auf längere Sicht denkbar gewesen (siehe Kap. 6.3.4).
Die PUK hält fest, dass recht schnell klar war, dass die UBS eine realistische Option darstellte. Denn der EFD-Vorsteher und der SNB-Präsident führten an der Jahrestagung des IWF im Oktober 2022 in Washington und kurz danach in Zürich Gespräche mit dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS und sondierten sein potenzielles Interesse.
Die Behörden, insbesondere die FINMA, baten die CS im November und Dezember 2022 zudem, potenzielle Partner zu ermitteln. Die Schlussfolgerung blieb jedoch dieselbe, nämlich, dass kurzfristig nur die UBS eine glaubwürdige Kandidatin für die Übernahme der Bank darstellte (siehe Kap. 6.3.1.1, 6.3.5.1).
Das Szenario der Übernahme durch ein ausländisches Institut wurde dennoch weiterverfolgt: Es wurde im Januar 2023 erneut diskutiert und dem Bundesrat vorgelegt (siehe Kap. 6.4.1, 6.4.2, 6.4.3.1), und die volkswirtschaftlichen Kosten dieser Option wurden geschätzt (siehe Kap. 6.4.3.2). Die PUK hält jedoch fest, dass diese Option nicht auf dieselbe Weise vorbereitet wurde wie eine Übernahme durch die UBS, zumal diese die einzige Bank war, die vom EFD und der SNB kontaktiert wurde, um ihr Interesse zu sondieren.
Am 1. Februar 2023, als der Bundesrat die verschiedenen Szenarien diskutierte, hielt die EFD-Vorsteherin fest, dass keine konkrete Käuferbank bekannt sei. Eine Sondierung werde erst bei einem definitiven Entscheid für dieses Szenario möglich (siehe Kap. 6.4.3.1). Der UBS gegenüber wurde diese Zurückhaltung nicht gewahrt. Vielmehr wurde sie informell bereits im Oktober 2022 kontaktiert. Aufgrund dieser Besprechungen wurde gemäss der SNB ein Verkauf der CS von den Behörden als realistische und je nach Eskalationsfall präferierte Option aufgenommen. Absolut zentral sei die Vorbereitung der UBS auf ein solches Szenario aufgrund des Treffens vom 23. Oktober 2022 gewesen. 2¹95 Die nächsten Kontakte zwischen den Behörden und der UBS fanden gemäss den der PUK zur Verfügung stehenden Informationen im März 2023 statt.
Im Zusammenhang mit den Vorbereitungsarbeiten für das Szenario der Übernahme durch eine andere Bank weist die PUK zudem darauf hin, dass die FINMA die Notwendigkeit, einen Datenraum einzurichten, voraussah und nicht nachliess, Druck auf die CS auszuüben, bis dieser auch tatsächlich eingerichtet wurde (Kap. 6.4.1). Die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Einrichtung eines virtuellen Datenraums waren Gegenstand verschiedener Interaktionen der FINMA und der CS und zuletzt auch eines Non-Meetings (siehe Kap. 6.3.3.2). Die PUK ist wie mehrere angehörte Personen der Ansicht, der Datenraum hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Transaktion zwischen der CS und der UBS im März 2023 innerhalb der vorgegebenen Fristen umgesetzt werden konnte.
Die Feststellungen der PUK zum Einbezug der WEKO im März 2023 werden in Kapitel 14.2.3 dargelegt.
Makroökonomische Analysen der Kosten und des Nutzens der verschiedenen Szenarien
Im Vergleich zur alarmierenden Situation zwischen Oktober und Dezember 2022 wirkte die finanzielle Lage der CS Anfang 2023 gegen aussen hin relativ ruhig. Dennoch blieb die Situation angespannt. Zu diesem Zeitpunkt vertieften die Behörden die Frage der Kosten und des Nutzens, welche die verschiedenen Krisenausstiegsszenarien wahrscheinlich hätten (siehe Kap. 6.4.2, 6.4.3), was die PUK begrüsst. 2¹96 Im AF wurden am 28. Februar 2023 erstmals quantitative Analysen diskutiert (siehe Kap. 6.4.3.2).
Die von der PUK beauftragten Fachexperten halten diese Analysen insgesamt für zweckdienlich. Die Kostenschätzungen der Behörden seien plausibel und nachvollziehbar. Einige Kostenblöcke seien allerdings überschätzt worden: Die angenommenen Kosten des Worst-Case-Szenarios , d. h. des Ausfalls der systemrelevanten Funktionen der CS, würden an der oberen Grenze liegen, seien also eher pessimistisch geschätzt worden. Auch die mit einem Reputations- und Bedeutungsverlust des Schweizer Finanzplatzes verbundenen Kosten seien in den verschiedenen Szenarien überschätzt worden (siehe Kasten 24 unten). Die PUK teilt diese Auffassung.
Zwischen Februar und März 2023 berechneten die Behörden die Kostenfolgen der verschiedenen Szenarien anhand zweier Modelle: In Modell 1 , das der AF am 28. Februar diskutierte, wurde eine Kosten-Nutzen-Analyse separat für jedes Szenario erstellt. In Modell 2 , das eine Arbeitsgruppe des AF für die Sitzung vom 14. März erstellt hatte, wurden auch die Fallback-Szenarien berücksichtigt, die den Behörden noch zur Verfügung gestanden hätten, wenn die ergriffenen Massnahmen gescheitert wären. Die Auswirkungen des Paradigmenwechsels werden in den von der PUK eingesehenen Dokumenten nicht thematisiert. Gemäss dem von der PUK in Auftrag gegebenen Expertenbericht war die gewählte Vorgehensweise zweckmässig. Die PUK ist der Ansicht, dass gegebenenfalls wieder gleich vorgegangen werden sollte.
Die Kosten-Nutzen-Analysen wurden von den Vertreterinnen und Vertretern der SNB, der FINMA, der EFV und des SIF im AF durchgeführt. Hingegen war das SECO nicht einbezogen. Es wurde nur am 17. März summarisch informiert (siehe Kap. 7.2.3.9). Dies erstaunt, da das SECO als Kompetenzzentrum des Bundes für alle Kernfragen der Wirtschaftspolitik makroökonomische Analysen zu seinen Kernkompetenzen zählt (siehe Kap. 3.7). Die Feststellungen der PUK zum Einbezug des SECO werden in Kapitel 14.2.2 dargelegt.
Zweck der makroökonomischen Analysen und Information des Bundesrates
Die von den Vertreterinnen und Vertretern der SNB, der FINMA, der EFV und des SIF durchgeführten makroökonomischen Analysen wurden am 28. Februar 2023 im AF diskutiert (siehe Kap. 6.4.3.2). Zum ersten Mal lagen quantifizierte Schätzungen zu den Kosten und zum Nutzen der verschiedenen Szenarien vor. Wie bereits weiter oben ausgeführt, begrüsst die PUK die Durchführung solcher Analysen durch die Behörden. Sie ermöglichten einen systematischen Vergleich der Massnahmen, die sich dem Bund boten. Die PUK hält jedoch fest, dass der Zweck dieser Analysen nicht für alle Beteiligten klar war oder dass sich zumindest nicht alle, die an der Sitzung des AF teilnahmen, darüber einig waren. Die SNB verfolgte im Grundsatz einen Ex-ante-Fokus: Die Kosten-Nutzen-Berechnungen für die einzelnen Szenarien sollten als Entscheidungsgrundlage für das Eingreifen der Behörden dienen. Das SIF und die EFV hingegen vertraten eher einen Ex-post-Ansatz. Der Vorsteherin des EFD war es ein Anliegen, dank dieser Analysen eine Rationalisierung des Entscheids vornehmen und die Kosten der einzelnen Massnahmen beziffern zu können (siehe Kap. 6.4.3.2).
In diesen makroökonomischen Analysen wurden zwei Situationen unterschieden, in denen die Behörden eingreifen konnten: Situation 1 (erhöhter Stress, aber keine eindeutigen Anzeichen eines Sanierungsbedarfs) und Situation 2 (Eskalation der Situation, eindeutige Anzeichen eines Sanierungsbedarfs) (siehe Kap. 6.4.3.2). Die Massnahme mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis war in diesen beiden Situationen nicht dieselbe. Zudem definierten die Behörden die Situationen nicht genauer. Es fehlten somit die Kriterien, um zu entscheiden, ob (und seit wann) Situation 1 bereits eingetreten war und ob (und wann) ein Eingreifen der Behörden erforderlich war. Gemäss den Analysen war in Situation 1 nämlich die Übernahme durch eine ausländische Bank das günstigste Szenario (siehe Kap. 6.4.3.2, 7.1.2). 2¹97
Diese makroökonomischen Analysen wurden im LG nicht besprochen, da die Akutkrise vor der geplanten Sitzung ausbrach (siehe Kap. 6.4.3.2). Es ist davon auszugehen, dass die EFD-Vorsteherin von diesen Analysen wusste, da sie in ihrem Auftrag erfolgten (siehe oben). Die PUK hält aber fest, dass der Bundesrat nicht schriftlich über diese Analysen informiert wurde, was in der Verantwortung der EFD-Vorsteherin gelegen hätte. Er erhielt im Februar 2023 nur ein summarisch gehaltenes Dokument über die verschiedenen Szenarien, ohne Angaben zu den volkswirtschaftlichen Kosten. Soweit der PUK bekannt ist, wurden dem Gesamtbundesrat die Berechnungen der volkswirtschaftlichen Kosten bis Mitte März nicht vorgelegt, was die PUK nicht nachvollziehen kann (siehe Kap. 13.2.3). In der Akutkrise erfolgten verschiedentlich Informationen, die aber aufgrund fehlender Unterlagen und des summarischen Protokolls des Bundesrates nicht nachvollzogen werden können.
| Kasten 24 : Wichtigste Ergebnisse der im Auftrag der PUK erstellten Expertenberichte über die makroökonomischen Analysen der Szenarien Die PUK beauftragte die Konjunkturforschungsstelle KOF und die BSS Volkswirtschaftliche Beratung AG mit der Evaluation der Analysen, welche die Behörden zu den einzelnen Krisenausstiegsszenarien erstellt hatten. Ziel dieses Auftrags war es herauszufinden, ob die vor der Entscheidfindung für die einzelnen Szenarien durchgeführten Kosten-Nutzen-Analysen auf plausiblen Annahmen beruhten, und zu prüfen, ob die Ergebnisse sowie die angewandte Methodik nachvollziehbar und präzise waren. Es wurden zwei Aufträge vergeben. Die vollständigen Ergebnisse sind in den Expertenberichten einsehbar. 2¹98 In diesem Kasten werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst. Die makroökonomischen Analysen der Behörden werden in Kapitel 6.4.3.2 detailliert dargelegt.Fazit aus den beiden Expertenberichten Die wissenschaftliche Literatur bietet keine einheitliche Grundlage für die Schätzung der Kosten im Kontext von Bankenkrisen. Daher waren die behördlichen Analysen unweigerlich mit einem hohen Mass an Unsicherheit behaftet. Eine Rolle spielten auch Zeitdruck und allfällige politische Präferenzen. Die Expertenberichte halten fest, dass die Reihenfolge der Optionen in den Überlegungen der Behörden weitgehend plausibel und in Bezug auf Korrekturen oder Anpassungen an den Berechnungsmethoden stabil scheint. In beiden Berichten werden alternative Faktoren (zu den Kostenblöcken) und Methoden (zu den Modellierungen) besprochen, die für die Diskussion möglicherweise ebenfalls wertvoll gewesen wären.Kritik der Expertenberichte an Modell 1Die BSS kritisiert bei Modell 1 die Art, wie die Behörden die Kosten berechnet haben, und wendet eine etwas andere Logik an. Die Logik der BSS hat allerdings keine Auswirkungen auf die Reihenfolge der Szenarien. 2¹99 Die Berechnungsmethoden der Behörden und der BSS ergeben beide klar höhere Nettonutzen für die Optionen in Situation 2 (von den Behörden definiert als «Eskalation, eindeutige Anzeichen eines Sanierungsbedarfs») als in Situation 1 («erhöhter Stress, aber keine eindeutigen Anzeichen eines Sanierungsbedarfs»). Anders gesagt: Gesamtwirtschaftlich betrachtet wäre der Nettonutzen am höchsten gewesen, hätte man die CS in Situation 2 geraten lassen. Laut den Berechnungen der BSS und der Behörden wäre dann Option C «Sanierung» das gesamtwirtschaftlich beste Szenario gewesen. 220⁰ Dieses Resultat mag erstaunen. Die KOF führt dieses Resultat darauf zurück, dass das Eintrittsrisiko des Worst-Case-Szenarios in Situation 2 deutlich höher als in Situation 1 eingeschätzt wurde und damit die Berechnung des Nutzens einer angewendeten Option nach oben beeinflusste. Die Kosten des Worst Case wurden von den Behörden hoch eingeschätzt, im oberen Bereich dessen, was in der Theorie diskutiert wird. 22⁰1 Das KOF schliesst daraus, dass Zuwarten oder Nichtstun sehr riskant und damit trotz vermeintlich hohem Nettonutzen kaum eine reale Option gewesen wären. Kritik der Expertenberichte an Modell 2Die BSS hinterfragt bei Modell 2 teilweise die Abfolge der Szenarien. Beispielsweise hätte gemäss der Berechnung der Behörden ein Scheitern von Option A direkt zu Option B in Situation 2, zur Fusion mit einer inländischen Bank, geführt. Andere Massnahmen, wie eine Fusion mit einer ausländischen Bank, wurden nicht mehr als mögliche Folgemassnahmen dargestellt. 22⁰2 Die getroffene Auswahl ist aus den Unterlagen nicht vollständig nachvollziehbar. Ausserdem wurden die Erfolgschancen der Optionen gleich bewertet, unabhängig davon, ob sie als erste oder als vierte Massnahme in einer Abfolge angewendet worden wären. 22⁰3 Die KOF anerkennt, dass Modell 2 der Komplexität der Situation gerechter wird, weist jedoch darauf hin, dass bei steigender Komplexität die Anforderungen an die getroffenen Annahmen ebenfalls zunehmen. Deshalb wäre es aus ihrer Sicht sinnvoll gewesen, verschiedene Modelle zu nutzen, um die Annahmen auf ihre Robustheit zu testen. 22⁰4 Kritik der Expertenberichte an den KostenblöckenAlle vier Szenarien sowie das Worst-Case-Szenario beinhalteten Kosten für die Schweizer Volkswirtschaft. Die Kosten wurden in Prozent des Schweizer BIP von 2022 dargestellt. 22⁰5 Die Behörden berücksichtigten fünf Kostenblöcke. Diese werden im Folgenden aufgelistet, gemeinsam mit den wichtigsten Überlegungen aus den Expertenberichten.- Block 1: Arbeitsplätze und SteuernBeide Expertenberichte können das Vorgehen mit gewissen Kritikpunkten nachvollziehen. In den Berechnungen der Kosten wurde diesem Block wenig Gewicht zugeschrieben. 22⁰6 - Block 2: Reputationsschaden für den Finanzplatz Schweiz Beide Berichte argumentieren, dass die Behörden den möglichen Reputationsschaden als zu hoch eingeschätzt haben. So hält die KOF fest, dass sich in Situation 2 die Reihenfolge der Kosten pro Option verändern würde, wenn man den Faktor Reputation nicht berücksichtigen würde. Da jedoch bei der Berechnung des Nettonutzens die Kosten anhand ihrer (Miss-)Erfolgswahrscheinlichkeiten gewichtet wurden, bliebe die Reihenfolge der Optionen gleich, nur die Abstände würden kleiner. Die KOF anerkennt, dass eine vollständige Nichtbeachtung des möglichen Reputationsschadens nicht realistisch gewesen wäre. 22⁰7 - Block 3: Verschärfung der TBTF-ProblematikBei der Verschärfung der TBTF-Problematik formulieren die Expertenberichte grössere Bedenken als die Behörden. Die Schätzung der Kosten war aber gemäss den Experten schwierig. Beide Berichte thematisieren beispielsweise das in der Ökonomie unter dem Begriff «Moral Hazard» bekannte Problem: Da das Vorgehen der Behörden bei der CS nicht dem Drehbuch der TBTF-Regulierung entsprach, können andere Banken in der Schweiz ableiten, dass sie im Krisenfall ebenfalls gerettet würden. Die KOF weist jedoch darauf hin, dass dieses Problem reduziert wurde, da es aktuell keine weitere inländische private Grossbank gibt, die die UBS retten könnte. 22⁰8 - Block 4: Monetäre Verluste des Bundes/der SNBDie Behörden haben diesen Kostenblock nicht bis wenig gewichtet. Die BSS schätzt die Kosten etwas höher ein, auf maximal 2,5 % des BIP. 22⁰9 An der Reihenfolge der Optionen ändert das aber nichts. - Block 5: Verschlechterung der WettbewerbssituationDie Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Angebotsvielfalt wurden nur in Modell 1 berücksichtigt. Es bleibt unklar, wieso dieser Block in Modell 2 entfiel. Die BSS ist der Ansicht, dass insbesondere die Kosten des verminderten Wettbewerbs in der Schweiz hätten berücksichtigt werden müssen. 221⁰ Die KOF sieht dies gleich. Da aber in Modell 1 die Kosten tief geschätzt wurden - was nachvollziehbar ist - und ihre Höhe bei den verschiedenen Optionen wenig variierte, hätte eine Berücksichtigung kaum zu wesentlichen Änderungen in der Gesamtbewertung geführt. 221¹ GesamtwürdigungBeide Expertenberichte anerkennen, dass die Behörden mit grosser Unsicherheit und Zeitdruck konfrontiert waren. Die getroffenen Annahmen scheinen auch nach ihrer kritischen Ex-post-Analyse plausibel. |
2¹92 Expertenbericht BSS (2024), S. 18-20. Einlagensicherung: Beim Konkurs einer Bank sind Guthaben der Einlegerinnen und Einleger bis zu einem gewissen Betrag durch den Staat gesichert. Bank Holiday : Temporäre Schliessung der Bank, meist gefolgt von einer Periode, in der Bargeldbezüge nicht oder nur eingeschränkt möglich sind.
2¹93 Zum Einbezug von Akteuren ausserhalb der Gremien des tripartiten MoU wie z. B. dem SECO siehe Kap. 14.2
2¹94 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2023, S. 76; Sitzungsprotokoll der PUK vom 29.11.2023, S. 18; Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 54; Sitzungsprotokoll der PUK vom 27.3.2024, S. 16, 18, 21; Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.4.2024, S. 77; Sitzungsprotokoll der PUK vom 15.5.2024, S. 63 und 66; Sitzungsprotokoll der PUK vom 22.5.2024, S. 29, S. 70f.
2¹95 Stellungnahme der SNB vom 31.7.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
2¹96 Die Behörden griffen im November 2022 auch auf ein Gutachten eines externen Beratungsunternehmens (Oliver Wyman) zurück, um die Frage der mit einem PLB verbundenen Kosten zu klären (Kap. 6.3.5.1).
2¹97 Siehe auch den Expertenbericht KOF (2024), S. 13, und den Expertenbericht BSS (2024), S. 14
2¹98 Expertenbericht KOF (2024); Expertenbericht BSS (2024).
2¹99 Expertenbericht BSS (2024), S. 22
220⁰ Expertenbericht BSS (2024), S. 22 f.
22⁰1 Expertenbericht KOF (2024), S. 13 und 20
22⁰2 Expertenbericht BSS (2024), S. 25
22⁰3 Einzige Ausnahme: Für den Fall, dass Option C auf Massnahme B2/Inland folgen würde, wurde eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 50 statt 70 % angenommen und die erfolgsgewichteten Kosten wurden höher geschätzt. Expertenbericht BSS (2024), S. 26; Expertenbericht KOF (2024), S. 36.
22⁰4 Expertenbericht KOF (2024), S. 44
22⁰5 Das Schweizer BIP betrug 2022 rund 780 Milliarden Franken (Quelle: Expertenbericht KOF (2024), S. 10).
22⁰6 Expertenbericht KOF (2024), S. 24; Expertenbericht BSS (2024), S. 29 ff.
22⁰7 Expertenbericht KOF (2024), S. 34
22⁰8 Expertenbericht KOF (2024), S. 47 f.; Expertenbericht BSS (2024), S. 38.
22⁰9 Expertenbericht BSS (2024), S. 37
221⁰ Expertenbericht BSS (2024), S. 42
221¹ Expertenbericht KOF (2024), S. 32
13.1.6 Wechsel an der Spitze des EFD
Am 1. Januar 2023 übernahm Bundesrätin Keller-Sutter die Führung des EFD. Ihr Vorgänger machte gegenüber der PUK geltend, dass die Departementsübergabe nicht optimal funktioniert habe, insbesondere auf Stufe der Fachämter. Die PUK teilt diese Feststellung.
Kontakte zwischen Bundesrat Maurer und Bundesrätin Keller-Sutter inklusive Dossierübergabe
Im Vorfeld der Departementsübergabe kam es zu einem Treffen und zwei Telefongesprächen zwischen dem damaligen Departementsvorsteher und Bundesrätin Keller-Sutter. Die PUK äussert sich nicht zur Quantität der erfolgten Treffen. Viel wichtiger ist, was bei den Treffen oder per Telefon besprochen wurde, welche Informationen ausgetauscht wurden und wie die Übergabe der wichtigen Dossiers erfolgte. Aus Sicht der PUK war zum Zeitpunkt der Dossierübergabe am 19. Dezember 2022 klar, dass es sich beim CS-Dossier um ein zentrales Dossier handelte, zumal die Situation der CS zum damaligen Zeitpunkt vom Departementsvorsteher selber zwar als stabil, aber auf niedrigem Niveau bezeichnet wurde. 22¹2 Trotzdem hat es der damalige Departementsvorsteher unterlassen, Bundesrätin Keller-Sutter schriftliche Informationen zur CS abzugeben.
Die PUK vertritt die Ansicht, dass die Anforderungen an die Übergabe der Dossiers, insbesondere der wichtigen Dossiers, im vorliegenden Fall nicht erfüllt wurden. In einer solchen Situation reicht es nicht aus, wenn die Unterlagen der neuen Departementsvorsteherin erst zu Beginn des Jahres zur Verfügung stehen.
Austausch zwischen verschiedenen Verwaltungseinheiten und Bundesrätin Keller-Sutter
Auf der Stufe der Verwaltungseinheiten gab es im Dezember 2022 ausschliesslich Kontakte zwischen der Direktorin der EFV und Bundesrätin Keller-Sutter, schwerpunktmässig zur Vorbereitung der Budgetplanung. Zu einem ersten Treffen zwischen der neuen Vorsteherin des EFD und der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA einerseits und der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen andererseits kam es hingegen erst im Januar 2023. Gemäss den der PUK vorliegenden Informationen hat sich der damalige Departementsvorsteher jeweils gegen ein Treffen noch im Dezember ausgesprochen bzw. ein solches als nicht angezeigt erachtet. 22¹3
Nach Ansicht der PUK unterschätzte der damalige Vorsteher des EFD offenbar die Bedeutung der rechtzeitigen Vorbereitung seiner Nachfolgerin in einem risikobehafteten Dossier.
Im «Aide-mémoire für die Mitglieder des Bundesrates und die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler» 22¹4 ist festgehalten, dass «[b]eim Wechsel an der Spitze eines Departementes […] die bisherige Vorsteherin oder der bisherige Vorsteher des Departements […] den Wissenstransfer auf die neue Amtsinhaberin oder den neuen Amtsinhaber sicher[stellt]». Die Bundeskanzlei stellt den Betroffenen hierfür eine Checkliste zur Verfügung.
Die PUK ist klar der Ansicht, dass die Departementsübergabe bei diesem Dossier ungenügend funktioniert hat und Handlungsbedarf besteht, damit ein solches Versäumnis in Zukunft nicht mehr eintritt.
| Empfehlung Nr. 14 Der Bundesrat wird eingeladen, die Regelungen zur Departementsübergabe zu überprüfen. Er hat hierfür einen institutionalisierten Prozess zu erarbeiten, der über eine Checkliste hinausgeht. |
22¹2 Die Information, dass die Liquiditätssituation der CS unverändert kritisch, aber auf tiefem Niveau stabil sei, wurde dem damaligen Vorsteher des EFD im Rahmen der Sitzung des AF vom 25.11.2022 durch den Leiter der Bankenaufsicht der FINMA mitgeteilt.
22¹3 Siehe hierzu die Ausführungen in Kap. 6.3.5.3 und den entsprechenden Verweis auf das Mail der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen an den damaligen Generalsekretär des EFD vom 14.12.2022 sowie das Mail der persönlichen Mitarbeiterin der damaligen Vorsteherin des EJPD und aktuellen Vorsteherin des EFD an die damalige Generalsekretärin des EJPD vom 15.12.2022. Der damalige Vorsteher des EFD hielt im Rahmen der Konsultation fest, dass er einerseits vor Weihnachten und andererseits zwischen Weihnachten und Neujahr seine Nachfolgerin, die damalige Vorsteherin des EJPD, telefonisch informiert und gebeten habe, sofort ein Treffen mit der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen abzuhalten, weil sich die Situation weiter zugespitzt habe.
22¹4 Aide Memoire für die Mitglieder des Bundesrates und die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler vom 5.11.2014, Ziff. 1.25, S. 15
13.1.7 Öffentliche Kommunikation
In der Phase von Sommer 2022 bis März 2023 äusserten sich die Hauptakteure nur in ganz vereinzelten Fällen öffentlich. Eine erste offizielle Kommunikation wäre nach der Bundesratssitzung vom 2. November 2022 für den Fall vorgesehen gewesen, dass der Bundesrat konkrete Massnahmen trifft. Obwohl dies nicht der Fall war, wurden die begonnenen Vorbereitungsarbeiten fortgesetzt, sowohl im Hinblick auf eine öffentliche Kommunikation der Behörden als auch für den Fall, dass Informationen an die Öffentlichkeit gelangen würden (siehe Kap. 6.4.4.). Es stellt sich die Frage, ob die öffentliche Kommunikation zweckmässig war und die erhoffte Wirkung erzielte.
Öffentliche Aussagen
Wie eingangs erwähnt, äusserten sich die Behörden in dieser Zeitspanne einzig im Rahmen von Einzelaussagen, etwa in Interviews. Die Einzelaussagen bis im Dezember waren eher zurückhaltend. Es wurde auf die generell hohe Unsicherheit, die Risiken der Banken und darauf hingewiesen, dass die Behörden die Situation der CS verfolgen würden. Der Vorsteher des EFD und der Präsident der SNB kommunizierten im Dezember 2022 jedoch proaktiv zur Situation der CS, weshalb sich die Kommission mit diesen Aussagen auseinandergesetzt hat. Sowohl der Vorsteher des EFD wie auch der Präsident der SNB äusserten sich positiv zur Neuausrichtung der CS. Der damalige Vorsteher des EFD wies zudem darauf hin, dass von der CS Gutes zu hören sei und dass die Arbeiten der CS zur Umsetzung der neuen Strategie Vertrauen verdienen und Zeit brauchen würden (siehe Kap. 6.4.4.). 22¹5 Diese Kommunikation des damaligen Vorstehers des EFD erfolgte ihm zufolge in Absprache mit dem damaligen Präsidenten der SNB und mit der CS, die um ein positives Signal in der Öffentlichkeit gebeten hatte, 22¹6 und angesichts des Umstands, dass sich die CS nach wie vor in einer äusserst angespannten Lage befand und die Aussichten unsicher waren (siehe Diskussionen im LG und AF).
Es stellt sich die Frage, ob diese Äusserungen zum damaligen Zeitpunkt - angesichts der tatsächlichen, schwierigen Situation der CS - angemessen waren. Das Ziel dieser Aussagen war es gemäss den Informationen der PUK, in der Öffentlichkeit auf eine Beruhigung hinzuwirken, um der CS die notwendige Zeit zu geben, damit sie in Ruhe die Transformation durchführen kann. Ob mit diesen Aussagen eine beruhigende Wirkung in der Öffentlichkeit erzielt wurde, kann nicht beurteilt werden.
Vorbereitung der Kommunikation durch BK und EFD
Die Vorbereitungen für die öffentliche Kommunikation der Behörden zu einem allfälligen Entscheid betreffend CS begannen im November 2022. Am 2. November beauftragte der Bundesrat die BK und das EFD, im Hinblick auf die geplante Sitzung am 4. November ein Kommunikationskonzept zu erstellen. 22¹7 Diese Arbeiten wurden von der BK und dem EFD rasch in Angriff genommen. Von Anfang an erfolgten klare Aufträge vonseiten der BK. Wie in Kapitel 6.4.4. erwähnt, gestaltete sich die Zusammenarbeit aus Sicht der BK anfangs schwierig, da die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im EFD nicht klar definiert gewesen seien. Die Zusammenarbeit verbesserte sich anschliessend zusehends und verlief gemäss Aussagen von Vertretern der Bundeskanzlei anschliessend gut. 22¹8 Die PUK stellt fest, dass die Kommunikationsarbeiten von der BK und später auch vom EFD sorgfältig wie auch umfassend vorbereitet und auch im Hintergrund weitergeführt wurden, obwohl ein Entscheid des Bundesrates zur Einführung eines PLB vorerst ausblieb. Die Verantwortlichen antizipierten einen allfälligen Kommunikationsbedarf und bereiteten sich auch vor, falls es zu Indiskretionen kommen sollte. Sie bezogen auch die involvierten Stellen (FINMA und SNB) frühzeitig in die Kommunikationsarbeiten ein. Diese Arbeiten stuft die PUK als zweckmässig ein.
22¹5 Die SNB erhöht den Leitzins auf 1,0 Prozent und begrüsst die Neuausrichtung der Credit Suisse. In: NZZ, 15.12.2022; Bilanz als Finanzminister - Bundesrat Maurer, was hätten Sie im Nachhinein anders gemacht? In: srf.ch, 13.12.2022; Zwischendurch muss man es halt mal krachen lassen. In: NZZ, 31.12.2022.
22¹6 Sitzungsprotokoll der PUK vom 8.11.2024; Sitzungsprotokoll der PUK vom 22.5.2024.
22¹7 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.4.2024
22¹8 Schriftliche Antworten an die PUK vom 12.4.2024, Sitzungsprotokoll der PUK vom 21.2.2024, S. 56
13.2 Geschäftsführung in der Akutkrise vom 15. bis 19. März 2023
13.2.1 Zusammenarbeit zwischen den Behörden und Gremien
Intensivierung des Austauschs innerhalb der Krisenorgane
Während der fünftägigen Akutkrise, also vom 15. bis 19. März 2023, war die Zusammenarbeit der Behörden äusserst intensiv. Die Chronologie der Ereignisse (Anhang 4, aber auch Kap. 7.2.1, 7.2.3, 7.2.4, 7.2.5, 7.2.6) zeigt, wie rasch die verschiedenen Sitzungen und Interaktionen - insbesondere zwischen den Schweizer Behörden, den Banken und den ausländischen Behörden - aufeinanderfolgten. Die PUK begrüsst die Verfügbarkeit und Flexibilität der Beteiligten. Sie ist der Auffassung, dass die Einrichtung eines Krisenraums im Bernerhof, dem Sitz des EFD, angebracht war. Dadurch wurde eine enge Koordination zwischen den Behörden ermöglicht und die Zeit für Beratung und Entscheidungsfindung verkürzt (Kap. 7.2.1, aber auch 7.2.2 bis 7.2.5).
Die PUK hält fest, dass die Intensität der Krise dazu führte, dass bestimmte Prozesse nicht mehr eingehalten wurden. So wurden beispielsweise die LG-Sitzungen zwischen dem 17. und 19. März 2023 nicht protokolliert. Der AF seinerseits führte zwar keine formellen Treffen durch, seine Mitglieder wurden aber dennoch stark mobilisiert. Die PUK versteht das Gefühl der Dringlichkeit, das in diesen Sitzungen vorherrschte; sie erwartet nicht, dass in solchen Fällen ein detailliertes Protokoll erstellt wird. Dennoch hält sie fest, dass das Fehlen von schriftlichen Aufzeichnungen dieser Sitzungen das nachträgliche Verständnis der Ereignisse und der Verantwortlichkeiten der einzelnen Personen erschwert. Nach Ansicht der PUK ist die Nachvollziehbarkeit von Entscheiden, die in Krisenzeiten getroffen werden, besonders wichtig. Protokolle, die aufgrund des Zeitdrucks nicht sofort detailliert erstellt werden können, sollten zeitnah ergänzt werden, damit die Überlegungen, die zur Entscheidfindung geführt haben, sowie die Entscheide selbst gut nachvollzogen werden können.
| Empfehlung Nr. 15 Die PUK lädt den Bundesrat ein, dafür zu sorgen, dass die betroffenen Behörden die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um ihre Sitzungen angemessen zu protokollieren, damit die Nachvollziehbarkeit gewährleistet ist. Insbesondere die Sitzungen der institutionalisierten Austauschgefässe zwischen SIF und FINMA sowie die in akuten Krisenzeiten stattfindenden Sitzungen (z. B. Sitzungen des Ausschusses Finanzkrisen oder des Lenkungsgremiums) sollen einheitlich protokolliert werden, selbst wenn die Protokolle nur sehr kurz ausfallen sollten. |
Ein Teil der Empfehlung (Austauschgefässe zwischen SIF und FINMA) bezieht sich auf Ausführungen im Kap. 12.1.1.
Gemeinsames Eingreifen der Behörden
Die PUK hält weiter fest, dass viele Personen an vorderster Front in die Verhandlungen mit den Banken involviert waren (zur Rolle der Behörden bei den Verhandlungen siehe Kap. 7.2.4). Gemäss dem Ablauf der Ereignisse, so wie er von der PUK rekonstruiert wurde, übernahmen mehrere Personen zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Führung. An den Sitzungen vom 15. März 2023 mit den Banken leitete die EFD-Vorsteherin die Gespräche, wobei die Behörden den Verkauf an die UBS als angestrebte Lösung bezeichneten (siehe Kap. 7.2.1). Am Tag darauf, Donnerstag, 16. März, setzte sich der SNB-Präsident wegen des von der UBS eingereichten Forderungskatalogs mit dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS in Verbindung (siehe Kap. 7.2.2.1), und nach dem Austausch zwischen den beiden Banken am 16. März wandte sich der Verwaltungsratspräsident der UBS an den SNB-Präsidenten und an den FINMA-Direktor, um sich über die schlechte Mitarbeit der CS zu beschweren (siehe Kap. 7.2.2.3). Am Freitag, 17. März, organisierte die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen eine Sitzung zwischen den Vertretungen der CS und der UBS, um eine Einigung zwischen den beiden Banken zu beschleunigen (siehe Kap. 7.2.3.3). Am Samstag, 18. März, informierte der CEO der UBS die Staatssekretärin für internationale Finanzfragen über den Zwischenstand der Due-Diligence-Prüfung (siehe Kap. 7.2.4.2), dann verlangte die UBS vom Leiter Recht und Risikomanagement der EFV, gewisse Bestimmungen des Fusionsgesetzes auszusetzen (siehe Kap. 7.2.4.6). Die Gespräche mit der UBS über die problematischen Aspekte der NCU wurden von der SNB und der FINMA geführt (siehe Kap. 7.2.4.6). Danach kontaktierte die Vorsteherin des EFD am Samstag, 18. März, den CS-Verwaltungsratspräsidenten telefonisch und bat ihn, das Angebot der UBS im Interesse der Schweiz anzunehmen, da es keinen Plan B gebe (siehe Kap. 7.2.4.6). Bei den Verhandlungen über den Kaufpreis übermittelte zuerst der SNB-Präsident ein Kaufpreisangebot von 1 Milliarde Franken. Diesen Betrag kritisierte die CS in der Folge bei der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen, woraufhin diese einen Preis von 2 Milliarden Franken einbrachte (siehe Kasten 21 in Kap. 7.2.4.6). Die Verhandlungen zu einem möglichen Wegfall der MAC-Klausel und zum Ausgleich, den der Bund dafür leisten würde, wurden gemäss ihren Aussagen vor der PUK ebenfalls von der Staatssekretärin für internationale Finanzfragen moderiert.
Aus Sicht der PUK war das gemeinsame Eingreifen der Behörden angebracht, da es deren Position stärkte. Ein solches Vorgehen kann jedoch auch dazu führen, dass nicht klar ist, wer letztlich die Verantwortung trägt. Es war aus Sicht der PUK tatsächlich nicht immer klar, welche Akteurinnen und Akteure wofür zuständig waren. Die regelmässigen LG-Sitzungen sorgten jedoch für einen angemessenen Informationsfluss zwischen den Beteiligten.
| Empfehlung Nr. 16 Die Kommission empfiehlt dem Bundesrat sicherzustellen, dass im Krisenfall bei Geschäften, die mehrere Behörden gleichermassen betreffen, frühzeitig die Verantwortung geregelt wird. Zudem sollen bei einer Krise die Zuständigkeiten klar definiert werden, und es soll für den Kontakt mit den externen Akteurinnen und Akteuren eine zentrale Ansprechstelle bestimmt werden. |
Die Zusammenarbeit mit anderen Verwaltungseinheiten (BJ, SECO, WEKO) und deren Einbezug werden in Kapitel 14.2 thematisiert.
13.2.2 Zusammenarbeit der Schweizer Behörden mit ausländischen Behörden
Eine grosse Bedeutung in der Krisenbewältigung kam auch der Koordination mit den ausländischen Behörden zu. Im Zuge der sich zuspitzenden Akutkrise intensivierten die Behörden ihre Kontakte ab dem 15. März (siehe Kap. 7.2.1 ff.). Der Austausch mit den ausländischen Behörden erfolgte entlang der Zuständigkeiten: Während die EFD-Vorsteherin mit den ausländischen Finanzministerinnen und -ministern im Austausch stand, deckte die FINMA die ausländischen Aufsichtsbehörden und die SNB die ausländischen Zentralbanken ab.
Gegenstand der internationalen Kontakte waren einerseits Informationen über die Entwicklungen bei der CS (v. a. im Core College) in der Schweiz und in den ausländischen Märkten sowie über die geplanten und bereits getroffenen Massnahmen sowohl in der Schweiz (ELA) wie auch im Ausland (v. a. Erhöhungen der Liquiditätsanforderung durch die Fed). Zudem war auch die operative Koordination mit Blick auf die sich in Vorbereitung befindenden Massnahmen (insbesondere Sanierungsverfügung, allfällige Fusion von CS und UBS) zentral. So waren die wesentlichen internationalen Gremien ab dem 15. März 2023 nach Kenntnisstand der PUK eng involviert und laufend informiert. Beispielsweise wussten die Fed und die PRA um die bevorstehende Medienmitteilung der FINMA und der SNB vom 15. März 2023.
Eine Vielzahl der internationalen Kontakte fand naturgemäss ad hoc und in einem formlosen Rahmen statt, weshalb sie nicht durchwegs schriftlich dokumentiert sind. Das ist im Kontext der Akutkrise beispielsweise bei bilateralen Kontakten auf Ministerebene aus Sicht der PUK nachvollziehbar. Der konkrete Inhalt der einzelnen Kontakte bleibt deshalb teilweise offen (siehe Kap. 7.2.2.9). Eindeutig ist aus Sicht der PUK jedoch, dass die Schweizer Behörden bei ihren Kontakten mit den ausländischen Partnerbehörden den Eindruck erhielten, dass diese das Szenario einer Sanierung der CS mit grosser Besorgnis sahen, insbesondere aufgrund des Bail-in. In den Gesprächen signalisierten die ausländischen Behörden, dass sie im Falle einer Sanierung die Gefahr einer schwerwiegenden Finanzkrise sahen.
Aus Sicht der PUK waren die internationalen Kontakte, soweit sie das auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen beurteilen kann, zweckmässig und wirksam. Wichtig ist für die PUK, dass die internationalen Stakeholder proaktiv und eng informiert wurden. Die Schweizer Behörden legten so auch die Basis für eine grundsätzliche Zustimmung der ausländischen Regulierungsbehörden zum Zusammenschluss der UBS und der CS, was eine wichtige Bedingung der UBS für die «Übernahme» der CS war. Aus Sicht der PUK ist zudem hervorzuheben, dass auch die Sanierungsverfügung der FINMA mit den ausländischen Partnerbehörden abgestimmt war.
13.2.3 Information des Bundesrates durch EFD, FINMA und SNB
In der akuten Krise der CS im März 2023 erhöhte sich der Rhythmus der Bundesratssitzungen angesichts der sich überschlagenden Ereignisse stark.
Die PUK begrüsst den Einbezug des Gesamtbundesrates durch regelmässige ausserordentliche Sitzungen. Auch die Nutzung von Threema als weiteren Informationskanal wertet die PUK als positiven Beitrag zu einer zeitnahen, umfassenden und aktiven internen Krisenkommunikation. Dadurch konnten primär Terminabsprachen getroffen, phasenweise aber auch tagesaktuelle Informationen und Updates vermittelt werden, so beispielsweise bei der Zuspitzung der Lage am 15. März 2023 (siehe Kap. 7.2.1). Die aktive Nutzung der Threema-Chatgruppe durch die Bundeskanzlei erleichterte auch die Organisation der ausserordentlichen Sitzungen in diesen Tagen.
Die Teilnahme von Vertreterinnen und Vertretern der FINMA, des SIF, der SNB und der beiden Banken an verschiedenen Bundesratssitzungen erachtet die Kommission als gewinnbringende und zweckmässige Massnahme, um das Gremium über den Stand der Arbeiten und die Verhandlungen der Banken zu unterrichten. Kritisch betrachtet die Kommission den Umstand, dass die Vorsteherin des VBS an der Bundesratssitzung vom 16. März 2023 aufgrund ihrer Verpflichtungen in der laufenden Frühjahrssession nicht Kenntnis von den Sitzungsunterlagen nehmen konnte (siehe Kap. 7.2.2.7).
Generell stellt die Kommission fest, dass die regulären Prozesse bei Bundesratsgeschäften in der Akutkrise aufgrund des Zeitdrucks und der Komplexität der Thematik kaum eingehalten werden konnten. Während der Märztage reichte nur ein Departement am 16. März 2023 einen fragenden Mitbericht zum EFD-Antrag zur Verabschiedung der Notverordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen ein, während die anderen Departemente darauf verzichteten. Aufgrund der kurzen Frist erwartete das EDI keine schriftliche Antwort im Vorfeld der nächsten Bundesratssitzung. Die Kommission nimmt aber dennoch zur Kenntnis, dass das EDI im Mitbericht kritische Fragen zur Vorbereitung, zu den Umsetzungsrisiken und zu den Alternativen bei einem allfälligen Scheitern der Übernahme stellte (siehe Kap. 7.2.2.7).
Hinsichtlich der Qualität der dem Bundesrat durch die EFD-Vorsteherin vorgelegten Unterlagen stellt die Kommission fest, dass diese zwar die für die Umsetzung der Massnahmen notwendigen Dokumente (Bundesratsanträge, Notverordnung, Erläuterung) umfassten (siehe Kap. 7.2.4.5). Allerdings fehlten vertiefte Darstellungen zu den Szenarien und die von einer Arbeitsgruppe des AF vorgenommenen Schätzungen zu den volkswirtschaftlichen Kosten. Eine Informationsnotiz des EFD für die Bundesratssitzung vom 18. März 2023 kündigte zwar eine mündliche Erläuterung der Folgen und Kosten aller Varianten an und beinhaltete auch eine Übersicht über die Szenarien und die Behördenkommunikation. Jedoch erhielt der Bundesrat diese Informationen nach Ansicht der Kommission äusserst spät (siehe Kap. 7.2.4.5). Bei einem Scheitern der Fusion hätte er sich am Sonntag, 19. März 2023, für ein alternatives Szenario entscheiden müssen. Ob der Bundesrat sich anhand der verteilten Unterlagen, aber auch aufgrund des hohen zeitlichen Drucks ein abschliessendes ausgewogenes Bild über sämtliche Szenarien und deren Folgen machen konnte, bleibt aus Sicht der PUK zweifelhaft.
Die Orientierung des Bundesrates zu den Szenarien, insbesondere zur TPO, verlief nach Einschätzung der Kommission in den Tagen der Akutkrise zudem nicht optimal. So wurde dem Gesamtbundesrat am 16. März 2023 die TPO als Alternativlösung präsentiert. Bereits einen Tag später wurde er aber dahingehend informiert, dass die TPO aufgrund des Zeitaufwands und der rechtlichen Risiken unrealistisch sei. Daraufhin bestand der Bundesrat aber dennoch auf der Erarbeitung einer zweiten Lösung für den Fall, dass die Fusion scheitern sollte. Aus dem Protokoll geht nicht klar hervor, ob er sich auf die Sanierung oder die TPO bezog (siehe Kap. 7.2.3.2). Am 18. März 2023 informierte die EFD-Vorsteherin den Bundesrat dann darüber, dass die TPO weiterhin in Vorbereitung sei und man unter anderem Sergio Ermotti als möglichen CEO kontaktiert habe (siehe Kap. 7.2.4.5). Für die Kommission stellt sich daher die Frage, ob der Gesamtbundesrat in dieser Krisenphase eine ausreichende Informationsgrundlage besass, um den Erarbeitungsstand der verschiedenen Lösungsszenarien effektiv nachvollziehen zu können. Es ist insbesondere suboptimal, dass die EFD-Vorsteherin die anderen Mitglieder des Bundesrates nicht umgehend über die Resultate der Arbeiten zu den Szenarien im Februar und anfangs März 2023 informiert hat. Denn angesichts der Komplexität des Dossiers und der zu treffenden Entscheidungen wäre es sinnvoll gewesen, wenn der Gesamtbundesrat, wie andere staatliche Stellen auch, über diese Informationen verfügt hätte. So hätte er seine Entscheidung über einige Wochen abwägen können.
13.2.4 Fertigstellung der Szenarien und Massnahmen
Wie oben beschrieben (siehe Kap. 13.1.5), wurden von den Behörden ab Herbst 2022 verschiedene Szenarien vorbereitet. Als sich die Krise der CS Mitte März 2023 zuspitzte, arbeiteten die Behörden intensiv an der Fertigstellung möglicher Massnahmen, um eine Lösung umsetzen zu können. Die PUK hält fest, dass Zeitdruck in dieser Endphase ein entscheidender Faktor war: Wie von den Personen, die während dieser wenige Tage - vom 15. bis zum 19. März - dauernden Akutkrise involviert waren, mehrfach betont wurde, musste bis Sonntagabend, vor der Wiedereröffnung der Märkte, um jeden Preis eine Lösung gefunden werden (siehe Kap. 7.2.1, 7.2.2.6, 7.2.3.6, 7.2.3.8, 7.2.4.1, 7.2.4.5).
Am Sonntag, dem 19. März, standen den Behörden drei fertig ausgearbeitete Optionen zur Verfügung: eine Übernahme der CS durch die UBS (einschliesslich einer allfälligen erzwungenen Übernahme), eine Sanierung der CS und eine vorübergehende Verstaatlichung (TPO) der Gruppe. Die PUK erachtet dies als insgesamt positiv. Selbst während dieser sehr intensiven Tage im März war es den Behörden möglich, gleichzeitig an mehreren Szenarien zu arbeiten. Die Beurteilung der verschiedenen Szenarien durch die Kommission wird im Folgenden dargelegt.
Letzte Vorbereitungsarbeiten für die Übernahme der CS durch die UBS
Aus den von der PUK analysierten Dokumenten und durchgeführten Anhörungen geht klar hervor, dass eine Übernahme der CS durch die UBS das von den Behörden präferierte Szenario war (siehe Kap. 7.2.1 bis 7.2.5). Die Vorsteherin des EFD gab den beiden Banken ab dem 15. März zu verstehen, dass sie die für ein Zustandekommen dieser Lösung notwendigen Massnahmen ergreifen müssen (siehe Kap. 7.2.1). Die weiteren Szenarien wurden auf Antrag des Bundesrates und für den Fall vorbereitet, dass die Verhandlungen zwischen den Banken scheitern (siehe Kap. 7.2.3.2).
Die Behörden - namentlich das EFD und die SNB - spielten bei den Verhandlungen mit den Banken eine aktive Vermittlerrolle und ersetzten bis zu einem gewissen Grad den direkten Kontakt zwischen der CS und der UBS. So diskutierte zum Beispiel die UBS ihren Forderungskatalog mit den Behörden und nicht mit der CS (siehe Kap. 7.2.1, 7.2.2.1), und nach einer ersten erfolglosen Kontaktaufnahme zwischen den beiden Banken am 16. März (siehe Kap. 7.2.2.3) nahmen die Behörden eine Vermittlerrolle ein. Konkret organisierte das SIF am Freitag, 17. März, ein Treffen zwischen den Vertretungen der CS und der UBS, um die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen (siehe Kap. 7.2.3.3). Am Samstagabend, 18. März, erreichten die Behörden eine Einigung mit der UBS (siehe Kap. 7.2.4.6). Am Sonntag setzten sich die Behörden intensiv für eine Lösung mit der CS ein, zuerst mit einer ersten Erhöhung des Kaufpreises auf 2 Milliarden Franken, später beispielsweise mit der Anpassung der MAC-Klausel und einem nochmals höheren Verkaufspreis - bei paralleler Weiterverhandlung mit der UBS (siehe Kap. 7.2.5.5). Während der Lösungssuche achteten die Behörden auf einen gewissen Interessenausgleich zwischen der CS und der UBS sowie auf die finanziellen Auswirkungen auf den Bund. So wurde infolge der Erhöhung der Garantien an die UBS (von 5 auf 9 Mrd. Fr.) der von der UBS für die CS gebotene Kaufpreis (von 1 auf 3 Mrd. Fr.) erhöht (siehe Kasten 21 in Kap. 7.2.4.6). Auch die EFV setzte der UBS, deren Forderungen in Sachen Ausnahmen vom Fusionsgesetz nach Ansicht der Verwaltung zu weit gingen, klare Grenzen (siehe Kap. 7.2.4.6). Schliesslich wurde die Möglichkeit einer Zwangsfusion zwischen der CS und der UBS von den Behörden ebenfalls in Betracht gezogen. Dazu wäre ein Artikel 14 b in die Notverordnung eingefügt worden. Für die Behörden war dies aber nur eine Lösung für den äussersten Notfall (siehe Kap. 7.2.5.2).
Nach Meinung der PUK konnte dank der aktiven Vermittlerrolle der Behörden innert kurzer Zeit ein Verhandlungsergebnis erzielt werden, welches den wichtigsten Anliegen der betroffenen Akteure angemessen Rechnung trug (siehe auch Kap. 13.2.6). Gleichzeitig ist anzumerken, dass die Rolle der Behörden bei der gefundenen Lösung deutlich aktiver war, als angesichts der öffentlichen Verlautbarungen erwartet werden könnte: Die Vorsteherin des EFD sprach von einer kommerziellen Lösung und betonte, dass es sich nicht um eine staatliche Rettung der CS handle. 22¹9 Die PUK ist nichtsdestotrotz der Meinung, dass die Behörden eine zentrale Rolle bei der gefundenen Lösung spielten, insbesondere da ein klarer Zusammenhang zwischen den Staatsgarantien und dem von der UBS gebotenen Preis bestand.
Letzte Vorbereitungsarbeiten für eine Sanierung der CS
Das Szenario einer Sanierung der CS war von der FINMA bereits ab Herbst 2022 vorbereitet worden. Deshalb waren im März 2023 für die Fertigstellung dieses Szenarios nur noch wenige Arbeiten erforderlich. Dieses Szenario gehörte weiterhin zu den möglichen Optionen, obwohl es als riskant erachtet wurde (siehe Kap. 7.2.1). Am 15. März wurde die Bank von der FINMA aufgefordert, bis zum Ende des darauffolgenden Tages, Donnerstag, 16. März, einen genehmigungsfähigen Sanierungsplan zu erarbeiten (siehe Kap. 7.2.2.6). Diese Frist wurde dann bis zum Freitag, 17. März, verlängert (siehe Kap. 7.2.2.8). Am 17. März lagen ein Sanierungsverfügungsentwurf der FINMA sowie dessen englische Übersetzung vor (siehe Kap. 7.2.3.6). Dieses Dokument zeigt, dass alles für eine Sanierung der CS bereit war, weshalb die PUK die Vorbereitungsarbeiten für angemessen hält.
Gleichzeitig war die FINMA in die Suche nach einer oder einem CEO für die CS involviert. Daher nahm die Verwaltungsratspräsidentin der FINMA Kontakt mit Sergio Ermotti auf (siehe Kap. 7.2.4.1). Die PUK hält indes fest, dass der Zweck dieser Kontaktaufnahme nicht von allen Beteiligten gleich verstanden wurde: Für die FINMA erfolgte sie im Hinblick auf eine Sanierung der Bank, der SNB zufolge fand die Suche nach einer oder einem CEO hingegen im Hinblick auf eine TPO statt (siehe Kap. 7.2.4.1, 7.2.4.5). Da die Protokolle dieser wenigen Tage lückenhaft sind, konnte die PUK diese Frage nicht abschliessend klären. 222⁰ Gegenüber der PUK hat Sergio Ermotti ausgeführt, er habe sich schliesslich für alle Optionen zur Verfügung gestellt (siehe Kap. 7.2.4.1).
Letzte Vorbereitungsarbeiten für eine TPO der Credit Suisse Group AG
Das dritte Szenario, das die Behörden in diesen letzten Tagen vorbereiteten, war dasjenige einer vorübergehenden Verstaatlichung (TPO) der Credit Suisse Group AG. Das LG beschloss am Nachmittag des 17. März 2023, die Vorbereitungen für dieses Alternativszenario weiter voranzutreiben, obwohl der Bundesrat am Morgen eine gewisse Skepsis über diese Alternative geäussert hatte (siehe Kap. 7.2.3.2 und 7.2.3.6). Gleichzeitig hatte der Bundesrat auch gefordert, dass neben dem Zusammenschluss mit der UBS eine weitere Lösung ausgearbeitet wird (siehe Kap. 7.2.3.2). Im Verlauf des 19. März lagen schliesslich ausgearbeitete Entwürfe einer TPO-Notverordnung mit entsprechenden Erläuterungen und eines entsprechenden Bundesratsantrags vor (siehe Kap. 7.2.5.2). Die PUK hält fest, dass am 19. März 2023 der Bundesratsantrag und die Erläuterungen für eine Verordnung zur TPO der Credit Suisse Group AG bereit gewesen wären, und ist daher der Auffassung, dass die Vorbereitungsarbeiten für eine TPO während der Krise der CS im Grossen und Ganzen angemessen waren.
Verbesserungswürdig ist der späte Einbezug des BJ (zum Einbezug des BJ generell siehe Kap. 14.2.1), das erst am 18. März 2023 (mit Vorankündigung am Abend des 17. März) zu den Arbeiten am Szenario einer TPO hinzugezogen wurde (siehe Kap. 7.2.3.9 und 7.2.4.7). Dieser Einbezug erfolgte unter grösstem zeitlichem Druck für das BJ, das sich vorher noch nicht mit der Möglichkeit einer TPO der CS auseinandergesetzt hatte. Aus Sicht des BJ befand man sich mit den Überlegungen zur TPO in der Schweizer Rechtsordnung auf einer «grünen Wiese». 222¹ Wie in Kapitel 7.2.4.7 dargelegt, wäre ein bedeutend früherer Einbezug des BJ möglich gewesen. Entlastend ist zu sagen, dass die Behörden einen im Prinzip frühzeitigen Einbezug des BJ geplant hatten, ihnen aber der Ausbruch der akuten CS-Krise dazwischenkam: An seiner Sitzung vom 7. März 2023 hatte der AF beschlossen, einen Auftrag mit Fragen zur TPO an das BJ zu erarbeiten (siehe Kap. 6.4.3.2). Dieser Entscheid war angesichts der sich überschlagenden Ereignisse aber nur wenige Tage später überholt.
22¹9 Karin Keller-Sutter: «This is no bailout. This is a commercial solution.» (41:05), Aufzeichnung der Medienkonferenz des Bundesrates vom 19.3.2023, abrufbar unter https://www.efd.admin.ch > Finanzplatz > Übernahme der Credit Suisse durch die UBS > Dossier > Medienkonferenz vom 19.3.2023 (Stand: 30.7.2024).
222⁰ Siehe auch Empfehlung Nr. 15 in Kap. 13.2.1
222¹ Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 78
13.2.5 Anwendung von Notrecht
Die Notverordnung des Bundesrates vom 16. März 2023 und ihre Anpassung vom 19. März 2023
In diesem Kapitel bringt die PUK ihre Feststellungen zur Frage an, ob der Rückgriff auf Notrecht in der akuten Krise im März 2023 rechtmässig war. Am 16. März 2023 erliess der Bundesrat eine sogenannte Notverordnung (Verordnung gestützt auf Art. 184 Abs. 3 und Art. 185 Abs. 3 BV) zur Einführung eines PLB und von ELA+ (siehe Kap. 7.2.2.7). Am 19. März erliess er eine Änderung dieser Notverordnung, um eine Rechtsgrundlage für den Abschluss eines Garantievertrags mit der UBS zu schaffen (siehe Kap. 7.2.5.5). Entsprechend werden in diesem Kapitel folgende fünf Aspekte der Anwendung von Notrecht durch den Bundesrat im März 2023 behandelt:
i.
notrechtliche Einführung des PLB;
ii.
notrechtliche Einführung von ELA+;
iii.
Anordnung der FINMA an die CS zur Abschreibung der AT1-Anleihen;
iv.
Ausschluss des Zugangs zu Informationen gemäss Öffentlichkeitsgesetz;
v.
notrechtliche Schaffung einer Kompetenz zum Abschluss eines Garantievertrags.
Die Zweckmässigkeit der gewählten Lösung hat auch einen Einfluss auf die Beurteilung der Rechtmässigkeit der Anwendung von Notrecht. Denn eine der Voraussetzungen für die Anwendung von Notrecht ist, dass die fragliche Massnahme subsidiär ist, d. h., dass es nicht möglich ist, eine geeignetere Massnahme zu ergreifen (siehe Kasten 13 in Kap. 6.3.4.3). Aus diesen Gründen wird der Aspekt der Subsidiarität der gewählten Lösung in diesem Kapitel abschliessend kurz erwähnt.
1. Notrechtliche Einführung des PLB
Die notrechtliche Einführung des PLB am 16. März 2023 war aufgrund der Zuspitzung der CS-Krise im Herbst 2022 und aufgrund der seit damals laufenden Vorbereitungsarbeiten der Behörden gut vorbereitet (siehe Kap. 13.1.4).
Im Zeitpunkt des Erlasses der Notverordnung mussten die Behörden davon ausgehen, dass die CS ohne die staatliche Liquiditätssicherung mit PLB und ELA+ (siehe zu ELA+ den nächsten Abschnitt) noch vor dem Wochenende des 18. und 19. März zahlungsunfähig würde (siehe Kap. 7.2.2.5). Die Abwicklung der CS war damit ein realistisches Szenario. Eine Abwicklung hätte beträchtliche Risiken für die nationale und internationale Finanzstabilität, für die systemrelevanten Funktionen der Bank und somit für den Schweizer Finanzplatz und die Volkswirtschaft insgesamt mit sich gebracht (siehe Tabelle 15 in Kapitel 6.4.2).
Entsprechend war die notrechtliche Einführung des PLB am 16. März 2023 rechtmässig, d. h., die Voraussetzungen der relevanten Bestimmungen der Bundesverfassung waren erfüllt (siehe Kasten 13 in Kapitel 6.3.4.3), wobei am Ende dieses Kapitels separate Ausführungen zum Erfordernis der Subsidiarität folgen.
2. Notrechtliche Einführung von ELA+
Die zuständigen Behörden diskutierten die Möglichkeit der Ausweitung der ELA bereits im Herbst und Winter 2022 (siehe Kap. 6.3.3-6.3.5). Konkrete Vorschläge zu ELA+ wurden im AF zum ersten Mal Ende Januar 2023 formuliert (siehe Kap. 6.4.2), da die SNB zu jenem Zeitpunkt zum Schluss kam, dass die ELA nicht ausreichen würde, wenn das Vertrauen in die CS nicht wiederhergestellt werden könnte. Die Behörden vertieften in der Folge die Vorbereitungen für die notrechtliche Einführung von ELA+ im AF und im LG (siehe Kap. 6.4.3.2). An der Sitzung vom 7. März beschloss der AF, dem BJ gewisse Fragen zu ELA+ vorzulegen. Aufgrund des Ausbruchs der akuten Krise war dieser Beschluss allerdings wenige Tage später überholt. Das BJ wurde dann krisenmässig am Abend des 15. März mit einbezogen und prüfte insbesondere die Verfassungsmässigkeit des Konkursprivilegs, das die SNB im Gegenzug für die als ELA+ zur Verfügung gestellte Liquidität erhielt (siehe Kap. 7.2.1).
Die Vergabe von ELA, die sich auf das Nationalbankgesetz stützt, 222² ist an die Leistung ausreichender Sicherheiten durch die Bank geknüpft. Beim PLB erfolgt die Gewährung der Sicherheit primär durch den Bund mittels Bundesgarantie (statt durch die kreditnehmende Bank). Bei ELA+ besteht formell-rechtlich kein Sicherheitenrecht. Die ökonomische Absicherung erfolgt jedoch sowohl bei ELA+ wie auch beim PLB über das Konkursprivileg der SNB als Kreditgeberin. Im Grunde führten die Behörden ELA+ per Notrecht ein, damit die ausserordentliche Liquiditätsunterstützung der CS nicht nur über den PLB erfolgte, dessen Risiken der Bund und somit in letzter Instanz die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler tragen (siehe Kap. 7.2.2.5). Mit der Vergabe von ELA+ ging hingegen die SNB als Kreditgeberin zusätzlich ins Risiko, wobei dieses Risiko durch das Konkursprivileg wiederum gemildert wurde. Ohne ELA+ wäre ein PLB in einem noch grösseren Umfang nötig geworden (siehe Kap. 7.2.3.5).
Was die Rechtmässigkeit der notrechtlichen Einführung von ELA+ betrifft, sei deshalb auf die entsprechenden Ausführungen zum PLB verwiesen (siehe oben). Weiter gelangt die Kommission zum Schluss, dass die notrechtliche Einführung von ELA+ zweckmässig war: nicht nur, weil sie die Fortführung der Geschäftstätigkeit der CS sowie die Wahrung der Finanzstabilität ermöglichte (siehe dazu Kap. 13.2.6), sondern auch weil sie dazu beitrug, die Risiken für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu minimieren.
3. Anordnung der FINMA an die CS zur Abschreibung der AT1-Anleihen
Um die Geschäftsführung der Behörden im Zusammenhang der Notfusion der Credit Suisse mit der UBS angemessen beurteilen zu können, hat die Kommission - wie einleitend zum Teil III des vorliegenden Berichtes erwähnt - auch die Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen aus der Perspektive der parlamentarischen Oberaufsicht untersucht. Sie legt sich aber in ihrem Bericht in diesem Bereich eine gewisse Zurückhaltung auf, da die Verfügung der FINMA vom 19. März 2023 zur Anordnung der Abschreibung der AT1-Instrumente Gegenstand verschiedener hängiger Gerichtsverfahren ist. Dieses Vorgehen erfolgt aufgrund der Gewaltenteilung und entspricht der langjährigen Praxis der Organe der parlamentarischen Oberaufsicht. Aus diesen Gründen beschränkt sich die Kommission auf einige wenige Feststellungen zur notrechtlichen Gewährung einer Kompetenz zur Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen mittels Artikel 5 a der am 19. März 2023 geänderten Notverordnung.
Erstens ist in Erinnerung zu rufen (siehe Kap. 11.1.2), dass die AT1-Anleihen nicht nur im Rahmen der am 19. März 2023 gewählten Lösung, sondern auch in allen Alternativszenarien abgeschrieben worden wären.
Zweitens stellt die Kommission zu den Überlegungen der Behörden zur Abschreibung von AT1-Instrumenten im März 2023 im Grundsatz Folgendes fest: Zwar war der zeitliche Druck in der akuten Krise im März 2023 enorm, und das BJ wurde nur oberflächlich in die Anordnung zur Abschreibung von AT1-Anleihen einbezogen (siehe Kap. 7.2.4.7). Die Behörden hatten sich aber bereits vorher mit der Frage der Abschreibung der AT1-Anleihen beschäftigt. Das betrifft nicht nur die FINMA; die potenzielle Abschreibung der AT1-Anleihen wurde ab Oktober 2022 auch im AF und im LG besprochen (siehe Kap. 6.3.3.1).
Drittens lässt sich zur notrechtlichen Gewährung der Kompetenz zur Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen die Frage stellen, ob es überhaupt nötig war, der FINMA diese Kompetenz (zusätzlich) per Notrecht einzuräumen. Denn die von der CS ausgegebenen AT1-Anleihen sahen, wie von Gesetzes wegen verlangt (Art. 29 ERV), vertraglich vor, dass sie im Falle gewisser Ereignisse vollständig abgeschrieben werden (siehe Kasten 19 in Kap. 7.2.3.7) und dass diese Abschreibung auch vor der Abschreibung von Eigenkapitalinstrumenten erfolgen kann. Ein solches Trigger-Ereignis ist die Gewährung ausserordentlicher staatlicher Unterstützung im Zeitpunkt der durch die Behörden festgestellten drohenden Insolvenz (PONV) (siehe Kasten 20 in Kap. 7.2.4.4). Angesichts der hängigen Gerichtsverfahren kann es nicht Aufgabe der Kommission sein zu beurteilen, ob die vertraglichen Klauseln in den Emissionsprospekten der fraglichen AT1-Instrumente den eingetretenen Fall abdecken. Die Abschreibungsgefahr wurde zudem vom Markt erkannt, da die AT1-Anleihen schon vor Mitte März 2023 am Markt schlechter bewertet wurden.
Aus Sicht der Kommission ist insgesamt festzuhalten, dass die Anordnung zur Abschreibung der AT1-Anleihen entsprechend dem Zweck und der Funktionsweise solcher Instrumente (Abschreibung zur Verminderung der Passiven, was zugleich das verfügbare Kapital erhöht und die Fortführung der Geschäftstätigkeit trotz grösserer Verluste ermöglicht) Teil aller Lösungsszenarien im CS-Fall war, und zwar nicht erst im März 2023. Vielmehr war dies bereits in der TBTF-Regulierung sowie in der Abwicklungsplanung der FINMA der Fall, die diese spätestens seit Sommer 2022 vorangetrieben und auch mit den anderen Behörden besprochen hatte. In diesem Kontext weist die PUK auch darauf hin, dass das vom Staat beschlossene Massnahmenpaket zur Verhinderung der Zahlungsunfähigkeit der CS von grosser Tragweite war und auf Notrecht gestützt erlassen wurde. Insofern stellt die PUK fest, dass der Staat sich in erheblichem Umfang an der Lösungsfindung beteiligt hat.
4. Ausschluss des Zugangs zu Informationen gemäss Öffentlichkeitsgesetz
Mit der Notverordnung vom 16. März 2023 schloss der Bundesrat den Zugang gemäss BGÖ zu den Informationen und Daten rund um die Arbeiten der Behörden im CS-Dossier aus. Als Gründe führten die Behörden an:
i.
Geschäftsgeheimnisse der CS,
ii.
die Gewährleistung des freien Informationsflusses zwischen Banken und Behörden sowie
iii.
die Befürchtung der Behörden, dass durch die Bearbeitung eingehender Öffentlichkeitsgesuche in den entscheidenden Momenten wichtige Ressourcen gebunden werden.
Da sowohl die FINMA wie auch die SNB nicht dem BGÖ unterstehen, sei zudem unklar gewesen, ob Unterlagen der Banken, die von der FINMA und der SNB an den Bund weitergeleitet wurden, dem BGÖ unterlagen oder nicht (siehe Kap. 7.2.2.7).
Die Kommission zeigt Verständnis für das Bedürfnis der Behörden, die erwähnte Rechtsunsicherheit in der damaligen Situation proaktiv auszuräumen. Sie kann zudem die legitimen Bestrebungen der Behörden, in der kritischen Phase der Aufgleisung der Notfusion Mitte März 2023 einen uneingeschränkten Informationsfluss mit den Banken sicherzustellen und in dieser intensiven Zeit die Ressourcen zu bündeln, ebenso nachvollziehen wie das berechtigte Anliegen der Banken nach Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse. Gleichzeitig ist das Interesse der Öffentlichkeit, gerade die Anrufung von Notrecht durch die Behörden nachvollziehen zu können, gewichtig. Entsprechend wirft das gewählte Vorgehen für die Kommission Fragen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit auf.
Erstens ist das Argument der Ressourcenschonung nur bedingt nachvollziehbar, da die Notverordnung, selbst in der bereits am 16. März 2023 in Kraft getretenen Fassung, erst am 19. März um 20 Uhr, also nach der öffentlichen Ankündigung der Notfusion, veröffentlicht wurde. Allfällige Öffentlichkeitsgesuche wären also erst nach dem 19. März eingetroffen, und die Ressourcen wären nur schon deshalb in den Tagen vom 15. bis zum 19. März 2023 nicht durch die Beantwortung von Öffentlichkeitsgesuchen gebunden gewesen. Zudem haben die Behörden 20 Tage Zeit, um zu einem Öffentlichkeitsgesuch Stellung zu nehmen. Diese Frist ist unter Umständen um 20 Tage verlängerbar (Art. 12 Abs. 2 BGÖ). Vor allem aber ist die Ressourcenökonomie kein vom BGÖ vorgesehener Grund, eine Ausnahme vom Zugang zu amtlichen Dokumenten zu treffen. Solche Ausnahmen bzw. Einschränkungen des Zugangs kennt das BGÖ in den Artikeln 7-9. Diese hätten im Prinzip einen nuancierten Umgang mit Öffentlichkeitsgesuchen erlaubt, ohne dass der Zugang zu allen Dokumenten des CS-Dossiers per Notrecht gänzlich hätte untersagt werden müssen.
Zweitens war der Ausschluss des Zugangs zu Informationen bereits in den Entwürfen einer Notverordnung zur Einführung des PLB enthalten, die im Oktober 2022 von der Verwaltung erarbeitet bzw. im November 2022 vom Bundesratsausschuss Finanzfragen behandelt wurden. 22²3 Bereits im Herbst 2022 sprach sich das BJ gegen diese Massnahme aus. 22²4 Im Herbst 2022 war die Situation noch weniger angespannt als im März 2023, sodass Ressourcenüberlegungen damals noch keine grosse Rolle gespielt haben dürften - zumindest nicht eine so grosse, dass sie das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwogen hätte.
Somit stehen für die Kommission eher die Gründe des Schutzes des Informationsflusses zwischen den Banken und den Behörden und des Schutzes des Geschäftsgeheimnisses der Banken im Vordergrund. Aber auch unter diesen Vorzeichen bestehen aus Sicht der Kommission Zweifel an der Verhältnismässigkeit der Massnahme. So wäre beispielsweise zu antizipieren gewesen, dass der Fusionsvertrag zwischen UBS und CS im Genehmigungsprozess vor den US-amerikanischen Aufsichtsbehörden ohnehin veröffentlicht werden muss (was am 26. April 2023 geschah). 22²5
Ein derartiges Abweichen vom Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung, wie es der Bundesrat in Artikel 6 Absatz 3 der Notverordnung beschlossen hat, scheint der Kommission nicht angemessen. Da der Bundesrat bereits im Herbst 2022 die notrechtliche Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips erwogen hatte, hatte er zudem trotz des zeitlichen Drucks im März 2023 genügend Zeit, um eine ausgewogene und verhältnismässige Abwägung dieser Frage vorzunehmen.
Angesichts des berechtigten Interesses der Öffentlichkeit, notrechtliches Wirken der Verwaltung nachvollziehen zu können, ändert auch die begrenzte Geltungsdauer der Notverordnung von sechs Monaten ab Inkrafttreten (Art. 15 Abs. 2), die im Übrigen betreffend die hier relevante Bestimmung auch mit der Verlängerung vom 6. September 2023 respektiert wurde, nichts an der Auffassung der Kommission.
Die Kommission anerkennt, dass der Bundesrat in seiner Botschaft zum PLB vom 6. September 2023 22²6 auf eine zukünftige Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips verzichtete. Zudem würdigte der Bundesrat in seinem Bericht «Anwendung von Notrecht» vom 19. Juni 2024 in Erfüllung des Postulates der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 24. März 2023 (23.3438 «Anwendung von Notrecht») und des Postulates Schwander vom 6. Mai 2020 (20.3440 «Präzisierung des Schutzbereichs in Artikel 185 Absatz 1 der Bundesverfassung») 22²7 die Wichtigkeit der durch das BGÖ ermöglichten Kontrolle der Verwaltung durch die Bürgerinnen und Bürger gerade in Krisenzeiten. Dabei erklärte er, in Zukunft das Zugangsrecht zu amtlichen Dokumenten nach Artikel 6 BGÖ nur in Ausnahmefällen durch Notrecht auszuschliessen. 22²8 Die Kommission erachtet die Schaffung von Transparenz gerade in Krisenzeiten für besonders wichtig und spricht deshalb folgende Empfehlung aus:
| Empfehlung Nr. 17 Die Kommission fordert den Bundesrat auf, auch beim Erlass von Notrecht das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung zu beachten und das Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 2004 anzuwenden. Sie ersucht den Bundesrat zudem, in Rücksprache mit dem EDÖB, der FINMA und der SNB allfällige Rechtsunsicherheiten betreffend das Recht auf Zugang zu Informationen nach BGÖ bei Konstellationen wie der im März 2023 eingetretenen proaktiv auszuräumen. |
5. Notrechtliche Schaffung einer Kompetenz zum Abschluss eines Garantievertrags zugunsten der übernehmenden Bank
Nachdem der Bundesrat am 16. März 2023 mittels Notverordnung den PLB sowie ELA+ eingeführt hatte, arbeiteten die Behörden weiter an einer Lösung der CS-Krise. Die Möglichkeit einer Fusion mit der UBS hatte sich rasch als favorisierte Lösung herauskristallisiert. Da die UBS nur begrenzt Zeit hatte, um die Auswirkungen der Fusion abzuschätzen, verlangte sie in ihrem revidierten Forderungskatalog vom 16. März 2023 eine staatliche Verlustgarantie zu ihren Gunsten (siehe Kap. 7.2.2.1). Artikel 14 a Absatz 1 der am 19. März 2023 geänderten Notverordnung hielt schliesslich fest, dass der Bund die Kompetenz erhält, zugunsten der UBS eine Garantie zur Absicherung von Verlusten aus der Abwicklung von Aktiven der CS zu gewähren. Absatz 2 desselben Artikels legte die maximale Höhe auf 9 Milliarden Franken fest.
Trotz der seit dem 16. März 2023 gewährten Liquiditätshilfe mussten die Behörden am 19. März davon ausgehen, dass die CS ohne Lösung in Form einer Fusion, Abwicklung oder TPO wenige Stunden später, bei Eröffnung der asiatischen Börsen, mit verheerenden Folgen für die nationale und internationale Finanzstabilität Konkurs gehen würde. Deshalb kommt die Kommission zum Schluss, dass, wie schon bei PLB und ELA+, die Gefährdung eines relevanten Schutzgutes vorlag und die sachliche und zeitliche Dringlichkeit für die getroffene Massnahme gegeben war. Was die Subsidiarität angeht, sei auf die generellen Ausführungen am Ende dieses Kapitels und auf Kapitel 13.2.6 verwiesen. Die PUK gelangt somit zum Schluss, dass der notrechtliche Erlass der Kompetenz des Bundes zum Abschluss eines Garantievertrags zugunsten der übernehmenden Bank (der UBS) rechtmässig war.
Erfordernis der Subsidiarität der gewählten Lösung
Wie eingangs erwähnt, ist eine der Voraussetzungen für die Rechtmässigkeit der Anwendung von Notrecht, dass es nicht möglich war, eine geeignetere Massnahme zu ergreifen (Erfordernis der Subsidiarität). Während die Kommission, wie dargelegt, der Ansicht ist, dass dieses Erfordernis beim Ausschluss des Zugangs zu Informationen gemäss Öffentlichkeitsgesetz nicht erfüllt war, stellt sie bezüglich des eigentlichen Kerns der Notverordnungen vom März 2023 (PLB, ELA+ und Garantievertrag) Folgendes fest:
i.
Die Abklärung und Vorbereitung der gewählten Lösung und der Alternativszenarien war insgesamt angemessen (siehe Kap. 13.1.4, 13.1.5 und 13.2.4).
ii.
Es gab aus Sicht der Behörden zum Zeitpunkt, an dem sie ihre Entscheidung treffen mussten, keine mildere oder geeignetere Massnahme. Die gewählte Lösung war insgesamt zweckmässig und wirksam (siehe Kap. 13.2.6).
Entsprechend kommt die Kommission zum Schluss, dass das Erfordernis der Subsidiarität bei der Anwendung von Notrecht im März 2023 hinsichtlich der Hauptaspekte der gewählten Lösung erfüllt war.
222² Art. 5 Abs. 2 Bst. e i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Bst. e NBG
22²3 Art. 5 Abs. 3 des Entwurfs der Verordnung über die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante Banken, Stand 18.11.2022.
22²4 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 67
22²5 Amended and Restated Merger Agreement, Exhibit 2.1 zum Filing der UBS Group AG vor der United States Securities and Exchange Commission vom 26.4.2023
22²6 Botschaft des Bundesrates vom 6.9.2023 zur Änderung des Bankengesetzes ( BBl 2023 2165 , siehe Kap. 7.7)
22²7 Der Postulatsbericht des Bundesrates nimmt zudem Bezug auf die pa. Iv. Caroni «Begründungspflicht beim Erlass von Notrecht» vom 15.6.2023 (23.439).
22²8 Anwendung von Notrecht, Postulatsbericht des Bundesrates vom 19.6.2024 ( BBl 2024 1784 )
13.2.6 Beurteilung der gewählten Lösung
Am 19. März 2023 gaben die Behörden bekannt, dass sie die Übernahme der CS durch die UBS begrüssen und dass verschiedene Massnahmen ergriffen wurden, um die Transaktion zu unterstützen. 22²9 Bei der Beurteilung der Angemessenheit der gewählten Lösung versuchte die PUK, das Handeln der Behörden zum Zeitpunkt des Entscheids und auf der Grundlage der diesen damals zur Verfügung stehenden Informationen nachzuvollziehen, um nicht rückblickend einen zu strengen Massstab anzulegen. Die Situation im März 2023 war von grosser Unsicherheit in Bezug auf die potenziellen Folgen eines Eingreifens der Behörden geprägt. Die PUK hält die gewählte Lösung im Grossen und Ganzen für angemessen. Sie stützt sich bei dieser Beurteilung auf Folgendes und unterscheidet zwischen kurz- und mittel- bzw. langfristigen Auswirkungen.
Kurzfristige Auswirkungen
i.
Die Übernahme der CS durch die UBS erreichte ihr vordringliches Ziel: Sie beruhigte die Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer und verhinderte eine mögliche internationale Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Aktienkurse der beiden Banken stabilisierten sich ab dem 20. März 2023 und erholten sich nach und nach (siehe Kap. 8.1). Die nationalen und internationalen Märkte öffneten am Montagmorgen ohne Panik.
ii.
Die CS wurde von einer Bank übernommen, der man zutrauen konnte, dass sie eine tragfähige Lösung bieten kann, womit auch das Vertrauensproblem, das die Ursache für die Liquiditätsabflüsse war, gelöst werden konnte. Einer der Hauptvorteile der UBS war ihre umfassende Managementkapazität. Es war über weite Teile eine privatwirtschaftliche Lösung, und der Staat musste sich nicht dauerhaft engagieren, was gegen die TBTF-Regeln verstossen hätte.
iii.
Am 11. August 2023 kündigte die UBS Group AG auf eigenen Wunsch den Garantievertrag mit dem Bund, wodurch die damit verbundenen finanziellen Risiken wegfielen. Die Kommission begrüsst diesen Ausgang. Am Abend des 19. März konnte allerdings nicht garantiert werden, dass die Märkte positiv reagieren würden und nicht die Steuerzahlenden die Kosten der Transaktion würden tragen müssen.
iv.
Gemäss den Plausibilitätsüberprüfungen, die im Auftrag der PUK von den externen Beauftragten durchgeführt wurden, 223⁰ waren die Analysen der volkswirtschaftlichen Kosten der Szenarien für den Krisenausstieg, die von den Behörden erstellt worden waren, im Grossen und Ganzen plausibel und robust (siehe Kap. 13.1.5). Die PUK hält fest, dass in einer Akutkrise wie derjenigen Mitte März 2023 die Übernahme der CS durch eine Schweizer Bank das Szenario mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis darstellte (siehe Kap. 6.4.3.2 und 7.1.2). Es ist daher nachvollziehbar, dass die erste Wahl der Behörden auf diese Lösung fiel. Die Kosten der durch den Bund gewährten Garantien wurden bei der Berechnung der volkswirtschaftlichen Kosten einer Übernahme der CS durch die UBS allerdings nicht berücksichtigt, da die UBS diese Garantien erst später verlangte.
Mittel- bzw. langfristige Auswirkungen
i.
Kartellrechtliche Fragen: Die Übernahme der CS durch die UBS wirft unter anderem kartellrechtliche Fragen auf. So teilte die WEKO in ihrer Stellungnahme vom 25. September 2023 mit, dass sie an sechs Märkten Anzeichen dafür gefunden hat, dass die UBS nach der Fusion mit der CS eine marktbeherrschende Stellung erreicht bzw. ihre marktbeherrschende Stellung ausgebaut hat. Die FINMA beschloss indes, ihr kartellrechtliches Kontrollverfahren abzuschliessen, um die Märkte nicht zu destabilisieren (siehe Kap. 8.2.1).
ii.
Vergleich mit den Auswirkungen der Alternative TPO: Die gewählte Lösung ist auch mit Blick auf die mittel- bzw. langfristigen Auswirkungen der Alternativlösungen zu betrachten. Der Entscheid für die Notfusion wurde bekanntlich damit begründet, dass eine TPO oder eine Sanierung mit grossen Risiken verbunden gewesen wären. Bei einer TPO stellt sich zudem die Frage, ob die Märkte dem Bund das nötige Vertrauen - das sie der Geschäftsleitung der CS gegenüber nicht mehr hatten - entgegengebracht hätten. Für die Behörden wäre es schwierig gewesen, innerhalb weniger Stunden Personen zu finden, die bereit gewesen wären, die führenden Positionen in der Bank zu übernehmen (siehe Kap. 7.2.4.1). Angesichts des fehlenden Vertrauens in die Geschäftsleitung der CS hätten sich die Behörden nicht damit begnügen können, nur den Verwaltungsratspräsidenten auszutauschen. Die Kommission ist diesbezüglich der Meinung, dass bei der CS ein Problem der Unternehmenskultur bestand, wie die zahlreichen Skandale zeigen (siehe Kap. 5.1.2).
Zudem wäre bei einer TPO der Schweizer Staat als Eigner in zahlreichen Fällen der Beklagte gewesen, was für den Bundesrat politisch sehr heikel gewesen wäre. Wahrscheinlich hätte die politische Akzeptanz für diese Lösung im Parlament und in der Öffentlichkeit gefehlt. Zu guter Letzt hält die Kommission fest, dass das Szenario einer TPO der gesamten CS-Gruppe nicht zu den makroökonomisch analysierten Optionen gehörte, da diese Alternative erst im März 2023 wieder aufs Tapet kam (siehe Kap. 7.2.1). Die PUK ist daher der Auffassung, dass die finanziellen und rechtlichen Risiken einer TPO schwer abschätzbar waren und die Lösung zudem gegen die TBTF-Gesetzgebung verstossen hätte. Die TPO hätte aber den Vorteil gehabt, dass es heute immer noch zwei Schweizer G-SIBs geben könnte. Derzeit gilt nur noch die UBS als international tätige systemrelevante Bank. Die Folgen eines Konkurses dieser Bank wären für den Schweizer und den internationalen Finanzplatz verheerend - dies umso mehr, als keine Schweizer Bank in der Lage wäre, die UBS zu übernehmen, wie dies die UBS bei der CS getan hat.
iii.
Vergleich mit den Auswirkungen der Alternative Sanierung: Was das Szenario der Sanierung betrifft, so waren der Sanierungsplan sowie die entsprechende Verfügung der FINMA am 19. März unterschriftsreif und mit den ausländischen Behörden abgestimmt (siehe Kap. 7.2.4.4). Das FSB hielt eine Sanierung für glaubwürdig. 223¹ Verschiedene Vertreterinnen und Vertreter von schweizerischen und ausländischen Behörden äusserten hingegen Zweifel an dieser Lösung (siehe Kap. 13.1.5). Es stellt sich zudem die Frage, ob eine Sanierung ausgereicht hätte, um das Vertrauen der Märkte in die Bank wiederherzustellen: Es wäre das erste Mal gewesen, dass eine G-SIB saniert worden wäre, weshalb die finanziellen und rechtlichen Folgen für die Schweiz, aber auch auf internationaler Ebene ungewiss waren. Zudem bestand weiterhin die Gefahr, dass das Worst-Case-Szenario eintritt: Wäre eine Sanierung gescheitert, wäre es zu einem Konkurs der Bank gekommen - ein Szenario, das alle involvierten Parteien vermeiden wollten.
Angesichts dieser verschiedenen Aspekte ist die Kommission der Auffassung, dass die Fusion der CS mit einer anderen Bank gegenüber allen geprüften Alternativen vorzuziehen war und der Entscheid der Behörden aufgrund des damaligen Wissensstands und unter dem gegebenen Zeitdruck nachvollziehbar ist. Auch anerkennt die Kommission, dass die Behörden dank verschiedener Vorbereitungsarbeiten vergleichsweise rasch Massnahmen zur Bewältigung der Akutkrise treffen und eines der in den Vormonaten entwickelten Szenarien umsetzen konnten. Die Behörden setzten ab dem 15. März alles daran, die CS bis zum Wochenende und für die mögliche Übernahme zahlungsfähig zu halten und im Hinblick auf die Eröffnung der Börsen über eine tragfähige Lösung zu verfügen. Trotz des enormen Zeitdrucks entwickelten sie bis am Schluss verschiedene Handlungsoptionen weiter, im Wissen darum, dass ein Kauf durch die UBS spätestens vom 15. März 2023 an die präferierte Variante war. Angesichts der Akutsituation und des damit verbundenen Zeitdrucks ist für die Kommission nachvollziehbar, dass nicht mehr die Zeit blieb, eine Alternative mit einer ausländischen Bank umzusetzen und damit eine Lösung zu finden, die aus einer längerfristigen Wettbewerbs- und TBTF-Perspektive vorteilhafter gewesen wäre. Die PUK ist aber der Meinung, dass die gewählte Lösung einzelne Schwachstellen der bestehenden TBTF-Regulierung deutlich offengelegt hat. Es ist aus Sicht der PUK nicht ausgeschlossen, dass die Tatsache, dass der Staat zweimal eine Abwicklung einer systemrelevanten Bank verhindert hat, nachteilige Anreize für die Zukunft setzt. Dies könnte dazu führen, dass einige Akteure überzogene Risiken eingehen und sich darauf verlassen, dass der Staat sie im Falle von Problemen retten wird. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, verweist die Kommission auf ihre Empfehlung Nr. 1 zur zukünftigen Ausgestaltung der TBTF-Regulierung (siehe Kap. 9.1.2).
22²9 «Sicherung der Finanzmarktstabilität: Der Bundesrat begrüsst und unterstützt die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS», Medienmitteilung des Bundesrates vom 19.3.2023.
223⁰ Expertenbericht KOF (2024); Expertenbericht BSS (2024).
223¹ FSB (2023): 2023 Bank Failures, Preliminary lessons learnt for resolution, S. 11.
13.2.7 Öffentliche Kommunikation
In diesem Kapitel bewertet die PUK die öffentliche Kommunikation der Behörden in der Phase zwischen dem 15. und dem 19. März 2023.
Medienmitteilung der SNB und der FINMA vom 15. März 2023
Die SNB und die FINMA veröffentlichten am 15. März eine Medienmitteilung (siehe Kap. 7.2.1 und 7.2.6). Sie informierten, dass die Probleme gewisser Banken in den USA keine Risiken für den Schweizer Finanzmarkt darstellen würden. Die FINMA bestätigte, dass die CS die regulatorischen Anforderungen punkto Kapital und Liquidität erfülle. Die SNB wies darauf hin, dass sie der global tätigen Bank im Bedarfsfall Liquidität zur Verfügung stellen werde. 223²
Die PUK stellt fest, dass der Entscheid zu dieser Kommunikation zwischen den involvierten Akteuren im LG getroffen wurde, die SNB und die FINMA die Medienmitteilung ausgearbeitet haben und der Bundesrat sie vor ihrer Publikation zur Kenntnis erhalten hatte. Die damit erzielte Beruhigung der Lage konnte im Aktienkurs der CS tatsächlich festgestellt werden. Die Wirkung war jedoch von kurzer Dauer. 2²33
Für die Kommission stellte sich die Frage, ob der Inhalt dieser Kommunikation der damaligen Sachlage entsprach. Es wurde von Aktionärinnen und Aktionären teilweise der Vorwurf geäussert, dass sie durch diese Information getäuscht worden seien. Sowohl die FINMA wie auch die SNB bestätigten der PUK, dass ihre jeweiligen Angaben zur Lage der CS in dieser Mitteilung faktisch korrekt waren. Zu diesem Zeitpunkt erfüllte die CS gemäss FINMA die Liquiditäts- und Kapitalanforderungen tatsächlich.
Die Kommission ist sich der mit der damaligen Lage verbundenen Herausforderungen bewusst und stellt fest, dass die Behörden sich aufgrund einer sorgfältigen Abwägung zu dieser Kommunikation, die im Nachhinein kritisiert wurde, entschieden haben.
Kommunikationsarbeit im Hinblick auf die Pressekonferenz
Wie in Kapitel 6.4.4. und 13.1.7 ausgeführt, erarbeiteten die Kommunikationsverantwortlichen der BK, des EFD, der SNB und der FINMA bereits im November 2022 die Grundlagen für eine koordinierte Kommunikation. Diese Arbeiten liefen im Hintergrund weiter, und im März, als ein Entscheid hinsichtlich CS unausweichlich war, konnte darauf aufgebaut werden. Die Inhalte zu den Finanzinstrumenten waren im Grundsatz erarbeitet, Kontakte konnten rasch aufgenommen werden, und es stand fest, wer zu welchem Zeitpunkt worüber informiert werden musste.
Zwischen dem 15. und dem 19. März fanden mehrere Koordinationssitzungen statt, Unterlagen wurden vorbereitet, angepasst und mehrmals dem Bundesrat unterbreitet. Es stand relativ früh fest, dass am Sonntag, 19. März, kommuniziert werden muss. Die grosse Herausforderung war, dass der genaue Inhalt dieser Kommunikation noch nicht klar war, da die Verhandlungen noch in vollem Gange waren. So musste auch der Bundesrat in dieser Phase über das Kommunikationskonzept und den Inhalt entscheiden, obwohl noch verschiedene Elemente offen waren. 2²34
Als die Verhandlungen abgeschlossen waren, war alles vorbereitet, und es konnte innert kürzester Zeit planmässig kommuniziert werden. Die Medien wurden rechtzeitig informiert, und die Pressekonferenz mit Vertretungen des Bundesrates, der Verwaltung, der SNB, der FINMA und der Banken verlief reibungslos.
Nach Einschätzung der PUK wurden die Kommunikationsarbeiten mit verschiedenen - auch externen - Akteurinnen und Akteuren umsichtig geplant und vorbildlich vorbereitet, koordiniert und organisiert. Die Lösung wurde aus Sicht der PUK glaubhaft kommuniziert, und die Kommunikation erzielte die erhoffte Wirkung. Die Kommunikation wurde in den nationalen und internationalen Medien breit aufgenommen und führte auch zu einer Beruhigung der Situation auf dem Finanzmarkt (siehe Kap. 8.1 ff.).
Die PUK stellt der Kommunikationsarbeit unter der Leitung der BK und des EFD, die und in Zusammenarbeit mit den involvierten Stellen der SNB, der FINMA und der Banken ein sehr gutes Zeugnis aus.
223² «FINMA und SNB nehmen Stellung zu Unsicherheiten am Markt», Medienmitteilung der SNB und der FINMA vom 15.3.2023
2²33 Schriftliche Antworten an die PUK vom 22.1.2024 und Protokoll des LG vom 16.3.2023
2²34 Sitzungsprotokoll der PUK vom 17.1.2024, S. 34
14 Übergeordnete Erkenntnisse
Im vorliegenden Kapitel stellt die PUK ihre übergeordneten Erkenntnisse aus der Untersuchung dar. Erstens geht es um die Kompetenzverteilung auf Bundesebene. Dabei stehen die Kompetenzverteilung bei der Wahrung der Finanzstabilität, im Bereich der Aufsicht über die Revisionsgesellschaften und die allgemeine Kompetenzverteilung zwischen den Behörden und Departementen im Vordergrund. Zweitens thematisiert die PUK den Einbezug weiterer betroffener Verwaltungseinheiten und Akteure (BJ, SECO und WEKO). Drittens widmet sich die Kommission dem Aktienrecht und der Stellung des Aktionariats. Der vierte und letzte Teil befasst sich mit den Feststellungen der PUK zur Anwendung des Parlamentsgesetzes und dem dabei erkannten gesetzgeberischen Handlungsbedarf.
14.1 Kompetenzverteilung auf Bundesebene
14.1.1 Kompetenzverteilung bei der Finanzstabilität
Das in der Schweiz geltende Recht sieht vor, dass die FINMA Banken in der Schweiz beaufsichtigt - auch systemrelevante Banken (siehe Kap. 2.1 und 3.2). Systemrelevanten Banken kommt aber auf makroökonomischer Ebene eine besondere Bedeutung zu, weil deren ungeordneter Ausfall hohe Risiken für die Schweizer Finanzstabilität birgt (siehe Kap. 4.2). Die SNB nimmt die sogenannten makroprudenziellen Aufgaben wahr. Sie hat - im Vergleich zur FINMA - punktuell Kontakt mit systemrelevanten Banken.
In anderen Ländern übt eine einzige Behörde die Aufsicht über systemrelevante Banken aus. In solchen Ländern ist der Koordinationsbedarf weniger hoch als in der Schweiz. Auch wenn die PUK die Vorteile von solchen Modellen sieht, ist sie grundsätzlich der Meinung, dass sich die in der Schweiz geltende Kompetenzverteilung bewährt hat. Nach Ansicht der PUK haben die FINMA, die SNB und das EFD ihre jeweiligen Kompetenzen wahrgenommen und grundsätzlich diejenigen Informationen kommuniziert, die die anderen Behörden benötigten.
Dennoch sind Verbesserungen in den nachfolgenden Bereichen nach Ansicht der PUK möglich und für die Stärkung der Finanzstabilität nötig:
i.
Es liegt in der Kompetenz der SNB, die für den ELA-Bezug notwendigen Sicherheiten zu definieren und zu bewerten. Währenddessen ist die FINMA für die Prüfung und Genehmigung des Stabilisierungsplans einer systemrelevanten Bank zuständig. Darin beschreibt die Bank, mit welchen Massnahmen sie sich im Fall einer Krise nachhaltig so stabilisieren will, dass sie ihre Geschäftstätigkeit ohne staatliche Eingriffe fortführen kann (Art. 64 Abs. 1 BankV; siehe Kap. 5.3.1.4). Wie in Kapitel 11.3.2 beschrieben, sollten aus Sicht der PUK die SNB oder die FINMA die Bank künftig verpflichten können, ausreichende Sicherheiten vorzubereiten. Darüber hinaus sollten die Definition und die Bewertung der für die ELA notwendigen Sicherheiten mit in die Prüfung des Stabilisierungsplans der Bank einfliessen.
ii.
Die Einheit einer Bankengruppe, welche die systemrelevanten Funktionen ausübt, muss selbst über genügend Eigenmittel und Liquidität verfügen, um die Fortführung der systemrelevanten Funktionen im Krisenfall gewährleisten zu können. Dies bedingt, dass diese Einheit auch im Krisenfall anderen Gruppengesellschaften nicht beliebig viel Mittel zur Verfügung stellen kann (siehe Kasten 16 zum Upstreaming in Kap. 7.2.2.2). Diese Transferbeschränkungen sind im Notfallplan der Bank vorzusehen. Die FINMA genehmigt nach geltendem Recht den Notfallplan und somit auch die Transferbeschränkungen. Gleichzeitig kann die SNB nur derjenigen Gruppeneinheit Liquidität vergeben, die genügend Sicherheiten bieten kann. Im Fall der CS standen aber die Upstreaming-Beschränkungen im Konflikt mit der Liquiditätszuteilung innerhalb der Gruppe.
Obschon dieser Zielkonflikt, der sich in der CS-Krise klar gezeigt hat, nicht vollständig gelöst werden kann, sollte er doch mittels Massnahmen zur Erhöhung der Transferierbarkeit von Liquidität innerhalb einer Bankengruppe entschärft werden. Die PUK begrüsst deshalb den Plan des Bundesrates, entsprechende Massnahmen zu prüfen. 2²35
iii.
Die Untersuchung der PUK hat ergeben, dass die Zusammenarbeit zwischen der SNB, der FINMA und dem EFD bei der Wahrung der Finanzstabilität vor und während der Akutkrise teilweise für Spannungen gesorgt hat: Die Bundesgarantie für die SNB im Rahmen des PLB diente als Absicherung der SNB, exponierte jedoch den Bund. Schliesslich fällt der PUK auch auf, dass die FINMA der CS den regulatorischen Filter entgegen der damaligen Meinung der SNB gewährt hat (siehe Kap. 11.1.1.3). Die SNB hat diese Meinung jedoch weder später systematisch weiterverfolgt noch eskaliert. Die PUK nimmt auch zur Kenntnis, dass die SNB im März 2023 die Einschätzung der FINMA, die CS sei eine werthaltige, solvente Bank - was für das Gewähren von Liquidität notwendig war -, nicht hinterfragt hat. Schliesslich bestand Uneinigkeit zwischen den drei Behörden im AF hinsichtlich der Kompetenzverteilung bei der Folgenabschätzung und hinsichtlich der Übernahme der Kosten für das Gutachten zum PLB (siehe Kap. 6.3.5.1).
Nach Ansicht der PUK dient es der Finanzstabilität, wenn Spannungen sowie Ziel- und Kompetenzkonflikte im Krisenfall reduziert und frühzeitig Abstimmungen vorgenommen werden. Zu diesem Zweck sollte eine Stelle bezeichnet werden, die im Krisenfall die Federführung übernehmen und übergeordnete Entscheide koordinieren kann. Dabei sollte ein direkter Zugang zum Bundesrat gewährleistet werden.
In diesem Zusammenhang stellt die PUK zudem fest, dass die Zusammenarbeit zwischen dem EFD, der SNB und der FINMA lediglich in einem MoU festgehalten ist. Dieses stellt nach Ansicht der PUK eine zu wenig verbindliche und zum Teil auch zu wenig detaillierte Rechtsgrundlage dar, um die Zusammenarbeit und die Kompetenzverteilung effektiv zu regeln. So regelt das MoU beispielsweise nicht genügend klar, wann der Gesamtbundesrat über ausserordentliche Massnahmen der Behörden zu informieren ist.
Die PUK begrüsst den Vorschlag des Bundesrates zu prüfen, mit welchen Massnahmen die Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und die Zusammenarbeit unter den Behörden in einer Krise optimiert werden können.
Die PUK regt den Bundesrat an zu prüfen, die Kompetenzverteilung und Zusammenarbeit der drei Behörden neu auf Gesetzesstufe anstelle eines MoU zu regeln.
2²35 Bericht des Bundesrates vom 10.4.2024 zur Bankenstabilität ( BBl 2024 1023 , S. 166)
14.1.2 Kompetenzverteilung im Bereich der Aufsicht über die Revisionsgesellschaften (FINMA/RAB)
Die PUK hat die Kompetenzverteilung zwischen der RAB und der FINMA im Bereich der Aufsicht über die Revisionsgesellschaften eingehend analysiert (Kap. 5.4). Aus dieser Analyse lassen sich mehrere Erkenntnisse gewinnen.
Die Rechtsgrundlagen, welche die Zusammenarbeit dieser beiden Behörden regeln, sind klar. Gemäss Artikel 22 RAG und Artikel 28 FINMAG müssen die RAB und die FINMA nicht nur miteinander kommunizieren, sondern ihre gesamte Informations- und Aufsichtstätigkeit eng koordinieren, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden und eine erhöhte Wirksamkeit der Aufsicht sicherzustellen. 2²36
Seit 2015 hat sich die Aufgabenverteilung verändert. Die Aufsichtskompetenzen über Prüfgesellschaften, welche Prüfungen nach den Finanzmarktgesetzen durchführen, wurden stärker bei der RAB konzentriert. Seit dieser Reorganisation ist die RAB alleinverantwortlich für die Zulassung und die Beaufsichtigung der Revisionsgesellschaften in den Bereichen Rechnungsprüfung und Aufsichtsprüfung. Ausserdem legt die RAB Standards für die Prüfung und Qualitätssicherung in der Rechnungsprüfung fest. Die FINMA wiederum ist alleinverantwortlich für die Inhalte und Grundsätze der Aufsichtsprüfung, wodurch sie weiterhin eine Schlüsselrolle bei der Aufsicht über die Risiken des Finanzsektors innehat. 2²37
Diese Kompetenzverteilung ermöglicht eine stärkere Spezialisierung der Aufgaben der beiden Behörden und erhöht somit die Effizienz. Die Spezialisierung bedingt jedoch eine fortwährende und strukturierte Zusammenarbeit zwischen der RAB und der FINMA. Diese ist umso wichtiger, als sich die FINMA auf die Arbeiten der von der RAB beaufsichtigten Revisionsgesellschaften verlassen können muss und sichergestellt sein muss, dass die RAB ihren Aufsichtsaufgaben vollständig nachkommt. 2²38
Die PUK hat jedoch festgestellt, dass diese Zusammenarbeit nicht optimal funktioniert und auch nicht ausreichend formalisiert ist (Kap. 5.4). Die Kontakte zwischen der RAB und der FINMA - insbesondere auf operativer Ebene - werden durch die RAB nicht systematisch protokolliert. Aufgrund der fehlenden systematischen Protokollierung stellt sich die Frage, inwiefern die Tätigkeiten der beiden Behörden rückverfolgt werden können. 2²39
Die PUK konnte zudem keine strategischen Kontakte zwischen der RAB und der FINMA zur Notfusion der CS mit der UBS feststellen. Diese mangelnde Koordination in einer derart kritischen Situation zeugt von einer Lücke im Krisenmanagement. Die aktuelle Kompetenzaufteilung bringt Vor- und Nachteile mit sich. Mit Blick auf die bisherigen Erfahrungen und die spezifischen Herausforderungen der Revisionsaufsicht über systemrelevante Banken stellt sich für die PUK die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, die Aufsicht über die genannten Institute bei einem einzigen Organ, sprich bei der FINMA, anzusiedeln. Die PUK ersucht den Bundesrat, eine spezifische Regelung für die systemrelevanten Banken zu prüfen.
| Empfehlung Nr. 18 Die PUK empfiehlt dem Bundesrat zu prüfen, ob die Revisionsaufsicht über die SIBs nicht allein bei der FINMA angesiedelt werden kann. |
2²36 Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), Kap. VII, S. 48 ff.
2²37 Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), Kap. VII, S. 48 ff.
2²38 Expertenbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), Kap. VII, S. 48 ff.
2²39 Untersuchungsbericht Geissbühler/Jovanovic (2024), S. 40
14.1.3 Allgemeine Kompetenzverteilung zwischen den Behörden und Departementen
Dieses Kapitel analysiert die Auswirkungen des Behördenhandelns in der CS-Krise auf die allgemeine Kompetenzverteilung zwischen den Behörden und den Departementen. In einem ersten Schritt befasst sich die PUK mit dem Departementalprinzip. Ein zweiter Teil ist der Nachvollziehbarkeit von Entscheiden des Bundesrates gewidmet, wobei die Protokollierung der Bundesratssitzungen im Vordergrund steht.
Das Departementalprinzip
Insbesondere der Themenbereich des Risikomanagements zeigt, dass eine strikte Einhaltung des Departementalprinzips gerade in Krisenzeiten problematisch ist.
Das Departementalprinzip ist in Artikel 177 der Bundesverfassung verankert. Dieser besagt, dass die Geschäfte des Bundesrates für die Vorbereitung und den Vollzug nach Departementen auf die einzelnen Mitglieder verteilt (Abs. 2) und dass den Departementen und den ihnen unterstellten Verwaltungseinheiten Geschäfte zur selbstständigen Erledigung übertragen werden (Abs. 3). Das Departementalprinzip wird in Artikel 35 RVOG weiter spezifiziert: Jedes Mitglied des Bundesrates führt ein Departement (Abs. 2).
Eng mit dem Departementalprinzip ist das Kollegialprinzip verknüpft, welches ebenfalls in der gleichen Verfassungsbestimmung verankert ist. Das Kollegialprinzip wird in Artikel 12 RVOG genauer umschrieben: Einerseits trifft der Bundesrat seine Entscheide als Kollegium, andererseits vertreten die Mitglieder des Bundesrates die Entscheide des Kollegiums.
Damit der Bundesrat als Kollegium einen Entscheid treffen kann, ist er darauf angewiesen, dass er angemessen informiert wird. Der damalige Vorsteher des EFD hat den Bundesrat in ungenügendem Masse über die Situation der CS informiert, obwohl sich das Risiko der Insolvenz eines systemrelevanten Finanzinstituts zu realisieren begann. Aus Sicht der PUK darf das Departementalprinzip nicht dazu führen, dass der Bundesrat de facto handlungsunfähig in eine Krise hineinsteuert, weil ihm von einem Departement wichtige Informationen vorenthalten werden (siehe hierzu auch Kap. 13.1.3).
Die PUK verzichtet vor dem Hintergrund der noch nicht erfüllten Postulate 22.3508 und 22.3509 224⁰ auf die Formulierung einer Empfehlung bzw. die Einreichung eines Vorstosses. Die Erkenntnisse der PUK zeigen einmal mehr, dass insbesondere das Departementalprinzip bei der Krisenbewältigung hemmend wirkt. Dieser Aspekt ist Gegenstand der eingereichten Postulate.
Nachvollziehbarkeit von Entscheiden des Bundesrates
Gemäss Artikel 13 Absatz 3 RVOG werden der wesentliche Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse des Bundesrates durchgehend schriftlich festgehalten. Die Protokolle sollen die Nachvollziehbarkeit gewährleisten und dem Bundesrat als Führungsinstrument dienen.
Die PUK hält fest, dass die Protokolle der Bundesratssitzungen sehr summarisch abgefasst sind und meist keine Rückschlüsse auf die Diskussion und die Entscheidfindung im Bundesrat zulassen. Diese Feststellung haben die GPK bereits mehrere Male in diversen Berichten gemacht, zuletzt im Bericht zu den Indiskretionen im Zusammenhang mit Covid-19-Geschäften des Bundesrates (Empfehlung 4). 224¹ Die GPK hielten hierzu fest, dass «die heutige Form der Protokollierung […] den gesetzlichen Anforderungen von Artikel 13 Absatz 3 RVOG nicht» genügt und «eine effektive Geschäftsführung erschwert». Sie bezeichneten die Protokollierung der Bundesratssitzungen als nicht zweckmässig. Die PUK schliesst sich dieser Beurteilung in aller Deutlichkeit an.
In seiner Stellungnahme zum Bericht der GPK gelangt der Bundesrat zum Schluss, dass die Bundesratsprotokolle «bereits heute seine Diskussion und die Beschlussfassung in nachvollziehbarer Weise» wiedergeben. 224² Die Redaktion von Wortprotokollen lehnt der Bundesrat ab, weil «die Mitglieder des Bundesrates ohne Druck von aussen, in möglichst grosser Freiheit, ihre Gedanken äussern und ihre Überlegungen austauschen und […] auch wechseln können» müssen. Der Bundesrat befürchtet, dass eine zu ausführliche Protokollierung negative Auswirkungen auf die Qualität seiner Beratungen und Beschlüsse haben könnte.
Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen und unter Berücksichtigung der bisherigen Haltung des Bundesrates zu dieser Frage ist es der PUK ein Anliegen, die Nachvollziehbarkeit der Diskussionen des Bundesrates und seiner Beschlussfassung zu stärken. Die PUK verzichtet vor dem Hintergrund der oben erwähnten Empfehlung der GPK auf eine eigene Empfehlung. Sie hält jedoch fest, dass es die Empfehlung der GPK umzusetzen gilt.
224⁰ Es handelt sich um zwei gleichlautende Postulate der GPK: Po. GPK-N «Gesamtbilanz und Revision der Krisenorganisation des Bundes anhand der Lehren aus der Covid-19-Krise» vom 17.5.2022 (22.3508) und Po. GPK-S «Gesamtbilanz und Revision der Krisenorganisation des Bundes anhand der Lehren aus der Covid-19-Krise» vom 17.5.2022 (22.3509).
224¹ GPK-N/S: Bericht zu Indiskretionen ( BBl 2024 335 , S. 49).
224² Stellungnahme des Bundesrates vom 24.1.2024 zum Bericht der GPK-N/S vom 17.11.2023 zu Indiskretionen ( BBl 2024 336 , S. 6)
14.2 Einbezug weiterer betroffener Verwaltungseinheiten und Akteure in die Krisenorganisation
14.2.1 Einbezug des Bundesamts für Justiz
Das BJ wurde im Rahmen des CS-Dossiers in vier Momenten beigezogen:
i.
erstens zwischen Oktober und November 2022 auf fachlicher Ebene zu den Entwürfen einer PLB-Notverordnung (siehe Kap. 6.3.4.3);
ii.
zweitens in Person des Direktors des BJ an der ausserordentlichen Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen vom 22. November 2022 (der Direktor des BJ resümierte seine Ausführungen sodann in der Notiz vom 28. November 2022 zuhanden des Bundesrates, siehe Kap. 6.3.4.3);
iii.
drittens in der akuten Krise am Abend des 15. März 2023 (siehe Kap. 7.2.1); und
iv.
viertens, ebenfalls in der akuten Krise, am Wochenende des 18. und 19. März 2023 (siehe Kap. 7.2.4.7), wobei erste Informationen zu den anstehenden Arbeiten bereits am Freitagabend, 17. März 2023, an den Direktor des BJ ergingen (siehe Kap. 7.2.3.9).
Der Einbezug des BJ im Herbst 2022 ermöglichte eine eingehendere Orientierung des Bundesrates im Herbst und Winter 2022 über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Handlungsmöglichkeiten und über Alternativen zur notrechtlichen Einführung eines PLB. Denn das BJ legte dem Bundesrat im Herbst 2022 die Prüfung diverser Einschränkungen der Notrechtsvorlage zum PLB nahe, um sicherzustellen, dass sie die Voraussetzung der Subsidiarität von Notrecht erfüllt. Die zuständigen Behörden prüften die vom BJ aufgeworfenen Punkte noch im Herbst bzw. Winter 2022 und dann ab Januar 2023 vertieft. Allerdings informierten die zuständigen Behörden gemäss Kenntnisstand der PUK das BJ in der Folge nicht mehr über die Ergebnisse dieser Abklärungen. An der AF-Sitzung vom 7. März 2023 wurde zwar beschlossen, das BJ demnächst erneut mit Gutachtensfragen zu beauftragen. Aber da sich die Ereignisse wenige Tage später überschlugen, erging dieser Auftrag nicht mehr ans BJ, bevor das Amt dann in der akuten Krise am Abend des 15. März 2023 um 21 Uhr wieder beigezogen wurde.
Aus Sicht der Kommission ist nicht nachvollziehbar, dass die genannten Abklärungen der EFV und des SIF zum Aspekt der Subsidiarität in der Folge bis zum erneuten Einbezug des BJ am 15. März 2023 nicht mehr mit diesem besprochen wurden. Die Kommission ist der Ansicht, dass das BJ eine nützliche Aussensicht auf die Überlegungen der Fachämter hätte liefern können und ein laufender und stärkerer Einbezug des BJ wichtige rechtsstaatliche Überlegungen hätte anstossen können. Auch wenn die Rechtsetzungsbegleitung des BJ üblicherweise erst in einem vergleichsweise fortgeschrittenen Stadium der Rechtsetzung stattfindet, zeigte das BJ die Bereitschaft zu einer vorgezogenen Mitwirkung an Erlassentwürfen, sollte dies angezeigt sein. Voraussetzung dafür ist allerdings eine entsprechende Anfrage der Fachämter, die aktiv auf das BJ zugehen müssen.
Zudem hätte ein laufender Einbezug des BJ den extremen zeitlichen Druck, unter dem das BJ in der Akutkrise im März 2023 seine Einschätzungen abgeben musste, verringern können und es dem Amt besser erlaubt, seine Aussensicht zu wahren. Gerade in der Frage der Einführung einer TPO wäre ein Einbezug des BJ vor dem Krisenwochenende möglich gewesen, auch wenn sich die vor März 2023 getätigten Abklärungen der Behörden nicht auf die genau gleiche Variante einer TPO bezogen wie diejenige, die am Wochenende des 18. und 19. März 2023 im Vordergrund stand (TPO der gesamten CS-Gruppe). Beispielsweise hätte das BJ in die vertieften Abklärungen der Arbeitsgruppe TPO ab Januar 2023 oder bereits ab der Einsetzung dieser Arbeitsgruppe durch den AF am 16. September 2020 einbezogen werden können. Dies gilt umso mehr, als der AF von Anfang an die Variante einer impliziten Einführung einer TPO verfolgte, was den Erlass von Notrecht von Anfang der Arbeiten an absehbar machte (siehe Kap. 5.2.5.6).
Nebst dem Zeitpunkt bzw. der Frequenz des Einbezugs des BJ möchte die PUK einen weiteren Aspekt hervorheben: An den Ereignissen im November 2022 zeigt sich, dass das BJ zentrale Punkte nicht selber beurteilen kann, sondern auf die Expertise der Fachbehörden angewiesen ist. In seiner jetzigen Ausgestaltung ist das BJ nicht in der Lage, das Kompetenzzentrum für alle Rechtsgebiete zu sein. Dies hatten die GPK schon 2010 festgestellt. 2²43 Entsprechend hat das BJ in seiner Notiz vom 28. November 2022 die abschliessende Beurteilung des Kriteriums der sachlichen Dringlichkeit den Einschätzungen und Prognosen der zuständigen Fachbehörden überlassen. 2²44
Für die Kommission stellt sich angesichts dieser beiden Feststellungen die Frage, ob die für den Rechtsstaat so wichtige Arbeit des BJ angemessen in die Diskussionen auf Stufe Bundesrat einfliesst. Bringt das BJ im Rahmen seiner präventiven Rechtskontrolle während der Ämterkonsultation Vorbehalte am Entwurf eines rechtsetzenden Erlasses an und berücksichtigt das zuständige Fachamt bzw. Departement diese Vorbehalte nicht, so kann das BJ eine Differenz im Bundesratsantrag ausweisen lassen und bei der Departementsvorsteherin oder dem Departementsvorsteher des EJPD einen Mitbericht anregen, was es bei Bedarf auch tut. 2²45 Auch anderen Departementen steht es frei, den Antrag des BJ aufzugreifen. Ob die Leitung des EJPD oder eines anderen Departements tatsächlich einen Mitbericht einreicht, ist dann aber eine politische Entscheidung, auf die das BJ keinen Einfluss mehr hat. So hat das BJ, als der Bundesrat im April 2019 eine neue Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz erliess, trotz seiner Bedenken gegenüber der Verordnung nach Rücksprache mit dem GS-EJPD auf die Ausarbeitung eines unterschriftsreifen Mitberichtsantrags verzichtet (siehe Kap. 5.2.5.2).
Die Kommission kommt zum Schluss, dass der demokratiepolitisch und rechtsstaatlich äusserst wichtige Einbezug des BJ in der CS-Krise mit Ausnahme der Sitzung des Bundesratsausschusses Finanzfragen im November 2022 nicht auf höchster politischer, sondern ausschliesslich auf technischer Ebene erfolgte. Diese Problematik haben bereits die GPK in ihrem Bericht «Die Behörden unter dem Druck der Finanzkrise und der Herausgabe von UBS-Kundendaten an die USA» vom 30. Mai 2010 bemängelt (siehe Empfehlung Nr. 14 in Kap. 13.1.6). 2²46 Die GPK forderten vom Bundesrat nicht nur im Rahmen ihrer Untersuchung zur Finanzkrise 2007/08 Verbesserungen zum stufengerechten Einbezug des BJ gerade in Krisenzeiten, sondern auch in ihrem Bericht vom 30. Juni 2023 zur Wahrung der Grundrechte durch die Bundesbehörden bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie (siehe Empfehlung Nr. 1 in Kap. 9.1.2). 2²47 Die PUK erachtet den Einbezug des BJ in der CS-Krise gerade auch vor dem Hintergrund des teilweisen Fehlens einer Verfassungsgerichtsbarkeit in der Schweiz nicht als angemessen. Analog zur Analyse der GPK von 2010 ist die PUK der Ansicht, dass dieser Umstand kaum dem BJ, sondern vielmehr dem Bundesrat anzulasten ist. 2²48 Nach den Erfahrungen der CS-Krise gelangt die PUK umso mehr zum Schluss, dass der Bundesrat seine Überlegungen zur Stärkung der Rolle des BJ in Krisenzeiten vordringlich vorantreiben sollte.
Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass der Bundesrat bereits in seinem Postulatsbericht «Stärkung der präventiven Rechtskontrolle» vom 5. März 2010 2²49 Überlegungen zu einigen dieser Fragen angestellt hat. Zudem sah er nach der CS-Krise in seinem Postulatsbericht «Anwendung von Notrecht» vom 19. Juni 2023 weitere Massnahmen zur Stärkung der Rechtssicherheit beim Erlass von Notrecht vor. Konkret plant er, ein Prüfschema für den Erlass von Notverordnungen und ein Raster mit Kriterien zur Umsetzung der rechtlichen Begründungspflicht in den an die Fachämter gerichteten Gesetzgebungsleitfaden des BJ zu integrieren. Mit diesen Massnahmen werden in erster Linie die jeweils zuständigen Fachämter und Departemente befähigt, eigenständig die nötigen rechtlichen Überlegungen beim Erlass von Notverordnungen anzustellen. Aufgrund der Erfahrungen in der CS-Krise und angesichts der oberaufsichtsrechtlichen Feststellungen in der Vergangenheit zur Rolle des BJ gibt die Kommission jedoch zu bedenken, dass der aktive Einbezug des BJ beim Erlass von Notrecht ebenso wichtig ist. Im Gegensatz zu den Fachämtern selbst kann das BJ nämlich eine eigenständige Aussensicht aus rechtsstaatlicher und verfassungsrechtlicher Perspektive einbringen.
Aufgrund der voranstehenden Feststellungen zum Verbesserungspotenzial beim Einbezug des BJ richtet die PUK folgende Empfehlung an den Bundesrat:
| Empfehlung Nr. 19 Die Kommission fordert den Bundesrat auf, beim Erlass von Notrecht den frühzeitigen und laufenden Einbezug des Bundesamtes für Justiz zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Positionen des Amtes dem Kollegium in geeigneter Form zur Kenntnis gebracht werden. |
2²43 GPK-N/S: Bericht zur Finanzkrise 2008 ( BBl 2011 3099 , hier 3406).
2²44 Notiz des BJ vom 28.11.2022, Ziff. 2.2, S. 5
2²45 Sitzungsprotokoll der PUK vom 24.1.2024, S. 65
2²46 GPK-N/S: Bericht zur Finanzkrise 2008 ( BBl 2011 3099 , hier 3407).
2²47 Wahrung der Grundrechte durch die Bundesbehörden bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie am Beispiel der Ausweitung des Covid-Zertifikats, Bericht der GPK-N vom 30.6.2023 ( BBl 2023 1956 , S. 25)
2²48 GPK-N/S: Bericht zur Finanzkrise 2008 ( BBl 2011 3099 , hier 3405).
2²49 Stärkung der präventiven Rechtskontrolle, Bericht des Bundesrates vom 5.3.2010 in Erfüllung des Postulats Pfisterer 07.3360 ( BBl 2010 2187 )
14.2.2 Einbezug des SECO
Das SECO ist das Kompetenzzentrum des Bundes für alle Kernfragen der Wirtschaftspolitik. Die zum SECO gehörende Direktion für Wirtschaftspolitik ist zuständig für Analysen zur Wirtschaftsentwicklung der Schweiz und erarbeitet ökonomische Grundlagen für die politische Entscheidungsfindung (siehe Kap. 3.7). Damit verfügt das SECO über einschlägiges Wissen, um den Wirtschaftsstandort Schweiz zu erhalten und zu fördern.
Die Aufgaben des SECO unterscheiden sich klar von denen anderer Behörden, die die Schweizer Wirtschaft beaufsichtigen oder steuern. Das SECO hat beispielsweise keine finanzmarktaufsichtlichen Aufgaben wie die FINMA und verfügt über keine geldpolitischen Instrumente wie die SNB. Aus der Kompetenzteilung ergibt sich, dass das SECO weder im LG noch im AF vertreten ist. Dennoch ist für die Kommission nicht nachvollziehbar, wieso die Expertise des SECO nicht in geeigneter Form in die Diskussion der möglichen Szenarien mit einbezogen wurde (siehe hierzu auch Kap. 13.1.5). Auch wenn das SECO gemäss Memorandum of Understanding nicht per se für die Finanzmarktstabilität zuständig ist, vertritt die Kommission die Meinung, dass in einer solch entscheidenden Frage alle Stellen einzubeziehen sind, die über entsprechendes fachliches Know-how verfügen. Erst nach der Fusion verfasste das SECO am 22. März 2023 eine wettbewerbsrechtliche Einschätzung des Zusammenschlusses. Diese interne Notiz beschränkte sich auf die Zuständigkeiten bei der Prüfung von Zusammenschlussvorhaben gemäss Artikel 10 Absatz 3 KG. 225⁰
Vor der Ankündigung der Fusion am 19. März 2023 erstellte das SECO am 17. März 2023 auf eigene Initiative ein Factsheet zu möglichen Ausstiegsszenarien aus der CS-Krise. Sowohl die Benennung der Szenarien als auch die Einschätzung der volkswirtschaftlichen Folgen unterschieden sich von den Analysen der SNB. Hauptgrund für die Unterschiede war, dass dem SECO nur wenige Informationen vorlagen (siehe Kap. 7.2.3.9).
Das SECO nahm anschliessend regelmässig an den ordentlichen Ämterkonsultationen teil, die nach dem 19. März 2023 durchgeführt wurden, um die in den Märztagen erstellte Notverordnung in ordentliches Recht zu überführen. Für die strategische Steuerung der Ämterkonsultation war der Steuerungsausschuss zuständig, der durch das SIF geleitet wurde. Ebenfalls im Ausschuss vertreten waren das Generalsekretariat des EFD und die EFV. Der AF, in dem das SIF, die EFV, die FINMA und die SNB Mitglied sind, arbeitete mit dem Steuerungsausschuss zusammen, durch Informationsaustausch, aber auch durch Mitsteuerung. 225¹ Das SECO, die FINMA und die SNB waren nicht Teil des Steuerungsausschusses. Ein entsprechendes Gesuch des SECO wurde abgelehnt. Ein Vertreter des SECO führte vor der PUK aus, dass es ohne Einsitz im Steuerungsausschuss schwierig war nachzuvollziehen, in welche Richtung die Arbeiten in den technischen Arbeitsgruppen gehen sollen. Damit sei für das SECO auch nicht klar gewesen, was die sachlichen und technischen Erkenntnisse aus der Krise waren. 225² Gemäss den Informationen, die der PUK vorliegen, war es das Ziel dieses Projekts, aufsichtsrechtliche Instrumente, Kapital- und Liquiditätsinstrumente sowie den Notfallplan zu überprüfen. Das sei nicht die Kernkompetenz des SECO. Wenn Kompetenzen des SECO thematisiert wurden, wurde es gemäss Darlegung der EFV punktuell einbezogen. Dies war zweimal der Fall. 2²53
Die Kommission anerkennt den Anspruch einer schlanken Projektstruktur. Gleichzeitig scheint der Kommission, dass das SECO relevantes Fachwissen hatte, das es womöglich auch bei der Nachbereitung der CS-Krise nicht ausreichend in die Diskussion einbringen konnte. Die Sichtweise des SECO hätte nach Meinung der PUK wertvolle Impulse liefern können und wäre ein möglicher Mehrwert gewesen. In ähnlich gelagerten Fälle sollten sich alle Behörden einbringen und die Arbeiten des Steuerungsausschusses nachvollziehen können, die über relevantes Fachwissen im Sachbereich verfügen.
225⁰ Stellungnahme des SECO vom 21.10.2024 im Rahmen der Verwaltungskonsultation
225¹ Grafik «Projekt-Setup Verlustgarantie UBS» Stand 15.5.2023
225² Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 18
2²53 Sitzungsprotokoll der PUK vom 1.5.2024, S. 18 und 53 f.; Stellungnahme des EFD vom 23.5.2023 zum Mitbericht des WBF vom 23.5.2023.
14.2.3 Einbezug der WEKO
Im Regelfall obliegt es der WEKO, meldepflichtige Zusammenschlüsse von Firmen hinsichtlich der Auswirkungen auf den Wettbewerb und der Einhaltung des Kartellgesetzes zu prüfen und sie dann zu bewilligen oder zu untersagen (siehe Kasten 1 und Kap. 8.2.1). Die FINMA kann diese Rolle jedoch übernehmen, wenn ihr der Zusammenschluss aus Gründen des Gläubigerschutzes notwendig erscheint. In diesem Fall muss sie die WEKO zur Stellungnahme einladen. Diese hat für die FINMA aber keinen bindenden Charakter. 2²54
Im Fall der Fusion der CS mit der UBS kam es gemäss den der PUK vorliegenden Informationen am 17. März 2023 zum ersten Kontakt zwischen der FINMA und der WEKO (siehe auch Kap. 7.2.3.9). Der FINMA-Direktor informierte den Direktor des WEKO-Sekretariats, dass ein Zusammenschluss verhandelt werde und voraussichtlich bis Sonntagabend, 19. März, eine Entscheidung vorliege. Die WEKO antwortete, dass sie in dieser Frist keine wettbewerbsrechtliche Stellungnahme erarbeiten könne. Daraufhin gab die FINMA an, dass sie in diesem Zusammenschluss die Rolle der WEKO übernehme. 2²55
Bereits Monate zuvor wurde diskutiert, wann und wie die WEKO beigezogen werden soll. Der AF sprach sich anfangs November 2022 beispielsweise gegen den Einbezug der WEKO aus, da bei den möglichen Szenarien, die aus der CS-Krise führen könnten, noch viele Fragen offen waren. Auch die Option eines Verkaufs der CS an eine andere Bank war zu diesem Zeitpunkt noch sehr vage (siehe Kap. 6.3.4). 2²56 In den Folgemonaten wurde der Einbezug der WEKO wiederholt erörtert. Die identifizierten Fragestellungen mit Bezug zur WEKO schienen aber lösbar, nicht dringend oder noch zu wenig ausgearbeitet, sodass eine Kontaktaufnahme als nicht nötig oder nicht sinnvoll erachtet wurde (zur Diskussion der Szenarien siehe Kap. 6.3.3.1 und 6.4.3). 2²57
Die PUK anerkennt zwar die fortwährenden Überlegungen der Behörden und Gremien, wie beispielsweise des AF. Grosse Unsicherheit sowie eine sensible Thematik können grundsätzlich zum Entscheid führen, den Kreis der involvierten Personen nicht vorschnell auszuweiten. Zudem war es nach geltendem Recht möglich, dass die FINMA in begründeten Fällen die Rolle der WEKO übernimmt. Dennoch ist zu kritisieren, dass die WEKO nicht früher einbezogen wurde. Die Übernahme der CS durch die UBS war von Beginn weg die präferierte Lösung. Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu dieser Lösung kommt, falls die CS sich nicht selbst stabilisieren kann, war deshalb beträchtlich. Dass diese Lösung für einen wirksamen Wettbewerb unter den Banken nachteilig sein würde, musste den Behörden klar sein. Mit dem Einbezug der WEKO hätte deren Fachwissen in die Vorbereitungen und in die Verhandlungen einfliessen können. Die WEKO hätte unter Umständen auch eine erste Stellungnahme abgeben können. Dies hätte dazu führen können, dass die anderen Optionen angesichts der Nachteile einer Fusionslösung noch vertiefter geprüft und ausgearbeitet worden wären. Auch dem Bundesrat hätten so vertieftere Entscheidungsgrundlagen vorgelegt werden können. Wann ein sinnvoller Zeitpunkt für die Kontaktaufnahme gewesen wäre, bleibt rückblickend schwierig zu sagen, da die Einschätzungen zur Lage der CS sehr unterschiedlich ausfielen und sich regelmässig änderten. Ein Einbezug ab Herbst 2022 wäre aber möglich gewesen. Das Argument, dass die Zahl der informierten Behörden klein gehalten werden musste, ist nachvollziehbar, im Fall der WEKO aber wenig stichhaltig. Die WEKO ist sich gewohnt, mit sehr vertraulichen Unterlagen und Geschäftsgeheimnissen umzugehen.
In ihrer nachträglich erstellten Stellungnahme vom 25. September 2023 identifizierte die WEKO sechs Märkte, in denen die UBS aufgrund der Fusion mit der CS eine marktbeherrschende Stellung erhalten respektive verstärkt haben könnte (siehe Kap. 8.2.1). Aufgrund dessen empfahl sie eine vertiefte Prüfung des Zusammenschlusses, formulierte aber keine Massnahmen, Bedingungen oder Auflagen. Die FINMA hielt in ihrer Verfügung fest, dass die durchgeführten Abklärungen mit einer vertieften Prüfung der WEKO vergleichbar seien und die verbleibende Unsicherheit über die Auswirkungen in gewissen Märkten geringer als die Gefahr sei, dass eine weitere Prüfung erneut Unsicherheit betreffend Banken- und Finanzstabilität schüren könnte. 2²58 Damit wurde der Gläubigerschutz gegenüber den Anliegen des Wettbewerbsrechts priorisiert. Der Begriff «Gläubigerschutz» kommt zwar im Kartellgesetz vor (Art. 10 Abs. 3 KG), wird aber nicht definiert. Da die FINMA die Kompetenzen der WEKO übernehmen kann, wenn sie dies mit dem Gläubigerschutz begründet, und die Stellungnahme der WEKO für die FINMA nicht verbindlich ist, erscheint es der Kommission sinnvoll, den Begriff «Gläubigerschutz» klarer zu definieren.
| Empfehlung Nr. 20 Die Kommission lädt den Bundesrat ein, die gesetzliche Bestimmung, dass die FINMA die Kompetenzen der WEKO in bestimmten Fällen übernehmen kann, zu überprüfen. Die Kommission sieht Klärungsbedarf insbesondere bei der Definition des Begriffs «Gläubigerschutz» sowie hinsichtlich des Zeitpunkts des Einbezugs der WEKO durch die FINMA. |
2²54 Art. 10 Abs. 3 KG
2²55 Stellungnahme der WEKO vom 25.9.2023 gemäss Art. 10 Abs. 3 KG und Empfehlung gemäss Art. 45 Abs. 2 KG, Ziff. 27 ff.
2²56 Transkription der AF-Sitzung vom 1.11.2022, S. 21
2²57 Transkriptionen der AF-Sitzung vom 22.12.2022, 6.1.2023, 2.2.2023 und 22.2.2023
2²58 Verfügung der FINMA in Sachen UBS Group AG vom 21.5.2024, Ziff. 276
14.3 Weitere rechtliche Handlungsfelder im Kontext von systemrelevanten Banken
Im Rahmen ihrer Untersuchung hat die PUK weitere rechtliche Handlungsfelder erkannt, die nicht direkt den TBTF-Handlungsrahmen betreffen, aber aus ihrer Sicht im Kontext von systemrelevanten Banken gleichwohl von Bedeutung sind.
14.3.1 Aktienrecht und Stellung des Aktionariats
Wie in der Einleitung zu Teil III des Berichtes angedeutet, stellte sich die Kommission im Hinblick auf den selbstverschuldeten Vertrauensverlust der CS auch Fragen zur Rolle und Stellung des Aktionariats.
Institutionelle Aktionäre, welche die Mehrheit der Stimmrechte kontrollieren, drücken ihre Unzufriedenheit mit der Unternehmenspolitik einer Bank in der Regel nicht durch öffentliche Kritik, sondern durch den Verkauf der Aktien aus. 2²59 Im vorliegenden Fall äusserten sich hingegen kleinere und unabhängige Aktionärsvertretungen öffentlich. Die Stiftung Ethos als Vertreterin von Schweizer Pensionskassen hatte nach der freiwilligen Senkung der variablen leistungsbezogenen Vergütungen der CS um 40 % im Jahr 2017 226⁰ weitere Einschränkungen der Vergütungspraxis gefordert, welche aber ausblieben. 226¹ Ihre Kritik an der Vergütungspolitik der CS zeigte jahrelang kaum Wirkung bei den Konsultativabstimmungen zum Vergütungsbericht der Bank, wenngleich die Resultate dieser Abstimmungen im Verlauf der Zeit schlechter ausfielen. So wurde der Vergütungsbericht im Jahr 2022 nur noch mit knapp 50,6 % der Stimmen angenommen. 226²
Trotz der erwähnten Skandale und der teilweise öffentlich gemachten Enforcementverfahren der FINMA gegen die CS (siehe Kap. 5.3.2) wurde dem CS-Verwaltungsrat Jahr für Jahr die Décharge erteilt, womit die Aktionärinnen und Aktionäre darauf verzichteten, dem Verwaltungsrat gegenüber Verantwortlichkeitsansprüche geltend zu machen. Erst der Greensill-Skandal aus dem Jahr 2020 hatte diesbezüglich Konsequenzen. Die Entlastung für das Geschäftsjahr 2020 war an der Generalversammlung 2021 aufgrund der kurz zuvor öffentlich gewordenen Probleme um Greensill und Archegos noch ausgesetzt worden. An der Generalversammlung im Jahr 2022, die virtuell stattfand und bei der die Voten der Aktionärinnen und Aktionäre vorgelesen wurden, wurde dem Verwaltungsrat die Décharge für das Geschäftsjahr 2020 verweigert. Für das Geschäftsjahr 2021 wurde die Décharge zwar erteilt. Dabei wurden aber die Themen mit Bezug zum Fall Greensill vorläufig ausgenommen. 2²63
Vor dem genannten Hintergrund stellt sich für die PUK die Frage, ob die aktuelle Regelung der Aktionärsrechte bei systemrelevanten Grossunternehmen zu überprüfen wäre, beispielsweise in Bezug auf eine Stärkung der Position von Kleinaktionärinnen und -aktionären. Bei solchen Unternehmen muss die öffentliche Hand im Falle eines Unternehmensversagens mit Garantien und/oder finanziellen Beiträgen Hilfe leisten und ins Risiko gehen, weshalb der Einfluss des Aktionariats gestärkt werden sollte.
| Postulat Nr. 5: Aktionariat in systemrelevanten Grossunternehmen stärken Die Kommission ersucht den Bundesrat, eingehend zu prüfen, wie das Aktionariat, inkl. Kleinaktionäre, von systemrelevanten Grossunternehmen gestärkt werden kann. Dies gilt insbesondere bei Beschlüssen, die für die Systemstabilität von Bedeutung sind. |
2²59 Expertenbericht Hau/Rochet (2024), S. 22
226⁰ «Der Verwaltungsrat veröffentlicht angepasste Anträge zu den Vergütungstraktanden an der ordentlichen Generalversammlung 2017 sowie eine Aktualisierung des Vergütungsberichts», Medienmitteilung der CS vom 18.4.2017, https://www.credit-suisse.com/about-us-news/de/articles/media-releases/compensation-update-1804-201704.html (Stand: 28.5.2024).
226¹ Expertenbericht Hau/Rochet (2024), S. 22
226² FINMA (2023): Lessons Learned aus der CS-Krise, S. 53.
2²63 SRF: Aktionäre lehnen Entlastung der CS-Führung ab, 29.4.2022, https://www.srf.ch/news/wirtschaft/an-generalversammlung-aktionaere-lehnen-entlastung-der-cs-fuehrung-ab (Stand: 29.8.2024); SRF: Eine schallende Ohrfeige - die Quittung für verpasste Chancen, 29.4.2022, https://www.srf.ch/news/wirtschaft/ cs-gv-verweigert-decharge-eine-schallende-ohrfeige-die-quittung-fuer-verpasste-chancen (Stand: 12.9.2024).
14.3.2 Gewährskriterien für einwandfreie Geschäftstätigkeit bei Geschäftsleitung und Verwaltungsrat
Wie bereits mehrfach hervorgehoben, sieht die PUK die Ursache der Vertrauenskrise der CS in einer Mischung aus einer fragwürdigen Risikokultur, einem mangelhaften Risikomanagement und einer ungenügenden Governance des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung der Bank. Der Umstand, dass die FINMA im Untersuchungszeitraum der PUK acht Enforcementverfahren gegen Mitarbeitende der CS, darunter auch Geschäftsführungsmitglieder, durchführte, unterstreicht diese Feststellung. Als G-SIB nahm die CS nicht nur eine zentrale Rolle im Schweizer Finanzplatz, sondern im ganzen Wirtschaftssystem der Schweiz ein. Die PUK ist der Ansicht, dass das beschriebene Fehlverhalten auch in einem mangelnden Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Schweizer Volkswirtschaft gründete. Deshalb stellen sich aus Sicht der PUK Fragen zu den aktuell geltenden Gewährskriterien auf individueller Ebene wie auch auf Ebene der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates als wichtigstes Organ einer Bank. Diese Kriterien sollten die allgemeinen Interessen des Wirtschaftsstandorts Schweiz stärker mitberücksichtigen. So ist die Kommission der Ansicht, dass im Interesse einer einwandfreien und nachhaltigen Geschäftsführung die heute geltenden Gewährskriterien - moralische Voraussetzungen («propriety») und fachliche Qualifikationen («fitness») - überprüft und entsprechend erweitert werden sollten, etwa indem künftig eine Mehrheit des Verwaltungsrates eine vertiefte Verbindung zur Schweiz aufweisen können sollte.
| Postulat Nr. 6: Gewährskriterien überprüfen, um Verantwortung der SIBs gegenüber Schweizer Volkswirtschaft und Steuerzahlenden zu stärken Der Bundesrat wird beauftragt zu prüfen, ob gesetzliche Grundlagen mit dem Ziel zu erarbeiten wären, die Verantwortung von Führungsorganen der SIBs gegenüber der schweizerischen Volkswirtschaft sowie den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern besser wahrzunehmen. Hierbei wäre zu prüfen, ob die heute geltenden Gewährskriterien (generelle Anforderung und Integrität sowie fachliche Eignung) auf Ebene der kandidierenden Person, aber auch auf Ebene des Gesamtorgans des Instituts zu ergänzen wären (u. a. mindestens zehnjährige Wohnsitzpflicht in der Schweiz für die Mehrheit des Verwaltungsrates). Zudem sollen auch weitere zielführende Massnahmen geprüft werden. |
14.4 Feststellungen zur Anwendung des Parlamentsgesetzes
Die Untersuchung der PUK hat gezeigt, dass verschiedene Bestimmungen des Parlamentsgesetzes bezüglich einer PUK der Klärung bzw. Präzisierung bedürfen. Vorliegendes Kapitel hat zum Ziel, die Bestimmungen, bei welchen aus Sicht der PUK gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, aufzuzeigen sowie das jeweilige Problem darzustellen und konkrete Lösungsvorschläge zu präsentieren.
Die Bestimmungen zu einer PUK finden sich im neunten Titel des Parlamentsgesetzes (Art. 163 ff. ParlG), wobei an einigen wenigen Stellen auf andere Bestimmungen des ParlG verwiesen wird. So nimmt das ParlG etwa bezüglich der Informationsrechte einer PUK auf jene der Delegationen der Aufsichtskommissionen Bezug (Art. 150, 153 ff. ParlG). 2²64
14.4.1 Die Stellung des Bundesrates im Sinne von Artikel 167 ParlG
Die Stellung des Bundesrates im Verfahren einer PUK ist in Artikel 167 ParlG geregelt. Diese Bestimmung sieht im ersten Absatz vor, dass der Bundesrat das Recht hat, den Anhörungen der PUK beizuwohnen und Ergänzungsfragen zu stellen. Weiter kann er auch Einsicht in die herausgegebenen Unterlagen und in die Gutachten und Anhörungsprotokolle der PUK nehmen. Die PUK möchte diese Bestimmung aus mehreren Gründen aufheben: 2²65
i.
Es stellt eine Durchbrechung des Prinzips der Gewaltenteilung dar, wenn der Bundesrat an den Anhörungen der PUK anwesend sein und Einsicht in die Unterlagen inklusive Protokolle und Gutachten nehmen darf. Diese Durchbrechung ist aus Sicht der PUK nicht mit der verfassungsmässig verankerten Unabhängigkeit der parlamentarischen Oberaufsicht vereinbar und ist deshalb nicht gerechtfertigt. Zudem kann der Bundesrat vor der Veröffentlichung des Berichtes Stellung zuhanden der Kommission nehmen (siehe unten).
ii.
Das Konstrukt der Vertretung des Bundesrates durch ein Mitglied aus seiner Mitte gegenüber der PUK (Art. 167 Abs. 3 ParlG) führt in Zusammenhang mit Artikel 167 Absatz 1 ParlG dazu, dass dieses eine Mitglied weiss, wer von seinen Kolleginnen und Kollegen sich wie äussert. Dies ist gleich aus mehreren Gründen problematisch: Erstens hat das betroffene Mitglied einen ungerechtfertigten Informationsvorsprung gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen. Zudem entscheidet dieses Mitglied, welche Informationen dem Kollegium weitergeleitet werden. Zweitens kann diese Tatsache einen negativen Einfluss auf die Zusammenarbeit im Kollegium und auf das Vertrauen untereinander haben. Drittens dient diese Konstellation nicht der Wahrheitsfindung durch die PUK, da sich die anderen Mitglieder des Bundesrates nicht frei äussern können oder wollen.
iii.
Die gleichen Schlüsse lassen sich auch in Bezug auf die Anhörung anderer im Dienst des Bundes stehender Personen ziehen. Es dient nicht der unabhängigen Wahrheitsfindung durch die Kommission, wenn die zuständige Vorsteherin bzw. der zuständige Vorsteher eines Departementes über die Aussagen einer ihr bzw. ihm unterstellten Person informiert wird. Die Aufhebung der spezifischen Rechte des Bundesrates dient neben dem Interesse an der Wahrheitsfindung auch dem Schutz der angehörten Personen.
iv.
Mit der derzeitigen Regelung wird auch der Situation von ehemaligen Mitgliedern des Bundesrates nicht Rechnung getragen, da diesen keinerlei Rechte zukommen. Sie wissen zum Beispiel nicht, welche Informationen aus ihren eigenen Anhörungen in den Bundesrat getragen werden. Für die PUK ist dies nicht sachgerecht. Falls die Rechte des Bundesrates gemäss Artikel 167 Absatz 1 nicht aufgehoben werden, wäre zu prüfen, wie die Rechte der ehemaligen Mitglieder des Bundesrates gestärkt werden könnten.
Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle festzuhalten, dass einem Mitglied des Bundesrates, das in seinen Interessen unmittelbar durch die Untersuchung betroffen ist, die Rechte nach Artikel 168 ParlG zustehen müssen.
Recht des Bundesrates, sich zu äussern
Im Gegensatz zu den Rechten in Artikel 167 Absatz 1 ParlG soll das Recht zur Äusserung und Stellungnahme des Bundesrates nicht aufgehoben, sondern konkretisiert werden. Artikel 167 Absatz 2 ParlG sieht nämlich vor, dass der Bundesrat sich vor der PUK und in einem Bericht an die Bundesversammlung zum Ergebnis der Untersuchung äussern kann. Dieses Recht des Bundesrates soll nicht zuletzt wegen der staatspolitischen Bedeutung zwingend beibehalten werden. Es gilt jedoch eine Präzisierung vorzunehmen. Aus Sicht der PUK beinhaltet der erste Teil dieser Bestimmung (Äusserung vor der Kommission) verschiedene Unklarheiten. Es geht aus der Bestimmung zwar hervor, dass sich der Bundesrat zu den Ergebnissen einer PUK vor dieser äussern darf. Es stellen sich hierzu aber drei Fragen:
i.
Was ist der Gegenstand der Äusserung durch den Bundesrat - zu was kann sich der Bundesrat äussern?
ii.
Wann kann sich der Bundesrat äussern (Frage des Zeitpunktes)?
iii.
Kann sich der Bundesrat mündlich oder schriftlich äussern (Frage nach der Form)?
Nach Ansicht der PUK ist diese Bestimmung dahingehend zu präzisieren, dass klar hervorgeht, dass eine Stellungnahme des Bundesrates vor der Kommission zum Schlussbericht vor dessen Veröffentlichung vorzusehen ist. Die Stellungnahme des Bundesrates wird bei der Veröffentlichung des Schlussberichtes ebenfalls publiziert und stellt gleichzeitig den Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung im Sinne von Artikel 167 Absatz 2 zweiter Teilsatz dar.
Dem Bundesrat wäre hierzu eine angemessene Frist einzuräumen. Was als angemessene Frist gilt, muss aus Sicht der PUK vorliegend offenbleiben und ist im Einzelfall zu entscheiden, da dies unter anderem vom Umfang und der Komplexität des Berichtes abhängt.
Sonderstellung der Vertreterin bzw. des Vertreters des Bundesrates
Artikel 167 Absatz 3 ParlG sieht eine Sonderstellung der Vertreterin bzw. des Vertreters des Bundesrates gegenüber der PUK vor. In diesem Zusammenhang ist teilweise auf die oben geschilderte Problematik zu verweisen. Weiter kann diese Sonderstellung zu einem schwierig lösbaren Spannungsfeld führen, vor allem dann, wenn es sich bei der Vertreterin oder dem Vertreter des Bundesrates um jene Departementsvorsteherin oder jenen Departementsvorsteher handelt, die bzw. der direkt bzw. am stärksten von der Untersuchung der PUK betroffen ist. Aus Sicht der PUK ist dieses Spannungsfeld dahingehend zu lösen, dass die Bundeskanzlerin bzw. der Bundeskanzler als Ansprechperson des Bundesrates für die PUK ernannt wird, falls sich die Untersuchung nicht gegen sie bzw. ihn richtet. Wenn - wie oben gefordert - die Spezialrechte des Bundesrates nach Artikel 167 Absatz 1 ParlG aufgehoben werden, braucht es auch keine Verbindungsperson des Bundesrates zur PUK mehr.
2²65 Vgl. hierzu auch das Beispiel des Kantons Zürich, der die speziellen Verfahrensrechte des Regierungsrates ebenfalls vor Kurzem aufgehoben hat (Totalrevision vom 25.3.2019 des Kantonsratsgesetzes des Kantons Zürich [KRG-ZH; LS 171.1 ] und des Kantonsratsreglements des Kantons Zürich [KRR-ZH; LS 171.11 ]).
14.4.2 Rechte der Betroffenen im Sinne von Artikel 168 ParlG
Artikel 168 ParlG beinhaltet die Rechte der Betroffenen. Gemäss Absatz 1 stellt die PUK fest, welche Personen durch die Untersuchung in ihren Interessen unmittelbar betroffen sind. Diese Personen sind gemäss dem Wortlaut dieses Absatzes unverzüglich darüber zu informieren, und es sind ihnen die Rechte nach Artikel 167 Absatz 1 ParlG einzuräumen. Das Gesetz präzisiert den Begriff der unmittelbar in ihren Interessen Betroffenen nicht. Die Materialien halten lediglich fest, dass es sich um einen Fehler handeln muss, welcher einer Person zum Vorwurf gemacht werden kann. 2²66 Eine besonders in ihren Interessen betroffene Person ist damit nicht jemand, der besonders involviert ist. Die Person muss gemäss dem aktuellen Recht einen Fehler gemacht haben. Dies bedeutet, dass aktuell der Status mit einem Vorwurf verbunden ist, der sich anschliessend unter Umständen nicht erhärtet. Sollte dieser Status öffentlich bekannt werden, kommt dies für die jeweilige Person einer Vorverurteilung gleich. In Artikel 168 ParlG sollte explizit festgehalten werden, dass eine Person im Bericht nicht erwähnt wird, wenn sich die Vorwürfe nicht erhärten.
Aus diesem Grund hat die PUK diese Bestimmung entsprechend ausgelegt. Die PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» hat hierzu verschiedene Abklärungen mit ihrem Verfahrensexperten und dabei eine Präzisierung dieser Begrifflichkeit vorgenommen. Eine Person ist demzufolge unmittelbar in ihren Interessen betroffen, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
i.
Die Person ist oder war Mitglied des Bundesrates, der Bundesverwaltung oder anderer Träger von Aufgaben des Bundes.
ii.
Es handelt sich dabei um eine Person, die im untersuchten Kontext eine hochrangige Funktion ausübte, wie zum Beispiel ein Mitglied des Bundesrates, eine Amtsdirektorin bzw. ein Amtsdirektor oder führende Kadermitglieder dezentraler Einheiten, wie zum Beispiel einer Aufsichtsbehörde.
iii.
Die PUK verfügt auf der Grundlage der im Laufe der Untersuchung ermittelten Informationen über konkrete und fundierte Anhaltspunkte, welche die Vermutung nahelegen, dass die betroffene Person Fehler begangen hat, welche ihr zum Vorwurf gemacht werden können. Bei der Konkretisierung eines solchen Fehlers erstellte die PUK folgende drei Fallbeispiele: a. Fehler von grosser Tragweite, der eine direkte Kausalität zum Untersuchungsgegenstand aufweist, b. Vorliegen einer eindeutig belegbaren rechtswidrigen Handlung und c. wiederholtes Unterlassen von Handlungen, die für eine rechtmässige, zweckmässige und wirksame Geschäftsführung geboten gewesen wären.
Die Untersuchung der PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» unterschied sich von den Untersuchungen früherer PUK dadurch, dass sehr viele Akteurinnen und Akteure involviert waren, unter anderem auch unabhängige Behörden und Privatpersonen.
Eine nächste PUK könnte eine ganz andere Konstellation aufweisen, weshalb davon abzusehen ist, die Praxis der PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» im Gesetz abzubilden.
Zu Artikel 168 ParlG ist festzuhalten, dass dieser auch zur Anwendung kommt, wenn ein Mitglied des Bundesrates in seinen Interessen besonders betroffen ist. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn es sich um jenes Mitglied des Bundesrates handelt, das gemäss Artikel 167 Absatz 3 ParlG den Bundesrat gegenüber der PUK vertritt. In diesem Fall kann dieses Mitglied die Rechte gemäss Artikel 167 Absatz 1 ParlG ohnehin wahrnehmen.
Sollten Artikel 167 Absätze 1 und 3 ParlG wie oben dargelegt angepasst werden, so wäre Vorstehendes nicht mehr von Belang. Gleichzeitig bedeutet dies, dass die Rechte aus Artikel 167 Absatz 1 explizit in Artikel 168 Absatz 1 ParlG zu integrieren wären.
Gleichzeitig sollte geklärt werden, ob die Person im Sinne von Artikel 168 Absatz 1 ParlG, welche durch die Untersuchung in ihren Interessen unmittelbar betroffen ist, und die Person im Sinne von Artikel 155 Absatz 3 ParlG, «gegen die sich eine Untersuchung […] richtet», identisch ist. Die PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» hat zur Auslegung des Begriffes «unmittelbar in ihren Interessen betroffene Person» unter anderem auch Artikel 155 Absatz 3 ParlG herangezogen. Damit ist eine Person dann unmittelbar in ihren Interessen betroffen, wenn sich die Untersuchung ganz oder teilweise gegen sie richtet.
Weiter stellen sich verschiedene Fragen zur Behandlung einer Person, die nicht von Beginn weg, sondern erst im Laufe des Verfahrens als betroffene Person eingestuft wird. Muss diese Person etwa zwingend erneut angehört werden? Dieser Aspekt sollte in Artikel 168 präzisiert werden.
2²66 Parlamentarische Initiative. Rechtsschutz der Betroffenen im PUK-Verfahren, Bericht der SPK-N vom 25.8.1994 ( BBl 1995 I 1120 , hier 1123 ff.): «Der Begriff des in seinen Interessen unmittelbar Betroffenen ist gesetzlich kaum zu konkretisieren. Es handelt sich um Personen, gegen die der Verdacht besteht, dass sie in dem Bereich, auf den sich die parlamentarische Untersuchung bezieht, einen Fehler gemacht haben, der ihnen zum Vorwurf gemacht werden kann».
14.4.3 Weitere Herausforderungen und punktueller Anpassungsbedarf bei verschiedenen Bestimmungen
Heranziehung von Arbeiten anderer Kommissionen, insbesondere der GPK
Bis eine PUK eingesetzt ist, dauert es oft mehrere Monate. Die Vergangenheit und auch das konkrete Beispiel der PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» zeigen, dass die GPK häufig sehr rasch erste Abklärungen im Bereich der Geschäftsführung vornehmen (siehe hierzu auch Kap. 1.4.5). Aufgrund von Artikel 171 Absatz 1 ParlG dürfen die GPK und auch andere Kommissionen ab Beschluss der Bundesversammlung, eine PUK einzusetzen, keine weiteren Abklärungen zum entsprechenden Gegenstand mehr tätigen.
Es ist zielführend und zweckmässig, wenn sich eine PUK auf die Vorarbeiten der GPK oder anderer Kommissionen stützen kann. Hierfür fehlt jedoch eine entsprechende gesetzliche Grundlage. Die PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» fordert daher, eine entsprechende Bestimmung in Artikel 171 ParlG einzufügen. Dabei gilt es dem Aspekt Rechnung zu tragen, dass die spezifischen Beteiligungsrechte von in ihren Interessen betroffenen Personen bei Verfahren der GPK und der anderen Kommissionen nicht zur Anwendung kommen.
Schweigepflicht gemäss Artikel 169 ParlG
Artikel 169 ParlG beinhaltet die Schweigepflicht. Die Bestimmung statuiert, dass alle an Sitzungen und Befragungen teilnehmenden Personen der Schweigepflicht unterstehen, bis der Bericht an die Bundesversammlung veröffentlicht wird.
Der sachliche Anwendungsbereich erstreckt sich daher gemäss Wortlaut nur auf die Sitzungen und Beratungen. Aus Sicht der PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» sollte dieser auf die gesamte Tätigkeit der PUK ausgeweitet werden, da auch sämtliche Aktivitäten ausserhalb der Sitzungen und Beratungen erfasst sein sollten (z. B. Aktenstudium, Arbeiten von beigezogenen Expertinnen und Experten usw.).
Informationsrechte der PUK gegenüber den unabhängigen bzw. verselbstständigten Einheiten
Die Informationsrechte der PUK richten sich gemäss Artikel 166 Absatz 1 ParlG nach jenen der Delegationen der Aufsichtskommissionen (Art. 150 und 153 ff. ParlG). Einerseits bedeutet dies, dass der PUK keinerlei Informationen vorenthalten werden dürfen. Andererseits stellen sich Fragen in Bezug auf die konkrete Anwendung, da der Untersuchungsgegenstand einer PUK viel breiter sein kann, als dies bei der GPDel oder der FinDel der Fall ist. Vorliegend interessieren in erster Linie die Informationsrechte der PUK gegenüber der FINMA und der SNB.
Folgende praktischen Fragen musste die PUK angehen:
i.
Darf die PUK Mitarbeitende der SNB, welche nicht dem Direktorium angehören, zu einer Anhörung einladen, und welche Modalitäten kommen dabei zur Anwendung?
ii.
Welche Fragen darf die PUK den Vertreterinnen und Vertretern von SNB und FINMA stellen? Welche Dokumente darf sie einverlangen ?
iii.
Welche Informationen darf die PUK zu laufenden und abgeschlossenen Enforcementverfahren bei der FINMA einholen bzw. darf sie darüber Bericht erstatten?
iv.
Ist es notwendig, vor einer Anhörung von Vertreterinnen und Vertretern der FINMA und SNB den Bundesrat zu orientieren?
Zur Beantwortung dieser Fragen liess die PUK Abklärungen von einem externen Experten durchführen, der zu folgenden Schlüssen kam:
Bei der FINMA ist der Gegenstand der Oberaufsicht auf die Aufsichtsbefugnisse des Bundesrates beschränkt. Die Informationsrechte gegenüber der FINMA und ihrem Personal richten sich nach den Artikeln 150, 153-156 und 166-170 ParlG, welche jedoch nur für den Aufsichtsbereich des Bundesrates gelten. Die FINMA war in der Vergangenheit einmal Adressatin einer Empfehlung der GPK, was in der Lehre jedoch umstritten ist.
Bezüglich der SNB ist eine grössere Zurückhaltung geboten. Im Bereich der Geld- und Währungspolitik ist der Gegenstand der Oberaufsicht und damit auch die Tragweite der Informationsrechte auf die Befugnisse nach Artikel 7 Absatz 2 Nationalbankgesetz beschränkt. In diesem Bereich ist es den Organen der Oberaufsicht auch untersagt, Empfehlungen direkt an die SNB zu richten. Diesbezüglich unterscheidet sich die SNB von anderen verselbstständigten oder unabhängigen Verwaltungseinheiten. Ausserhalb des Bereichs der Geld- und Währungspolitik kommen die Informationsrechte nach den Artikeln 150, 153-156 und 166-170 ParlG zur Anwendung.
Protokollierung der Sitzungen der PUK
Artikel 165 ParlG sieht verschiedene verfahrensrechtliche Bestimmungen vor. Absatz 3 hält fest, dass die wesentlichen verfahrensmässigen Vorgänge protokolliert werden. Es ist einerseits auch in den Materialien und in den Verordnungsbestimmungen nicht konkret definiert, was «wesentliche verfahrensmässige Vorgänge» sind. Andererseits entspricht diese Bestimmung nicht der Praxis der Aufsichtskommissionen und der PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion», welche für sämtliche Sitzungen Wortprotokolle anfertigen lassen. Diese Praxis kam zuletzt bei den Arbeiten der PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» zur Anwendung und wird als zielführend und angemessen beurteilt. Die Bestimmung in Artikel 165 Absatz 3 ParlG ist durch folgenden Wortlaut zu ersetzen:
«Die Sitzungen werden ganzheitlich auf einem Tonträger aufgenommen. Gestützt darauf werden Wortprotokolle erstellt. Die Protokollauszüge werden den befragten Personen zur Unterzeichnung vorgelegt.»
Der letzte Satz entspricht der Bestimmung zur GPDel und wird von der PUK «Geschäftsführung der Behörden - CS-Notfusion» auch entsprechend angewandt. Die Bestimmung betreffend die Protokollierung soll auch dann zur Anwendung kommen, wenn Personen von den Untersuchungsbeauftragten befragt werden.
Konsultation
Die PUK legte den Berichtsentwurf bzw. Auszüge hiervon allen angehörten Personen zur Konsultation vor. Dabei wurden die Angehörten gebeten, der PUK mitzuteilen, ob der Bericht materielle oder formelle Fehler beinhaltet und ob einer Veröffentlichung allfällige Geheimnisvorbehalte entgegenstehen. Dies entspricht der Praxis der GPK und verfolgt einen doppelten Zweck: Einerseits soll damit die Qualität des Berichtes sichergestellt werden, andererseits geht es darum, die angehörten Personen darüber zu informieren, welche Aussagen und weiteren Informationen in den Berichtsentwurf Eingang gefunden haben. Damit wird allen angehörten Personen zumindest ein Teilbereich des rechtlichen Gehörs zugestanden, was über das geltende Recht hinausgeht.
Die Praxis hat gezeigt, dass diese Konsultation im Einzelfall sehr aufwendig sein kann, jedoch gewinnbringend ist. Entsprechend soll sie aus Sicht der PUK gesetzlich verankert werden. Die Konsultation der angehörten Personen wurde nach dem Vorbild der Praxis der GPK durchgeführt.
14.4.4 Weiteres Vorgehen
Die PUK hat beschlossen, eine parlamentarische Initiative einzureichen, um die oben erwähnten Aspekte im Parlamentsgesetz umzusetzen. Idealerweise wird diese parlamentarische Initiative einer der beiden GPK zur weiteren Bearbeitung zugewiesen.
2²64 Weiter finden für die Beweiserhebungen der PUK die Artikel 42-48 und 51-54 des Bundesgesetzes vom 4.12.1947 über den Bundeszivilprozess (BZP; SR 273 ) sinngemäss Anwendung, soweit das Parlamentsgesetz nichts Anderes regelt (Art. 166 Abs. 5 ParlG). Betreffend die Vorladung und allfällige Vorführung von auskunftspflichtigen Personen sind die Art. 49, 50 und 201-209 der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5.10.2007 (StPO, SR 312.0 ) sinngemäss anwendbar (Art. 153 Abs. 3 ParlG).
15 Schlussbemerkungen
Die PUK hatte zum Auftrag, die Geschäftsführung des Bundesrates, der Bundesverwaltung und anderer Träger von Aufgaben des Bundes während der letzten Jahre im Zusammenhang mit der Notfusion der CS mit der UBS zu untersuchen. Dabei waren die Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit der Tätigkeit der genannten Behörden und Organe sowie deren Zusammenwirken zu analysieren. Der ihrer Arbeit zugrunde liegende Bundesbeschluss enthielt kein Enddatum für den Abschluss der Untersuchung. Gleichwohl erschien es der Kommission wichtig, ihre umfassende Untersuchung so zeitnah wie möglich abzuschliessen - dies mit dem Ziel, es den eidgenössischen Räten und dem Bundesrat im Interesse einer nachhaltigen Sicherung eines stabilen Finanzplatzes zu ermöglichen, die bereits anstehenden und teilweise sistierten Projekte abzuschliessen respektive den von der PUK eruierten Handlungsbedarf so rasch wie möglich anzugehen.
Im vorliegenden Bericht informiert die PUK auftragsgemäss über die Ergebnisse ihrer Untersuchung, benennt soweit möglich Verantwortlichkeiten und weist die identifizierten Optimierungsfelder aus. Zentraler Bestandteil des Berichtes sind somit die Vorschläge der Kommission für Massnahmen zur Behebung der eruierten Mängel, die sie mittels Empfehlungen und parlamentarischer Vorstösse zuhanden des Bundesrates formuliert hat. Die genannten Empfehlungen und parlamentarischen Vorstösse beziehen sich, sofern nicht anders ausgewiesen, auf die Regulierung und Überwachung systemrelevanter Banken. Für die PUK ist diese Differenzierung sehr wichtig.
Angesichts der Breite des Untersuchungsgegenstandes war die Kommission gezwungen, Schwerpunkte zu setzen. Sie erhebt somit keinen Anspruch auf eine vollständige Darstellung der Ereignisse und Entwicklungen seit 2015. Ihren Fokus hat die PUK auf Themen gelegt, die in engerem Zusammenhang mit der Notfusion stehen. Diese hat sie eingehender untersucht als Themen, die zwar für die Prüfung der Geschäftsführung der Bundesbehörden relevant erscheinen, für die Krisenbewältigung jedoch eine untergeordnete Rolle spielten.
1. Ausgangslage : CS-Krise in der Verantwortung des CS-Managements und Rolle der Behörden
Einleitend ist es der PUK ein Anliegen, am Abschluss ihrer Untersuchung zu betonen, dass die Verantwortung für die Schieflage der CS, die im März 2023 existenzbedrohend wurde, beim Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung der CS der letzten Jahre liegt. Es waren das jahrelange Missmanagement der CS-Führung und verschiedene Skandale (u. a. Beihilfe zur Steuerhinterziehung, Geldwäscherei, Beschattungsaffäre) in der Geschäftsführung der Bank, welche in Kombination mit schlechten Geschäftsergebnissen und gleichzeitig hohen variablen Vergütungen für das Topmanagement für den Vertrauensverlust an den Märkten sorgten. So beliefen sich die Leistungsprämien an die Managementebene der CS zwischen 2010 und 2022 auf insgesamt 39,8 Milliarden Franken, während der Gesamtverlust im gleichen Zeitraum 33,7 Milliarden Franken betrug. Hinzu kam eine grundsätzliche Renitenz gegenüber der Aufsichtstätigkeit der FINMA. Trotz der zahlreichen Interventionen der FINMA und insbesondere auch der verschiedenen Enforcementverfahren erzielte die CS hinsichtlich der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen keine nachhaltigen Fortschritte. Selbst im Spätherbst 2022, als die Probleme der CS nicht mehr zu verkennen waren, wehrte sich die Bank teilweise vehement gegen Anweisungen der FINMA, so zum Beispiel, als die FINMA die CS zur Einrichtung eines für die spätere Fusion unabdingbaren Datenraums aufforderte und auch bei der Suche nach möglichen Fusions- und Übernahmepartnern.
Rolle der Behörden im Kontext des CS-Missmanagements und der CS-Krise
Die für die Finanzstabilität zuständigen Behörden verfolgten die Entwicklungen der CS spätestens seit Herbst 2022 mit grosser Sorge. Ohne ihre Vorbereitungen im 2022 und ihr koordiniertes sowie engagiertes Eingreifen in den Märztagen 2023 hätte die CS abgewickelt werden müssen, mit den entsprechend negativen Folgen für die nationalen und internationalen Finanzmärkte und die Wirtschaftsentwicklung. Mit anderen Worten: Das Krisenmanagement der Behörden hat eine weltweite Finanzkrise erfolgreich verhindert. Diese Leistung ist positiv zu würdigen. Bei der Beurteilung der Geschäftsführung der Behörden muss auch mit bedacht werden, dass der Wissensstand nach den Ereignissen kaum mit jenem von damals zu vergleichen ist. Auch kann im Nachhinein nicht zuverlässig beurteilt werden, welche alternativen Entscheide zu welchen Auswirkungen geführt hätten. Gleichwohl erkennt die PUK Verbesserungsbedarf auf verschiedenen Ebenen.
2. Hauptkritikpunkte an der Geschäftsführung vor der Krise
Einleitend hält die PUK fest, dass die Geschäftsführung der Behörden in den Jahren vor der Krise das Missmanagement und die daraus resultierenden Probleme der CS weder verursacht noch verstärkt hat .
Die PUK hat gleichwohl verschiedene Entwicklungen an der Schnittstelle zwischen der CS und der Geschäftsführung der Behörden identifiziert (siehe untenstehende Ausführungen), die dazu beigetragen haben könnten, dass die Schieflage der CS nicht mehr nachhaltig zu korrigieren und der Handlungsspielraum der Behörden in der Krisenbewältigung teilweise begrenzt war.
Eingeschränkte Wirkung der FINMA-Aufsicht und unzweckmässiger regulatorischer Filter
Mit Blick auf die Vorkrisenphase stellt die Kommission erstens fest, dass die zuständige Aufsichtsbehörde, die FINMA, in den Vorkrisenjahren zentrale Schwachstellen der CS erkannt hat (siehe Ziff. 1 und 5). Kein anderes Institut war mit mehr Enforcementverfahren konfrontiert als die CS. Die Wirkung der FINMA-Aufsicht war jedoch begrenzt, da die CS sich über Jahre weigerte, die Auflagen nachhaltig umzusetzen. Vor diesem Hintergrund bedauert die Kommission, dass die FINMA nicht noch strikter durchgegriffen hat, beispielsweise in Form eines Gewährsentzugs. Zweitens sieht die PUK die der CS 2017 gewährten Erleichterungen ausgesprochen kritisch. Die CS hatte schon zuvor von Erleichterungen profitiert, die die FINMA damals aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung gewährt hatte. Der 2017 gewährte sogenannte regulatorische Filter erlaubte es dem Stammhaus der CS, den Unterschied zwischen Sammelbewertung und Einzelbewertung der Beteiligungen an seine Eigenmittel anzurechnen. Auch wenn der Filter rechtmässig war, stellt die PUK dessen Zweckmässigkeit grundsätzlich infrage. Der Filter wirkte deutlich stärker als ursprünglich angenommen und machte im Verlustjahr 2022 nahezu die Hälfte der regulatorisch ausgewiesenen Eigenmittel der CS AG aus. Ohne diesen Filter hätte die CS die regulatorischen Eigenmittelanforderungen bereits ab 2021 leicht und ab 2022 deutlich nicht mehr erfüllt. Der Handlungsspielraum war aufgrund der unzureichenden Kapitalisierung ab Herbst 2022 eingeschränkt. Ob es der CS gelungen wäre, ab 2017 ihre Kapitalbasis zu erweitern, wenn ihr der Filter nicht gewährt worden wäre, muss offenbleiben. Aus Sicht der PUK besteht dringender Handlungsbedarf hinsichtlich der Gewährung von Erleichterungen.
Gesetzliche Weiterentwicklung - fehlender PLB
In Bezug auf die Gesetzgebung stellt die Kommission weiter fest, dass Bundesrat und Parlament ab 2015 die Wettbewerbsbedingungen für die hiesigen Bankinstitute bei der Umsetzung der internationalen Standards (Basel III, Prinzipien des BCBS und des FSB) möglichst attraktiv ausgestalteten. Dazu gehörte, dass die Behörden darauf achteten, internationale Standards nicht früher als andere Länder mit international bedeutenden Finanzplätzen umzusetzen. Bei Rechtsetzungsprojekten räumten sie den Anliegen des Finanzsektors eine hohe Bedeutung ein, auch wenn die FINMA und die SNB aus Sicht der Finanzstabilität wiederholt gegenteilige Positionen einnahmen. Zudem gewährte der Bundesrat den G-SIBs bei der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung verschiedentlich verlängerte Übergangsfristen (bspw. Going-Concern- und Gone-Concern-Anforderungen; neues Liquiditätskonzept 2022) oder verzögerte die Einführung neuer Regelungen (bspw. Going-Concern-Anforderungen für die Stammhäuser). Diese Faktoren führten dazu, dass die Schweiz ab 2015 bei der Umsetzung der internationalen Standards nicht mehr zu den führenden Ländern gehörte. Diese Stossrichtung wurde verfolgt, obwohl die Schweizer Grossbanken, wie den verantwortlichen Behörden bewusst war, im Verhältnis zur Schweizer Wirtschaft deutlich grösser als ausländische Finanzinstitute waren. Mit Blick auf die CS-Krise und deren Bewältigung fällt aus Sicht der Kommission insbesondere das Fehlen eines PLB ins Gewicht. Die PUK ist der Ansicht, dass der Bundesrat bei der Einführung eines PLB zu zögerlich war. Hätte die Schweiz bereits im Herbst 2022 über einen PLB verfügt, so hätten die Behörden im Herbst 2022 über zusätzliche Handlungsspielräume verfügt, ohne auf Notrecht zurückgreifen zu müssen und durch eine allfällige kurzfristige notrechtliche oder durch eine beschleunigte ordentliche Einführung ein verunsicherndes Signal an die Märkte zu senden. Ein bereits eingeführter PLB hätte zweifellos vertrauensbildend gewirkt, auch wenn die konkrete Wirkung im Nachhinein nicht abschliessend abgeschätzt werden kann. Die Geschäftsführung der Behörden war diesbezüglich zwar rechtmässig, jedoch nur bedingt zweckmässig und schliesslich auch nur bedingt wirksam.
3. Bewertung des Krisenmanagements der Behörden ab Herbst 2022
Es ist schwierig, einen konkreten Zeitpunkt zu nennen, ab dem sich die Krise der CS abzuzeichnen begann. Jedenfalls verschlechterten sich verschiedene Indikatoren zur wirtschaftlichen Lage der CS im Laufe des Jahres 2022 deutlich. Im Sommer sah sich die CS gezwungen, eine tiefgreifende Strategieanpassung anzukündigen. Der AF als Krisengremium bzw. Koordinationsgremium zwischen EFD, FINMA und SNB befasste sich zum ersten Mal Anfang August 2022 mit der Krisensituation der CS. Die Behörden aktivierten den Krisenmodus ab Anfang Oktober 2022, als die CS massive Liquiditätsabflüsse verzeichnete. Aus Sicht der PUK war Anfang Oktober ein geeigneter Zeitpunkt, um den Krisenmodus zu aktivieren.
Nun tagten die Gremien des LG und des AF, die die wichtigsten Funktionsträgerinnen und Funktionsträger im Bereich der Finanzstabilität umfassten, in kurzen Abständen. Die PUK ist der Ansicht, dass diese breite Abstützung für ein gutes Krisenmanagement von Vorteil war. Etwas kritischer sieht die PUK den Umstand, dass die Mitglieder des AF in mehreren Fällen bestimmte Informationen nicht umgehend an das LG weitergegeben haben. Im gesamten Prozess waren generell nicht alle Behörden auf dem gleichen Wissensstand, was ein früheres dezidiertes Eingreifen möglicherweise erschwert hat.
Durchführung informeller Treffen ab Herbst 2022
Mit den nicht formalisierten Non-Meetings, die auf Initiative des ehemaligen EFD-Vorstehers und des SNB-Präsidenten ab Ende Oktober 2022 durchgeführt wurden, entstand ein Parallelformat zur bestehenden Krisenorganisation der Behörden. Die Kommission anerkennt, dass diese informellen Treffen eine gewisse Bedeutung bei der Vorbereitung einer Fusion der CS mit der UBS hatten. Sie bemängelt aber gleichzeitig, dass die Koordination und der Informationsaustausch mit den Regelstrukturen nicht gewährleistet waren; dies trotz entsprechender Bestimmungen des tripartiten Memorandum of Understanding , wonach die Behörden die Auswirkungen ihres Handelns auf die Verantwortungsbereiche der anderen Parteien berücksichtigen und ihre Tätigkeiten koordinieren.
Prüfung der Szenarien und Anwendung von Notrecht
Zwischen Sommer 2022 und März 2023 war ein erheblicher Teil der Aktivitäten der Krisenorgane, insbesondere des AF, den Überlegungen zu Krisenausstiegsszenarien gewidmet. Die Behörden setzten sich ab Herbst 2022 kontinuierlich und offen mit den möglichen Interventionsmassnahmen auseinander. Sie haben sowohl die vom TBTF-Regime vorgesehenen Optionen vorbereitet (Resolution; ELA) wie auch neue Massnahmen in Betracht gezogen (TPO; ELA+; Übernahme). In der Einschätzung der PUK haben die Behörden bei ihren Vorbereitungen die wichtigsten möglichen Massnahmen abgedeckt.
Eines der in Betracht gezogenen Szenarien war die Sanierung der CS. Auch dieses Szenario wurde von der FINMA vorausschauend vorbereitet. Das Szenario einer Übernahme der CS durch eine andere Bank wurde seit Oktober 2022 diskutiert. Eine Schweizer Lösung war gemäss Einschätzung der Behörden die einzige kurzfristig realisierbare Option. Eine Lösung mit einer ausländischen Bank wäre nur auf längere Sicht umsetzbar gewesen. Es wurden diesbezüglich aber keine konkreten Abklärungsarbeiten durchgeführt. Zur Abstützung der genannten Szenarien führten die Behörden makroökonomischen Analysen durch, teilten diese Informationen jedoch nicht frühzeitig mit dem LG und dem Bundesrat.
4. Bewertung des Krisenmanagements in der Akutphase
Die Behörden setzten ab dem 15. März 2023 alles daran, die CS bis zum Wochenende und für die mögliche Übernahme zahlungsfähig zu halten und im Hinblick auf die Eröffnung der Börsen über eine tragfähige Lösung zu verfügen. Trotz des enormen Zeitdrucks entwickelten sie bis am Schluss verschiedene Handlungsoptionen weiter; dies im Wissen darum, dass ein Kauf durch die UBS spätestens vom 15. März an die präferierte Variante war. Am Sonntag, dem 19. März, standen den Behörden drei fertig ausgearbeitete Optionen zur Verfügung: eine Übernahme der CS durch die UBS (einschliesslich einer allfälligen erzwungenen Übernahme), eine Sanierung der CS und eine vorübergehende Verstaatlichung (TPO) der Gruppe. Die PUK erachtet dies als insgesamt positiv: Selbst während dieser sehr intensiven Tage im März war es den Behörden möglich, gleichzeitig an mehreren Szenarien zu arbeiten.
Während der Lösungssuche achteten die Behörden auf einen gewissen Interessenausgleich zwischen der CS und der UBS sowie auf die finanziellen Auswirkungen auf den Bund. Die PUK ist der Meinung, dass die Behörden eine zentrale Rolle bei der gefundenen Lösung spielten, insbesondere da ein Zusammenhang zwischen den Staatsgarantien und dem von der UBS gebotenen Preis bestand. Angesichts der Akutsituation und des damit verbundenen Zeitdrucks ist für die Kommission nachvollziehbar, dass zu diesem Zeitpunkt nicht mehr die Zeit blieb, eine Alternative mit einer ausländischen Bank umzusetzen und damit eine Lösung zu finden, die aus einer längerfristigen Wettbewerbs- und TBTF-Perspektive vorteilhafter gewesen wäre. Die PUK ist aber der Auffassung, dass die gewählte Lösung einzelne Schwachstellen der bestehenden TBTF-Regulierung deutlich offengelegt hat (siehe Ziff. 6).
Anwendung von Notrecht
Die PUK hat auch die Anwendung von Notrecht in der akuten Krise untersucht. Sie ist zum Schluss gelangt, dass die notrechtliche Einführung des PLB am 16. März 2023 angesichts der drohenden Abwicklung, die beträchtliche Risiken für die nationale und internationale Finanzstabilität mit sich gebracht hätte, rechtmässig war. Auch die notrechtliche Einführung von ELA+ war aus Sicht der Kommission recht- und auch zweckmässig. Die Einführung von ELA+ ermöglichte die Fortführung der Geschäftstätigkeit der CS, sorgte kurzfristig für die nötige Finanzstabilität und trug dazu bei, die Risiken für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu minimieren.
Die Notverordnung des Bundesrates erwähnte in Artikel 5 a auch die Kompetenz der FINMA zur Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen. Mit Blick auf die hängigen Gerichtsverfahren fokussiert die PUK vorliegend auf generelle Erwägungen zur Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen. Sie weist darauf hin, dass die von der CS ausgegebenen AT1-Anleihen, wie von Gesetzes wegen verlangt (Art. 29 ERV), vertraglich vorsahen, dass sie im Falle gewisser Ereignisse vollständig abgeschrieben werden können. Die Abschreibungsgefahr wurde zudem vom Markt erkannt, da die AT1-Anleihen schon vor Mitte März 2023 am Markt schlechter bewertet worden waren. Aus Sicht der Kommission ist insgesamt festzuhalten, dass die Anordnung zur Abschreibung der AT1-Anleihen entsprechend dem Zweck und der Funktionsweise solcher Instrumente Teil aller Lösungsszenarien im CS-Fall war, und zwar nicht erst im März 2023. In diesem Kontext weist die PUK auch darauf hin, dass das vom Staat ergriffene Massnahmenpaket zur Verhinderung der Zahlungsunfähigkeit der CS von grosser Tragweite war und auf Notrecht gestützt erlassen wurde. Insofern stellt die PUK fest, dass der Staat sich in erheblichem Umfang an der Lösungsfindung beteiligt hat.
5. Bewertung der Geschäftsführung der einzelnen Behörden während des gesamten Untersuchungszeitraums
Im Zentrum der Untersuchung der PUK standen der Gesamtbundesrat und die drei Parteien des MoU für Finanzstabilität, konkret das EFD mit den zuständigen Fachämtern, die FINMA und die SNB, in einem geringeren Ausmass auch die RAB. Nachfolgend konzentriert sich die PUK auf die genannten Akteure und Behörden.
Dem EFD kommt in der Gesamtbetrachtung eine Schlüsselrolle zu. Es war am EFD, gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu erkennen, im Krisenmanagement die Koordination zu übernehmen, den Bundesrat zu orientieren und geeignete Massnahmen vorzuschlagen. Zudem hatte es mindestens teilweise den Lead bei der Bewirtschaftung des entsprechenden Risikos im Rahmen des Risikomanagements. Das Monitoring der TBTF-Regulierung erfolgte zwar regelmässig, doch fehlte es an einer strategischen Standortbestimmung. Insbesondere der PLB wurde aufgrund der Annahme, dass ein PLB damals im Parlament keine Mehrheit gehabt hätte, lange nicht aktiv eingebracht. Im Krisenherbst liess der damals zuständige EFD-Vorsteher aus Angst vor Leaks eine kontinuierliche und vertiefte Orientierung der Regierung vermissen. Daran änderte auch die Kritik seiner Bundesratskolleginnen und -kollegen wenig. So war der Bundesrat in einem nach Ansicht der Kommission geringen Mass über die Probleme und die Handlungsansätze orientiert. Die Departementsübergabe beim CS-Dossier funktionierte nach Ansicht der PUK ungenügend. Die Nachfolgerin orientierte den Bundesrat bereits kurz nach ihrem Amtsantritt über die Situation der CS, liess aber aus Sicht der PUK teilweise ebenfalls eine vertiefte Orientierung vermissen, insbesondere hinsichtlich der verschiedenen Handlungsoptionen. In den Krisentagen setzte sie sich intensiv für eine Lösung zwischen der CS und der UBS ein und nahm eine wirksame Koordination sowohl mit den inländischen Partnern wie auch mit den ausländischen Behörden vor. Unter ihrer Führung gelang es den Behörden, eine internationale Finanzkrise abzuwenden.
Der Gesamtbundesrat zog zwar alle zwei Jahre Bilanz über das TBTF-Regelwerk, nahm aber keine eigentliche Standortbestimmung vor. Er traf ab 2015 verschiedentlich Entscheidungen, die den Positionen der Banken entgegenkamen, nahm die Bedenken, die die FINMA und die SNB mit Blick auf die Finanzstabilität äusserten, wiederholt nicht auf und setzte auch die internationalen Standards verlangsamt um (siehe Ziff. 2). Ab November 2022 befasste er sich wiederholt mit der Schieflage der CS. Erschwert wurde die Geschäftsführung des Gremiums durch die aus Sicht der PUK lange ungenügende Informationsgrundlage. Im November 2022 gab es hierzu im Bundesrat wiederholt Kritik. 2023 war dies nicht mehr der Fall. Zu den verschiedenen Szenarien war der Bundesrat bis in die Märzkrise nur rudimentär informiert. Auch in den Märztagen erhielt er hierzu nur mündliche Informationen, die nicht mehr rekonstruiert werden konnten. Positiv ist aus Sicht der Kommission, dass der Bundesrat mit Blick auf die lange Zeit ausstehende Einigung zwischen der CS und der UBS darauf beharrte, dass Alternativszenarien weiterverfolgt wurden. Allerdings wurde für die Kommission nicht klar, welchen Plan B das Gremium gewählt hätte.
Die SNB traf bereits mehrere Jahre vor Krisenbeginn vorbereitende Massnahmen für die Gewährung von ELA. Diese Vorbereitungen, vor allem das MoU mit der CS und die jährliche Überprüfung der Liquiditätshilfe, waren im Krisenfall von grossem Wert. Zusätzlich zur Liquiditätshilfe im Rahmen der EFF und des per Notrecht eingeführten PLB gewährte die SNB zudem Liquidität durch das einmalig geschaffene Instrument ELA+. Auch das reguläre Instrument der ELA wurde zum ersten Mal von einer Bank in Anspruch genommen. Zwar prüfte die SNB in den vergangenen Jahren mehrfach die anrechenbaren Sicherheiten der Banken. Jedoch reichte die im Rahmen der Krise zur Verfügung gestellte ELA nicht aus. Für die PUK bleibt die Frage offen, ob die Praxis der SNB in Bezug auf die Vergabe und die anrechenbaren Sicherheiten zu restriktiv ist. Aus Sicht der Kommission besteht diesbezüglich Klärungsbedarf. Die rechtlichen Grundlagen sind so anzupassen, dass die SNB die Kompetenz erhält, den SIBs vorbereitende Massnahmen für eine allfällige Inanspruchnahme einer ausserordentlichen Liquiditätshilfe aufzuerlegen. Zudem sollten Massnahmen ergriffen werden, um die mit der Inanspruchnahme der ELA assoziierte Stigmatisierung zu verringern.
Die FINMA hat in den Vorkrisenjahren wiederholt die fehlende Risikokultur, die unbefriedigende Kapitalsituation des Stammhauses und die variable Vergütungspolitik kritisiert. Sie war bestrebt, die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente umfassend auszuschöpfen. Ihre Aufsichtstätigkeit war rechtmässig, teilweise aber nicht zweckmässig und nicht durchgehend wirksam. So ist es für die PUK nicht verständlich, dass trotz der zahlreichen Verfehlungen der Bank keine kausale Verantwortung für die betreffenden Verfehlungen etabliert werden konnte. Nicht nachvollziehen konnte die PUK vor allem die Gewährung des regulatorischen Filters (siehe Ziff. 2).
Als sich die Krise abzeichnete, intensivierte die FINMA die Aufsicht sukzessive und drängte bei der CS auf die Vorbereitung von verschiedenen Massnahmen, insbesondere hinsichtlich der Suche nach einem Übernahmepartner und auch hinsichtlich der Finalisierung des Sanierungsplans. Die Durchführung einer Valuation-in-Resolution-Übung wertet die Kommission positiv. Zudem klärte die FINMA die Rechtsrisiken in den Märztagen sorgfältig ab und sorgte für die internationale Koordination im Falle einer Sanierung.
Die PUK hat auch die Zusammenarbeit zwischen der SNB, der FINMA und dem EFD in Bezug auf Finanzstabilität vor und während der Akutkrise untersucht. Dabei weist sie darauf hin, dass diese nur in einem MoU festgehalten ist. Das MoU stellt nach Ansicht der PUK eine zu wenig verbindliche und zum Teil auch zu wenig detaillierte Rechtsgrundlage dar; dies vor dem Hintergrund, dass sich in der vorliegenden Krisenbewältigung mit Blick auf die unterschiedlichen Rollen und damit verbundenen Zielkonflikte Spannungen gezeigt haben, die für die Lösungsfindung nicht immer förderlich waren. Hier besteht Handlungsbedarf.
Die RAB prüfte die Revisionsgesellschaften der CS zwischen 2015 und 2022 zwar jährlich. Es fanden jedoch nur 2015 und 2016 umfassende Prüfungen statt, die sowohl Regulatory Audits und Financial Audits umfassten. Die formalen Mängel bei der Entscheidbegründung für die jeweils durchgeführte Prüfung in den übrigen Jahren sind nach Ansicht der PUK zu beheben, unter anderem auch, weil beim Wechsel der Revisionsgesellschaft der CS im Jahr 2021 keine umfassende Inspektion für notwendig erachtet wurde. Generell passte die RAB den Prüfungszyklus trotz der sich abzeichnenden Schwierigkeiten der CS nicht an und verzichtete bis nach der Akutkrise im März 2023 auf Ad-hoc-Überprüfungen und Nachkontrollen. Bei SIBs ist nach Ansicht der PUK daher zukünftig ein risikobasiertes und dynamisches Aufsichtskonzept vonnöten. Auch die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen der FINMA und der RAB sind zu intensivieren. Zudem stellt sich die Frage, ob das heutige System der dualen Aufsicht zielführend ist (siehe Ziff. 6).
6. Generelle Erkenntnisse zur TBTF-Gesetzgebung und aktueller Handlungsbedarf
Aktuell sind zwei signifikante Abweichungen der Schweizer TBTF-Regulierung von den internationalen Standards zu verzeichnen: der fehlende PLB und die Ausgestaltung der Einlagensicherung. Die PUK stellt fest, dass das Massnahmenpaket, das der Bundesrat nach der CS-Krise in seinem Bericht zur Bankenstabilität vom 10. April 2024 vorstellte, keine Anpassungen im Bereich der Einlagensicherung vorsieht. Eine Vorlage zur Einführung eines PLB ist zum Zeitpunkt der Publikation des PUK-Berichtes in den Räten hängig. Weiter verfügt die Schweiz auch über keine explizit gesetzlich verankerte TPO. Die PUK sieht den Zielkonflikt zwischen staatlichen Beihilfen in Form einer TPO, welche im Kontext einer Sanierung oder Abwicklung eingeführt würde, und der TBTF-Regulierung, die bezweckt, solche Beihilfen grundsätzlich zu vermeiden.
Zudem ist die Kommission zum Schluss gelangt, dass die TBTF-Gesetzgebung zu sehr auf die Schweiz fokussiert ist, insbesondere bei der Notfallplanung. Der Fokus des Notfallplans auf die systemrelevanten Schweizer Teile hätte bei einem ELA-Bezug ein Problem für die Liquiditätsverteilung innerhalb der Gruppe sein können. Die Kommission ist ausserdem der Ansicht, dass die Abwicklungsplanung einer aus der Schweiz heraus international tätigen G-SIB die internationalen Verflechtungen mitberücksichtigen muss. Jegliche Bewältigung einer Krise einer G-SIB, wie sie die CS erfahren hat, erfordert die Koordination mit ausländischen Aufsichtsbehörden. Die Ziele der TBTF-Gesetzgebung sollen nebst dem Schutz des schweizerischen Finanzsystems auch die Umsetzbarkeit im internationalen Verhältnis sowie die Vermeidung der Auslösung einer internationalen Finanzkrise beinhalten.
Darüber hinaus hat die Kommission anhand der CS-Krise erkannt, dass die TBTF-Regulierung nicht für eine Vertrauenskrise konzipiert ist. Die Kommission befürwortet, wie bereits erwähnt, die Einführung eines PLB. Weiter ist aus Sicht der Kommission die Gesetzgebung zu stark auf diverse Kennzahlen fokussiert, während wichtige Marktindikatoren vernachlässigt werden.
Handlungsbedarf erkennt die Kommission auch hinsichtlich der aktuellen Regelung der Revisionsaufsicht. Hier wäre die aktuelle Regelung zum Aufsichtssystem zu überdenken, und zwar einschliesslich der Frage der Direktmandatierung und der Frage, ob eine obligatorische Rotation der Revisionsgesellschaften mit Blick auf die Wirksamkeit der Aufsicht zielführend wäre. Dabei wäre auch zu berücksichtigen, ob strengere Regeln vor allem für SIBs und G-SIBs sinnvoll wären.
Generell ist es für die PUK unabdingbar, den Umstand, dass die verbleibende G-SIB im Verhältnis zum Schweizer BIP ein Vielfaches grösser ist als andere Finanzinstitute im Verhältnis zum BIP des jeweiligen Landes, in der Regulierung angemessen zu berücksichtigen. Insbesondere die TBTF-Gesetzgebung ist demnach weiterzuentwickeln und an die vergleichsweise bedeutende Grösse der verbleibenden Schweizer G-SIB anzupassen. Den Interessen der Finanzstabilität und der Gesamtvolkswirtschaft sowie gemeinsamen Stellungnahmen der Organe, die für die Finanzstabilität verantwortlich sind, ist mehr Gewicht beizumessen.
Die Parlamentarische Untersuchungskommission unterbreitet ihren Bericht über die Geschäftsführung der Bundesbehörden im Kontext der CS-Krise der Bundesversammlung zur Kenntnisnahme.
| 17. Dezember 2024 | Im Namen der KommissionDie Präsidentin: Isabelle Chassot, Ständerätin Die Vizepräsidentin: Franziska Ryser, Nationalrätin Die Sekretärin: Ursina Jud Huwiler Der stv. Sekretär: Stefan Koller |
Liste der Empfehlungen, Motionen, Postulate und der parlamentarischen Initiative
Empfehlungen
| Empfehlung Nr. 1 Der Bundesrat wird aufgefordert, bei der zukünftigen Ausgestaltung der TBTF-Regulierung die internationalen Abhängigkeiten von SIBs sowie die vergleichsweise bedeutende Grösse der verbleibenden Schweizer G-SIB angemessen zu berücksichtigen. Den Interessen der Finanzstabilität und der Gesamtvolkswirtschaft sowie gemeinsamen Stellungnahmen der Organe, die für die Finanzstabilität verantwortlich sind, ist mehr Gewicht beizumessen.Die Kommission fordert den Bundesrat auch auf, in seinen Evaluationsberichten gemäss Artikel 52 BankG jeweils eine umfassende strategische Auseinandersetzung mit der Weiterentwicklung der TBTF-Regulierung vorzunehmen. |
| Empfehlung Nr. 2 Der Bundesrat wird eingeladen zu prüfen, in welchen Konstellationen im Rahmen des Risikomanagements die Einführung eines Eskalationsrechts an ihn angemessen ist, und die notwendigen Massnahmen zur Einführung dieses Rechts zu unternehmen. Dabei ist den Bundesratsrisiken speziell Rechnung zu tragen. Des Weiteren wird er aufgefordert, die Transition zwischen Risikomanagement und Krisenbewältigung sicherzustellen und hierfür ein institutionalisiertes Gefäss zu schaffen. Insbesondere soll der Bundesrat prüfen, wie die Rolle der GSK in diesem Bereich gestärkt werden kann. |
| Empfehlung Nr. 3 Der Bundesrat wird aufgefordert, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit die FINMA ihre Enforcementverfahren wirkungsvoll durchsetzt und durchsetzen kann. Es sollte insbesondere geprüft werden, ob Artikel 22 Absatz 2 FINMAG in dem Sinne angepasst werden soll, dass die FINMA im Grundsatz über einzelne Enforcementverfahren zu systemrelevanten Banken kommunizieren kann. Dabei soll insbesondere die Rechtslage im Ausland mit Bezug auf die öffentliche Kommunikation von Aufsichtsbehörden berücksichtigt werden. |
| Empfehlung Nr. 4 Der Bundesrat wird aufgefordert zu prüfen, ob die Qualität und die Quantität der Eigenmittel der SIBs gemäss den aktuellen Anforderungen genug geschützt sind, damit die Solidität der SIBs gesichert ist. |
| Empfehlung Nr. 5 Die PUK fordert den Bundesrat auf, eine Gesetzesvorlage für die SIBs zur Beschränkung der Rechtsmittel sowie zur substanziellen Verkürzung der Beschwerdeverfahren bei prudenziellen Entscheidungen der FINMA zu prüfen. |
| Empfehlung Nr. 6 Die PUK lädt den Bundesrat dazu ein, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der RAB-Inspektionsprozesse bei den SIBs zu verbessern, indem namentlich Entscheidungen über den Umfang der Inspektionen formalisierter und systematisch dokumentiert werden. Zudem sollen die Frequenz und der Umfang der Inspektionen in Bezug auf SIBs risikobasiert angepasst und ein dynamischeres Aufsichtskonzept eingeführt werden. |
| Empfehlung Nr. 7 Die Kommission empfiehlt dem Bundesrat sicherzustellen, dass die RAB die Umsetzung der Korrekturmassnahmen umfassend überprüft. Dabei sollten eher systematische als stichprobenartige Kontrollen angewendet werden, um die vollständige Einhaltung der Qualitätsstandards zu gewährleisten. |
| Empfehlung Nr. 8 Die Kommission fordert den Bundesrat dazu auf sicherzustellen, dass die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen der FINMA und der RAB intensiviert und besser koordiniert werden. Zu prüfen ist hierbei eine verbindlichere Zusammenarbeitsvereinbarung beispielsweise im Rahmen eines Memorandum of Understanding. Angestrebt werden soll ein intensiver Austausch zu risikobehafteten Finanzinstituten auf der strategischen wie auch auf der operativen Ebene zu den FA und RA, um eine kontinuierliche, harmonisierte und risikobasierte Aufsicht zu gewährleisten. Es soll sichergestellt werden, dass die RAB alle relevanten Hinweise der FINMA erhält und diese konsequent in ihre Aufsichtsstrategie integriert. Zusätzlich sollte geprüft werden, ob generell ein formeller Krisenmodus definiert werden muss, um die Zusammenarbeit zwischen der RAB und der FINMA in Krisenzeiten zu stärken. |
| Empfehlung Nr. 9 Der Bundesrat wird eingeladen zu prüfen, welche international abgestimmten und zielführenden Massnahmen im Falle eines digitalen Bankruns ergriffen werden können. |
| Empfehlung Nr. 10 Die Kommission lädt den Bundesrat ein, dafür zu sorgen, dass das EFD und die SNB einander proaktiver über wichtige Entwicklungen mit Bezug auf systemrelevante Banken und deren Auswirkungen auf die Finanzstabilität zu informieren. Das kann in den bestehenden Regelstrukturen oder durch den Abschluss eines weiteren bilateralen MoU zwischen dem EFD und der SNB erfolgen. |
| Empfehlung Nr. 11 Die Kommission lädt den Bundesrat ein, die besprochenen Inhalte im Rahmen der regelmässigen Erörterungen der Wirtschaftslage, der Geld- und Währungspolitik mit der SNB (gemäss Art. 6 NBG) respektive der Erörterungen zur Strategie der Aufsichtstätigkeit und aktuellen Fragen der Finanzpolitik mit der FINMA (gemäss Art. 21 Abs. 2 FINMAG) in geeigneter Form zu dokumentieren. |
| Empfehlung Nr. 12 Die PUK ersucht den Bundesrat dafür zu sorgen, dass die Behörden des tripartiten Memorandums of Understanding zur Finanzstabilität und Finanzmarktregulierung Informationen zeitnah an die verschiedenen Mitglieder der Krisenorgane und zwischen den Ebenen (operative und strategische Ebene) weitergeben. Insbesondere sollen die Informationen aus den jährlichen Berichten der SNB über die Finanzstabilität mit allen involvierten Behörden diskutiert werden.Zudem soll der Bundesrat dafür sorgen, dass die Behörden des Memorandums Massnahmen ergreifen, damit Treffen informeller Natur besser mit den Regelstrukturen des Memorandums korrespondieren. Allfällige Beschlüsse sind von den zuständigen Gremien zu fällen. Schliesslich soll er dafür sorgen, dass die entsprechenden IT- und Kommunikationssysteme für eine enge Zusammenarbeit dieser Behörden in Krisenzeiten geeignet sind. |
| Empfehlung Nr. 13 Der Bundesrat wird angehalten sicherzustellen, dass er bei wichtigen Geschäften in angemessenem Umfang, wenn angezeigt mithilfe schriftlicher Unterlagen, informiert wird. Dabei soll ein Verfahren gewählt werden, welches Amtsgeheimnisverletzungen ausschliesst. Ausserdem fordert die PUK den Bundesrat und die Bundespräsidentin bzw. den Bundespräsidenten auf, in vergleichbaren Situationen ihre Kompetenzen gemäss Artikel 12 a Absatz 2 und Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe d RVOG anzuwenden und eine schriftliche Information des Kollegiums durchzusetzen. |
| Empfehlung Nr. 14 Der Bundesrat wird eingeladen, die Regelungen zur Departementsübergabe zu überprüfen. Er hat hierfür einen institutionalisierten Prozess zu erarbeiten, der über eine Checkliste hinausgeht. |
| Empfehlung Nr. 15 Die PUK lädt den Bundesrat ein, dafür zu sorgen, dass die betroffenen Behörden die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um ihre Sitzungen angemessen zu protokollieren, damit die Nachvollziehbarkeit gewährleistet ist. Insbesondere die Sitzungen der institutionalisierten Austauschgefässe zwischen SIF und FINMA sowie die in akuten Krisenzeiten stattfindenden Sitzungen (z. B. Sitzungen des Ausschusses Finanzkrisen oder des Lenkungsgremiums) sollen einheitlich protokolliert werden, selbst wenn die Protokolle nur sehr kurz ausfallen sollten. |
| Empfehlung Nr. 16 Die Kommission empfiehlt dem Bundesrat sicherzustellen, dass im Krisenfall bei Geschäften, die mehrere Behörden gleichermassen betreffen, frühzeitig die Verantwortung geregelt wird. Zudem sollen bei einer Krise die Zuständigkeiten klar definiert werden, und es soll für den Kontakt mit den externen Akteurinnen und Akteuren eine zentrale Ansprechstelle bestimmt werden. |
| Empfehlung Nr. 17 Die Kommission fordert den Bundesrat auf, auch beim Erlass von Notrecht das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung zu beachten und das Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 2004 anzuwenden. Sie ersucht den Bundesrat zudem, in Rücksprache mit dem EDÖB, der FINMA und der SNB allfällige Rechtsunsicherheiten betreffend das Recht auf Zugang zu Informationen nach BGÖ bei Konstellationen wie der im März 2023 eingetretenen proaktiv auszuräumen. |
| Empfehlung Nr. 18 Die PUK empfiehlt dem Bundesrat zu prüfen, ob die Revisionsaufsicht über die SIBs nicht allein bei der FINMA angesiedelt werden kann. |
| Empfehlung Nr. 19 Die Kommission fordert den Bundesrat auf, beim Erlass von Notrecht den frühzeitigen und laufenden Einbezug des Bundesamtes für Justiz zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Positionen des Amtes dem Kollegium in geeigneter Form zur Kenntnis gebracht werden. |
| Empfehlung Nr. 20 Die Kommission lädt den Bundesrat ein, die gesetzliche Bestimmung, dass die FINMA die Kompetenzen der WEKO in bestimmten Fällen übernehmen kann, zu überprüfen. Die Kommission sieht Klärungsbedarf insbesondere bei der Definition des Begriffs «Gläubigerschutz» sowie hinsichtlich des Zeitpunkts des Einbezugs der WEKO durch die FINMA. |
Motionen
| Motion Nr. 1: Ziele der TBTF-Gesetzgebung anpassen Der Bundesrat wird beauftragt, der Bundesversammlung aufgrund der Erkenntnisse aus der CS-Krise einen Entwurf zu Anpassungen am Zweckartikel der TBTF-Regulierung (Art. 7 Abs. 2 BankG) vorzulegen. Die Ziele der TBTF-Gesetzgebung sollen nebst dem Schutz des schweizerischen Finanzsystems auch die Umsetzbarkeit im internationalen Verhältnis sowie die Vermeidung der Auslösung einer internationalen Finanzkrise beinhalten. |
| Motion Nr. 2: Erleichterungen von Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften für SIBs beschränken Der Bundesrat wird beauftragt, der Bundesversammlung einen Entwurf zu einem Erlass vorzulegen, der die Gewährung von Erleichterungen von Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften für SIBs gemäss Artikel 4 Absatz 3 BankG beschränkt. Die Gewährung von Erleichterungen soll transparent ausgewiesen werden, zwingend zeitlich begrenzt und mit einem klaren Phase-out-Plan versehen sein. |
| Motion Nr. 3: Durchsetzungskraft der FINMA bei SIBs stärken Der Bundesrat wird beauftragt, geeignete Massnahmen zur Stärkung der Durchsetzungskraft der FINMA bei SIBs zu prüfen und der Bundesversammlung zu unterbreiten. Es sind unter anderem die nachfolgenden Massnahmen zu prüfen: a. die Einführung der Bussenkompetenz sowohl gegen SIBs als auch gegen Privatpersonen; b. die Erweiterung des Instrumentariums der FINMA zur Frühintervention mittels zeitlich differenzierter Massnahmen; c. die explizite Kompetenz, gegenüber einer SIB eine Kapitalplanung anzuordnen; d. die Anpassung der einschlägigen Rechtsgrundlagen, damit die FINMA ihre an SIBs gerichteten Empfehlungen im Bereich der Bankenaufsicht grundsätzlich formell verfügt;e. oder auch andere Massnahmen, damit die FINMA den Grossbanken auf Augenhöhe begegnen kann. |
| Motion Nr. 4: Kompetenzen der SNB gegenüber SIBs in Bezug auf ELA erweitern Der Bundesrat wird beauftragt, die rechtlichen Grundlagen so anzupassen, dass die SNB die Kompetenz erhält, den SIBs vorbereitende Massnahmen für eine allfällige Inanspruchnahme einer ausserordentlichen Liquiditätshilfe (ELA) aufzuerlegen. Zudem soll er Massnahmen ergreifen, um die mit der Inanspruchnahme der ELA assoziierte Stigmatisierung zu verringern. |
Postulate
| Postulat Nr. 1: Interessenskonflikte bei der Revision von Banken vermindern Die Kommission beauftragt den Bundesrat, die aktuelle Regelung der Revisionsaufsicht für SIBs mit Fokus auf die Verminderung des Risikos von Interessenkonflikten zu überprüfen und entsprechende Massnahmen zu evaluieren, beispielsweise eine Direktmandatierung oder eine zwingende Rotation der Revisionsgesellschaften. |
| Postulat Nr. 2: Die Krisenfrüherkennung überprüfen und die Rolle der BK stärken Der Bundesrat wird beauftragt, die Krisenfrüherkennung durch die BK zu überprüfen und hierüber Bericht zu erstatten. Die Krisenfrüherkennung und damit die Rolle der Bundeskanzlei müssen gestärkt werden. Insbesondere soll der Bundesrat die Einführung einer Eskalationsmöglichkeit durch hierarchisch untergeordnete Verwaltungseinheiten an die Bundeskanzlei prüfen. Der Bundesrat soll hierfür in seinem Bericht ein Konzept erarbeiten. |
| Postulat Nr. 3: Falsche Anreize bei Vergütungen und Ausschüttungen der SIBs vermeiden Der Bundesrat wird beauftragt zu prüfen, welche Massnahmen erforderlich sind, damit die Vergütungssysteme und Ausschüttungen der SIBs keine falschen Anreize setzen. Insbesondere sollen sogenannte variable Vergütungen (Erfolgsprämien) nicht erfolgen, wenn der Geschäftserfolg ausbleibt. |
| Postulat Nr. 4: Governance der FINMA erleichtern Der Bundesrat wird beauftragt zu prüfen, wie die Bestimmung in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b FINMAG angepasst oder allenfalls aufgehoben werden kann, um die Governance der FINMA hinsichtlich der Arbeitsbeziehung von Direktorium und Verwaltungsrat zu erleichtern. Er soll in diesem Zusammenhang auch prüfen, ob oder in welchen Konstellationen Enforcementverfahren gegen systemrelevante Banken ein Geschäft von grosser Tragweite gemäss Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b FINMAG sein sollten. |
| Postulat Nr. 5: Aktionariat in systemrelevanten Grossunternehmen stärken Die Kommission ersucht den Bundesrat, eingehend zu prüfen, wie das Aktionariat, inkl. Kleinaktionäre, von systemrelevanten Grossunternehmen gestärkt werden kann. Dies gilt insbesondere bei Beschlüssen, die für die Systemstabilität von Bedeutung sind. |
| Postulat Nr. 6: Gewährskriterien überprüfen, um Verantwortung der SIBs gegenüber Schweizer Volkswirtschaft und Steuerzahlenden zu stärken Der Bundesrat wird beauftragt zu prüfen, ob gesetzliche Grundlagen mit dem Ziel zu erarbeiten wären, die Verantwortung von Führungsorganen der SIBs gegenüber der schweizerischen Volkswirtschaft sowie den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern besser wahrzunehmen. Hierbei wäre zu prüfen, ob die heute geltenden Gewährskriterien (generelle Anforderung und Integrität sowie fachliche Eignung) auf Ebene der kandidierenden Person, aber auch auf Ebene des Gesamtorgans des Instituts zu ergänzen wären (u. a. mindestens zehnjährige Wohnsitzpflicht in der Schweiz für die Mehrheit des Verwaltungsrates). Zudem sollen auch weitere zielführende Massnahmen geprüft werden. |
Parlamentarische Initiative
Die PUK hat beschlossen, eine parlamentarische Initiative einzureichen, um die Bestimmungen des Parlamentsgesetzes, welche die PUK betreffen, anzupassen. Die parlamentarische Initiative wird separat eingereicht.
Anhang 1
Abkürzungsverzeichnis
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| AF | Ausschuss Finanzkrisen |
| AS | Amtliche Sammlung |
| ASF | Available Stable Funding |
| ASV-RAB | Verordnung der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde über die Beaufsichtigung von Revisionsunternehmen vom 17.3.2008 (Aufsichtsverordnung RAB, SR 221.302.33 ) |
| AT1 | Additional-Tier-1-Kapital |
| BankG | Bundesgesetz vom 8.11.1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz; SR 952.0 ) |
| BCBS | Basel Committee on Banking Supervision |
| BGer | Bundesgericht |
| BGÖ | Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung vom 17.12.2004 (Öffentlichkeitsgesetz, SR 152.3 ) |
| BIZ | Bank für Internationalen Zahlungsausgleich |
| BJ | Bundesamt für Justiz |
| BK | Bundeskanzlei |
| BoE | Bank of England |
| BPV | Bundesamt für Privatversicherungen |
| BV | Bundesverfassung ( SR 101 ) |
| BZP | Bundesgesetz vom 4.12.1947 über den Bundeszivilprozess (SR 273 ) |
| CBLB | Central Bank Liquidity Backstop |
| CEO | Chief Executive Officer |
| CET1 | Common-Equity-Tier-1-Kapital |
| CMC | Crisis Management College |
| CMG | Crisis Management Group |
| CPMI | Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen |
| CS | Credit Suisse |
| D-SIB | Domestic Systemically Important Bank |
| EBK | Eidgenössische Bankenkommission |
| EFD | Eidgenössisches Finanzdepartement |
| EFF | Engpassfinanzierungsfazilität |
| EFV | Eidgenössische Finanzverwaltung |
| EJPD | Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement |
| ELA | Emergency Liquidity Assistance |
| ELA+ | Emergency Liquidity Assistance Plus |
| ENA | Enforcement-Ausschuss der Geschäftsleitung der FINMA |
| EZB | Europäische Zentralbank |
| FA | Financial Audits |
| FATF | Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäscherei |
| FCA | Financial Conduct Authority |
| FDIC | Federal Deposit Insurance Corporation |
| Fed | Federal Reserve System |
| FIDLEG | Bundesgesetz über die Finanzdienstleistungen vom 15.6.2018 (Finanzdienstleistungsgesetz, SR 950.1 ) |
| FinDel | Finanzdelegation der eidgenössischen Räte |
| FinfraG | Bundesgesetz über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel vom 19.6.2015 (Finanzmarktinfrastrukturgesetz, SR 958.1 ) |
| FINIG | Bundesgesetz über die Finanzinstitute vom 15.6.2018 (Finanzinstitutsgesetz, SR 954.1 ) |
| FINMA | Eidgenössische Finanzmarktaufsicht |
| FINMAG | Bundesgesetz vom 22.6.2007 über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz, SR 956.1 ) |
| FINMA-PV | Finanzmarktprüfverordnung vom 5.11.2014 (SR 956.161 ) |
| FINMA-RS | FINMA Rundschreiben |
| FK | Finanzkommissionen der eidgenössischen Räte |
| FK-N | Finanzkommission des Nationalrates |
| FK-S | Finanzkommission des Ständerates |
| FSAP | Financial Sector Assessment Program |
| FSB | Financial Stability Board |
| GAAP | Generally accepted accounting principles |
| GPDel | Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte |
| GPK | Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte |
| GPK-N | Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates |
| GPK-S | Geschäftsprüfungskommission des Ständerates |
| G-SIB | Global Systemically Important Bank |
| GSK | Generalsekretärenkonferenz |
| GwG | Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung vom 10.10.1997 (SR 955.0 ) |
| GV | Generalversammlung |
| HQLA | High-Quality Liquid Assets |
| IAASB | International Auditing and Assurance Standards Board |
| IADI | International Association of Deposit Insurers |
| IAIS | Internationale Organisation der Versicherungsaufsichtsbehörden |
| ICSID | International Centre for Settlement of Investment Disputes |
| IFRS | International Financial Reporting Standards |
| IMF | International Monetary Fund |
| IOSCO | Internationale Organisation für Effektenhandels- und Börsenaufsichtsbehörden |
| IPO | Initial Public Offering |
| ISA | International Standards on Auditing |
| ISG | Bundesgesetz über die Informationssicherheit beim Bund vom 18.12.2020 (SR 128 ) |
| IWF | Internationaler Währungsfonds ( International Monetary Fund [IMF]) |
| KAG | Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen vom 23.6.2006 (Kollektivanlagengesetz, SR 951.31 ) |
| KRG-ZH | Kantonsgesetz des Kantons Zürich vom 25.3.2019 (LS 171.1 ) |
| KRR-ZH | Kantonsreglement des Kantons Zürich vom 25.3.2019 (LS 171.11 ) |
| Kst GwG | Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei |
| LCR | Liquidity Coverage Ratio |
| LG | Lenkungsgremium |
| LiqV | Verordnung über die Liquidität der Banken und Wertpapierhäusern vom 30.12.2012 (SR 952.06 ) |
| LoLR | Lender of Last Resort |
| LR | Leverage Ratio |
| MAC-Klausel | Material-Adverse-Change-Klausel |
| MoU | Memorandum of Understanding |
| NAV-Modell | Net-Asset-Value-Modell |
| NBG | Bundesgesetz vom 3.10.2003 über die Schweizerische Nationalbank (Nationalbankgesetz, SR 951.11 ) |
| NSFR | Net Stable Funding Ratio |
| NZZ | Neue Zürcher Zeitung |
| OECD | Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |
| OR | Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, fünfter Teil: Obligationenrecht vom 30.3.1911 (SR 220 ) |
| OV-EJPD | Organisationsverordnung für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vom 17.11.1999 (SR 172.213.1 ) |
| ParlG | Bundesgesetz vom 13.12.2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10 ) |
| PCAOB | Public Company Accounting Oversight Board |
| PfG | Pfandbriefgesetz vom 25.6.1930 (SR 211.423.4 ) |
| PIOB | Public Interest Oversight Board |
| PLB | Public Liquidity Backstop |
| PONV | Point of Non Viability |
| PRA | Prudential Regulation Authority |
| PUK | Parlamentarische Untersuchungskommission |
| PVK | Parlamentarische Verwaltungskontrolle |
| RA | Regulatory Audits |
| RAB | Eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde |
| RAG | Bundesgesetz über die Zulassung und Beaufsichtigung der Revisorinnen und Revisoren vom 16.12.2005 (Revisionsaufsichtsgesetz, SR 221.302) |
| RAV | Verordnung über die Zulassung und Beaufsichtigung der Revisorinnen und Revisoren vom 22.8.2007 (Revisionsaufsichtsverordnung, SR 221.302.3 ) |
| RSF | Required Stable Funding |
| RVOG | Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21.3.1997 (SR 172.010 ) |
| RVOV | Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25.11.998 (SR 172.010.1 ) |
| RWA | Risk-Weighted Assets |
| SBVg | Schweizerische Bankiervereinigung |
| SCV | Single Client View |
| SEC | United States Securities and Exchange Commission |
| SECO | Staatssekretariat für Wirtschaft |
| sgv | Schweizerischer Gewerbeverband |
| SIB | Systemically Important Bank |
| SIF | Staatssekretariat für internationale Finanzfragen |
| SMR | Senior Managers Regime |
| SNB | Schweizerische Nationalbank |
| SPK | Staatspolitischen Kommissionen |
| SR | Systematische Rechtssammlung |
| SRF | Schweizer Radio und Fernsehen |
| StGB | Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21.12.1937 (SR 311.0 ) |
| StPO | Schweizer Strafprozessordnung vom 5.10.2007 (SR 312.0 ) |
| StV | Verordnung über die Stempelabgaben vom 3.12.1973 (SR 641.101 ) |
| T1 | Tier-1-Kapital |
| T2 | Tier-2-Kapital |
| TBTF | Too-big-to-fail |
| TLAC | Total Loss Absorbing Capacity |
| TPA | Tripartite Agent |
| TPO | Temporary Public Ownership |
| UVEK | Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation |
| VAG | Bundesgesetz betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen vom 17.12.2004 (Versicherungsaufsichtsgesetz, SR 961.01 ) |
| ViR | Valuation in Resolution |
| VR | Verwaltungsrat |
| VRP | Verwaltungsratspräsident/-in |
| VVG | Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag vom 2.4.1908 (Versicherungsvertragsgesetz, SR 221.229.1 ) |
| WAK-N | Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates |
| WAK-S | Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates |
| WBF | Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung |
| WeFa | Wertschriften-Fazilität |
| WEKO | Wettbewerbskommission |
Anhang 2
Glossar
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| Aare | Generischer Codename, der ab Hebst 2022 von den Behörden (insb. EFD) für die Vorbereitungen auf eine allfällige Krisenintervention der Behörden in Sachen CS verwendet wurde. |
| Abwicklung | Sanierung oder Liquidation der Bank (Englisch: resolution ) mit dem Ziel, die Weiterführung ihrer systemrelevanten Funktionen und die Finanzstabilität zu gewährleisten und dabei die öffentliche Hand so wenig wie möglich zu belasten. |
| AT1 | Additional-Tier-1-Kapital, zusätzliches Kernkapital. Stellt bilanztechnisch Fremdkapital dar, wird jedoch regulatorisch als Eigenkapital behandelt. Es handelt sich um Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit, die im Falle finanzieller Schwierigkeiten der ausgebenden Bank - je nach vertraglicher Ausgestaltung - in Aktien umgewandelt oder abgeschrieben werden können. Die AT1-Instrumente dienen dabei als «Going-Concern»-Kapital und können auch vor den Aktionären Verluste decken, um Risiken für Steuerzahlende zu reduzieren. |
| Assessment Letter | Jährliche Einschätzung der Stärken und Schwächen eines Bankinstituts durch die FINMA. Diese Beurteilung umfasst auch die Kommunikation des FINMA-internen Ratings des Instituts. Die vier Stufen auf der Ratingskala sind:Standardüberwachung ( subject to standard supervisory procedures ), erhöhte Überwachung ( subject to increased supervisory procedures ), intensive Überwachung ( subject to intensive supervisory procedures ), intensive und permanente Überwachung ( subject to intensive and continuous supervisory procedures ). |
| B1; B2; BX | Codenamen, die von den Behörden für verschiedene Banken verwendet wurden. B1 steht für UBS, B2 steht für Credit Suisse, BX bezieht sich auf eine ausländische (nicht definierte) Bank. |
| Bail-in | Von der FINMA im Rahmen eines Sanierungsverfahrens angeordnete Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital oder die Reduktion von Forderungen. |
| Bail-in -Bonds | Schuldinstrumente zur Verlusttragung bei Insolvenzmassnahmen. Sie stellen Fremdkapital dar und können mittels Bail-in in Eigenkapital gewandelt werden. |
| Bail-out | Staatliche Rettung eines Unternehmens, insbesondere im Bankensektor mittels staatlicher Rekapitalisierung oder Verstaatlichung, in deren Rahmen der Steuerzahler die Kosten zu tragen hat. |
| Bank Run | Ansturm von Einlegern auf eine Bank, die ihre Einlagen möglichst rasch abheben wollen. Heute spricht man auch von Digital Bank Run , da die Digitalisierung diesen Prozess beschleunigt hat. |
| Basel I | Die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht erlassene Basler Eigenkapitalvereinbarung verfolg das Ziel, die Stabilität des internationalen Finanzsystems zu stärken und die Wettbewerbsgleichheit unter den Banken zu fördern. 1988 wurde die ursprüngliche Version der Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel I) verabschiedet, bei der die Mindestdeckung von Kreditrisiken im Vordergrund stand. 1996 kamen Eigenmittelvorschiften für Marktrisiken dazu. |
| Basel II | Erste Revision der Eigenkapitalvereinbarung. Sie wurde 2004 vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht erlassen und umfasst unter anderem das Basler Drei-Säulen-Konzept. |
| Basel III | Die zweite Revision (Basel III) beschloss der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht im Nachgang zur globalen Finanzkrise von 2008. |
| Basler Drei-Säulen-Konzept | Konzept, das mit Basel II eingeführt wurde. Säule I bezieht sich auf die Mindestanforderungen, die für alle Banken unabhängig von Grösse oder spezifischen Risiken gelten. Säule II ermöglicht es den Aufsichtsbehörden, individuell je nach Risikoprofil einer Bank zusätzliche Eigenmittel festzulegen. Säule III enthält Vorschriften zu Offenlegung und Transparenz. |
| BCBS | Basel Committee on Banking Supervision. Das BCBS ist die wichtigste Organisation zur Entwicklung globaler Standards für die aufsichtsrechtliche Bankenregulierung. Sein Mandat besteht darin, die Regulierung, die Überwachung und die angemessenen Praktiken von Banken weltweit zu stärken, um die finanzielle Stabilität zu verbessern. |
| Break up | Szenario, das ein Teil der Abwicklungsplanung der Schweizer G-SIB ist. In diesem Szenario ist die Sanierung entweder gescheitert oder hat keine Aussicht auf Erfolg. In diesem Fall wird der Fokus auf den Erhalt der Schweizer Einheit gerichtet. Der restliche Teil der Gruppe wird liquidiert. |
| Buchwert | Preis, zu dem eine Beteiligung aktuell in den Büchern der Bank steht. Der Begriff Buchwert wird z.T. auch normativ verwendet für den Wert, zu dem eine Beteiligung nach geltenden Regeln (Niederstwertprinzip) verbucht werden müsste. Hier wird jener Wert, um ihn vom neutralen Begriff des Buchwerts zu unterscheiden, vereinfachend als Niederstwert (siehe unten) bezeichnet. |
| CBLB | Central Bank Liquidity Backstop. Liquiditätshilfe, die eine Zentralbank einer systemrelevanten Bank, die sich in einem Sanierungsprozess befindet, gewährt. |
| CMG | Crisis Management Group. Gremium, in welchem die Zusammenarbeit hinsichtlich der Sanierung oder der Abwicklung einer G-SIB erfolgt. Es umfasst die wesentlichen Aufsichts- und Insolvenzbehörden der betroffenen Bank. Im Fall der Credit Suisse setzt sich die CMG aus Vertretungen der FINMA, des Federal Reserve System (Fed), der Prudential Regulation Authority (PRA), der Bank of England (BoE), der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) und der United States Securities and Exchange Commission (SEC) zusammen. Es wird aktiv bei Krisen im internationalen Finanzsystem und versucht durch eine enge Zusammenarbeit unter den beteiligten Behörden die Zusammenarbeit zu stabilisieren. Die Ziele einer CMG sind, die Abwicklungsfähigkeit einer Bank zu beurteilen ( Resolvability Assessment ), ein gemeinsames Verständnis über die Abwicklungsplanung für die G-SIB zu entwickeln und die Krisen- bzw. Resolution -Planung für die G-SIB zu konkretisieren. |
| CoCo-Bond | Contingent Convertible Bond. Wandelanleihen, die bei Eintritt vorbestimmter Bedingungen - wie einem Sinken der Eigenkapitalquote unter einen definierten Wert - in ein anderes Finanzinstrument (z. B. in Aktien) umgewandelt oder abgeschrieben werden können. Die genaue Ausgestaltung ist in den Vertragsbestimmungen festgelegt. |
| Como | Codename, den die Behörden und die CS je nach Unterlagen als Bezeichnung für die Credit Suisse oder für das Szenario der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS verwenden. |
| Compliance | Einhaltung von gesetzlichen, regulatorischen und internen Vorschriften sowie die Beachtung von marktüblichen Standards und Standesregeln. |
| Contingency plan | Plan, mit dem sichergestellt werden soll, dass eine Organisation wirksam auf einen bedeutenden zukünftigen Vorfall, ein Ereignis oder eine Situation zu reagieren vermag, die eintreten können oder auch nicht. Ein Contingency Plan wird manchmal auch als Plan B oder Ersatzplan bezeichnet, da er auch als alternative Massnahme eingesetzt werden kann, wenn die erwarteten Ergebnisse ausbleiben. |
| Corporate Governance | Grundsätze und Strukturen anhand derer ein Institut durch seine Organe gesteuert und kontrolliert wird. |
| Data Room | Ein virtueller Raum, der den Nutzern den sicheren Austausch von Dokumenten ermöglicht und als Referenzplattform für die Durchführung einer transaktionsbezogenen Due Diligence dient. |
| Due Diligence | Die sorgfältige Analyse und Bewertung eines Gegenstandes im geschäftlichen Zusammenhang. Due-Diligence -Prüfungen werden insbesondere im Rahmen von bevorstehenden Transaktionen wie Unternehmenskäufen durchgeführt. |
| D-SIB | Domestic Systemically Important Bank, national systemrelevante Bank. Die SNB bezeichnet die für die Schweiz systemrelevanten Banken nach Anhörung der FINMA. Insoweit diese nicht global systemrelevant sind und nicht als G-SIBs bezeichnet wurden, gelten sie als D-SIBs. In der Schweiz gelten PostFinance, Raiffeisen und die Zürcher Kantonalbank als inlandorientierte systemrelevante Banken. |
| Eigenmittelanforderung | Die Schweizer Eigenmittelregulierung setzt Anforderungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht um. Dieser legt im Bereich der Bankenregulierung und Bankenaufsicht internationale Standards fest, darunter das sogenannte Drei-Säulen-Konzept im Bereich der Eigenmittel. Säule 1 bezieht sich auf die Mindestanforderungen, die für alle Banken unabhängig von Grösse oder spezifischen Risiken gelten. Säule 2 ermöglicht es den Aufsichtsbehörden, individuell je nach Risikoprofil einer Bank zusätzliche Eigenmittel festzulegen. Säule 3 schliesslich enthält Vorschriften zu Offenlegung und Transparenz. |
| Enforcement | Begriff, der alle Ermittlungen, Verfahren und Massnahmen der FINMA umfasst, mit denen sie Verstösse gegen das Aufsichtsrecht abklärt und ahndet. |
| ELA | Emergency Liquidity Assistance. Ausserordentliche Liquiditätshilfe, die von einer Zentralbank gewährt wird. Sie muss jederzeit vollständig durch ausreichende Sicherheiten gedeckt sein. Gemäss geltendem Recht ist es an der SNB, zu beurteilen, welche Sicherheiten ausreichend sind. |
| ELA+ | Zusätzliche Liquiditätshilfedarlehen einer Zentralbank. Im Fall eines Konkurses der Bank ist die Rückzahlung der ELA+ gegenüber den Forderungen anderer Gläubiger privilegiert. Im vorliegenden Fall hat der Bundesrat für diese zusätzlichen Liquiditätshilfen ein Konkursprivileg geschaffen. Die SNB erhält dadurch die notwendige Sicherheit, um der CS substanzielle zusätzliche Liquidität zur Verfügung stellen zu können. |
| ENA | Enforcement-Ausschuss der Geschäftsleitung der FINMA. Ausschuss, der über die anzuordnenden Massnahmen gegen den betroffenen Bewilligungsträger bzw. die betroffenen Organe, Eignerinnen und Eigner sowie Mitarbeitenden oder über eine allfällige Einstellung eines Enforcementverfahrens entscheidet. |
| Esisuisse | 2005 unter dem Namen «Einlagensicherung der Schweizer Banken und Effekthändler» gegründeter Verein, zur Erfüllung der im Bankengesetz festgelegten Massnahmen zur Selbstregulierung. Der Verein ist Träger der gesetzlichen Einlagensicherung und sichert im Fall der Zwangsliquidation eines Finanzinstituts die privilegierten Einlagen. |
| Fair Value | Der bei möglichst objektiver Schätzung erzielbare Preis: wenn vorhanden, der Marktwert; alternativ der bei einem Verkauf mutmasslich erzielbare Erlös; subsidiär der Gegenwartswert künftiger Erträge. |
| FDIC | Federal Deposit Insurance Corporation. Bundeseinlagenversicherungsgesellschaft (in den USA). Sie versichert die Kundeneinlagen ihrer Mitgliedsbanken bis zu einer Höhe von 250 000 US-Dollar pro Kunde und Bank, um im Falle von Bankzusammenbrüchen Bank Runs zu verhindern. |
| Finanzmarktinfrastrukturen | Gemäss dem Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG; SR 958.1 ) Börsen, multilateralen Handelssysteme (MHS), zentralen Gegenparteien (CCP), Zentralverwahrer als Betreiber einer zentralen Verwahrungsstelle oder eines Effektenabwicklungssystems, Transaktionsregister und Zahlungssysteme. Die Finanzmarktinfrastrukturen lassen sich damit unterteilen in solche auf Ebene des Handels (Börsen und MHS), der Abrechnung (CCP), der Abwicklung und Verwahrung (Zentralverwahrer), des Melde- (Transaktionsregister) sowie des Zahlungswesens (Zahlungssysteme). CCP, Zentralverwahrer, Zahlungssysteme sowie Transaktionsregister werden aufgrund ihrer dem Handel nachgelagerten Tätigkeit gesamthaft auch als Nachhandelsinfrastrukturen bezeichnet. |
| FinDel | Finanzdelegation der eidgenössischen Räte. Sie hat die Aufgabe, dringliche Verpflichtungs- und Voranschlagskredite zu bewilligen (vgl. Art. 28 und 34 Finanzhaushaltgesetz; SR 611.0 ). |
| FSB | Financial Stability Board, Finanzstabilitätsrat. Rat, der durch die G20 auf deren Gipfel im Jahr 2009 gegründet wurde, das globale Finanzsystem überwacht und u. a. die Bankenregulierung betreffende Empfehlungen herausgibt. |
| Geneva | Codename, der manchmal von den Behörden für die UBS verwendet wird. Siehe auch B1. |
| Going-Concern-Kapital | Für systemrelevante Schweizer Banken bezeichnet das Going-Concern -Kapital gemäss ERV die «Eigenmittel zur ordentlichen Weiterführung der Bank». Es handelt sich dabei um eine Teilanforderung von TLAC. Dieses Kapital soll die Banken in die Lage versetzen, den Geschäftsbetrieb und ihre Dienstleistungen weiterzuführen, sodass sie im Krisenfall weder einer staatlichen Unterstützung bedürfen noch saniert oder abgewickelt werden müssen. Die anrechenbaren Eigenmittel werden nach Qualitätsstufen in Kernkapital ( Tier 1 ) und ergänzendes Kapital ( Tier 2 ) unterteilt. Wichtigster Bestandteil ist das Kernkapital, das sich aus hartem Kernkapital ( Common Equity Tier 1 Capital , CET1) und zusätzlichem Kernkapital ( Additional Tier 1 Capital , AT1) zusammensetzt. |
| Gone- Concern-Kapital | Für systemrelevante Schweizer Banken bezeichnet das Gone-Concern -Kapital gemäss ERV «zusätzliche verlustabsorbierende Mittel». Es handelt sich dabei um die andere Teilanforderung von TLAC. Dieses Kapital soll die Banken in die Lage versetzen, ihre Sanierung zu gewährleisten oder die systemrelevanten Funktionen in einer funktionsfähigen Einheit weiterzuführen und die anderen Einheiten im Krisenfall abzuwickeln. Diese Kapitalanforderungen werden in den meisten Fällen durch sogenannte Bail-in -Bonds erfüllt. Dabei handelt es sich um Schuldinstrumente, die explizit zur Verlusttragung bei Insolvenzmassnahmen konzipiert wurden. Der Wandel zu Eigenmitteln findet im Rahmen eines behördlich verfügten Bail-in statt. |
| G-SIB | Global Systemically Important Bank, global systemrelevante Bank. Bank oder Finanzgruppe, deren ungeordneter Ausfall die globale Finanzstabilität gefährden kann. Das FSB bezeichnet jährlich die Banken, welche im globalen Kontext als G-SIB gelten. In der Schweiz ist aktuell nur noch die UBS eine G-SIB (vorher war auch Credit Suisse eine G-SIB). |
| HQLA | High-Quality Liquid Assets. Erstklassige hochwertige liquide Aktiven. |
| Haircut | Abschlag auf den Wert eines Vermögenswerts, ausgedrückt in Prozent. Wenn eine Zentralbank einer Geschäftsbank bspw. einen Kredit gewährt, so verlangt sie für den Kredit Sicherheiten. Auf diese kann sie einen Haircut anwenden, für eine Staatsanleihe im Wert von CHF 1 Mio. erhält die Geschäftsbank bei einem Haircut von 20 % also nur noch einen Kredit über CHF 800’000. |
| Insolvenzgefahr (drohende Insolvenz) | Insolvenzgefahr in Bezug auf Banken besteht bei Vorliegen einer begründeten Besorgnis, dass eine Bank überschuldet ist, ernsthafte Liquiditätsprobleme hat oder die Eigenmittelvoraussetzungen nach Ablauf einer Frist nicht erfüllt. |
| Internes Kontrollsystem | System, das die Gesamtheit der Kontrollstrukturen und -prozesse einer Bank umfasst, welche auf allen Ebenen des Instituts die Grundlage für die Erreichung der geschäftspolitischen Ziele und für einen ordnungsgemässen Institutsbetrieb bilden. Dabei beinhaltet das interne Kontrollsystem nicht nur Aktivitäten der nachträglichen Kontrolle, sondern auch solche der Planung und Steuerung. |
| IPO | Initial Public Offering. Erstmaliges öffentliches Angebot eines bislang nicht börsenkotierten Unternehmens, Aktien des emittierenden Unternehmens zu zeichnen. Damit verbunden ist eine Börsenzulassung und Börsennotierung des Unternehmens. |
| LCR | Liquidity Coverage Ratio, Quote für kurzfristige Liquidität oder Mindestliquiditätsquote. Quote, mit der sichergestellt werden soll, dass Banken genügend erstklassige liquide Vermögenswerte halten, um den Nettomittelabfluss jederzeit decken zu können, der in einem durch Ab- und Zuflussannahmen definierten Stressszenario mit einem Zeithorizont von 30 Kalendertagen (30-Tage-Horizont) zu erwarten ist. |
| Leitungsausschuss SNB-FINMA | Ausschuss, in welchem die strategische Zusammenarbeit zwischen SNB und FINMA bei den gemeinsamen Interessensgebieten stattfindet. Um Verwechslungen mit dem Lenkungsgremium (LG) zu vermeiden (auf Französisch: comité directeur [CD] ), wird er als «Leitungsausschuss SNB-FINMA» (auf Französisch comité directeur BNS-FINMA ) bezeichnet. Er besteht seitens der SNB aus den Mitgliedern des Direktoriums und seitens der FINMA aus der Verwaltungsratspräsidentin, dem Verwaltungsratsvizepräsidenten und dem Direktor. Der Ausschuss steht unter der gemeinsamen Leitung des Präsidenten der SNB und der Verwaltungsratspräsidentin der FINMA. Bei Bedarf können weitere Teilnehmer eingeladen werden. Der Leitungsausschuss SNB-FINMA tagt mindestens zweimal jährlich sowie bei Bedarf. Er bespricht das makroökonomische Umfeld, die Lage an den Finanzmärkten und im Bankensektor mit Schwerpunkt auf den systemrelevanten Banken, setzt die strategischen Prioritäten in den gemeinsamen Interessensgebieten und bespricht die Ergebnisse von gemeinsamen Projekten. |
| LG | Lenkungsgremium. Das EFD, die FINMA und die SNB arbeiten im Falle einer Krise, welche die Stabilität des Finanzsystems bedroht, eng zusammen. Sie legen zu diesem Zweck eine gemeinsame Krisenorganisation fest und arbeiten bei der Vorbereitung von Instrumenten zum Management einer Krise zusammen. Die strategische Koordination der Krisenorganisation und allfälliger Interventionen erfolgt durch das LG. Das LG setzt sich zusammen aus der Vorsteherin des EFD, die das Gremium leitet, dem Präsidenten des Direktoriums der SNB und der Präsidentin der FINMA. Das LG tagt nach Bedarf, in der Regel im Beisein der Mitglieder des Ausschusses Finanzkrisen (AF). |
| Liquidation | Prozess, bei dem eine Bank geschlossen wird und ihre Vermögenswerte verkauft werden, um damit die Forderungen der Gläubiger zu begleichen. |
| Liquidität | Hat in der Wirtschaft drei Bedeutungen: 1) die Fähigkeit eines Wirtschaftssubjekts, den zwingend fälligen Verbindlichkeiten jederzeit und uneingeschränkt nachzukommen; 2) die hierzu nötigen Geldmittel; 3) gilt ein Markt als liquide, wenn in ihm auch grössere Geschäfte abgeschlossen werden können, ohne markante Preisbewegungen auszulösen. Das Bankengesetz schreibt vor, dass Banken in der Schweiz über eine angemessene Liquidität verfügen müssen. |
| LoLR | Lender of Last Resort, Kreditgeber in letzter Instanz. In der Schweiz übernimmt die SNB diese Funktion. Können sich inländische Banken nicht mehr über den Markt refinanzieren, so kann ihnen die Nationalbank unter gewissen Voraussetzungen gegen Sicherheiten Liquidität zur Verfügung stellen. |
| LR | Leverage Ratio, Verschuldungsquote. Quote, bei der das Kernkapital (T1) dem Gesamtengagement gegenübergestellt wird. |
| MAC-Klausel | Material-Adverse-Change-Klausel , Rückzugsklausel . Vertragsklausel im Rahmen eines Firmenverkaufs, die dem Käufer die Möglichkeit einräumt, vom Kaufvertrag zurückzutreten und diesen nicht zu vollziehen, sollte zwischen Abschluss (Signing) und Vollzug (Closing) ein spezifisches Ereignis eintreten, welches das zu erwerbende Unternehmen oder dessen Marktumfeld in bedeutender Weise nachteilig beeinflusst oder beeinflussen kann. |
| Marktwert | Wert, der einem Wirtschaftsobjekt am Markt beigemessen wird. Aus Gründen des Verständnisses und der Lesbarkeit wird der Begriff «Marktwert» in diesem Bericht als Synonym für «Fair Value» verwendet. Der Begriff «Fair Value» schliesst die beste Schätzung ein bei jenen Vermögenswerten, die keinen Markt haben, wie z.B. Beteiligungen. |
| MoU | Memorandum of Understanding (Absichtserklärung), bilaterale oder multilaterale Vereinbarung zwischen mehreren Parteien ohne rechtliche bindende Wirkung. |
| NAV-Modell | Net Asset Value -Modell. Vergangenheitsbezogene Bewertungsmethodik nach Nettofondsvermögen für regulatorische Zwecke. |
| Niederstwert | Niederster der möglichen Werte einer Beteiligung, d.h. der Betrag zu dem die Beteiligung gemäss Niederstwertprinzip (Art. 960 c OR) bewertet werden müsste; bei unterbewerteten Beteiligungen in der Regel der Einstandspreis (oder Anschaffungswert); bei überbewerteten Beteiligungen der Fair Value. |
| Notfallplan | Mit dem Notfallplan haben systemrelevante Banken den Nachweis zu erbringen, dass ihre systemrelevanten Funktionen in einer Krise ohne Unterbrechung weitergeführt werden können. Als systemrelevant gelten dabei nur Funktionen, die für die Schweizer Volkswirtschaft von unverzichtbar und nicht kurzfristig substituierbar namentlich das inländische Einlagen- und Kreditgeschäft sowie der Zahlungsverkehr (systemrelevante Funktionen). In diesem Sinne fokussiert sich die Notfallplanung im Gegensatz zur globalen Recovery - und Resolution -Planung auf das Schweizer Geschäft der Banken. Die FINMA prüft die Massnahmen des Notfallplans im Hinblick auf deren Wirksamkeit im Fall einer drohenden Insolvenz der Bank. |
| NSFR | Net Stable Funding Ratio; Finanzierungsquote; strukturelle Liquiditätsquote. Quote mit der sichergestellt werden soll, dass die stabile Refinanzierung einer Bank über einen einjährigen Zeithorizont dauernd gewährleistet ist. Die NSFR entspricht dem Quotienten aus der verfügbaren stabilen Refinanzierung (Available Stable Funding, ASF) im Zähler sowie der erforderlichen stabilen Refinanzierung (Required Stable Funding, RSF) im Nenner. |
| Parent Bank | Oberste operative Einheit einer Finanzgruppe, die der umfassenden prudenziellen Aufsicht durch eine Finanzmarktaufsichtsbehörde unterstellt ist. Innerhalb der CS-Gruppe wird mit Parent Bank die Credit Suisse AG (CS) in der Einzelinstitutssicht bezeichnet (nicht konsolidiert). |
| Pillar 2 | Zusätzliche Anforderungen an Eigenkapital und Liquidität, welche die Aufsichtsbehörde einer Bank gestützt auf ihre Erhebungen im Aufsichtsprozess, bspw. in Bezug auf das Risikomanagement oder bedeutende Rechtsrisiken, individuell auferlegen kann. |
| PLB | Public Liquidity Backstop, Staatlich garantierte Liquiditätshilfe, d.h. die systemrelevante Bank erhält im Sanierungsfall eine subsidiäre Liquiditätsversorgung durch die Zentralbank. Der Staat deckt das Risiko der Zentralbank mit einer staatlichen Garantie. Es handelt sich um einen Kredit, der durch Bereitstellungs- und Risikoprämien sowie Zinsen vergütet und zurückgezahlt werden muss. Dieses Instrument bezweckt, das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Überlebensfähigkeit einer rekapitalisierten und solventen systemrelevanten Bank zu erhöhen. Ein PLB gehört international zum Standardinstrumentarium bei Bankenkrisen. Das FSB hat 2016 eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen. |
| PONV | Point of Non Viability (Zeitpunkt drohender Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit). Besteht begründete Besorgnis, dass eine Bank überschuldet ist oder ernsthafte Liquiditätsprobleme hat, oder erfüllt diese die Eigenmittelvorschriften nach Ablauf einer von der FINMA festgesetzten Frist nicht, so kann die FINMA gemäss Art. 25 BankG (RS 952.0 ) Schutzmassnahmen anordnen. Die Bank hat den point of non viability (PONV) erreicht. Konkrete Verwendung findet der Begriff in Emissionsbedingungen von Eigenmittelinstrumente. Er bezeichnet eines der auslösenden Ereignisse für die Verlusttragung jener Instrumente. |
| Project Africa | Codename der CS und der Behörden für die im Oktober 2022 angekündigte Strategieanpassung und Restrukturierung der Bank. |
| Recovery | Stabilisierung. Recovery bezeichnet die Massnahmen eines Unternehmens zu dessen Stabilisierung ohne staatliche Eingriffe. |
| Recovery-Plan | Stabilisierungsplan. Im Recovery-Plan legt das systemrelevante Unternehmen dar, mit welchen Massnahmen es sich im Fall einer Krise nachhaltig so stabilisieren will, dass es seine Geschäftstätigkeit ohne staatliche Eingriffe fortführen kann. Die FINMA prüft und genehmigt den Recovery-Plan. |
| Regulatorischer Filter | Der Begriff regulatorischer Filter wird für die Herleitung des regulatorisch anrechenbaren Kapitals aus der Rechnungslegung verwendet. |
| Resolution | Siehe Abwicklung. |
| Resolution-Plan | Abwicklungsplan. Ein Plan, der von der FINMA zur Sanierung oder Liquidation eines systemrelevanten Unternehmens als Ganzes (d. h. bei international tätigen systemrelevanten Banken die gesamte Gruppe, inklusive ausländischer Gruppengesellschaften, weshalb der Plan bei diesen Banken als «global» bezeichnet wird) erstellt wird. In diesem Plan legt die FINMA dar, wie eine von ihr angeordnete Sanierung oder Liquidation durchgeführt werden kann. |
| Resolvability | Abwickelbarkeit. Die Schaffung der erforderlichen Bedingungen dafür, dass eine systemrelevante Bank in einer Krise ohne Gefährdung der Finanzstabilität saniert oder liquidiert werden kann. |
| Risikomanagement | Umfasst die organisatorischen Strukturen sowie die Methoden und Prozesse, die der Festlegung von Risikostrategien und Risikosteuerungsmassnahmen sowie der Identifikation, Analyse, Bewertung, Bewirtschaftung, Überwachung und Berichterstattung von Risiken dienen. |
| RSF | Required Stable Funding. Gewichtete Aktivseite einer Bankbilanz. Erforderliche Finanzierung für Positionen auf der Aktivseite und für Ausserbilanzposten. Jener Teil der Eigen- und Fremdmittel, von dem zu erwarten ist, dass er über einen Zeithorizont von einem Jahr eine zuverlässige Mittelquelle ist. |
| Rückzugsklausel | Siehe MAC-Klausel. |
| RWA | Risk-Weighted Assets, risikogewichtete Aktiven. Massstab für die Risiken, die eine Bank in ihren Büchern führt. Er dient zur Bestimmung des Mindesteigenkapitals verwendet wird, welches Banken als Rücklage halten sollten, um das Risiko einer Insolvenz zu verringern. |
| Sanierung | Prozess, bei dem eine Bank in finanziellen Schwierigkeiten umstrukturiert wird, um ihre Finanzlage zu verbessern und einen Konkurs zu vermeiden. Ziel der Bank ist es also,, die Fortführung ihrer Geschäftsaktivität nach einer allfälligen Restrukturierung oder zumindest die Weiterführung einzelner Bankdienstleistungen sicherzustellen. |
| SCV | Single Client View (Gesamtkundensicht). Anforderung, welche die FINMA an die CS im Bereich des Risikomanagements stellte. |
| SEC | United States Securities and Exchange Commission. Die oberste Wertpapier- und Börsenkommission der USA, die den gesamten US-Wertpapiermarkt beaufsichtigt. |
| Securitized Products -Geschäft | Geschäft, bei dem finanzielle Aktiven - z. B. Kredite - verbrieft und in Form von Wertschriften an Investoren verkauft werden. |
| SIB | Systemically Important Bank, systemrelevante Bank. Siehe D-SIB und G-SIB. |
| Single Point of Entry | Ansatz bei der Abwicklungsstrategie, bei dem geplant ist, dass die Heimaufsichtsbehörde einer Bank einzig die Schulden der obersten Einheit der Gruppe mittels Bail-in in neues Kapital wandelt. Dabei sollen die operativen Einheiten (oft in ausländischen Jurisdiktionen tätig) keinen behördlichen Eingriffen unterstehen. |
| SMR | Senior Managers Regime. Regime, das darauf abzielt, die Standards für die Unternehmensführung zu erhöhen, die individuelle Verantwortlichkeit zu stärken und das Vertrauen in den Bankensektor wiederherzustellen. Es gilt seit März 2016 für den Bankensektor des Vereinigten Königreichs. In Instituten, in denen das SMR Anwendung findet, müssen leitende Angestellte, die eine Schlüsselrolle spielen, von der FCA oder der PRA zugelassen werden, bevor sie ihre Tätigkeit aufnehmen können. Die leitenden Angestellten müssen ausserdem über eine «Verantwortungserklärung» verfügen, in der ihre Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten dokumentiert sind. Die Institute müssen ausserdem für alle leitenden Angestellten jährlich neu bestätigen, dass sie für die Ausübung ihrer Aufgaben geeignet sind. |
| Solvenz | Die finanzielle Beurteilung einer Bank oder Bankengruppe, wobei der Wert deren Aktiven den Wert des Fremdkapitals übersteigt und die Bank bzw. Bankengruppe gleichzeitig die geltenden Eigenmittelvorschriften einhält. |
| Ständiger Ausschuss für Finanzstabilität | Ausschuss, in dem die operative Steuerung der Zusammenarbeit zwischen SNB und FINMA bei den gemeinsamen Interessensgebieten stattfindet. Der Ausschuss steht unter dem Vorsitz des Leiters Finanzstabilität (SNB) und des Leiters des Geschäftsbereichs Banken (FINMA). Die übrigen Mitglieder des Ausschusses werden durch die Vorsitzenden bestimmt. In Abhängigkeit der Traktanden können weitere Teilnehmer eingeladen werden. Der Ausschuss tagt mindestens viermal jährlich sowie bei Bedarf. Unter anderem konkretisiert er die Ziele bei gemeinsamen Projekten basierend auf den vom Leitungsausschuss vorgegebenen strategischen Prioritäten, legt den Kontakt mit den Banken bei gemeinsamen Projekten fest, koordiniert und überwacht die gemeinsamen Arbeiten und bereitet Entscheidungsgrundlagen vor. |
| Stresstest | Test, der dazu dient, die Auswirkungen einer möglichen Krise auf die Eigenmittel und Solvenz der Institute zu ermitteln. Dabei müssen die getesteten Institute über ausreichende Kapital- und Liquiditätspuffer verfügen, um unvorhergesehene Ereignisse jederzeit auffangen zu können. |
| Systemrelevanz | Systemrelevante Banken sind Banken, Finanzgruppen und bankdominierte Finanzkonglomerate, deren Ausfall die Stabilität der Schweizer Volkswirtschaft und des Finanzsystems erheblich gefährden würde. Die Systemrelevanz einer Bank beurteilt sich dabei nach deren Grössen, deren Vernetzung mit dem Finanzsystem und der Volkswirtschaft sowie der kurzfristigen Substituierbarkeit der von ihr erbrachten Dienstleistungen. Massgebliche Kriterien sind hierbei der Marktanteil oder der Betrag der gesicherten Einlagen. |
| Systemrelevante Funktionen | Von Banken wahrgenommene Funktionen, die für die schweizerische Volkswirtschaft unverzichtbar und nicht kurzfristig substituierbar sind. Dazu zählen namentlich das inländische Einlagen- und Kreditgeschäft sowie der Zahlungsverkehr. Zuständig für die Bezeichnung der systemrelevanten Banken und deren Funktionen ist die SNB. Die SNB hört dazu die FINMA an. |
| Systemrelevantes Unternehmen | Unternehmen, das Funktionen wahrnimmt, auf welche eine Volkswirtschaft nicht verzichten kann oder die nicht von anderen Unternehmen erbracht werden können. |
| Systemrisiken | Risiken, die von einzelnen Marktteilnehmenden ausgehen und die die Stabilität der gesamten Volkswirtschaft (System) gefährden können. |
| TBTF | Too-big-to-fail. Begriff, mit dem Unternehmen beschrieben werden, deren Konkurs die Stabilität der gesamten Volkswirtschaft gefährden würde. Würde ein solcher Konkurs eintreten, dann wäre der Staat gezwungen, das Unternehmen zu retten. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen dabei die Systemrisiken, die von einem solchen Unternehmen ausgehen. Synonyme: Systemrelevante Banken. |
| TLAC | Total Loss Absorbing Capacity, gesamte Verlusttragfähigkeit. Ein Konzept, das sämtliches Eigen- und Fremdkapital, das im Falle einer Sanierung oder Liquidierung einer international tätigen systemrelevanten Bank zur Verlusttragung und Rekapitalisierung beigezogen werden kann, umfasst. Das Kapital setzt sich aus Mitteln zur ordentlichen Weiterführung ( going concern ) und Mitteln zur Sanierung oder Abwicklung ( gone concern ) einer Bank zusammen. Das FSB hat 2015 einen internationalen Standard («TLAC-Standard») herausgegeben. |
| TPA | Tripartite Agent, TPA sind spezialisierte Dienstleister im Bereich der Abwicklung und Bewirtschaftung von Wertschriften. |
| TPO | Temporary Public Ownership, vorübergehende Verstaatlichung. |
| ViR | Valuation in Resolution (Bewertung bei Abwicklung) , ViR. Dient dazu, den Abwicklungsbehörden die nötigen Informationen zu liefern, ob eine Bank mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit abgewickelt werden muss ( likely to fail ). Dies ist vor allem in einem Kapitalszenario relevant. ViR dient dazu, zu bestimmen, ob die Kapitalmassnahmen ausreichen, um Bewertungsverluste zu kompensieren, und ob die sanierte Bank nach den Kapitalmassnahmen die Kapitalvorschriften wieder in genügendem Masse einhält, um weitere potenzielle Verluste absorbieren zu können. |
| Zentrale Gegenpartei | Eine zentrale Gegenpartei ist eine Institution, die sich auf einem Markt zwischen Käufer und Verkäufer stellt. Die zentrale Gegenpartei ist verantwortlich für das Management der Verträge sowie deren Erfüllung. Sie übernimmt insbesondere das Gegenparteirisiko, d.h. das Risiko, dass eine Partei ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht nachkommen kann. Fällt eine Partei aus, muss die zentrale Gegenpartei über ausreichend finanzielle Ressourcen und Liquidität verfügen, um allfällige Verluste decken und ihre Zahlungs- bzw. Lieferverpflichtung rechtzeitig erfüllen zu können. |
Anhang 3
Liste der angehörten Personen
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| Name (Alphabetisch geordnet) | Funktion (Funktion zum Zeitpunkt der Anhörung/en und für die Arbeiten der PUK relevante Funktion) 2²67 |
|---|---|
| Amherd, Viola | Bundespräsidentin, Vizepräsidentin des Bundesrates 2023, Vorsteherin VBS seit 1.1.2019 |
| Amstad, Marlene | Verwaltungsratspräsidentin FINMA seit 2021, Vizepräsidentin seit 2018, Mitglied des Verwaltungsrates der FINMA seit 2016 |
| Angehrn, Urban | Direktor FINMA vom 1.11.2021 bis 30.9.2023 |
| Bauer, Thomas | Verwaltungsratspräsident FINMA vom 1.1.2016 bis 31.12.2020 |
| Baume-Schneider, Elisabeth | Bundesrätin, Vorsteherin EDI seit 1.1.2024, Vorsteherin EJPD von 1.1. bis 31.1.2023 |
| Berset, Alain | Alt-Bundesrat, Bundespräsident 2023, Stellvertreter des Vorstehers EFD vom 1.1.2019 bis 31.12.2022 |
| Blöchliger, Jan | Leiter des Geschäftsbereichs Banken und Mitglied der Geschäftsleitung der FINMA vom Juli 2018 bis Januar 2022 |
| Bonacker, Michael | Group Head of Transformation der CS September 2022 bis September 2023 |
| Branson, Mark | Direktor FINMA vom 1.4.2014 bis 30.4.2021, stv. Direktor FINMA vom 1.2.2013 bis 31.3.2014, Leiter des Geschäftsbereichs Banken FINMA vom 1.1.2010 bis 31.1.2013 |
| Budliger-Artieda, Helene | Staatssekretärin für Wirtschaft seit 1.8.2022 |
| Cassis, Ignazio | Bundesrat, Vorsteher EDA seit 2017, Bundespräsident 2022 |
| D’Amelio-Favez, Sabine | Direktorin EFV (EFD) seit 1.2.2021 |
| Danthine, Jean-Pierre | Vizepräsident des Direktoriums der SNB vom 1.8.2012 bis 30.6.2015 (Leiter II. Departement, u.a. zuständig für Finanzstabilität) |
| de Watteville, Jacques | Staatssekretär SIF vom 1.11.2013 bis 30.6.2016 |
| Derendinger, Peter | Verwaltungsratspräsident Credit Suisse Schweiz AG März 2019 bis Oktober 2023 |
| Diethelm, Markus | Leiter Rechtsdienst (Group General Counsel) der CS ab Juni 2022, Leiter Rechtsdienst UBS von 2008 bis Oktober 2021 |
| Ermotti, Sergio | CEO der UBS vom 1.11.2011 bis 30.10.2020 und seit 5.4.2023 |
| Eymann, Patric | Leiter des Geschäftsbereichs Enforcement, FINMA seit August 2016 |
| Gasser, Jörg | Staatssekretär SIF vom 1.7.2016 bis 28.2.2019, Generalsekretär des EFD von 2011 bis Mai 2016 |
| Gerszt, Arie | Vizedirektor EFV, Leiter Recht und Risikomanagement EFV seit Februar 2021, stv. Leiter und später Leiter der Sektion Kapitalmärkte und Infrastrukturen SIF von September 2015 bis Januar 2021 |
| Girard, Alain | Leiter des Geschäftsbereichs Recovery und Resolution seit 1.8.2022 und Mitglied der Geschäftsleitung der FINMA, seit 2015 im Geschäftsbereich Recovery und Resolution tätig |
| Götschmann, Rolf | Generalsekretär EFD vom 1.3.2021 bis 31.1.2023 |
| Gottstein, Thomas | CEO der CS vom 15.2.2020 bis 30.7.2022 |
| Goumaz, Nathalie | Generalsekretärin WBF seit 1.1.2019 |
| Hamers, Ralph | CEO der UBS vom 1.11.2020 bis 4.4.2023, Berater der Geschäftsleitung 5.4.2023 bis September 2023 |
| Hirschi, Thomas | Leiter Geschäftsbereich Banken seit Februar 2022, Mitglied Geschäftsleitung FINMA seit 2020 |
| Horta-Osório, António | Verwaltungsratspräsident der CS vom 30.4.2021 bis 17.1.2022 |
| Hubacher, Michael | Leiter Recht und Internationales RAB seit März 2021 |
| Hübscher Schmuki, Barbara | Generalsekretärin EFD seit 1.2.2023, vorher Generalsekretärin EJPD |
| Hürzeler, Martin | Leiter Financial Audit seit 2015 und Stv. Direktor RAB seit 2021 |
| Jordan, Thomas | Präsident des Direktoriums der SNB vom 18.4.2012 bis 30.9.2024 |
| Kelleher, Colm | Verwaltungsratspräsident UBS seit 7.4.2022 |
| Keller-Sutter, Karin | Bundesrätin, Vorsteherin EFD seit 1.1.2023, Vorsteherin EJPD vom 1.1.2019 bis 31.12.2022 |
| Körner, Ulrich | CEO der CS August 2022 bis Juni 2024 |
| Lehmann, Axel | Verwaltungsratspräsident der CS vom 17.1.2022 bis zur Übernahme durch die UBS im Juni 2023 |
| Maechler, Andréa M. | Mitglied des Direktoriums SNB vom 1.7.2015 bis 30.6.2023 (Leiterin III. Departement) |
| Maurer, Ueli | Alt-Bundesrat, Vorsteher EFD vom 1.1.2016 bis 31.12.2022 |
| Meier, Heinz | Leiter Regulatory Audit RAB seit 2015 |
| Parmelin, Guy | Bundesrat, Vorsteher WBF seit 1.1.2019, Mitglied des Bundesratsausschusses Finanzfragen |
| Plenio, Martin | Leiter Recht der SNB (I. Departement) seit 2011 |
| Rime, Bertrand | Leiter Finanzstabilität der SNB (II. Departement) seit 2011 |
| Rohner, Urs | Verwaltungsratspräsident der CS vom 29.4.2011 bis 30.4.2021 |
| Ronner, Markus | Group Chief Compliance and Governance Officer und Mitglied der Konzernleitung seit 2018, Verwaltungsratspräsident der UBS Switzerland AG 2022 bis Oktober 2023 |
| Rossi, Viktor | Bundeskanzler seit 1.1.2024, vorher Vizekanzler und Leiter Bereich Bundesrat seit 2019 |
| Rösti, Albert | Bundesrat, Vorsteher UVEK, Stellvertreter der Vorsteherin EFD, Mitglied des Bundesratsausschusses Finanzfragen seit 2023 |
| Roth, Daniel | Leiter Rechtsdienst EFD von September 2010 bis April 2016, Abteilungsleiter Solvenz und Kapital und Mitglied erweiterte Geschäftsleitung FINMA von April 2004 bis September 2010 |
| Sanwald, Reto | Direktor RAB seit 1.1.2021, stv. Direktor 2010 bis 2020 |
| Scheidegger, Eric | Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik seit 2012 und Stv. Direktor SECO seit 2007 |
| Schiltknecht, Reto | Stellvertretender Leiter des Geschäftsbereichs Recovery und Resolution von August 2016 bis August 2021, Leiter Abteilung Solvenz und Kapital im Geschäftsbereich Banken von Januar 2010 bis Juli 2016, FINMA |
| Schlegel, Martin | Präsident des Direktoriums der SNB seit 1.10.2024, Vizepräsident des Direktoriums der SNB 1.8.2022 bis 30.9.2024 (Leiter II. Departement, u.a. zuständig für Finanzstabilität), 1.9.2018 bis 1.8.2022 Stv. Direktoriumsmitglied (Stv. des Vorstehers des I. Departements) |
| Schöll, Michael | Direktor BJ seit 1.9.2021 |
| Simonazzi, André | Vizekanzler, Bundesratssprecher Januar 2009 bis Mai 2024 (verstorben am 10. Mai 2024) |
| Sommaruga, Simonetta | Alt-Bundesrätin, Vorsteherin UVEK vom 1.1.2019 bis 31.12.2022, Vorsteherin EJPD vom 1.11.2010 bis 31.12.2018 |
| Stoffel, Daniela | Staatssekretärin SIF (EFD) seit 1.3.2019 |
| Thiam, Tidjane | CEO der CS Group AG vom 1.7.2015 bis 14.2.2020 |
| Thurnherr, Walter | Bundeskanzler 9.12.2015 bis 31.12.2023 |
| von Kaenel, Rahel | Generalsekretärin EFD vom 1.7.2016 bis 28.2.2021 (aktuell Direktorin EPA) |
| Widmer-Schlumpf, Eveline | Alt-Bundesrätin, Vorsteherin EFD vom 1.11.2010 bis 31.12.2015 |
| Zurbrügg, Fritz | Vizepräsident des Direktoriums der SNB vom 1.7.2015 bis 31.7.2022 (Vorsteher III. Departement 2012 bis 2015, Vorsteher II. Departement, u.a. zuständig für Finanzstabilität 2015 bis 2022) |
| - | Leiter CS-Team, FINMA |
| - | Leiter Abteilung Recovery und Resolutionsplanung, FINMA |
| - | Senior Specialist Prüfwesen und Qualitätskontrollen, FINMA |
2²67 Bei gewissen Personen wird auf die Nennung des Namens verzichtet.
Anhang 4
Chronologie der wichtigsten Ereignisse
Es wurden - aus Gründen der Praktikabilität und Lesbarkeit - nicht sämtliche Sitzungstermine der betroffenen Behörden aufgelistet, sondern jene, die ausschliesslich aufgrund der krisenhaften Umstände stattfanden. Die weiteren Termine finden sich in den Unterlagen der FINMA und des EFD. Bei den Enforcementverfahren der FINMA wird jeweils das Datum der Verfahrenseröffnung aufgeführt.
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| Datum | Credit Suisse und Finanzmarkt | Internationaler Kontext, nationale Rechtsentwicklung | BR, Verwaltung und Behörden (BR, EFD, FINMA, SNB) | |
|---|---|---|---|---|
| 16.10.2008 | BR, SNB und Eidg. Bankenkommission (Vorgängerin der FINMA) präsentieren Hilfsplan zur Rettung der UBS | |||
| 13.10.2010 | BR nimmt Stellung zu den Empfehlungen der GPK | |||
| 16.12.2010 | Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) veröffentlicht Basel III, Empfehlungen für Eigenkapitalvorschriften für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme | |||
| 13.1.2011 | Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) veröffentlicht «Final elements of the reforms to raise the quality of regulatory capital issued by the Basel Committee». | |||
| 16.2.2011 | BR setzt gewisse Empfehlungen der GPK um; bessere Information des BR durch das EFD in Krisenzeiten; Anpassung von Controlling und Protokollierung der BR-Sitzungen | |||
| 30.3.2011 | BR begrüsst informelle Kontakte mit dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken, verzichtet aber auf weitergehende Zusammenarbeit | |||
| 20.4.2011 | BR verabschiedet Botschaft zur Änderung des Bankengesetzes (Umgang mit Systemrisiken von Grossbanken); Stärkung Eigenmittelbasis, strengere Liquiditätsanforderungen, bessere Risikoverteilung | |||
| 29.4.2011 | Urs Rohner wird an der Generalversammlung der CS zum Verwaltungsratspräsidenten gewählt | |||
| 24.8.2011 | BR setzt Bestimmungen zum Schutz von Bankeinlagen in Kraft | |||
| BR schlägt Änderung der Verrechnungssteuer vor, damit die Emission von Coco-Anleihen (AT1-Anleihen) in der Schweiz vereinfacht wird | ||||
| Oktober 2011 | Financial Stability Board veröffentlicht «Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions», den zentralen internationalen Standard u.a. für die Abwicklung von systemrelevanten Banken. | |||
| 26.10.2011 | FINMA eröffnet Enforcementverfahren gegen CS im Zusammenhang mit dem grenzüberschreitenden US-Finanzdienstleistungsgeschäft | |||
| 25.11.2011 | FINMA eröffnet Enforcementverfahren «Verfahren anonymisiert / Arabischer Frühling» gegen CS | |||
| 15.2.2012 | BR setzt Änderung des Bankengesetzes zur Regelung der «Too big to fail»-Problematik per 1. März in Kraft (Umgang mit Systemrisiken von Grossbanken); Stärkung Eigenmittelbasis, strengere Liquiditätsanforderungen, bessere Risikoverteilung | |||
| 1.6.2012 | Totalrevision der Eigenmittelverordnung zur Umsetzung der neuen Regeln «Basel III» | |||
| 16.11.2012 | Verfügung der SNB mit Feststellung Systemrelevanz der Credit Suisse AG | |||
| 30.11.2012 | BR erlässt per Verordnung neue Liquiditätsvorschriften für Banken | |||
| 5.2.2013 | Erleichterung bzgl. des Beteiligungsabzuges für die zu konsolidierenden Tochtergesellschaften ab 2014 (50 % Abzug vom harten Eigenkapital und 50 % Abzug vom übrigen Kapital), basierend auf Art. 125 ERV | |||
| 7.6.2013 | FINMA genehmigt Recovery-Plan der CS | |||
| 30.6.2013 | FINMA erstellt Resolution-Plan für CS (zeigt Durchführung einer im Notfall angeordneten Sanierung Liquidation auf) | |||
| 20.12.2013 | Die FINMA verfügte, dass die Credit Suisse Group AG als Finanzgruppe sowie die Credit Suisse AG als Finanzgruppe und als Einzelinstitut den besonderen Anforderungen an systemrelevante Institute untersteht. Ferner wurden Vorgaben und Anforderungen u.a. in den folgenden Bereichen definiert: Kapitalerfordernisse, Eigenmittel, Liquiditätserfordernisse und Risikoverteilung. | |||
| 19.5.2014 | CS bekennt sich gegenüber US-Behörden der Steuerhinterziehung schuldig und bezahlt CHF 2.6 Mrd. Strafe | |||
| 20.5.2014 | FINMA veröffentlicht Kurzbericht zu einem Enforcementverfahren gegen die CS bzgl. grenzüberschreitender Geschäfte mit US-Kunden zwischen 2000 und 2008; Verletzung der Pflichten im Risikomanagement | |||
| 21.10.2014 | Geldstrafe der EU-Kommission für CS (CHF 9.2 Mio.) und UBS (CHF 12.7 Mio.) im Zusammenhang mit Preisabsprachen bei Zinsderivaten | |||
| 18.2.2015 | BR verabschiedet ersten Evaluationsbericht über systemrelevante Banken («Too-big-to-fail»-Bestimmungen); verstärkte Kapitalanforderungen nötig | |||
| 10.3.2015 | Ankündigung Rücktritt CS-CEO Brady Dougan auf Ende Juni 2015; Vorstellung Tidjane Thiam | |||
| 25.9.2015 | FINMA eröffnet Enforcementverfahren gegen CS bzgl. Verletzung von Sorgfaltspflichten zur Bekämpfung der Geldwäscherei, Organisations- und Gewährserfordernis in Bezug auf den Ölkonzern Petrobras | |||
| 21.10.2015 | Ankündigung einer Restrukturierung; u.a. weniger Kapitaleinsatz im Investment Banking; einzelne Bankbereiche sollen unabhängiger werden; ein Minderheitsanteil der Schweizer Bankeinheit soll an die Börse gebracht werden | |||
| 4.11.2015 | BR schlägt umfangreiches Paket mit Änderungen und Ergänzungen des Bankengesetzes in seiner Botschaft zum Finanzdienstleistungs- und Finanzinstitutsgesetz vor (wird auf Antrag der WAK-S an BR zurückgewiesen) | |||
| 9.11.2015 | Financial Stability Board veröffentlicht Standard (Principles und Term Sheet) zu Total Loss Absorbing Capacity (TLAG) für global systemrelevante Banken. | |||
| 19.11.2015 | Ausserordentliche Generalversammlung der CS: Kapitalerhöhung im Umfang von CHF 6 Mrd. | |||
| 5.2.2016 | FINMA eröffnet zwei Enforcementverfahren gegen CS bzgl. Verletzung der Sorgfaltspflichten zur Bekämpfung der Geldwäscherei, Organisations- und Gewährserfordernis bei Geschäftsbeziehungen mit einer politisch exponierten Person und bei einer externen Vermögensverwalterin | |||
| 11.5.2016 | Anpassung der TBTF-Bestimmungen durch Änderung der Eigenmittelverordnung; Verstärkung Eigenmittelbasis, zusätzliches Kapital für Sanierung oder Abwicklung | |||
| Juni 2016 | Mosambik-Affäre und Beteiligung der CS wird öffentlich | |||
| 18.8.2016 | Financial Stability Board veröffentlicht Leitprinzipien zur Abwicklung von systemrelevanten Banken (inkl. Public Backstop) | |||
| 21.11.2016 | Anpassung der Eigenmittenmittelverordnung zur Erfüllung der Rahmenvereinbarung Basel III; risikosensitivere Eigenmittelunterlegung bei Derivaten und bei im Bankenbuch gehaltenen Fondsanteilen | |||
| 23.12.2016 | CS einigt sich mit US-Justizministerium im Zusammenhang mit Hypothekenfällen im Jahr 2007 auf einen Vergleich. Zahlung einer Zivilbusse in Höhe von 2.48 Mrd. US-Dollar und Bereitstellung von 2.8 Mrd. US-Dollar für Entschädigungszahlungen | |||
| 20.1.2017 | FINMA eröffnet Enforcementverfahren gegen CS bzgl. Verletzung von Sorgfaltspflichten zur Bekämpfung der Geldwäscherei, Organisations- und Gewährserfordernis in Bezug auf den Ölkonzern PDVSA und die FIFA | |||
| 17.3.2017 | FINMA eröffnet Enforcementverfahren gegen CS: Verletzung einer FINMA-Verfügung bzgl. grenzüberschreitendes Kundengeschäft | |||
| 26.4.2017 | CS verwirft Börsengang für die Schweizer Bankeinheit und kündigt stattdessen Aktienkapitalerhöhung zur Stärkung der Kapitalbasis an | |||
| 18.5.2017 | Ausserordentliche Generalversammlung der CS: Kapitalerhöhung um CHF 4.1 Mrd. | |||
| 28.6.2017 | BR verabschiedet zweiten Evaluationsbericht über systemrelevante Banken; Handlungsbedarf bzgl. Gone-concern-Kapitalanforderungen erkannt | |||
| 30.8.2017 | Stellungnahme des Bundesrates zur Mo. 17.3317 Landolt «Klare Verantwortlichkeiten zwischen Finanzmarktpolitik und Finanzmarktaufsicht» | |||
| 20.10.2017 | Die FINMA verfügte eine partielle Abänderung der TBTF-Verfügung vom 20.12.13. Ferner wurden Vorgaben und Anforderungen u.a. in den folgenden Bereichen definiert: Erforderliche Eigenmittel, Risikoverteilung bei den indirekten Beteiligungen, regulatorische Filter und Offenlegung. | |||
| 7.12.2017 | BIZ veröffentlicht aktualisierte Emp feh lungen «Basel III: Finalising post -crisis reforms » (auch Basel IV genannt) | |||
| 17.9.2018 | FINMA schliesst zwei Enforcementverfahren gegen CS ab und stellt Mängel bei Geldwäschereibekämpfung fest | |||
| 3.7.2019 | BR verabschiedet dritten Evaluationsbericht über systemrelevante Banken; Anpassung der Gone-concern-Kapitalanforderungen für CS und UBS geplant | |||
| September 2019 | Beschattungsaffäre um Tidjane Thiam und Iqbal Khan wird öffentlich | |||
| 27.11.2019 | BR beschliesst Änderung der Eigenmittelverordnung; Sicherstellung der Kapitalisierung der Stammhäuser systemrelevanter Banken im Krisenfall, Orientierung am internationalen Standard des Financial Stability Boards | |||
| 13.12.2019 | BR verabschiedet neue Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz (Umsetzung der Mo. 17.3317 Landolt) | |||
| Im Jahr 2020 | Übernahmeverhandlungen CS-UBS | |||
| 7.2.2020 | Ankündigung Rücktritt von CEO Tidjane Thiam per 14.02., Thomas Gottstein wird als Nachfolger präsentiert | |||
| Februar - März 2020 | Thiam-Rücktritt, Ausweitung der Corona-Pandemie und Zinssenkung des Federal Reserve Systems (FED) bringen die Aktien der CS (und UBS) zum Absturz, Kurs fällt unter 10 Franken | |||
| 24.2.2020 | FINMA genehmigt erstmals den Swiss Emergency Plan (Schweizer Notfallplan) der CS zur Weiterführung systemrelevanter Funktionen bei Insolvenzgefahr | |||
| 3.3.2020 | FED senkt Zinsen als Reaktion auf die Ausbreitung des Coronavirus überraschend stark um einen halben Prozentpunkt | |||
| 16.6.2020 | Hohe Zusatzanforderungen wurden infolge der Schwächen der CS im Bereich Liquidität nach Corona auferlegt: Stufe Credit Suisse AG, Minimum LCR 150 % oder 25 Mrd. HQLA über 100 %, Stufe CS Gruppe Minimum LCR 150 %. Meldepflicht bei Unterschreitung dieser Werte inkl. Remediation Plan zur Wiederherstellung innerhalb von 5 Arbeitstagen falls nötig, oder Bestätigung, dass Puffer wiederhergestellt wurde. | |||
| 19.6.2020 | Botschaft des Bundesrates zur Änderung des BankG (Regelungsgehalt der Bestimmungen aus Botschaft vom 4.11.2015, dazu Stärkung der Einlagensicherung und Anpassung des Bucheffektengesetzes) - wird am 1.1.2023 in Kraft treten. | |||
| 27.7.2020 | Im Rahmen einer Bewertungsprüfung der Fair Values des Beteiligungsportfolios der Credit Suisse AG wurde von der FINMA festgestellt, dass die von der CS angesetzten Fair Values einer Drittprüfung nicht standhielten. Folglich teilte die FINMA der CS mit, dass die anrechenbaren Fair Values um CHF 9.3 Mrd. gekürzt werden. | |||
| 21.8.2020 | FINMA eröffnet Enforcementverfahren gegen CS zum Fall «Beschattungsaffäre Iqbal Khan» | |||
| 20.9.2020 | FINMA eröffnet Enforcementverfahren gegen CS zum Fall Mosambik; Verletzung des Organisationserfordernisses im Zusammenhang mit dem Kreditgeschäft sowie Verletzung der geldwäschereirechtlichen Meldepflicht | |||
| 4.3.2021 | Greensill Capital meldet Insolvenz an, CS muss Fonds mit Geldern in Höhe von CHF 10 Mrd. einfrieren | |||
| 5.3.2021 | FINMA eröffnet Enforcementverfahren gegen CS zum Fall Greensill (Verletzung der Verhaltenspflichten sowie des Organisationserfordernisses) | |||
| 9.3.2021 | Sofortmassnahmen FINMA wegen Greensill: Aufsetzen Krisenorganisation, Informationspflichten, Aufschiebung variabler Vergütungen an involvierte Personen, Kapitalzuschlag Säule 2 (CET1) | |||
| 25.3.2021 | CS erleidet durch Archegos-Zahlungsausfall (gemäss eigener Aussage) Verluste in Höhe von CHF 5.4 Mrd. | |||
| 29.3.2021 | Sofortmassnahmen FINMA wegen Archegos: Revidierte Kapitalplanung, Verbot Aktienrückkäufe ohne vorherige Genehmigung der FINMA, Überprüfung Risikoappetit der Gruppe | |||
| 16.4.2021 | FINMA eröffnet Enforcementverfahren gegen CS im Fall «Archegos» und bestätigt seit März 2021 laufendes Verfahren im Fall «Greensill» | |||
| 21.4.2021 | Weitere Sofortmassnahmen FINMA im Kontext Archegos | |||
| 30.4.2021 | António Horta-Osório löst Urs Rohner als Verwaltungsratspräsident ab; Kapitalerhöhung im Umfang von CHF 1.7 Mrd. mittels Herausgabe von Mandatory Convertible Notes | |||
| 18.5.2021 | Weitere Sofortmassnahmen FINMA im Kontext Archegos | |||
| 4.6.2021 | BR verabschiedet vierten Evaluationsbericht über systemrelevante Banken; Anpassung der Liquiditätsanforderungen für systemrelevanten Banken vorgesehen | |||
| FINMA eröffnet Enforcementverfahren gegen CS «Vollstreckung Single Client View» | ||||
| 1.7.2021 | Änderung der Liquiditätsverordnung zur Überführung von Vorgaben des Basler Ausschusses in Schweizer Recht; Einführung Finanzierungsquote für langfristig stabile Bankenfinanzierung | |||
| 13.7.2021 | Moody’s senkt Langfrist-Rating der CS um eine Stufe von Aa3 auf A1 | |||
| 29.7.2021 | Publikation Sonderbericht Paul Weiss zum Fall Archegos | |||
| 30.9.2021 | Vernehmlassungseröffnung zur Änderung der Liquiditätsverordnung | |||
| 19.10.2021 | CS einigt sich im Korruptionsskandal um die Mosambik-Affäre mit der Securities and Exchange Commission (SEC) auf eine Busse von 475 Mio. Dollar | FINMA schliesst Verfahren gegen die CS zu Kreditgeschäften mit Staatsunternehmen aus Mosambik ab; Feststellung schwerer Verstösse gegen Organisationserfordernis und geldwäschereirechtliche Meldepflicht | ||
| FINMA schliesst Verfahren gegen die CS zur «Beschattungsaffäre» ab und stellt gravierende organisatorische Mängel fest. | ||||
| 4.11.2021 | Verwaltungsrat beschliesst neue CS-Gruppenstrategie; Verkleinerung Investmentgeschäft, Kapitalverschiebung in Vermögensverwaltung | |||
| 13.1.2022 | Im Nachgang zum Schreiben vom 27.7.2020 betreffend Bewertungsprüfung der Fair Values des Beteiligungsportfolios der Credit Suisse AG wurde der CS mitgeteilt, dass die anrechenbaren Fair Values um weitere CHF 12.9 Mrd. gekürzt werden. | |||
| 17.1.2022 | Axel Lehmann übernimmt von António Horta-Osório das Amt des Verwaltungsratspräsidenten | |||
| 22.1.2022 | FINMA teilt der CS per E-Mail mit, dass die Tier 1 Kapitalquote der Gruppe auf 20 % zu erhöhen ist. Vorher lag sie bei 18.2 %. | |||
| 20.2.2022 | Datenleak von mehr als 18’000 CS-Konten u.a. von Autokraten und Kriegsverbrechern (Suisse Secrets) | |||
| 11.3.2022 | BR beschliesst gesetzliche Verankerung des Public Liquidity Backstops; EFD soll bis Mitte 2023 Vernehmlassungsvorlage erarbeiten | |||
| 15.3.2022 | Antrittsbesuch VRP CS (Lehmann) beim damaligen EFD-Vorsteher BRUM, SIF | |||
| 11.4.2022 | Schreiben der FINMA an CS: Einfordern von Contingency Massnahmen sowie Stärkung Kapitalbasis der Credit Suisse AG | |||
| 16.5.2022 | Rating Downgrade der CS durch verschiedene Ratingagenturen | |||
| 31.5.2022 | Treffen Leitungsausschuss FINMA-SNB (Präsident & 1. Vizepräsident SNB, FINMA VRP, FINMA-Direktor) | |||
| 3.6.2022 | BR beschliesst Änderung der Liquiditätsverordnung per 1. Juli 2022; höhere Liquiditätsausstattung von systemrelevanten Banken verlangt, wichtige Voraussetzung für Public Liquidity Backstop | |||
| 16.6.2022 | CS zahlte ein AT1-Instrument (USD 1.5 Mrd.) zum erstmöglichen Call-Datum zurück. FINMA verlangte Ersatzemission, was die CS auch umsetzte (USD 1.65 Mrd.) | |||
| 27.6.2022 | Bundesstrafgericht verurteilt die CS und ehemalige Mitarbeitende in einem Fall von Geldwäsche und Drogenhandel einer bulgarischen Organisation. | |||
| 29.6.2022 | High-Level Aussprache FINMA-SNB (FINMA-VR, SNB Direktorium) | |||
| 5.7.2022 | Beginn FINMA-Projekt Begleitung Strategiewechsel CS | |||
| 14.7.2022 | Schreiben der FINMA an CS: CS hat bislang keine konkreten Handlungsoptionen für Contingency-Massnahmen definiert | |||
| 27.7.2022 | Ankündigung einer umfassenden strategischen Überprüfung der CS: Ulrich Körner ersetzt Thomas Gottstein als CEO | |||
| 3.8.2022 | AF-Sitzung | |||
| 4.8.2022 | Rating Downgrade der CS durch verschiedene Ratingagenturen | |||
| 5.8.2022 | Schreiben FINMA an CS: FINMA fordert Ausweitung der Contingency-Massnahmen, inkl. Überlegungen zu Teil-Börsengang (IPO) der Credit Suisse (Schweiz) AG | |||
| 23.8.2022 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteher des EFD (BRUM), FINMA, SNB, SIF, EFV | |||
| 24.8.2022 | BR-Sitzung: erste mündliche Information über die Situation der CS durch den Vorsteher des EFD (BRUM) | |||
| 29.8.2022 | Schreiben der FINMA an CS bzgl. Contingency-Massnahmen: Parent-Situation soll in Kapitalüberlegungen im Zusammenhang mit Strategie-Review | |||
| 12.9.2022 | AF-Sitzung | |||
| 26.9.2022 | Bilaterales Meeting (Call) zwischen T. Jordan und A. Lehmann | |||
| 29.9.2022 | Aussprache CS/SNB (Jordan, Schlegel, Lehmann, Körner) | |||
| Ab Oktober 2022 | Massive Liquiditätsabflüsse bei der CS (110.5 Milliarden allein im vierten Quartal 2022) | |||
| 3.10.2022 | Unbestätigte Informationen betr. der Krise der CS, nachdem ein internes Memo des CEO der CS über Liquiditätsabflüsse durchgesickert ist | |||
| 4.10.2022 | Schreiben der FINMA an CS: Aufforderung zur Entwicklung weiterer Contingency-Optionen | |||
| 5.10.2022 | Wechsel in den Krisenmodus (Lage auf «rot» gestellt) des Ausschusses Finanzkrisen (EFD, FINMA, SNB); Start wöchentlicher Aufsichts-Calls auf Arbeitsebene betr. Liquiditätssituation mit CS, FINMA, SNB; FED, Prudential Regulation Authority (PRA) | |||
| AF-Sitzung | ||||
| 6.10.2022 | Start wöchentlicher High-Level Meetings FINMA-CS | |||
| 7.10.2022 | Aussprache CS/SNB (u.a. T. Jordan, M. Schlegel, A. Maechler, A. Lehmann, U. Körner, M. Diethelm) | |||
| 10.10.2022 | Einsatz FINMA-Krisenstab (Geschäftsleitung); a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| 11.10.2022 | Bilaterale Meetings von SNB-Präsident Jordan mit J. Powell (FED) | |||
| AF-Sitzung | ||||
| 12.-15.10. 2022 | Non-Meeting mit der UBS von BRUM und TJ an Jahrestagung des IFW und der Weltbankgruppe in Washington | |||
| 12.10.2022 | a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| Call T. Jordan mit A. Lehmann; Treffen T. Jordan mit C. Kelleher | ||||
| Bilaterales Meeting zwischen T. Jordan und A. Bailey (Bank of England) | ||||
| 13.10.2022 | High-Level Austausch FINMA-SIF (FINMA-Direktor; StS SIF) | |||
| 14.10.2022 | a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| 15.10.2022 | AF-Sitzung | |||
| 16.10.2022 | Non-Meeting zwischen T. Jordan, BRUM, M. Amstad und A. Lehmann | |||
| 17.10.2022 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteher des EFD (BRUM), FINMA, SNB, SIF, EFV | |||
| 19.10.2022 | AF-Sitzung | |||
| 20.10.2022 | AF-Sitzung | |||
| 21.10.2022 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteher des EFD (BRUM), FINMA, SNB, SIF, EFV | |||
| a.o. Sitzung FINMA-VR | ||||
| Separate Calls von T. Jordan mit Bailey (BoE) und Powell (FED) | ||||
| 23.10.2022 | High-Level Meetings zwischen: BRUM, T. Jordan und C. Kelleher sowie zwischen BRUM, T. Jordan, M. Amstad und A. Lehmann | |||
| 25.10.2022 | Antrittsbesuch VRP UBS (Kelleher) bei BRUM | |||
| 26.10.2022 | BR-Sitzung: zweite mündliche Information über die Situation der CS durch den Vorsteher des EFD (BRUM) | |||
| AF-Sitzung | ||||
| 27.10.2022 | Präsentation der neuen CS-Strategie | FINMA führt ersten Valuation in Resolution-Run durch. | ||
| 28.10.2022 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteher des EFD (BRUM), FINMA, SNB, SIF, EFV | |||
| 31.10.2022 | Treffen «Strategischer Dialog»: EFD (BRUM, SIF) mit VRP und FINMA-DirektorAn dieser Sitzung wurde, unter Vorbehalt der Information/Zustimmung der abwesenden SNB, beschlossen, den BR am 2.11. gemäss MoU EFD, FINMA, SNB zu informieren, dass eine Intervention des Bundes wahrscheinlich geworden sei. | |||
| 1.11.2022 | Treffen zwischen EFD, SIF, FINMA, SNB, EFV | |||
| a.o. Sitzung FINMA-VR | ||||
| Non-Meeting zwischen BRUM, T. Jordan und A. Lehmann | ||||
| AF-Sitzung | ||||
| 2.11.2022 | BR-Sitzung: dritte mündliche Information über die Situation der CS durch den Vorsteher des EFD (BRUM) und den Präsidenten der SNB | |||
| Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRUM), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||||
| Mandat des BR: Verfassen einer Informationsnotiz für eine am 4.11.2022 geplante ausserordentliche Sitzung, die schliesslich abgesagt wurde | ||||
| 3.11.2022 | a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF) | ||||
| FINMA führt zweiten Valuation in Resolution-Run durch. | ||||
| 4.11.2022 | Rating Downgrade der CS durch verschiedene Ratingagenturen | Schreiben der FINMA an CS: Aufforderung Auswirkung eines konkreten Sanierungsplanes auf die Bilanz- und Erfolgsrechnung zu berechnen | ||
| AF-Sitzung | ||||
| 5.11.2022 | Schreiben der FINMA an CS: Umsetzung von Massnahmen zur Verbesserung der Liquiditätssituation und Auskunftsverhalten | |||
| ’Valuation in Resolution’-Workshop mit CMG Behörden: Über 70 Vertreter der CMG-Behörden haben die ViR-Pläne (Schätzung Bilanz- und Erfolgsrechnung der Bank) hinterfragt. | ||||
| 7.11.2022 | a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRUM), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||||
| 8.11.2022 | High-Level Austausch Crisis Management Group 2²68 (CMG) | |||
| High-Level Austausch FINMA - Bundeskanzlei | ||||
| 9.11.2022 | BR-Sitzung: vierte mündliche Information über die Situation von CS durch den Vorsteher des EFD (BRUM) | |||
| Aussprache des BR-Ausschusses «Finanzfragen» mit der SNB und der FINMA über den «Public Liquidity Backstop» (PLB), in Anwesenheit der EFV und des SIF | ||||
| 10.11.2022 | a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| AF-Sitzung | ||||
| 11.11.2022 | High-Level Meeting FINMA und CS | |||
| Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRUM), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||||
| 12.11.2022 | Non-Meeting BRUM, T. Jordan und A. Lehmann | |||
| 14.11.2022 | a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| Aussprache mit Bundespräsident (VRP FINMA & BR Cassis) | ||||
| AF-Sitzung | ||||
| 15.11.2022 | Aussprache CS/SNB (u.a. T. Jordan, M. Schlegel, A. Maechler, A. Lehmann, U. Körner, M. Diethelm) | |||
| 16.11.2022 | BR-Sitzung: fünfte mündliche Information über die Situation der CS durch den Vorsteher des EFD (BRUM) | |||
| Aussprache des Gesamtbundesrats mit der FINMA über den "Public Liquidity Backstop" (PLB) | ||||
| Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRUM), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||||
| High-Level Austausch CMG | ||||
| 21.11.2022 | AF-Sitzung | |||
| 22.11.2022 | Sitzung des BR-Ausschusses «Finanzfragen» mit der FINMA und der SNB, in Anwesenheit des Direktors des BJ, der Bundeskanzlei, des EFV und des SIF | |||
| 23.11.2022 | Ausserordentliche CS-General ver samm lung und Kapitalerhöhung um CHF 4 Mrd., Einstieg der Saudi National Bank als Grossaktionärin | Aussprache UBS/SNB (T. Jordan, M. Schlegel, A. Maechler, C. Kelleher, R. Hamers) | ||
| Antrittsbesuch CS-CEO (Körner) bei BRUM, SIF | ||||
| 25.11.2022 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRUM), FINMA, SNB, SIF, EFV | |||
| 30.11.2022 | a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| 5.12.2022 | AF-Sitzung | |||
| 6.12.2022 | Treffen Leitungsausschuss FINMA-SNB (Aussprache) | |||
| 7.12.2022 | Treffen FINMA-VR (Krisenstab) | |||
| Schreiben der FINMA an CS: Aufforderung Weiterentwicklung Massnahmen bei rascher Verschlechterung der Situation sowie weiterer Contingencies bei langsamer Verschlechterung der Situation | ||||
| 9.12.2022 | BR-Sitzung: sechste mündliche Information über die Situation der CS durch den Vorsteher des EFD (BRUM) | |||
| Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRUM), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||||
| 12.12.2022 | Bilaterales Meeting (Call) T. Jordan und A. Lehmann | |||
| 13.12.2022 | High-Level Meeting CS-FINMA (FINMA VRP & Direktor, CS VRP & CEO) | |||
| 16.12.2022 | BR-Sitzung: siebte mündliche Information über die Situation der CS durch den Vorsteher des EFD (BRUM) | |||
| High-Level-Austausch CMG | ||||
| Non-Meeting BRUM, T. Jordan, A. Lehmann | ||||
| 19.12.2022 | Schreiben der FINMA an CS: Forderung nach revidiertem Liquiditätsplan und Feststellung, dass nur geringe Fortschritte bei der Entwicklung des Szenarios «Verkauf der Bank» erzielt wurden | |||
| Dossierübergabe EFD (BRUM und BRKKS) | ||||
| 22.12.2022 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRUM), FINMA, SNB, SIF, EFV | |||
| AF-Sitzung | ||||
| 23.12.2022 | Bilaterales Meeting (Call) T. Jordan und A. Lehmann | |||
| 28.12.2022 | High-Level Austausch FINMA-SIF | |||
| E-Mail der FINMA an CS VRP Lehmann: Update zu Contingency Massnahmen | ||||
| 29.12.2022 | Non-Meeting Behörden und CS (BRUM, Präsident SNB, VRP FINMA, VRP CS) | |||
| 1.1.2023 | Änderung von Bankengesetz und Bankenverordnung treten in Kraft. Konkretisierungen zur Einlagensicherung und finanzielle/organisatorische Anforderungen an nicht beaufsichtigte Unternehmen systemrelevanter Bankengruppen | |||
| 5.1.2023 | Workshop FINMA zur CS: Contingency-Massnahme, Prüfung und Diskussion verschiedener Szenarien | |||
| 6.1.2023 | AF-Sitzung | |||
| 10.1.2023 | Treffen BRKKS und FINMA VRP | |||
| High-Level Meeting Chairs Audit Committee und Risk Committee CS mit FINMA | ||||
| 11.1.2023 | BR-Sitzung: mündliche Information über die Situation der CS durch die Vorsteherin des EFD (BRKKS) | |||
| High-Level Austausch FINMA-SIF | ||||
| Treffen BRKKS mit VRP CS (A. Lehmann) | ||||
| High-Level Meeting zwischen T. Jordan, M. Schlegel, B. Rime, A. Lehmann und U. Körner | ||||
| Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||||
| 12.1.2023 | a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| High-Level Meeting FINMA und CS VR-Mitglied Gellerstad | ||||
| 18.1.2023 | a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| 23.1.2023 | Antrittsbesuch UBS (Kelleher, Gähwiler) bei BRKKS, SIF | Schreiben der FINMA an CS: Contingency-Massnahmen, Data Room für den Fall eines beschleunigten Verkaufsprozesses wurde eingerichtet | ||
| 24.1.2023 | Aussprache FINMA-Direktor mit Bundespräsident Berset | |||
| High-Level Meeting FINMA-VR, FINMA-Direktor und CEO CS, Diskussion über möglichen Verkauf der ganzen CS-Gruppe | ||||
| Bilaterales Meeting T. Jordan und A. Lehmann | ||||
| Bilaterales Meeting T. Jordan und W. Dudley (VR UBS) | ||||
| AF-Sitzung | ||||
| 25.1.2023 | BR-Sitzung: mündliche Information, Ankündigung Diskussion über die 4 Szenarien zur Bewältigung der CS-Krise durch die Vorsteherin des EFD (BRKKS) | |||
| High-Level Aussprache FINMA-SNB (Direktorium SNB und FINMA-VR) | ||||
| 26.1.2023 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV | |||
| 1.2.2023 | BR-Sitzung: Verteilung eines Handouts durch BRKKS an die BR-Mitglieder zu den 4 Szenarien zur Bewältigung der CS-Krise, anschliessende Diskussion, Handout wurde im Anschluss wieder eingezogen | |||
| 2.2.2023 | AF-Sitzung | |||
| 7.2.2023 | Call SNB-CS (T. Jordan, M. Schlegel / U. Körner, D. Joshi) | |||
| AF-Sitzung | ||||
| 14.2.2023 | a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| AF-Sitzung | ||||
| 15.2.2023 | High-Level Austausch CMG | |||
| 16.2.2023 | Treffen BRKKS mit FINMA-VRP Amstad | |||
| Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||||
| 17.2.2023 | Call SNB-CS (T. Jordan, M. Schlegel / A. Lehmann, U. Körner) | |||
| 22.2.2023 | BR-Sitzung: Diskussion über die 4 Szenarien zur Bewältigung der CS-Krise | |||
| a.o. Sitzung FINMA-VR | ||||
| AF-Sitzung | ||||
| 24.2.2023 | Meeting FINMA mit CS; Analyse der Contingency-Optionen | |||
| 28.2.2023 | FINMA schliesst Enforcementverfahren «Greensill» ab; CS hat mit Blick auf Risikomanagement in schwerer Weise gegen aufsichtsrechtliche Pflichten verstossen | |||
| AF-Sitzung | ||||
| 1.3.2023 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV | |||
| 6.3.2023 | Eignergespräch BRKKS mit VRP FINMA | |||
| 7.3.2023 | AF-Sitzung | |||
| 9.3.2023 | Verschiebung der Publikation des CS-Jahresberichts 2022 aufgrund von Nachfragen der SEC | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||
| 10.3.2023 | FINMA Medienmitteilung zu Nichteröffnung eines Verfahrens gegen CS VRP wegen Äusserungen zu Abflüssen von Kundengeldern von der Credit Suisse | |||
| 13.3.2023 | Schreiben der FINMA an CS: Erneutes Einfordern von Contingency Options | |||
| 14.3.2023 | Veröffentlichung des CS-Jahresberichts 2022 | High-Level Austausch Core College (FINMA und FED) | ||
| High-Level Austausch Core College (FINMA und PRA) | ||||
| Bilaterales Meeting T. Jordan mit C. Kelleher | ||||
| AF-Sitzung | ||||
| 15.3.2023 | 9 .00 Uhr: öffentliche Information des Präsidenten des Grossaktionärs Saudi National Bank, wonach eine zusätzliche finanzielle Beteiligung bei der CS ausgeschlossen ist | 12.00 Uhr: Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||
| Call SNB-CS (T. Jordan / U. Körner, D. Joshi, D. Wildermuth) | ||||
| 15.00 Uhr: BRKKS informiert BK und BP und beruft für den Folgetag eine a.o. BR-Sitzung ein | ||||
| 16.00 Uhr: Treffen mit UBS, BRKKS, SNB, FINMA, SIF (bei FINMA) und Videokonferenz von BRKKS, SNB und FINMA mit CS | ||||
| 18.00 Uhr: Treffen des UBS-Verwaltungsrats | ||||
| Wertabfall der CS-Aktie um 24,2 % (Aktie ist bei CH-Börsenschluss noch 1.697 CHF wert ) | 18.30 Uhr: High-Level Austausch Core College (FINMA, FED, PRA) | |||
| 20.30 Uhr: Gemeinsame Medienmitteilung der FINMA und der SNB zu den Marktunsicherheiten | Nach 19.00 Uhr: Telefonate SIF mit Stv. US-Finanzminister Adeyemo; Directeur Général Trésor Moulin (FR); Staatssekretär Bundeskanzleramt Kukies (DE) | |||
| 21.00 Uhr: Antrag CS für Emergency Liquidity Assistance (ELA) und Solvenzbestätigung der FINMA | 20.00 Uhr: Mehrere Calls auf Arbeitslevel zwischen CS und FINMA in denen die Bank aufgefordert wurde, den Sanierungsplan genehmigungsfähig zu finalisieren | |||
| Ab 21.00 Uhr: Einbezug des Bundesamtes für Justiz durch den Rechtsdienst der EFV und des SIF im Bernerhof | ||||
| 16.3.2023 | 1.45 Uhr: CS Medienmitteilung zum Bezug von (ELA)12:30 bis 13:30: ausserordentliche Sitzung des VR-CS | 00.00 Uhr: Start High-Level Meetings FINMA-UBS zur Übernahme (mehrere Folgemeetings am Wochenende) | ||
| 10 Uhr: Gewährung einer ausserordentlichen Liquiditätshilfe ( ELA) in Höhe von 50 Milliarden durch die SNB und CS-Ankündigung, einer Reihe von Schuldenrückkäufen im Wert von bis zu 3 Milliarden CHF durchzuführen | ||||
| 7.45 Uhr: a.o. Sitzung FINMA-VR | ||||
| 9.00 bis 10.30 Uhr: Sitzung des AF-Finanzkrisen | ||||
| Ca. 10 Uhr: Vorsteherin des EFD (BRKKS) und Direktorin EFV bieten FinDel-Präsidentin erste Orientierung | ||||
| 11.30 Uhr: Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||||
| Webex-Meeting zwischen T. Jordan und J. Powell, M. Barr (FED Board) | ||||
| 13.15 bis 15.00 Uhr und 17.15 bis 18.50 Uhr: Ausserordentliche BR-Sitzungen und Entscheid über die Notverordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes. 20.00 Uhr Inkrafttreten der Verordnung | ||||
| Separate Telefonate von BRKKS mit dem deutschen Finanzminister Christian Lindner (8.45 Uhr), dem französischen Finanzminister Bruno Le Maire (9.30 Uhr), dem britischem Finanzminister Jeremy Hunt (16.15 Uhr) und US-Finanzministerin Janet Yellen (19.00 Uhr) | ||||
| 17.10 Uhr: High-Level Austausch der FINMA mit den CMG-Behörden | ||||
| Telefonate von Bundespräsident Berset mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron | ||||
| abends: Telefonat des SIF mit Gwyneth Nurse, Generaldirektorin HM Treasury (GB) | ||||
| 17.3.2023 | 12.45 Uhr: Antrag CS für Emergency Liquidity Assistance (ELA+) im Umfang von 20 Milliarden und Solvenzbestätigung FINMA (um 12.45 Uhr) | 6.30 Uhr: Internes Briefing EFD mit BRKKS, SIF, EFV | ||
| 7.00 Uhr: High-Level Meeting Behörden mit UBS | ||||
| 9.00 Uhr: BR-Sitzung: Beratung im Rahmen der ordentlichen Sitzung | ||||
| 13.00 Uhr: Treffen des UBS-Verwaltungsrats und der UBS- Konzernleitung. Ebenfalls anwesend: Vertreter von Bär&Karrer, Morgan Stanley | ||||
| 14.30-17.00 Uhr: Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV mit UBS und CS (je separat) | ||||
| 17.30 Uhr: Call FINMA-CS (CEO, CFO): Die CS erklärt, dass kein Bail-in nötig sei | ||||
| Separate Telefonate von BRKKS mit dem britischen Finanzminister Jeremy Hunt (15.00 Uhr) und US-Finanzministerin Janet Yellen (15.30 Uhr) | ||||
| 19.00 Uhr: Telefonkonferenz mit UBS, SIF, Morgan Stanley (Berater UBS), Bär und Karrer (Anwälte UBS) und FINMA | ||||
| 20.00 Uhr: High-Level Austausch mit Core Colleges und CMG | ||||
| Separate Calls von T. Jordan mit A. Bailey (BoE), C. Lagarde (EZB), F. Villeroy de Galhau (Banque de France, BdF), J. Powell (FED) | ||||
| 18.3.2023 | 8.00 Uhr: Call Lenkungsgremium «Ausschuss Finanzkrisen» mit UBS | |||
| 9.00-10.30 Uhr: Call des Lenkungsgremiums «Ausschuss Finanzkrisen», Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV, UBS und CS | ||||
| Separate Telefonate von BRKKS mit Philipp Hildebrand (Blackrock, 11.00 Uhr) und Al-Jadaan (saudischer Finanzminister, ca. 19.00 Uhr) | ||||
| Separate Telefonate von T. Jordan mit A. Bailey (BoE), C. Lagarde (EZB), F. Villeroy de Galhau (BdF), J. Powell (FED) | ||||
| 12.15 Uhr: Schreiben FINMA an CS bezüglich Einreichung eines genehmigungsfähigen Sanierungsplans | ||||
| 15.00 Uhr: High-Level Austausch Core College (FINMA, FED); | ||||
| 15.30 Uhr und 18.45 Uhr: High-Level Austausch Behörden mit CEO/VRP UBS | ||||
| 17.00 bis 18.40 Uhr: a.o. BR-Sitzung, Informationsnotiz EFD | ||||
| 17.15 bis 18.00 Uhr: Treffen des UBS-Verwaltungsrats | ||||
| 18.15 Uhr: Schreiben der CS an die FINMA mit angepasstem Sanierungsplan in genehmigungsfähiger Qualität | ||||
| 20.30 bis 21.15 Uhr: Treffen des UBS-Verwaltungsrats | ||||
| 21.00 Uhr: Information der FinDel-Präsidentin | ||||
| 22.30 bis 23.20 Uhr: CMG - Vorstellung und Diskussion Sanierungsplan und Dokumente im CMG | ||||
| 19.3.2023 | 17.00 Uhr: Antrag CS für zusätzliche Emergency Liquidity Assistance (ELA+) und Solvenzbestätigung der FINMA | Treffen der FINMA mit VRP und CEO der CS | ||
| 7.00 Uhr: Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||||
| 8.30 bis 11.25 Uhr: Ausserordentliche BR-Sitzung mit der SNB, der FINMA sowie den Verwaltungsratspräsidenten und CEOs von UBS und CS (8.30 Uhr) | ||||
| 10.45 Uhr: Ausserordentliche Sitzung FinDel (Aussprachen) | ||||
| 14.30 Uhr: a.o. Sitzung FINMA-VR | ||||
| 14.30 Uhr: Treffen des UBS-Verwaltungsrats und UBS-Konzernleitung | ||||
| 15.00 bis 16.45 Uhr: Ausserordentliche BR-Sitzung mit der SNB und FINMA | ||||
| 15.30 bis 16.40 Uhr und ab 17.05 Uhr: Sitzung der FinDel und Aussprache mit EFV-Direktorin | ||||
| 17.47 Uhr: Zustimmung FinDel zum Kreditbeschluss | ||||
| Telefonat SIF mit Stv. US-Finanzminister Adeyemo (mehrere in den folgenden Tagen) | ||||
| 20.30 Uhr: Antrag CS für Public Liquidity Backstop und Solvenzbestätigung der FINMA | Telefonische Information des Präsidenten der FDK Ernst Stocker (18.00 Uhr) und Information der Parteien (18.30 Uhr) | |||
| 19.00 Uhr: FINMA-Entscheid zur Genehmigung des vorzeitigen Vollzugs des Zusammenschlusses gemäss Art. 32 Abs. 2 KG | ||||
| 19.30 Uhr: Medienkonferenz der Bundesbehörden in Begleitung der CS- und UBS-Führung (Ankündigung der Übernahme der CS durch die UBS) | ||||
| SNB stellt Liquiditätshilfe zur Übernahme der CS durch die UBS zur Verfügung | ||||
| 22.00 Uhr: FINMA Verfügung Abschreibung der AT1-Anleihen der CS | ||||
| 22.30 Uhr: High-Level Austausch CMG | ||||
| 23.00 bis 24.00 Uhr: General College | ||||
| 20.3.2023 | a.o. Sitzung FINMA-VR | |||
| High-Level Austausch Behörden (EFD, FINMA, SNB) | ||||
| Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV | ||||
| Ausserordentliche BR-Sitzung mit der SNB, der FINMA, sowie SIF und EFV | ||||
| 21.3.2023 | EFD-Verfügung an CS: Sistierung gewisser variablen Vergütungen | |||
| AF-Sitzung | ||||
| 23.3.2023 | Information der FINMA zu Grundlagen für die Abschreibung von AT1-Kapitalinstrumenten | |||
| Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF) | ||||
| 28.3.2023 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF) | |||
| 29.3.2023 | BR-Sonderbotschaft zu Verpflichtungskrediten für die SNB und die UBS | |||
| 4.4.2023 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF) | |||
| 5.4.2023 | BR-Beschluss: Streichung bzw. Kürzung um 50 % oder 25 % aller ausstehenden variablen Vergütungen der drei obersten Führungsebenen der CS | |||
| 14.4.2023 | Federal Reserve Board der US-Notenbank genehmigt Übernahme der US-Tochtergesellschaft der CS durch die UBS | |||
| 17.4.2023 | AF-Sitzung | |||
| 18.4.2023 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF) | |||
| 26.4.2023 | AF-Sitzung | |||
| 1.5.2023 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF), Vorsteherin des EFD (BRKKS), FINMA, SNB, SIF, EFV | |||
| 2.5.2023 | AF-Sitzung | |||
| 10.5.2023 | AF-Sitzung | |||
| 15.5.2023 | AF-Sitzung | |||
| 16.5.2023 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF) | |||
| 17.5.2023 | Einsetzung einer Expertengruppe «Bankenstabilität» durch das EFD | |||
| 19.5.2023 | Treffen des Lenkungsgremiums (LG) zusammen mit dem «Ausschuss Finanzkrisen» (AF) | |||
| 23.5.2023 | Das EFD hat per Verfügung ausstehende variable Vergütungen der obersten Führungsebenen der Credit Suisse gestrichen beziehungsweise gekürzt zur Umsetzung des BR-Beschlusses vom 5. April über die variable Vergütungen in der CS durch das EFD | |||
| 24.5.2023 | AF-Sitzung | |||
| 25.5.2023 | BR eröffnet Vernehmlassung zur Einführung einer staatlichen Liquiditätssicherung für systemrelevante Banken (Public Liquidity Backstop) | |||
| 31.5.2023 | AF-Sitzung | |||
| 7.6.2023 | AF-Sitzung | |||
| 9.6.2023 | EFD und UBS unterzeichnen Vertrag zu Verlustgarantie | |||
| 12.6.2023 | UBS schliesst Übernahme der CS ab, CS-Aktie wird nicht mehr an der Börse gehandelt ( closing ) | |||
| 13.6.2023 | AF-Sitzung | |||
| 27.6.2023 | AF-Sitzung | |||
| 11.8.2023 | UBS beendet den Vertrag über die Verlust über nahmegarantie des Bundes (CHF 9 Mrd.) und den Vertrag mit der SNB über die staatlich garantierten Liquiditätshilfe-Darlehen (maximal CHF 100 Mrd.) | |||
2²68 Die Crisis Management Group setzt sich aus Vertretungen der FINMA, des FED, der Prudential Regulation (PRA), der Bank of England (BoE), der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) und der SEC zusammen. Schreiben der FINMA an CS: Aufforderung Weiterentwicklung Massnahmen bei rascher Verschlechterung der Situation sowie weiterer Contingencies bei langsamer Verschlechterung der Situation.
Anhang 5
Chronologie der Bankenregulierung 2008 bis 2023
2²69
2²69 Die PUK hat beim SIF eine Übersicht über alle Neuregulierungen im Zeitraum vom 1.1.2008 bis 31.12.2023, die den Finanzplatz betreffen, verlangt.
Die untenstehende Tabelle enthält eine Liste der Gesetzesänderungen (Bundesgesetz und Verordnungen), im Bereich der Bankenregulierung, insbesondere im Zusammenhang mit der Too-big-to-fail-Regulierung, von 2008 bis 2023.
Die Liste umfasst alle Regulierungsvorlagen, welche die Banken bzw. Bankenregulierung betreffen, wobei die Anpassungen im Bereich Geldwäschereibekämpfung sowie die Vorlagen zu Covid-Krediten zur Abfederung der Pandemiefolgen ausgeklammert wurden, da diese Anpassungen hier mutmasslich weniger von Interesse sind. Bei den aufgeführten Vorlagen wurde als Datum jeweils die Verabschiedung durch Parlament (bei Gesetzesanpassungen) oder durch den Bundesrat (bei Verordnungsanpassungen) angegeben und auf weitere Zwischenschritte (wie Vernehmlassungen und Botschaften) und geringfügige Änderungen (wie Erratum) verzichtet.
Wir weisen darauf hin, dass der Inhalt dieses Dokuments nach der Chronologie der offiziellen systematischen Rechtssammlung zusammengestellt wurde. In Bezug auf die Ziele, die im Zusammenhang mit den aufgelisteten Gesetzen und Verordnungen angegeben werden, wird außerdem darauf hingewiesen, dass die angegebenen Ziele lediglich eine Interpretation widerspiegeln, da sie in den Gesetzestexten nicht angegeben sind.
Tabelle vergrössern
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| Datum (Beschluss) | Meilenstein | Zweck | Gegenstand |
|---|---|---|---|
| 15.10.2008 | Verordnung über die vollständige Inkraftsetzung des FinanzmarktaufsichtsgesetzesFINMAG, RS 956.1 | FinanzstabilitätAufsicht | Amtliche Sammlung |
| 17.12.2010 | Änderung des BankengesetzesBankG, RS 952.0 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung |
| 18.3.2011 | Änderung des BankengesetzesBankG, RS 952.0 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 30.9.2011 | Änderung des BankengesetzesBankG, RS 952.0 | FinanzstabilitätTBTF | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 1.6.2012 | Totalrevision der Eigenmittelverordnung ERV, RS 952.03 | FinanzstabilitätImplementierung Basel III | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 1.6.2012 | Teilrevision der BankenverordnungBankV, RS 952.02 | FinanzstabilitätTBTF | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 15.6.2012 | Änderung des VerrechnungssteuergesetzesVStG, RS 642.21 | FinanzstabilitätWettbewerbsfähigkeit der TBTF-Instrumente | Amtliche Sammlung |
| 30.11.2012 | Schaffung der LiquiditätsverordnungLiqV, RS 952.06 | FinanzstabilitätImplementierung Basel III, TBTF | Amtliche Sammlung |
| 13.2.2013 | Antizyklischen Kapitalpuffer eingeführt in der EigenmittelverordnungERV, RS 952.03 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung |
| 22.3.2013 | Änderung des BankengesetzesBankG, RS 952.0 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 22.1.2014 | Antizyklischen Kapitalpuffer erhöht in der EigenmittelverordnungERV, RS 952.03 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung |
| 30.4.2014 | Totalrevision der Bankenverordnung BankV, RS 952.02 | TBTF OR-Anpassungen | Amtliche Sammlung |
| 25.6.2014 | Revision der LiquiditätsverordnungLiqV, RS 952.06 | FinanzstabilitätImplementierung Basel III | Amtliche Sammlung |
| 19.6.2015 | Schaffung des FinanzmarktinfrastrukturgesetzesFinfraG, RS 958.1 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung |
| 25.11.2015 | Schaffung der FinanzmarktinfrastrukturverordnungFinfraV, RS 958.11 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 18.3.2016 | Änderung des VerrechnungssteuergesetzesVStG, RS 642.21 | FinanzstabilitätWettbewerbsfähigkeit der TBTF-Instrumente | Amtliche Sammlung |
| 11.5.2016 | Änderung der Eigenmittelverordnung ERV, RS 952.03 | FinanzstabilitätTBTF | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 29.6.2016 | Änderung der FinanzmarktinfrastrukturverordnungFinfraV, RS 958.11 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 23.11.2016 | Änderung der Eigenmittelverordnung ERV, RS 952.03 | FinanzstabilitätImplementierung Basel III | Amtliche Sammlung |
| 5.7.2017 | Änderung der Bankenverordnung BankV, RS 952.02 | Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes | Amtliche Sammlung |
| 5.7.2017 | Änderung der FinanzmarktinfrastrukturverordnungFinfraV, RS 958.11 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 22.11.2017 | Änderung der Eigenmittelverordnung ERV, RS 952.03 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung |
| 22.11.2017 | Änderung der LiquiditätsverordnungLiqV, RS 952.06 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung |
| 15.6.2018 | Schaffung des FinanzinstitutsgesetzesFINIG, RS 954.1 | FinanzstabilitätAufsicht | Amtliche Sammlung |
| 15.6.2018 | Schaffung des FinanzdienstleistungsgesetzesFIDLEG, RS 950.1 | Schutz der Kunden undStärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes | Amtliche Sammlung |
| 14.9.2018 | Änderung der FinanzmarktinfrastrukturverordnungFinfraV, RS 958.11 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 21.11.2018 | Änderung der Eigenmittelverordnung ERV, RS 952.03 | FinanzstabilitätTBTF | Amtliche Sammlung |
| 30.11.2018 | Änderung der Bankenverordnung BankV, RS 952.02 | Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes | Amtliche Sammlung |
| 6.11.2019 | Schaffung der Verordnung über die FinanzinstituteFINIV, RS 954.11 | FinanzstabilitätAufsicht | Amtliche Sammlung |
| 6.11.2019 | Schaffung der Verordnung über die FinanzdienstleistungenFIDLEV, RS 950.11 | Schutz der Kunden undStärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes | Amtliche Sammlung |
| 27.11.2019 | Änderung der Eigenmittelverordnung ERV, RS 952.03 | FinanzstabilitätTBTF | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 13.12.2019 | Inkrafttreten der Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz,RS 956.11 | FinanzstabilitätAufsicht | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 11.9.2020 | Änderung der LiquiditätsverordnungLiqV, RS 952.06 | FinanzstabilitätImplementierung Basel III | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 25.9.2020 | Schaffung des Bundesgesetzes zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register (DLT) | Förderung Wettbewerbsfähigkeit sowie Gläubigerschutz | Amtliche Sammlung |
| 18.6.2021 | Schaffung der Verordnung zur Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register (DLT) | Förderung Wettbewerbsfähigkeit sowie Gläubigerschutz | Amtliche Sammlung |
| 3.12.2021 | Änderung der Verordnung über die FinanzdienstleistungenFIDLEV, RS 950.11 | Angleichung an die EU- Regelung (Gleichbehandlung) | Amtliche Sammlung |
| 17.12.2021 | Änderung des BankengesetzesBankG, RS 952.0 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung |
| 17.12.2021 | Änderung des VerrechnungssteuergesetzesVStG, RS 642.21 | FinanzstabilitätWettbewerbsfähigkeit der TBTF-Instrumente | Amtliche Sammlung |
| 26.1.2022 | Antizyklischen Kapitalpuffer reaktiviert in der EigenmittelverordnungERV, RS 952.03 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung |
| 3.6.2022 | Änderung der LiquiditätsverordnungLiqV, RS 952.06 | FinanzstabilitätTBTF | Amtliche Sammlung |
| 30.9.2022 | Änderung der FinanzmarktinfrastrukturverordnungFinfraV, RS 958.11 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung Medienmitteilung |
| 23.11.2022 | Änderung der Bankenverordnung BankV, RS 952.02 | Finanzstabilität | Amtliche Sammlung |
| 16.3.2023 | Schaffung der Verordnungüber zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante BankenRS 952.3 | Schutz der Finanzstabilität und der Schweizer Volkswirtschaft | Amtliche Sammlung |
| 17.3.2023 | Änderung des FinanzmarktinfrastrukturgesetzesFinfraG, RS 958.1 | Anerkennung ausländischer Handelsplätze | Amtliche Sammlung |
| 19.3.2023 | Änderung der Verordnungüber zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante BankenRS 952.3 | Schutz der Finanzstabilität und der Schweizer Volkswirtschaft | Amtliche Sammlung |
| 29.9.2023 | Änderung des FinanzmarktinfrastrukturgesetzesFinfraG, RS 958.1 | Bestrafung im Fall von unwahren oder unvollständigen Angaben | Amtliche Sammlung |
| 29.11.2023 | Änderung der Eigenmittelverordnung ERV, RS 952.03 | FinanzstabilitätImplementierung Basel III | Amtliche Sammlung |
Anhang 6
Liste der Vorabklärungs- und Enforcementverfahren der FINMA bei der CS zwischen 2012 und 2022, mit Beschrieben
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| Kurztitel 227⁰ | Eröffnung | Abschluss 227¹ | Untersuchter Sachverhalt | Angewandte Instrumente der FINMA | Um- bzw. Durchsetzung | Verweis auf den Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle |
|---|---|---|---|---|---|---|
| Anonymisiertes Verfahren 227² | 28.7.2010 | 23.1.2012 | Ziff. 81 | |||
| «FutureGeneration» | 7.9.2011 | 27.2.2012 | Ziff. 80 | |||
| «US-Finanzdienstleitungsgeschäft» | 26.10.2011 | 21.9.2012 | Hinweise auf eine beschränkte Anzahl von Fällen aktiver Beihilfe zu Steuerdelikten sowie auf die Annahme von Dokumenten zu US-Steuerzwecken (W8-BEN), von denen die Handelnden wussten oder wissen mussten, dass sie den US-Steuerstatus des Kunden nach dem QIA unzutreffend wiedergaben («sham-structures»). Frage, ob die Bank bei der Ausübung ihres grenzüberschreitenden Geschäfts mit US-Kunden die Anforderungen an eine angemessene Verwaltungsorganisation, ein angemessenes Risikomanagement und die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit eingehalten hatte. | Feststellung der schweren Verletzung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (angemessene Verwaltungsorganisation, Risikomanagement und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit); Einschränkung der Geschäftstätigkeit (Verbot, mit US-Kunden Geschäfte abzuschliessen, die ihre Identität den US-Steuerbehörden nicht offenlegen sowie Pflicht zur Beendigung der Geschäftsbeziehungen mit solchen Kunden); Pflicht zur regelmässigen Berichterstattung; Pflicht zur Durchführung einer Risikoanalyse und Entwicklung eines Risikokonzepts; Entzug der aufschiebenden Wirkung | Beauftragung der Prüfgesellschaft der CS (KPMG AG) mit der Überprüfung der Umsetzung der Verfügung der FINMA; drei Vor-Ort-Kontrollen | Ziff. 129 ff. |
| Anonymisiertes Verfahren | 4.10.2012 | 7.3.2013 | Ziff. 82 | |||
| «Arab Spring / Anonymisiertes Verfahren» | 30.9.2011 | 24.5.2013 | Frage, ob die Bank im Zusammenhang mit der Betreuung von politisch exponierten Personen (sog. PEP) aus Ägypten und Libyen gegen das GwG verstossen hatte. Beim anonymisierten Sachverhaltskomplex standen GwG-Verletzungen bei Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken zu russischen Kunden im Fokus. Die Vorabklärung ergab, dass die CS insgesamt 12 Geschäftsbeziehungen führte, welche von den Sanktionsverordnungen des Bundesrats betroffen waren. | Einstellung des Verfahrens und Rügebrief betr. das anonymisierte VerfahrenFeststellung der schweren Verletzung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen, Anordnung der Prüfung und Berichterstattung an die FINMA bezüglich der Effektivität der eigenen Massnahmen zur Transaktionsüberwachung. im anonymisierten Verfahren. | Vor-Ort-Kontrollen; Rügebrief mit Empfehlungen | Ziff. 148 ff. |
| Anonymisiertes Verfahren | 27.5.2013 | 14.8.2013 | Ziff. 84 | |||
| Anonymisiertes Verfahren | 7.5.2013 | 22.8.2013 | Ziff. 85 | |||
| «Usbekistan» | 10.3.2013 | 23.10.2013 | Ziff. 83 | |||
| Anonymisiertes Verfahren | 27.2.2012 | 12.5.2014 | Ziff. 86 | |||
| Anonymisiertes Verfahren | 6.5.2013 | 3.11.2014 | Ziff. 87 | |||
| «Devisenhandel» | 6.6.2014 | 11.11.2014 | Ziff. 88 ff. | |||
| Anonymisiertes Verfahren | 8.5.2015 | 28.8.2015 | Ziff. 91 | |||
| Anonymisiertes Verfahren | 22.1.2015 | 21.12.2015 | Ziff. 92 | |||
| «Grenzüberschreitendes Finanzdienstleistungsgeschäft in Italien» | 21.7.2015 | 29.4.2016 | Ziff. 93 ff. | |||
| «1MDB» | 5.6.2016 | 17.2.2017 | Ziff. 97 ff. | |||
| «Datenvorfälle Italien» | 19.5.2016 | 12.12.2017 | Ziff. 99 | |||
| «Insiderverdacht. Anonymisiertes Verfahren» | unbekannt | 13.8.2018 | Ziff. 101 | |||
| «Petrobras/FIFA/ PDVSA» | 25.9.2018 | 3.9.2018 | Frage, ob die CS im Zusammenhang mit drei grossen Betrugs- bzw. Korruptionsfällen gegen die Bestimmungen des GwG sowie die Anforderungen an eine angemessene Verwaltungsorganisation und ein angemessenes Risikomanagement verstossen hatte. | Feststellung der schweren Verletzung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (GwG-Sorgfaltspflichten, Compliance, Risikomanagement und Verwaltungsorganisation); Pflicht zur Einführung einer Gesamtkundensicht bis Ende 2019; Pflicht zur Vorlage eines Massnahmen- und Zeitplans zur Behebung der festgestellten Mängel; Pflicht zur Ernennung eines Verwaltungsratsmitglieds mit spezifischen Kompetenzen im Bereich Compliance; Pflicht - zur Übertragung der Thematik Compliance-Kultur und -Organisation an einen angemessenen Ausschuss des Verwaltungsrates. | Einsatz eines Prüfbeauftragten für die Überprüfung der Umsetzung der Verfügung der FINMA; Wiedererwägung der verfügten Massnahmen, in Folge welcher die CS nicht mehr verpflichtet war, ein Verwaltungsratsmitglied mit spezifischen Kompetenzen im Bereich Compliance zu ernennen, dafür Pflicht zur Übertragung der Thematik Compliance-Kultur und - Organisation an einen neu gegründeten unabhängigen Ausschuss des Verwaltungsrates. | Ziff. 168 ff. |
| Anonymisiertes Verfahren | 6.4.2018 | 6.9.2018 | Ziff. 100 | |||
| «Dino» | 5.2.2016 | 3.9.2018 | Hinweise auf unautorisierte Cash- und Wertschriftentransfers zulasten einer politisch exponierten Person | Feststellung der schweren Verletzung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (GwG-Sorgfaltspflichten, Organisation und Risikomanagement); Pflicht zur Behebung der festgestellten Mängel, insb. Implementierung einer hinreichend klaren Definition von Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten in den einzelnen Verteidigungslinien, Gewährleistung eines unabhängigen und durchsetzungsfähigen Überwachungsprozesses; Förderung und Vermittlung einer angemessenen Compliance- und Risikokultur zur entsprechenden Sensibilisierung und Stärkung des Bewusstseins, insbesondere im Rahmen des bestehenden Schulungskonzepts; Pflicht zur Vorlage eines Massnahmen- und Zeitplans zur Behebung der festgestellten Mängel | Einsatz eines Prüfbeauftragten für die Überprüfung der Umsetzung der Verfügung der FINMA | Ziff. 219 ff. |
| «Distressed Debt» | unbekannt | 2.11.2018 | Ziff. 102 | |||
| Anonymisiertes Verfahren | 5.2.2016 | 23.11.2018 | Überprüfung der Einhaltung der GwG-Bestimmungen sowie des Risikomanagements und der Organisation der CS, nachdem ein externer Vermögensverwalter Verluste verschob bzw. verschleierte ohne Eingriff der CS. | Feststellung der schweren Verletzung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (Zusammenarbeit mit externen Vermögensverwaltern, GwG-Sorgfaltspflichten, Organisation und Risikomanagement); Pflicht zur Vorlage eines Massnahmen- und Zeitplans zur Behebung der festgestellten Mängel | Einsatz eines Prüfbeauftragten für die Überprüfung der Umsetzung der Verfügung der FINMA | Ziff. 243 ff. |
| Anonymisiertes Verfahren | unbekannt | 23.11.2018 | Ziff. 103 ff. | |||
| Anonymisiertes Verfahren | unbekannt | 8.4.2019 | Ziff. 109 | |||
| «SSA Bonds» | unbekannt | 25.4.2019 | Ziff. 110 | |||
| Anonymisiertes Verfahren | anonymisiert | anonymisiert | anonymisiert | anonymisiert | anonymisiert | anonymisiert |
| Anonymisiertes Verfahren | unbekannt | 11.11.2019 | Ziff. 111 | |||
| «Libor-Ablösung» | unbekannt | 25.6.2021 | Ziff. 112 | |||
| «Vatikan» | unbekannt | 3.9.2021 | Ziff. 113 f. | |||
| «Mosambik» | 25.9.2020 | 17.9.2021 | Grosskredite der CS in London an Mosambik zum Aufbau einer Thun-fisch-Fangflotte | Feststellung der schweren Verletzung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (Verwaltungsorganisation, Risikomanagement, internes Kontrollsystem); GWG-Meldepflicht). Pflicht zur Wiederherstellung des ordnungsmässen Zustandes betreffend das Risikomanagement im Kreditbereich, Einschränkung der Geschäftstätigkeit (Auflage betreffend gewisse Kreditgeschäfte bis Abschluss der Prüfarbeiten). | Androhung der Einschränkung der Geschäftstätigkeit, Einsatz eines Prüfbeauftragten betreffend die Umsetzung, Angemessenheit und Wirksamkeit der getroffenen Massnahmen sowie betreffend die Überprüfung gewisser Kreditdossiers; Eröffnung eines Enforcementverfahrens gegen ein Individuum. | Ziff. 278 ff. |
| «Observationsfälle» | 21.8.2020 | 1.10.2021 | Observation von Mitgliedern der Geschäftsleitung mit Hilfe eines privaten Sicherheitsunternehmens; Hinweise auf Falschinformationen des Verwaltungsratspräsidenten und des CEOs der CS gegenüber der FINMA | Feststellung der schweren Verletzung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (Auskunfts- und Wahrheitspflicht; Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit); Pflicht zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes; Pflicht zur Etablierung eines internen Reportings der Geschäftsleitung zum Verwaltungsrat | Einsatz einer Prüfbeauftragten für die Überprüfung der Umsetzung der Verfügung der FINMAEröffnung dreier Enforcementverfahren gegen Individuen | Ziff. 300 ff. |
| «António Horta-Osório» | unbekannt | 28.1.2022 | Ziff. 115 | |||
| «Transaktionsmeldepflicht» | 23.3.2021 | 17.3.2022 | Ziff. 116 | |||
| «Vollstreckung Single Client View» | 4.6.2021 | 1.4.2022 | Die CS hat die angeordneten Massnahmen innert angesetzter Frist nicht vollständig umgesetzt. Im Assessment-Brief 2019 vom 24. April 2020 hielt die FINMA fest, dass die Massnahmen zur Verbesserung einer «konzernweiten holistischen» Überwachung von Geldwäscherei-Risiken, namentlich die Gesamtkundensicht (SCV), nach wie vor Lücken aufwiesen. Insbesondere habe die Gesamtkundensicht immer noch keine Daten der Divisionen GM (Global-Markets) und IBCM (Investment-Banking und Capital-Markets) enthalten, und die Risikodatenerfassung für bestehende Kunden müsste beschleunigt werden, um eine angemessene Risikoerfassung zu gewährleisten. | Ermahnung der CS unter letzter Fristansetzung, die Gesamtkundensicht bis spätestens am 31. Dezember 2024 vollständig zu implementieren; Androhung der Einschränkung der Geschäftstätigkeit (Verbot der Aufnahme neuer Kundenbeziehungen da, wo die Gesamtkundensicht nicht vollständig implementiert wäre) | Einsatz eines Prüfbeauftragten | Ziff. 327 ff. |
| «Greensill» | 5.3.2021 | 9.12.2022 | Anhaltspunkte auf Interessenkonflikte bei CS Supply Chain Finance Funds (SCF), die zwischen der CS Asset Management AG, Greensill Capital und der Softbank Group Corp bestanden; am 26.2.2021 hielt die CS erst fest, dass der Versicherungsschutz der SCF-Notes bei einem Ausfall der Greensill-Bank «in Frage stehe» (vgl. Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle, Ziff. 382) | Feststellung der schweren Verletzung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (Organisation, Risikomanagement, Governance, Verhaltenspflichten); Pflicht zur Einführung eines Verantwortlichkeitsdokuments (Klärung der Zuständigkeiten der Geschäftsleitungsmitglieder für eine Kundenbeziehung, einen Vorfall sowie für die Oberverantwortlichkeit); Pflicht, Weiterführung wesentlicher und risikobehafteter Geschäftsbeziehungen periodisch auf Stufe Geschäftsleitungsmitglied oder Gesamtgeschäftsleitung zu bestätigen; Pflicht, Verwaltungsrat angemessen zu erneuern; Berichterstattungspflicht bezüglich Pflichtenwahrnehmung durch den Verwaltungsrat (bis Abschluss der Prüfarbeiten), Bewilligungspflicht von Anpassungen eines internen Reglements durch die FINMA, Verbot der Auslagerung gewisser Tätigkeiten (bis Abschluss der Prüfarbeiten). | Einsatz eines PrüfbeauftragtenEröffnung von vier Enforcementverfahren gegen Individuen | Ziff. 382 ff. |
| «Archegos» | 16.4.2021 | 14.7.2023 | CS hatte eine Gewinnwarnung publiziert, weil der Hedgefonds Archegos Capital Management LLC einem Margin-Call von über USD 2.7 Milliarden nicht hatte Folge leisten können, die Positionen des Fonds durch umfangreiche Aktienverkäufe der Banken liquidiert werden mussten und der CS dadurch ein Schaden von rund USD 5 Milliarden entstand | Feststellung der schweren Verletzung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (Organisation); Pflicht zur Einführung von Bonuszuteilungskriterien auf Gruppenebene, die den Risikoappetit berücksichtigten; Pflicht zur Grössenbeschränkung von Eigenpositionen; Berichterstattungspflicht. | Eröffnung eines Enforcementverfahrens gegen ein Individuum | Ziff. 398 ff. |
| Total durchgeführter Vorabklärungen zwischen dem 1. Januar 2012 und dem 31. Dezember 2022: 42 | ||||||
| Total durchgeführter Enforcementverfahren gegen die CS: 11 | ||||||
227⁰ Die gewählten Kurztitel dienen der Übersichtlichkeit über die in Betracht gezogenen Enforcementverfahren gegen die CS. Sie beziehen sich auf den untersuchten Sachverhalt und entspringen soweit ersichtlich keiner offiziellen Bezeichnung der FINMA.
227¹ Mit «Abschluss» ist hier wie auch nachfolgend das Datum der Endverfügung gemeint. Bei den Vorabklärungsverfahren sind die Eröffnungs- und Abschlussdaten nicht immer klar festzulegen. In solchen Fällen sind die im betroffenen Vorabklärungsverfahren letzten Verfahrenshandlungen gemäss Untersuchungsbericht Langhart/Hirschle aufgeführt.
227² Etliche der von der FINMA durchgeführten Verfahren sind nicht öffentlich bekannt. Um das Bankgeheimnis zu wahren, werden wie im Untersuchungsbericht die Namen anonymisiert.
Bundesrecht
Die Geschäftsführung der Bundesbehörden im Kontext der CS-Krise. Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission
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