Parlamentarische Initiative Mehr Gestaltungsfreiheit bei Arbeit im Homeoffice
Parlamentarische Initiative Mehr Gestaltungsfreiheit bei Arbeit im Homeoffice
Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates
vom 18. Februar 2025
Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf ¹ zu einer Änderung des Arbeitsgesetzes. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.
| 18. Februar 2025 | Im Namen der Kommission Der Präsident: Thomas Aeschi |
Übersicht
Mit dieser Vorlage sollen flexiblere Rahmenbedingungen für die Telearbeit geschaffen und soll den erfolgten Entwicklungen der Arbeitswelt Rechnung getragen werden. Insbesondere sollen die Arbeitnehmenden bei der Festlegung ihrer Arbeitszeiten einen grösseren Gestaltungsspielraum erhalten.
Ausgangslage
Vor dem Hintergrund einer sich rasant wandelnden Arbeitswelt sieht die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates die Notwendigkeit einer Anpassung des Arbeitsgesetzes an die neuen Gegebenheiten. Insbesondere die Arbeit im Homeoffice ist inzwischen zu einer weitverbreiteten Praxis geworden, auf die der Gesetzgeber allerdings noch kaum reagiert hat. Aus Sicht der Kommissionsmehrheit ist eine Regelung, welche den Bedürfnissen und Realitäten der heutigen Arbeitswelt entspricht, überfällig.
Die Kommission präsentiert daher einen Gesetzesentwurf, um das Homeoffice gesetzlich zu regeln und hierbei insbesondere eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten zu ermöglichen. Die Vorlage gibt den Arbeitnehmenden die Möglichkeit, die Chancen der Telearbeit zu nutzen und ihre Arbeitszeiten individueller zu wählen. Sie erlaubt mehr Gestaltungsfreiheit und eine einfachere Organisation insbesondere von Betreuungsarbeit und dient damit auch der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Damit passt sich das Arbeitsrecht an die gelebte Realität an.
Eine Minderheit der Kommission beantragt, nicht auf den Entwurf einzutreten. Dieser stellt aus ihrer Sicht eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und des Gesundheitsschutzes dar, womit er letztlich auch zu hohen Kosten für die Wirtschaft führen würde.
Inhalt der Vorlage
Die Vorlage der Kommission sieht im Arbeitsgesetz einige Liberalisierungen vor für Arbeitnehmende in Telearbeit, die oder deren Vertretungen eine diesbezügliche Regelung mit ihrem Arbeitgeber treffen. So sollen die maximale Zeitspanne, innert welcher die Arbeit geleistet werden kann, von 14 auf 17 Stunden erhöht und gelegentliche Arbeitseinsätze aus eigenem Antrieb an Sonntagen erlaubt werden. Die Mindestruhezeit soll demgegenüber von 11 auf 9 Stunden reduziert werden. Mit diesen Regelungsvorschlägen möchte die Kommission eine flexiblere Arbeitszeiteinteilung innerhalb des Tages und der Woche ermöglichen.
Eine Minderheit schlägt aus Gründen der Kohärenz des Arbeitsrechts insgesamt entsprechende Anpassungen auch im Obligationenrecht vor.
Bericht
¹ BBl 2025 1333
1 Entstehungsgeschichte
Am 1. Dezember 2016 reichte der damalige Nationalrat Thierry Burkart die parlamentarische Initiative 16.484 Mehr Gestaltungsfreiheit bei Arbeit im Homeoffice ein. Er forderte damit, das Arbeitsgesetz (ArG) sei dahingehend zu ändern, dass es der Situation von Arbeitnehmenden, die ihre Arbeit im Homeoffice verrichten, stärker Rechnung trage. Insbesondere sollten die Regelungen zu Arbeits- und Ruhezeiten und zur Sonntagsarbeit eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeiten ermöglichen. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) gab der parlamentarischen Initiative am 29. Januar 2018 mit 19 zu 6 Stimmen Folge. Die ständerätliche Schwesternkommission schloss sich dieser Entscheidung am 14. Februar 2019 mit 9 zu 3 Stimmen an, womit die Initiative in die zweite Phase, jene der Ausarbeitung eines Erlassentwurfes, überging.
Angesichts der laufenden Arbeiten der ständerätlichen WAK zur Ausarbeitung einer Vorlage zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 16.414 Teilflexibilisierung des Arbeitsgesetzes und Erhalt bewährter Arbeitszeitmodelle hielt die WAK-N die Ausarbeitung eines Erlassentwurfes zum Geschäft 16.484 zunächst zurück: Am 17. August 2020 beschloss sie, die Ausarbeitung eines Vorentwurfs zu sistieren, bis sich zeigen würde, welche Ergebnisse die Arbeiten zur parlamentarischen Initiative 16.414 zeitigen würden. Da sich die Arbeiten in der Schwesterkommission verzögerten, beantragte die WAK-N am 1. Februar 2021 einstimmig eine Fristverlängerung bis zur Frühjahrssession 2023, um die Vorlage der WAK-S abzuwarten. Der Nationalrat gewährte diese am 17. März 2021. Die Umsetzung der parlamentarischen Initiative 16.414 liess allerdings weiter auf sich warten, bis sich schlussendlich im Frühjahr 2023 ein Kompromiss in Form einer durch die Sozialpartner ausgehandelten Verordnungsanpassung abzeichnete. Da die WAK-N jedoch die Stossrichtung der parlamentarischen Initiative 16.484, eine Flexibilisierung spezifisch im Bereich der Telearbeit, in dieser Verordnungslösung nicht erfüllt sah, beschloss sie am 9. Januar 2023 mit 13 zu 8 Stimmen, eine weitere Fristverlängerung zu beantragen und gleichzeitig die Ausarbeitung eines Vorentwurfs voranzutreiben. Der Nationalrat verlängerte die Frist antragsgemäss bis zur Frühjahrssession 2025 und die Kommission verabschiedete ihren Vorentwurf am 20. August 2024 mit 18 zu 7 Stimmen zuhanden der Vernehmlassung. Diese dauerte vom 10. September bis zum 10. Dezember 2024. Am 18. Februar 2025 nahm die Kommission Kenntnis vom Ergebnis der Vernehmlassung und verabschiedete ihren Entwurf mit 18 zu 7 Stimmen zuhanden des Nationalrates. Eine Minderheit lehnt die Vorlage vollumfänglich ab und beantragt, nicht darauf einzutreten, weitere Minderheiten fordern eine Einschränkung des Geltungsbereichs, die explizite Festschreibung des Nachtarbeitsverbots, die Streichung von Bestimmungen, die einzig die heutige Praxis festschreiben, oder die Aufnahme einer Entsprechung im Obligationenrecht.
2 Ausgangslage
2.1 Handlungsbedarf und Ziele
Die Arbeitswelt in der Schweiz hat einen grundlegenden Wandel erlebt, seit im Jahr 1964 das heute geltende Arbeitsgesetz verabschiedet wurde. Nicht zuletzt bringt die Digitalisierung tiefgreifende Veränderungen mit sich, die noch nicht abgeschlossen sind. Bereits seit der Jahrtausendwende erlebt die Arbeit im Homeoffice einen deutlichen Aufschwung, sodass der Handlungsbedarf für eine entsprechende Regelung aus Sicht der WAK-N klar gegeben ist. Noch klarer zeigte sich die Entwicklung hin zur Telearbeit im Umfeld der Covid-19-Pandemie. Die Bedürfnisse der Arbeitgebenden wie auch der Arbeitnehmenden haben sich offensichtlich geändert. Das Arbeitsgesetz ist allerdings nach wie vor stark auf die seinerzeitige vorwiegend industrielle Arbeitsweise fokussiert und kaum geeignet, auf die neueren Herausforderungen und Möglichkeiten zu reagieren, welche die Digitalisierung in der Arbeitswelt mit sich bringt.
2.2 Argumente der Mehrheit
Um dieser neuen Realität Rechnung zu tragen, möchte die Mehrheit der WAK-N das Arbeitsgesetz um Regelungen in Bezug auf die Telearbeit ergänzen. Der präsentierte Vorentwurf soll Angestellten ab 18 Jahren eine grössere Flexibilität bei der Arbeitszeiteinteilung erlauben. Es handelt sich bei der Neuregelung also um ein Recht der Angestellten, freier über ihre Zeit zu verfügen. Die Vorlage soll gerade nicht ermöglichen, zusätzliche Einsätze von ihnen zu fordern oder ihre Arbeitszeit auszudehnen, sondern ihnen bei der Einteilung ihrer Arbeitszeit mehr Gestaltungsspielraum verschaffen: So soll die tägliche Arbeit im Fall von Homeoffice neu in einem Rahmen von 17 Stunden statt wie bisher 14 Stunden erbracht werden können. Voraussetzung ist, dass eine Ruhezeit von 9 Stunden (statt wie bisher 11 Stunden) gegeben ist. Diese Ruhezeit kann für dringende Tätigkeiten unterbrochen werden, sofern sie zum Ausgleich im Anschluss an den letzten Einsatz nachbezogen wird. Die genauen Modalitäten werden mittels einer Vereinbarung zwischen den Angestellten oder ihrer Vertretung und dem Arbeitgeber festgehalten.
Mit dieser Regelung will die Kommissionsmehrheit die heutige gesellschaftliche Realität abbilden und das Arbeitsgesetz in die Zukunft tragen. Sie erachtet das vergleichsweise liberale Schweizer Arbeitsrecht für den bisherigen wirtschaftlichen Aufschwung in der Schweiz als mitverantwortlich, hält eine Neugestaltung jedoch für sinnvoll, damit der aktuelle Standortvorteil nicht durch unnötig rigorose Regulierungen verloren geht. Die Vorlage ist somit nicht als Plädoyer für die Telearbeit zu verstehen, vielmehr geht es um eine für beide Seiten sinnvolle Regelung einer bereits verbreiteten Arbeitsweise. In diesem Sinn handelt es sich um eine notwendige Anpassung an die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt.
Die Mehrheit der WAK-N möchte den Arbeitnehmenden durch den grösseren Gestaltungsspielraum in erster Linie konkrete Erleichterungen bei der Planung verschaffen. Dadurch, dass der Zeitraum, innerhalb dessen die Arbeitsleistung erbracht werden kann, vergrössert wird, ohne dass die maximale wöchentliche bzw. tägliche Arbeitszeit angetastet wird, können sich die Arbeitnehmenden eher nach ihren individuellen Bedürfnissen richten und durch grössere Flexibilität bei den Arbeitszeiten beispielsweise Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen. Gerade bezüglich Organisation der Kinderbetreuung verspricht sich die Kommissionsmehrheit eine erhebliche Erleichterung. So könnte beispielsweise ein Angestellter, dessen Arbeitstag um 06.00 Uhr beginnt, früher aufhören zu arbeiten, um sich nachmittags um seine Kinder zu kümmern, und dafür abends, wenn diese im Bett sind, noch eine anstehende Präsentation vorbereiten. Aus Sicht der Befürworterinnen und Befürworter ermöglicht die Vorlage auch eine bessere individuelle Balance von Arbeits- und Freizeitleben, indem der Arbeitstag etwa nachmittags für Freizeitaktivitäten unterbrochen werden kann und kleinere Korrespondenzarbeiten abends noch erledigt werden können, was für viele Arbeitnehmende durchaus motivierend ist.
Durch die Aufweichung starrer Arbeitszeiten erwartet die Kommissionsmehrheit darüber hinaus eine bessere Verteilung des Pendlerverkehrs und damit eine Entlastung sowohl der Strassen als auch des öffentlichen Verkehrs. Ausserdem kann der Wegfall des Arbeitsweges gerade für Arbeitnehmende mit einer körperlichen Beeinträchtigung eine grosse Erleichterung darstellen.
Bedenken bezüglich der Auswirkungen dieser Liberalisierung auf den Gesundheitsschutz nimmt die Kommission durchaus ernst. Eine Mehrheit möchte deshalb das Recht der Arbeitnehmenden, während der täglichen Ruhezeit und an Sonntagen nicht erreichbar zu sein, explizit in der Vorlage verankern, stellt doch die Telearbeit an Abenden oder am Wochenende ihrer Ansicht nach ohnehin bereits eine Realität dar, die allerdings bisher gesetzlich nicht abgebildet wird. Eine klare Regulierung schafft ihres Erachtens verlässliche Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit in Bezug auf diese inzwischen etablierte Arbeitsweise.
2.3 Argumente der Minderheiten
Eine Minderheit der Kommission beantragt Nichteintreten auf den Entwurf, der aus ihrer Sicht eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen darstellt. Gerade im Bereich der Telearbeit sieht sie die Gefahr, dass die Grenze zwischen Arbeits- und Freizeit zunehmend verschwimmt und die tatsächlich geleisteten Stunden nicht mehr vollständig erfasst werden. Insbesondere die Kürzung und die mögliche Unterbrechung der Ruhezeit erachtet sie aus Sicht des Gesundheitsschutzes problematisch, denn dies erhöhe erwiesenermassen das Risiko für stressbedingte Krankheiten wie Burnouts. Damit gingen wiederum krankheitsbedingte Absenzen einher, welche nicht zuletzt hohe Kosten für Unternehmen und die Volkswirtschaft nach sich ziehen. Angesichts dessen soll der Schutz der Arbeitnehmenden nicht geschwächt werden, sondern der Gesundheitsschutz im Gegenteil als primäres Ziel des Arbeitsgesetzes bestehen bleiben. Nach Ansicht der Kommissionsminderheit berücksichtigt der vorliegende Entwurf dieses Anliegen unzureichend. Auch wenn die Telearbeit nicht zur Pflicht erhoben werde, bestehe das Risiko, dass diese zu einem impliziten Zwang werde. Die Möglichkeit zur Unterbrechung der Ruhezeit für «dringende» Tätigkeiten hält sie für allzu schwammig, was grosses Missbrauchspotenzial mit sich bringe.
Für den Fall, dass der Rat entgegen dem dargelegten Minderheitsantrag doch auf die Vorlage eintritt, möchte eine andere Minderheit den Geltungsbereich einschränken, sodass nur Arbeitnehmende, die in Bezug auf die Arbeitsorganisation über eine grosse Autonomie verfügen und ihre Arbeitszeiten mehrheitlich selbst festsetzen können, zur Telearbeit berechtigt wären.
Eine weitere Minderheit möchte das Recht auf Nichterreichbarkeit weiter präzisieren, indem auch die Pausen ausdrücklich erwähnt werden, während eine dritte Minderheit es als vollkommen unnötig erachtet, die Nichterreichbarkeit im Gesetz festzuschreiben, da dies ohnehin gelte und auch so gehandhabt werde. In ihren Augen sind Arbeitnehmende, die Telearbeit wünschen und eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnen würden, durchaus in der Lage, ihre Einsätze eigenverantwortlich zu planen und die Arbeitszeit klar von der Ruhezeit zu trennen.
Ein Teil der Kommission beantragt aus Sorge um die Gesundheit der Arbeitnehmenden, Artikel 28 d, wonach bei Telearbeit verkürzte Ruhezeiten erlaubt sind, aus dem Entwurf streichen.
Bezüglich Sonntagsarbeit fordert sodann eine Minderheit, Artikel 28 e sei aus dem Entwurf zu streichen. Es bestehe kein Grund, die bestehende, bewährte Regelung zur Sonntagsarbeit zu ändern.
Eine weitere Minderheit beantragt, einen zusätzlichen Artikel aufzunehmen, der im Gesetz festschreiben würde, dass Nachtarbeit, also Arbeit ausserhalb der betrieblichen Tages- und Abendarbeit, verboten ist.
Im Sinne einer vollständigen und einheitlichen Regelung der Telearbeit beantragt eine Kommissionsminderheit schliesslich zusätzlich zu den neuen Bestimmungen im Arbeitsgesetz entsprechende Änderungen im Obligationenrecht (OR). Insbesondere soll dort der Telearbeitsvertrag definiert und festgelegt werden, welche Kriterien er erfüllen muss. So soll er etwa Abmachungen zum Arbeitsort, zum Umfang der Telearbeit an der Gesamtarbeitszeit sowie zum Zeitraum der Erreichbarkeit enthalten. Mittels der Anpassungen im Obligationenrecht möchte die Minderheit eine grundsätzliche Regelung treffen und klare, einheitliche Rahmenbedingungen für die Telearbeit ermöglichen. Dies erlaubt weiteren Kreisen eine flexiblere Gestaltung ihrer Arbeitszeit, da die Ausnahmen des Arbeitsgesetzes im OR nicht greifen. Ausserdem dienen die Anpassungen im OR der Rechtssicherheit.
2.4 Vernehmlassungsverfahren
Vom 10. September bis zum 10. Dezember 2024 führte die Kommission eine Vernehmlassung zu ihrem Vorentwurf durch. Insgesamt gingen 71 Stellungnahmen ein: Sämtliche Kantone, der Interkantonale Verband für Arbeitnehmerschutz (IVA) und der Verband Schweizerischer Arbeitsmarktbehörden (VSAA) äusserten sich zum Vorhaben, ausserdem 7 Parteien (EVP, FDP.Die Liberalen, glp, GPS, Mitte, SVP, SPS), 7 Dachverbände (Gemeindeverband, Kaufmännischer Verband, SAB, SAV, SGB, sgv, Travail.Suisse) sowie 30 weitere interessierte Organisationen und Verbände (darunter SGARM, SBPV, verschiedene Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmerverbände).
Ein Grossteil der Teilnehmenden, darunter die meisten Kantone, der VSAA und der IVA, mehrere Dachverbände sowie von den Parteien die glp, die FDP.Die Liberalen und die SVP, begrüsst die Absicht, die Rahmenbedingungen für die Telearbeit gesetzlich zu regeln, entweder in der vorliegenden Form oder zumindest grundsätzlich. Sie sind der Meinung, die vorgeschlagenen Änderungen würden die Flexibilität der Arbeitnehmenden erhöhen und eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Betreuungsaufgaben ermöglichen. In verschiedenen Stellungnahmen - auch auf Seiten der Befürwortenden - wurde allerdings auch moniert, die Vorlage sei zu komplex, zudem weise sie verschiedene Unklarheiten auf, der Vollzug wäre entsprechend schwierig. Insbesondere zahlreiche Kantone befürchten ausserdem ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für die Beschäftigten. Einzelne Teilnehmende halten die Regelung gemäss Vorentwurf für zu detailliert und zu einschränkend, sie finden, die Möglichkeit zum Abschluss einer Telearbeitsvereinbarung sei nicht nur Mitarbeitenden mit grosser Autonomie, sondern generell allen Mitarbeitenden zu öffnen. Andererseits stösst die im Entwurf vorgesehene Möglichkeit, an mehreren Sonntagen aus eigenem Antrieb zu arbeiten, auch bei verschiedenen Teilnehmenden, die eine gesetzliche Regelung der Telearbeit und die dadurch ermöglichte grössere Flexibilität grundsätzlich befürworten, auf starken Widerstand.
In 11 Stellungnahmen, unter anderem von SP und GPS sowie der Gewerkschaften, wird die Revision in der vorgeschlagenen Form komplett abgelehnt. Sie sind der Ansicht, die vorgesehene Regelung hätte negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeitnehmenden, sie würde einseitig den Arbeitgebern Flexibilität bringen, die Arbeitnehmenden in Telearbeit würden dann einfach nach deren Gutdünken eingesetzt. Einzelne Gegner sind schliesslich der Ansicht, es brauche gar keine neue Regelung, das geltende Recht biete ausreichende Flexibilität.
Die ebenfalls zur Vernehmlassung unterbreitete Variante mit einer Änderung des Obligationenrechts wurde nur von einer kleinen Minderheit der Teilnehmenden begrüsst. Die meisten derjenigen, die sich überhaupt zu dieser Frage äussern, erachten diese Regelung als unnötig.
3 Grundzüge der Vorlage
Die tägliche Ruhezeit, das Verbot der Nachtarbeit und der Sonntagsarbeit sind zentrale Regelungen des Arbeitsgesetzes zum Schutz der Gesundheit der Angestellten. Grundsätzlich sollen die Arbeitnehmenden während dieser Zeitspannen die Arbeit niederlegen und sich erholen können und frei von jeglichen Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber sein. Die vorliegende parlamentarische Initiative erachtet die geltenden Gesetzesbestimmungen bei Homeoffice-Arbeit im Hinblick auf eine optimale Work-Life-Balance beziehungsweise die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als zu einschränkend. Die neu geschaffenen Bestimmungen sollen diesem Mangel Abhilfe leisten. Sie ermöglichen den Arbeitnehmenden, die im Homeoffice (Telearbeit von zu Hause aus) arbeiten, ihre Arbeitszeit flexibler zu gestalten, indem der Zeitraum für die Tages- und Abendarbeit ausgedehnt und die tägliche Ruhezeit verkürzt wird. Die tägliche Ruhezeit kann für dringende Tätigkeiten unterbrochen werden, wenn sie im entsprechenden Umfang im Anschluss an den letzten Einsatz nachgewährt werden kann. Das Verbot der Nachtarbeit bleibt unangetastet bestehen, wird jedoch nicht explizit in den Gesetzestext aufgenommen, während das geltende, aber bis anhin ungeschriebene Recht, nicht erreichbar zu sein, neu explizit festgehalten wird.
Mit der parlamentarischen Initiative wird eine Änderung des ArG, jedoch keine Anpassung des OR verlangt. Dies, weil die beabsichtigten Flexibilisierungen Regelungen des ArG betreffen. Eine Kommissionsminderheit ist jedoch der Überzeugung, dass die vorgeschlagenen Änderungen des ArG aus den nachfolgenden Gründen durch Änderungen des OR vervollständigt werden müssen:
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Da die Änderungen für Telearbeitende gelten sollen, ist der Begriff der Telearbeit zu bestimmen und der Telearbeitsvertrag zu definieren. Aus Gründen der Gesamtkohärenz des Arbeitsrechts und angesichts der heutigen Bedeutung dieser Arbeitsform sollte diese Definition auch im OR enthalten sein. Zu diesem systemischen Argument kommt ein materielles: Die geplanten Flexibilisierungen des ArG beziehen sich auf eine besondere Kategorie von Arbeitnehmenden, nämlich diejenigen, die bei ihrer Arbeit, insbesondere bei der Festlegung ihrer Arbeitszeit, über Gestaltungsautonomie verfügen. Diese eher restriktive Definition entspricht zwar der Logik des ArG, ist aber nicht bezeichnend für Telearbeit. Daher ist eine allgemeine Definition im OR umso notwendiger.
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Nach den vorgeschlagenen Regelungen zur Telearbeit beruht diese auf einer schriftlichen Vereinbarung. Es müssen also die Grundlagen für einen Telearbeitsvertrag geschaffen werden; dies sollte in erster Linie im OR geregelt werden.
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Zu guter Letzt wären einige Regelungen unvollständig, würden sie nur ins ArG aufgenommen; sie benötigen ein Gegenstück im OR. Dies gilt insbesondere für die Zeit der Nichterreichbarkeit. Diese bezieht sich auf die im ArG definierte Ruhezeit, daher muss die im OR definierte Freizeit um eine entsprechende Bestimmung ergänzt werden. Ansonsten wäre nicht klar, ob der Gesetzgeber das Recht auf Nichterreichbarkeit nur auf die im ArG definierte Zeit beschränken wollte, was offensichtlich nicht der Fall ist.
Die Minderheit möchte aus diesen Überlegungen eine entsprechende Regelung für das OR in die Vorlage einbringen. Sie hat sich anstelle von einzelnen Vorschriften, die in die entsprechenden allgemeinen Bestimmungen aufzunehmen wären (z. B. Art. 329 ff. OR für die Regelung des Rechts auf Nichterreichbarkeit und Art. 327 ff. OR für die Auslagen), für einen speziellen Telearbeitsvertrag entschieden. Diese Lösung ist klarer, weil die besonderen Bestimmungen, die für Telearbeit gelten, sofort erkennbar sind. Im Übrigen kennt das OR bereits mehrere spezielle Arbeitsverträge.
4 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln
Arbeitsgesetz
Allgemeine Bemerkungen
Die Regelungen über die Arbeit- und Ruhezeit bei Telearbeit werden in einem neuen eigenständigen Kapitel IIIa. geregelt. Sie sind ferner gendergerecht formuliert und wie im Arbeitsgesetz respektive dessen Verordnungen üblich folgt die weibliche Form auf die männliche.
Art. 28a
Geltungsbereich
Die Bestimmungen gelten ausschliesslich für Erwachsene, d. h. älter als 18-jährige Arbeitnehmende. Jugendliche geniessen einen erhöhten Schutz und sind deshalb von diesen Bestimmungen ausgeschlossen.
Die in diesem Kapitel geregelte Arbeitsweise ist freiwillig und muss individuell und schriftlich mit jedem betroffenen Arbeitnehmer und jeder betroffenen Arbeitnehmerin vereinbart werden. Vereinbart werden namentlich der Ort oder die Orte, an welchen ausserhalb des Betriebes gearbeitet werden kann. Im klassischen Homeoffice ist dies in der Regel der Wohnsitz, es können aber auch andere Arbeitsorte vereinbart werden. Genauere Angaben zur Vereinbarung werden in Artikel 28 g ausgeführt.
Art. 28b
Recht auf Nichterreichbarkeit
Die Erwartung, dass Angestellte fast jederzeit für Online- oder mobile Kommunikation zur Verfügung stehen, ist potenziell gesundheitsgefährdend. Mit dem Recht auf Nichterreichbarkeit soll dieser Gefährdung entgegengewirkt werden. Entsprechend wird verankert, dass Arbeitnehmende während der täglichen Ruhezeit und an Sonntagen nicht erreichbar sein müssen. Arbeitsleistungen in diesen Zeiten sollen nur aus eigenem Antrieb und zeitlich limitiert erfolgen dürfen und die Ausnahme darstellen. Dies, um die körperliche und geistige Gesundheit der Arbeitnehmenden zu schützen und ihre Ruhezeiten wirksam zu gewährleisten. Mögliche Massnahmen sind in den nachfolgenden Erläuterungen aufgeführt.
Es gibt Firmen, die den Gesundheitsschutz in diesem Bereich bereits gewähren. So hat beispielsweise die Swisscom in ihrem GAV Erreichbarkeitsregeln wie auch das Recht auf Nichterreichbarkeit explizit verankert.
Art. 28c
Tages- und Abendarbeit
Die maximale Zeitspanne, innert welcher die tägliche Arbeit individuell geleistet werden kann, wird von 14 auf 17 Stunden erhöht. Dies ermöglicht eine Optimierung der Work-Life-Balance beziehungsweise der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. So können Eltern einen Teil des Abends mit den Kindern verbringen oder Angestellte tagsüber Sport treiben und danach noch weiterarbeiten. Der Nachtzeitraum muss nach wie vor arbeitsfrei bleiben, auch die maximale tägliche Arbeitszeit bleibt gleich.
Art. 28d
Tägliche Ruhezeit
Die tägliche Ruhezeit wird - mit der gleichen Begründung wie in Artikel 28 c - von 11 auf 9 Stunden reduziert. Da bei Telearbeit von zu Hause aus insbesondere der Arbeitsweg wegfällt, ist mit 9 Stunden immer noch eine aus Sicht des Gesundheitsschutzes vertretbare Dauer der reinen Ruhezeit für Essen und Schlafen gewährleistet. Im Durchschnitt von vier Wochen muss jedoch die aus Gründen des Gesundheitsschutzes gesetzlich vorgesehene tägliche Ruhezeit 11 Stunden betragen. Diese dient der Erholung zwischen zwei Arbeitstagen.
Ein Unterbruch der Ruhezeit für dringende Tätigkeiten ist dann gestattet, wenn die für diese Arbeiten aufgewendete Zeit im Anschluss an den letzten Einsatz bezogen werden kann. Es handelt sich dabei ausschliesslich um aus eigenem Antrieb der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers getätigte Einsätze.
Art. 28e
Sonntagsarbeit
Das Arbeiten an Sonntagen soll nicht zur Regel werden. Ausnahmsweise kann die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb an höchstens sechs Sonntagen pro Jahr für jeweils maximal fünf Stunden bewilligungsbefreit Telearbeit leisten. Dadurch wird beispielsweise ermöglicht, einen während der Woche freigenommenen Tag teilweise am Sonntag nachzuholen. Gleichzeitig kann die Ersatzruhezeit für die geleistete Sonntagsarbeit gemäss den allgemeinen Regeln stundenweise erfolgen und braucht nicht durch einen gesetzlich vorgesehenen vollen Ersatzruhetag von 35 Stunden (Art. 20 Abs. 2 ArG) kompensiert zu werden. Die allgemeine Regel, wonach an höchstens 6 Tagen in Folge gearbeitet werden kann, bleibt ebenfalls anwendbar. Ausserdem soll die Sonntagsarbeit gleich wie die angeordnete Sonntagsarbeit mit einem Lohnzuschlag von 50 Prozent abgegolten werden.
Art. 28f
Vereinbarung
Zusätzlich zu den ergonomischen Vorgaben, die sich der Arbeitgeber von seinen Angestellten, die in Telearbeit arbeiten, zusichern lässt, hat er dafür zu sorgen, dass die Arbeit während Ruhezeiten und Sonntagen nicht das in diesem Gesetz vorgesehene Mass übersteigt.
In den Rahmenbedingungen der Vereinbarung ist konkret festzuhalten, welches die Zeitspannen sind, während denen die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer erreichbar sein muss. Ebenso muss klar daraus hervorgehen, dass, wie in Artikel 28 b geregelt, keine Pflicht besteht, während den täglichen Ruhezeiten und an Sonntagen zu arbeiten oder erreichbar zu sein. Neben der Einschränkung der Erreichbarkeit und der Regelung der Zeiterfassung sind allfällige weitere Massnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmenden zu vereinbaren. Dazu gehören technische Massnahmen wie beispielsweise das Abschalten der Server oder des Mailzugriffs zu bestimmten Zeiten oder die verzögerte Sendung der Nachrichten. Diese Massnahmen sind unter Wahrung der Mitwirkungsrechte mit den Arbeitnehmenden festzulegen, oder, wenn eine solche vorhanden ist, mit deren Vertretung im Betrieb.
Bei Kontrollen durch das kantonale Arbeitsinspektorat ist die Vereinbarung vorzuweisen.
Der Arbeitgeber stellt im Rahmen seiner Fürsorgepflicht zudem sicher, dass ein periodischer Austausch mit den Arbeitnehmenden bezüglich der Umsetzung der Vereinbarung stattfindet.
Die individuelle Vereinbarung kann jederzeit mit einer einmonatigen Kündigungsfrist per Ende Monat gekündigt werden. Der laufende Arbeitsvertrag wird durch diese Kündigung nicht tangiert.
Minderheitsantrag zum Obligationenrecht
Art. 354a
Begriff
Die Definition entspricht derjenigen in Artikel 28 a Buchstabe c E-ArG. Von zentraler Bedeutung dabei ist, dass die Arbeit ausserhalb der Räumlichkeiten des Arbeitgebers ausgeführt wird, jedoch auch im Betrieb ausgeführt werden kann. Tätigkeiten, die normalerweise ausserhalb der Räumlichkeiten des Arbeitgebers ausgeführt werden, wie die Arbeit auf einer Baustelle oder die Tätigkeit einer Rettungssanitäterin oder eines Rettungssanitäters, fallen nicht unter diese Regelung. Telearbeit ist Fernarbeit, die dank dem Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie wie einer Internetverbindung und einem Computer möglich ist.
In der vorgeschlagenen Definition heisst es deshalb, dass die Arbeit auch in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers ausgeführt werden kann. Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie wurde indes nicht in die Definition aufgenommen, da er nicht unbedingt notwendig ist, auch wenn er heute den Regelfall darstellt. Eine Person kann beispielsweise einmal pro Woche zuhause Dossiers oder Papierunterlagen bearbeiten, ohne am Computer zu arbeiten oder mit dem Firmennetzwerk verbunden zu sein.
Ein bedeutender Unterschied zur Definition im ArG besteht darin, dass keine Gestaltungs- und keine Zeitautonomie verlangt werden (Art. 28 a Abs. 1 Bst. a und b E-ArG). So wird der Geltungsbereich der Bestimmungen des OR deutlich ausgeweitet. Dieser Unterschied ist materiell notwendig, da Telearbeit eine Kategorie von Arbeitnehmenden umfasst, die weiter gefasst ist als diejenige, die für das ArG definiert wurde. Dieser Unterschied ist auch deshalb gerechtfertigt, weil die Telearbeitenden, welche die Zusatzbedingungen im ArG nicht erfüllen, nicht in den Genuss der dort vorgesehenen Flexibilisierungen kommen sollen.
Art. 354b
Entstehung, Inhalt und Beendigung
Gemäss den Artikeln 28 a Buchstabe c und 28 g E-ArG ist für Telearbeit eine Vereinbarung erforderlich. In diesen Bestimmungen ist zudem geregelt, wie diese Vereinbarung abzuschliessen und zu kündigen ist. Durch die Übernahme dieser Vorschriften in Artikel 354 b E-OR wird das Gegenstück im OR geschaffen.
Absatz 1 ist das Gegenstück zu Artikel 28 g Absatz 1 E-ArG. In dieser Bestimmung werden weitere Punkte genannt, die im Vertrag zu regeln sind, die jedoch nur für die Regelung des Vertragsverhältnisses bei Telearbeit, nicht aber aus Sicht des ArG relevant sind. Die Bestimmung des E-ArG wiederum enthält Vorgaben, die für die Anwendung der Vorschriften des ArG relevant sind, wie die Arbeitszeiterfassung und die Massnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes. Da die Liste in beiden Bestimmungen nicht abschliessend ist, ergänzen sich diese und schliessen sie zusätzliche Vorgaben nicht aus.
Absatz 2 sieht die Möglichkeit vor, Telearbeit während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren. Der reguläre Arbeitsvertrag wird dann zu einem Telearbeitsvertrag. Der Telearbeitsvertrag kann aber auch von Beginn des Arbeitsverhältnisses an abgeschlossen werden. Analog dem E-ArG legt Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 namentlich fest, dass Telearbeit auf einer Vereinbarung zwischen den Parteien beruhen muss. Ein einseitiges Recht einer der Parteien besteht nicht. Vorbehalten bleiben seltene und punktuelle Sondersituationen, in denen der Arbeitgeber nach geltendem Recht von der Arbeitnehmerin oder vom Arbeitnehmer ausnahmsweise verlangen darf, ihre oder seine Aufgaben aufgrund der Treuepflicht (Art. 321 a OR) ² in Telearbeit zu erfüllen. ³
Absatz 3 regelt die Beendigung der Telearbeit. Diese Bestimmung entspricht Artikel 28 g Absatz 3 E-ArG. Eine besondere und sich von den Vorschriften über die Kündigung des Arbeitsvertrags unterscheidende Bestimmung ist erforderlich, da es sich um eine Vertragsänderung handelt, die innerhalb einer von der Kündigungsfrist abweichenden Frist erfolgen kann. So wird verhindert, dass der Telearbeitsvertrag gekündigt und anschliessend ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen werden muss.
Anders als Artikel 28 a Absatz 1 Buchstabe c E-ArG enthält die Bestimmung keine Formvorschriften für den Vertrag. Dieser Unterschied rechtfertigt sich dadurch, dass der Geltungsbereich der Bestimmungen des OR weiter gefasst ist als derjenige der Bestimmungen des ArG. So können die Parteien die Form des Vertrags selbst wählen. Die Schriftform oder ein elektronisch signiertes Dokument werden wohl die häufigsten Formen sein.
² Nordmann, Philippe/Barth, Frédéric, Grundlagen der Homeoffice-Arbeit, in Wildhaber, Isabelle, Handbuch Homeoffice, 2021, N 37.
³ Nordmann/Barth, op.cit, N 45; Steiger-Sackmann, Sabine, Arbeitsrechtlicher Reformbedarf für Homeoffice-Arbeit, DTA 2020, 300 ff., 311.
Art. 354c
Recht auf Nichterreichbarkeit
Diese Bestimmung entspricht Artikel 28 b E-ArG. Sie bezieht sich auf die Ferien und den Urlaub, die im OR geregelt sind, und stellt das Gegenstück und die notwendige Ergänzung zur Bestimmung des ArG dar. Neben den Ferien und dem Urlaub gibt es auch die Freizeit, die als die Zeit definiert werden kann, in der die oder der Arbeitnehmende laut Arbeitsvertrag nicht arbeiten oder erreichbar sein muss. Diese Freizeit, die streng genommen vertraglich vereinbart ist, unterscheidet sich von der im ArG geregelten Ruhezeit. Es wurde nicht für notwendig erachtet, dies hier zu erwähnen, da das Recht auf Nichterreichbarkeit aufgrund der Verpflichtung, die Zeit der Erreichbarkeit im Vertrag festzulegen, ausserhalb dieser Zeit automatisch besteht. Ausserhalb von Urlaub und Ferien wird die Zeit der Erreichbarkeit, die im Vertrag vorgesehen werden darf, durch die Bestimmungen des ArG und durch den Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers (Art. 328 OR) eingeschränkt.
Art. 354d
Lohn während der Zeit der Erreichbarkeit
Es kann sein, dass die oder der Arbeitnehmende - innerhalb der vom Recht auf Nichterreichbarkeit gesetzten Grenzen - ausserhalb der Arbeitszeit erreichbar sein muss. Bisweilen ist es schwierig, zu bestimmen, ob diese Zeit als Arbeitszeit oder als Freizeit zu betrachten ist. Gemäss der vorgeschlagenen Bestimmung handelt es sich um Arbeitszeit, die jedoch zu einem tieferen Satz entlöhnt werden kann, wenn keine Arbeitsleistung erbracht wird. Diese Regelung entspricht der aktuellen Praxis in Bezug auf ähnliche Zeiten, in denen die oder der Arbeitnehmende erreichbar sein muss, wie Bereitschaftsdienst oder Arbeit auf Abruf. Für die Festlegung dieses Satzes werden Kriterien definiert (Häufigkeit und Dauer der Einsätze), die den Parteien jedoch einen gewissen Spielraum lassen. Die Bestimmung präzisiert, dass die Zeit, in der eine tatsächliche Arbeitsleistung erbracht wird, zum vollen Lohn vergütet wird.
Art. 354e
Arbeitsgeräte und Auslagen
Diese Bestimmung hat kein Gegenstück im E-ArG und regelt eine Frage, die ausschliesslich unter das OR fällt. Sie wird an dieser Stelle vorgeschlagen, da die Auslagen zu den am meisten diskutierten Themen im Zusammenhang mit Telearbeit gehörten. Die vorgeschlagene Bestimmung konkretisiert die allgemeinen Vorschriften in den Artikeln 327 und 327 a OR und orientiert sich an der Rechtsprechung des Bundesgerichts (Urteil des BGer 4A_433/2018 vom 23.4.2019 E. 6).
Absatz 1 regelt die Frage der Bereitstellung des Materials, die in Artikel 327 OR allgemein geregelt ist. Die allgemeine Bestimmung, wonach der Arbeitgeber die Arbeitsgeräte und das Arbeitsmaterial bereitstellt, wird mit einigen Anpassungen für die Telearbeit übernommen. Es stellt sich nämlich die Frage, ob der Arbeitgeber, welcher der oder dem Arbeitnehmenden bereits einen ausgestatteten Arbeitsplatz im Betrieb bereitstellt, einen zweiten Arbeitsplatz für die Telearbeit ausstatten muss. Gemäss der vorgeschlagenen Bestimmung kann in diesem Fall durch schriftliche Abrede von der allgemeinen Regelung abgewichen werden. Allerdings lässt die vorgeschlagene Bestimmung keine Abweichungen zu, wenn die oder der Arbeitnehmende über keinen Arbeitsplatz im Betrieb verfügt, da es sich in diesem Fall um Auslagen handelt, die für die Erbringung der Arbeitsleistung notwendigerweise entstehen und nach Artikel 327 a OR somit vom Arbeitgeber zu ersetzen sind. Stellt die oder der Telearbeitende das Material bereit, so gelten für die Übernahme der Auslagen durch den Arbeitgeber dieselben Regeln.
Absatz 2 legt dieselbe Regel für die Ersetzung der Auslagen fest. Diese Bestimmung konkretisiert Artikel 327 a OR, wonach die durch die Ausführung der Arbeit notwendigerweise entstandenen Auslagen zwingend vom Arbeitgeber zu ersetzen sind. Absatz 2 folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichts. Er verlangt, dass der Arbeitgeber die Auslagen für Telearbeit ersetzt, wenn der oder die Arbeitnehmende im Betrieb über keinen Arbeitsplatz verfügt. Dazu gehören z. B. Situationen, in denen die oder der Arbeitnehmende nur Telearbeit leistet und über keinen Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers verfügt, oder aber Organisationsformen wie Desk-Sharing . In diesen Fällen verfügt die oder der Mitarbeitende über kein bestimmtes Einzelbüro und hat aufgrund von Platzmangel möglicherweise keinen Arbeitsplatz zur Verfügung. Für das Bundespersonal gibt es eine ähnliche Bestimmung (Art. 51 c Abs. 1 VBPV) ⁴ .
⁴ Verordnung des EFD zur Bundespersonalverordnung, SR 172.220.111.31 .
Art. 355
Diese Bestimmung wird um den Telearbeitsvertrag ergänzt. Sie garantiert die subsidiäre Anwendung der allgemeinen Bestimmungen über den Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR).
Art. 362 Abs. 1
Die Vorschriften, die in die Liste von Artikel 362 Absatz 1 OR aufgenommen werden, sind relativ zwingend und damit gleicher Art wie die Vorschriften des ArG.
5 Auswirkungen
5.1 Auswirkungen auf den Bund, auf Kantone und Gemeinden
Der Erlassentwurf enthält keine Bestimmungen, die wesentliche Auswirkungen auf den Bund haben. Das SECO wird im Rahmen seiner Oberaufsicht über das Arbeitsgesetz im üblichen Rahmen bei Bedarf den Kantonen - beziehungsweise den kantonalen Arbeitsinspektoraten - mit Wegleitungen aufzeigen, wie sie die Neuerungen im Vollzug anzugehen haben. Die kantonalen Arbeitsinspektorate werden diese Instruktionen bei ihren Betriebskontrollen gegebenenfalls miteinfliessen lassen.
5.2 Auswirkungen auf Arbeitgeber und Arbeitnehmende
Der Erlassentwurf enthält Bestimmungen, die die Arbeits- und Ruhezeitregelungen bei Homeoffice-Arbeit (Telearbeit) flexibler gestalten, ohne dass dies jedoch finanzielle oder personelle Auswirkungen auf Arbeitgeber oder Arbeitnehmende hätte.
5.3 Andere Auswirkungen
Der Erlassentwurf hat keine weiteren Auswirkungen.
6 Rechtliche Aspekte
6.1 Verfassungsmässigkeit
Die vorliegenden Änderungen
im
Arbeitsgesetz finden ihren Ursprung in einer parlamentarischen Initiative, die nach dem Verfahren von Artikel 107 ff. Parlamentsgesetz
durchgeführt wurde. Das Parlamentsgesetz stützt sich auf Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe g Bundesverfassung.
6.2 Erlassform
Die Änderungen sind eine Teilrevision des Arbeitsgesetzes sowie des Obligationenrechts und unterliegen gemäss Artikel 141 BV dem fakultativen Referendum.
Bundesrecht
Parlamentarische Initiative. Mehr Gestaltungsfreiheit bei Arbeit im Homeoffice. Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates
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