BBl 2025 1092
CH - Bundesblatt

Botschaft zur Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!»

Botschaft zur Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!»
vom 7. März 2025
Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.
Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben:
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2005 M 04.3276 Übergang zur Individualbesteuerung (N 15.6.05, FDP-Liberale Fraktion; S 28.5.05; Abschreibung beantragt, BBl 2009 4729)
2009 M 05.3299 Übergang zur Individualbesteuerung. Dringliche Massnahmen (N 9.5.06, FDP-Liberale Fraktion; S 10.8.09)
2015 M 10.4127 Beseitigung Heiratsstrafe (N 17.6.2011, Bischof; S 4.3.2015)
2016 M 16.3044 Beseitigung Heiratsstrafe (S 13.6.16, Bischof; N 14.12.2016)
2021 P 21.3284 Gemeinschaftsbesteuerung mit Vollsplitting versus Individualbesteuerung. Bewertung der beiden Methoden. (S 2.6.21, Würth)
Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
7. März 2025 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Karin Keller-Sutter Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Übersicht
Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» ab. Er teilt das Anliegen, die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren zu beseitigen. Die Initiative steht jedoch im Widerspruch zur Vorlage über die Individualbesteuerung, die der Bundesrat im Auftrag des Parlaments ausgearbeitet hat und die nebst der Beseitigung der sogenannten Heiratsstrafe zugleich Zivilstandsneutralität herstellt. Daher möchte er die Frage der gemeinsamen oder individuellen Besteuerung nicht auf Verfassungsebene entscheiden, sondern dem Gesetzgeber überlassen.
Ausgangslage
Die Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» wurde am 27. März 2024 mit 101 382 gültigen Unterschriften eingereicht.
Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag.
Inhalt der Vorlage
Die Grundnorm der Volksinitiative sieht für die direkte Bundessteuer vor, dass die Einkommen von Ehepaaren zusammengerechnet und diese gegenüber anderen Steuerpflichtigen nicht benachteiligt werden. Die Initiative schreibt nicht vor, wie die gemeinsame Besteuerung der Ehepaare umgesetzt werden muss. Als Modelle der gemeinsamen Besteuerung stehen verschiedene Formen des Splittings sowie eine alternative Steuerberechnung zur Verfügung. Sämtliche Modelle der gemeinsamen Besteuerung sehen vor, dass der Steuersatz für Ehepaare tiefer ist als derjenige für unverheiratete Personen bei gleichem Einkommen.
Die finanziellen Auswirkungen und die Auswirkungen auf die Belastungsrelationen bei der direkten Bundessteuer sind abhängig von der Ausgestaltung des Besteuerungsmodells. Allfällige Mindereinnahmen bei der direkten Bundessteuer würden zu 78,8 Prozent auf den Bund und zu 21,2 Prozent auf die Kantone entfallen.
Setzt der Bundesrat die Volksinitiative auf dem Verordnungsweg gestützt auf die Übergangsbestimmung der Volksinitiative um, soll er neben der gemeinsamen Besteuerung eine alternative Steuerberechnung anhand der Tarife und Abzüge für unverheiratete Personen gemäss der Gesetzgebung über die direkte Bundessteuer in Artikel 36 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer vorsehen. In diesem Fall geht der Bundesrat bezogen auf das Steuerjahr 2025 und gestützt auf die geltenden Tarife von geschätzten Mindereinnahmen zwischen rund 700 Millionen und rund 1,4 Milliarden Franken pro Jahr aus.
Würdigung
Der Bundesrat teilt das Anliegen der Initiantinnen und Initianten, die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren zu beseitigen. Hierzu hat er im Auftrag des Parlaments eine Vorlage zur Einführung der Individualbesteuerung erarbeitet. Vor diesem Hintergrund möchte er die Frage des Besteuerungsmodells nicht in der Verfassung regeln, sondern sie dem Gesetzgeber überlassen, um dessen Handlungsspielraum nicht einzuschränken.
Er weist auch darauf hin, dass das Zusammenrechnen der Einkommen der Eheleute zu unterschiedlichen Belastungen von Ehepaaren im Vergleich zu unverheirateten Paaren in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen führt. Sollen jegliche Mehrbelastungen von Ehepaaren gegenüber unverheirateten Paaren vermieden werden, so liesse sich dies mit einem Vollsplitting umsetzen. Dies würde aber zu einer vergleichsweise hohen Besteuerung von unverheirateten Personen führen.
Andere Modelle der gemeinsamen Besteuerung würden die Vorgaben der Volksinitiative wiederum nur bedingt erfüllen. Bei einem Teilsplitting verbleiben Mehrbelastungen für Ehepaare mit ausgeglichener Einkommensverteilung gegenüber einem unverheirateten Paar. Bei einer alternativen Steuerberechnung könnte die Mehrbelastung gegenüber unverheirateten Paaren zwar beseitigt werden, jedoch würde bei gewissen Ehepaaren keine Zusammenrechnung der Einkünfte erfolgen und Ein- und Zweiverdienerehepaare würden unterschiedlich hoch besteuert.
Die Erwerbsanreize sind bei einer gemeinsamen Besteuerung im Vergleich zur Individualbesteuerung kleiner. Die Gleichstellung von Frau und Mann wird dadurch weniger stark gefördert. Die Möglichkeiten zur besseren Ausschöpfung des inländischen Arbeits- und Fachkräftepotenzials würden folglich nicht gleichermassen genutzt.
Die Verfassungsbestimmung ist auf die direkte Bundessteuer beschränkt. Die auch auf kantonaler Ebene teilweise noch bestehende Benachteiligung von Ehepaaren, namentlich von Ehepaaren mit Kindern, würde daher nicht beseitigt.
Botschaft

1 Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1 Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» hat den folgenden Wortlaut:
Die Bundesverfassung ¹ wird wie folgt geändert:
Art. 128 Abs. 3bis
³bis Das Einkommen eines Ehepaars wird zusammengerechnet. Das Gesetz sorgt dafür, dass Ehepaare gegenüber anderen Steuerpflichtigen nicht benachteiligt werden.
Art. 197 Ziff. 15
²
15. Übergangsbestimmungen zu Art. 128 Abs. 3bis (Nichtbenachteiligung von Ehepaaren bei der direkten Bundessteuer)
¹ Treten die gesetzlichen Ausführungsbestimmungen zu Artikel 128 Absatz 3bis drei Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände nicht in Kraft, so erlässt der Bundesrat auf diesen Zeitpunkt hin die erforderlichen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg; diese gelten bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen.
² Zur Sicherstellung der Nichtbenachteiligung von Ehepaaren gegenüber anderen Steuerpflichtigen regelt der Bundesrat in der Verordnung, dass für Ehepaare:
a.
neben der gemeinsamen Besteuerung eine alternative Steuerberechnung anhand des Tarifs und der Abzüge für unverheiratete Personen gemäss der Gesetzgebung über die direkte Bundessteuer erfolgt; und
b.
der tiefere der beiden berechneten Steuerbeträge in Rechnung gestellt wird.
¹ SR 101
² Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmungen wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt.

1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» wurde am 13. September 2022 von der Bundeskanzlei vorgeprüft ³ und am 27. März 2024 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.
Mit Verfügung vom 16. April 2024 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 101 382 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist. ⁴
Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag. Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 ⁵ (ParlG) hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 27. März 2025 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 27. September 2026 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen, sofern sie weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag beschliesst.
³ BBl 2022 2286
⁴ BBl 2024 937
⁵ SR 171.10

1.3 Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 BV:
a.
Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.
b.
Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.
c.
Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts. Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

2 Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

2.1 Bundesverfassung

Artikel 128 der Bundesverfassung (BV) verleiht dem Bund die Befugnis, eine Steuer auf dem Einkommen natürlicher Personen zu erheben. Das allgemeine Gleichbehandlungsgebot in Artikel 8 Absatz 1 BV wird im Bereich der Steuern durch Artikel 127 Absatz 2 BV mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und der Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit konkretisiert. Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besagt, dass die Steuerpflichtigen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an die Steuerlasten beizutragen haben. Artikel 127 Absatz 2 BV schreibt nicht vor, ob Ehepaare gemeinsam oder individuell zu besteuern sind und wie der Tarifverlauf auszugestalten ist.
Das Institut der Ehe geniesst verfassungsrechtlichen Schutz und ist als Grundrecht in Artikel 14 BV statuiert. Aus diesem Recht auf Ehe lassen sich staatliche Schutzpflichten ableiten. Verschiedene Erlasse knüpfen an das Institut der Ehe an (z. B. AHV-Gesetzgebung).

2.2 Bundesgerichtliche Rechtsprechung

1984 hielt das Bundesgericht fest, dass der Steuergesetzgeber Ehepaare einerseits im Verhältnis zu alleinstehenden Personen entlasten muss und andererseits im Verhältnis zu unverheirateten Paaren nicht stärker belasten darf. Die Steuerbelastung von Ehepaaren dürfe dabei grundsätzlich nicht davon abhängen, ob nur die Ehegattin oder der Ehegatte oder beide Einkommen erzielen und wie im zweiten Fall das Grössenverhältnis zwischen den Einkommen ist. Allfällige Steuervorteile seien grundsätzlich den Ehepaaren und nicht den unverheirateten Paaren zu gewähren. ⁶
Im Rahmen einer Willkürüberprüfung relativierte das Bundesgericht diesen Entscheid im Jahr 1994. Der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der verschiedenen Haushaltstypen würde Rechnung getragen, wenn die Belastung eines Ehepaares niedriger sei als die Belastung einer alleinstehenden Person mit gleichem Einkommen, aber höher als die Belastung von zwei alleinstehenden Personen mit je der Hälfte des Einkommens des Ehepaares. In Bezug auf Ehepaare mit Kindern stehe für den Gesetzgeber nicht der Vergleich zwischen Ehepaaren und unverheirateten Paaren mit Kindern im Vordergrund, sondern der Vergleich zwischen Ehepaaren und unverheirateten Paaren ohne Kinder, da unverheiratete Paare ohne Kinder die viel grössere Zahl ausmachen würden als unverheiratete Paare mit Kindern. Für die Steuerbemessung beim verheirateten Paar mit Kindern sei zum Vergleich nicht in erster Linie auf die Steuerbelastung des unverheirateten Paares mit Kindern abzustellen, sondern auf die Steuerbelastung der anderen Gruppen von Steuerpflichtigen, besonders der Alleinstehenden und der unverheirateten Paare ohne Kinder. Wenn daher der Steuergesetzgeber die Mehrbelastung von Verheirateten, verglichen mit den relativ viel weniger zahlreichen unverheirateten Paaren mit Kindern, in Kauf nehme, sei dagegen unter dem Gesichtswinkel des Rechtsgleichheitsgebots nichts einzuwenden. ⁷
⁶ BGE 110 Ia 7 E. 4. c und d
⁷ BGE 120 Ia 329 E. 6

2.3 Gesetzgebung von Bund und Kantonen

Der für Ehepaare massgebende Artikel 9 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 ⁸ über die direkte Bundessteuer (DBG) sieht die Gemeinschaftsbesteuerung vor. Die Ehe wird als wirtschaftliche Gemeinschaft betrachtet und bildet in steuerlicher Hinsicht eine Einheit. Die Einkommen der rechtlich und tatsächlich ungetrennten Eheleute werden unabhängig vom Güterstand zusammengerechnet (sog. Faktorenaddition). Eingetragene Partnerschaften gleichgeschlechtlicher Paare werden der Ehe gleichgestellt (Art. 9 Abs. 1bis DBG).
Das DBG sieht ein Mehrfachtarif-System vor (Art. 36 DBG). Es gibt einen Grundtarif für Alleinstehende und einen Verheiratetentarif für Ehepaare. Zudem ist ein zivilstandsunabhängiger Elterntarif für steuerpflichtige Personen mit Kindern vorgesehen. Dieser besteht aus dem vorgängig erwähnten Verheiratetentarif sowie einem zivilstandsunabhängigen Abzug in der Höhe von 259 Franken ⁹ vom Steuerbetrag pro Kind oder unterstützungsbedürftige Person. Dieser Abzug stellt eine Tarifmassnahme dar.
Den Ehepaaren wird zur Milderung der mit dem Zusammenrechnen der Einkommen verbundenen Progressionswirkung ein Verheiratetenabzug (2800 Franken 1⁰ , Art. 35 Abs. 1 Bst. c DBG) gewährt. Ehepaare mit zwei Erwerbseinkommen können zusätzlich einen Zweiverdienerabzug (Art. 33 Abs. 2; Abzug im Umfang von 50 Prozent vom niedrigeren Erwerbseinkommen, jedoch mindestens 8500 Franken und höchstens 13 900 Franken 1¹ ) geltend machen.
Das Steuerharmonisierungsgesetz vom 14. Dezember 1990 ¹2 (StHG) folgt im Bereich der Ehepaarbesteuerung dem DBG und legt die Gemeinschaftsbesteuerung fest (Art. 3 Abs. 3 StHG). Einkommen und Vermögen der Eheleute werden zusammengerechnet. Eingetragene Partnerschaften gleichgeschlechtlicher Paare werden der Ehe gleichgestellt (Art. 3 Abs. 4 StHG). Zudem werden die Kantone im StHG verpflichtet, einen Zweiverdienerabzug vorzusehen (Art. 9 Abs. 2 Bst. k StHG). Aufgrund der Tarifautonomie der Kantone obliegt es den Kantonen, die Steuertarife, Steuersätze und Steuerfreibeträge festzulegen (Art. 129 Abs. 2 BV).
Alle kantonalen Steuergesetze enthalten Entlastungsmassnahmen für Ehepaare zur Korrektur der mit der Faktorenaddition verbundenen Höherbelastungen (Art. 11 Abs. 1 StHG). Die Form und das Ausmass der Entlastung sind unterschiedlich geregelt (Stand: Mai 2023):
-
In acht Kantonen gilt ein Doppeltarifsystem (vgl. Ziff. 4.2.2) (ZH, BE, LU, ZG, BS, AR, TI und JU).
-
Sieben Kantone kennen ein Vollsplitting (vgl. Ziff. 4.2.2) (FR, BL, AI, SG, AG, TG und GE) und sieben ein Teilsplitting (vgl. Ziff. 4.2.2) (SZ, SO, SH und GR: Divisor 1,9; NW: Divisor 1,85; NE: Divisor 1,92; GL: Divisor 1,6).
-
Der Kanton Waadt kennt ein Familienquotientensystem (vgl. Ziff. 4.2.2) (Besteuerung nach Konsumeinheiten): Zur Bestimmung des Steuersatzes wird das Gesamteinkommen durch einen - von der Anzahl Familienmitglieder abhängigen - variablen Divisor geteilt. Es handelt sich dabei um eine Sonderform des Splittings.
-
Der Kanton Wallis kennt einen Einheitstarif. Die Entlastung der Ehepaare erfolgt in der Form eines Abzugs vom Steuerbetrag.
-
Zwei Kantone (UR, OW) haben einen Einheitstarif (Flat Rate Tax). Beide Kantone entlasten Ehepaare durch einen im Vergleich zu Alleinstehenden höheren Sozialabzug bei der Bemessungsgrundlage.
Im Gegensatz zu Ehepaaren werden unverheiratete Paare stets individuell veranlagt. Sie bilden also steuerlich betrachtet keine wirtschaftliche Gemeinschaft und ihre Einkommen werden nicht addiert. Unverheiratete Personen ohne Kinder werden stets zum Grundtarif besteuert. Eine alleinerziehende Person profitiert hingegen bei der direkten Bundessteuer vom Elterntarif (Verheiratetentarif und Abzug vom Steuerbetrag pro Kind). Bei unverheirateten Paaren mit Kindern gelangt je nach Konstellation für die Partnerin oder den Partner oder für beide ebenfalls der Elterntarif zur Anwendung. Bei einem unverheirateten Paar mit gemeinsamen Kindern erhält in der Regel der Elternteil mit dem höheren Einkommen den Elterntarif. Besteht die Familie aus einem unverheirateten Paar mit jeweils eigenen Kindern, so kann es sein, dass beide Personen den Elterntarif erhalten.
Unverheiratete Paare werden auch auf kantonaler Ebene individuell besteuert. Gleich wie bei der direkten Bundessteuer werden unverheiratete Paare mit Kindern zumeist privilegiert besteuert, indem ein Elternteil die gleichen tariflichen Vorteile erhält wie Ehepaare mit Kindern. So erhält beispielsweise bei einem unverheirateten Paar mit Kindern der Elternteil mit höherem Einkommen den Splittingvorteil.
⁸ SR 642.11
⁹ Steuerjahr 2024.
1⁰ Steuerjahr 2024.
1¹ Steuerjahr 2024.
¹2 SR 642.14

2.4 Steuerliche Belastung der Ehepaare im Vergleich zu unverheirateten Personen

Im Rahmen der geltenden gemeinsamen Besteuerung hat ein Ehepaar gegenüber einem unverheirateten Paar in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen den Vorteil eines günstigeren Tarifs und der zivilstandsabhängigen Abzüge. Dem steht der Nachteil gegenüber, dass die Einkommen beider Eheleute für die Besteuerung zusammengerechnet werden. Daraus resultiert, dass Ehepaare im Vergleich zu individuell besteuerten unverheirateten Paaren in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen je nach Konstellation entweder eine Mehr- oder eine Minderbelastung aufweisen.
Bei der direkten Bundessteuer führt die Gestaltung der Tarife dazu, dass Ehepaare mit hohen Einkommen und gleichmässiger Einkommensaufteilung tendenziell höher belastet sind als unverheiratete Paare in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Umgekehrt sind Ehepaare mit tiefen Einkommen oder ungleicher Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten tendenziell tiefer belastet als unverheiratete Paare in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen.
Bei Paaren mit Kindern kommt hinzu, dass bei den individuell besteuerten unverheirateten Paaren in der Regel eine Person trotz fehlender Faktorenaddition ebenfalls den günstigeren Verheirateten- bzw. Elterntarif erhält. Dieses Tarifprivileg ist ein weiterer Grund für Mehrbelastungen von Ehepaaren mit Kindern im Vergleich zu unverheirateten Paaren mit Kindern. Der privilegierte Tarif für unverheiratete Personen mit Kindern gilt bei der direkten Bundessteuer und in der Regel auch bei den kantonalen Einkommenssteuern.

2.4.1 Belastungsrelationen bei der direkten Bundessteuer

Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die steuerliche Mehr- oder Minderbelastung eines Ehepaars gegenüber einem unverheirateten Paar in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen bei der direkten Bundessteuer. Die Mehr- oder Minderbelastung ist in Prozent des Einkommens dargestellt.
Diese Darstellungen stützen sich auf ein Einkommenskonzept, das etwas breiter ist als das steuerbare Einkommen. Das Einkommen ermittelt sich wie folgt: steuerbares Einkommen plus Versicherungsabzug, Versicherungsabzug für das Kind und Kinderabzug sowie bei Ehepaaren plus Verheiratetenabzug und Zweiverdienerabzug. Das verwendete Einkommenskonzept ergibt sich aus den verfügbaren Daten in der Bundessteuerstatistik (vgl. Ziff. 4.2.1). Der Abzug für die Kinderdrittbetreuung hängt von im Einzelfall geltend gemachten Kosten ab und ist deshalb in den Darstellungen in diesem Kapitel im Unterschied zu den Schätzungen in Kapitel 4.2 nicht abgebildet. Weiter unterstellen die Darstellungen, dass es sich um Erwerbseinkommen handelt. Diese Annahme ist deshalb relevant, weil das Erwerbseinkommen massgebend ist für die Bestimmung des Zweiverdienerabzugs bei der Besteuerung von Ehepaaren.
Ehepaare ohne Kinder
Abbildung 1 zeigt die Situation eines Ehepaars ohne Kinder bei der direkten Bundessteuer. Je gleichmässiger die Einkommensaufteilung ist, desto eher hat das Ehepaar gegenüber einem unverheirateten Paar eine Mehrbelastung und je ungleichmässiger die Einkommensaufteilung ist, desto eher hat es eine Minderbelastung gegenüber einem unverheirateten Paar in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Bei gleichmässiger Einkommensaufteilung resultieren insbesondere bei höheren Einkommen teilweise erhebliche Mehrbelastungen für Ehepaare. Grund für diese Mehrbelastungen ist die zu geringe Entlastung, die der Verheiratetentarif gegenüber dem Grundtarif in diesen Einkommensklassen vorsieht. Umgekehrt resultieren in gewissen tieferen Einkommensklassen selbst bei einer Einkommensaufteilung von 50/50 Minderbelastungen des Ehepaars gegenüber einem unverheirateten Paar. Die Entlastung der Ehepaare in diesen Einkommensbereichen geht also über die Entlastung eines Vollsplittings (vgl. Ziff. 4.2.2) hinaus. Grund dafür sind der Verheirateten- und der Zweiverdienerabzug in Verbindung mit der tariflichen Entlastung.
Abbildung 1
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
Steuerliche Mehr- oder Minderbelastung eines Ehepaars gegenüber einem unverheirateten Paar in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen in Abhängigkeit von der Einkommensaufteilung und vom Einkommen. Ehepaare ohne Kinder. Direkte Bundessteuer. Steuerjahr 2025.
Ehepaare mit Kindern
Die Abbildung 2 zeigt die Situation eines Ehepaars mit zwei Kindern bei der direkten Bundessteuer gegenüber unverheirateten Paaren mit zwei Kindern in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. In dieser Konstellation kommt das oben erwähnte Tarifprivileg für unverheiratete Personen mit Kindern dazu (vgl. Ziff. 2.3). Aus diesem Grund sind hier die Mehrbelastungen von Ehepaaren gegenüber unverheirateten Paaren stärker als in der Konstellation ohne Kinder.
Für Ehepaare stehen dem Nachteil der Faktorenaddition nur noch der Vorteil der zivilstandsabhängigen Abzüge gegenüber sowie der Vorteil, dass der Kinderabzug bei Ehepaaren dank der gemeinsamen Besteuerung nicht ins Leere fällt. Bei unverheirateten Paaren kann der Kinderabzug bei keinem oder geringem Zweiteinkommen hingegen ganz oder teilweise ins Leere fallen. Diese reduzierte Entlastungswirkung des Kinderabzugs bei unverheirateten Paaren ist die hauptsächliche Erklärung, warum Ehepaare mit nur einem Einkommen eine Minderbelastung haben.
Abbildung 2
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
Steuerliche Mehr- oder Minderbelastung eines Ehepaars gegenüber einem unverheirateten Paar in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen in Abhängigkeit von der Einkommensaufteilung und vom Einkommen. Ehepaare mit zwei Kindern. Direkte Bundessteuer. Gesetzesstand 2025.
Schätzung der Anzahl Ehepaare mit einer Mehr- oder Minderbelastung
Zur Anzahl der bei der direkten Bundessteuer von einer Mehr- oder einer Minderbelastung betroffenen Ehepaare hat die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) die bisherigen Schätzungen mit den Daten der Bundessteuerstatistik 2021 seit der Botschaft zur Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» und zum indirekten Gegenvorschlag (Bundesgesetz über die Individualbesteuerung ¹3 ) erneut plausibilisiert. Die dafür verwendete Datengrundlage und die mit der Schätzung verbundenen Unsicherheiten sind in Ziffer 4.2.1 beschrieben.
Gemäss dieser plausibilisierten Schätzung haben rund 670 000 Ehepaare bei der direkten Bundessteuer eine Mehrbelastung («Heiratsstrafe») und rund 650 000 Ehepaare eine Minderbelastung («Heiratsbonus»). Vergleichswert für die Bestimmung der Mehr- oder Minderbelastung ist jeweils die Steuerbelastung eines unverheirateten Paars in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Diese Schätzungen beziehen sich auf Mehr- oder Minderbelastungen von mindestens 10 Prozent bezogen auf die Steuerbelastung des unverheirateten Paars in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen.
¹3 BBl 2024 589

2.4.2 Belastungsrelationen bei den kantonalen Einkommenssteuern

Alle kantonalen Steuergesetze enthalten Entlastungsmassnahmen für Ehepaare, sodass die Steuerbelastung eines Ehepaars bei gleichem Einkommen niedriger ist als diejenige einer alleinstehenden Person mit gleichem Einkommen (vgl. Ziff. 2.3). ¹4
Wegen der gemeinsamen Besteuerung von Ehepaaren bezahlen diese zwar auch bei den Kantonen entweder mehr oder weniger Steuern als sie in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen als unverheiratetes Paar bezahlen würden (vorbehalten sind Fälle, in denen das Paar unabhängig vom Zivilstand keine Steuern bezahlt). Weil die Tarife bei den Kantonen flacher sind als bei der direkten Bundessteuer, sind die Belastungsunterschiede zwischen verheirateten und unverheirateten Paaren relativ zur Steuerbelastung tendenziell aber geringer als bei der direkten Bundessteuer.
Die tarifliche Ermässigung für Ehepaare ist bei den Kantonen in der Regel stärker als bei der direkten Bundessteuer. Aus diesem Grund resultieren zumindest bei Ehepaaren ohne Kinder bei den kantonalen Einkommenssteuern weniger oft Mehrbelastungen und öfter Minderbelastungen gegenüber unverheirateten Paaren ohne Kinder als bei der direkten Bundessteuer. Bei Kantonen mit Vollsplitting resultieren für Ehepaare ohne Kinder keine Mehrbelastungen, sondern ausschliesslich Minderbelastungen.
Weil die meisten Kantone auch unverheirateten Personen mit Kindern den tariflichen Vorteil für Ehepaare gewähren, entsteht dadurch bei Ehepaaren mit Kindern im Vergleich zu unverheirateten Paaren mit Kindern in vielen Fällen eine Mehrbelastung. Wenn unverheiratete Personen mit Kindern den Grundtarif erhalten, dann ist die Steuerbelastung einer unverheirateten Person mit Kindern bei gleichem Einkommen hingegen höher als bei einem Ehepaar mit Kindern mit gleichem Einkommen.
Gemäss einer Auswertung mit dem Steuerrechner der ESTV ist in allen Kantonen ausser den Kantonen Schwyz und Waadt die Steuerbelastung einer unverheirateten Person mit zwei Kindern gleich hoch wie diejenige eines Ehepaars mit gleichem steuerbarem Einkommen und ebenfalls zwei Kindern (Auswertung mit einem steuerbaren Einkommen von 150 000 Franken). Der Kanton Schwyz gewährt unverheirateten Personen mit Kindern keine tarifliche Ermässigung im Vergleich zu unverheirateten Personen ohne Kinder; der Kanton Waadt gewährt auch unverheirateten Personen mit Kindern einen Splitting-Vorteil, der Splitting-Faktor ist aber niedriger als für Ehepaare. Daraus lässt sich ableiten, dass fast alle Kantone unverheirateten Personen mit Kindern den gleichen tariflichen Vorteil gewähren wie Ehepaaren. Daher können unabhängig vom Ausmass der tariflichen Entlastung in fast allen Kantonen Mehrbelastungen von Ehepaaren mit Kindern gegenüber unverheirateten Paaren mit Kindern auftreten. Dies gilt auch bei einem Vollsplitting, weil auch unverheiratete Personen mit Kindern den Splittingvorteil erhalten.
Zur Anzahl der Ehepaare mit Mehr- und Minderbelastungen bei den kantonalen Einkommenssteuern liegen keine Schätzungen vor.
¹4 Vgl. dazu den Bericht vom 13. Januar 2014 «Steuerliche Ungleichbehandlung von verheirateten und unverheirateten Paaren in den Kantonen und beim Bund», abrufbar unter:
www.estv.admin.ch > Die ESTV > Steuerpolitik > Steuerpolitische Gutachten, Berichte, Arbeitspapiere > Steuerliche Ungleichbehandlung von verheirateten und unverheirateten Paaren in den Kantonen und beim Bund.

2.5 Bisherige Reformdiskussionen

Die Paarbesteuerung war in den vergangenen Jahrzehnten Gegenstand zahlreicher Reformdiskussionen. Im Rahmen des Steuerpakets 2001 sprachen sich der Bundesrat und die eidgenössischen Räte für die Einführung eines Teilsplittings bei der direkten Bundessteuer (vgl. auch Ziff. 4.2.2) mit Divisor 1,9 aus. Die Vorlage wurde indes in der Volksabstimmung vom 16. Mai 2004 abgelehnt. ¹5
Im Oktober 2006 verabschiedeten die eidgenössischen Räte Sofortmassnahmen im Bereich der direkten Bundessteuer, um die steuerliche Mehrbelastung von Ehepaaren zu reduzieren. Neben einer Erhöhung des Zweiverdienerabzugs wurde zusätzlich ein Verheiratetenabzug für alle Ehepaare in der Form eines Sozialabzugs eingeführt. ¹6 Trotz diesen am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Änderungen konnte die Schlechterstellung gegenüber unverheirateten Paaren nicht für alle Ehepaare vollständig beseitigt werden.
2007 führte der Bundesrat eine Vernehmlassung zum Grundsatzentscheid durch, ob Ehepaare gemeinsam oder getrennt besteuert werden sollen. Die Vorlage zu diesem Systementscheid enthielt vier Modelle (modifizierte Individualbesteuerung, gemeinsame Besteuerung mit Vollsplitting, Wahlrecht für Ehepaare mit einem Teilsplitting als Grundsatz, neuer Doppeltarif). Die Vernehmlassung zeigte aber, dass eine breit abgestützte Lösung, die eine grundsätzliche Änderung des heutigen Systems beinhaltet hätte, zu diesem Zeitpunkt nicht mehrheitsfähig war. Unter den Parteien bestand kein gesellschaftspolitischer Konsens darüber, wie die demografischen und sozioökonomischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte im Steuerrecht abzubilden seien. ¹7
Im August 2012 gab der Bundesrat erneut Vorschläge zu einer ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung in die Vernehmlassung. ¹8 Damit Ehepaare künftig nicht stärker als unverheiratete Paare belastet werden, schlug er das Gemeinschaftsbesteuerungsmodell «Mehrfachtarif mit alternativer Steuerberechnung» vor (vgl. auch Ziff. 4.2.3). Die Ergebnisse der Vernehmlassung ¹9 zeigten, dass nach wie vor unterschiedliche Vorstellungen über die ideale Form der Besteuerung von Ehepaaren bestanden. Insbesondere war weiterhin strittig, ob die Besteuerung individuell oder gemeinsam zu erfolgen habe.
Am 5. November 2012 wurde die Volksinitiative der damaligen CVP (heute Die Mitte) «Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe» (13.085) eingereicht. 2⁰ Diese sah vor, dass die Ehe eine Lebensgemeinschaft von Mann und Frau ist und in steuerlicher Hinsicht eine Wirtschaftsgemeinschaft bildet. Gemäss Initiativtext durfte die Ehe gegenüber anderen Lebensformen nicht benachteiligt werden, namentlich nicht bei den Steuern und den Sozialversicherungen. Am 28. Februar 2016 wurde die Volksinitiative trotz Ständemehr vom Volk mit 50,8 Prozent der Stimmen abgelehnt. 2¹ Am 10. April 2019 annullierte das Bundesgericht die Volksabstimmung, nachdem die ESTV die Schätzung der von einer Höherbelastung betroffenen Zweiverdienerehepaare im Sinne eines Anstiegs korrigiert hatte. 2² Das Initiativkomitee zog die Volksinitiative am 4. Februar 2020 zurück, sodass es nicht zu einer zweiten Volksabstimmung kam. ²3
Nach der Volksabstimmung vom 28. Februar 2016 über die Volksinitiative der damaligen CVP erteilte der Bundesrat dem EFD im August 2016 den Auftrag, eine neue Botschaft zur Beseitigung der Mehrbelastung bei Ehepaaren bei der direkten Bundessteuer auszuarbeiten. Am 21. März 2018 verabschiedete der Bundesrat die «Botschaft zur ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung bei der direkten Bundessteuer. Mehrfachtarif mit alternativer Steuerberechnung». ²4
Am 14. August 2019 verabschiedete der Bundesrat eine Zusatzbotschaft zur alternativen Steuerberechnung mit neuen Schätzungen zur Anzahl der von einer Mehrbelastung betroffenen Ehepaare. ²5 Das Parlament wies die Botschaft zur alternativen Steuerberechnung am 18. Dezember 2019 an den Bundesrat zurück. Dieser wurde beauftragt, alternative Modelle vorzulegen, namentlich das im Kanton Waadt geltende Modell (Familienquotientensystem), die Individualbesteuerung oder allenfalls weitere Modelle, die er als geeignet erachtet.
In der Herbstsession 2020 beschloss das Parlament, die Verabschiedung einer Botschaft zur Einführung der Individualbesteuerung in die Legislaturplanung 2019-2023 aufzunehmen. Der Bundesrat hat diesen Auftrag am 21. Februar 2024 mit der Verabschiedung der Botschaft zur Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» und zum Bundesgesetz über die Individualbesteuerung als indirektem Gegenvorschlag erfüllt. Der Nationalrat hat am 25. September 2024 als Erstrat dem indirekten Gegenvorschlag zugestimmt, die Behandlung der «Steuergerechtigkeits-Initiative» bis zur Beschlussfassung zum indirekten Gegenvorschlag sistiert und die Behandlungsfrist für die «Steuergerechtigkeits-Initiative» bis zum 8. März 2026 verlängert.
Zum Thema der Ehepaar- und Familienbesteuerung wurden in den letzten 20 Jahren auch zahlreiche Vorstösse überwiesen, die entweder die Individualbesteuerung oder die Gemeinschaftsbesteuerung im Fokus hatten:
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Motion der FDP-Liberalen Fraktion vom 3. Juni 2004 (04.3276 «Übergang zur Individualbesteuerung»);
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Motion der FDP-Liberalen Fraktion vom 15. Juni 2005 (05.3299 «Übergang zur Individualbesteuerung. Dringliche Massnahmen»);
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Motion Bischof vom 17. Dezember 2010 (10.4127 «Beseitigung der Heiratsstrafe»);
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Postulat der BDP-Fraktion vom 15. Juni 2011 (11.3545 «Zivilstandsunabhängige Besteuerung und Renten»);
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Postulat der Finanzkommission NR vom 30. Januar 2014 (14.3005 «Volkswirtschaftliche und fiskalpolitische Folgen von konkreten Modellen der Individualbesteuerung»);
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Motion Bischof vom 3. März 2016 (16.3044 «Beseitigung der Heiratsstrafe»);
-
Postulat Würth vom 18. März 2021 (21.3284 «Gemeinschaftsbesteuerung mit Vollsplitting versus Individualbesteuerung. Bewertung der beiden Modelle»). Der Bundesrat hat die verlangte Bewertung der beiden Modelle bereits in der Vernehmlassung zur Individualbesteuerung vorgenommen.
Ausserdem wurden auch vier Standesinitiativen eingereicht:
-
Standesinitiative des Kantons BS vom 6. Juli 2021 (21.317 «Baldige Einführung und Umsetzung der Individualbesteuerung»);
-
Standesinitiative des Kantons LU vom 23. Dezember 2022 (23.300 «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung»);
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Standesinitiative des Kantons GR vom 15. März 2023 (23.305 «Einführung der Individualbesteuerung»);
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Standesinitiative des Kantons BL vom 31. August 2023 (23.313 «Individualbesteuerung. Endlich Gleichstellung im Steuerrecht»).
Vor dem Hintergrund, dass der Bundesrat mittlerweile seine Botschaft zur Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» vorgelegt hat und im Parlament der entsprechende indirekte Gegenvorschlag behandelt wird, erachtete das Parlament die Anliegen der Standesinitiativen als erfüllt. Es hat ihnen deshalb keine Folge gegeben.
¹5 BBl 2004 3943
¹6 BBl 2006 8339
¹7 Vgl. dazu den Ergebnisbericht vom 27. September 2007 «Vernehmlassungsverfahren zum Systementscheid bei der Ehepaarbesteuerung», abrufbar unter:
www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2006 > EFD.
¹8 Vgl. dazu den erläuternden Bericht vom 29. August zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) (ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung), abrufbar unter:
www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2012 > EFD.
¹9 Vgl. dazu den Bericht vom 18. April 2013 «Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens zur ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung», abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2012 > EFD.
2⁰ BBl 2013 245
2¹ BBl 2016 3715
2² Urteil des Bundesgerichts 1C_315/2018 vom 10.4.2019.
²3 BBl 2020 1284
²4 BBl 2018 2133
²5 BBl 2019 5787

2.6 Rechtsvergleich

In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind sowohl Gemeinschafts- als auch Individualbesteuerungsmodelle in unterschiedlicher Ausgestaltung vorgesehen. Viele dieser Länder sind in den letzten Jahrzehnten von der Gemeinschaftsbesteuerung zur Individualbesteuerung übergegangen. ²6 Zu den Regelungen in den einzelnen Ländern vergleiche den erläuternden Bericht zur Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Individualbesteuerung vom 2. Dezember 2022. ²7
²6 Vgl. dazu die Übersicht im Dokument «Veranlagung von Ehepartnern zur Einkommenssteuer in Deutschland und anderen europäischen Staaten» des Deutschen Bundestags vom 26. Oktober 2021, abrufbar unter:
www.bundestag.de > Dokumente > Gutachten und Ausarbeitungen > Veranlagung von Ehepartnern zur Einkommensteuer in Deutschland und anderen europäischen Staaten.
²7 Abrufbar unter: www.fedlex.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossen > 2022.

3 Ziele und Inhalt der Initiative

3.1 Ziele der Initiative

Die Initiantinnen und Initianten führen folgende Zielsetzungen an: ²8
-
Mit der Initiative solle Gerechtigkeit für alle Paare geschaffen werden, damit sie - unabhängig vom Lebensmodell - gleichbehandelt würden.
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Mit einer gerechten Steuerpolitik solle die Gemeinschaft in der Schweiz gestärkt werden. Denn Fairness sei die Voraussetzung für nachhaltigen Zusammenhalt.
-
Bei vielen verheirateten Paaren lohne es sich nicht, wenn beide Eheleute arbeiten würden, weil das zweite Einkommen fast ausnahmslos als Steuer an den Staat fliesse. Das schwäche die Gleichberechtigung. Die Initiative setze sich für Gleichheit ein, damit sich Arbeit lohne und Ehepaare ihr berufliches Pensum nach Wunsch festlegen könnten.
-
Mit der Initiative sollen positive Arbeitsanreize gesetzt werden. Damit würden neue Jobs geschaffen und die Wertschöpfung in der Schweiz steige.
-
Die Diskriminierung der Ehe bei der Steuer stamme aus einer Zeit, als oft nur Männer in den Familien berufstätig waren. Dies bilde die gesellschaftliche Realität schon lange nicht mehr ab. Mit der Initiative würde eine moderne und zukunftsfähige Schweiz unterstützt.
-
Die reine Individualbesteuerung benachteilige Einverdienerehepaare und Ehepaare mit deutlich unterschiedlichem Einkommen. Jedes Paar solle frei nach seinen Bedürfnissen sein Arbeitspensum festlegen können. Die alternative Steuerberechnung vereine die Vorteile der heutigen Besteuerung und der Individualbesteuerung ohne ihre Nachteile und sichere den Menschen so Flexibilität in allen Lebenslagen.
-
Die Initiantinnen und Initianten wollen ein einfaches und bürgernahes Steuersystem. Mit der alternativen Steuerberechnung entstehe kein Mehraufwand für die Bevölkerung: Ehepaare füllten weiterhin nur eine Steuererklärung aus, bezahlten aber garantiert nicht mehr als Unverheiratete. Das sei gerecht, einfach umzusetzen und mit den Steuersystemen der Kantone kompatibel.
²8 Vgl. Argumente von Die Mitte, abrufbar unter:
https://ja-zu-fairness.ch/argumente/ (Stand: April 2024).

3.2 Inhalt der Initiative

Artikel 128 BV soll durch einen Absatz 3bis ergänzt werden, welcher das Zusammenrechnen der Einkommen der Eheleute vorsieht. Ausserdem soll das Gesetz dafür sorgen, dass Ehepaare gegenüber anderen Steuerpflichtigen nicht benachteiligt werden.
Gemäss Absatz 1 der in Artikel 197 Ziffer 15 BV vorgesehenen Übergangsbestimmungen müssen die durch die Bundesversammlung zu erlassenden Ausführungsbestimmungen spätestens drei Jahre nach Annahme von Artikel 128 Absatz 3bis BV durch Volk und Stände die entsprechenden Ausführungsbestimmungen in Kraft treten. Andernfalls soll der Bundesrat die erforderlichen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg erlassen, wobei diese bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen gelten sollen.
Diese Verordnung soll gemäss Artikel 197 Ziffer 15 Absatz 2 BV die Nichtbenachteiligung von Ehepaaren gegenüber anderen Steuerpflichtigen sicherstellen, indem neben der Steuerberechnung mittels Zusammenrechnung der Einkommen und Verheiratetentarif eine alternative Steuerberechnung anhand des Tarifs und der Abzüge für unverheiratete Personen gemäss der Gesetzgebung über die direkte Bundessteuer erfolgt (Art. 197 Ziff. 15 Abs. 2 Bst. a) und der tiefere der beiden berechneten Steuerbeträge in Rechnung gestellt wird (Art. 197 Ziff. 15 Abs. 2 Bst. b).

3.3 Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

3.3.1 Grundnorm

Gemäss der systematischen Einordnung der Bestimmung würde die Initiative die gemeinsame Besteuerung nur für die direkte Bundessteuer vorschreiben. Da es in Artikel 128 BV nur um die direkte Bundessteuer geht, wäre eine Individualbesteuerung bei den kantonalen Steuern verfassungsrechtlich weiterhin nicht ausgeschlossen. Der Verfassungsauftrag zur Harmonisierung der Einkommenssteuer von Bund und Kantonen (Art. 129 BV) und verwaltungsökonomische Aspekte würden allerdings faktisch den Spielraum des Bundesgesetzgebers, im StHG eine individuelle Besteuerung vorzusehen, stark einschränken.
Die vorgeschlagene Verfassungsbestimmung (Art. 128 Abs. 3bis BV) schränkt den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Besteuerung von Ehepaaren im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen ein. Die Einkommen der beiden Eheleute müssen zusammengerechnet werden und diese dürfen gegenüber anderen Personen keine Mehrbelastung erfahren. Bisher hat das Bundesgericht die Vorgaben zu den Belastungsrelationen für den Gesetzgeber aus dem allgemeinen Rechtsgleichheitsgebot hergeleitet (vgl. Ziff. 2.2). Die vorliegende Verfassungsbestimmung sieht jedoch ein ausdrückliches Verbot von Mehrbelastungen bei Ehepaaren vor. Dabei stellt sich die Frage, ob jegliche Mehrbelastungen in jedem Einzelfall ausgeschlossen wären. Zulässig wäre demgegenüber im Umkehrschluss eine Mehrbelastung von unverheirateten Personen im Vergleich zu verheirateten.
Die Initiative schreibt nicht vor, wie die gemeinsame Besteuerung der Ehepaare umgesetzt werden muss. Als Modelle der gemeinsamen Besteuerung stehen grundsätzlich verschiedene Formen des Splittings (vgl. Ziff. 4.2.2) sowie eine alternative Steuerberechnung (vgl. Ziff. 4.2.3) zur Verfügung, wobei die Initiantinnen und Initianten gemäss Argumentarium eine alternative Steuerberechnung anstreben, wie sie auch in der Übergangsbestimmung (vgl. 3.3.2) verlangt wird. Sämtliche Modelle der gemeinsamen Besteuerung sehen vor, dass der Steuersatz für Ehepaare tiefer ist als derjenige für unverheiratete Personen bei gleichem Einkommen. Im Falle einer Annahme der Volksinitiative wäre die Einführung einer Individualbesteuerung bei der direkten Bundessteuer ohne erneute Verfassungsänderung ausgeschlossen.
Die Verfassungsbestimmung wäre nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedürfte der Umsetzung durch den Bundesgesetzgeber, indem das DBG entsprechend geändert würde.

3.3.2 Übergangsbestimmungen

Setzt der Bundesrat die Volksinitiative auf dem Verordnungsweg gestützt auf die Übergangsbestimmungen um, soll er neben der gemeinsamen Besteuerung eine alternative Steuerberechnung anhand der «Tarife und Abzüge für unverheiratete Personen gemäss der Gesetzgebung über die direkte Bundessteuer» in Artikel 36 DBG vorsehen. Der Bundesrat könnte somit den Tarif und die Abzüge für unverheiratete Personen nicht anpassen. Aus der Formulierung geht hingegen nicht explizit hervor, ob der Bundesrat die Zuweisung des Tarifs neu festlegen könnte. Es stellt sich damit die Frage, ob die bisherige Anwendung des Verheiratetentarifs bei unverheirateten Paaren mit Kindern (vgl. Ziff. 2.3) auf dem Verordnungsweg durch den Bundesrat aufgehoben werden könnte oder nicht. Auch bei einer Aufhebung dieses heutigen Tarifprivilegs würde die alternative Steuerberechnung die Höherbelastung von Ehepaaren beseitigen. Ehepaare mit Kindern würden aber mit der alternativen Steuerberechnung weniger stark entlastet, wenn die Besteuerung für unverheiratete Paare mit Kindern erhöht würde.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Bundesrat den Tarif und die Abzüge für Ehepaare ändern könnte. Dafür spricht der Wortlaut der Initiative, welcher lediglich den Tarif und die Abzüge für unverheiratete Personen gemäss der geltenden Gesetzgebung vorschreibt. Mit der Einführung einer alternativen Steuerberechnung verlieren diese Abzüge ihren ursprünglichen Zweck, die Mehrbelastung von Ehepaaren zu reduzieren. Die Übergangsbestimmungen schliessen nach Auffassung des Bundesrates daher nicht aus, dass insbesondere der Verheirateten- und Zweiverdienerabzug aufgehoben werden könnten. Die Vorgabe der Initiative, dass Ehepaare im Vergleich zu unverheirateten Personen nicht höher belastet werden, würde dank der alternativen Steuerberechnung in jedem Fall sichergestellt. Bei Ehepaaren, die bereits heute keine Höherbelastung, sondern eine Minderbelastung gegenüber unverheirateten Personen aufweisen, würde die Aufhebung von Verheirateten- und Zweiverdienerabzug indes zu einer Steuererhöhung führen.

4 Würdigung der Initiative

4.1 Würdigung der Anliegen der Initiative

Der Bundesrat verfolgt seit Jahrzehnten das Ziel der Beseitigung der Benachteiligung von Ehepaaren bei der direkten Bundessteuer. Während mehr als 20 Jahren wurden mehrere Varianten der Paar- und Familienbesteuerung im Parlament diskutiert und weitgehend verworfen.
Eine Höherbelastung von Ehepaaren kann sowohl mittels einer gemeinsamen als auch einer individuellen Besteuerung vermieden werden. Sowohl die Volksinitiative der Mitte «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!» zur gemeinsamen Besteuerung wie auch die Volksinitiative der FDP-Frauen zur Individualbesteuerung «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» sind daher geeignet, die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren gegenüber unverheirateten Paaren zu beseitigen.
Bei der gemeinsamen Besteuerung ist die Steuerbelastung bei Ehepaaren grundsätzlich unabhängig von der Einkommensaufteilung. Das Postulat der Globaleinkommensbesteuerung ist somit erfüllt. Es erfolgt jedoch eine unterschiedliche Gesamtbelastung in Abhängigkeit vom Zivilstand. Das Postulat der Zivilstandsneutralität ist folglich verletzt. Zwischen dem Postulat der Globaleinkommensbesteuerung und der Zivilstandsneutralität besteht ein Zielkonflikt. In einem progressiven Steuersystem können nicht beide Postulate gleichzeitig erfüllt werden:
[Bild bitte in Originalquelle ansehen]
Der Bundesrat empfiehlt beide Volksinitiativen zur Ablehnung, weil die Frage der gemeinsamen oder individuellen Besteuerung seines Erachtens dem Gesetzgeber überlassen werden soll. Der Gesetzgeber wird so nicht in seinem Handlungsspielraum eingeschränkt.
Eine Mehrheit des Parlaments hat sich am 21. September 2020 für die Individualbesteuerung ausgesprochen und der Nationalrat hat am 25. September 2024 dem indirekten Gegenvorschlag (Bundesgesetz über die Individualbesteuerung) des Bundesrats zur Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» zugestimmt.
Die «Steuergerechtigkeits-Initiative» resp. der dazu verabschiedete indirekte Gegenvorschlag zur Einführung der Individualbesteuerung ist zivilstandsneutral, er schliesst sowohl Minder- als auch Mehrbelastungen für unverheiratete Paare gegenüber verheirateten Paaren aus. Demgegenüber würde die vorliegende Volksinitiative die Zivilstandsneutralität verletzen, indem unverheiratete Personen im Vergleich zu Ehepaaren tendenziell Mehrbelastungen aufweisen. Ausserdem sind die Erwerbsanreize bei Einführung einer Individualbesteuerung höher als bei einer gemeinsamen Besteuerung. Grund dafür ist, dass bei einer Individualbesteuerung eine niedrigere Belastung auf eine Erhöhung des Zweiteinkommens anfällt. Das inländische Arbeits- und Fachkräftepotenzial würde daher besser ausgeschöpft. Dadurch würde auch die finanzielle Unabhängigkeit beider Eheleute gestärkt, was zur besseren Vorsorge für das Alter sowie bei Scheidungen führt und zur Gleichstellung von Frau und Mann beiträgt.

4.2 Auswirkungen der Grundnorm bei einer Annahme

Die Annahme der Volksinitiative wäre ein Auftrag an den Gesetzgeber, Massnahmen zur Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung festzulegen.
Die gesetzlichen Ausführungsbestimmungen müssen drei Jahre nach Annahme der Volksinitiative in Kraft gesetzt werden. Sollte es absehbar sein, dass die drei Jahre nicht ausreichen, muss der Bundesrat gemäss den Übergangsbestimmungen die erforderlichen Ausführungsbestimmungen auf diesen Zeitpunkt hin mittels Verordnung erlassen.
Die in der Grundnorm geforderte gemeinsame Besteuerung von Ehepaaren verbunden mit der Nichtbenachteiligung von Ehepaaren gegenüber anderen Steuerpflichtigen lässt dem Parlament in Bezug auf die Steuerbelastungen und die finanziellen Auswirkungen einen grossen Spielraum.
Die Auswirkungen auf die Steuerbelastungen und die finanziellen Auswirkungen bei der direkten Bundessteuer hängen neben anderen Fragen der gesetzgeberischen Ausgestaltung entscheidend von der Gestaltung der Tarife ab. Die Grundnorm der Initiative überlässt die Tarifgestaltung dem Parlament. Die dargestellten Auswirkungen in diesem Kapitel illustrieren eine Umsetzung gestützt auf die geltenden Tarife der direkten Bundessteuer (Gesetzesstand 2025). Ausgehend davon zeigen die Darstellungen jeweils eine Bandbreite, die aus unterschiedlichen Ausgestaltungen resultiert.

4.2.1 Datengrundlage für quantitative Schätzungen

Bundessteuerstatistik
Grundlage für die quantitativen Schätzungen sind die Daten der Bundessteuerstatistik des Jahres 2021 und das geltende Recht des Jahres 2025. Dies betrifft in dieser Botschaft die Schätzungen der finanziellen Auswirkungen von Reformoptionen sowie diejenigen zur Anzahl der Ehepaare, die bei der direkten Bundessteuer gegenüber einem unverheirateten Paar eine Mehr- oder Minderbelastung haben. Bei den Schätzungen der finanziellen Auswirkungen erfolgt jeweils eine Hochrechnung auf das Steuerjahr 2025. Diese Hochrechnung erfolgt gestützt auf die budgetierten Einnahmen 2025 im Verhältnis zu den Einnahmen 2021.
Die Daten der Bundessteuerstatistik enthalten zwar alle bei der direkten Bundessteuer steuerpflichtigen Personen. Diese Daten enthalten jedoch nur punktuelle Informationen zu den einzelnen Steuerpflichtigen, was regelmässig eine hinreichend präzise Schätzung zu Steuerreformen verhindert. Zu den einzelnen steuerpflichtigen Personen enthält die Bundessteuerstatistik namentlich den Zivilstand, das steuerbare Einkommen, das satzbestimmende Einkommen, die Anzahl Kinderabzüge, die Höhe des Abzugs für Kinderdrittbetreuungskosten sowie bei Ehepaaren die Höhe des Zweiverdienerabzugs. Weiter geht aus den Daten hervor, ob eine steuerpflichtige Person eine Rente erhält, selbstständig oder unselbstständig erwerbend oder nicht erwerbstätig ist (bei Ehepaaren liegen diese Informationen nicht für beide Eheleute vor). Keine Informationen enthält die Bundessteuerstatistik hingegen namentlich zur Aufteilung des Einkommens auf verschiedene Einkommensarten (Vermögenserträge, Erwerbseinkommen, Renten), zu Berufskosten, Liegenschaftskostenabzügen, Beiträgen in die 1. oder 2. Säule der Altersvorsorge und bei Ehepaaren zur Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten.
Die Daten 2021 beinhalten gegenüber denjenigen des Jahres 2020 gewisse Qualitätsverbesserungen. So sind ab 2021 die Informationen zum satzbestimmenden Einkommen, zum Abzug für Kinderdrittbetreuungskosten und zum Kinderabzug auf dem Steuerbetrag vorhanden. Die Angabe zum satzbestimmenden Einkommen ist noch nicht in allen Kantonen vorhanden, sodass in diesen Fällen Annahmen nötig sind. Bei der Anzahl Kinderabzüge bei der Bemessungsgrundlage sind fortan auch halbe Werte möglich, was bei Aufteilungen des Abzugs auf beide Elternteile relevant ist. Im Jahr 2020 waren diese Verbesserungen in der Datenlage erst teilweise umgesetzt.
Das Fehlen der Information zum satzbestimmenden Einkommen verhinderte bisher eine direkte Schätzung von Auswirkungen bei denjenigen Steuerpflichtigen, bei denen das satzbestimmende Einkommen wegen eines internationalen Steuerverhältnisses oder unterjähriger Steuerpflicht vom steuerbaren Einkommen abweichen kann. Diese sog. Sonderfälle betreffen gut 10 Prozent der Steuerpflichtigen (vgl. Tabelle 1). Bisherige Schätzungen mit der Bundessteuerstatistik erfolgten ausschliesslich mit denjenigen Steuerpflichtigen, bei denen das steuerbare mit dem satzbestimmenden Einkommen übereinstimmte (sog. Normalfälle). Ausgehend davon erfolgte eine pauschale Hochrechnung auf die Grundgesamtheit aus Normal- und Sonderfällen. Eine detaillierte Beschreibung findet sich in Ziffer 6.7.1.2 der Botschaft des Bundesrates vom 21. Februar 2024 zur Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits-Initiative)» und zum indirekten Gegenvorschlag (Bundesgesetz über die Individualbesteuerung).
Die Daten der Bundessteuerstatistik beinhalten jedoch bei Ehepaaren weiterhin keine Angaben zur Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten. Aus den Daten gehen ausschliesslich Informationen zum Gesamteinkommen hervor. Diese Einkommensaufteilung ist jedoch zentral für die Schätzung der Anzahl Ehepaare mit einer Mehr- oder Minderbelastung gegenüber einem unverheirateten Paar in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen und der finanziellen Auswirkungen der alternativen Steuerberechnung. Beides hängt entscheidend von der Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten ab. Je gleichmässiger die Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten ist, desto eher liegt eine Mehrbelastung des Ehepaars gegenüber einem unverheirateten Paar vor und desto höher sind tendenziell die Entlastungen und damit die Mindereinnahmen im Rahmen der alternativen Steuerberechnung.
Die ESTV hat sich bei vergangenen Schätzungen zur Ehepaarbesteuerung auf die WiSiER-Daten (WiSiER = Wirtschaftliche Situation von Personen im Erwerbs- und im Rentenalter) gestützt. Diese Daten enthalten detailliertere Angaben zu den deklarierten Einkommen. Die ESTV musste diese Daten aufgrund der Datennutzungsvereinbarung Ende 2023 löschen. Die Schätzungen stützen sich deshalb auf aggregierte Strukturinformationen aus dem WiSiER-Datensatz. Allerdings beziehen sich die WiSiER-Daten auf die kantonalen Einkommenssteuern, sodass die Aufteilung der Einkommen auf die Eheleute auf Grund unterschiedlich hoher Abzüge für die direkte Bundessteuer geschätzt werden muss. Zudem ermöglichen auch die WiSiER-Daten keine eindeutige Zuordnung aller Einkommensteile auf die Eheleute, sodass dafür Annahmen nötig sind. Dies betrifft insbesondere die Vermögenserträge. Schliesslich enthalten die der ESTV zur Verfügung gestandenen WiSiER-Daten Informationen von lediglich zehn Kantonen und sie stammen aus dem Jahr 2015.
Die fehlende Information zur Einkommensaufteilung bei Ehepaaren in der Bundessteuerstatistik und die auf Annahmen beruhende Ergänzung dieser Informationen sind der Hauptgrund, warum die quantitativen Schätzungen der finanziellen Auswirkungen von Reformoptionen sowie diejenigen zur Anzahl der Ehepaare, die bei der direkten Bundessteuer gegenüber einem unverheirateten Paar eine Mehr- oder Minderbelastung haben, mit erheblicher Unsicherheit behaftet sind.
Tabelle 1
Übersicht zur Anzahl Beobachtungen in der Bundessteuerstatistik
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Bundessteuerstatistik, Steuerjahr 2025, Anzahl Beobachtungen
Total 5 331 551
Nach Zivilstand
Ehepaare 1 766 032
Nicht-Rentner-Ehepaare 1 259 606
mit Zweiverdienerabzug 854 282
ohne Zweiverdienerabzug 405 324
Rentnerehepaare 506 426
Unverheiratete 3 565 519
Nicht-Rentner 2 667 476
mit Elterntarif 276 987
mit Grundtarif 2 390 489
Rentnerinnen/Rentner 898 043
Normal-/Sonderfälle
Normalfälle 4 759 687
Sonderfälle 571 864
Bei den Normalfällen entspricht das satzbestimmende Einkommen dem steuerbaren Einkommen. Bei den Sonderfällen kann das satzbestimmende Einkommen wegen einer unterjährigen Besteuerung oder eines internationalen Steuerverhältnisses (z. B. Immobilienertrag im Ausland) vom steuerbaren Einkommen abweichen.
Tabelle 2
Deskriptive Statistik zur direkten Bundessteuerstatistik
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Bundessteuerstatistik, Steuerjahr 2025, deskriptive Statistiken
Median Mittelwert Standardabweichung
Reines Einkommen 56 400 77 689 1 109 674
Steuerbares Einkommen 49 100 63 882 280 800
Satzbestimmendes Einkommen 50 500 69 810 1 109 422
Anzahl Kinderabzüge 0 0,35 0,77
Verwendetes Einkommenskonzept
Das für die Schätzungen der Anzahl Ehepaare mit Mehr- und Minderbelastung und für diejenigen der finanziellen Auswirkungen verwendete Einkommenskonzept ergibt sich aus der Datenverfügbarkeit der Bundessteuerstatistik. Dieses Einkommen ermittelt sich wie folgt: Steuerbares Einkommen plus Versicherungsabzug, Versicherungsabzug für das Kind, Abzug von der Bemessungsgrundlage für Kinder und Abzug für Kinderdrittbetreuungskosten sowie bei Ehepaaren plus Verheiratetenabzug und Zweiverdienerabzug.

4.2.2 Splitting-Modelle

Ausgestaltung der Modelle
Das Splitting ist eine Form der gemeinsamen Besteuerung. Es betrachtet Ehepaare als Wirtschaftsgemeinschaft und damit als Einheit aus steuerrechtlicher Sicht. Die Idee des Splittings besteht darin, bei der gemeinsamen Besteuerung von Ehepaaren der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Einkommen von zwei Personen addiert werden. Die Steuersätze für Ehepaare ergeben sich durch die Anwendung des Splittingfaktors auf den Grundtarif.
Das steuerbare Einkommen des Ehepaars wird für die Bestimmung des anzuwendenden Steuersatzes durch den Splittingfaktor geteilt. Der so ermittelte Steuersatz wird auf das gesamte steuerbare Einkommen des Ehepaars angewendet. Beim Vollsplitting beträgt der Splittingfaktor zwei; beim Teilsplitting ist er niedriger als zwei, ein separater Verheiratetentarif ist nicht nötig.
Um steuerliche Benachteiligungen von Ehepaaren zu vermeiden, ist der Splitting-Vorteil ausschliesslich Ehepaaren zu gewähren. Unverheiratete Personen mit Kindern würden sodann nach dem Grundtarif besteuert. Dies führt im Vergleich zu heute zu Mehrbelastungen bei unverheirateten Personen mit Kindern sowie Alleinerziehenden.
Als Modell der gemeinsamen Besteuerung erfüllt das Splitting den Grundsatz der Globaleinkommensbesteuerung, ist jedoch nicht zivilstandsneutral (vgl. Ziff. 4.1).
Der Splittingfaktor von zwei beim Vollsplitting bedeutet, dass bei Ehepaaren der Steuersatz zur Anwendung kommt, der im Steuertarif bei der Hälfte des gesamten steuerbaren Einkommens vorgesehen ist.
Beispiel: Gesamteinkommen Ehepaar 150 000 Franken, Splittingfaktor 2
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Steuerbar Satzbestimmend Tarif
Status quo 150 000 150 000 Verheiratetentarif
Vollsplitting 150 000 75 000 Grundtarif
Bei einer Einführung des Vollsplittings bei der direkten Bundessteuer stellt sich die Frage, ob die geltenden zivilstandsabhängigen Abzüge für Ehepaare noch sachgerecht sind. Hierbei handelt es sich um den Verheiratetenabzug (Art. 35 Abs. 1 Bst. c DBG) und um den Zweiverdienerabzug (Art. 33 Abs. 2 DBG). Kombiniert mit dem Vollsplitting würden diese Abzüge zu einer übermässigen Belastung von unverheirateten Personen gegenüber Ehepaaren führen.
Im Weiteren würde sich mit Blick auf die Belastungsrelationen die Frage stellen, ob zur Wahrung der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein Haushaltsabzug für alleinstehende und alleinerziehende Personen eingeführt werden müsste.
Technisch wäre ein Vollsplitting ausgehend vom geltenden Tarif für unverheiratete Personen (Art. 36 Abs. 1 DBG) möglich. Die geltenden Tarife mit der vorübergehend überschiessenden Progression passen jedoch nicht zur Idee des Splittings. Im geltenden Recht wird der maximal zulässige Durchschnittssteuersatz von 11,5 Prozent (Art. 128 Abs. 1 Bst. a BV) bei einem steuerbaren Einkommen von 793 400 ²9 Franken erreicht. Weil die Steuersätze im unteren Einkommensbereich deutlich niedriger sind, ist dafür ein vorübergehendes Überschiessen der Grenzsteuersätze auf über 11,5 Prozent notwendig.
Im geltenden Tarif mit der überschiessenden Progression bleibt der Durchschnittssteuersatz konstant, sobald dieser den Wert von 11,5 Prozent erreicht. Dies hat zur Folge, dass die Anwendung des Splittingfaktors ab einer bestimmten Höhe des Einkommens den anzuwendenden Steuersatz nicht mehr reduziert. Es kann insbesondere in Konstellationen mit einem sehr hohen und einem tieferen Einkommen die Situation auftreten, dass das Vollsplitting im Vergleich zur individuellen Besteuerung zu einer Mehrbelastung führt. Dies widerspricht der Idee des Vollsplittings.
Beim Teilsplitting ist der Splittingfaktor grösser als eins aber kleiner als zwei. Damit resultiert für ein Ehepaar eine steuerliche Entlastung im Vergleich zu einer unverheirateten Person mit gleichem Einkommen. Diese Entlastung ist jedoch geringer als beim Vollsplitting. Die Kantone mit Teilsplitting sehen Splittingfaktoren von 1,6 bis 1,9 vor.
Beispiel: Gesamteinkommen Ehepaar 150 000 Franken, Splittingfaktor 1,7
Tabelle vergrössern
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Steuerbar Satzbestimmend Tarif
Status quo 150 000 150 000 Verheiratetentarif
Teilsplitting 150 000 88 200 Grundtarif
Die Steuerbelastung des Ehepaars ist damit in einem progressiven Steuersystem höher als beim Vollsplitting, bei dem der Steuersatz zur Anwendung kommt, den der Tarif bei 75 000 Franken vorsieht (vgl. vorangehendes Beispiel).
Bei der direkten Bundessteuer entspräche ein Übergang zum Teilsplitting konzeptionell einer Anpassung des Tarifs für Ehepaare, die vom gewählten Splittingfaktor abhängt. Bei tieferen Einkommen würde ein Teilsplitting zu einer Steuersatzerhöhung führen, bei höheren Einkommen zu einer Steuersatzsenkung. Je näher der Splittingfaktor bei zwei liegt, desto höher ist der Anteil der Ehepaare, für die eine Steuersatzsenkung resultieren würde.
Bei einer Umsetzung bei der direkten Bundessteuer stellt sich die Frage, ob der Verheiratetenabzug weiterhin zu gewähren ist. Dieser Abzug kommt heute einer tariflichen Massnahme gleich, die im Splittingfaktor abgebildet würde.
Die Ausgestaltung des Zweiverdienerabzugs (Art. 33 Abs. 2 DBG) müsste in Abhängigkeit vom Splittingfaktor geprüft und allenfalls angepasst werden. Je höher der gewählte Splittingfaktor, desto weniger Raum besteht für eine zusätzliche Entlastung von Ehepaaren durch den Zweiverdienerabzug.
Gleich wie beim Vollsplitting stellt sich die Frage nach der Ausgestaltung des Tarifs. Wie in den Ausführungen zum Vollsplitting erwähnt, hat die Ausgestaltung des geltenden Tarifs mit der überschiessenden Progression zur Folge, dass die Anwendung des Splittingfaktors bei sehr hohen Einkommen den anzuwendenden Steuersatz nicht reduziert. Dies widerspricht der Idee des Teilsplittings.
Um die Verfassungsbestimmung umzusetzen ist auch eine neue Ausgestaltung des Doppeltarifs denkbar. Ehepaare werden wie im geltenden Recht als wirtschaftliche Gemeinschaft betrachtet und gemeinsam veranlagt. Unverheiratete Paare werden individuell veranlagt. Wie im geltenden Recht geht das Doppeltarifsystem von einem Grundtarif und einem milderen Verheiratetentarif aus. Bezüglich Zweiverdiener- und Verheiratetenabzug gilt das zum Voll- bzw. Teilsplitting Gesagte. Der Verlauf der beiden Tarife kann neu definiert werden, wobei die verfassungsrechtlich vorgeschriebene maximale Durchschnittssteuerbelastung von 11,5 Prozent einzuhalten ist.
Das Familienquotientensystem als Sonderform der Besteuerung mit Splitting beruht auf einem Einheitstarif, der sowohl auf alleinstehende wie auch auf verheiratete Steuerpflichtige angewandt wird. In der Schweiz sieht einzig der Kanton Waadt dieses Modell nach französischem Vorbild vor.
Anders als bei den herkömmlichen Splittingsystemen wird das Gesamteinkommen der Familie nicht durch einen fixen, sondern durch einen je nach Grösse des Haushaltes variablen Divisor geteilt, d. h. durch einen auf die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen abgestimmten Familienquotienten. Den Kinderkosten wird dabei primär nicht durch einen Kinderabzug, sondern durch das Splitting Rechnung getragen. Die Kinder werden in das Splitting einbezogen, indem der Divisor des Ehepaars für jedes Kind um einen gewissen Faktor erhöht wird. Das Familienquotientensystem kann hinsichtlich der Ehepaare als Vollsplitting oder Teilsplitting konzipiert werden.
Steuerliche Belastung der Ehepaare im Vergleich zu unverheirateten Personen
Wenn die Einkommen der beiden Eheleute gleich hoch sind, dann entspricht die Steuerbelastung im Vollsplitting derjenigen der individuellen Besteuerung. Wenn die Einkommen der beiden Eheleute nicht gleich hoch sind, dann haben Ehepaare in einem Einkommenssteuersystem mit progressivem Tarif eine niedrigere Steuerbelastung als zwei unverheiratete Personen mit den gleichen Einkommensverhältnissen. Der steuerliche Vorteil des Ehepaars gegenüber zwei unverheirateten Personen mit denselben Einkommen ist umso höher, je ungleicher die Einkommen zwischen den Eheleuten aufgeteilt sind.
Beim Teilsplitting hängt die Belastungsrelation zwischen Ehepaaren und unverheirateten Personen vom Splittingfaktor ab. Je höher der Splittingfaktor festgelegt wird, desto stärker ist die Entlastung des Ehepaars gegenüber unverheirateten Personen mit gleichem Einkommen. Weil der Splittingfaktor beim Teilsplitting niedriger ist als zwei, fällt die Entlastung von Ehepaaren weniger stark aus als beim Vollsplitting. Dadurch ist die Steuerbelastung des Ehepaars höher als diejenige von zwei alleinstehenden Personen mit je der Hälfte des Einkommens des Ehepaars.
Im Vergleich zu einem unverheirateten Paar hat ein Ehepaar je nach Einkommensaufteilung und Splittingfaktor entweder eine Mehr- oder eine Minderbelastung. Je gleichmässiger die Einkommensaufteilung des Ehepaars und je niedriger der gewählte Splittingfaktor, desto eher resultiert für das Ehepaar im Vergleich zu einem unverheirateten Paar eine Mehrbelastung.
Auswirkungen auf die Steuerbelastungen
Die dargestellten Auswirkungen illustrieren eine Umsetzung gestützt auf den geltenden Grundtarif für unverheiratete Personen (Art. 36 Abs. 1 DBG). Bei gegebener Tarifgestaltung hängen die Auswirkungen eines Splitting-Modells insbesondere vom gewählten Splittingfaktor ab. Die Steuerbelastung für Ehepaare ist im Splitting-Modell umso niedriger, je höher der Splitting-Faktor ist. Dementsprechend resultieren umso höhere Mindereinnahmen, je höher der Splittingfaktor ist.
Die Abzüge bleiben bei den dargestellten Auswirkungen gegenüber dem Status quo unverändert. Ausnahmen sind der Verheiratetenabzug und der Zweiverdienerabzug. Der Verheiratetenabzug ist in der Wirkung eine tarifliche Massnahme, indem er das steuerlich freigestellte Einkommen um die Höhe des Abzugs erhöht. Bei einem Splitting-Modell ist die tarifliche Entlastung im Splitting-Faktor abgebildet, weshalb eine Beibehaltung des Verheiratetenabzugs ein systemfremdes Element darstellen würde. Aus dem Umgang mit dem Zweiverdienerabzug ergibt sich die Bandbreite der Steuerbelastung im Reformszenario des Splitting-Modells. Das untere Ende der Bandbreite ergibt sich bei einer Beibehaltung des heute geltenden Zweiverdienerabzugs, das obere Ende bei einer Abschaffung dieses Zweiverdienerabzugs. Das Teilsplitting-Modell lässt mit Blick auf die Belastungsrelationen zwischen Ehepaaren und unverheirateten Personen Raum für einen Zweiverdienerabzug, wobei dieser auf die Entlastungswirkung des jeweiligen Splitting-Faktors abgestimmt werden müsste. Bei einem Vollsplitting würde sich der Zweiverdienerabzug eigentlich erübrigen, weil bereits die Anwendung des Vollsplittings Ehepaare so weit entlastet, dass sie gegenüber unverheirateten Personen steuerlich im Vorteil sind (vgl. Ziff. 4.2.1).
Die Abbildung 3 zeigt die Belastung im Status quo und bei Umsetzung des Splitting-Modells bei einem Ehepaar ohne Kinder bei der direkten Bundessteuer. Dargestellt sind jeweils die Auswirkungen bei einem Splittingfaktor von 1,7 (Teilsplitting) und von 2 (Vollsplitting). Die obere Grafik zeigt die Situation, bei der eine Person 60 Prozent und die andere Person 40 Prozent des Gesamteinkommens des Ehepaars erzielt (Einkommensaufteilung 60/40). Die untere Grafik zeigt die Situation bei einer Einkommensaufteilung von 90/10. Die Abbildung 4 stellt in der gleichen Art die Situation bei einem Ehepaar mit zwei Kindern dar. Die Steuerbelastungen sind in Prozent des Einkommens dargestellt (zum verwendeten Einkommenskonzept, vgl. Ziff. 4.2.1).
Wie die Abbildungen zeigen, ergeben sich bei einer Umsetzung des Splitting-Modells bei der direkten Bundessteuer bei Ehepaaren mit hohen und teilweise auch mittleren Einkommen steuerliche Entlastungen. Die Höhe der Entlastung steigt im dargestellten Spektrum mit zunehmendem Einkommen tendenziell an. Insbesondere bei Ehepaaren ohne Kinder mit tiefen und teilweise auch mittleren Einkommen ergeben sich Mehrbelastungen.
Dieses Profil der Mehr- und Minderbelastungen erklärt sich durch die heutige Ausgestaltung des Verheiratetentarifs in Verbindung mit den Abzügen für Ehepaare. Der geltende Verheiratetentarif bei der direkten Bundessteuer schafft im hohen und teilweise mittleren Einkommensbereich gegenüber dem Tarif für unverheiratete Personen eine eher geringe Entlastung. Diese Entlastung ist teilweise deutlich geringer als sie bei der Anwendung eines Splittingfaktors von 1,7 oder auch einem solchen von 1,5 wäre. Dementsprechend führt die Einführung eines Splitting-Modells bei höheren Einkommen auch bei einem Splittingfaktor von 1,7 zu einer teilweise deutlichen Entlastung. Unabhängig von der Höhe des Einkommens ist die Steuerbelastung im Splitting-Modell bei einem Splittingfaktor von 2 niedriger als bei einem solchen von 1,7.
Bei Ehepaaren mit tiefen und teilweise mittleren Einkommen schafft der geltende Tarif in Verbindung mit dem Verheirateten- und vor allem dem Zweiverdienerabzug gegenüber unverheirateten Paaren eine Entlastung, die teilweise über diejenige des Vollsplittings hinaus geht. Die Einführung eines Vollsplittings und in verstärktem Ausmass diejenige eines Teilsplittings würde für Ehepaare in diesen Einkommensklassen teilweise zu Mehrbelastungen führen.
Ein Doppeltarifsystem hat die gleichen Auswirkungen wie ein Splittingsystem, welches jedoch je nach Tarifstufe unterschiedliche Splittingfaktoren anwendet. Die Auswirkungen beim Familienquotientensystem sind in Bezug auf die Kompensation des Zusammenrechnens der Einkommen bei Ehepaaren wie bei einem Splitting. Sowohl bei einem Doppeltarif- wie auch einem Familienquotientensystem hängen die Auswirkungen von der konkreten Ausgestaltung ab.
Abbildung 3
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Steuerbelastung in Prozent des Einkommens im Status quo und im Reformszenario des Splitting-Modells mit Splittingfaktor 1,7 und mit Splittingfaktor 2. Ehepaar ohne Kinder. Direkte Bundessteuer. Die Bandbreite der Schätzung ergibt sich durch unterschiedliche Ausgestaltungen des Splitting-Modells. Status quo und Reformszenario gestützt auf den geltenden Grundtarif (Stand 2025).
Abbildung 4
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Steuerbelastung in Prozent des Einkommens im Status quo und im Reformszenario des Splitting-Modells mit Splittingfaktor 1,7 und mit Splittingfaktor 2. Ehepaar mit zwei Kindern. Direkte Bundessteuer. Die Bandbreite der Schätzung ergibt sich durch unterschiedliche Ausgestaltungen des Splitting-Modells. Status quo und Reformszenario gestützt auf den geltenden Grundtarif (Stand 2025).
Finanzielle Auswirkungen
Die finanziellen Auswirkungen eines Splitting-Modells hängen - gleich wie die Auswirkungen auf die Steuerbelastung - neben der Tarifgestaltung von anderen Fragen der Ausgestaltung ab. Die folgende Darstellung illustriert wiederum eine Umsetzung des Splitting-Modells gestützt auf den geltenden Grundtarif.
Abbildung 5 zeigt die geschätzten finanziellen Auswirkungen des Splitting-Modells bei der direkten Bundessteuer in Abhängigkeit vom Splittingfaktor. Bei einem Splittingfaktor von 1,7 ergibt sich ein Schätzband von jährlichen Mindereinnahmen zwischen rund 1,5 und rund 2,2 Milliarden Franken. Bei einem Splittingfaktor von 2 beträgt das Schätzband zwischen rund 2,4 und rund 3,1 Milliarden Franken pro Jahr. Unabhängig von der gewählten Ausgestaltung entfallen 78,8 Prozent der Mindereinnahmen auf den Bund und 21,2 Prozent auf die Kantone.
Abbildung 5
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Geschätzte finanzielle Auswirkungen des Splitting-Modells bei der direkten Bundessteuer in Abhängigkeit vom Splittingfaktor. Das untere bzw. obere Ende des Schätzbands entspricht der Umsetzung bei Beibehaltung bzw. Abschaffung des Zweiverdienerabzugs. Am unteren Ende des Schätzbands erhalten Unverheiratete mit Kindern im Reformszenario ebenfalls den Splittingvorteil (analog zum Status quo), am oberen Ende des Schätzbands erhalten ausschliesslich Ehepaare den Splittingvorteil. Schätzung mit Daten der Bundessteuerstatistik 2021, Hochrechnung auf das Jahr 2025.
Das Schätzband kommt durch zwei Elemente der Ausgestaltung zustande. Das untere Ende des Schätzbands (höhere Mindereinnahmen) entspricht einer Umsetzung mit Beibehaltung des Zweiverdienerabzugs, während das obere Ende (tiefere Mindereinnahmen) einer solchen mit Abschaffung des Zweiverdienerabzugs entspricht. Weiter entspricht das untere Ende des Schätzbands einer Umsetzung, bei der neben Ehepaaren auch unverheiratete Personen mit Kindern den Splitting-Vorteil erhalten. Dies ist analog zur heutigen Regelung, bei der unverheiratete Personen mit Kindern gleich wie Ehepaare den günstigeren Verheiratetentarif erhalten. Das obere Ende des Schätzbandes entspricht einer Umsetzung, bei welcher ausschliesslich Ehepaare den Splitting-Vorteil erhalten. In dieser Variante würden unverheiratete Personen mit Kindern das heute geltende Tarifprivileg verlieren, was in dieser Personengruppe zu Mehrbelastungen führt. Dies betrifft sowohl Alleinerziehende als auch unverheiratete Paare mit Kindern.
Auswirkungen auf die Erwerbsanreize
Gleich wie das geltende Recht führt ein Vollsplitting im Vergleich zur individuellen Besteuerung bei gleichem Steueraufkommen zu einer niedrigeren Grenzsteuerbelastung von Erstverdienerinnen bzw. Erstverdienern und zu einer höheren Grenzsteuerbelastung für Zweitverdienerinnen bzw. Zweitverdiener. Bei einer Erhöhung des Zweiteinkommens entsteht eine stärkere Steuerbelastung, weil das Zweiteinkommen ausgehend von der mit dem Ersteinkommen erreichten Progressionsstufe besteuert wird.
Gemäss empirischen Untersuchungen reagieren Zweitverdienende stärker auf die Besteuerung als Erstverdienende. 3⁰ Zudem ist in der Schweiz das Arbeitskräftepotenzial bei Erstverdienenden bereits gut ausgeschöpft. Bei Zweitverdienenden sind die Möglichkeiten, durch Steuerreformen eine bessere Ausschöpfung des Arbeits- und Fachkräftepotenzials zu erreichen, deutlich grösser.
Ein Vollsplitting erweist sich in Bezug auf Erwerbsanreize vor diesem Hintergrund als ungünstig. Wie sich die Erwerbsanreize bei einer Einführung des Vollsplittings verändern, würde namentlich von der Ausgestaltung des Tarifs abhängen. Eine aufkommensneutrale Ausgestaltung dürfte die Erwerbsanreize im Vergleich zum geltenden Recht eher verschlechtern. Eine Verschlechterung der Erwerbsanreize würde insbesondere resultieren, wenn der Zweiverdienerabzug aufgehoben wird.
Eine Verbesserung der Erwerbsanreize könnte bei einem Vollsplitting ausschliesslich bei Inkaufnahme erheblicher Mindereinnahmen erreicht werden. Der systembedingte negative Effekt auf die Erwerbsanreize von Zweitverdienenden könnte durch Tarifsenkungen kompensiert werden.
Das Teilsplitting ist in Bezug auf die Erwerbsanreize ähnlich zu beurteilen wie das Vollsplitting. Weil das Teilsplitting das Ersteinkommen weniger stark entlastet, kann bei gegebenen Steuereinnahmen ein niedrigerer Tarif gewählt werden als beim Vollsplitting. Dadurch resultieren beim Teilsplitting etwas niedrigere Steuerbelastungen auf dem Zweiteinkommen. Vor diesem Hintergrund ist ein Teilsplitting in Bezug auf die Erwerbseffekte etwas günstiger als das Vollsplitting. Weiter lässt das Teilsplitting in Bezug auf die Belastungsrelationen Raum für einen Zweiverdienerabzug, der vor allem bei niedrigen Zweiteinkommen gewisse Erwerbsanreize schafft.
Administrativer Aufwand
Ein Splitting-Modell könnte bei der direkten Bundessteuer ohne grösseren Umstellungsaufwand für die kantonalen Veranlagungsbehörden umgesetzt werden. An der Deklaration der steuerlich relevanten Faktoren würde sich nichts ändern. Ausgehend vom geltenden Recht bräuchten die veranlagenden Behörden keine zusätzlichen Informationen. Ehepaare würden unverändert ihre Steuerfaktoren gemeinsam deklarieren. Lediglich in Bezug auf die Tarifanwendung müssten die Kantone entsprechende IT-Anpassungen vornehmen.
Vereinbarkeit mit der Grundnorm
Das Vollsplitting ist vereinbar mit der Verfassungsbestimmung. Das Einkommen der Ehepaare wird zusammengerechnet. Wird der Splitting-Vorteil ausschliesslich Ehepaaren gewährt, werden steuerliche Benachteiligungen von Ehepaaren ausgeschlossen.
Beim Teilsplitting ergeben sich Konstellationen mit Höherbelastungen für Ehepaare im Vergleich zu unverheirateten Paaren, insbesondere bei eher gleichmässiger Einkommensaufteilung. Es stellt sich die Frage, ob diese Höherbelastungen mit der neuen Verfassungsnorm vereinbar wären oder ob die neue Verfassungsnorm jegliche Höherbelastung ausschliessen würde. Damit ein Teilsplitting mit der Verfassungsbestimmung vereinbar wäre, müsste der Splittingfaktor jedenfalls eher hoch angesetzt werden.
Bei einem Doppeltarif muss dieser so ausgestaltet werden, dass er einem Vollsplitting entspricht, wenn jegliche Mehrbelastungen bei Ehepaaren vermieden werden sollen. Andernfalls ergeben sich wie beim Teilsplitting Höherbelastungen für Ehepaare mit ausgeglichener Einkommensaufteilung.
Bezüglich Familienquotientensystem gilt das zum Voll- bzw. Teilsplitting Gesagte.
²9 Steuerjahr 2025.
3⁰ Hauptquellen für die Elastizitäten aus der Literatur sind drei Übersichtsartikel: Meghir, Costas / Phillips, David (2010): Labour Supply and Taxes. In: Mirrlees, James / Adam, Stuart / Besley, Timothy / Blundell, Richard / Bond, Stephen / Chote, Robert / Gammie, Malcolm / Johnson, Paul / Myles, Gareth / Poterba, James (Hrsg.): Dimensions of Tax Design: The Mirrlees Review. Oxford University Press; Bargain, Olivier / Orsini, Kristian / Peichl, Andreas (2014): Comparing Labor Supply Elasticities in Europe and the United States: New Results. The Journal of Human Resources, 49(3): 723-838; Bargain, Olivier / Peichl, Andreas (2016): Steady-State Labor Supply Elasticities: A Survey. IZA Journal of Labor Economics, 2016, 5(10). Dazu eine Schätzung für die Schweiz: Gerfin, Michael / Leu, Robert E. (2007): Evaluating the Cost-Effectiveness of In-Work Benefits. German Economic Review, 8(4): 447-467.

4.2.3 Alternative Steuerberechnung

Ausgestaltung des Modells
Das Modell der alternativen Steuerberechnung basiert verfahrensrechtlich auf der gemeinsamen Veranlagung der Eheleute. Hinsichtlich der Steuerbelastung kombiniert es Elemente der gemeinsamen und der getrennten Besteuerung.
In einem ersten Schritt werden die Einkommen der Eheleute zusammengerechnet. Auf das so ermittelte Einkommen wird der Tarif für verheiratete Personen angewendet. In einem zweiten Schritt erfolgt eine alternative Berechnung der Steuerbelastung, die sich an eine Besteuerung von unverheirateten Personen anlehnt, d. h. es wird eine individuelle Besteuerung der Eheleute unter Anwendung des Tarifs für unverheiratete Personen simuliert. Die daraus resultierenden Steuerbeträge für die Eheleute werden anschliessend zusammengerechnet. Der tiefere der beiden Steuerbeträge wird dem Ehepaar in Rechnung gestellt.
Die alternative Steuerberechnung kommt somit zum Tragen, wenn ein Ehepaar bei einer gemeinsamen Besteuerung im Vergleich zu einem unverheirateten, individuell besteuerten Paar eine Mehrbelastung aufweist. Diesfalls entspricht der Steuerbetrag demjenigen eines unverheirateten Paars, womit Mehrbelastungen von Ehepaaren vermieden werden. Die alternative Steuerberechnung hat daher gleichzeitig zur Folge, dass Zweiverdienerehepaare eine tiefere Steuerlast als Einverdienerehepaare mit dem gleichen Gesamteinkommen aufweisen können. Bei Ehepaaren, welche heute eine Minderbelastung gegenüber unverheirateten Paaren aufweisen, hat die alternative Steuerberechnung keine Auswirkungen, womit die Mehrbelastung von unverheirateten Paaren weiterhin bestehen bleibt.
Bei der Umsetzung des Modells ist es von erheblicher Bedeutung, wie unverheiratete Personen mit Kindern steuerlich behandelt werden. Erhalten diese den günstigeren Tarif für verheiratete Personen, wie dies heute bei der direkten Bundessteuer und den meisten Kantonen der Fall ist (vgl. oben Ziff. 2.3), findet der günstigere Tarif auch im Rahmen der alternativen Steuerberechnung Anwendung. Findet bei unverheirateten Personen hingegen neu stets der Grundtarif Anwendung, gilt dies im Rahmen der alternativen Steuerberechnung auch für Ehepaare. In beiden Fällen wird eine steuerliche Mehrbelastung von Ehepaaren gegenüber unverheirateten Paaren vermieden. Die Anwendung des günstigeren Tarifs für verheiratete Personen im Rahmen der alternativen Steuerberechnung würde aber zu einer stärkeren Entlastung für Ehepaare mit Kindern führen.
Vorlage des Bundesrates vom 21. März 2018
Der Bundesrat unterbreitete dem Parlament am 21. März 2018 eine Vorlage zur «ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung» mit einer alternativen Steuerberechnung. 3¹ Das Parlament wies die Botschaft jedoch zurück (vgl. Ziff. 2.5).
Das Modell basierte auf der gemeinsamen Veranlagung und auf dem Mehrfachtarif des geltenden Rechts. Die direkte Bundessteuer sollte in zwei Schritten ermittelt werden (vgl. obige Beschreibung des Modells).
Der Bundesrat schlug in seiner Vorlage der Einfachheit halber vor, den Eheleuten gewisse Einkünfte (namentlich Vermögenserträge) und gewisse Abzüge im Rahmen der alternativen Steuerberechnung pauschal hälftig zuzuteilen. Damit wäre verhindert worden, dass Ehepaare im Vergleich zu heute zusätzliche Angaben in ihrer Steuererklärung machen müssten. Die pauschale Zuteilung gewisser Einkünfte und Abzüge hätte allerdings zur Folge gehabt, dass in gewissen Fällen die Mehrbelastung von Ehepaaren nicht beseitigt worden wäre.
Weil die alternative Steuerberechnung in erster Linie Zweiverdienerehepaare entlastet hätte, sah die Vorlage die Einführung eines Einverdienerabzugs vor, um die Belastungsunterschiede zwischen Einverdiener- und Zweiverdienerehepaaren zu begrenzen.
Schliesslich beinhaltete die Vorlage eine Aufhebung der Anwendung des günstigeren Verheiratetentarifs bei unverheirateten Personen mit Kindern. Zur Abfederung der dadurch entstehenden Mehrbelastung sah die Vorlage einen Abzug für Alleinerziehende vor.
Bei den kantonalen Steuern wäre durch die Reform kein Anpassungsbedarf entstanden.
Steuerliche Belastung der Ehepaare im Vergleich zu unverheirateten Personen
Das Modell der alternativen Steuerberechnung enthält Elemente der gemeinsamen wie auch der individuellen Besteuerung. Bei Ehepaaren erfolgt eine Steuerberechnung gemäss beiden Modellen, die in Rechnung gestellte Belastung entspricht dem niedrigeren der so ermittelten Beträge. Die Belastungsrelationen zwischen Ehepaaren und unverheirateten Personen hängen von der Ausgestaltung der Tarife ab. Je niedriger der Verheiratetentarif im Vergleich zum Tarif für unverheiratete Personen ist, desto günstiger ist die Steuerbelastung für Ehepaare im Vergleich zu unverheirateten Personen und desto weniger häufig kommt bei Ehepaaren die individuelle Besteuerung im Rahmen der alternativen Steuerberechnung zum Tragen.
Unabhängig von der Gestaltung der Tarife resultiert für Ehepaare eine Steuerbelastung, die grundsätzlich nicht höher sein kann als diejenige eines unverheirateten Paars in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Für Ehepaare mit ungleichmässiger Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten resultiert in diesem Modell in der Regel die Steuerschuld gemäss der gemeinsamen Besteuerung, weil die individuelle Besteuerung nicht vorteilhafter ist. Diese Belastung ist aufgrund des günstigeren Verheiratetentarifs niedriger als diejenige eines unverheirateten Paars in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Bei Ehepaaren mit gleichmässiger Einkommensaufteilung kommt hingegen eher die individuelle Besteuerung im Rahmen der alternativen Steuerberechnung zum Tragen, weil die individuelle Besteuerung bei einer gleichmässigen Einkommensaufteilung zu einer tieferen Steuerschuld führt als die gemeinsame Besteuerung. In diesem Fall ist die Belastung des Ehepaars dank der individuellen Besteuerung niedriger als diejenige eines Ehepaars mit gleichem Gesamteinkommen aber ungleichmässigerer Einkommensaufteilung. Gleichzeitig ist die Belastung in der Regel etwa gleich hoch wie diejenige eines unverheirateten Paars in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen.
Im Weiteren ist die Belastung eines Ehepaars in jedem Fall niedriger als diejenige einer unverheirateten Person mit gleichem Einkommen. Grund dafür ist, dass Ehepaare, gleich wie heute, Anspruch auf eine Besteuerung gemäss einem günstigeren Tarif haben.
Auswirkungen auf die Steuerbelastungen
Die in den nachfolgenden Abbildungen dargestellten Auswirkungen illustrieren eine Umsetzung gestützt auf die geltenden Tarife für unverheiratete Personen (Grundtarif) und für Ehepaare (Art. 36 DBG). Bei Ehepaaren wird eine gemeinsame und eine individuelle Besteuerung berechnet. Der in Rechnung gestellte Steuerbetrag des Ehepaars entspricht dem tieferen der so ermittelten Beträge.
Die dargestellte Bandbreite der Auswirkungen auf die Steuerbelastung kommt durch Ausgestaltungsvarianten sowohl bei der gemeinsamen als auch bei der alternativen Steuerberechnung zustande. Die gemeinsame Besteuerung knüpft beim geltenden Recht an. Ausgehend davon kommt das untere Ende der Bandbreite in der Annahme zustande, dass ein Einverdienerabzug eingeführt wird, welcher der Mindesthöhe des Zweiverdienerabzugs entspricht (8600 Franken gemäss Gesetzesstand 2025). Einen solchen Einverdienerabzug hatte der Bundesrat in seiner Vorlage vom 21. März 2018 zur Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (Ausgewogene Paar- und Familienbesteuerung) vorgesehen, um die durch die alternative Steuerberechnung entstehenden Belastungsunterschiede zwischen Ein- und Zweiverdienerehepaaren zu reduzieren. Das obere Ende der Bandbreite beruht auf der Annahme, dass ausgehend vom geltenden Recht der Zweiverdienerabzug und der Verheiratetenabzug wegfallen.
Zusätzlich wird die Bandbreite der Steuerbelastungen durch die unterschiedliche Zuweisung der Tarife bei der individuellen Besteuerung beeinflusst. Das untere Ende der Bandbreite beruht auf der Annahme, dass das heute geltende Tarifprivileg für unverheiratete Personen mit Kindern weiterbesteht. Dementsprechend entspricht die individuelle Steuerberechnung der heutigen Besteuerung von unverheirateten Paaren. Das bedeutet bei Ehepaaren mit Kindern, dass auf dem höheren Einkommen der Elterntarif (Verheiratetentarif plus Abzug auf dem Steuerbetrag pro Kind) zur Anwendung kommt. Das obere Ende der Bandbreite beruht auf der Annahme, dass bei unverheirateten Personen nicht mehr der günstigere Tarif angewendet wird. Damit erhalten beide Eheleute im Rahmen der individuellen Steuerberechnung den Grundtarif, und der Abzug vom Steuerbetrag pro Kind wird hälftig auf die Eheleute verteilt. Ein Wegfall des privilegierten Tarifs würde bei unverheirateten Personen mit Kindern zu Mehrbelastungen führen. Dies betrifft sowohl Alleinerziehende als auch unverheiratete Paare mit Kindern.
Die Abbildung 6 zeigt die Belastung bei der direkten Bundessteuer im Status quo und bei Umsetzung der alternativen Steuerberechnung bei einem Ehepaar ohne Kinder. Die obere Grafik zeigt die Situation, bei der eine Person 60 Prozent und die andere Person 40 Prozent des Gesamteinkommens des Ehepaars erzielt (Einkommensaufteilung 60/40). Die untere Grafik zeigt die Situation bei einer Einkommensaufteilung von 90/10. Abbildung 7 stellt in der gleichen Art die Situation bei einem Ehepaar mit zwei Kindern dar.
Wie die Grafiken zeigen, führt das Modell bei Ehepaaren vor allem dann zu Entlastungen, wenn die Einkommensaufteilung zwischen den Eheleuten gleichmässig ist. Dies gilt bei Ehepaaren mit oder ohne Kinder. Die Erklärung dafür liegt in der Logik der Ehepaarbesteuerung, wonach die gemeinsame Besteuerung für Ehepaare den Nachteil der Faktorenaddition und den Vorteil des günstigeren Tarifs mit sich bringt: Ist die Einkommensaufteilung ungleich mit entsprechend geringem oder keinem Zweiteinkommen, dann überwiegt der Vorteil des günstigeren Tarifs. Dementsprechend bringt die alternative Steuerberechnung, die auf der individuellen Besteuerung beruht, keine Entlastung. Ist die Einkommensaufteilung hingegen gleichmässig, dann überwiegt bei der gemeinsamen Besteuerung der Nachteil der Faktorenaddition und die alternative Steuerberechnung bringt eine Entlastung.
Mehrbelastungen können bei den dargestellten Reformszenarien am oberen Ende der Bandbreite der dargestellten Auswirkungen durch den Wegfall des Zweiverdiener- und des Verheiratetenabzugs entstehen, sofern die alternative Steuerberechnung nicht für eine Entlastung sorgt. Sowohl bei Ehepaaren mit als auch bei solchen ohne Kinder entstehen diese Mehrbelastungen am oberen Ende der dargestellten Bandbreite bei tiefen Einkommen und bei ungleicher Einkommensaufteilung.
Bei Ehepaaren ohne Kinder (Abbildung 6) ist das Reformszenario durch eine Linie dargestellt, sofern die alternative Steuerberechnung zum Tragen kommt. Grund dafür ist, dass in diesen Fällen für die alternative Steuerberechnung in jedem Fall beide Eheleute den Grundtarif erhalten. Bei Ehepaaren mit Kindern (Abbildung 7) entsteht auch bei der alternativen Steuerberechnung eine Bandbreite. Am unteren Ende dieser Bandbreite erhält die Person mit dem höheren Einkommen den günstigeren Elterntarif, am oberen Ende erhalten beide den Grundtarif.
Abbildung 6
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Steuerbelastung in Prozent des Einkommens im Status quo und im Reformszenario der alternativen Steuerberechnung. Ehepaar ohne Kinder. Direkte Bundessteuer. Die Bandbreite der Schätzung ergibt sich durch unterschiedliche Ausgestaltungen des Reformszenarios. Status quo und Reformszenario gestützt auf den geltenden Grundtarif (Stand 2025).
Abbildung 7
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Steuerbelastung in Prozent des Einkommens im Status quo und im Reformszenario der alternativen Steuerberechnung. Ehepaar mit zwei Kindern. Direkte Bundessteuer. Die Bandbreite der Schätzung ergibt sich durch unterschiedliche Ausgestaltungen des Reformszenarios. Status quo und Reformszenario gestützt auf den geltenden Grundtarif (Stand 2025).
Finanzielle Auswirkungen
Die finanziellen Auswirkungen der alternativen Steuerberechnung bei der direkten Bundessteuer hängen - gleich wie die Auswirkungen auf die Steuerbelastung - von der Tarifgestaltung sowie von der Umsetzung durch den Gesetzgeber ab. Wird das Modell gestützt auf die geltenden Tarife umgesetzt, dann würden pro Jahr bei der direkten Bundessteuer geschätzte Mindereinnahmen zwischen rund 700 Millionen und rund 1,4 Milliarden Franken resultieren (Daten der Bundessteuerstatistik 2021, Hochrechnung auf das Jahr 2025).
Die geschätzten Mindereinnahmen von rund 1,4 Milliarden Franken pro Jahr entsprechen einer Umsetzung unter Beibehaltung der geltenden zivilstandsabhängigen Abzüge für Ehepaare sowie des geltenden privilegierten Tarifs für unverheiratete Personen mit Kindern. Dazu kommt für Ehepaare ein neuer Einverdienerabzug. Bei dieser Ausgestaltung entspricht die an die individuelle Besteuerung anlehnende alternative Steuerberechnung im Grundsatz der heute geltenden Besteuerung von unverheirateten Paaren. Die Weiterführung des Tarifprivilegs für unverheiratete Personen mit Kindern führt auch deshalb zu höheren Mindereinnahmen, weil Ehepaare mit Kindern bei der Anwendung der alternativen Steuerberechnung unter Umständen eine stärkere Entlastung erfahren.
Bei den geschätzten Mindereinnahmen von rund 700 Millionen Franken pro Jahr fallen die zivilstandsabhängigen Abzüge für Ehepaare und die Anwendung des privilegierten Tarifs für Unverheiratete mit Kindern weg. Bei Ehepaaren mit Kindern entsteht dadurch im Rahmen der alternativen Steuerberechnung eine geringere Entlastung. Der Wegfall des privilegierten Tarifs führt hingegen bei unverheirateten Personen mit Kindern zu Mehrbelastungen. Dies betrifft sowohl Alleinerziehende als auch unverheiratete Paare mit Kindern.
Unabhängig von der gewählten Ausgestaltung fallen 78,8 Prozent der Mindereinnahmen auf den Bund und 21,2 Prozent auf die Kantone.
Auswirkungen auf die Erwerbsanreize
Die resultierenden Erwerbsanreize hängen von der Umsetzung und dabei insbesondere von der Tarifgestaltung ab. Bei einer Umsetzung gestützt auf die geltenden Tarife würde sie bei denjenigen Ehepaaren, bei denen die alternative Steuerberechnung zum Tragen kommt, zu einer Senkung der Grenzsteuerbelastung auf dem Zweiteinkommen führen. Die Erwerbsanreize für Zweitverdienerinnen und Zweitverdiener würden steigen.
Bei Reformvarianten mit gleichen finanziellen Auswirkungen sind die Beschäftigungseffekte bei einer Umsetzung der alternativen Steuerberechnung stärker als bei einem Splitting- oder einem Doppeltarifmodell. Im Vergleich zu einem Splitting- oder Doppeltarifmodell verbessert die alternative Steuerberechnung die Erwerbsanreize. Grund dafür ist, dass die Anwendung der alternativen Steuerberechnung im Ergebnis einer Individualbesteuerung gleichkommt. Diese führt zu niedrigeren Grenzsteuersätzen auf dem Zweiteinkommen, was zu Beschäftigungseffekten bei den betreffenden Personen führt. Die Beschäftigungseffekte sind jedoch geringer als bei einer Individualbesteuerung, weil bei denjenigen Ehepaaren, bei welchen die alternative Steuerberechnung nicht zum Tragen kommt, die Grenzsteuerbelastungen auf dem Zweiteinkommen höher bleiben als bei einer Individualbesteuerung.
Eine Individualbesteuerung hätte im Vergleich zur alternativen Steuerberechnung auch deshalb grössere Beschäftigungseffekte, weil sie auch auf kantonaler Ebene umgesetzt würde. Weil die kantonalen Einkommenssteuern volumenmässig deutlich bedeutender sind als die direkte Bundessteuer, ist das Potenzial für Beschäftigungseffekte bei den kantonalen Einkommenssteuern grösser als bei der direkten Bundessteuer.
Administrativer Aufwand
Eine alternative Steuerberechnung bei der direkten Bundessteuer hätte einen Umstellungsaufwand für die kantonalen Veranlagungsbehörden zur Folge. Nach Implementierung der notwendigen IT-Tools kann grundsätzlich von einer weitgehenden Automatisierung ausgegangen werden. Die Deklaration der steuerlich relevanten Faktoren würde sich je nach Umsetzung der Initiative verändern. Erfolgt die Zuteilung der übrigen Einkünfte pauschal, bräuchten die veranlagenden Behörden keine zusätzlichen Informationen. Ehepaare würden unverändert ihre Steuerfaktoren gemeinsam deklarieren. Erfolgt die Zuteilung hingegen präzise, benötigen die Steuerbehörden zusätzliche Informationen von den Steuerpflichtigen. Die Einführung neuer Abzüge für Alleinerziehende würde ebenso zusätzlichen Aufwand bedeuten.
Vereinbarkeit mit der Grundnorm
Das Modell der alternativen Steuerberechnung erfüllt die Vorgabe der Volksinitiative, wonach Ehepaare im Vergleich zu unverheirateten Personen keine Mehrbelastung aufweisen dürfen, vollumfänglich. Bei Ehepaaren, bei denen die alternative Steuerberechnung zum Tragen kommt, findet aber im Ergebnis keine Zusammenrechnung der Einkünfte statt, wie dies die Initiative in Artikel 128 Absatz 3bis BV explizit vorschreibt. Insbesondere wenn die alternative Steuerberechnung in zahlreichen Fällen zum Tragen kommt, stellt sich die Frage, ob den verfassungsrechtlichen Vorgaben Genüge getan würde. Die Tatsache, dass die alternative Steuerberechnung in den Übergangsbestimmungen als vorübergehende Umsetzung der Initiative vorgesehen ist, spricht jedoch für die Vereinbarkeit mit der Grundnorm. Jedenfalls besteht ein Widerspruch zur Zielsetzung der Initiantinnen und Initianten, die Ehe steuerlich als Wirtschaftsgemeinschaft zu behandeln sowie Ein- und Zweiverdienerehepaare mit gleichem Einkommen entsprechend gleich zu besteuern (vgl. oben Ziff. 3.1).
3¹ BBl 2018 2133 . Vgl. auch die Zusatzbotschaft vom 14. August 2019 zur «ausgewogenen Paar- und Familienbesteuerung», BBl 2019 5787 .

4.2.4 Rolle der Tarifgestaltung

Die Initiative verlangt, dass die Einkommen bei Ehepaaren gleich wie im geltenden Recht zusammengerechnet werden. Dadurch entsteht eine gemeinsame Besteuerung und eine Fortführung der heute existierenden Verletzung der Zivilstandsneutralität.
Mit der Volksinitiative müsste die resultierende Ungleichbehandlung grundsätzlich zugunsten der Ehepaare ausfallen.
Wie stark sich die Steuerbelastungen von Ehepaaren und unverheirateten Personen in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen unterscheiden, hängt von der Gestaltung der Steuertarife ab. Ist der Tarif stark progressiv, dann führt die gemeinsame Besteuerung zu grösseren Belastungsunterschieden zwischen Ehepaaren und unverheirateten Personen, als wenn der Tarif flach ist.
Die geltenden Tarife bei der direkten Bundessteuer sind im Vergleich zu den kantonalen Einkommenssteuern in der Regel deutlich niedriger, sie haben aber eine stärkere Progression. Dementsprechend führt die geltende gemeinsame Besteuerung relativ zum Steuerbetrag betrachtet zu erheblichen Belastungsunterschieden zwischen Ehepaaren und unverheirateten Paaren.
Eine Abflachung der Tarifstruktur würde diese Belastungsunterschiede reduzieren. Wenn im Extremfall die Besteuerung proportional ist, dann fallen die Belastungsunterschiede zwischen Ehepaaren und unverheirateten Personen weg. Die Einkommensbesteuerung könnte in diesem Fall gleichzeitig das Postulat der Globaleinkommensbesteuerung und der Zivilstandsneutralität erfüllen.
Eine Flat-Rate-Tax käme bei der direkten Bundessteuer einer starken Abflachung der heute geltenden Tarifstruktur gleich. Eine Flat-Rate-Tax sieht jedoch in der Regel einen Freibetrag vor, sodass die Besteuerung erst ab einer gewissen Einkommenshöhe einsetzt. Oberhalb des Freibetrags gilt ein einheitlicher Grenzsteuersatz. Durch den Freibetrag entsteht eine indirekte Progression, weil das freigestellte Einkommen mit zunehmender Einkommenshöhe immer weniger ins Gewicht fällt. Weil die Besteuerung durch den Freibetrag nicht mehr proportional ist, sondern indirekt progressiv wird, kann dies wiederum die Zivilstandsneutralität verletzen. Grund dafür ist, dass die Höhe des Freibetrags für Ehepaare und für unverheiratete Personen separat festgelegt werden muss.
Ist der Freibetrag für Ehepaare doppelt so hoch wie für unverheiratete Personen, folgt dies der Vollsplitting-Logik, womit Ehepaare nie eine Mehrbelastung gegenüber unverheirateten Paaren in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen haben. Erzielen beide Eheleute ein Einkommen mindestens in Höhe des Freibetrags für unverheiratete Personen, ist die Steuerbelastung gleich hoch wie wenn das Paar unverheiratet wäre. In diesen Konstellationen würde mit der Flat-Rate-Tax in Bezug auf die Steuerbelastung die Zivilstandsneutralität auch bei einer gemeinsamen Besteuerung von Ehepaaren erreicht.

4.3 Auswirkungen der Übergangsbestimmungen bei einer Annahme

Aufgrund der Unbestimmtheit der Übergangsbestimmungen (vgl. Ziff. 3.3.2) lassen sich die Auswirkungen einer auf die Übergangsbestimmungen gestützten Umsetzung auf die Steuerbelastungen und die Steuereinnahmen nicht präzise vorhersagen.
Die Ausführungen zu den Auswirkungen der Grundnorm in Ziffer 4.2 illustrieren eine Umsetzung gestützt auf die geltenden Tarife, obwohl die Grundnorm diese offen lässt. Daher gelten diese Darstellungen auch für eine Umsetzung der Volksinitiative auf dem Verordnungsweg. Die Auswirkungen auf die Steuerbelastungen und die geschätzten finanziellen Auswirkungen einer Umsetzung gestützt auf die Übergangsbestimmungen entsprechen den Ausführungen in Ziffer 4.2.3 zum Modell der alternativen Steuerberechnung.

4.4 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Initiative hat keinen Einfluss auf internationale Verpflichtungen der Schweiz.

5 Schlussfolgerungen

Der Bundesrat teilt das Ziel, die steuerliche Benachteiligung von Ehepaaren zu beseitigen. Mit der Volksinitiative könnte dieses Ziel erreicht werden. Er lehnt jedoch die Initiative aus mehreren Gründen ab:
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Die steuerliche Mehrbelastung von Ehepaaren kann mittels gemeinsamer als auch mittels individueller Besteuerung vermieden werden. Im Auftrag des Parlaments hat der Bundesrat eine Gesetzesvorlage zur Einführung der Individualbesteuerung erarbeitet, die gleichzeitig auch als indirekter Gegenvorschlag zur «Steuergerechtigkeits-Initiative» dient. Die Frage des Besteuerungsmodells soll dem Gesetzgeber überlassen und dessen Spielraum nicht unnötig eingeschränkt werden.
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Die Initiative schafft zwar Mehrbelastungen bei Ehepaaren ab, sie stellt aber keine Zivilstandsneutralität her. Die je nach Konstellation bestehende Benachteiligung von unverheirateten Personen gegenüber Ehepaaren würde weiter bestehen oder sogar noch verstärkt.
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Ein Vollsplitting würde die Vorgaben der Volksinitiative vollumfänglich erfüllen, wonach die Einkommen von Eheleuten zusammenzurechnen und Mehrbelastungen von Ehepaaren zu vermeiden seien. Der Preis eines Vollsplitting-Modells wäre jedoch eine vergleichsweise hohe Belastung von unverheirateten Personen.
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Andere Modelle der gemeinsamen Besteuerung würden die Vorgaben der Volksinitiative nur teilweise erfüllen. Bei einem Teilsplitting verblieben Mehrbelastungen für Ehepaare mit ausgeglichener Einkommensaufteilung. Bei einer alternativen Steuerberechnung erfolgt wiederum bei gewissen Ehepaaren im Ergebnis keine Zusammenrechnung der Einkünfte, was zu ungleichen Steuerbelastungen zwischen Einverdiener- und Zweiverdienerehepaaren führt; allerdings sehen die Übergangsbestimmungen dieses Modell explizit vor.
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Die Erwerbsanreize für Zweitverdienende sind bei einer gemeinsamen Besteuerung im Vergleich zur Individualbesteuerung kleiner. Die Gleichstellung von Frau und Mann wird dadurch weniger stark gefördert. Die Möglichkeiten zur besseren Ausschöpfung des inländischen Arbeits- und Fachkräftepotenzials werden nicht gleichermassen genutzt.
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Die Initiative ist auf die direkte Bundessteuer beschränkt. Die auch auf kantonaler Ebene teilweise nach wie vor bestehende Benachteiligung von Ehepaaren, namentlich von Ehepaaren mit Kindern, würde nicht berührt.
Bundesrecht
Botschaft zur Volksinitiative «Ja zu fairen Bundessteuern auch für Ehepaare - Diskriminierung der Ehe endlich abschaffen!»
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