BBl 2025 2404
CH - Bundesblatt

Militärdienst mit Einschränkungen Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

Militärdienst mit Einschränkungen Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates
vom 27. Juni 2025
Das Wichtigste in Kürze
Gestützt auf eine Evaluation der PVK
¹
hat die GPK-N im Rahmen einer Inspektion die Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkungen untersucht. Die Schwerpunkte lagen dabei auf der Gleichbehandlung der Stellungspflichtigen in den verschiedenen Rekrutierungszentren, sowie den Prozessen und Vorgaben bzgl. Militärdienst mit Einschränkungen bei der Rekrutierung.
Die GPK des Nationalrats (GPK-N) kam auf der Grundlage der Arbeiten der PVK zum Schluss, dass die Prozesse für die Rekrutierung von Stellungspflichtigen in den Rekrutierungszentren zweckmässig organisiert sind und externe Faktoren, z.B. eine starke Auslastung, keinen Einfluss auf die Rekrutierung haben.
Allerdings zeigte sich in der Prüfung der PVK ebenfalls, dass die Kriterien für die Militärdiensttauglichkeit rechtlich nicht angemessen verankert sind. Auch ist die Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkungen in den internen Weisungen des Oberfeldarztes zu wenig klar definiert.
Weiter werden Vorgaben des Bundesrates nicht eingehalten, die besagen, dass eine Tauglichkeitsbeurteilung von einer ärztlichen Untersuchungskommission (UC) bestehend aus mindestens zwei Ärztinnen oder Ärzten gefällt werden müssen. Diese Ärzte müssen zudem entweder Angehörige der Armee oder von der Armee angestellt sein. Beide Vorgaben werden nicht durchgängig eingehalten. Des Weiteren muss die Eröffnung des Entscheides über die Militärdiensttauglichkeit gemäss Weisung vom Vorsitzenden dieser UC vorgenommen werden. In der Praxis halten sich die Rekrutierungszentren nicht an diese Vorgaben. Weiter werden neue Ärztinnen und Ärzte zu wenig geschult, so dass eine einheitliche Beurteilung der Stellungspflichtigen in allen sechs Rekrutierungszentren erschwert wird.
Kritisch stellt die Kommission ebenfalls fest, dass sich die Ärzteschaft und Psychologinnen und Psychologen in den Rekrutierungszentren und die Fachstelle für Personensicherheitsprüfungen (PSP) teilweise unrechtmässig absprechen. Sowohl die Verordnung für die Personensicherheitsprüfung wie auch die interne Weisung des VBS gehen diesbezüglich über den gesetzlichen Rahmen des Informationsschutzgesetzes (ISG) und das Berufsgeheimnis der Ärzteschaft hinaus.
Als weiteren kritischen Punkt identifiziert die Kommission den eingeschränkten Kreis der Beschwerdeberechtigten: Beschwerden gegen den Tauglichkeitsentscheid sind formell betrachtet nur für militärdiensttaugliche Personen möglich (art. 39 MG), auch wenn in der Praxis Beschwerden ebenfalls bei Militärdienstuntauglichkeit möglich sind. Zudem sind die Voraussetzungen für eine Neubeurteilung der Diensttauglichkeit zu wenig definiert.
Die GPK-N folgert daraus: Die Kriterien für die Militärdiensttauglichkeit müssen in einem Gesetz verankert werden. Zudem muss der Bundesrat die derzeitige Praxis bezüglich des Informationsaustausches zwischen der Ärzteschaft, den Psychologinnen und Psychologen und der Fachstelle PSP überprüfen und allenfalls Anpassungen vornehmen. Weiter sind die Vorgaben für die Tauglichkeitsentscheide einzuhalten. Zudem müssen übergeordnete Schulungen für die Beurteilung eingeführt und die Qualität der Entscheide sichergestellt werden. Schliesslich verlangt die GPK-N, dass das Beschwerderecht auf alle Stellungspflichtigen ausgeweitet wird und die Voraussetzungen für Neubeurteilungen auf Stufe Verordnung geregelt werden.
Die Kommission richtete insgesamt sieben Empfehlungen an den Bundesrat. Die Stellungnahme des Bundesrates wird bis am 30. September 2025 erwartet.
Bericht
¹ BBl 2025 2405

1 Einleitung

1.1 Ausgangslage

Gemäss Artikel 59 Absatz 1 der Bundesverfassung ² muss jeder Schweizer Bürger Militärdienst leisten. Von dieser Pflicht sind jährlich rund 36 000 stellungspflichtige Männer betroffen ³ . Frauen und Auslandschweizer können freiwillig Dienst leisten.
Die Stellungspflichtigen werden in der ganzen Schweiz in sechs Rekrutierungszentren auf ihre Tauglichkeit für den Militärdienst und den Zivilschutz untersucht. Militärdiensttauglich ist, wer aus medizinischer Sicht körperlich, intellektuell und psychisch den Anforderungen des Militärdienstes genügt ⁴ .
Im Laufe der Zeit haben sich die Aufgaben der Armee und damit auch die Anforderungen an die Tauglichkeit verändert, so muss ein Cybersoldat andere Voraussetzungen erfüllen als ein Grenadier der Spezialkräfte. Deshalb wurden die Kategorien der Militärdiensttauglichkeit regelmässig erweitert, zum letzten Mal 2018.
Mit der Einführung des Zivildienstes wurde 1996 die neue Kategorie «militärdiensttauglich, schiessuntauglich» eingeführt. Dies weil die Armee befürchtete, nicht mehr genügend Personen rekrutieren zu können. In den nachfolgenden Jahren kamen weitere Kategorien dazu. Der Anteil der Personen, die eingeschränkt tauglich sind, ist in den letzten Jahren gestiegen. Aktuell ist einer von zehn Militärdienstleistenden militärdiensttauglich mit einer Einschränkung. Es ist dabei unklar, ob dies auf medizinische Gründe oder auf die Anpassung der Tauglichkeitskriterien zurückzuführen ist. Wichtig ist hierbei, dass die Rechtsgleichheit sichergestellt ist und die Stellungspflichtigen in allen sechs Rekrutierungszentren der Schweiz gleich beurteilt werden. Die Beurteilung entscheidet schliesslich darüber, ob jemand in den Militärdienst eintreten, ob er einen Ersatzdienst leisten oder eine Wehrpflichtersatzabgabe entrichten muss. ⁵
Bezüglich der Tauglichkeitsraten bestehen heute aber Unterschiede zwischen den verschiedenen Rekrutierungszentren. Gleichzeitig bestehen auch grosse Unterschiede der Tauglichkeitsraten je nach Herkunftskanton der Stellungspflichtigen. So betrug die Tauglichkeit der Stellungspflichtigen im Kanton Wallis 2024 58.5 %, im Kanton Obwalden lag sie bei 82,4 %. ⁶ Gemäss PVK kann hierbei nicht ausgeschlossen werden, dass unterschiedliche Prozesse in den Rekrutierungszentren ein Grund für diese Unterschiede sind. ⁷ Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Rechtsgleichheit für die Stellungspflichtigen nicht gegeben ist. Für die Rechtsgleichheit ist es zentral, dass diese Kategorien der Tauglichkeit rechtlich angemessen verankert sind.
Aus vorgenannten Gründen beauftragten die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) an ihrer Sitzung vom 25. Januar 2023 mit einer Evaluation zum Militärdienst mit Einschränkungen.
Die PVK fasste in ihrem Bericht unter dem Begriff der Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkungen die folgenden Kategorien zusammen: «militärdiensttauglich, schiessuntauglich», «militärdiensttauglich, kein Führen von militärischen Fahrzeugen» und «militärdiensttauglich, mit Einschränkungen». Bei der letzten Kategorie ist die Marsch-, Trag- und/oder Hebefähigkeit einer Person eingeschränkt, wobei zwischen einer leichten und einer erheblichen Einschränkung unterschieden wird. ⁸ Der vorliegende ergänzende Bericht der GPK-N stützt sich auf die Definition der PVK.
² Bundesverfassung vom 18.4.1999 (BV; SR 101 )
³ Gemäss Rückmeldung des VBS aus der Verwaltungskonsultation ist die Tendenz aufgrund des demographischen Anstiegs in den kommenden Jahren zunehmend.
⁴ Verordnung vom 24. November 2004 über die medizinische Beurteilung der Militärdiensttauglichkeit und der Militärdienstfähigkeit ( SR 511.12 , nachfolgend VMBM).
⁵ Militärdienst mit Einschränkungen, Evaluation der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 6. September 2024, (folgend: Bericht der PVK vom 6. September 2024), Ziff. 1.1.
⁶ VBS, Tauglichkeit der endgültig beurteilten Stellungspflichtigen 2024 nach Kantonen
(zu Letzt verwendet: 20.05.2025).
⁷ Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 1.3, S. 10
⁸ Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 2.3, S.19

1.2 Gegenstand der Untersuchung und Verfahren der GPK

1.2.1 Gegenstand der Untersuchung

Die Behandlung der Evaluation der PVK wurde der Subkommission EDA/VBS der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) zugewiesen. Die Ergebnisse dieser Evaluation sind im Schlussbericht der PVK vom 6. September 2024 festgehalten. Die Evaluation beantwortete folgende Fragestellungen:
-
Sind die Vorgaben für die Beurteilung der Tauglichkeit mit Einschränkungen recht- und zweckmässig?
-
Werden bei der Rekrutierung einheitliche und zweckmässige Prozesse für die Tauglichkeitsbeurteilung angewendet?
-
Ist die Rechtsgleichheit der Entscheide über die Tauglichkeit mit Einschränkungen angemessen sichergestellt?
Die Inspektion fokussiert somit auf das Verfahren für die Beurteilung der Tauglichkeit mit Einschränkungen. Sie erstreckt sich jedoch nicht auf die Tests der Tauglichkeit und auch nicht auf die Frage, ob die Tauglichkeitskriterien für die militärischen Funktionen angemessen sind.
Die PVK präsentierte die Ergebnisse ihrer Evaluation an der Sitzung der zuständigen Subkommission EDA/VBS der GPK-N vom 20. September 2024. Die Subkommission beschloss an dieser Sitzung, den vorliegenden Bericht zuhanden der GPK-N auszuarbeiten. Der Berichtsentwurf der Subkommission wurde an der Sitzung vom 27. Juni 2025 von der GPK-N zuhanden des Bundesrates verabschiedet. Zudem hat die GPK-N entschieden, den Bericht zusammen mit der Evaluation der PVK und dem externen Rechtsgutachten zu veröffentlichen.

2 Feststellung und Empfehlungen

Das vorliegende Kapitel enthält die Feststellungen und Empfehlungen der GPK-N, welche sich auf die Erkenntnisse der PVK stützen.

2.1 Allgemeine Feststellungen der PVK

Die PVK liess für die Beantwortung der rechtlichen Fragen ein externes Rechtsgutachten erstellen. Ausserdem führte sie Dokumentenanalysen sowie eine Onlinebefragung plus Interviews durch. Zudem wurden die Tauglichkeitsentscheide vom Forschungsinstitut Infras statistisch analysiert.
In ihrer Evaluation stellte die PVK fest, dass die Tauglichkeitsbeurteilung der jährlich über 36 000 Personen in den sechs Rekrutierungszentren insgesamt effizient und zweckmässig organisiert ist. Organisatorische Faktoren, wie der nahende Beginn einer Rekrutenschule oder die Auslastung eines Rekrutierungszentrums, beeinflussen die Tauglichkeitsentscheide nicht systematisch. Ausserdem werden bei Neubeurteilungen, welche nach einem Rekurs oder nach der Veränderung der gesundheitlichen Umstände durchgeführt werden, Entscheide anderer Rekrutierungszentren nicht systematisch korrigiert.
Jedoch stellt die PVK fest, dass die Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkungen durch die Rekrutierungszentren zu wenig einheitlich beurteilt wird. Es gibt gemäss PVK nicht ausreichend konkrete medizinische Vorgaben für die Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkungen. Zudem würden teilweise rechtliche Vorgaben bei der Tauglichkeitsbeurteilung nicht eingehalten. Schliesslich kommt die PVK zum Schluss, dass die Militärdiensttauglichkeit und das Beschwerderecht rechtlich ungenügend verankert sind. ⁹ Im Folgenden werden diese Feststellungen näher erläutert und durch die GPK-N beurteilt.
⁹ Bericht der PVK vom 6. September 2024, S. 3-5

2.2 Vorgaben zur Beurteilung der Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkungen

2.2.1 Feststellungen der PVK

Militärdiensttauglich ist, wer aus medizinischer Sicht körperlich, intellektuell und psychisch den Anforderungen des Militärdienstes genügt und bei der Erfüllung dieser Anforderungen weder die eigene Gesundheit noch diejenige Dritter gefährdet (Art. 2 Abs. 1 VMBM). Beurteilt und entschieden wird dies von einer medizinischen Untersuchungskommission (UC), die gemäss Vorgaben des Oberfeldarztes aus mindestens zwei Ärztinnen oder Ärzten bestehen soll. Die Kriterien für die Tauglichkeit sind in der sogenannten Nosologia Militaris festgehalten. Diese Weisung wurde vom Oberfeldarzt erlassen und stellt tabellarisch dar, wie sich eine Vielzahl an medizinischen Diagnosen auf die Tauglichkeit auswirkt. Ausserdem haben sich die UC auf die Weisung des Oberfeldarztes über die Umsetzung der medizinischen Beurteilung der Militärdiensttauglichkeit und der Militärdienstfähigkeit (UMBM, 2020) sowie auf das Reglement «Medizinische Beurteilung der Diensttauglichkeit und Dienstfähigkeit der Stellungspflichtigen und Angehörigen der Armee» (MBDD, 2011) zu stützen. 1⁰ Die Weisung und das Reglement sind nicht öffentlich zugängig.
Das im Auftrag der PVK verfasste Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass die Militärdiensttauglichkeit nicht angemessen rechtlich verankert ist. So müssten die Kriterien der Militärdiensttauglichkeit zumindest in den Grundzügen in einem formellen Gesetz definiert sein. Derzeit sind diese lediglich in zwei Verordnungen erwähnt, wobei die Kriterien in dem oben erwähnten klassifizierten Reglement (Nosologia Militaris) festgehalten sind. Damit ist gemäss dem Rechtsgutachten, welches die PVK in Auftrag gegeben hat, das Erfordernis der Gesetzesform nicht erfüllt.
Zudem müssten die Kriterien für die Militärdiensttauglichkeit zumindest in groben Zügen öffentlich zugänglich sein. Dies ergibt sich aus der grossen Anzahl betroffener Personen und der aus dem Entscheid resultierenden verbundenen Grundrechtseinschränkung. Die rein interne Weisung, wie sie heute besteht, erfüllt diese Anforderung nicht. Die Zugänglichkeit wäre gegeben, wenn zumindest grobe Kriterien der Militärdiensttauglichkeit sowie der Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkung auf Verordnungsstufe definiert wären. 1¹
Zusätzlich zur Feststellung, dass die Kriterien zur Militärdiensttauglichkeit allgemein nicht genügend gesetzlich verankert sind, kommt die PVK zum Schluss, dass auch die Kriterien zur Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkungen in den Vorgaben nicht genügend konkretisiert seien. Die Vorgaben für die entscheidenden Ärztinnen und Ärzte sind grundsätzlich in der oben erwähnten Nosologia Militaris geregelt. Jedoch ist die Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkung darin gemäss Rechtsgutachten nicht ausreichend präzisiert. So ist nicht festgehalten, wie zwischen einer leichten und einer erheblichen Einschränkung unterschieden wird. Dass ein gewisser Handlungsspielraum für die UC notwendig ist, wird von der PVK nicht bestritten. Allerdings ist beim Verwaltungshandeln entscheidend, dass Vorgaben ausreichend eindeutig sind, damit die rechtsgleiche Behandlung sichergestellt werden kann, so das Rechtsgutachten. ¹2
Die PVK stellte fest, dass aufgrund der mangelnden Vorgaben die Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkungen in den Rekrutierungszentren unterschiedlich oft festgestellt wird. Die Unterschiede betragen bis zu sechs Prozentpunkte, was mit regionalen und anderen Faktoren alleine nicht erklärt werden kann. ¹3
1⁰ Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 2.1, S.13f.
1¹ Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 3.1, S.20-22
¹2 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 3.2, S.22-24
¹3 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 5.1, S. 37-40

2.2.2 Schlussfolgerungen der GPK-N

Bei den Vorgaben zur Beurteilung der Militärdiensttauglichkeit handelt es sich um eine wichtige Rechtsnorm, insbesondere da die Militärdiensttauglichkeit eine vorübergehende Einschränkung von Grundrechten mit sich bringt. Diese muss daher auch das Erfordernis der Gesetzesform erfüllen. Stellungspflichtige müssen deswegen vor der Rekrutierung abschätzen können, ob sie militärdiensttauglich sind oder nicht. Diese Information muss daher öffentlich zugänglich sein. Hierzu muss auch sichergestellt werden, dass es nicht vom Rekrutierungszentrum abhängig ist, ob jemand militärdiensttauglich mit Einschränkungen ist oder nicht.
Die GPK-N kommt daher zum Schluss, dass erstens die Militärdiensttauglichkeit grundsätzlich formell-gesetzlich verankert werden muss, da sie einen grossen Personenkreis betrifft. Zweitens müssten die Kriterien zur Militärdiensttauglichkeit zumindest auf Verordnungsstufe grob geregelt sein. Für die Stellungspflichtigen muss ein allfälliger Entscheid im Vorherein absehbar sein. Ausserdem müssen die internen Weisungen klarer definiert werden.
Empfehlung 1: Verankerung der Kriterien für die Militärdiensttauglichkeit in einem Gesetz Der Bundesrat wird aufgefordert, die grundlegenden Kriterien für die Militärdiensttauglichkeit in einem Gesetz zu verankern. Die Kriterien der Militärdiensttauglichkeit sind zudem auf Verordnungsstufe zu konkretisieren, damit diese Informationen öffentlich zugänglich sind und die Stellungpflichtigen ihre Militärdiensttauglichkeit einschätzen können.

2.3 Vorgaben zum Informationsaustausch in den Rekrutierungszentren

2.3.1 Feststellungen der PVK

Im Rechtsgutachten zur Evaluation der PVK ist festgehalten, dass die Weisung zum Informationsaustausch in den Rekrutierungszentren den rechtlichen Vorgaben widerspricht. Dies betrifft einerseits die Ärzteschaft, welche in den Rekrutierungszentren arbeitet und die Psychologinnen und Psychologen sowie andererseits die Mitarbeitenden der Fachstelle Personensicherheitsprüfung (PSP). ¹4
Das Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass eine Weisung zum Informationsaustausch von 2014 bzgl. Zusammenarbeit zwischen der zuständigen Ärzteschaft, den Psychologinnen und Psychologen auf der einen Seite und dem Personal der Fachstelle PSP auf der anderen Seite weitergeht, als es gesetzlich erlaubt wäre. Das Militärgesetz entbindet die Ärzteschaft sowie die Psychologinnen und Psychologen vom gesetzlich verankerten Berufsgeheimnis (Art. 321 StGB ¹5 , Art. 11 VMBM) nur dann, wenn Anzeichen oder Hinweise auf eine Gefährdung mit der persönlichen Waffe besteht (Art. 113 Abs. 7 MG ¹6 ). Gemäss der genannten Weisung ist der Informationsaustausch über die Stellungspflichtigen jedoch praktisch uneingeschränkt möglich. Die damit einhergehende Praxis verletzt somit die übergeordneten Rechtsvorschriften. ¹7
Gewisse Bestimmungen der Verordnung über die Personensicherheitsprüfung (VPSP) ¹8 halten die gesetzlichen Rahmenbedingungen ebenfalls nicht ein: Gemäss Informationssicherheitsgesetz ¹9 (Art. 40 Abs. 4) kann die Fachstelle PSP vorläufige Erkenntnisse vor Abschluss der Personenüberprüfung dem Rekrutierungszentrum mitteilen, falls sie konkrete Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko feststellt. Hierfür müssen sowohl eine Gefährdung wie auch eine Dringlichkeit bestehen. Solche Anhaltspunkte könnten u.a. im Zusammenhang mit der Abgabe einer persönlichen Waffe bestehen.
Die gesetzlichen Vorgaben sehen vor, dass grundsätzlich in einem ersten Schritt die Militärdiensttauglichkeit durch die Ärzteschaft abgeklärt wird und erst nachgelagert die Fachstelle PSP eine Sicherheitserklärung abgibt. Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe b VPSP besagt jedoch, dass vorläufige Erkenntnisse mitgeteilt werden können, wenn «Anzeichen oder Hinweise auf eine eingeschränkte Militärdiensttauglichkeit, eine Militärdienstuntauglichkeit oder eine Funktionsunfähigkeit» bestehen. Damit geht die Verordnung weiter als vom Gesetz vorgesehen. 2⁰
Gemäss PVK besteht bei der derzeitigen Praxis des Informationsaustausches zwischen der Ärzteschaft und der Fachstelle PSP das Risiko von Absprachen, sprich, dass die Ärzteschaft aufgrund von Hinweisen der Fachstelle PSP eine Untauglichkeit attestiert. Dies ist insofern problematisch, als dass bei einem Untauglichkeitsentscheid der Rechtsweg ausgeschlossen ist. Bei einer negativen PSP kann hingegen der Rechtsweg eingeschlagen werden. Je nach Entscheid stehen damit den Stellungspflichtigen sehr unterschiedliche Beschwerdewege offen. 2¹
¹4 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 3.3, S. 24
¹5 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 ( SR 311.0 , nachfolgend StGB)
¹6 Bundesgesetz über die Armee und Militärverwaltung ( SR 510.10 , nachfolgend MG)
¹7 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 3.3.1, S. 24-25
¹8 Verordnung vom 8. November 2024 über die Personensicherheitsprüfung ( SR 128.31 , nachfolgend VPSP)
¹9 Bundesgesetz über die Informationssicherheit beim Bund vom 18. Dezember 2020 ( SR 128 , nachfolgend ISG)
2⁰ Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 3.3.2, S. 25-27
2¹ Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 3.3.2, S. 26

2.3.2 Schlussfolgerungen der GPK-N

Die GPK-N erachtet es als zentral, dass niemand, der oder die eine Gefahr für sich oder für andere darstellt, eine Dienstwaffe erhält. Daher kann die GPK-N auch nachvollziehen, dass die Weisung bei unklaren Fällen einen Austausch zwischen den verschiedenen Stellen vorsieht. Dies verstösst jedoch gegen das Berufsgeheimnis der Ärzteschaft sowie der Psychologinnen und Psychologen und das ISG, nach welchem sich die Fachstelle PSP zu richten hat. Zusätzlich hält sich auch die VPSP nicht an den gesetzlichen Rahmen. Es ist zu beachten, dass es sich sowohl bei Gesundheitsdaten, wie auch bei Daten der PSP (Informationen aus dem Strafregister und dem Beitreibungsregister) um besonders schützenswerte Daten gemäss Datenschutzgesetz 2² handelt.
Da das Rechtsgutachten zum Schluss kommt, dass eine Anpassung der Rechtsgrundlagen nötig wäre, damit der Informationsaustausch den gesetzlichen Vorgaben entspricht, ist dies aus Sicht der GPK-N durch den Bundesrat zu prüfen. Dabei sollte aus Sicht der Kommission auf der Grundlage der aktuellen Praxis die Notwendigkeit dieses Informationsaustausches für die Aufgabenerfüllung der betroffenen Stellen analysiert und gegebenenfalls eine Gesetzesänderung vorgeschlagen werden. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass die bestehenden Rechtsmittel nicht ausgehöhlt werden.
Empfehlung 2: Prüfung der Notwendigkeit einer Gesetzesanpassung für den Austausch zwischen Ärzteschaft , Psychologinnen und Psychologen und der Fachstelle PSP Der Bundesrat wird eingeladen, die derzeitige rechtlichen Grundlegen sowie die Praxis und die Weisung für den Informationsaustausch zwischen den entsprechenden Stellen zu überprüfen. Er soll gewährleisten, dass die Weisung und die Praxis rechtskonform sind, sei es durch eine Gesetzesrevision oder durch die Anpassung der Weisung bzw. der Praxis, falls sich eine Gesetzesrevision als nicht angezeigt erweisen sollte.
2² Bundesgesetz über den Datenschutz vom 25. September 2020 ( SR 235.1 , nachfolgend DSG)

2.4 Prozesse in den Rekrutierungszentren

2.4.1 Feststellungen der PVK

Die Evaluation der PVK kommt zusammenfassend zum Schluss, dass die Beurteilungsprozesse für die Rekrutierung zweckmässig und effizient organisiert sind. Die Abläufe folgen einem zweckmässigen Schema, genauso die Tests und Untersuchungen. Auch stellte die PVK keine Doppelspurigkeiten fest. Zudem wird der Tauglichkeitsentscheid unabhängig vom Bedarf gewisser Funktionen in den Rekrutenschulen gefällt. Jedoch ist die Ärzteschaft nur ungenügend geschult und es fehlt eine Qualitätssicherung. ²3
Adäquater Abklärungsaufwand
Der Abklärungsaufwand für die Tauglichkeitsentscheide wird von der PVK als angemessen beurteilt. Eine Befragung des Personals durch die PVK zeigt, dass es keine überflüssigen Abklärungen oder Tests gibt. Zudem sei auch die Reihenfolge der Abklärungen sinnvoll. Bei einer höheren Auslastung eines Rekrutierungszentrums haben die Ärzteschaft und die Psychologinnen und Psychologen etwas weniger Zeit für die Abklärungen zur Verfügung, dies hat jedoch gemäss den statistischen Analysen keine Auswirkungen auf die Entscheide zur Tauglichkeit mit Einschränkungen. ²4
Tauglichkeitsentscheide unabhängig vom Bedarf der Armee
Wichtig im Rekrutierungsprozess ist auch, dass die Tauglichkeitsentscheide und die Zuteilung zur Funktion in der Armee unabhängig voneinander vorgenommen werden. Zudem muss ein Zuteilungsentscheid nach dem Tauglichkeitsentscheid erfolgen. Hierbei konnten keine Unregelmässigkeiten oder Probleme festgestellt werden. Auf Basis dessen kommt die PVK zum Schluss, dass die offenen Plätze in einer Rekrutenschule - also der Bedarf der Armee - keinen Einfluss auf die Tauglichkeitsentscheide haben. ²5
Geltende Vorgaben aber nicht immer eingehalten
Die PVK stellte allerdings fest, dass die gesetzlichen Vorgaben und die Weisungen des Oberfeldarztes bzgl. Tauglichkeitsentscheiden in der Praxis nicht eingehalten werden. Gemäss Verordnung müsste eine Untersuchungskommission (UC), welche für die medizinischen Tauglichkeitsentscheide zuständig ist, aus mindestens zwei Ärztinnen oder Ärzten bestehen. Dabei gibt es einen Vorsitzenden sowie mindestens einen Beisitzer. Die Untersuchungen der PVK haben gezeigt, dass diese Vorgabe in der Praxis nicht gelebt wird und die Tauglichkeitsentscheide oft von einer einzigen Person gefällt werden. Ein Grund hierfür ist der Personalmangel, welcher die Rekrutierungszentren aufweisen. ²6
Hierbei kommt hinzu, dass Tauglichkeitsentscheide auch von Mandatsärztinnen und -ärzten gefällt und den Stellungspflichtigen mitgeteilt werden. Diese Mandatsärzte und -ärztinnen arbeiten meist in kleinen Pensen für die Rekrutierungszentren. In den Weisungen des Oberfeldarztes ist klar festgehalten, dass der Arzt oder die Ärztin, welche die Tauglichkeitsentscheide eröffnet, Vorsitzende der UC sein muss. Das heisst, diese Personen müssen gemäss Verordnung entweder von der Armee angestellt sein oder der Armee angehören. Auch hier halten sich die Rekrutierungszentren nicht durchwegs an die Vorgaben. Dies ist insofern problematisch, als dass es gemäss Militärärztlichem Dienst für eine Tauglichkeitsbeurteilung viel Erfahrung brauche. Diese können sich Mandatsärzte in kleinen Pensen nicht ausreichend aneignen. ²7
Die PVK stellte weiter fest, dass es keine einheitlichen Vorgaben für die Schulung von neuen Rekrutierungsärztinnen und -ärzten gibt. Dies führt dazu, dass diese zu Beginn ihrer Tätigkeit in den Rekrutierungszentren nicht einheitlich bezüglich der Prozesse und Vorgaben der Beurteilung geschult werden. Damit ist für die PVK die Einheitlichkeit der Beurteilung nicht angemessen sichergestellt. Aus rechtsstaatlicher Sicht ist diese Einheitlichkeit jedoch entscheidend, da ein Tauglichkeitsentscheid nicht von der Ärzteschaft des jeweiligen Rekrutierungszentrums abhängig sein darf. ²8
Hinzu kommt, dass es gemäss der Untersuchung der PVK keine Vorgaben zur Qualitätskontrolle gibt. Es gibt keine systematische Überprüfung der Einheitlichkeit der Tauglichkeitsentscheide oder Prozesse, weder durch den militärärztlichen Dienst noch durch das Kommando Ausbildung. Auch in den einzelnen Abteilungen der Rekrutierungszentren fehlt eine Qualitätskontrolle. Ausgenommen sind hierbei die Psychologinnen und Psychologen, die Empfehlungen zu Handen der Ärzteschaft bzgl. Tauglichkeit abgeben können. Sie führen auf Eigeninitiative Massnahmen zur Qualitätssicherung durch. ²9
²3 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Kap. 4, S. 29
²4 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 4.2.1, S. 35
²5 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 4.2.2, S. 36
²6 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 4.1.1, S. 30-31
²7 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 4.1.2, S. 32-33
²8 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 4.1.2, S. 31-32
²9 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 4.1.3, S. 34

2.4.2 Schlussfolgerungen der GPK-N

Die Effizienz und die Zweckmässigkeit der Prozesse in den Rekrutierungszentren ist für die GPK-N ein sehr positiver Aspekt. Es ist wichtig, dass es während der Rekrutierung keine Doppelspurigkeiten gibt. Ebenfalls positiv wertet die Kommission, dass selbst bei einer erhöhten Auslastung eines Rekrutierungszentrums die Tauglichkeitsentscheide einheitlich gefällt werden und diese somit keine Auswirkungen auf die Entscheide zur Tauglichkeit mit Einschränkungen hat.
Zu den positiven Befunden zählt die GPK-N auch, dass die verfügbaren Plätze des Rekrutenschulstarts keinen Einfluss auf die Tauglichkeitsentscheide haben und diese Entscheide somit unabhängig und nicht nachfrageorientiert getroffen werden.
Die Feststellung, dass Vorgaben nicht eingehalten werden und somit Tauglichkeitsentscheide von einzelnen Personen gefällt werden, wird von der GPK-N kritisch beurteilt. Die aktuelle Praxis ist auch aus Gründen der Qualitätssicherheit der Beurteilungsentscheide zu beanstanden. Die GPK-N erachtet es deshalb als wichtig, dass sich die Rekrutierungsärztinnen und Rekrutierungsärzte in der Praxis an die gesetzlichen Vorgaben und die Weisungen des Oberfeldarztes halten und gemäss ihrem vertraglichen Verhältnis agieren.
Die GPK-N anerkennt die Problematik des Personalmangels. Darunter darf die Qualität der Tauglichkeitsentscheide dennoch nicht leiden, da sich nebst der rechtlichen Gleichbehandlung auch auf die Glaubwürdigkeit der Tauglichkeitsentschiede auswirken könnte. Die GPK-N anerkennt, dass Mandatsärzte wichtige Aufgaben übernehmen und diese für das System notwendig sind. Dennoch ist es wichtig, dass sowohl die geltende Verordnung als auch Vorgaben des Oberfeldarztes auch in diesem Bereich eingehalten werden und die Tauglichkeitsentscheide vom vorgesehenen Personal gefällt werden. Dies gilt umso mehr als die Anwendung der Nosologia Militaris, welche gemäss Aussagen des Militärärztlichen Dienstes viel Erfahrung bedingt.
Empfehlung 3: Die Vorgaben für die Tauglichkeitsentscheide sind einzuhalten Der Bundesrat wird aufgefordert, sicherzustellen, dass die Vorgaben für die Tauglichkeitsentscheide (Entscheidfindung und Eröffnung) eingehalten werden. Dies betrifft insbesondere die Vorgaben, dass mindestens zwei Personen aus der Ärzteschaft an der Entscheidung beteiligt sein müssen und die Eröffnung des Entscheids vom Vorsitzenden der UC und nicht durch Mandatsärztinnen und -ärzte erfolgen darf.
Weiter ist es für die GPK-N nicht nachvollziehbar, dass es keine übergeordneten Vorgaben für die Einarbeitung und Schulung neuer Ärztinnen und Ärzte gibt. Dies wäre für die Einheitlichkeit der Beurteilung entscheidend. Die GPK-N regt daher an, dass einheitliche Schulungen vom Oberfeldarzt eingeführt werden, um die Tauglichkeitsentscheide möglichst einheitlich zu gestalten. Es darf nicht sein, dass die neuen Personen je nach Rekrutierungszentrum unterschiedlich in ihr neues Aufgabenfeld einführt werden. Dies ist auch im Sinne der rechtlichen und effektiven Gleichbehandlung der Stellungspflichtigen.
Empfehlung 4: Übergeordnete Schulungen für die Beurteilung der Tauglichkeit für neue Ärztinnen und Ärzte einführen Der Bundesrat wird eingeladen, dafür zu sorgen, dass die zuständigen Stellen angemessene Schulungen für neue Ärztinnen und Ärzte vorsehen, die für alle Rekrutierungszentren gelten, damit die Einheitlichkeit bei den Tauglichkeitsentscheiden gewährleistet werden kann.
Zur rechtlichen und effektiven Gleichbehandlung trägt auch die Qualitätssicherung bei, welche gemäss Evaluation der PVK nicht stattfindet. Für die GPK-N ist es wichtig, dass die Tauglichkeitsentscheide regelmässig, mindestens auf militärärztlicher Stufe, auf deren Einheitlichkeit untersucht werden. Dies liegt auch im Interesse des Kommandos Ausbildung. Die GPK-N regt daher an, Prozesse für die Qualitätskontrolle zu etablieren.
Empfehlung 5: Die Qualität muss sichergestellt werden Der Bundesrat wird eingeladen, Massnahmen zur Qualitätssicherung bzgl. der Tauglichkeitsentscheide zu erarbeiten und für entsprechende Kontrollen zu sorgen.

2.5 Entscheide über die Militärdiensttauglichkeit

2.5.1 Feststellungen der PVK

Die externe statistische Analyse zeigt, dass es beträchtliche Unterschiede zwischen den Rekrutierungszentren bzgl. der Erteilung der Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkungen gibt. Die Unterschiede können nicht mit lokalen oder anderen Faktoren erklärt werden. Insgesamt werden etwa fünf Prozent der Stellungspflichtigen als militärdiensttauglich mit Einschränkungen beurteilt. Die Evaluation fasst die verschiedenen Tauglichkeitskategorien unter «Tauglichkeit mit Einschränkungen» zusammen (vgl. Kap. 2.2). Jeder Dritte Militärdiensttaugliche mit Einschränkung hat mehr als eine Einschränkung. Die Anteile der Einschränkungen (schiessuntauglich, kein Führen von militärischen Fahrzeugen, Tragen, Heben, Marschieren) variieren zwischen den Rekrutierungszentren erheblich. Die Tauglichkeit mit Einschränkungen wird in den Rekrutierungszentren laut der PVK nicht genügend einheitlich festgestellt. 3⁰
Die PVK hat festgestellt, dass organisatorische Faktoren keinen Einfluss auf die Tauglichkeitsentscheide haben. So haben weder die Auslastung eines Rekrutierungszentrums noch der nahende Beginn einer Rekrutenschule und auch nicht der Wechsel der Chefärzteschaft einen Einfluss auf die Tauglichkeitsentscheide. Hätten diese Faktoren einen Einfluss, wäre die Einheitlichkeit der Tauglichkeitsentscheide nicht gegeben. 3¹
Es gibt jedoch weitere Faktoren, die in Betracht gezogen werden müssen. So weist das Ausmass der Revision von Erstbeurteilungen darauf hin, dass die Kategorien für die Tauglichkeit zu wenig klar definiert sind: Bei Tauglichkeitsentscheiden haben die Stellungspflichtigen 30 Tage Zeit, um Beschwerde einzureichen. Dieses Recht nehmen 0,4 Prozent der Stellungspflichtigen in Anspruch. Dies sind zwar wenige Personen, aber die Beschwerden führen in vielen Fällen zu einem anderen Tauglichkeitsentscheid. 69 % der Militärdiensttauglichen und 75 % der Militärdiensttauglichen mit Einschränkungen erhalten nach einer Beschwerde einen neuen Entscheid. So auch etwa die Hälfte der Stellungspflichtigen, die als nicht militärdiensttauglich eingestuft wurden. 3²
Bei der Neubeurteilungspraxis konnte die PVK keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Rekrutierungszentren feststellen.
Bezüglich Beschwerden und Neubeurteilungen hat die Evaluation der PVK jedoch zwei weitere Probleme festgestellt. Das Beschwerderecht, welches nach Artikel 39 MG vorgesehen ist, gilt nur für «Angehörige der Armee». Streng genommen gilt dieses Recht also nur für Stellungspflichtige, die als militärdiensttauglich beurteilt wurden. Personen, die als nicht militärdiensttauglich beurteilt wurden, könnten demnach keine Beschwerde einreichen. In der Praxis und gemäss den Weisungen des militärärztlichen Dienstes wird das Beschwerderecht dennoch allen Stellungspflichtigen gewährt. Das Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass das Beschwerderecht für alle Stellungspflichten im Gesetz explizit verankert werden sollte. 3³
Gemäss Rechtsgutsachten ist zudem das Recht auf Neubeurteilung übermässig eingeschränkt. Artikel 20 MG ist offen formuliert und besagt, dass ein Gesuch um Neubeurteilung begründet werden muss. Gemäss einer internen Weisung des Oberfeldarztes müssen jedoch «neue medizinische Tatsachen oder Veränderungen des Gesundheitszustandes eingetroffen» sein, was den Stellungspflichtigen bei der Eröffnung des Tauglichkeitsentscheids mitgeteilt wird. Der militärärztliche Dienst gibt gegenüber der PVK jedoch an, dass praktisch alle Gesuche auf Neubeurteilung zugelassen werden. Gemäss Rechtsgutachten müsste zumindest in groben Zügen auf Stufe Verordnung festgehalten werden, was unter neuen medizinischen Tatsachen oder einer Veränderung des Gesundheitszustandes als Voraussetzung für eine Neubeurteilung zu verstehen ist. ³4
3⁰ Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 5.1, S. 37-40
3¹ Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 5.2, S. 40-41
3² Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 5.3.1, S. 41-43
3³ Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 3.4, S. 27-28
³4 Bericht der PVK vom 6. September 2024, Ziff. 3.4., S. 28-29

2.5.2 Schlussfolgerungen GPK-N

Die GPK-N geht davon aus, dass die Unterschiede bei der Beurteilung der Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkung daher rühren, dass die Vorgaben ungenügend präzisiert sind und es auch keine einheitlichen Schulungen gibt. Aus diesem Grund regt die GPK-N an, dass die Empfehlungen 1 und 4 prioritär umgesetzt werden.
Es ist allerdings positiv zu bewerten, dass organisatorische Faktoren wie der Beginn einer Rekrutenschule oder die Auslastung eines Rekrutierungszentrums keinen Einfluss auf die Beurteilungspraxis haben.
Allerdings ist die hohe Zahl der revidierten Tauglichkeitsentscheide für die GPK-N schwierig nachzuvollziehen. Auch wenn vom Beschwerderecht nur in wenigen Fällen Gebrauch gemacht wird, wird in mehr als der Hälfte der Fälle der Entscheid revidiert. Dies zeigt für die GPK-N auf, dass die Kriterien für die Militärdiensttauglichkeit zu wenig klar definiert sind. Die Kriterien müssten so definiert sein, dass die Tauglichkeitsentscheide angemessen objektiv begründet sind und damit in der Mehrheit der Fälle bei einer Beschwerde bestehen bleiben.
Die GPK-N begrüsst, dass bei Neubeurteilungen (bei Gesuchen ausserhalb der 30-tägigen Einspruchsfrist) die Entscheide nicht systematisch von anderen Rekrutierungszentren korrigiert werden.
Bzgl. der Beschwerden und Neubeurteilungen erachtet es die GPK-N als sinnvoll, dass die gesetzlichen Grundlagen angepasst werden. Das Beschwerderecht wird zwar in der Praxis auch den militärdienstuntauglichen Stellungspflichtigen gewährt. Da dies aber gesetzlich ungenügend verankert ist, empfiehlt die GPK-N entsprechende gesetzliche Anpassungen.
Empfehlung 6: Beschwerderecht auf alle Stellungspflichtigen ausweiten Der Bundesrat wird aufgefordert, das Beschwerderecht (Art. 39 MG) auf alle Stel-lungspflichtigen auszuweiten.
Die GPK-N begrüsst, dass laut dem militärärztlichen Dienst praktisch allen Gesuchen für eine Neubeurteilung stattgegeben wird. Sie sieht es auch als zentral an, dass die Informationen bzgl. einer allfälligen Neubeurteilung bei der Eröffnung des Tauglichkeitsentscheids den Stellungspflichtigen mitgeteilt werden. Dennoch regt sie an, die Voraussetzungen für die Neubeurteilung auf Verordnungsstufe zu konkretisieren.
Empfehlung 7: Voraussetzungen für Neubeurteilung auf Verordnungsstufe regeln Der Bundesrat wird eingeladen, auf Stufe Verordnung festzuhalten, was unter neuen medizinischen Tatsachen oder einer Veränderung des Gesundheitszustands für eine Neubeurteilung zu verstehen ist.

3 Schlussfolgerungen

Die GPK-N begrüsst, dass die Prozesse in den Rekrutierungszentren zweckmässig organisiert sind. Sie anerkennt auch die Herausforderung der beteiligten Stellen, in zwei bis drei Tagen eine fundierte Tauglichkeitsentscheidung für die Stellungspflichtigen zu fällen. Der Bericht der PVK zeigt in der Beurteilung der GPK-N allerdings, dass in den Prozessen an verschiedenen Stellen Handlungsbedarf gibt. Insbesondere müssen aus Sicht der Kommission die Tauglichkeitskriterien rechtlich besser verankert werden. Weiter muss der Bundesrat sicherstellen, dass die Weisungen und die Praxis im Bereich des Informationsaustausches zwischen den Stellen, welche die Tauglichkeit beurteilen, und der PSP nicht gesetzeswidrig sind. Die GPK-N regt daher an, dass die gesetzlichen Grundlagen bzw. die Praxis durch den Bundesrat überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Für die GPK-N ist ausserdem entscheidend, dass in allen sechs Rekrutierungszentren die gleichen Standards angewandt werden, insbesondere wenn es um die Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkungen geht. Hierbei gibt es nach Ansicht der GPK-N noch Handlungsbedarf.
Exkurs : Die Evaluation der PVK lässt den Schluss zu, dass die Militärdiensttauglichkeit mit Einschränkungen von der Armee nicht dazu verwendet wird, um den Bestand der Armeeangehörigen zu steuern. Die rechtlichen Vorgaben der Armee lassen der Armee diesbezüglich keinen Spielraum. Dies ist eines der Elemente, welches die Armee bei der Einhaltung des vorgegebenen maximalen Effektivbestands von 140 000 einschränken. Die GPK-N hatte aufgrund der Überschreitung dieses Werts separate Abklärungen vorgenommen. Vor diesem Hintergrund regt die GPK-N an, dass der Bundesrat die Vorgaben zum maximalen Effektivbestand auf eine Flexibilisierung hin überprüft. Die GPK-N ersucht den Bundesrat, zu den Feststellungen und Empfehlungen dieses Berichts sowie zum Evaluationsbericht der PVK bis zum 30. September 2025 Stellung zu nehmen und ihr mitzuteilen, mit welchen Massnahmen und bis wann er die Empfehlungen umsetzen will.
27. Juni 2025 Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Der Präsident: Erich Hess Die Sekretärin: Ursina Jud Huwiler Der Präsident der Subkommission EDA/VBS: David Roth Die Sekretärin der Subkommission EDA/VBS: Stephanie Vögeli
Abkürzungsverzeichnis
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Abs. Absatz
AdA Angehörige der Armee
Art. Artikel
BBl Bundesblatt
BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101 )
bzgl. bezüglich
DSG Bundesgesetz vom 25. September 2020 über den Datenschutz (Datenschutzgesetz) (SR 235.1 )
EDA Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten
f. folgende
GPK Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte
GPK-N Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats
ISG Bundesgesetz vom 18. Dezember 2020 über die Informationssicherheit beim Bund (Informationssicherheitsgesetz) (SR 128 )
Kap. Kapitel
MBDD Medizinische Beurteilung der Diensttauglichkeit und Dienstfähigkeit der Stellungspflichtigen und Angehörigen der Armee, Reglement 59.002 vom 1. September 2011
MG Bundesgesetz vom 3. Februar 1995 über die Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz) (SR 510.10 )
PSP Personensicherheitsprüfung
PVK Parlamentarische Verwaltungskontrolle
S. Seite
SR Systematische Rechtssammlung
StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1973 (SR 311.0 )
UC Medizinische Untersuchungskommission nach Artikel 4 Absatz 1 VMBM
UMBM Weisungen des Oberfeldarztes über die Umsetzung der Medizinischen Beurteilung der Militärdiensttauglichkeit und der Militärdienstfähigkeit, Weisung 93.013 vom 1. Februar 2020
VMBM Verordnung vom 24. November 2004 über die medizinische Beurteilung der Militärdiensttauglichkeit und der Militärdienstfähigkeit (SR 511.12 )
VBS Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport
VPSP Verordnung vom 8. November 2023 über die Personensicherheitsprüfungen (SR 128.31 )
Ziff. Ziffer
Bundesrecht
Militärdienst mit Einschränkungen. Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates
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