BBl 2025 2699
CH - Bundesblatt

Parlamentarische Initiative Modernen Pflanzenschutz in der Schweiz ermöglichen Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates

Parlamentarische Initiative Modernen Pflanzenschutz in der Schweiz ermöglichen Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates
vom 18. August 2025
Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über die Landwirtschaft ¹ . Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.
18. August 2025 Im Namen der Kommission Der Präsident: Thomas Aeschi
Übersicht
Ein sicherer Zugang zu modernen Pflanzenschutzmitteln ist für die Schweizer Landwirtschaft von zentraler Bedeutung. Neu sollen deshalb Pflanzenschutzmittel, die in einem EU-Nachbarland, den Niederlanden oder Belgien zugelassen sind, auch in der Schweiz eingesetzt werden dürfen, ohne dass die hiesigen Behörden eine Beurteilung vornehmen.
Ausgangslage
Die Schweizer Behörden nehmen laufend Pflanzenschutzmittel vom Markt - in Anlehnung an die Entscheidungen der EU. Im Gegensatz dazu verläuft die Zulassung neuer, moderner Pflanzenschutzmittel nur schleppend. Im Ergebnis stehen der Schweizer Landwirtschaft immer weniger Pflanzenschutzmittel zur Verfügung - und dies bei wachsenden Herausforderungen durch extreme Wetter-Ereignisse, neuartige Schadorganismen und zunehmende Resistenzen. In der EU arbeiten die Mitgliedsstaaten bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln innerhalb von geographischen Zonen zusammen. Die Schweiz hingegen beurteilt jedes Gesuch selbständig und profitiert nicht von den Beurteilungen, die andere Länder bereits vorgenommen haben - obwohl sich die Gegebenheiten hinsichtlich Landwirtschaft und Umwelt nicht grundlegend unterscheiden, vor allem im Vergleich mit den Nachbarländern.
Inhalt der Vorlage
Mit der Vorlage soll das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel stärker auf dasjenige der EU und ihrer Mitgliedsstaaten gestützt werden. Bei der Genehmigung der Wirkstoffe, den wichtigsten Bestandteilen von Pflanzenschutzmitteln, soll die Schweiz die Entscheidungen der EU neu automatisch übernehmen.
Was die konkreten Pflanzenschutzmittel betrifft, soll die Schweiz neu Zulassungen in den Nachbarländern sowie in den Niederlanden und in Belgien in einem vereinfachten Zulassungsverfahren anerkennen. Ist ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel in einem dieser Länder zugelassen, darf es auch in der Schweiz eingesetzt werden, wenn dafür ein Gesuch gestellt wird. Wenn ein Pflanzenschutzmittel ein unannehmbares Risiko in einem in der Schweiz besonders geregelten Bereich wie zum Beispiel dem Gewässerschutz darstellt, kann die Schweizer Zulassungsbehörde die Zulassung jedoch einschränken oder verweigern. Zudem passt sie die Anwendungsvorschriften an das Schweizer System an, wenn dies ohne Beurteilung möglich ist. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass dieses Verfahren nicht mehr als 12 Monate in Anspruch nehmen darf.
Eine Minderheit der Kommission lehnt die Vorlage in ihrer Gesamtheit ab. Andere Minderheiten fordern die Sistierung der Beratung, bis das Paket Schweiz-EU, das ebenfalls Bestimmungen zum Pflanzenschutz enthält, verabschiedet ist, und verschiedene Einschränkungen für das erleichterte Zulassungsverfahren. So sollen insbesondere Zulassungen in den Niederlanden und Belgien nicht berücksichtigt werden und es soll möglich sein, zusätzliche Verwendungsvorschriften zu erlassen, wenn besondere Bestimmungen zum Schutz von Mensch, Tier oder Umwelt im Schweizer Recht dies erfordern.
Bericht
¹ BBl 2025 2700

1 Entstehungsgeschichte

Die parlamentarische Initiative Modernen Pflanzenschutz in der Schweiz ermöglichen wurde am 16. Juni 2022 von Nationalrat Philipp Matthias Bregy eingereicht. Im Rahmen der Vorprüfung gab die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) der Initiative am 30. Januar 2023 mit 15 zu 10 Stimmen Folge. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates stimmte diesem Beschluss am 25. Januar 2024 mit 7 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu, so dass die WAK-N mit der Ausarbeitung einer Vorlage beginnen konnte.
Am 18. März 2024 diskutierte die WAK-N das weitere Vorgehen. Im Zentrum stand dabei die Frage, ob angesichts der Motion 21.4164 Anerkennung der EU-Zulassungs entscheide für Pflanzenschutzmittel sowie der anstehenden Totalrevision der Pflanzenschutzmittelverordnung direkt mit der Arbeit an einer Vorlage begonnen werden solle. Mit der Motion 21.4164 wird vom Bundesrat verlangt, dafür zu sorgen, dass die Schweizer Behörden EU-Zulassungsentscheide für Pflanzenschutzmittel anerkennen und ihre eigenen Zulassungen im gleichen Zeitrahmen erteilen. Die Motion wurde am 14. September 2023 vom Nationalrat und am 27. Februar 2024 vom Ständerat angenommen, sie muss nun vom Bundesrat umgesetzt werden. Ebenfalls angeführt wurde die laufende Totalrevision der Pflanzenschutzmittelverordnung: Hier fand vom 18. Dezember 2023 bis zum 29. März 2024 eine Vernehmlassung statt; der Vorentwurf sieht unter anderem eine weitere Annäherung an das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel in der Europäischen Union sowie eine vereinfachte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die in gewissen EU-Ländern zugelassen sind, vor. Die Kommission stellte jedoch fest, dass die Haltung des Bundesrates zum Kernanliegen der vorliegenden parlamentarischen Initiative nach wie vor sehr kritisch scheint. Sie ist deshalb der Ansicht, dass es zum jetzigen Zeitpunkt angemessen ist, dass das Parlament die Federführung im Gesetzgebungsprozess übernimmt. Die Kommission geht davon aus, dass eine Koordination mit der Umsetzung der Motion 21.4164 und der Totalrevision der Pflanzenschutzmittelverordnung auch zu einem späteren Zeitpunkt noch möglich ist.
Vor diesem Hintergrund legte die Kommission am 18. März 2024 die Eckwerte der Vorlage fest und erteilte dem Sekretariat und der Verwaltung mit 15 zu 8 Stimmen bei 1 Enthaltung den Auftrag, einen Vorentwurf auszuarbeiten. An ihrer Sitzung vom 20. August 2024 behandelte die Kommission den Vorentwurf und nahm ihn mit 16 zu 9 Stimmen zuhanden der Vernehmlassung an.
Es liegen mehrere Minderheitsanträge vor: Eine Minderheit lehnt die Vorlage gesamthaft ab und beantragt, nicht darauf einzutreten. Eine andere Minderheit fordert, die Beratung zu sistieren bis nach dem Entscheid über das Paket Schweiz-EU. Weitere Minderheiten wollen Zulassungen in Belgien und den Niederlanden nicht als Grundlage für die vereinfachte Zulassung übernehmen, bei der erleichterten Zulassung zusätzliche Vorschriften für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ermöglichen oder den Spielraum des Bundesrates bei der Anerkennung der Genehmigungen von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten erweitern, wenn der Schutz von Mensch, Tier oder Umwelt dies erfordert. All diese Anträge wurden mit jeweils 16 zu 9 bzw. 15 zu 8 Stimmen abgelehnt.

2 Ausgangslage

2.1 Handlungsbedarf

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist heutzutage für die produzierende Landwirtschaft von existenzieller Bedeutung. Die Herausforderungen beim Anbau verschiedenster Kulturen werden immer grösser: Neuartige Schädlinge und Krankheiten breiten sich aus, und Nutzpflanzen werden aufgrund der sich verändernden klimatischen Bedingungen immer anfälliger. In den vergangenen Jahren hat sich die Situation so weit verschärft, dass ohne angemessene Reaktion gewisse Kulturen in ihrer Gesamtheit aus der Schweizer Landwirtschaft zu verschwinden drohen.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dieser Situation mit angemessenen Mitteln begegnen zu können. Zu diesen Mitteln zählt auch ein breites Angebot an modernen Pflanzenschutzmitteln. Diese erfüllen die neusten Standards zu Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit. Ausserdem kommen immer mehr natürliche Produkte auf den Markt, die insbesondere für die biologische Landwirtschaft besonders wichtig sind. Eine breite Palette an Pflanzenschutzmitteln erlaubt einen gezielten Einsatz: In jeder Lage kann auf das bestgeeignete Mittel zurückgegriffen werden. Resistenzen können umgangen werden, und beispielsweise schneller abbaubare Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, was zur Risikominimierung beiträgt. Der Einsatz von modernen Pflanzenschutzmitteln hat damit einerseits ökologische Vorteile, andererseits ist er für die Sicherung einer vielfältigen und wirtschaftlichen Versorgung mit einheimischen Lebensmitteln unverzichtbar. Der Zugang zu modernen Pflanzenschutzmitteln ist für die Schweizer Landwirtschaft jedoch nur unzureichend sichergestellt, da neue Produkte durch die zuständigen Behörden oft mit grosser Verzögerung zugelassen werden. Aktuell sind beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen ca. 600 - 700 Zulassungsgesuche pendent, die Verfahren gestalten sich langwierig. Aufgrund der geringen Grösse des Schweizer Marktes ist es für die Anbieter von Pflanzenschutzmitteln zudem oft nicht sehr attraktiv, das komplexe und aufwendige Zulassungsverfahren zu durchlaufen.

2.2 Antrag der Mehrheit

Die Problematik der Verzögerungen bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln wird aus Sicht der Kommissionsmehrheit dadurch verschärft, dass gleichzeitig laufend Pflanzenschutzmittel vom Markt genommen werden. Dies ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass die Schweiz sich im Bereich Pflanzenschutzmittel eng an der Europäischen Union orientiert: Genehmigt die EU einen Wirkstoff für Pflanzenschutzmittel, übernimmt die Schweiz diese Entscheidung, wenn ein Gesuch für ein neues Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff beurteilt wird. Die Schweiz nimmt dabei keine eigenständige Beurteilung dieses Wirkstoffes vor. Wird umgekehrt in der EU einem Wirkstoff die Genehmigung entzogen, übernimmt die Schweiz diese Entscheidung. Damit verschwindet nicht nur der entsprechende Wirkstoff, sondern eben auch sämtliche Pflanzenschutzmittel, die ihn beinhalten, vom Markt. Diese Anlehnung an Entscheidungen der EU ist grundsätzlich begrüssenswert. In seiner aktuellen Form wirkt der Mechanismus jedoch einseitig: In der Schweiz wie auch in der EU müssen die einzelnen Pflanzenschutzmittel, die einen genehmigten Wirkstoff enthalten, in einem gesonderten Verfahren zugelassen werden. Hier besteht keine Harmonisierung zwischen der Schweiz und den Ländern der Europäischen Union: Die Schweizer Behörden beurteilen jedes Gesuch für die Zulassung eines neuen Pflanzenschutzmittels von Grund auf, auch wenn EU-Länder bereits eine Beurteilung dieses Pflanzenschutzmittel vorgenommen haben. Die EU-Länder arbeiten dabei innerhalb von geografischen Zonen zusammen. Nachdem ein Land einer Zone ein Pflanzenschutzmittel für die gesamte Zone beurteilt hat, können die anderen Länder dieser Zone das Pflanzenschutzmittel vereinfacht zulassen. Die Schweiz profitiert von diesem Verfahren jedoch nicht. Obwohl die Schweiz nicht Teil der EU ist, verzichtet sie beim Rückzug von Pflanzenschutzmitteln also auf eine eigenständige Beurteilung, bei der Zulassung von Neuen jedoch nicht.
Der Spielraum der Schweizer Landwirtschaft im Bereich Pflanzenschutzmittel wird so immer stärker beschnitten. Gerade für die Bekämpfung neuartiger Schädlinge fehlt es in der Schweiz oft an geeigneten Pflanzenschutzmitteln, während diese im benachbarten Ausland zugelassen sind, obwohl die ökologischen Gegebenheiten dort nicht grundlegend anders sind. Oft muss der Bund dann Notfallzulassungen verfügen - andernfalls bleibt der Landwirtschaft nichts Anderes übrig, als empfindliche Schäden an den Kulturen in Kauf zu nehmen. Aus Sicht der WAK-N besteht hier dringender Handlungsbedarf.
Mit dem vorliegenden Entwurf zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative soll die oben beschriebene Asymmetrie zwischen Zulassungserteilungen und -rückzügen behoben und die Harmonisierung des Schweizer Zulassungsverfahrens mit dem der EU konsequent weitergeführt werden. Pflanzenschutzmittel, die in (gewissen) Ländern der Europäischen Union zugelassen sind, sollen auch in der Schweiz eingesetzt werden können, ohne dass das Zulassungsverfahren wiederholt werden muss. Durch die Berücksichtigung der Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln in EU-Nachbarländern, den Niederlanden und Belgienkann auch weiterhin sichergestellt werden, dass in der Schweiz nur Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, die für die hiesigen Gegebenheiten geeignet sind.
So müssen die Schweizer Behörden nicht mehr unabhängig von den Behörden der entsprechenden Mitgliedsstaaten überprüfen, ob die Pflanzenschutzmittel den - vergleichbaren - Anforderungen entsprechen. Die Schweiz soll vielmehr von den Vorarbeiten in der EU und ihren Mitgliedsstaaten profitieren, statt das ganze Prozedere in Eigenregie zu wiederholen. Damit werden Doppelspurigkeiten minimiert und der administrative Aufwand verringert - sowohl für die Behörden, als auch für die Produzenten von Pflanzenschutzmitteln. Die Schweizer Behörden können sich darauf beschränken, die erforderlichen Risikominimierungsmassnahen an die hiesigen Verhältnisse anzupassen. In den benachbarten EU-Mitgliedsstaaten, den Niederlanden oder Belgien geprüfte und zugelassene Pflanzenschutzmittel stehen so ohne unnötige Verzögerung auch für die Schweizer Landwirtschaft zur Verfügung.

2.3 Minderheitsanträge

Eine Minderheit lehnt die Vorlage in ihrer Gesamtheit ab und beantragt, nicht darauf einzutreten. Sie befürchtet, dass die vorgeschlagenen Zulassungsvorschriften dazu führen werden, dass zahlreiche problematische Pflanzenschutzmittel auf den Schweizer Markt kommen, ohne dass angemessene Möglichkeiten bestehen, die von ihnen ausgehenden Risiken zu beherrschen. Aus Sicht der Minderheit darf das Problem der schleppenden Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nicht dazu führen, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt riskiert wird und das hohe Schweizer Schutzniveau in diesen Bereichen geschwächt wird. Die Anwenderinnen und Anwender von Pflanzenschutzmitteln sowie die betroffene Bevölkerung müssen sich darauf verlassen können, dass die von Pflanzenschutzmitteln ausgehenden Risiken eingehend analysiert und bei der Zulassung berücksichtigt werden - aus Sicht der Minderheit ist dies mit dieser Vorlage nicht mehr gegeben.
Die Minderheit hält weiter fest, dass auch innerhalb der EU alle Mitgliedsstaaten eigenständig über die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln entscheiden. Mit der neuen Regelung würde jedes Pflanzenschutzmittel, das auch nur in einem von sechs Staaten zugelassen ist, einen vereinfachten Zugang zur Schweizer Landwirtschaft erhalten - selbst wenn, im Extremfall, die fünf anderen Staaten dem Pflanzenschutzmittel die Zulassung verweigert haben. Zudem werde das vereinfache Zulassungsverfahren den regionalen Unterschieden nicht gerecht, die sowohl innerhalb der Schweiz als auch zwischen den Ländern, deren Pflanzenschutzmittel-Zulassungen die Grundlage für die vereinfachte Zulassung bilden, bestehen. Die Minderheit bezweifelt, dass mit dem vereinfachten Zulassungsverfahren sichergestellt ist, dass die Pflanzenschutzmittel nur unter jenen Bedingungen zum Einsatz kommen, für die sie im betreffenden EU-Land beurteilt wurden. Die EU-Mitgliedsstaaten kooperieren für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln innerhalb von geographischen Zonen. Mit dem vorliegenden Entwurf würde die Schweiz Zulassungen aus verschiedenen dieser Zonen übernehmen, jedoch ohne sicherzustellen, dass die Pflanzenschutzmittel nur unter jenen Bedingungen eingesetzt werden, für die sie im Ursprungsland beurteilt wurden.
Eine andere Minderheit möchte die Beratung der Vorlage zumindest sistieren, bis bekannt ist, was das Ergebnis betreffend das Paket Schweiz-EU ist. In der entsprechenden Vernehmlassungsvorlage finden sich auch Bestimmungen zur Lebensmittelsicherheit und zum Pflanzenschutz. In den Augen dieser Minderheit hätte die Schweiz grössere Vorteile von einer Umsetzung einzig dieser Bestimmungen als von den vorliegend geplanten, weitergehenden Gesetzesänderungen.
Eine weitere Minderheit möchte eine Regelung für den Fall, dass ein bestimmtes Pflanzenschutzmittel in mehreren EU-Ländern zugelassen ist. In dieser Situation soll eine vereinfachte Zulassung in der Schweiz zum Schutz von Gesundheit und Umwelt nur auf Grundlage der Zulassung mit den strengsten Anforderungen möglich sein. Es wird befürchtet, dass ansonsten gezielt Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln mit tieferen Schutzniveaus in die Schweiz überführt werden.
Wieder eine andere Minderheit beantragt, dass bei der vereinfachten Zulassung von Pflanzenschutzmitteln weitere Verwendungsvorschriften definiert werden können. Ausserdem sollen Verwendungsvorschriften der betreffenden EU-Mitgliedsstaaten für Schutzziele, die bisher in der Schweiz nicht berücksichtigt wurden, übernommen werden können. Aus Sicht der Minderheit sind diese Regelungen nötig, um das Schutzniveau in der Schweiz aufrechterhalten und die von den Pflanzenschutzmitteln ausgehenden Risiken beherrschen zu können. Weiter wird von einer Minderheit gefordert, dass für Pflanzenschutzmittel, die nur in den Niederlanden oder in Belgien zugelassen sind, in der Schweiz keine erleichterte Zulassung möglich sein soll. Sie ist der Ansicht, die ökologischen und agronomischen Bedingungen in diesen Ländern würden sich zu sehr von den in der Schweiz herrschenden unterscheiden, als dass eine vereinfachte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gerechtfertigt wäre. Ausserdem spricht sich eine Minderheit dagegen aus, Notfallzulassungen aus EU-Ländern in der Schweiz automatisch zu übernehmen, da die Schweiz bereits heute über ein funktionierendes System für die eigenständige Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Notfallsituationen verfügt.Bei der automatischen Übernahme der Genehmigung von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten möchte eine Minderheit eine Einschränkung vorsehen: Diese soll nur für Substanzen möglich sein, die in der EU ab dem 1. Januar 2023 genehmigt und daher mit aktuellen Methoden geprüft wurden. Zudem möchte eine Minderheit dem Bundesrat die Möglichkeit geben, für genehmigte Wirkstoffe, Safener und Synergisten von der EU abweichende Vorschriften vorzusehen, wenn der Schutz von Mensch, Tier oder Umwelt dies erfordert. Der Bundesrat soll bereits bei der Genehmigung der Wirkstoffe, Safener und Synergisten den Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt Rechnung tragen können, wenn diese in der Schweiz einen besonderen Schutz geniessen. Aus Sicht der Minderheit ist es unerlässlich, dass der Bundesrat eine Möglichkeit hat, zu reagieren, wenn von einem Wirkstoff, Safener oder Synergisten ein unzumutbares Risiko ausgeht.
Zwei Minderheiten beantragen schliesslich, dass der Bundesrat nicht bei Produkten, sondern bei Wirkstoffen von den Genehmigungen der EU abweichen kann. Dies betrifft einerseits die Möglichkeit des Bundesrates, Produkte, Safener und Synergisten, die in der EU genehmigt sind, in der Schweiz nicht zu genehmigen, und andererseits seine Kompetenz, Wirkstoffe, Produkte, Safener und Synergisten, die in der EU nicht genehmigt sind, in der Schweiz zu genehmigen. Beide Minderheiten möchten dem Bundesrat diese Kompetenz nur für Wirkstoffe, Safener und Synergisten erteilen.

3 Vernehmlassung

Vom 9. September bis zum 9. Dezember 2024 führte die WAK-N eine Vernehmlassung zu ihrem Vorentwurf durch. Insgesamt gingen 145 Stellungnahmen zur Vorlage ein, eingereicht von allen 26 Kantonen, der Landwirtschaftsdirektoren-Konferenz, dem Verband der Kantonschemiker, sechs in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien (Die Mitte, FDP.Die Liberalen, GLP, Grüne, SP, SVP), dem Schweizer Bauernverband sowie anderen landwirtschaftlichen Verbänden und Unternehmen, weiteren Branchen- und Wirtschaftsverbänden, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen sowie von zahlreichen Privatpersonen.
Zwanzig Kantone, die Parteien Die Mitte, FDP.Die Liberalen und SVP sowie zahlreiche weitere Teilnehmende, insbesondere mit Bezug zur Landwirtschaft, stimmen der Vorlage mindestens im Grundsatz zu. Es wird begrüsst, dass der Handlungsbedarf bezüglich fehlender Pflanzenschutzmittel erkannt wurde, und dass das Zulassungsverfahren weiter auf die EU abgestimmt werden soll, wie etwa durch die Übernahme von Wirkstoff-Zulassungen. Damit werde die Schweizer Landwirtschaft in Bezug auf die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln gegenüber den umliegenden EU-Ländern nicht mehr benachteiligt.
Kritisiert wurde teilweise, dass die Vorlage den Schweizer Behörden weiterhin die Möglichkeit gewährt, von den relevanten EU-Ländern abweichende rechtliche Bestimmungen zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt zu berücksichtigen und gegebenenfalls abweichende Vorschriften zu erlassen. Stattdessen wird gefordert, dass die PSM direkt und ohne zusätzliche Beurteilung oder Einschränkungen durch die Schweizer Behörden zur Verfügung stehen. Zudem wurde gefordert, eine automatische Übernahme von Notfallzulassungen von PSM in der EU in die Vorlage aufzunehmen.
Sechs Kantone, die Parteien GLP, Grüne und SP sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und Privatpersonen lehnen die Vorlage grundsätzlich ab. Es wird befürchtet, dass die Vorlage den Bemühungen im Rahmen des Aktionsplans Pflanzenschutz und des Absenkpfads Pestizide zuwiderläuft, mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen. Weiter wird kritisiert, dass die Schweiz mit der Vorlage einen souveränen Pflanzenschutz aufgäbe, da die Schweiz Entscheide anderer Länder übernimmt und die Auswirkungen tragen muss, ohne an den Entscheiden mitwirken zu können. Es wird darauf hingewiesen, dass in den Nachbarländern zahlreiche problematische Wirkstoffe zugelassen sind, die in der Schweiz nicht zugelassen sind, und dass in den sechs relevanten EU-Ländern andere klimatische und agronomische Verhältnisse bestehen als in der Schweiz. Es wird vorgeschlagen, dass die Schweiz ihre Beurteilung der Risiken für Mensch, Tier und Umwelt auf den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren soll und zusätzliche Verwendungsvorschriften definieren können soll.

4 Grundzüge der Vorlage

Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 22.441 ist eine Anpassung des Landwirtschaftsgesetzes vom 29. April 1998 (LwG) ² vorgesehen. Darin wird die Übernahme der Genehmigungsentscheide bezüglich Wirkstoffe, Safener und Synergisten der EU aufgenommen. Dabei sollen Genehmigungen und Genehmigungswiderrufe von Wirkstoffen, Synergisten und Safenern zur gleichen Zeit wie in der EU erfolgen. Diese Kernforderung der parlamentarischen Initiative ist die Grundlage, um Pflanzenschutzmittel, die in EU-Mitgliedstaaten zugelassen sind, auch in der Schweiz anzuerkennen. Begrifflich geht es um ein vereinfachtes Zulassungsverfahren und nicht um eine Anerkennung. Letztere würde kein Gesuch voraussetzen. Dieses vereinfachte Verfahren soll ausschliesslich für Pflanzenschutzmittel möglich sein, welche in an die Schweiz angrenzenden EU-Mitgliedstaaten, den Niederlanden oder Belgien zugelassen sind. Mit dieser Einschränkung wird sichergestellt, dass die betroffenen Pflanzenschutzmittel für ähnliche landwirtschaftliche Bedingungen wie in der Schweiz beurteilt wurden.
Im Rahmen des vereinfachten Zulassungsverfahrens werden ausschliesslich die Risiken für jene Bereiche beurteilt, für die in der Schweiz von der EU abweichende rechtliche Bestimmungen gelten. Dies betrifft die Beurteilung der Risiken für Gewässer gestützt auf die Bestimmungen zum Schutz der Gewässer sowie die Einschränkungen für die nichtberufliche Verwendung.
Wird ein Pflanzenschutzmittel aus einem an die Schweiz angrenzenden EU-Mitgliedstaat, den Niederlanden oder Belgien zugelassen, erfolgt dies mittels Verfügung. Diese erhält dieselbe Geltungsdauer wie die Zulassung im betreffenden EU-Mitgliedstaat. Die Verwendungsvorschriften für das Pflanzenschutzmittel werden an das schweizerische System angepasst, wenn dies ohne Beurteilung möglich ist. Dies, damit die Anwenderinnen und Anwender für alle in der Schweiz zugelassenen Pflanzenschutzmittel möglichst einheitliche Vorgaben einhalten müssen. Beispielsweise soll das Schweizer System der Abstände gegenüber Gewässern von 6, 20, 50 oder 100 Metern beibehalten bleiben. Wenn eine Zulassung eines der Schweiz angrenzenden EU-Mitgliedstaats einen Abstand von 5 Metern vorsieht, würde in der Zulassung in der Schweiz der bisher übliche Abstand von 6 Metern verfügt werden. Ist in der Schweiz keine entsprechende Verwendungsvorschrift definiert, wird diese nicht übernommen.
Widerrufe und Rückzüge der Zulassungen im betreffenden EU-Mitgliedstaat müssen von der Zulassungsinhaberin in der Schweiz gemeldet werden. Diese werden ohne Prüfung übernommen. Bei Änderungen der Zulassungen im betreffenden EU-Mitgliedstaat muss in der Schweiz ein Änderungsgesuch eingereicht werden. Dieses wird ebenfalls nach dem vereinfachten Verfahren beurteilt.
Das Verfahren soll maximal 12 Monate dauern. In dieser Zeit erfolgt ebenfalls das Parteistellungsverfahren.
Ist ein Verfahren um Zulassung eines in einem an die Schweiz angrenzenden EU-Mitgliedstaat, den Niederlanden oder Belgien zugelassenen Pflanzenschutzmittels zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Gesetzesänderung hängig, so kann die Gesuchstellerin innerhalb von drei Monaten ab Inkrafttreten beantragen, dass auf das vereinfachte Zulassungsverfahren umgeschwenkt wird. Damit wird sichergestellt, dass das vereinfachte Verfahren auch auf hängige Zulassungsverfahren angewendet werden kann. Andererseits will man mit der relativ kurzen Frist verhindern, dass die Zulassungsstelle und die Beurteilungsstellen hängige Gesuche unnötig lange weiterbearbeiten.
² SR 910.1

5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

5.1 Bundesgesetz über die Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG, SR 910.1)

Art. 160
In Absatz 6 wird hinzugefügt, dass die Zulassung ausländischer Pflanzenschutzmittel in Artikel 160 b geregelt wird.
Art. 160a
Genehmigung von in der EU genehmigten Wirkstoffen, Safenern und Synergisten für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln
Gemäss Absatz 1 gelten alle Wirkstoffe, Safener und Synergisten, die in der EU für die Verwendung in Pflanzenschutzmitteln genehmigt sind, auch in der Schweiz als genehmigt. Durch diese Bestimmung werden Genehmigungen und Genehmigungswiderrufe von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten mit der EU synchronisiert.
In Absatz 2 wird spezifiziert, dass die Bedingungen und Einschränkungen der EU, d.h. die zeitliche Befristung der Genehmigungen, die Reinheitskriterien und die Sonderbestimmungen (z. B. Einschränkungen der Verwendungsbestimmungen, Hinweise zur Beurteilung der Pflanzenschutzmittel usw.) übernommen werden. Dass Wirkstoffe, Safener und Synergisten in der Schweiz ab dem gleichen Zeitpunkt wie in der EU als genehmigt oder nicht genehmigt gelten, hat zur Folge, dass auch Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln, die einen nicht mehr genehmigten Wirkstoff, Safener oder Synergisten enthalten, gleichzeitig wie in der EU widerrufen werden. So wird verhindert, dass Pflanzenschutzmittel, die in EU-Mitgliedstaaten nicht mehr zugelassen sind, in der Schweiz weiterhin verkauft werden. Das Schutzniveau bezüglich der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt entspricht so demjenigen der EU.
Die Übernahme der Genehmigungen erfolgt im rechtlichen Sinne durch den Verweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ³ (Grundverordnung). Mit dem Verweis auf diese Grundverordnung gelten sämtliche Wirkstoffe, Safener und Synergisten, die in der EU mittels Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 ⁴ genehmigt sind, auch in der Schweiz als genehmigt. Konkret wird auf die Artikel 13 Absatz 4 und 78 Absatz 3 der Grundverordnung verwiesen. Gestützt auf Artikel 78 Absatz 3 wurde die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 erlassen, mit der die Liste der in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG ⁵ aufgenommenen Wirkstoffe übernommen wurde. Gestützt auf Artikel 13 Absatz 4 werden weitere Wirkstoffe, Safener und Synergisten in dieser Durchführungsverordnung aufgenommen. In der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 sind somit sämtliche in der EU genehmigten Wirkstoffe, Safener und Synergisten aufgeführt.
Mit Absatz 3 kann der Bundesrat Ausnahmen von Absatz 1 vorsehen und Produkte, Synergisten oder Safener, die in der EU genehmigt sind, in der Schweiz nicht genehmigen. Die Nichtgenehmigung von Produkten kann auch aufgrund der darin enthaltenen Wirkstoffe erfolgen. Davon betroffen wären z. B. Wirkstoffe, die gentechnisch veränderte Mikroorganismen sind, oder Wirkstoffe, die in der Schweiz - je nach Herstellungsverfahren - als Mikroorganismen oder gentechnisch veränderte Mikroorganismen definiert sind, in der EU jedoch als Chemikalien.
Für die Genehmigung von Wirkstoffen, Produkten, Safenern oder Synergisten in der Schweiz, die in der EU nicht genehmigt sind, kann der Bundesrat entsprechende Voraussetzungen festlegen (Abs. 4). Für Wirkstoffe, Produkte, Safener oder Synergisten, für die in der EU ein Gesuch explizit abgelehnt wurde, soll dies hingegen nicht möglich sein. Diese Bestimmung ist erforderlich, um beispielsweise Makroorganismen weiterhin in der Schweiz in Verkehr bringen zu können.
Schliesslich wird mit Absatz 5 festgehalten, dass Absatz 1 nicht gilt, wenn einem Wirkstoff, Safener oder Synergisten die Genehmigung gestützt auf Artikel 9 Absatz 5 des GSchG entzogen wurde.
Laut Absatz 6 sollen Notfallzulassungen von Pflanzenschutzmitteln in einem an die Schweiz angrenzenden EU-Mitgliedsstaat, den Niederlanden oder Belgien auch in der Schweiz automatisch übernommen werden. Dies bedeutet, dass die Schweiz die Notfallzulassung des jeweiligen Mitgliedstaats ohne eigene Beurteilung übernimmt. Damit soll insbesondere sichergestellt werden, dass durch die neu auftretenden und sich schnell ausbreitenden Schadorganismen und die automatische Übernahme der Rückzüge von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten durch die Europäische Union keine gravierenden Lücken beim Schutz der Kulturen entstehen.
³ Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates, ABl. L 309 vom 24. November 2009, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2022/1438, ABl. L 227 vom 1. September 2022, S. 2.
⁴ Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe, ABl. L 153 vom 11. Juni 2011, S. 1; zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) 2024/1768, ABl. L 2024/1768 vom 27. Juni 2024.
⁵ Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl. L 230 vom 19. August 1991, S. 1.
Art. 160b
Zulassung von in an die Schweiz angrenzenden EU-Mitgliedstaaten, in den Niederlanden oder in Belgien zugelassenen
Pflanzenschutzmitteln
Sofern für ein in der Schweiz beantragtes Pflanzenschutzmittel bereits ein identisches Pflanzenschutzmittel in einem an die Schweiz angrenzenden EU-Mitgliedstaat, in den Niederlanden oder in Belgien zugelassen ist, kann diese Zulassung für die gleichen Verwendungszwecke wie im entsprechenden EU-Mitgliedstaat auf Gesuch hin zugelassen werden. Dies, sofern die darin enthaltenen Wirkstoffe, Safener und Synergisten in der Schweiz genehmigt sind (Abs. 1). Diese Bestimmung kann auch herangezogen werden, um die bestehende Zulassung eines Pflanzenschutzmittels auf eine neue Verwendung auszudehnen.
Voraussetzungen für die Zulassung sind, dass ein vollständiges Dossier gemäss den Datenanforderungen der EU ⁶ , die denjenigen der Pflanzenschutzmittelverordnung vom 12. Mai 2010 ⁷ (PSMV) entsprechen, eingereicht wird und dass die von der EU abweichenden rechtlichen Bestimmungen der Schweiz eingehalten sind (Abs. 2). Eine Prüfung erfolgt nur in Bereichen, bei denen in der Schweiz von der EU abweichende Bestimmungen gelten. Von der EU abweichende Bestimmungen gelten beispielsweise zum Schutz derjenigen Gewässer, die nach Artikel 68 der PSMV spezifische Beurteilungen erfordern: Die Konzentration von nicht relevanten Metaboliten in Grundwasserschutzzonen und im Zuströmbereich von Trinkwasserfassungen muss voraussichtlich berechnet werden.
Gestützt auf Absatz 2 werden die Verwendungsvorschriften an diejenigen der Schweiz angepasst, wenn dies ohne Beurteilung der Risiken für Mensch, Tier oder Umwelt möglich ist. Dadurch gilt für alle Pflanzenschutzmittelzulassungen in der Schweiz eine harmonisierte Palette von Verwendungsbedingungen. Beispielsweise werden die Abstände zu Gewässern wie in der Schweiz üblich auf entweder 6, 20, 50 oder 100 Meter festgelegt und keine davon abweichenden, aus den EU-Zulassungen stammenden Abstände verfügt. Bei Verwendungsvorschriften der betreffenden EU-Mitgliedstaaten für Schutzziele, die bisher in der Schweiz nicht berücksichtigt wurden, werden keine neuen Verwendungsvorschriften eingeführt. Es ist jedoch möglich, dass zu einem späteren Zeitpunkt auch in der Schweiz Verwendungsvorschriften für solche Schutzziele eingeführt werden. Die Umformulierung der Verwendungsvorschriften vereinfacht die Umsetzung durch die Anwenderinnen und Anwender. Die Übernahme der Verwendungsvorschriften beinhaltet auch die Geltungsdauer der Zulassung.
Im Rahmen des vereinfachten Zulassungsverfahrens wird zudem geprüft, ob das Pflanzenschutzmittel identisch mit demjenigen im betreffenden EU-Mitgliedstaat ist, das Dossier vollständig ist, der Schaderreger in der Schweiz vorhanden ist und die Schweizer Kulturbezeichnungen verwendet werden. Bei Pflanzenschutzmitteln für die nichtberufliche Verwendung wird zusätzlich geprüft, ob die Kriterien nach Anhang 12 Teil 1 PSMV erfüllt sind.
Zulassungen zur Bewältigung von Notfallsituationen (Notfallzulassungen nach Art. 40 PSMV) können gestützt auf die geltenden Bestimmungen schneller abgewickelt werden, als dies mit dem neuen vereinfachten Verfahren der Fall wäre. Deshalb ist es nicht sinnvoll, das vereinfachte Verfahren auf Notfallzulassungen auszudehnen.
Mit Absatz 3 wird sichergestellt, dass auch Anpassungen der Zulassungen im betreffenden EU-Mitgliedstaat in der Schweiz übernommen werden. Die Zulassungsinhaberin ist verpflichtet, der Zulassungsstelle den Widerruf oder den Rückzug der Zulassung im betreffenden EU-Mitgliedstaat innert 30 Tagen zu melden. Diese werden ohne Prüfung übernommen. Bei Änderungen der Zulassungen im betreffenden EU-Mitgliedstaat (einschliesslich Erweiterungen des Verwendungsbereichs) muss in der Schweiz ein Änderungsgesuch eingereicht werden. Die Änderungen werden ohne Beurteilung in die Verfügung übernommen, sofern sie nicht Bereiche betreffen, in welchen in der Schweiz von der EU abweichende rechtliche Bestimmungen gelten, ansonsten erfolgt eine Beurteilung dieser Bereiche nach dem vereinfachten Verfahren. Auch Änderungsgesuche müssen die Dossieranforderungen erfüllen.
Der Bundesrat legt die Anforderungen an das Gesuchsdossier fest (Abs. 4). Für die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels, das in einem angrenzenden EU-Mitgliedstaat, den Niederlanden oder Belgien zugelassen ist, muss dargelegt werden, dass das Pflanzenschutzmittel für die beantragten Verwendungszwecke und zu den beantragten Verwendungsbedingungen im betreffenden EU-Mitgliedstaat zugelassen ist. Dazu ist eine Kopie der Zulassung des betreffenden EU-Mitgliedstaates erforderlich. Zudem muss das Pflanzenschutzmittel identisch sein mit dem im betreffenden EU-Mitgliedstaat zugelassenen Pflanzenschutzmittel. Um hierfür den Nachweis zu erbringen, ist die Zusammensetzung des Pflanzenschutzmittels des betreffenden EU-Mitgliedstaates einzureichen oder eine Bestätigung der Identität durch die Zulassungsinhaberin im betreffenden EU-Mitgliedstaat vorzulegen. Weiter muss das vollständige Dossier, das im betreffenden EU-Mitgliedstaat für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels eingereicht wurde, eingereicht werden. Wenn noch kein Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff, Safener oder Synergisten in der Schweiz zugelassen ist, muss zudem das vollständige Dossier für die Genehmigung des Wirkstoffs, Safeners oder Synergisten eingereicht werden. Dabei gelten die Dossieranforderungen der EU ⁸ zum Zeitpunkt der Einreichung des Gesuches in der EU. Schliesslich müssen der Zulassungsbericht für das betroffene Pflanzenschutzmittel sowie die Beurteilungsberichte des betreffenden EU-Mitgliedstaats eingereicht werden. Wenn der betreffende Mitgliedstaat nicht der berichterstattende Mitgliedstaat ist, müssen der Bericht des berichterstattenden Mitgliedstaats und die Kommentierung des betreffenden Mitgliedstaats zu diesem Bericht eingereicht werden.
Das Dossier muss in zweifacher Ausfertigung eingereicht werden: ein vertrauliches, ungeschwärztes Exemplar für die Behörde sowie ein Exemplar, in dem die vertraulichen Informationen geschwärzt sind, damit dieses im Rahmen des Parteistellungsverfahrens nach Artikel 160 d den berechtigten Organisationen ausgehändigt werden kann.
⁶ Verordnung (EU) Nr. 284/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln ABl. L 93 vom 3. April 2013, S. 85.
⁷ SR 916.161
⁸ Verordnung (EU) Nr. 283/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Wirkstoffe gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl. L 93 vom 3. April 2013, S. 1 sowie Verordnung (EU) Nr. 284/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABl. L 93 vom 3. April 2013, S. 85.
Art. 160c
Dauer des Zulassungsverfahrens nach Artikel 160
b
Die Dauer des vereinfachten Verfahrens nach Artikel 160 b wird auf höchstens 12 Monate beschränkt. Dieser Zeitraum beinhaltet auch ein allfälliges Parteistellungsverfahren nach Artikel 160 d LwG.
Art. 160d
Artikel 160 b LwG in der Fassung gemäss der Änderung vom 16. Juni 2023 ⁹ des Landwirtschaftsgesetzes, in dem das Parteistellungsverfahren definiert wird, wird verschoben und nach den Bestimmungen zur vereinfachten Zulassung eingefügt. Das Parteistellungsverfahren ermöglicht den berechtigten Organisationen nach dem Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 1⁰ über den Natur- und Heimatschutz (NHG), in die Unterlagen Einsicht zu erhalten und am Verfahren teilzunehmen.
⁹ BBl 2023 1527
1⁰ SR 451
Art. 160e
Der Artikel 160 a des geltenden LwG wird hinter die Bestimmungen zur Zulassung verschoben. Er würde im Fall eines Abkommens mit der EU im Bereich der Pflanzenschutzmittel zum Tragen kommen, allerdings nur für Pflanzenschutzmittel, die in der gesamten EU zugelassen sind. Die meisten Pflanzenschutzmittel werden jedoch auf Ebene der EU-Mitgliedstaaten zugelassen, weshalb im Fall eines Abkommens nur ein Teil der Pflanzenschutzmittel davon betroffen wäre (beispielsweise Saatbeizmittel). Folglich werden die neuen Bestimmungen zur vereinfachten Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die in an die Schweiz angrenzenden EU-Mitgliedstaaten, den Niederlanden oder Belgien zugelassen sind, auch im Fall eines Abkommens weiterhin relevant bleiben.
Art. 187f
Übergangsbestimmungen zur Änderung vom [Datum des Erlasses]
Gesuchstellende, deren Gesuch um die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels, das in einem an die Schweiz angrenzenden EU-Mitgliedstaat, den Niederlanden oder Belgien zugelassen ist, bei Inkrafttreten der Änderung vom […] hängig ist, und die das Pflanzenschutzmittel nach dem vereinfachten Verfahren zulassen lassen möchten, müssen dies innerhalb von 3 Monaten ab Inkrafttreten der Neuregelung beantragen. Es ist davon auszugehen, dass eine grosse Zahl von Gesuchstellenden einen solchen Antrag stellt, da das vereinfachte Verfahren rascher abgewickelt wird. Entsprechend wird ein Vorbehalt eingefügt, da in einigen Fällen die Frist nach Artikel 160 c nicht eingehalten werden kann.

6 Auswirkungen

6.1 Auswirkungen auf den Bund

Die Anpassungen sehen vor, dass Genehmigungen von Wirkstoffen, Safenern und Synergisten in der EU zeitgleich in der Schweiz übernommen werden. Die bisherige Praxis, wonach die in Anhang 1 PSMV geführte Liste der zugelassenen Wirkstoffe, Safener und Synergisten halbjährlich angepasst werden, entfällt. Dies reduziert den Aufwand des Bundes für die Revisionen der PSMV.
Weiter sollen Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln, die in an die Schweiz angrenzenden EU-Mitgliedstaaten, den Niederlanden oder Belgien zugelassen sind, neu in der Schweiz und vereinfacht erteilt werden können. Dies reduziert den Aufwand des Bundes bei der Beurteilung dieser Pflanzenschutzmittel.

6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Aufgaben der Kantone als Vollzugsbehörden werden inhaltlich durch die vorliegende Revision nicht verändert. Der Bund wird, wie bereits heute, die Vollzugsbehörden bei der Prüfung der Zusammensetzung der Pflanzenschutzmittel unterstützen. Dies ist möglich, weil die genaue Zusammensetzung der Pflanzenschutzmittel auch bei vereinfachter Zulassung Teil der Dossieranforderungen ist.

6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Vorlage sieht vor, dass Pflanzenschutzmittel, die in EU-Nachbarländern, in den Niederlanden oder in Belgien bereits zugelassen sind, vereinfacht und innerhalb von maximal 12 Monaten zugelassen werden. Dadurch werden für die Landwirtschaft gewisse Pflanzenschutzmittel, darunter auch solche mit geringem Risiko, voraussichtlich rascher zur Verfügung stehen. Dies hat eine positive Auswirkung auf die landwirtschaftliche Produktion.
Für Gesuchstellende wird sich diese Beschleunigung des Verfahrens ebenfalls positiv auswirken, da sie neue Pflanzenschutzmittel rascher auf den Markt bringen können.

6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die Vorlage hat keine direkten Auswirkungen auf die Gesellschaft.

6.5 Auswirkungen auf die Umwelt

Die Übernahme der Verwendungsvorschriften aus den angrenzenden EU-Mitgliedstaaten, den Niederlanden oder Belgien kann in bestimmten Fällen das Schutzniveau beeinflussen, beispielsweise durch die Nicht-Berücksichtigung der höheren Niederschlagsmenge in der Schweiz, die Nicht-Berücksichtigung anderer Eintragswege in Oberflächengewässer oder durch die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln mit besonders risikoreichen Wirkstoffen. Weiter kann auch die Nichtübernahme von Verwendungsvorschriften aus den betreffenden EU-Ländern ein Risiko für die Umwelt darstellen. Eine solche Verwendungsvorschrift kann beispielsweise zur Reduktion eines Risikos definiert worden sein: durch das Weglassen dieser Vorschrift kann in der Schweiz dieses spezifische Risiko nicht reduziert werden.
Solange die Verwendungsvorschriften, wie vorgesehen, die umweltrelevanten Bestimmungen der Schweiz, die von der EU abweichen, berücksichtigen (z. B. des Gewässerschutzrechts) wird der Schutz der Umwelt in diesen Bereichen nicht reduziert. Die vorgesehenen Ausnahmen ermöglichen es zudem, dass die Bestimmungen in Bezug auf das Gentechnikgesetz vom 21. März 2003 1¹ eingehalten werden.
1¹ SR 814.91

6.6 Andere Auswirkungen

Die vereinfachte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die in angrenzenden EU-Mitgliedstaaten, den Niederlanden oder Belgien zugelassen sind, führt dazu, dass weniger Beurteilungen in der Schweiz durchgeführt werden. Dadurch ist mit einem Kompetenzverlust im Vergleich zu EU-Ländern zu rechnen. Diese wechseln sich nämlich im Rahmen des zonalen Zulassungsverfahren bei der Beurteilung von Pflanzenschutzmitteln ab, sodass jedes Land eine gewisse Expertise aufrechterhalten kann.

7 Rechtliche Aspekte

7.1 Verfassungsmässigkeit

Die Änderungen stützen sich auf die Artikel 74, 76 und 104 der Bundesverfassung (BV) ¹2 . Diese räumen dem Bund weitgehende Befugnisse und Aufgaben in den Bereichen Umweltschutz und Landwirtschaft ein.
¹2 SR 101

7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Im Bereich der Pflanzenschutzmittel bestehen zurzeit keine bilateralen oder multilateralen Abkommen und entsprechend keine derartigen internationalen Verpflichtungen.
Die geforderten Massnahmen sind zudem mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar. Ausländische Pflanzenschutzmittel werden nicht ungünstiger behandelt als gleichwertige inländische Produkte. Allfällige pflanzenschutzrechtliche Massnahmen müssten gemäss den Vorgaben des WTO-Abkommens über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Massnahmen (SPS-Abkommen) notifiziert werden.

7.3 Erlassform

Die Vorlage beinhaltet wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind.

7.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Mit Artikel 160 a Absätze 2-4 und 160 b Absatz 4 werden Rechtsetzungsbefugnisse an den Bundesrat delegiert.
Bundesrecht
Parlamentarische Initiative. Modernen Pflanzenschutz in der Schweiz ermöglichen. Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates
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