Gesetz über die Beilegung von kollektiven Arbeitsstreitigkeiten
                            Gesetz über die Beilegung von kollektiven  Arbeitsstreitigkeiten  Vom 7. April 1957 (Stand 1. Januar 2011)  Vom Volke angenommen am 7.  April 1957  1  )
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            1. Aufgabe und Zuständigkeit des kantonalen Einigungsamtes
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 1 Aufgabe
                            1  Das   Einigungsamt   hat   kollektive  Arbeitsstreitigkeiten   durch  Vermittlung   (Eini  -  gungsverfahren) oder durch Schiedsspruch (Schiedsverfahren) beizulegen.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 2 Begriff der kollektiven Arbeitsstreitigkeit
                            1  Als kollektive  Arbeitsstreitigkeit  im Sinne dieses Gesetzes gilt  jede Streitigkeit  über   das  Arbeitsverhältnis   zwischen   einem   oder   mehreren  Arbeitgebern   auf   der  einen   und   einem   erheblichen   Teil   von   Arbeitnehmern   eines   Betriebes,   einer  Betriebsabteilung oder einer Berufsgruppe auf der anderen Seite.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 3 Zuständigkeit
                            1  Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder ihre Verbände eine vertragliche, neutral  oder paritätisch zusammengesetzte Einigungs- oder Schiedsstelle vorgesehen, so ist  diese für die Beilegung im Einzelfalle zuständig.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Besteht keine solche vertragliche Einigungs- oder Schiedsstelle, tritt sie trotz dem  Begehren einer Partei nicht in Tätigkeit oder sind ihre Vermittlungsbemühungen er  -  folglos geblieben, so obliegt die Beilegung dem Einigungsamt.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3  Das Einigungsamt tritt als Vermittlungsstelle in der Regel nur auf begründetes Ge  -  such einer Partei in Funktion. Von Amtes wegen wird es nur in Fällen tätig, in denen  die Erhaltung des Arbeitsfriedens im öffentlichen Interesse liegt.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            4  Die   Funktion   des   Einigungsamtes   als   Schiedsgericht   setzt   ein   entsprechendes  schriftliches Gesuch beider Parteien voraus, worin diese ausdrücklich Annahme des  Schiedsspruches erklären.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            1)  B vom 8.  Oktober 1956, 339; GRP 1956, 427
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2. Organisation des Einigungsamtes
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 4 Zusammensetzung, Wahl
                            1  Das Einigungsamt besteht aus einem neutralen Obmann, je einem Beisitzer der  Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und dem Aktuar.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Die Regierung wählt den Obmann und einen Stellvertreter.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3  Die Regierung wählt je drei Beisitzer der Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Be  -  rufsverbände erhalten Gelegenheit, dazu Vorschläge einzureichen.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            4  Die Amtsdauer beträgt vier Jahre.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            5  Der Obmann bestimmt im Einzelfall die Beisitzer.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            6  Das Aktuariat  besorgt  ein Beamter der kantonalen  Verwaltung.  Dieser hat kein  Stimmrecht.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 5 Aufsicht
                            1  Das Einigungsamt untersteht der Aufsicht der Regierung.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Der Obmann erstattet der Regierung jährlich Bericht über die Tätigkeit des Eini  -  gungsamtes.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3. Einigungsverfahren
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 6 Einleitung
                            1  Der Obmann leitet auf das schriftliche Begehren einer Partei hin oder allenfalls von  sich aus das Vermittlungsverfahren ein. Er prüft zunächst die Zuständigkeit des Eini  -  gungsamtes. Sein Entscheid darüber kann mit Verwaltungsbeschwerde an die Regie  -  rung weitergezogen werden. Der Entscheid der Regierung ist endgültig.  *
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Der Obmann versucht vorerst, den Streitfall von sich aus gütlich beizulegen.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3  Scheitert der Versuch, so legt er den Fall ungesäumt dem Einigungsamt vor, wel  -  ches nochmals eine gütliche Verständigung anstreben kann.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 7 Ausstand und Einsprachen
                            1  Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Ausstand gelten sinngemäss  1  )  .
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Einsprachen gegen die Mitwirkung eines Mitgliedes des Einigungsamtes entschei  -  det die Regierung.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 8 Vollmacht, Legitimation der Parteivertreter
                            1  Die   Parteivertreter   haben   eine   schriftliche   Vollmacht   der   am   Streit   beteiligten  Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorzulegen.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            1)
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 10 ff. ZPO, BR 320.000
                            2  Als Parteivertreter sind Rechtsanwälte sowie Personen zugelassen, die am Streitfall  unmittelbar beteiligt sind oder in einem beteiligten Verband eine leitende Funktion  ausüben.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3  Das Einigungsamt entscheidet endgültig Einsprachen über die Legitimation von  Parteivertretern.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 9 Pflichten der Vorgeladenen
                            1  Die vom Einigungsamt vorgeladenen Parteien und Personen sind verpflichtet, zu  erscheinen, zu verhandeln, Auskunft zu geben und die verlangten Unterlagen beizu  -  bringen.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Auf begründetes Gesuch einer Partei kann die Akteneinsicht auf den Obmann be  -  schränkt werden, der den Beisitzern die nötigen Aufschlüsse gibt. Der Obmann ent  -  scheidet darüber, wieviel Personen zu den Verhandlungen zuzulassen sind.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3  Erscheint eine Partei ohne genügende Entschuldigung zu den Verhandlungen nicht,  so kann das Einigungsamt nach Anhörung der anwesenden Partei und auf Grund der  Akten dennoch seine Tätigkeit fortsetzen.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 10 Ermittlung des Tatbestandes
                            1  Das Einigungsamt ist befugt, zur Abklärung des Sachverhaltes Urkunden einzufor  -  dern, Zeugen einzuvernehmen, Sachverständige beizuziehen und Augenscheine an  -  zuordnen.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Es gelten dabei sinngemäss die Vorschriften der Zivilprozessordnung  2  )  .
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 11 Form und Kosten
                            1  Die Anträge der Parteien sind schriftlich zu stellen. Im übrigen ist das Verfahren  mündlich.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Die Verhandlungen sind nicht öffentlich. Der Aktuar führt das Protokoll.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3  Die Kosten des Verfahrens trägt der Kanton. Das Einigungsamt kann jedoch die  Kosten ganz oder teilweise einer Partei auferlegen, wenn sie das Verfahren mutwil  -  lig veranlasst oder ebenso erschwert  hat. Kostenentscheide sind wie  gerichtliche  Urteile vollstreckbar.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 12 Vermittlungsvorschlag
                            1  Gelingt keine direkte Verständigung, so arbeitet das Einigungsamt unter Ausschluss  der Parteien einen Vermittlungsvorschlag aus. Dieser wird den Parteien am Schlusse  der Beratung mündlich eröffnet und hernach schriftlich zugestellt. In der schriftli  -  chen Mitteilung wird eine Frist festgesetzt, binnen welcher die Parteien schriftlich  die Annahme oder Ablehnung des Vermittlungsvorschlages zu erklären haben. Nur  teilweise Annahme gilt als Ablehnung.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2)  BR  320.000
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Das Einigungsamt unterrichtet in der Regel in der ihm geeignet erscheinenden Wei  -  se die Öffentlichkeit über den erfolglosen Ausgang der Vermittlung, wenn der Ver  -  mittlungsvorschlag nicht beidseitig angenommen wird und sich die Parteien auch  nicht schriftlich zur Durchführung eines Schiedsverfahrens bereit erklären, worüber  sie zu befragen sind. Die Erklärung zu Protokoll vor dem Einigungsamt wird der  schriftlichen Erklärung gleichgestellt.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 13 Schweigepflicht
                            1  Der Obmann, die Beisitzer und der Aktuar sowie die Sachverständigen haben über  die in Ausführung ihrer Obliegenheiten gemachten Wahrnehmungen, die ihrer Natur  nach vertraulich zu behandeln sind, Verschwiegenheit zu wahren.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 14 * Rechtsmittel
                            1  Der Vermittlungsvorschlag ist inhaltlich unweiterzüglich. Verfügungen des Eini  -  gungsamtes als Vermittlungsinstanz können, sofern eine Gesetzesverletzung geltend  gemacht wird, mit Beschwerde gemäss Zivilprozessordnung
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            1  )   an das Kantonsgericht  weitergezogen werden.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            4. Schiedsverfahren
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 15 * Verfahrenshinweise
                            1  Die  Vorschriften   über   das   Einigungsverfahren   gelten   sinngemäss   auch   für   das  Schiedsverfahren. Subsidiär sind die Normen der Zivilprozessordnung anwendbar.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            1)  SR  272
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 16 Schiedsspruch
                            1  An Stelle des Einigungsverfahrens oder nach einem erfolglosen Vermittlungsver  -  such fällt das Einigungsamt, als Schiedsgericht im Einverständnis beider Parteien,  im Rahmen seiner Zuständigkeit einen verbindlichen Schiedsspruch.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Der begründete Schiedsspruch wird den Parteien schriftlich mitgeteilt und ist mit  Vorbehalt der Beschwerde gemäss Zivilprozessordnung
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            1  )   endgültig.  *
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            5. Friedenspflicht
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 17 Grundsatz und Dauer
                            1  Während des Einigungs- oder Schiedsverfahrens haben die Parteien grundsätzlich  den Arbeitsfrieden zu wahren.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Der Obmann ist befugt, nach Anhörung der Parteien die ihm gutscheinenden An  -  ordnungen zur Erhaltung des Arbeitsfriedens zu erlassen.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            3  Die Friedenspflicht beginnt mit der Einleitung des Einigungsverfahrens und dauert
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            30 Tage. Das Einigungsamt kann durch einstimmigen Beschluss die Frist um höchs  -  tens 30 Tage verlängern.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 18 Sanktion bei Verletzung
                            1  Bei Verletzung der Friedenspflicht fordert das Einigungsamt die Fehlbaren auf, von  ihrem Verhalten sofort abzustehen. Kommen diese der Aufforderung innert nützli  -  cher Frist nicht nach, so unterrichtet das Einigungsamt die Öffentlichkeit über den  Sachverhalt in geeigneter Weise.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  Die Friedenspflicht auf Grund dieses Gesetzes gilt unabhängig von einer allfällig  vertraglich festgelegten Friedenspflicht. Ebenso bleiben die zivilrechtlichen Folgen  der Verletzung der gesetzlichen und vertraglichen Friedenspflicht vorbehalten.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            6. Schlussbestimmungen  *
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 19 * ...
Art. 20 Inkrafttreten
                            1  Die Regierung bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes  2  )  .
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            1)  SR  272
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2)  Gemäss RB vom 1.  November 1957 auf den 1.  Januar 1958 in Kraft gesetzt.
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 21 Aufgehobenes Recht
                            1  Das Gesetz vom 27.  Mai 1908 betreffend Einigungsverfahren und Massnahmen ge  -  gen Ausschreitungen bei Kollektivstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbei  -  tern  1  )   sowie die Verordnung vom 27.  November 1922 betreffend das kantonale Eini  -  gungsamt
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2  )   sind mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgehoben.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            1)  AGS VI, 695
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            2)  AGS VII, 30
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            Änderungstabelle - Nach Beschluss  Beschluss  Inkrafttreten  Element  Änderung  AGS Fundstelle
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            07.04.1957  01.01.1958  Erlass  Erstfassung  -
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            31.08.2006  01.01.2007  Art. 6 Abs. 1  geändert  2006, 3317
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            16.06.2010  01.01.2011  Art. 14  totalrevidiert  2010, 2491
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            16.06.2010  01.01.2011  Art. 15  totalrevidiert  2010, 2491
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            16.06.2010  01.01.2011  Art. 16 Abs. 2  geändert  2010, 2491
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            16.06.2010  01.01.2011  Titel 6.  geändert  2010, 2406
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            16.06.2010  01.01.2011  Art. 19  aufgehoben  2010, 2406
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            Änderungstabelle - Nach Artikel  Element  Beschluss  Inkrafttreten  Änderung  AGS Fundstelle  Erlass  07.04.1957  01.01.1958  Erstfassung  -
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 6 Abs. 1 31.08.2006 01.01.2007 geändert 2006, 3317
Art. 14 16.06.2010 01.01.2011 totalrevidiert 2010, 2491
Art. 15 16.06.2010 01.01.2011 totalrevidiert 2010, 2491
Art. 16 Abs. 2 16.06.2010 01.01.2011 geändert 2010, 2491
                            Titel 6.  16.06.2010  01.01.2011  geändert  2010, 2406